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Kolloquium über internationales Recht vom November 1964 in Kiel Author(s): Dietrich Rauschning Source: Archiv des Völkerrechts, 12. Bd., 3. H. (Juni 1965), pp. 288-293 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40797014 . Accessed: 13/06/2014 11:40 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.127.131 on Fri, 13 Jun 2014 11:40:55 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Kolloquium über internationales Recht vom November 1964 in Kiel

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Kolloquium über internationales Recht vom November 1964 in KielAuthor(s): Dietrich RauschningSource: Archiv des Völkerrechts, 12. Bd., 3. H. (Juni 1965), pp. 288-293Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40797014 .

Accessed: 13/06/2014 11:40

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hängt sie von der Einigung weniger großer Staaten ab. Die Entschließung 1909 (XVIII) wünscht, den Gebrauch von Atomwaffen überhaupt zu ver- bieten, sieht aber kein anderes Mittel, als einen Appell an den Achtzehner- Ausschuß zu richten, eine Staatenkonferenz zu diesem Zweck zu veranlassen. Die Entschließung 191 1 (XVIII) billigt den Plan, eine Atomfreiheit für La- teinamerika festzulegen. Prof. Dr. F. M ü n c h,

Bonn

Kolloquium über internationales Redit vom November 1964 in Kiel

Das Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel hat anläß- lich seines fünfzigjährigen Bestehens am 12.-14. November 1964 ein inter- nationalrechtliches Kolloquium veranstaltet, dem zugrunde lagen die Re- ferate der Professoren Dr. Ulrich Scheuner (Bonn) »Fünfzig Jahre Völker- recht«, Dr. Paul Guggenheim (Genf) »Die Problematik eines europäischen Zusammenschlusses« und Dr. Konrad Zweigert (Hamburg) »Internationales Privatrecht und öffentliches Recht«.

Scheuner faßte zunächst aus der Fülle der einschneidenden Veränderungen, die seit dem Jahre 19 14 in der Entwicklung des Völkerrechts einsetzten, einen Fragenkreis unter dem Gesichtspunkt der Herstellung einer universa- len Rechtsordnung zusammen. Das Völkerrecht ist durch das Auftreten neuer Subjekte neben den Staaten ausgedehnt worden, indem die zwischen- staatlichen Organisationen einen Teil des völkerrechtlichen Verkehrs an sich

gezogen haben. Tatsächlich erweitert ist das Völkerrecht dadurch, daß auch die nichtstaatlichen internationalen Organisationen das staatliche Monopol für die Außenbeziehungen einschränken und die grundsätzliche Beziehung der Menschen zum Völkerrecht wieder zum Durchbruch gekommen ist. Bei

Behandlung der weiteren Probleme der Universalität schlug der Referent ein neues Verständnis vom Geltungsgrund des Völkerrechts vor. Die aus dem 19. Jahrhundert überkommene Anschauung vom Staatswillen als Gel-

tungsgrund befriedigt weder die Erfordernisse der modernen Praxis noch die Auffassung vom Menschen als Mittelpunkt der Rechtsordnung. Der Lö-

sungsvorschlag knüpft an die general principles of law des Artikels 38 c im Statut des Internationalen Gerichtshofes an. Wenn damit den Nationen ge- meinsame Rechtsgrundlagen gemeint sind, klingt hier die alte Idee des jus gentium, einer die Völker verbindenden Rechts weit, an. Als Folgerung gab der Referent zu erwägen, den Geltungsgrund statt bei den Verbänden bei den Menschen, bei den in der Weltgemeinschaft vereinigten Nationen zu su- chen. Das Recht ist auf die Geltung im menschlichen Bewußtsein zurückzu- führen. Tragen so dieselben Menschen das staatliche Recht und das Völker- recht, so müssen die Rechtswerte und Rechtsgrundlagen in den Nationen ver-

