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Zeitschrift ffir die gesamte experimentelle Medizln 133, 344--360 (1960) Aus der Universit/~ts-Kinderklinik GieBen (Komm. Direktor: Prof. Dr. Fg. KocH) Kinetik des Plasmabilirubinspiegels w~ihrend und nach der Austauschtransfusion Von CHRISTIAN HAGITTE Mit 3 Textabbildungen (Eingegangen am 2. Miirz 1960) Die Beobachtung des Bilirubinspiegels im Plasma bzw. Serum w~h- rend der Austauschtransfusion hat gezeigt, dab das Bilirubin naeh ganz anderen GesetzmiiBigkeiten abnimmt als die Rh-Erythroeyten. Zudem kommt es nach Beendigung des Eingwiffs regelm/~Big zu einem Wieder- anstieg des Farbstoffspiegels -- zum sog. ,,l~ebound-Ph/~nomen". Die durch den Austausch entnommene Bilirubinmenge erwies sieh als wesent- lich gr6Ber als die vor dem Austausch im Plasma vorhandene Blirubin- menge (BRow~ und Mitarbeiter, FO~FAR und Mitarbeiter, KS~m). Dieser Befund und die gegenfiber den Rh-Erythroeyten verzSgerte Abnahme des intravasalen Farbstoffspiegels sind Beweise ffir einen erheblichen Nach- strom aus dem Gewebe in die Blutbatm. Der jeweils am Ende eines Blutaustausehes meBbare Plasmaspiegel stellt somit ke~n uamittelbares Ma6 fiir die gewfinschte Abnahme der Farbstoffkonzentration im extra- vasalen Raum dar. Dennoeh liegt es auf der Hand, dab die HShe des Plasmaspiegels in irgendeiner Weise yon der GrSBe des extravasalen Vorrates abh~ngen muB. Um diese Abhi~ngigkeit zu kli~ren, uaterzogen wir die w~hrend des Austausches meBbare Bilirubinkurve einer mathe- matisehen Analyse. Das BilJrubin liegt in den Geweben in durchaus anderer Konzentration als im Plasma vor. Das extravasale Volumen, auf das der Farbstoff verteilt ist, stellt einen nicht bekannten Anteil am Gesamtvolumen des K6rpers dar. Fiir die mathematisehe Betraehtung hat sieh der rein fiktive Begriff des ,,Verteilungsvolumens" (WIDMARK, SCHWAI~TZ, DOST) bew~hrt, worunter man dasjenige Volumen versteht, auf das eia Stoff bei gleieher Konzentration innerhalb und auBerhalb der Gef~Bbahn verteilt ware. Setzt man das Plasmavolumen gleich I, so gibt uns das Verteilungs- volumen an, um das Wievielfaehe ein Volumen, in den das FlieBgleich- gewicht gest6rt wird, gr6Ber ist als dasjenige des Blutplasmas (DOST). Diese Definition beinhaltet die M6glichkeit, dab das Verteiinngsvolumen eines Stoffes gT6Ber ist als das KOrpervolumen. Ureter der Voraussetzung eines beliebig groBen Verteilungsraumes kann man ffir die analytische

Kinetik des Plasmabilirubinspiegels während und nach der Austauschtransfusion

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Page 1: Kinetik des Plasmabilirubinspiegels während und nach der Austauschtransfusion

Zeitschrift ffir die gesamte experimentelle Medizln 133, 344--360 (1960)

Aus der Universit/~ts-Kinderklinik GieBen (Komm. Direktor: Prof. Dr. Fg. KocH)

K i n e t i k des Plasmabilirubinspiegels w~ihrend u n d n a c h der A u s t a u s c h t r a n s f u s i o n

Von CHRISTIAN HAGITTE

Mit 3 Textabbildungen

(Eingegangen am 2. Miirz 1960)

Die Beobachtung des Bilirubinspiegels im Plasma bzw. Serum w~h- rend der Austauschtransfusion hat gezeigt, dab das Bilirubin naeh ganz anderen GesetzmiiBigkeiten abnimmt als die Rh-Erythroeyten. Zudem kommt es nach Beendigung des Eingwiffs regelm/~Big zu einem Wieder- anstieg des Farbstoffspiegels - - zum sog. ,,l~ebound-Ph/~nomen". Die durch den Austausch entnommene Bilirubinmenge erwies sieh als wesent- lich gr6Ber als die vor dem Austausch im Plasma vorhandene Blirubin- menge (BRow~ und Mitarbeiter, FO~FAR und Mitarbeiter, KS~m). Dieser Befund und die gegenfiber den Rh-Erythroeyten verzSgerte Abnahme des intravasalen Farbstoffspiegels sind Beweise ffir einen erheblichen Nach- strom aus dem Gewebe in die Blutbatm. Der jeweils am Ende eines Blutaustausehes meBbare Plasmaspiegel stellt somit ke~n uamittelbares Ma6 fiir die gewfinschte Abnahme der Farbstoffkonzentration im extra- vasalen Raum dar. Dennoeh liegt es auf der Hand, dab die HShe des Plasmaspiegels in irgendeiner Weise yon der GrSBe des extravasalen Vorrates abh~ngen muB. Um diese Abhi~ngigkeit zu kli~ren, uaterzogen wir die w~hrend des Austausches meBbare Bilirubinkurve einer mathe- matisehen Analyse.

