Kongenitale Facialislähmung mit angeborener Taubheit und Missbildung des äusseren Ohres

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  • XXIII.

    Kongenitale Faoialislahmung mit angeborener Taubheit und Missbildung des ~tusseren Ohres.

    Yon

    Prof. Kretsehmann

    (l~iit 2 Abbildungen.)

    Mil~bildungen der Ohrenmusehel grgl~eren und geringeren Grades sind ein nieht gerade seltenes Vorkommnis, and MilS- bildungen des GehSrganges and des Mittelohres finden sieh h~ufig im Gefolge kongenitaler Ohrmusehelabnormit~ten. Dagegen seheint eine gleichzeitige Verbildung aueh des schallempfindenden Appa- rates ziemlich selten zu sein. Ein Fall, der kongenitale StSrungen in allan drei Abteilungen des GehSrorgangs aufweist, wiirde aus diesem Grunde sehon eine Besehreibung reehtfertigen. Das Interesse an ihm aber erhSht sich noeh dureh die Komplikation einer an- geborenen FaeialislKhmung auf der gleiehen Seite der Mi$- bildnng. In diesem gleichzeitigen Zusammentreffen kongenitaler Milgbildung aller Absehnitte des GehSrorganes and angeborener Paralyse des Gesiehtsnerven seheint mir tier in Rede stehende Fall einzig dazustehen. Ich vermoehte wenigstens einen andern ihm in allen Punkten entspreehenden in der Literatur nieht auf- zufinden.

    Friede~ke K. ist zurzeit 33 Jahr alt. Sie mil~t in der L~nge i45,5 cm. Der Yater ist im 54. Lebensjahr an den Folgen eines Nervenschlages in einer Irrenanstalt gestorben, die Mutter mit 64 Jahron im Sieehenhaus. Von zehn Geschwistern, bei denen Mil~bildungen nicht zu verzeiehnen waren, sind 6 in den ersten Lebensjahren verstorben. Die vier Uberlebenden, yon denen ussere Pa.tientin die ]fingste ist, sind alle weibliehen Gesehleehts und erfreuen sich, abgesehen yon unserer Krauken, einer guten Gesundheit. Friederike K. ist ohne Kunsthilfe geboren. Wghrend ihre Gesehwister s~mtlich die Mutterbrust erhalten haben, wurde sie mit tier Flasche aufgezogen, da. s~e nicht im Stande war, an der Brust zu saugen. Gleich bei der Geburt wurde aul~er dem nahezu vSlligen Fehlen der r. Ohrmusche! eine Unbewegliehkeit der reehten Gesichtsh~ilfte bemerkt. Laufen hat sie erst im dritten Lebensjahre gelernt. In den ersten Schuljahren bildete sich eine Rfickgratverkrfimmung aus. Aul]er den Kinderkraukheiten hat sie in den ersten Dezennien keine

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    weiteren Erkrankungen durehgemaeht. Erst in den letzten beiden Jahren stetlte sieh ein Lungenkatarrh ein und im Auswurf zeitweilig Koeh'sehe Bazillen.

    Bei der Inspektion fiillt in erster Linie das volistiindige Fehlen der reehten Ohrmllsehel anf, nur anf dem aufsteigenden Kieferast ungefShr an der Grenze zwisehen oberem nnd mittlerem Drittel findet sieh ein kIeiner pyramidenf6rmiger HSeker, dessen Basis and Itiihe ca. 8 mm betragen. Seine Form erinnert an den Tragus. Man f[ihlt deutlieh einen knorpligen Kern, der sieh leieht versehieben 'l~gt. Eine Asymmetrie der beiden Unter-Kiefer- hNften ist nieht vorhanden Der ~I. stet~noeleido, ist deutlieh siehtbar, der Proe. mastoid, fiihlbar, letzterer ein Drittel so grog, wie derjenige der tinken Seite. Zwisehen anfsteigendem Kieferast Proe. mastoid, und oberem Ende des 1VI. stemoeleido, markiert sieh eine tief eingezogene Grube, in welehe man bequem das Daumenglied legen kann. Der palpierende Finger erhiilt den Eindruek, dat] nur Weiehteile den Orund dieser Grube bilden. Erst bei tieferem Eindriieken ffihlt man einen walzenfSrmigen, naeh unten spitz endenden Knoehen, dessen Form dem proe. styloideus entsprieht. Naeh oben finder sieh kn6eherner Widerstand, ungefSohr 2 em oberhalb des deut- Iieh fiihlbaren KiefeNelenkkopfes.

