10
W. T/imds: Zentrale 8t6rungen der Kreislaufregulation. 175 schen Zustand zu kompensieren. Nach eigenen Untersuchungen kann abet durch vorherige Gabe einer entsprechenden Dosis yon Gynergen die toxische Wirkung des Adrenalins vollst~indig aufgehoben werden, so dab Versuchstiere die mehrfach t0dtiche Dosis yon Adrenalin ohne jegliche sympathische Reizsymptome fiberstehen. Durch diese Versuche wird demonstriert, dab der Sympathicus, d.h. das vegetative Gesehehen in diesem toxischen Zustand ganz im Vordergrund steht. Auch die letale Dosis yon Cardiazol, sowie vom Veratrin, wenn dieses suboccipital im Tierexperiment appliziert wird, verursacht ein Lungen- 6dem. Durch vorherige Gabe yon Gynergen k6nnen auch diese toxische LungenCJdeme ganz ~ihnlich wie beim Adrenalin-LungenOdem unterdrfickt werden. Hieraus ergibt sich die gleiche Genese des Adrenalin-Cardiazol- und VeratrinlungenOdems. Durch die letale Dosis yon CardiazoI und Veratrin werden offenbar fibergeordnete vegetative Zentren gereizt, welches unter Ausl0sung sympathischer peripherer Funktions~inderungen des Herzens, des Splanchnicusgebietes und der Lungen zu dem toxischen Zustand des Lungen0dems ffihrt. Solche Versuche k0nnen zur Kl~irung der Genese des zentrogenen Lungen0dems auch in klinischer Hinsicht bei- tragen, wenn man bedenkt, dab bei Hirntraumen, beim status epilepticus sowie durch Reizung bestimmter Regionen im Zwischenhirn ein Lungen- Odem auftreten kann. Die beschriebenen Ergebnisse aus den vorliegenden experimentellen pharmakologischen Untersuchungen werden an einem fibersichtlichen Schema fiber ,,Das vegetative Geschehen" demonstriert. 4. Referat. W. Tiinnis, Bochum-Langendreer: Klinische Beobachtungen bei zentralen Stiirungen der Kreislaufregulation*. Mit 11 Textabbildungen. Wenn schon der Anatom und der Physiologe so miihsam datum ringen, Bauplart und Ordnung des Gebietes der zentralen vegetativert Regu- lationen unserem Verst~indnis n~iher zu bringen, wie zOgernd wird sich da der Kliniker bereit linden, zu diesem komplexen Geschehen Stellung zu nehmen. Und doch bietet die neurochirurgische Klinik eine Ffille yon Beobachtungen, die mir geeignet erscheinen, bei kritischer Auswertung gewisse Typen oder Syndrome yon Regulationsst6rungen bestimmten Abschnitten des Hirnstammes zuzuordnen. Ihre weitere Verfolgung k0nnte unsere patho-physiologische Erfassung des Krankheitsgeschehens im Einzelfall und damit unser prognostisches Urteil m.E. wesentlich * Aus dem Max-Planck-Institut fiir ttirnforschung, Abteilungfiir Tumorforschung und experimentelle Pathologie(Leiter: Prof. T6nn~) und dem Knappschaftskranken- haus Bochum-Langendreer,Chirurgisehe Abteilung (Leiter: Prof. T6nnis).

Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

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Page 1: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

W. T/imds: Zentrale 8t6rungen der Kreislaufregulation. 175

schen Zustand zu kompensieren. Nach eigenen Untersuchungen kann abet durch vorherige Gabe einer entsprechenden Dosis yon Gynergen die toxische Wirkung des Adrenalins vollst~indig aufgehoben werden, so dab Versuchstiere die mehrfach t0dtiche Dosis yon Adrenalin ohne jegliche sympathische Reizsymptome fiberstehen. Durch diese Versuche wird demonstriert, dab der Sympathicus, d.h. das vegetative Gesehehen in diesem toxischen Zustand ganz im Vordergrund steht.