Das BilJrubin liegt in den Geweben in durchaus anderer Konzentration als im Plasma vor. Das extravasale Volumen, auf das der Farbstoff verteilt ist, stellt einen nicht bekannten Anteil am Gesamtvolumen des K6rpers dar. Fiir die mathematisehe Betraehtung hat sieh der rein fiktive Begriff des ,,Verteilungsvolumens" (WIDMARK, SCHWAI~TZ, DOST) bew~hrt, worunter man dasjenige Volumen versteht, auf das eia Stoff bei gleieher Konzentration innerhalb und auBerhalb der Gef~Bbahn verteilt ware. Setzt man das Plasmavolumen gleich I, so gibt uns das Verteilungs- volumen an, um das Wievielfaehe ein Volumen, in den das FlieBgleich- gewicht gest6rt wird, gr6Ber ist als dasjenige des Blutplasmas (DOST). Diese Definition beinhaltet die M6glichkeit, dab das Verteiinngsvolumen eines Stoffes gT6Ber ist als das KOrpervolumen. Ureter der Voraussetzung eines beliebig groBen Verteilungsraumes kann man ffir die analytische

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Kinetik des Plasmabitirubinspiegels 345

Betraehtung demnach von einem intra- und extravasal gleich hohen Anfangsspiegel ausgehen. Die Gr6ge des Verteilungsvolumens ist damit ein Mag ffir die gesamte im Organismus befindliche Menge des betref- fenden Stoffes.

Fgnde kein Nachstrom des Bilirubins aus dem extravasalen l~aum start, nghme die Zahl der Bilirubinmolekeln im Blute und - - bei un- gest6rtem Hgmatokr i twer t - - auoh der Plasmaspiegel nach der gleiehen GesetzmgNgkeit ab, wie die Rh-Erythrocyten. Die l~h-Erythrocyten- elimination ist bereits mehrfach mathematisch formuliert worden ( W I ~ u. W~XL~R, OCJ~LITZ U. SCHMITZ, DOST). Vernachlgssigen wir den st6renden Umstand des ruckweise vor sich gehenden Abfalls - - wie es bei der meist gefibten Methode des intermittierenden Austausches im Wechset von Ausfuhr und Einfuhr der Fall ist - - , erhalten wir eine natfirliche Exponentialfunktion :

y~ = a . e - k ~ t , (1)

wobei Yi der intravasale Plasmaspiegel, a der Anfangsspiegel bedeuteu. Wird der Anstausch mit gleiehm/tgiger Folge der einzelnen Austausch- sehritte durchgeffihrt, so kaIm die zu einem Austausehsehritt ben6tigte Zeit als Zeiteinheit angesehen werden (etwa 3 min). k 2 stellt die Eli- minationskonstante dar und ist yon mehreren den Austausch betreffen- den Einzelfaktoren abhgngig : Gr53e des bei jedem Sehritt ausgetauschten Volumens und deren Verhaltnis zum Blutvolumen des Empf/tngers, H/tmatokrit des Spenderblutes. Ein grSBerer Untersehied des I tgmatokr i t beeinfluDt die Spiegelkurve erheblieh, meist im Sinne einer besehleunigten Abnahme, da im allgemeinen der Fliissigkeitsanteil ira Spenderblut gr6- Bet ist als im Empf/~ngerblut. Gliieklicherweise wird die Form der Glei- ehung (1) n/~herungsweise beibehalten, wie unten noeh demonstriert werden wird. Aus dem Gesagten geht hervor, dad die Konstante k z rficht vorher - - etwa durch Bereehnung der Einzelfaktoren - - festgelegt werden kann. Sie mud aus der Gesamtknrve extrapoliert werden (s. u.). Dutch Ableitung der Gleiehung (1) nach d t erh/~lt man die dureh den Austauseh bedingte Abnahmegesehwindigkeit des Plasmaspiegels:

d y i d t - - /% Y i . (2)

Die durch den Austausch hervorgerufene St5rung des Diffusions- gleichgewichts zwischen Plasma und Gewebe bedingt einen Nachstrom. Die Zahl N der pro Zeit tibertretenden Bilirubinmolekeln ist proportional zur jeweils herrschenden Konzentrationsdifferenz zwisehen Gewebe (Ye)

und Plasma (Yi): Ye - - Y~ = Y~ ( Y , , e x t r a v a s a l " - - y , , i n t r a v a s a l " = y -

, , D i ~ e r e n z " ) . d N

- - const. �9 Y d . d t

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346 CHRISTIAN HAGITTE :

In dieser Form ist die Gleichung nur giiltig ftir die Molekelzahl, nieht f/Jr die Spieget~ndernngen, derm dureh den Stofffibertritt aus dem Ge- webe in die Blutbahn ~ndern sieh sowohl der extra- als aueh der intra- vasale Spiegel; erster nimmt ab, wghrend letzterer zunimmt. Die dabei auftretenden Spiegel/~nderungen sind umgekehrt proportional zu den jeweiligen Verteilungsr/~umen und dem G e s a m t v e r t e i l u n g s v o l u m e n ( V o l ) .

Somit betragen die Abnahmegesehwindigkeit im extravasalen Raum

dye lzi dt - - kl V o l Ya (3)

und die Zunahmegeschwmdigkeit im intravasalen Raum

d y~ Ve dt - - @ kl V o l ya ' (4)

wobei Ve und V i den extravasalen nnd iatravasalen Verteilungsraum und Vol deren Summe, das Verteilungsvolumen symbolisieren, k 1 sei die Geschwindigkeitskonstante des Nachstroms, sie ergibt sich aus der Dif- fusibilit/it des Bilirubins, der Permeabilitiit der Capillarwandung und der Diffusionsfl/iche. Wie ohne weiteres zu ersehen ist, ergibt

Ve Vi lq ~ + k 1 ~ = lq ,

Ve Vi und wenn wir f/ir ]c I -Vo/= ci und fiir k l v ~ = c e setzen, gilt ci + c e = Ic 1

und c~ _ Ve ce Vi "

Die ~nderungsgesehwindigkeit des intravasalen Spiegels ergibt sieh dureh Addition der Abnahme- und Zunahmegesehwindigkeit bzw. der Gleiehungen (2) und (4):

dy~ _ k2 Yi + c i ( y e - Y~) = - - ( k 2 + cr Yi + c~ Ye" (5) dt

Die Anderungsgesehwindigkeit des extravasalen Spiegels betri~gt naeh Gleiehung (3):

dye - - Ce (Ye - - Yi). (6) dt

Durch Integration erhalten wit die gesuchten Spiegel/inderungenL Zu- n/tcllst setzen wir ffir Ye und Yi 2 allgemeine Integrale:

Yi = A i e -k~ t + B i e - k ' t , (7)

Ye = Ae e -k~ t + Be e - k J " (8)

t I-Ierrn Privatdozent Dr. ~'. I-IueKEMAN~, Mathematisches Institut der Uni- versit~t GieBen, sei ffir die freundliche Anleitung bei der folgenden Integration besonders gedankt.