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wurzelt sein. Die Staaten bleiben nach dieser Auffassung Hauptsubjekte des Völkerrechts, nur soll dessen Geltungsgrund nicht mehr in deren Willen lie- gen. Die Probleme der über die Blöcke und alte wie junge Staaten hinweg- gehenden Universalität liegen nach dieser Auffassung tiefer als in einer nur eigentümlichen Haltung der Staaten. Zwischen alten und jungen Nationen - die wohl mehr mit Ubergangsproblemen zu kämpfen haben - wie auch zwischen den Nationen der verschiedenen Blöcke bestehen aber hinreichende Gemeinsamkeiten, die ein Völkerrecht möglich machen. Die staatliche Sou- veränität - der zweite Gegenstand der Betrachtung - erscheint heute nur in Europa und in Amerika geschwächt, während die jungen Staaten und die des sowjetischen Bereiches am strikten Souveränitätsdogma festhalten. Mit der wachsenden Funktionsübertragung auf Internationale Organisationen, durch die Blockbildung und die notwendige internationale Solidarität, die der Entwicklungshilfe den Charakter einer Intervention nimmt, wird die Undurchlässigkeit der Staaten aber universell relativiert. Die bedeutendste Entwicklung der letzten fünfzig Jahre ist aber wohl das Gewaltverbot, das allerdings auch nach dem Jahre 1945 die Vielzahl der begrenzten Kriege nicht hat verhindern können. Während der Vortragende die »Prämie auf die Erstanwendung der Gewalt« durch die weiter zu begrenzende Zulassung von Repressalien verkleinern will, sieht er noch keine wirksame Antwort auf die sich häufenden Rechtsbrüche »short of force«. Weitgehend offen ist auch das Problem der mit rechtlichen Mitteln nicht erreichbaren friedlichen Veränderung der Staatenwelt. Beruht der gegenwärtige Friede noch auf dem unstabilen Machtgleichgewicht, so werden die Probleme der Rechtssicherung und der Veränderung brennend für eine erhoffte abgerüstete Welt. Der vierte Gegenstand - die internationale Kooperation auf den vielen Bereichen, auf denen die Staaten einzeln ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können - führte zu der Fragestellung, ob denn wirklich die politische Gemeinschaft des modernen Menschen allein der Staat ist oder ob nicht schon die interna- tionale Gemeinschaft in bisher typisch staatliche Funktionen eintritt.

Die Diskussion zum Beratungsthema kreiste um das vorgeschlagene neue Verständnis vom Geltungsgrund des Völkerrechts. Für die nichtorganisierte - und geteilte - Staatenwelt ist die Konzeption nach Schwarzenberger nicht annehmbar; zwischen Mächten ist das Völkerrecht wie je ein Recht der Macht, nur für organisierte Staatengemeinschaften, innerhalb der Gruppen, ist ihr beizupflichten (so auch Leisner, Bülck). Zustimmung fand der Vor- schlag bei Schaumann, F. Münch und Klein. Mosler ging von den Kriterien völkerrechtlicher Beziehungen, nämlich keiner innerstaatlichen Ordnung zu unterliegen, aus und sah das Völkerrecht primär als Verkehrsordnung der Staaten. Mit dem Einschieben der neuen Subjekte in diese Ordnung erwei- tert sie sich auch dem Gegenstand nach und stößt auf ein durch die nationa- len Ordnungen vorbereitetes Gemeinbewußtsein. Es ist möglich, daß durch den Fortgang dieser Entwicklung die Verbandsordnung abgelöst wird. Auf

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die auch in der Diskussion deutlich gewordenen Gefahren des Subjektivis- mus und verschiedener Positivismen wies besonders Kaiser hin. Ein realistisches, in manchen Zügen skeptisches Referat hielt Guggenheim über »Die Problematik eines europäischen Zusammenschlusses«. Der eine