Auch die letale Dosis yon Cardiazol, sowie vom Veratrin, wenn dieses suboccipital im Tierexperiment appliziert wird, verursacht ein Lungen- 6dem. Durch vorherige Gabe yon Gynergen k6nnen auch diese toxische LungenCJdeme ganz ~ihnlich wie beim Adrenalin-LungenOdem unterdrfickt werden. Hieraus ergibt sich die gleiche Genese des Adrenalin-Cardiazol- und VeratrinlungenOdems. Durch die letale Dosis yon CardiazoI und Veratrin werden offenbar fibergeordnete vegetative Zentren gereizt, welches unter Ausl0sung sympathischer peripherer Funktions~inderungen des Herzens, des Splanchnicusgebietes und der Lungen zu dem toxischen Zustand des Lungen0dems ffihrt. Solche Versuche k0nnen zur Kl~irung der Genese des zentrogenen Lungen0dems auch in klinischer Hinsicht bei- tragen, wenn man bedenkt, dab bei Hirntraumen, beim status epilepticus sowie durch Reizung bestimmter Regionen im Zwischenhirn ein Lungen- Odem auftreten kann.

Die beschriebenen Ergebnisse aus den vorliegenden experimentellen pharmakologischen Untersuchungen werden an einem fibersichtlichen Schema fiber ,,Das vegetative Geschehen" demonstriert.

4. Referat. W. Tiinnis, Bochum-Langendreer: Klinische Beobachtungen bei zentralen Stiirungen der Kreislaufregulation*.

Mit 11 Textabbildungen.

Wenn schon der Anatom und der Physiologe so miihsam datum ringen, Bauplart und Ordnung des Gebietes der zentralen vegetativert Regu- lationen unserem Verst~indnis n~iher zu bringen, wie zOgernd wird sich da der Kliniker bereit linden, zu diesem komplexen Geschehen Stellung zu nehmen. Und doch bietet die neurochirurgische Klinik eine Ffille yon Beobachtungen, die mir geeignet erscheinen, bei kritischer Auswertung gewisse Typen oder Syndrome yon Regulationsst6rungen bestimmten Abschnitten des Hirnstammes zuzuordnen. Ihre weitere Verfolgung k0nnte unsere patho-physiologische Erfassung des Krankheitsgeschehens im Einzelfall und damit unser prognostisches Urteil m.E. wesentlich

* Aus dem Max-Planck-Institut fiir ttirnforschung, Abteilung fiir Tumorforschung und experimentelle Pathologie (Leiter: Prof. T6nn~) und dem Knappschaftskranken- haus Bochum-Langendreer, Chirurgisehe Abteilung (Leiter: Prof. T6nnis).

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176 W. T6nnis:

f0rdern. Deshalb daft der Beitrag der Klinik in der gemeinsamen Be- handlung der zentralen Regulationsst~rungen nicht fehlen.

Meine Fragestellung w~ire demnach folgende: Kann man klinisch bestimmte Syndrome yon Regulationsst6rungen isolieren, die auf bekannte pathologisch-anatomische bzw. pathophysiologische Vorg~inge schlieBen lassen? Ich st0tze mich dabei auf Beobachtungen vor allem des Kreis- laufes, der Atmung und der Temperatur bei 225 intrakraniellen Geschwtil- sten und 156 frischen gedeckten Hirnverletzungen und 147frischen SchuB- verletzungen, die Seh6nbrunner in einer noch unver6ffentlichten Arbeit zusammengefaBt hat. Neben den tiblichen Kurven stehen dabei im Vordergrund die orthostatischen Kreislaufbelastungen nach Sehellong, die erg~inzt werden durch dynamometrische Untersuchungen an den Netz- hautgef~iBen, elektrokardiographische und elektroencephalographische Befunde. Die Untersuchungen wurden gemeinsam mit den Herren Ammermann, Loew, Borman und Steinmann durchgeffihrt.

lch gehe aus von einem bewuBt vereinfachten Schema der Regulations- gebiete und ihrer Leitungsbahnen. Ganz grob schematisch diirfen wir hier wohl als Zentrale den Hypothalamus hervorheben, von dem Leitungs- bahnen im Hirnstamm nach caudal und weiterhin im Halsmark ver- laufen. Ftir die ftir uns im Vordergrund stehenden vegetativen Funk- tionen des Kreislaufes, der Atmung und der Tempelatur finden sich die entscheidenden Kompensationsm0glichkeiten bei Regulationszwischen- ffillen im caudalen Hirnstamm, das heiBt auf der Strecke zwischen Ten- toriumschlitz und Hinterhauptsloch. Unterhalb, d. h. im Halsmark finden wir die Leitungsbahnen vorherrschend (Abb. I).