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Kinetik des Plasmabilirubinspiegels 347

Ihre Able i tungen miissen die Gleichungen (5) und (6) erffillen:

- - k a A~ e - k ' t - - k4 B i e - k ' t =

---- - - ( k z + ci) [ A i e - ~ . t + B i e - k ' t ] + c i [ A e e - k ~ + B e e - - k ' t ] , (9)

- - ] C a A e e - k ~ l _ _ k 4 B e e - k , t =

= - - c e " [Ae e - k J + B e e - k ' t ] + c e [ A i e - k ' t - r B i e - - k ' t ] . (10)

Du tch Ordnen beider Gleichungen nach links erhal ten wfi" 2 Gleichungen in Nul l form :

e - k . t [(k 2 + ci) A i - - k a A i - - c i A e ] +

+ e - - k ' t [ ( k 2 -I- ci) B ~ - k t B i - - c i B e ] = O,

e -~ '~ t [ c e A e - - k a A e - - c e A i ] + e - - k ' t [ c e B e - - k a B e - - c e B i ] = O.

Diese beiden Gleichungen besagen, dab alle Klammerausdr f i cke den Wer t Null haben :

(k S + c i ) A i - - ]caA i - - c i A e z O, (11)

(k2 4- ci) B i - - k a B i - - c i B e = 0, (12)

c e A e - - k a A e - - c e A i = O, (13)

% B e - k a B e - c e B i = O. (14)

Diese Gleichungen lassen sich wie folgt umordnen :

c i A~ = (k 2 + c~ - - ka) A i % A i = (c~ - - ka) A~ und

ci B e = (k2 + c~ - - k4) B i c e B i = (% - - ka) B e .

Dutch Division der oberen durch die un te ren Gleichungen ergeben sich:

A s A i k2 + ci - - k~ A i A e Ce - - k s

-B- e z B i k2 + c l - - /ca u / l d B i = B~e " ce - - k~t "

Die beiden le tzten Gleichungen lassen sich iae inander einsetzen:

k2 + C i - ]C a

Weiterhin gilt A ~ ci ce - - ]ca

A s ]c 2 -~ c~ - - ]c a c e

und Bi ci ce - - ~ 4

B e k~ -z7 Ci - - k l Ce Daraus folgt :

c, c~ = (k~ + ci - - / c a ) (% - - k3) = (/c2 + c i - - k~) (c~ - - / q ) .

Z. ges. exp . 1Vfed,, Bd . 133 2 4

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348 Cna:sT~N H:G:T~,:

Demnach sind k a und k a L6sungen der Gleichung:

oder x 2 - x(k 2 + c i § c~) + ksce - - 0,

' gl- x = ~ (ks + h + ce) :~ (ks + c~ + %)~-- k~%.

i n d e m wit k.~ < k~ festlegen, t r~gt k~ alas negat ive und k 4 das posit ive Vorzeichen vor der Wurzel.

k4 - - k3 = V(k~ + ci + c e ) 2 - 4 ks ce,

k3 ~V k4 = kS ~- Ci -~ Ce = kl -~ k2~ (15)

Nachdem die Beziehungen der KonstaaterL unere inander e rmi t te l t sind, wollen wit den Anfangspiegel a ffir den intra- und ex t ravasa len Kurven - ver lauf ein,ffihren. Zur Zeit t o gilt: a = Yio = Y~~ und Yao = 0. Gehen wit mi t diesen Beziehungen i~ Gleichungen (5) und (6) :

dY~ = - - k 2 a (16) dt (t = o)

und

dy_~ = o. (17) d t (t = o)

Aus den Gleichunger~ (7) und (8) ergibt sich ffir t = 0:

a = A i -@ B i = A e + Be;

somit ist Bi = a - - A t (18)

und B e = a - - A e . (19)

Aus den Gleichungen (9), (16) ur~d (18) lassen sich A i u n d B~. bes t immen :

k a A i - - k : ( a - - A~) = - - a k 2 = - - k 4 B ~ - - k a ( a - B~) ,

k s - - k 8 k 4 - - k2 B i = a - k , - - k 8

A~ = a k 4 - - k 3 '

Aus den Gleichungen (10), (17) und (19) l~sser~ sich A e und B e bes t immen :

- - k ~ A e - k a ( a - - A e ) = 0 = - - ka B e - k 3 ( a - - B e ) ,

ks k , B e = - - a k , ~ k---~ A e ~ a k4 - ks ,

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Kinetik des Plasmabilirubinspiegels 349

Durch Einsetzen yon A i, Bi, A e und B e in die Gleichungen (7) und (8) erhalten wit die fertig entwickelten FunJ~tionen Yi und Ye, dutch Sub- traktion der ersten yon der zweiten Funktion die Differenz Ya. Der Einfachheit halber behalten wir k s und k abei, zumal ihre Komponenten k2, k 1 bzw. c i u n d ce nicht gegeben sind.

el, Yl -- k4-- ka [(ka - - k2) e--k' t ~- (k2 - - ka) e--k' t] ' (20)

a

Ye -- k~-- ka [kae- -k~t - - kae--k ' t] ' (21)

a

Ya - - ]~4-- k3 [k~e--k~t - - k2e--k't]" (22)