Ausgangspunkt der Bestrebungen zu einem Zusammenschluß ist der wirt- schaftliche Vorteil eines großen Gemeinsamen Marktes. Dem steht das Le- bensinteresse der Nationalstaaten entgegen, die dafür wirtschaftspolitische Befugnisse aufgeben müssen. Für eine sachlich derart beschränkte Verbindung reicht deshalb die Automatik des Vertrages über die Europäische Wirt-

schaftsgemeinschaft allein nicht aus. Wenn auch äußerlich die weiterführen- den Entscheidungen von Gemeinschaftsorganen getroffen werden, sind sie doch jeweils neu errungene zwischenstaatliche Kompromisse nach den be- währten Grundsätzen der multilateralen Diplomatie. Macht aber schon der wirtschaftliche Zusammenschluß derartige Schwierigkeiten, so ist die Idee des politischen Zusammenschlusses - der andere Ausgangspunkt - etwa in der Form eines europäischen Bundesstaates wegen des Totalitätsanspruches einer solchen Staatlichkeit vorerst nicht zu verwirklichen. In diesen engen Rahmen stellte der Referent das Erreichte. Auch er muß anerkennen, daß der wirtschaftliche Zusammenschluß sich in einer europäischen Verwaltung institutionalisiert und ein beschränktes europäisches öffentliches Recht sich bildet. Der Menschenrechtskonvention mit ihrem Kontrollverfahren räumt er für die europäische Einigung jedoch nur geringere Bedeutung ein, da

Westeuropa eines solchen internationalen Rechtssystems am wenigsten be- dürfe und nicht zu erwarten sei, daß in diesem System mehr zur Anwendung gebracht werde, als schon jetzt bindender Bestandteil des traditionellen uni- versellen Völkerrechts unter dem Gesichtspunkt des Mindeststandards sei. Die Problematik des europäischen Zusammenschlusses wird dadurch gekennzeich- net, daß man für Wesen und Ziel der Bestrebungen das Wort Integration ge- braucht. Damit kann sowohl der Vorgang wie das Ziel gemeint sein, ohne daß die Aufgabe mit diesem Begriff näher erklärt wird. Aufgabe und Tätig- keit der europäischen Organisation sollen nach Ansicht des Vortragenden subsidiar sein, nämlich die Gegenstände erfassen, die von den Staaten nicht individuell und von den Vereinten Nationen nicht universell geordnet wer- den können. Zudem muß die regionale Wirtschaftsorganisation sich einer universellen Wirtschaftsgemeinschaft einfügen.

In der Diskussion betonte Ipsen, daß die Europäische Wirtschaftsgemein- schaft nicht mit Automatik zum Bundesstaat entwickeln solle, sondern ein

allerdings nach einem Zeitplan automatisch zu realisierender Zweckverband sei. Scheuner entgegnete, die Gemeinschaft sei über den multilateralen Zu- stand hinausgewachsen und auch mehr als ein Zweckverband. Fast etwas

wehmütig wies Sörensen darauf hin, daß die Institutionalisierung der Ge- meinschaft Erreichtes nicht in dem Maße der Tagespolitik aussetze wie dies etwa in der Europäischen Freihandels- Assoziation geschehe. Während Ipsen,

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dem Referenten folgend, den Integrationsbegriff für inhaltslos hielt, woll- ten ihn Geck für die politische Zusammenschau nicht missen und Schwarzen- berger im soziologischen Bereich belassen. Demgegenüber führte Menzel aus, daß der Begriff im militärischen Bereich das einheitliche Kommando kenn- zeichne und allgemein präzise die Überwindung der Verschiedenheit der Willen zu einer Einheit des Willens zum Ausdruck bringe. Auch für das Ver- hältnis von Regionalismus und Universalismus kamen verschiedene Ge- sichtspunkte zur Sprache: Die Europäische Wirtschaftgemeinschaft sei gewiß eine Entscheidung zu Ungunsten der großen Freihandelszone (Schaumann) und habe nach außen protektionistische Tendenzen (Ipsen). Da aber eine universelle Zusammenarbeit unter anderem wegen sachfremder Polemik af- ro-asiatischer Staaten (Seidl-H oh env eidern), der Blockbildung (Meyer-Lin- denberg, F. Munch) oder mangelnder Integrationsfähigkeit von Planwirt- schaften (Meissner) zunächst nur beschränkt zu erreichen ist, erscheint ein

europäischer Regionalismus notwendig. Mit einer Öffnung nach außen wür- de die Integrationswirkung sinken (Mosler).