Zentrale Tenlor/um-

schh'tz

aupl~Ioch

L eitungs bahnen

Abb. 1.

nisch als das Bild des zentralen Schocks.

Die Ffille der L~isionen, die die einzelnen Abschnitte dieses Gebietes treffen k~n- nen, l~iBt sich ordnen in totale und partielle und weiterhin in akute und chronische.

Der akute und totale Aus- ~all der zentralen Regula- tionen, wie wir ihn bei di-

rekten oder indirekten Sch~idigungen der zentralen

Regulationsgebiete be- obachten, erscheint uns kli- Ein gutes Beispiel hierftir

bildet ein rechts fronto-occipitaler DurchschuB mit tiefer BewuBtlosig- keit (Fall Nr. 50 SehSneberg). Beide Pupillen maximal weit und reak- tionslos, Extremit~iten kalt, Puls 130, klein und weich, Blutdruck 70/50,

Page 3: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

Klinisehe Beobachtungen bei zentralen StSrungen der Kreislaufregulation. 177

Temperatur 37,5 °. Auf Peristoninfusion nur geringer Anstieg des Blut- druckes und Sinken des Pulses. Tod a m dritten Tag. Kein Hirndruck. Das noch vorhandene Minimum an Ausgleichsm0glichkeiten reichte nicht aus, das Leben zu erhalten.

Ein ganz anderes Bild zeigen part iel le d irekte oder ind i rek te Schdd igungen

des Hirnstammes.

Nr. 80 Busch: Einschu8 rechts und dieht unterhalb des Sinus conflueus. Steck- splitter in der Briicke. Tiefe BewuStlosigkeit. Hypotonie der Extremitgten. In den ersten 3 Tagen Blutdruck 110/80, Puls 140, Temperatur um 38 °. Am vierten Tag Abfall des Blutdruekes. Anstieg von Puls und Temperatur. Exitus am f/inften Tage. Sektion: kein Hiimatom, kein tIirndruek.

Nr. 40 Lift: Links parietal fast giinseeigrolSe TriimmerhShle. Tiefe Bewul]tlosigkeit. Blutdruck 120/70, Puls 70, Temperatur 37,3 °. Nach operativer Versorgung zuniichst normaler Verlauf. Am fiinften Tag Absacken des Blutdruckes und der Temperatur. Puls steigt an bis 160 (Abb. 2).

I Nz50,,.~chb~ llr. 8~ Bu. . /l~ qo, ~ 160 /

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~I I ~ I I I I I i'l I I I r b '~ o 5 0 5 0 5"

l(r~nkheilslaffe Abb. 2.

Ausgezogene Linie = Blutdruck groBpunktierte Linie = Puls kleinpunkt ier te Linie = Tempera tu r

Nr 7/, £~ :. 'C

N. ?8 :/%q:~

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l(mnkheilsl~ffe

Abb. 3.

In beiden F~illen ist - - abgesehen vielleicht v o n d e r Pulssteigerung im ersten Falle - - zun~ichst kein Ausfall zentraler Regulationen erkennbar. Anscheinend durch lokales Oedem trit t am vierten und ffinften Tag ein v011iges Versagen tier zentralen Regulationen auf. In beiden F~iilen ergab die Sektion keine Zeichen von Hirndrucksteigerung oder Meningitis.

Wiederum ein v011ig anderes Bild bieten die F~ille von sekund~irer Sch~idigung des Hirnstammes durch Hirndrucksteigerung oder Meningitis.

Nr. 71 Siift: Links oecipitaler ImpressionssehuS. Mehrere Stunden bewufltlos. 0fter erbrochen. Stumpf, teilnahmslos. Zeitliche und 5rtliche Orientierung fehlt. Normaler Verlauf bis am fiinften Tag Blutdruck, Temperatur und Pulsfrequenz ansteigen. Am siebenten Tag unter Abfall des Blutdruckes, starker Ityperthermie und Tachykardie Exitus. Die Sektion ergibt ein massives subdurales Hgmatom links mit besonderer Ausbreitung an der Basis der mittleren Schgdelgrube. Keine Einklemmungserscheinungen (Abb. 3).