Kurvendiskussion

Durch laufende Bestimmungen des Bilirubinspiegels w~hrend des Austausches ]gBt sich Yi als Fun~ktion der Zeit graphisch darstellen. Wie die Gleichung (20) zeigt, handelt es sich um die Summe zweier e-Funk- tionen. Jeder dieser beiden Summanden getrermt betrachtet wfirde bei der graphischen Darstellung in halblogarithmischem Papier als Gerade erscheinen, die entsprechend den verschiedenen Exponenten k~ und k 4 eine voneir~ander abweichende Neigung haben. Beide Teilfunktionen streben mit steigendem t dem Grenzwert Null zu. Dieser Grenzwert wird theoretisch erst nach unendlich langer Zeit erreicht. Die An~/iherung erfolgt jedoch mi~ verschiedener Geschwi~digkeit, und zwar proportional zur Konstante im Exponenten. Da ka sehr viel grSBer ist als k3, t r i t t nach emer nicht exakt bestimmbaren Zeit ihre Funktion nicht mehr mel3bar m ErscheLaung, da sie sich ihrem Grenzwert Null auf eine nicht mehr mel3bare Distanz gen~hert hat. Yiir die summarische DarsteUung der Funktion Yi in halblogarithmischem Papier bedeutet dies, dal~ die anf/inglich gekrfimmte Kurve unmerkbar in eine Gerade ausl/~uft, deren Neigung nut noch durch die Konstante k s bestimmt ist, und die somit einer reinen e-Funktion entspricht. Diese Funktion A i e - k . ~ 1/il3t sich ohne Schwierigkeit zahlenm~l~ig bestimmen. Durch Verl/s des geraden Kurventeiles bis zur Abszisse t o erhalte ich einen Sclmittpunkt von der HShe A~. k s ist geometrisch dutch die Neigtmg der Geraden gegeben. Ihren zahlenm~13igen Wert erhalte ich durch folgende Formel:

t~-- t x ' (23)

wobei Yl und Y2 die HShe des Plasmaspiegels zu den Zeiten t I un4 t 2 darstellen. Die Kurvenpul~ te (Yl, tl) und (y~, t2) miissen im geraden Teil der Kurve licgen und sollen - - um eLae grSl~ere Genauigkeit zu erzielen, ~ c h t unmittelbar nebeneinander liegen. D~e ]~estimmung der

24*

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3 5 0 CHRISTIAN HAGITTE :

Koas ta I r t e ka er forder t die ge t renn te Dars te l lung der F u n k t i o n B i e - k , t .

Die GrSSe B i ergibt sich ohne weiteres als Differenz a - - A i . Nun w/~hlt m a n einen P u n k t (Ya, t3) der noch im gebogenen Tefl der Plasmaspiegel - kurve l iegen mug. Ya ist die Summe der be iden Tei l funkt ionen A i e - k . t .

und B i e -a ' f~ . D a uns zur E r m i t t l u n g der K o n s t a n t e k 4 nur der W e f t der 2. F u n k t i o a fehlt , mfissen wir den W e r t der 1. F u n k t i o n - - gegeben

( t ) -Ze i /

6

Abb. 1. Auff indung tier K o n s t a n t e n k3 und k4 du t c h Zer]egung tier P lasmasp iege lkurve (yon a his Yi, n ver laufend) in ihre beiden ]~2omponenten A i e - - k a t (yon A i bis Yi, n ver lau- fen4, als Gerade dargestel l t) u n d B i e - - k 4 t (entspr ieht der HShe der schraff ier ten Fl~ehe). Der Pfeil gibt den ungef~hren E in t r i t t des Fliei3gleiehgewiehtes an. a, y~, yx u n d y~ sind die 4 znr Fes t legung der K u r v e nStigen ]VIeBounkte. N~heres im Text . ( t t a lb logar i thmischer

Ras ter )

du tch die verl/~ngerte G e r a d e - yon Ya abziehen. (YB3 = Y a - - Y A 3 )

(Abb. 1) ka er rechnet sich j e t z t ir~ der gleichen F o r m w i e k a nach der Fo rme l :

In B~ - - In YB 3 ka - - t~ (24)

k~ ergibt sich nunmehr aus den Gle ichungea (9) und (16)

dy~ = - - a k 2 = - - k a A i - k a B i ,

dt (t = o)

ks A i + k4 B i (25) k 2 - - a

J e t z t e r rechnet sich k 1 mfihelos nach Gle ichuag (15) : k 1 ~ k 3 q- k~--ke. Zur Berechnung v o a c e be lmtzen wir a m einfachsten die obige quadra- t ische Gleichung, deren absolu tes Glied k 2 c e l au te t . D a des absolu te Glied e iaer quadra t i schen Gleichung dem P r o d u k t ihrer Wurze ln gleich ist, g i l t : k s - k4 = k2 %. Es folgt

k3 k4 (26) C e - - 1~ 2

und c i : k 1 - - %. (27)

Page 8: Kinetik des Plasmabilirubinspiegels während und nach der Austauschtransfusion

Kinetik des Plasmabilirubinspiegels 351

Da ci Ve Ce -- Vi ist, errechnet sich V e aus:

und Vol aus:

V~ V~: c~ �9 C e

(28)

(29)

Naeh Ermit t lung der Volumina k6nnen die absoluten Stoffmengen best immt werden :

Die intravasale Stoffmenge :

Die extravasale Stoffmenge:

Die gesamte Stoffmenge :

vor dem Austauseh, naeh dem Austauseh

a . V i Yi,~" V~

a" V e y~,~. V e

a . Vot Yi ,~" Vi + Ye,~" Ve"

Der Index n bezeiehnet hier die Spiegelh6hen nach Beendigung des Austausches. Die Genauigkeit der Stoffmengenbestimmung leidet art der groBen Schwankungsbreite des Blur- und Plasmavolumens beim Neu- geborerten. Das Blutvolumen wird sehr unterschiedlich zwischen 1/1 a bis 1/s des K6rpergewichtes angegeben. Beim Neugeborenen ist es weit- gehend vom Zeitpunkt der Abnabelung nach der Geburt abhangig. Die Plasmavolumenwerte unterhegen weiteren Schwanku~gert, je nach dem Grad der An/~mie, die sich im Gefolge der Erythroblastose eingestellt hat. Zudem gibt es Volumenverschiebungen im Zusammenhang mit dem initialen Gewichtsverlust, der ja weitgehend eirt Flfissigkeitsverlust ist. Diese Unsicherheiten bedingen es, dab die Konstante k 2 nicht einfaeh aus den Austauschvolumina best immbar ist.

