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Areh. orthop. Unfall-Chir. 74, 265--268 (1972) © by J. F. Bergmann München 1972 Kommissionsbericht der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie zum Thema Behandlung peripherer Nervenverletzungen mit homologen Nervenimplantaten H. KUtILENDAItL, M. MUNIENTItALER,H. PENZItOLZ, P. RÖTTGEN, H. SC~LIACI~und A. STI~VPPLER Eingegangen am 23. August 1972 Treatment o/Peripheral Nerve Lesions by Homologous Nerve Implants Summary. Follow up studies of 8 peripheral nerve injuries over 1 and 1~ years after in» plantation of a homologous nerve graft have been performed. In none of these cases a resti- tution of the operated nerve could be demonstrated. Zusammenfassung. Die Nachuntersuchung 8 peripherer Nervenverletzter mindestens 1 bzw. 1~ Jahre nach Einpflanzen eines konservierten homologen Nervenimplantats konnte in keinem Fall sichere Anzeichen einer Restitution der operierten Nerven nachweisen. Key words: Peripheral nerve injuries - - Suture of peripheral nerves - - Nervennaht - - Nerve grafts. Über die Ergebnisse der Behandlung periphërer Nervenverletzungen mit homo- logen Nervenimplantaten sind in den letzten beiden Jahren mehrere Mitteilungen erfolgt, die zum Teil stark differieren. Besonders deutlich wurde dies bei dem Symposion über die Verletzungen peripherer Nerven, welches am 3. und 4.2. 1972 in Kassel-Wilhelmshöhe veranstaltet worden war. Es ist unbestritten, daß jeder Chirurg, der periphere Nervenverletzungen behandeln muß, nichts sehnlicher w/in- schen würde, als einen in beliebiger Längeund Dicke lieferbaren ,Nervenersatz", der geeignet wäre, jede Lücke eines verletzten Nerven in idealer Weise zu über- brücken. Tierexperimentelle Untersuchungen und schon viele Jahrzehnte alte klinische Erfahrungen beweisen, daß frisch entnommene autologe Nerven bisher das beste Substrat für die Überbrückung eines traumatisehen Nervendefektes darstellen. Alle Versuche, mit liomologen, ,toten" Implantaten auch nur annähernd so gute Resultate zu erzielen, mußten bisher als gescheitert angesehen werden. Kein Wun- der, daß die Erprobung neuer, naeh den Erfahrungen der modernen Gewebe- transplantation hergestellter ,Nervenkonserven" ebenso mit banger Hoffnung wie mit besorgter Skepsis erwartet wurde. Seit 1969 standen lyophilisierte Nerven- konserven zur Verfügung. Die seither verstrichene Zeit ist lang genug, um sieh ein erstes Bild über die Ergebnisse machen zu können. Die Zahl der bisher mit dieser ,Konserve" behandelten Patienten ist uns nicht bekannt, sie geht aber sicher weit über die Hunderte.

Kommissionsbericht der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie zum Thema

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Areh. orthop. Unfall-Chir. 74, 265--268 (1972) © by J. F. Bergmann München 1972

Kommissionsbericht der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie

zum Thema

Behandlung peripherer Nervenverletzungen mit homologen Nervenimplantaten

H. KUtILENDAItL, M. MUNIENTItALER, H. PENZItOLZ, P. RÖTTGEN, H. SC~LIACI~ und A. STI~VPPLER

Eingegangen am 23. August 1972

Treatment o/Peripheral Nerve Lesions by Homologous Nerve Implants

Summary. Follow up studies of 8 peripheral nerve injuries over 1 and 1 ~ years after in» plantation of a homologous nerve graft have been performed. In none of these cases a resti- tution of the operated nerve could be demonstrated.

Zusammenfassung. Die Nachuntersuchung 8 peripherer Nervenverletzter mindestens 1 bzw. 1 ~ Jahre nach Einpflanzen eines konservierten homologen Nervenimplantats konnte in keinem Fall sichere Anzeichen einer Restitution der operierten Nerven nachweisen.

Key words: Peripheral nerve injuries - - Suture of peripheral nerves - - Nervennaht - - Nerve grafts.

Über die Ergebnisse der Behandlung periphërer Nervenverletzungen mit homo- logen Nervenimplantaten sind in den letzten beiden Jahren mehrere Mitteilungen erfolgt, die zum Teil stark differieren. Besonders deutlich wurde dies bei dem Symposion über die Verletzungen peripherer Nerven, welches am 3. und 4.2. 1972 in Kassel-Wilhelmshöhe veranstaltet worden war. Es ist unbestritten, daß jeder Chirurg, der periphere Nervenverletzungen behandeln muß, nichts sehnlicher w/in- schen würde, als einen in beliebiger Längeund Dicke lieferbaren ,Nervenersatz", der geeignet wäre, jede Lücke eines verletzten Nerven in idealer Weise zu über- brücken.