Nr. 83 Seh: ImpressiousschulS links frontal mit primiirer VentrikelerSffnung. Tiefe BewuStlosigkeit. Verlauf naeh anfiingliehem Temperatur- und Blutdruek-

Deutsche Zeitschrif t f. Nervenhei lkunde, Bd. 162 (Kongrel~bericht). 12

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178 W. TOnnis:

anstieg normal. Am 13. Tag Meningitis. Am 15. Tag Blutdruck- und Temperatur- anstieg. Am 23. Tag unter Blutdruckablall Exitus. Sektion: basale Meningitis, keine H i r n d r u c k z e i c h e n (Abb. 4).

qo Nz 83, Scha. Hem~ TI~'~ °C Pr'o /~ ~S

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gr~nhhe#sloge

Abb. 4. Ausgezogene Linie = Blutdruck groBpunktierte Linie = Puls kleinpunktierte Linie = Tempera tu r

In beiden F~illen trat eine Steigerung des Blutdrucks und zwar vor- wiegend des systolischen auf, die wohl als Reizsymptom, im ersten Falle durch den Hirndruck, im zweiten durch die bakteriellen Toxine, aufgefaBt werden kann. In beiden Ftillen kam es dann, wie in allen vorhergehenden, zum Exitus unter Abfall des Blutdruckes.

Einen anderen Verlauf nahmen die folgenden 3 F~ille von Hirndruck- steifferung mit EinIdemmungserscheinungen.

A. L.: Offene, links parietale Hirnverletzung durch S~einfall. Tier bewul~tlos, Atmung uaregelmt~l~ig, schnarchend, sptiter r~sselnd. Pupillen beiderseits eng, ohne Lichtreaktion. Beiderseits TonuserhShung der Extremittiten mit Pyramidenz~ichen, sptiter deutliche, sich rasch wiederholende Streckkrt~mpfe. Blutdruck zuniichst 140/70, l~uls 60. Anstieg des Blutdruckes auf 170/60. Teml)era¢ur und Atemfrequenz-

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A.L., 5 180

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A , . - - - - - - I

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~ - . ~ ~ h m e n d e s Lungenb'dem

Abb. 5. S ta rk ausgezogene L in ie = B l u t d r u c k schwach ausgezogene L in ie ~ A t m u n g groi3punktierte Linie = Puls kleinpunktierte Linie = Tempera tu r

Offene Hirnverletzung links parietal durch Steinfall. Sofortige BewuBtlosigkeit, zunehmendes Lungenoedem bis zum Exitus letalis.

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Klinische Beobachtungen bei zentralen StSrungen der Kreislaufregulation. 179

steigerung. Starkes Lungenoedem. Tod nach 24 Std. Sektion: hochgradigster Hirndruck mit Einklemmung im Tentoriumsehlitz und tIinterhauptsloch. Prim/ires Hirnoedem (Abb. 5).

Sta. Do.: Gedeekte Impression parieto-oeeipital rechts. Tiefe Bewugtlosigkeit, h/iufige Streckkr~mpfe, Pupillen eng, ohne Reaktion. Bulbi divergieren. Blutdruck 900_/100. Atmung 50, ra~selnd, zunehmendes Lungenoedem, Hyperthermie. Durch eine peridurale An~sthesie wird der Blutdruck auf 110 herabgesetzt. Daraufhin ver- schwindet alas Lungenoedem, das somit dureh eine ~berbelastung des linken Herzens infolge des hohen Blutdruckes entstandea war. Atmung bleibt frequent. Blutdruck hiilt sich noch bis zu 24 Std auf normaler HShe um dann unter Pulsanstieg abzu- saeken. Sektion: hochgradiger Hirndruck mit Einklemmungserscheinungen im Tentoriumschlitz, weniger im Hinterhauptsloch. Prim/~res Hirnoedem (Abb. 6).

Z2~ 3 6 9 12 15 18 ZI 2/t 27 30 33 36 33 ~ ~5 ~8St+

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50 L RR 100 / ~" < ~ . ",~l ~ ~ ~ -. "*"

60 ~#'°" . . . . . . " / i ~, "'- / ~ s 8 zo I 71 ~,'nj~'/o/ ^ I I I I Infusion ~

Wundversor'~unq lyrrifol Velv'lol I 3zmpotol

zunehmendes Lunqenb~em Lunqenbdem beseit/~/ ,

Abb. 6. S ta rk ausgezogene Linie = Blutdruck schwach ausgezogene Linie = A t m u n g g rogpunk t i e r t e Linie ~ Puls k le inpunkt ier te Linie -- Te mpe ra tu r

Steinfall, Impression rechts parietooccipital mi t taubeneigroger Trf immerhShle. Sofortige Bewugtlosigkei t bis zum Exitus. H~iufige Streckkr~impfe.