Nachdem wir die intravasale Stoffabnahme eingehend analysiert haben, wollen wir noeh km'z die extravasale Funktion Ye urtd die Diffe- renzfunktion Yd betrachten. Die in beiden Kurven auftretenden Kon- stanten sind die gleichen wie in Yi, so dab dazu nichts zu sagen ist. Da die Exponenten gleich sind, werden die beidea Kurven im halblogarith- mischen Raster zur gleichen Zeit gerade wie die intravasale: d .h . es nehmen Yi, Ye und ya mit der gleichen Proportionaht/it ab. Diesen Zu- stand bezeichnet man als Flie/3gleiehgewicht (nicht zu verwechseln mit Diffusionsgleichgewicht !). Das bedeutet aber weiterhin: I m geradhnigen Teil der Kurven ist das Verh/~ltnis der Spiegel untereirtander konstant. Es gilt dann die Beziehung

y~: y~ : y~ = const. = A.~ : A d : A e . (30)

Diese Gleichung ist der Schlfissel ffir die n/iherungsweise Bestimmung des ,,Rebound-Ph~nomens". Wit der Austausch nach n Austauschschritten

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352 Cm~ST~N HAGrrT~ :

beendet, so errechnet sich aus dem gemessenen Wert Yi, n Ye, n und Yd, n

unter A~wendung der Formel (30):

Ae k~ Ye, n = Yi,,~ A t - - Yi , n k 4 _ _ k s , (31)

A ~ k 2 Y ~ .n : Y~,n ~ ( : Y~,n k 4 - - k~ " (32)

Nach dem Austausch Ml t der Nachstrom des Bilirubins solange an, bis ein DiffusionsgMchgewicht zwischen Plasma und Gewebe eingetreten

yr �84

I ' 7z+t--~ 0 I I I I I I I I I I I I / I I I I I

n {Ze//) Abb. 2. Das Verhalten des intravasalen Spiegels Yi und des fiktiven extravasalen Spiegels Ye nach Beendigung des Blutaustausehes ( t ~ n ) . Yi, n u n d Ye, n sind die intra- mad extra- vasalen Spiegel unmit telbar na~h Beendigung des Austausehes (t = n). Yd, n ist die Diffe- renz beider Spiegel, Vi 1tad Ve die zu beiden Spiegeln gehSrenden Verteilungsrhume. Der Pfefl gibt den ungef~hren Eintr i t t des Diffusionsgleiehgewichts (bzw. 4er fiktiven Spiegel- gleichheit) an. Die abgeklammerten Streeken dienen znm leiehteren Verst~ndnis der Glei-

chungen (33), (34), (35), (40) und (41). Linearer Raster

ist bzw. bis der Spiegel Yi die gleiehe H6he erreieht hat wie der fiktive Spiegel Ye. Dieser einheitliehe Endspiegel entsprieht der Gipfelh6he des zu erwartenden Rebound, weswegen wir ihn mit Yr bezeiehnen wollen. yr ergibt sieh aus der Nernstsehen Mischungsregel (Abb. 2).

V~ gi Yr = Yi, n @ -Vol Yd, n = Ye, n Vol Yd, n " (33)

Bis zum Erreichen der fiktiven Spiegelgleiehheit nimmt der extra- vasale Spiegel mit zur Differenz proportionaler Gesehwindigkeit ab, der intravasale in entsprechender Weise zu:

d Ye V i d t (t>=n)'= - - % " (y~ - - Yi) = - - ~ 1 ~ - ~ ( Y e - Y i ) , (34)

Ve d y i = + ci " (Ye - - Y i ) = ]~I V ~ (Ye - - Yi) " (35) d t (t>=n)

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Kinetik des Plasmabilirubinspiegels 353

Ihre allgemeinen Iategrale sind:

Ye (t>n) = Ce e--k~ ~ De e--k't (36)

Yi(t>=n) = Ci e-kSt ~- Di e-k~t (37)

und ihre Ableitungen :

- - ]c5Cee--k#__ ]c6D e e - k . t .~

= - -ce(Cee -k~t ~- Dee -k~ -4- ce(Cie - k ~ -~ Die--k ' t ) , (38)

- - k 5 C i e--k~ t __ ]c6D i e -k~t =

-~ -~ c~(Ce e-k~t -~ Dee - k ' t ) - - c i ( C i e -k~t ~- D~e--k't). (39)

Durch Ordnen nach links und Zusammenfassung der gleichlautenden e-Funktionen erhalten wit:

e--k't(--]csCe ~- CeC e - - ceCi ) -~ e--k ' t ( - -k6De ~- ceD e - - c e D i ) ~ O,

e - -k ' t ( - -ksCi - c i C e -~ ciCi) -4- e - - k o t ( - - k G D i - ciD e ~- QD~) = O.

Aueh hier haben alle Klammerausdrficke den Wert Null. Daraus er- geben sich folgende Beziehungen:

ceCi = (Ce--ks) Ce,

ceD i = ( % - - k 6 ) D e ,

Ci te = (c~--ks) Ci ,

c,iD e = ( c i - - l c s ) D i ,

ci - - k5 Ce - ks ci - - ]c~ ce-- k~ '

De ce

Ci ce--k5 Ce

Di Ce--k6 De '

Ce ci - - k5 Ci De c~--ks Di

Ge Ce c i - - k 5 Ci Ce--k 5 c~

ci - - k 6 Dg C e - IQ ci

Danach gilt :

(ce--l~5) ( c i - - k s ) = (ce- -k6) (c~--k6) = c~c~.

k 5 und/Q sind also Wurzeln derselben quadratischen Gleichung

( % - - x ) ( c i - - x ) = c~% oder

x 2 - x ( c e + c~) = 0 .