Zweigert behandelte im Thema »Internationales Privatrecht und öffent- liches Recht« zunächst die Frage, inwieweit staatliches öffentliches Recht Ge- genstand einer Verweisung des internationalen Privatrechts sein kann. Die verbreitete Auffassung, daß ausländisches öffentliches Recht grundsätzlich nicht anzuwenden sei, ist schon wegen der beschränkten Geltung der ohne- hin unscharfen Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht

unrichtig. Als ein Beispiel diente die Lehre von der Sonderanknüpfung, nach der Normen ausländischen »zwingenden Schuldrechts«, insbesondere (öf- fentlich-rechtliche) Leistungsverbote, dann anzuwenden sind, wenn ihr eige- ner Geltungswille dies erfordert und die ausführende Wertbewegung sich im Gebiet des Verbotslandes vollzieht. Auf den im Schrifttum erhobenen Ein- wand, daß ein international-typisches Interesse an dieser Kollisionsregel nicht bestehe, differenzierte der Referent mit einer wertenden Betrachtung. Er will die international verbreiteten und gebilligten ausländischen wirtschafts- und sozialrechtlichen Ordnungsnormen (wie Devisengesetze, Arbeitsschutz- norm, Kartellvorschriften) angewendet wissen, dagegen nicht die vom Wertmaßstab des Forumstaates her artfremden Ordnungsversuche und Kampfmaßnahmen (so Vorschriften zur sozialen Umgestaltung in der »Deutschen Demokratischen Republik«). Die zweite Frage, ob die Methode der vollständigen, mehrseitigen Kollisionsnormen auch dem Kollisionsrecht des öffentlichen Rechts angemessen ist, war für den Bereich des »zwingenden Schuldrechts« mit der Sonderanknüpfungslehre schon bejaht. Die einseitig formulierte Norm des §98 Abs. 2 des Kartellgesetzes, daß es sich auf aus- ländische Kartelle mit Wirkung im Inland beziehe, ist ebenso als Kern einer allseitigen Kollisionsnorm tauglich. Eine Entscheidung, die das Kartellrecht eines von ihr betroffenen ausländischen Marktes nicht berücksichtigt, wird nach Voraussage des Vortragenden bald provinziell erscheinen. Selbst in den

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klassisch öffentlich-rechtlichen Bereichen des Verwaltungsrechts und des Straf- rechts sieht er Tendenzen zu allseitigen Kollisionsnormen. Sie werden nicht durch das Eigeninteresse des jeweiligen Staates bestimmt und geben die an- gemessenste Antwort auf die Frage, welche Rechtsordnung am ehesten zur Regelung der jeweiligen Materie berufen sei; sie entsprechen dem modernen Prinzip der internationalen Arbeitsteilung und Zusammenarbeit.

In der Diskussion wurde der Tendenz der Unterscheidung zwischen »sym- pathischen« und »artfremden« Normen im Bereich der Sonderanknüpfungs- lehre zugestimmt, jedoch Bedenken erhoben wegen der Schwierigkeiten einer solchen Unterscheidung (Seidl-Hohenveldern, Kegel, F. Münch). Auch die Herausbildung von zweiseitigen Kollisionsnormen für den Bereich des öf- fentlichen Rechts wurde nur mit Einschränkungen begrüßt; mit der wach- senden Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts wurde ein zunehmen- der politischer Einfluß auf die Rechtsprechung befürchtet {Graue). Es er- scheint angemessener, allseitige Kollisionsnormen vertraglich zu vereinba- ren, weil mit einer unilateralen Anwendung ausländischen Rechts die ande- ren Staaten um die Notwendigkeit kommen, die gleiche Kollisionsnorm gleichfalls anzuwenden (Seidl-Hohenveldern, Bülck). Multilaterale Abkom- men würden wohl auch einige der rechtspolitischen Bedenken (Kaiser, Schaumann) gegen eine Anwendung fremden Kartellrechts ausräumen.