Die beiden letzten F~ille stellen im akuten Falle das Syndrom tier Einklemmung im Tentoriumschlitz heraus. Dabei stehen neben der Pulsfrequenz- und Temperatursteigerung die Blutdrucksteigerung, sowie eine Atemfrequenzsteigerung und Rhythmusst#rung im Vordergrund. Bei der Atemst0rtmg mit Lungenoedem und tier 0ber las tung durch den hohen Blutdruck wird man eine Hypoxaemie des Herzmuskels bei dem allgemeinen Versagen mit in Betracht ziehen mfissen. Das gleiche Bild kennen wir yon der Einklemmung im Tentoriumschlitz bei Grot~hirn- tumoren. Auch hier beobachten wir den Blutdruckanstieg, die Atem- st0rungen und das Lungenoedem. Seh~nbrunner konnte in diesen F~illen im EKG. Durchblutungsst0rungen des Coronarkreislaufes nachweisen, wie sie frfiher schon yon Bod¢chtel und Asehenbrenner erhoben wurden.

Ein dritter Fall (Nr. 67 Kn.) mit einer reehts parietalen Impressionssehugver- letzung zeigt vSllig normalen Verlauf, gegen Ende der ersten Woche einen Anstieg des systolischen Blutdruckes, dazu leiehte Beuommenheit. Am zehnten Tag rasche Zunahme der Benommenheit, Blutdcuckanstieg auf 220/110. P15tzlicher Atemstill- stand. Sektion: :Einklemmung der Kleinhiratonsillen im }tinterhauptsloch bei hoeh- gradigem Hirndruck dttreh 0edem (Abb. 7). Der Tod an plStzliehem Atemstillstand ist - - wie auch yon den Itirngeschw/ilst en her bekarmt - - typisch ftir die Einklemmung im Itinterhauptsloch. Dabei zeigte der Blutdruck meistens einen deutliehen Anstieg, w~hrend die anderen Werte meist unbeeinflug~ bleiben.

12"

Page 6: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

180 W. TSnnis:

Als Folge der schweren akuten totalen oder partiellen direkten oder indirekten Sch~idigung des Hirnstammes mit t(idlichem Ausgang sehen wir im wesentlichen drei Krankheitsverl~iufe:

1. Totaler Ausfall der Regulationen ohne AusgleiehmSgliehkeiten -- zentraler S'ehock --,

2. kompensierter Hirnstammschaden, bei dem dutch ein zus~tzliches Moment (sekund~ires Oedem oder Operationstxauma) die AusgleichmSgliehkeiten gel~hmt werden,

3. sekund~re StammschSdigung durch Hirndruck oder Meningitis: a) allgemein, d.h. ohne Einklemmung wohl durch Sch~digung tier Ausgleieh-

mSglichkeiten dureh Hypox~mie infolge Hirndruck oder bakterielle Toxine, b) Besei¢igung der AusgleiehmSglichkeiten dutch lokalisierte Sch~idigungen des

Hirnstammes in Form yon Einklemmungserseheinungen, wobei sieh das Syndrom des Tentoriumsehlitzes und das des Hinterhauptsloches abgrenzen l~l~t. -

Demgegenfiber stellt die Verletzung des

~ . H 9 X r sT,, A'n. 160 !

,e,et l" ~ ~ i I 0 0 ., : . / ..: ,

¢0~ s 10 Knanhhe#s/qqe

Abb. 7. Ausgezogene Linie = B l u t d r u c k g r o l 3 p u n k t i e r t e Linie = Pu l s k l e i n p u n k t i e r t e Linie = T e m p e r a t .

Halsmarkes eine reine Leitungsunterbre- chung mit partiellem oder totalem Ausfall der Regulationen dar, das sich dutch Fehlen yon Kompensationen wie Reizerscheinun- gen kennzeichnet.