Diese quadratische Gleichung ohne absolutes Glied hat die Wurzeln

x l z c eq- c i z k l ,

x~ - - O.

Page 11: Kinetik des Plasmabilirubinspiegels während und nach der Austauschtransfusion

354 C~RISTIAN HAGITTE :

Somit ergibt sich ffir k 5 ~ ]c I u n d k s = 0. Durch den Wegfall der Kon- stante k s werden die D-Glieder konstant, die Gleiehungen (36) und (37) einfaehe e-Funktionen. Da ihre Anfangs- und Endwerte bereits bekannt sind (Gleiehung 33), ergeben sieh die , ,Rebound-Kurven ohne Sehwierig- keit (Abb. 2)

V~ e_klt) Ye(t>=n) = Ye, n Vol Yd 'n(1 - - ' (40)

V~ e_k~t) Yl (t>_- n) = Yi ,~ -~ ~ Ya, n ( 1 - - �9 (41)

Bei t = n entf&llt in beiden Gleichungen das zweite Glied, d .h . die ersten Glieder stellen die Anfangsspiegel der Kurven dar. Bei t -* co streben die Klammern in den zweiten Gliedern den Wert 1 an, d. h. sie fallen weg, die Funktionen n~hern sich beide Yr" Aus der Gr613e der Kon- stante kl kann ermittelt werden, in welcher Zeit die Spiegeldifferenz Ya z.B. auf 0,5% ihrer ursprfinglichen H6he Yd, n abgesunken ist. Die Glei- chungen (40) und (41) verlaufen gegensinnig, dem Wiederanstieg im Plasma entspricht ein Weitersinken der Gewebekonzentration.

Da sich der Spiegel Ye auf den fiktiven Begriff des Verteilungsvolu- mens zurfickffihrt, ist er naturgemi~l~ selbst eine Fiktion. Der tats~chliche Spiegel im extravasalen Raum bleibt unbekannt. Jedoch ist die Abnahme yon Ye wiihrend und nach dem Austauseh proportional zur Abnahme der absoluten Stoffmenge im extravasalen Raum. So gibt der Ausdruck

y r . 100 die verbleibende Stoffmenge in Prozenten der anf~nglichen Stoff- a

menge im Extravasalraum an. I)urch die bier durchgeffihrte Analyse des Plasmabilirubinspiegels

wahrend und naeh der Blutaustausehtransfusion k6nnen demnach fol- gende Werte n/~herungsweise ermittelt werden:

1, Yr Gipfe]h6he des nach einem Austausch zu erwartenden Wiederanstieges im Plasma.

2. k I Nachstromkonstante des Bilirubins als MaB ffir die Dif-

fusibilit~t dieses Stoffes,

3. Vol, V e Verteilungsvolumen und extravasaler Verteilungsraum als

MaB ffir die im Gewebe und im Gesamtorganismus vor-

handene Bilirubinmenge.

4. y r . 100 Prozentuale Abnahme des Bilirubins als MaB ffir den Aus-

wascheffekt eines Blutaustausches.

Praktische Durchfiihrung der Analyse

Da e-Funktionen im halblogarithmischem Raster als Gerade zur Dar- stellung kommen, gentigen zum Festlegen ihres jeweiligen Verlaufes

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Kinetik des Plasmabilirubinspiegels 355

2 Kurvenpunkte. Da sich die Plasmabilirubinspiegelkurve aus 2 einfachen e-Funktionen zusammensetzt, werden insgesamt 4 Analysen zur Fest- legung der Gesamtkurve ben6tigt: der Anfangsspiegel a, der Endspiegel Yi , n - - und weitere 2 Kurvenpunkte, von denen der eine etwa nach dem 1. Viertel des Austausches, der andere nach dem 2. Drittel des Austau- sches zu bestimmen ware. Weitere 2 Kontrollanalysen sind zu empfehlen, um zuf&llige Fehlbestimmungen zu erkennen. Der weitere Analysengang sei hier noch einmal stiehwortartig zusammengefa~t:

Eintragung der 4 bzw. 6 gemessenen Spiegelh6hen in halblogarith- misehes Papier, dessen logarithmische Ordinate die Spiegelh6hen- und dessen lineare Abszisse die ZeitmaBe tragt.

Verbindung der 2 letzten (bzw. 3 letzten) Mei]punkte dureh eine Ge- rade, die bis zur Ordinate 0 durchgezogen mit ihr den Sehnittpunkt yon der H6he A i bildet.

Erreehnung der Konstanten k s naeh Gleiehung (23). Bestimmung des H6henunterschiedes der erste~ 2 (bzw. 3) MeBpunkte

zur durehgezogenen Geraden und Berechnung yon k 4 nach Gleiehung (24). Bereehnung der Konstanten k s nach Gleiehung (25). Damit sind die Funktionen yi, Ye und Y d numerisch festgelegt. Berechnung von

k 1 nach Gleiehung (15), c e nach Gleichung (26), c i nach Gleichung (27), V i grob 1/10 des K6rpergewichts in ml, V~ naeh Gleiehung (28), V o l naeh Gleichung (29), Ye, n nach Gleiehung (31), Ya, n nach Gleiehung (32), Yr naeh Gleichung (33).