    Fig. 1.

    Das Naseninnere weist normale YerhNtnisse auf, desglemhen der Nasen- rachenraum. Die Tubenostien sind naeh Form und Lage symmetriseh. Der Kathedrismns gelingt leieht~ Auskalltiert man mittelst eines Otoscopes, dessen ffir den Kranken bestimmtes Ende einen Trichter -v-on 4 cm Durch- messer h~ilt, in der Weise, dag der Trichterrand auf die Temporalregion der zu untersuehenden Person mlfgesetzt wird, so hSrt man ein schwaches, ferries Blasegergusche, wie es bei undurehg~ngiger Tuba anfzutreten pflegt. Eine Bougie ksnn 30 mm welt fiber das Schn~belende des Katheders vorgeschoben werden und stSSt dann anf un[iberwindliehen Widerstand.

    Flfisterworte werden bei fest verschlossenem gesunden Ohre nicht wahr- genommen. Ebensowenig die durch Luftleitung zugefiihrten Stimmgabel- tSne yon Co. bis c 3. c 4 and c 5 werden bei starkem Anschlag gehSrt. Der Ton einer auf den SehSdel aufgesetzten tSnenden Stimmgabel wird an die Stelle des Anfsetzens verlegt, gleichgiiltig, ob das gesunde 0hr versehlossen oder often ist.

    Dis Uhr wird per Luftleitung reehts nieht gehSrt, dagegen beim Anlegen an den Sch~det. Patientin hat dabei den Eindmek, dag die ~$ ahmehmung mis dem linken~ gesunden Ohre erfolge.

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    Dio zweite in die Augen fallende Abnormit~it ist die mangelhafte zum Tell vSlliff aufgehobene Beweglichkeit tier rechten Gesichtsh~lfte. Eine eig'entliche Asymmetrie des Gesichtes in dem Sinne, dab die rechte H~ilfte im Wachstum zurlickgeblieben w~re, besteht nicht. Die rechte Nasolabial- falte ist weniger ausgesprochen als die linke. Rechterseits fehlen an der Stirn die Falten, welche sich links deutlich markieren. Das rechte Auge kann nicht geschlossen werden. Wird der Lidschluft intendiert, so dreht sich der Augapfel etwas nach oben und innen. Bei den unwillkfirlichen Lidschlfissen beteiligt sich nut das linke Auge. Stirnrunzeln kann rechts weder in Lgngs- noch in Querfalten ausgeffihl~ werden, wghrend links diese Bewegnng sich sehr dentlich ausprggt. Die NasenlScher sind gleich welt, beim Nasenr[impfen geht die ttebung des Nasenflfigels rechts, wenn auch schwScher als links yon statten. In der Rnhelage ist yon einer Verzerrung des Mundes nichts zu bemerken, dagegen bleibt beim Sprechen und Lachen der rechte ~Iund- winkel auffatlei~d zurtick. Pfeifen und Mundspitzen kann anstandstos aus- geffihrt and ebenso der rechte Mundwinkel nach rechts verzogen werden. Fiir die Palpation zwischen zwei Fingern erscheint die rechte Wange dfinner und mangelhafter entwickelt; trotzdem finder ein Aufbliihen oder Flattem derselben beim Aussprechen yon Labiaten nicht statt, cbensowenig sind beim Essen and Trinken StSmngen vorhanden. Die Zunge wird im