Dieser Gruppe unkompensierter oder unzureichend kompensierter Hirnstamm- sch~idigungen steht nun die viel gr0Bere der kompensierten Regulationsst0rungen gegenfiber. Sie sind nut dutch Belastungs- versuche zu erfassen. Hinsichtlich des Kreislaufes haben wir uns dabei seit 1942 der yon Schellong angegebenen orthostati-

schen Kreislaufpriifung bedient, deren Ergebnisse durch gleichzeitige ophthalmodynamometrische Untersuchungen an den Netzhautgef~iBen und elektroencephalographische Befunde erg~inzt wurden. Uber Belastungs- prfifungen des Stoffwechsels am gleichen Material wird Herr Oberdisse berichten.

Sehellong beschreibt 2 StOrungsformen bei derorthostatischen Belastung: eine hypotone, bei der der systolische Blutdruckwert im Stehen gegeniiber der Ruhelage absinkt, w~ihrend der diastolische auf gleicher H0he bleibt, meistens sogar ansteigt, und eine hypodyname, bei tier systolischer wie diastolischer Blutdruckwert gleichermaBen absinken. Auff~illigerweise sahen wit bei unsern Untersuchungen nur hypotone, aber keine hypo- dynamen St(irungen, daneben abet so starke Tachykardien, dab wit neben der hypotonen eine tachykarde und eine aus beiden gemischte Form registrierten.

Meine anf~ingliche Vermutung, dab zwischen der hypotonen und tier hypodynamen Form Schellongs kein grunds~itzlicher sondern nur ein gradueller Unterschied bestehe, dab die hypotone Form noch Ausgleichs-

Page 7: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

Kliaische Beobachtungen bei zentralen 8t6rungen der Kreisl~ufregulation. 181

m0glichkeiten ausdriicke, die bei der hypodynamen v011ig in Wegfall gekommen seien, lieB sich durch Beispiele erhfirten. Einmal sahen wir eine hypotone Regulationssffirung nach Halsgrenzsirang-An~isthesie in eine hypodyname fibergehen. Und wie in einem Experiment lieB sich eine, bei einer essentiellen Hypertonie bestehende hypotone St0rung durch Splanchnicotomie und Grenzstrangresektion thor. I0 lumbal 1, in eine hypodyname verwandeln (Abb. 8).

200 $0° 90° rnm~g

180 f~"

160

RR 12o

100

80 F . . . . . .

~.. 60 2 ~ 6 @rain 2r //I 6[ 8mini

//Or de," Operahbn tiach hnksseil~er J'planchn/cus- u. 6"renzstfangfesekt/on

Abb. 8. Ausgezogene Linie = Blutdruck punktier te Linie = Puls.

Die Untersuchungen an 156 frischen gedeckten Hirnverletzungen hatten folgendes Ergebnis: Die H~iufigkeit der Regulationsst0rungen betrug 72%. Mit der Dauer der primMen BewuBtlosigkeit nahm ihre H~iufigkeit zu (Tab. 1). Bedeutungsvoll erscheint ihre Altersbeziehung,

Tub. 1. Dauer der Bewufltlosigkeit und H~iu/igkeit yon Kreislau/-

Dauer der Bewufltlosigkeit

Gesamtzahl der F~ille

davon mi t Kreis- laufstSrungen

regulalionsstSrungen.

ohne bis 10--30 10 Min. Min.

I 47 65 I 21

68% i 69% / s1%

tiber zusarnmen 30 Min.

I

I 23 156 J

91% 72%

wobei nicht nur die relative Htiufigkeit in den Lebensaltern yon 14 bis 20 ]ahren auffiel (Tab. 2), sondern auch die verltingerte Rtickbildungs- dauer in diesem Abschnitt (Tab. 3) und die besondere Htiufigkeit yon Oedemen (Tab. 4). Damit erhtilt das Dogma yon der geringen Empfind- lichkeit des jugendalters gegen/iber Hirntraumen einen gewaltigen StoB. Es wtirde zu welt ftihren, an dieser Stelle n~iher hierauf einzugehen.

Page 8: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

182 W. T6nnis:

Die Hfiufigkeit von Kreislaufregulationsst6rungen bei Hirngeschwfilsten lfigt Verschiedenheiten erkennen, einmal nach dem Sitz der Geschwulst, dann nach dem Grad des begleitenden Hirndruckes. Die Art der Ge- schwulst ist direkt nicht yon Einflug (Tab. 5).

Tab. 2. Hdufigkeit yon Kreislaufregulalionssldrungen bei verschiedenen Altersgruppen.