Wir haben die Analyse bei einem 1680 g schweren Frfihgeborenen mit einer Bilirubinamie fiber 20 rag-% (ausschlieBlich indirektes Bilirubin) infolge yon Leberunreife praktisch durehgeffihrt. Die Serumbilirubin- bestimmungen (Serum und Plasma wurden nieht unterschieden) wurden nach einer modifizierten Methode yon JE~DRAS SZK U. GRSF durchgeffihrt. Der Austausch wurde intermittierend 10 mi]liliterweise durchgeffihrt; insgesamt wurden 410 ml Blut ausgetauscht, was etwa dem 2�89 des kindeseigenen Blutvolumens entsprach. Die Austausehgeschwindig- keit yon 5 Austauschschritten in 15 min konnte annahernd gleichmi~Big eingehalten werden. Der Bilirubinspiegel des Spenderblutes betrug 0,3 rag-% und wurde bei der Berechnung nicht berficksichtigt. Der Plasmaanteil betrug im Neugeborenenblut 45, in der transfusionsfertigen Spenderkonserve 65 Volume~prozent. Die gemessenen und errechneten

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356 Cm~ISTIAN HAr

18 A

8 fZ Is

=Zc'hl derAustauschsch~/#e mo

2 Std 3

20 r ~0 n § [ (Ze/~ nucb dem Austausch)

Abb. 3. Graphische Darstellung des Plasma~piegels wg~hren4 und nach der Austausch- transfusion sowie des fiktiven extravasalen Spiegels. Die Differenz zwischen beiden (Yd) entspricht tier H6he der senkrechten Schraffen. 13 w~ltrend des Aus6ausches durchgeffihrte Messtmgen ergeben tier theoretischen Kttrve sehr angen~herte Ergebnisse (als Kreise 4ar- gestellt.) Dahingegen liegt tier 3 Std nach Beendigung des Austauschs gewonnene Mel~punkt

signifikant h6her als die theoretische Gr62e Yr. Halblogarithmischer Raster

Werte sind in Abb. 3 zu vergleichen. Die Ergebnisse seien ira folgenden aufgezghlt :

a 23,7 mg-% k 1 0,1593/0,05 Std A; 14,8 mg-% c i 0,0401/0,05 Std B i 8,9 mg-% c e 0,1192/0,05 Std Yi, n 7,43 rag-% k 2 0,1025/0,05 Std Ye, n 12,78 mg-% k 8 0,0168/0,05 Std Ya,~ 5,35 mg-% k 4 0,2450/0,05 Std Yr 11,43 rag-% V i 75,5 ml (Plasmavolumen)

V~ 225,5 ml V o l 301,0 ml

Prozentuale Abnahme des Bflirubins: yon 100% auf 48,25% Wieder- anstieg zu 99,5% zu erwarten in 1 Std und35 rain.

In der folgenden Ubersicht sind die tatsgchlichen Megwerte des Plas- maspiegels nach der Austauschtransfusion dem errechaeten Wert gegen- iibergestellt :

Std nach den, Austausch

0 3 6

12 36

Plasmabi]ir ubins piegel (rag-%) gemessen errechnet

7,43 (7,43) 13,70 11,43 14,60 11,43 11,00 11,43 11,00 11,43

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Kinetik des Plasmabflirubinsloiegels 357

Weiterhin ergibt sich folgende n/~herungsweise gfiltige Bilirubinbilanz (Zahlen in rag):

Bf l i rub in intravasal extravasal Gesamt- organisrnus

Vor dem Austausch Bei Austauschende Nach dem Wiederanstieg

Entnommen aus

17,9 5,61 8,62

12,29 (33,3%)

53,4 28,76 25,75 24,64

(66,7%)

71,3 34,37 34,37 36,93

(100,0%)

Diskussion

Der in Abb. 3 dargestellte Vergleich zwischen den gemessenen und den auf Grund weniger Einzelwerte errechneten Plasmaspiegelwerten w/~hrend des Austausches zeigt eine sehr gute l~bereinstimmung und unterstreicht den Grad der N/iherung der mathematischen Analyse an die tatsachlichen Vorg~nge. Selbst relativ hohe Differenzen zwischen den Plasmaanteilen im Empfanger- und Spenderblut verursachen keine ins Gewicht fallende St6rung der sich w~hrend des ersten Drittels des Aus- tausches fiberlagernden e-Funktion B i e - k , t . Allerdings erh6ht sich bei groI~en Differenzen die Austauschgeschwindigkeitskonstante/c2, denn es wird ja bei jedem Austauschschritt nieht nur Bilirubin entfernt, sondern zus~tzlich findet eine schrittweise Vergr6Berung des intravasalen Plasma- volumens statt, die sich in einem rascheren Absinken der Konzentration ausdrfickt. In unserem Beispiel ware bei einem mirdmalen Blutvolumen von 1/13 des K6rpergewichts - - das Kind hatte vor dem Austausch einen betr/~chtlichen Verlust an K6rperwasser erlitten - - eine Konstante k 2 um 0,08/0,05 Std zu erwarten gewesen anstelle der ermittelten yon 0,1025.

Die mathematische Formu[ierung des Bilirubinspiegelabfalls gibt die M6glichkeit, verschiedene Modifikationen des Austauschverfahrens in Bezug auf ihren Auswascheffekt zu vergleichen. Wit wollen folgende 3 Variationen an Hand unseres Fanes fiberprfifen:

I. Verminderung der Austauschkonstanten k S auf die H~If~e. Das ge- schieht in der Praxis dadurch, dab wit 5milliliterweise 82real austausehen. Es errechnet sich darm ein Endspiegel yon 8,02 mg-% und ei~ Wieder- anstieg auf 9,8 rag-% bzw. die Bilirubinmenge hat yon 100% auf 41,4% abgenommen. Dutch die Variation ist also eine Vergr6~erung des Aus- wascheffektes urn 6,85% erzielt worden.

2. Unterbrechung des Austauschs nach 20 Schritten und Fortsetzung nach 2 Std -- 21 Schritte (nach einem Vorschlag yon KEUTH U. PAR- TENEI~). Es errechnet sich ein Spiegelabfall auf 10,54 mg-% und ein Wiederans~ieg auf 15,97 rag-% nach dem i. Toil, und ein Abfall ~uf 6,24 mg-% und ein Wiederanstieg auf 9,6 mg-% im 2. Tefl. Dies ent-

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358 CHRISTIAN HAGITT]~ :

spricht einer prozentualen Abnahme auf 40,55% des Anfangswertes bzw. eine Verbesserung des Auswascheffektes um 7,7%. Somit ist diese Va- riation wirkungsvoller als die erste.