Tierexperimentelle Untersuchungen und schon viele Jahrzehnte alte klinische Erfahrungen beweisen, daß frisch entnommene autologe Nerven bisher das beste Substrat für die Überbrückung eines traumatisehen Nervendefektes darstellen. Alle Versuche, mit liomologen, ,toten" Implantaten auch nur annähernd so gute Resultate zu erzielen, mußten bisher als gescheitert angesehen werden. Kein Wun- der, daß die Erprobung neuer, naeh den Erfahrungen der modernen Gewebe- transplantation hergestellter ,Nervenkonserven" ebenso mit banger Hoffnung wie mit besorgter Skepsis erwartet wurde. Seit 1969 standen lyophilisierte Nerven- konserven zur Verfügung. Die seither verstrichene Zeit ist lang genug, um sieh ein erstes Bild über die Ergebnisse machen zu können. Die Zahl der bisher mit dieser ,Konserve" behandelten Patienten ist uns nicht bekannt, sie geht aber sicher weit über die Hunderte.

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268 H. Kuhlendahl et al. : Behandlung peripherer Nervenverletzungen

W~thrend die Mehrzahl der Operateure, die Nervenverletzte mit jenen homo- logen Imp]antaten behandelt haben, nach einer angemessenen Wartezeit nnr mini- male Ans~tze einer Restitution oder iiberhaupt niehts dergleichen naehweisen konnten, wurden yon einer Gruppe deutseher Kliniker mit dem zahlenmagig gr6g- ten Krankengut erstaunlich gute Erfolge berichtet: Bei 84% aller Armnerven- verletzten sei eine ,,nfitzliche Funktionsrfickkehr" erzielt worden. Bei der grol~en praktischen Bedeutung dieser Angelegenheit erschien es dem Vorstand der Deut- schen Gesellsehaft fiir Neurochirurgie erforderlieh, sieh von den so ganz aus dem Rahmen fallenden Operationserfolgen obiger Gruppe an Ort und Stelle fiberzeugen zu lassen. Die Verfasser dieses Berichtes, drei Neuroehirnrgen und drei Neurologen, wurden v o n d e r GeselIsehaft als neutrale Kommission eingesetzt. Sie hat ten Ge- legenheit, am 3.7. 1972 8 Patienten der Serie pers6nlieh zu untersuehen, die yon den Operatenren ausgesueht wurden nnd bei denen die Nervenimplantation min- destens 1, meist fiber 1 ½ Jahre znrficklag. Da unsere Nachuntersuchungen mit einer Ausnahme (Fall 2) mindestens 1 ~ Jahre naeh den Operationen erfolgten, dfirfte man berechtigt sein, hier von Endergebnissen zu spreehen. Die wiehtigsten Daten dieser 8 F/~lle zeigen die Tabel]en 1 und 2.

In keinem der 8 Fglle konnte der siehere Naehweis einer aueh nur angedeuteten Funktionswiederkehr der operierten Nerven erbraeht werden. Diese Feststellung gilt insbesondere ffir die Motorik, die in jedem Falle elektromyographiseh fiber- priift wurde (Struppler). Die relativ gute Funktion der Thenarmusku]atur bei den 3 Medianusverletzten (Fall 1--3) b eruhte ausschlieglieh auf einer gut ausgebildeten Mitinnervation fiber den unver]etzten N. ulnaris, was dureh abweehselnde Stimu- lation des N. medianus und des N. ulnaris elektromyographisch bewiesen werden konnte.

Der einzige Fa]l yon Doppelverletznng yon N. medianus und N. ulnaris (Fall 5) war nieht yell verwertbar, weft naeh Symptomat ik und Lokalisation der Verlet- zung (Itohlhand) angenommen werden mugte, dab die Endaufzweignngen des N. ulnaris nut partiell geseh/idigt worden waren. Ein pr£operativer Befund lag nieht vet.

Gleieh negative Ergebnisse erbraehten die Untersuehungen der Sensibilit~t und der vegetativen Funktionen. Die Angaben bei der Prfifung der 2 Punkte-Dis- krimination in den Autonomgebieten der verletzten Handnerven waren wider- spr/iehlich und nieht verwertbar. Die Ergebnisse anderer Teste (z. B. Auflesen von 3 Mfinzen mit offenen und gesehlossenen Augen) bei den 4 Medianusverletzten be- wiesen das Fortbestehen sehwerer StSrungen des Tastsinnes der ersten 3 Finger. Ob die leiehten Anzeiehen einer Restitution der Sensibilit£t der Finger in den F/tllen 1 und 4 auf einem eehten Hindurchwaehsen neuer Axone dutch das Im- plantat oder auf anderen Faktoren beruhen, mag offenbleiben. Sie w~ren ebenso- gut dureh kompensatorisehe Sprossung aus den Gebieten der Naehbarnerven er- kl/~rbar.

Ngehtrgglieh werden weitere F~lle - - zwar nieht yon allen Kommissionsmitgliedern - - mit der gleichen subtilen l~Iethodik untersueht, wobei ebenfalls ausnahmslos ein vollst~tndiges Ausbleiben einer Reinnervation festgestellt werden muBte. Ferner ist d~rauf hinzuweisen, dag eine Reihe anderer Fglle wegen Ausbleiben der Reinnervation naehoperiert worden sind.

Prof. H. Kuhlendahl Neuro ehirurgisehe Universit~tsklinik D4000 Dtisseldorf, Moorens~raBe 5 Bundesrepublik Deutschland