Alter ! 1--13 1 14--20 i 21--34 1 35--48 ]49u. / i l ter [zusammen I I

Gesamtzah[ I 12 2 A I =.~ .~ I der Fflle I n o-~ i "~u

avoo laufst6rungen [ I

20 156

50% 72%

Tab. 3. Yg~kbildung yon Kreislau[regulationsslOrungen in verschiedenen AItersgruppen.

Alter: 1--13 [ 14--20 1 21 34 1 35 48 149u. filter I imMittel

Rfickbildg. in 5 Tg. 7 3 % 1 13% 31% I 57% 60% I 41% m

,n3Woc.on 1 2 7 ~ [70% I 46~ ! 30% ,0°jo 1 '4% I . . . . "

i - 1 , 7 % 2 3 % [ 1 3 7 / o " 1 ~ [ ~ spfiter

Zahl der Ffille

Tab. 4. Hdufigkeit yon Hirnoedem in versehiedenen Altersgruppen.

Alter [ 1--13

Gesamtzahl I 19 der Ffille 5%°/o - -

davon mit Oedem

,4_:,0 i ~1-34 135-48 149u~'terl'mMit~l

29 ' 60 53 [ 24

Tab. 5. Hiiufigkeil yon Kreislau/regulationsstOrungen ~ei intrakraniellen Tumoren.

Zahl Hlrndruck Lokalisation der F~lle gering mitte l hochgradig

Groghirri 121 I 26% 62% 100%

Mittelhirn 15

Kleinhirn

Stature caudal

77 ! 49 % 62 %

19 - - 50% 100%

50

60% 100%

Stammoral

69% 46% 100%

In 2 schematischen Darstellungen soll das Ergebnis noch einmal vor- geffihrt werden. Bei fehlendem allgemeinen Hirndruck steht der Hypo- thalamus mit 48% Hfiufigkeit an der Spitze gegenfiber dem Groghirn mit 24% (Abb. 9). Dabei mug zweierlei berficksichtigt werden. Ein groger

Page 9: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

Klinische Beobaehtungen bei zentralen StSrungen der Kreislaufregulation. 183

Teil der Hypothalamusgeschwfilste gehOrt zu den sehr langsam und infiltrierend wachsenden Tumoren, bei denen man zwischen dem Ge- schwulstgewebe 6fters noch anscheinend funktionsuntfichtige Ganglien- zellen findet. So erscheint es verstandlich, wenn die Regulationsst0rungen in manchen Fallen erst verhaltnism/igig spat auftreten. Dann aber liegen die bei der Kreislaufbelastung festgestellten Werte in der grOBten Mehrzahl dicht an der Grenze des Normalen, dab die Vermutung berechtigt erscheint, dab es sich hier in manchen Fallen schon um kompensierte St6rungen handeln kann.

Abb. 9. Abb. 10. H~iufigkeit von Kre i s l au f regu la t ionss t6 rungen Hhuf igkei t von Kre is lauf regula t ionss tSrungen b e i T u m o r e n mi t g e r i n g e r H i r n d r u c k s t e i g e r u n g , bei Tumoren mi t hochgrad iger Hi rndruck-

s te igerung.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei dem Schema der Falle mit hoch- gradiger Hirndrucksteigerung (Abb. 10). Hier linden wir bei jeder Lokali- sation zu 100% KreislaufstOrungen.

Das AusmaB der dem K6rper zur Verffigung stehenden Kompensations- m6glichkeiten ist am besten aus dem Fall S. 129 zu ersehen (Abb. 11). Es handelt sich um einen 16jahrigen Jungen mit fiber mannsfaustgroBem Kraniopharyngeom, das den Hypothalamus vOllig zerstOrt hatte. Das AusmaB des Tumors geht aus dem Operationsbericht hervor:

Linksseitige transfrantale extradurale Freilegung. Beim Versueh, das linke Vorder- horn zu punktieren, ger/it man bereits in eine grolle Cyste, deren Inhalt aus br/iun- lichem Detritus mit Cholesterinkristallen besteht. Daraufhin wird die Dura in Farm eines gegen den kleinen Keilbeildliigel zu gestielten Lappens erSffnet. Aus dem mittleren Drittel der zweiten Frontalwindung wird ein kleinhandtellergrol~es Rinden- stfiek reseziert. Man ger/it dabei in einen fiber mannsfaustgra~en, teils saliden, tells eystisehen Tumor der ausgeh6hlt und ausgesaugt wird, und der schlie~lich am linken Fer. Manroi gestielt wird. Das Septum pell. wird durchtrennt, sa dal] auch der auf die andere Seite hiniibergewachsene Tumorteil ausgehShlt und entlernt werden kann. Dutch das Far. Monroi hindurch, das etwa FiinfmarkstfickgrSl3e hat, wird der Tumor his in die Sella hinein so radikal ausgehShlt, dal3 nut noch Kapselreste fibrig bleiben, die van den beiden Optici und den Carotiden abgetrennt und dicht fiber der Sella abgetragen werden. Kantrolle der Blutstillung, Schichtverschlul] der Wunde.

Trotz des riesigen Tumors liel~ die orthostatische Belastungsprobe nach Schellong vor der Operation eine nut eingradige Kreislaufregulations- st6rung erkennen. Um die daraus zu ersehenden guten Ausgleichsm(iglich- keiten willen war die Totalexstirpation gewagt worden. Der Junge fiber-

Page 10: Klinische Beobachtungen bei zentralen Störungen der Kreislaufregulation

184 Aussprache.

stand trotz des nach der Operation sicher fehlenden Hypothalamus den grol~en Eingriff mit seiner erheblichen Kreislaufbeanspruchung. Schon nach 3 Wochen war unter orthostatischer Belastung keine Kreislauf- regulationsst/~rung mehr nachweisbar.

Bei den Groflhirngeschwidsten mit hochgradigem Hirndruclc liegt der Gefahrenpunkt ffir die Regulationsgebiete im Bereieh des Mittelhirns.

200 '° I 90° 90° ~tl 9 5. 72L9 r,, ,'""

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l f20 ~ - . . . . . . . . . . . . . . / : p~o ~ =.~ t.

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Vor o'er Opefal/on IWoche nach dez" 0,o.

2OO

~ ! i i i i i i i

£ i/ 6" 8rain 2 i/ 6 8rain

2. Woche 3 Woche Abb. l l . Ausgezogene Linie = Blutdruck

punktierte Linie = lauls, Obermannsfaustgrol~es Craniopharyngeom mit vOl-

liger Zerst6rung des Hypothalamus. Totalextirpation.

Durch die Einklemmung yon Schl~ifenlappenteilen im Ten- toriumschlitz kommt es hier zu hyp- bzw. anox~imischen Einwirkungen im Mittelhirn, deren subakutes Auftreten das Eintreten yon Kompensatio- hen zu erschweren scheint. Man daft wohl annehmen, dab der hohe Prozentsatz mit dem diese Geschwfilste unter den Operationstodesf~llen vertre- ten sind, auf der mangelnden Ko mpensationsf~ihigkeit be- ruht.

Das buntfarbige Bild der zentralen Regulationsst6run- gen l~iBt sich im Bereich der akut verlaufenden in bestimmte Gruppen gliedern, die . be-

stimmten, uns wohl bekannten pathologisch-anatomischen Befunden zu- geordnet werden k6nnen.

Prognostisch entscheidend bleibt einmal das AusmaB der Sch~idigung des Hirnstammes und dann das Tempo, in dem diese Sch~idigung eintritt. Das heiBt letzten Endes: Gestattet das AusmaB tier Sch~idigung des Hirnstammes und dann das Tempo, in dem sie auftritt, dab Kompen- sationen eintreten k6nnen oder nicht? So richtet sich der Blick des Klinikers und insbesondere des Chirurgen Weniger auf alas MaB tier St6rung, als auf alas AusmaB der Kompensationen. Sie abet kOnnen wit nur durch Belastungsprfifungen erfassen. Ffir die operative Prognose eines Him- tumors oder einer Hirnnarbe, sowie f~ir die Sp~itfolgen nach Hirntraumen sind deshalb die BelastungsprLifungen gleichermaBen entscheidend.

Aussprache. O. Bayer, Diisseldorf, zum Vortrag yon Prof. TSnnis: Bei pos~encephali.ischen

Krankheitsbildern sahen wit fa,~t ausschliefllich hypotone RegulationsstSrungen im Sinne Schellongs, w~hrend hypodyname St5rungen nicht zur Beobachtung l~amen.