3. Die 3. M6glichkeit besteht in der Erh6hung des Spfilvolumens bzw. einer Verl&ngerung des Austauschverfahrens. Steigern wir die auszu- tauschende Blutmenge um die H~Ifte, d. h. yon 410 auf 600 ml, so ergeben sich folgende Endwerte : Plasmaspiegel bei Ende -- 5,4 mg-%, Wieder- anstieg auf 8,0rag-%, prozentuale Abnahme auf 33,8% bzw. Ver- besserung des Auswascheffektes um 14,45%. Die 3. Variation, bei der im Gegensatz zu den ersten beiden eine gr6fere Menge Spenderblutes be- nStigt wird, erweist sich damit als die wirkungsvollste.

Bei sehr hohen Ausgangswerten - - etwa fiber 30 mg-~o - - ist daher mindestens mit dem 3 - - 3 ~ f a c h e n Blutvolumen auszutausehen, wenn man Rebound-Werte unter 10 rag- % erzielen will. Wahrscheinlich ist der bereits mancherorts iibliehe 2fache Austauseh mit dem doppelten B]ut- volumen die zu empfehlende Methode, sofern die beiden Magnahmen zeitlieh dicht genug aufeinanderfolgen.

Vergleicht man die gemessenen Plasmaspiegelwerte mit den errech- neten nach Beendignng des Austausches, so zeigt die Tabelle in den ersten Stunden erheblich hShere Mefwerte. Die laufenden Bestimmungen des Plasmaspiegels nach dem Austausch ergeben nach KEUTH u. PA~TE~SR ein sehr weehsetndes Verhalten der einzelnen Beobaehtungsfglle, so dab man sagen muff, dab sieh das Verhalten der Plasmaspiegel nach Ablauf der ersten 2- -3 Std der mathematischen Analyse entzieht. Folgende Vorggnge k6nnen den Spiegelverlauf in negativem oder positiven Sinne ver~ndern:

1. Durch die austausehbedingte Bilirubinentlastung f&llt die glucu- ronyltransferasehemmende Wirknng des Bilirubinfiberhangs fort und es kommt eine relativ rasche Spontanelimination des Farbstoffes in Gang. Die gemessenen Werte liegen dann alsbald unter den errechneten.

2. Dureh den Austauseh wird der PlasmaeiweiBspiegel erh6ht. Der Anstieg mug nach K. u. V. DIETEL bei Austauseh mit doppeltem Blut- volumen auf etwa 1/5--1/6 des Ausgangswertes veransehlagt werden. Das indirekte Bflirubin - - um solehes handelt es sieh ja fast aussehlieBlieh - - besitzt eine starke Affinit&t zu den Proteinen. So empfiehlt DANCIS Seruminfusionen zur Verhinderung des Kernikterus, da die Proteine das indirekte Bilirubin aus dem Gewebe in die Blutbahn abziehen, wie sieh im Tierexperiment naehweisen lieB. Mit einem ghnlichen Effekt muB aueh bei der Austausehtransfusion gereehnet werden. Es kommt deshalb zu unverh&ltnism&fig hohem Wiederansfieg im Plasma, dem aber ein durehaus erwfinsehter Abfall der Gewebskonzentration entspreehen dfirfte.

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Kinetik des Plasmabilirubinspiegels 359

3. Die dem Spenderblut zugesetzte wi~Brige Citratl6sung wird - - so- welt dies nicht sehon w~hrend der Austausehtransfusion gesehehen ist (VARQVHAa U. SMIT~) - - relativ rasch die Blutbahn verlassen, so dab eine Einengung des intravasalen Verteilungsraumes stattfindet. Dadurch wird wiederum eine zus~tzliche ErhShung des Plasmaspiegels hervorge- rufen.

4. SchlieBlich muB noeh ein gewisser Betrag neu gebildeten Bilirubins in Betraeht gezogen werden, wenn er aueh -- bei der K/irze der Beob-

aehtungszeit -- kaum ins Gewicht fallen d/irfte.

Man kann demnach folgendes feststellen: Der analytiseh errechnete

Wert der Plasmakonzentration 2 Std naeh dem Austauseh stellt in etwa

das Minimum des zu erwartenden Wiederanstiegs und sein Verh/~itnis

zum Anfangspiegel das Maximum etwa noch vorhandenen Bilirubins dar.

Das Diffusionsgleichgewieht stellt sieh naeh unserer Bereehnung, die

allerdings vorl~ufig nur auf der Erfahrung an einem Frfihgeborenen be-

ruht, binnen I Std und 35 min ein. KEUTH U. I)ARTENER setzen eine Zeit

yon etwa 2 Std an.

Zusammenfassung Der Verlauf tier Bilirubinspiegelkurve im Plasma w/~hrend und naeh

der Austauschtransfusion wird einer mathematisehen Analyse unterzogen, als deren Ergebnis Formeln gewonnen werden, die eine n/iherungsweise Berechnung folgender Gr6gen ermSglichen:

1. Die MindesthShe des Wiederanstiegs naeh der Austausehtrans- fusion.

2. Das ungef/~hre Verteilungsvolumen des Bilirubins als MaB ffir die jeweils vorhandene Stoffmenge.

3. Die Diffusibilit/~t des Bilirubins.

4. Die prozentuale Abnahme des Bilirubins im Gewebe.

Die praktisehe Verwendbarkeit wird an Hand eines Beispiels (Friih- geborenenikterus) dargetan. Verschiedene Austausehverfahren werden in Bezug auf ihren Bilirubinauswaschungseffekt vergliehen. Ursaehen ffir die yon der Bereehnung abweiehenden Plasmaspiegelwerte nach dem Wiederanstieg werden diskutiert.

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Dr. Cm~ISTIA~ HXGITTE, Universit~ts-Kinderklinik, GieBen, KlinikstraBe 28