Die Jubiläumsfeier wurde eingeleitet durch einen öffentlichen Festvortrag von Professor Max Sörensen (Aarhus) »Der völkerrechtliche Schutz der Menschenrechte«. Sörensen ging von der Zwiespältigkeit eines völkerrechtli- chen Schutzes der Menschenrechte aus. Zwar hat die Dialektik der Geschichte nach der Verleugnung der Menschenwürde als Gegenstand der Rechtsord- nung eine Stufe erreicht, in der die Menschenrechte über den innerstaatlichen Schutz hinaus auch in völkerrechtlichen Normen gesichert werden. Da die Menschenrechte aber die Beziehungen des Staates vorwiegend zu seinen eige- nen Bürger betreffen und die Handlungsfreiheit des Staates einengen, er- wächst der Verwirklichung des völkerrechtlichen Schutzes andererseits ein Hemmnis. Insbesondere Regierungen, die um die Konsolidierung und Si- cherung der Staatsmacht und vielleicht einer jungen Unabhängigkeit besorgt sind, zeigen kein Verlangen nach einer zwischenstaatlichen Beschränkung der Staatsmacht. Diese Abneigung der Staaten hat bisher eine wirksame univer- selle Kodifikation der Menschenrechte im Rahmen der Vereinten Nationen verhindert. Die Verpflichtung auf die Menschenrechte in der Satzung von San Francisco und die Menschenrechtsdeklaration von 1948 haben aber da- hin gewirkt, die Menschheit »menschenrechtsbewußt« zu machen, und sind Wegbereiter für völkerrechtliche Teillösungen gewesen. Die Prinzipien eines völkerrechtlichen Schutzes wurden dargestellt an dem räumlich fast univer- sellen, aber gegenständlich beschränkten Normensystem der Internationalen Arbeits-Organisation and an der räumlich beschränkten, aber die klassi- schen Freiheitsrechte einschließenden Europäischen Menschenrechtskonven-

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tion. Während die Konventionen der Internationalen Arbeits-Organisa- tion recht konkrete Probleme so normierten, daß eine staatliche Rechtset- zung zur Ausführung erforderlich ist, enthält die Menschenrechtskonvention allgemeine Rechtssätze und ist zudem - außer in Großbritannien, Irland und den nordischen Staaten - »self-executing«. In beiden Systemen gibt es eine abstrakte Kontrolle derart, daß die Regierungen über den Stand der Verwirklichung zu berichten haben. Unter den konkreten Kontrollformen ist die Regierungsbeschwerde wegen der Rücksichtnahme der Staaten aufein- ander die unergiebigste. Wirksamer sind die Verbandsbeschwerde im Rah- men der Internationalen Arbeits-Organisation und die Individualbe- schwerde im europäischen Bereich, die beide durch das Staatsinteresse nicht kontrolliert werden. Die Zwiespältigkeit eines völkerrechtlichen Schutzes der Menschenrechte wird am erfreulichsten im Vermittlungsverfahren be- rücksichtigt, in dessen Verlauf der beklagte Staat die beanstandeten Maß- nahmen ändern, also in der Regel den völkerrechtlichen Normen anpassen kann. Schlagen die Vermittlungsversuche fehl, ist der nächste Schritt ein Bericht an eine Vertreterversammlung der Staaten, womit die beklagte Re- gierung sich öffentlicher Kritik aussetzt. Diese Kritik durch die »menschen- rechtsbewußt« gewordenen Völker steht als Sanktion hinter den verschie- denen Formen der Kontrolle. Mit dem Hinweis darauf, daß rechtliche Er- scheinungen im menschlichen Geiste wurzeln und der Einzelne mit seinem Verhalten die Menschenrechte ausdrücken und garantieren müsse, kehrte der Vortragende zu seinem Auseanesounkt zurück. _ _ _ . " ~x Dr. ü. Rauschning,

Kiel

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