    wesentlichen gerade hervorgestreckt, zuweilen, aber keineswegs regelmgl3ig, finder ganz vorn an der Spitze eine leichte Abweichung nach links start. Die Geschmseksempfindung ist auf der ganzen rechten ZungenhSlfte ebenso normal nnd gnt funktionierend, wie auf der linken und zwar fiir alle Ge- schmacksqnatitSten, wie wiederholt ausgefghrte Priifungen ergaben. Da.~ Z:~ipfchen m~'d Gaumensegel steht in der Ruhelage gerade. L~i/lt man aber eine Sehluckbewegung machen, so zieht sich die Raphe nach links den ihr sich nahendea GaumenbSgen ent- gegen, das Zapfchcn nchtet sere frele~ Ende stark nach links. Wgbrend die tinke Arkade der GaumenbSgen sich zusammenzieht bis fast zum vSlligen Verschwinden, wird die rechte infoige des fehlenden Naehrgckens des rechten Arcus und des Abrfickens des Z~ipfchens yon der Mittellinie immer gr~ger. Die

    Fig. 2. Sensibilitiit ist rechts wie links un- versehrt. Vermehrte oder verminderte Sehweil~sekretion im Bereiehe der reehten Gesichtshalfte ist hie bemerkt worden.

    Die Pupillen sind gleieh nnd reagieren auf Lichteinfall und Akkomodation in normaler Weise. Ablenkung der Aug~ipfel, die auf irgend eine StSrung eines tier Augenmuskeln deutete, ist bei der Prfifung" in den verschiedensten ]Miekrichtungen nieht vorhanden. Bei extremer Blickrichtung nach rechts in der }lorizontalen treten zuckende t]ewegungen der Bulbi ein, bei anderen BHekriehtnngen fehlen sie.

    Die Bewegungen des Kopfes sind allseitig und gleiehmiit~ig ausffihrbar, beim Seitwiirtsdrehen naeh reehts oder links springt der M. stemocleido- mastoideus der entgegengesetzten Seite sehr scharf strangfSrnfig ~.~or. ~.

    ])as Spiegelbild des Kehlkopfes ergibt normale Verhliltmsse. ~le Stimmb~nder sind in Abduktion und Adduktion ffut beweglich uncl schliellen beim Phonieren schaff in der ~'tittellinie.

    Die elektlische Untersuchung der Nerven ergab auf der gelahmten Seite vSlliges Erlosehensein der En-egbarkeit sowohl fi~.r den galvamschen wie faradischen Strom. .N'ur die Zweige des dritten Astes, wetche den ]g.

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    orbieularis otis und Levator menti versorgen, zeigten Erregbarkeit flit beide Stromarten, wenn aueh in stark herabgesetztem Ma[]e. Yon den Gesichts- muskeln zeig'ten Zygomatieus, 0rbieularis oris und Levator merit, leiehte Zuekungen bei st~rkeren Str~men; die fibrigen l~luskeln derr. Gesiehtsseite und des PIatvsma waren nieht erregbar.

    Fibrill~r~e Zuekungen linden sieh auf der gel~ihmten Seite nieht, ebenso- wenig Kontrakturen.

    Es zeigen sich in dem vorstehend besehriebenen Falle eine Reihe yon EntwieklungstSrungen, die sieh auf einem r~tumlieh nieht sehr ausgedehnten Gebiete abspielen. Wit fanden reehts ein Fehlen fast der ganzen Ohrmusehel, vSllige Taubheit auf dieser Seite und eine L~hmung der meisten Gesiehtsmukeln mit Aus- nahme der die Bewegung des Mundwinkels und des Nasenfltigels ausfiibrenden. Dabei ist der Gesehmaeksinn vNlig erhalten, die reehte Seite des weiehen Gaumens und die Uvula dagegen ge- 1/~hmt.

    Wir dtirfen annehmen aus der objektiven Untersuehung, dab nieht nur Ohrmusehel und Eugerer Geh~rgang, wie der Augen- sebein lehrt, fehlen, sondern aueh die PaukenhiSble. Daftir sprieht das Fehlen tines kn~ehernen Widerstandes bei der Palpation, der bei Vorhandensein eines os tympanieum sieh linden miil~te. Yan wird hier erinnert au VerhNtnisse wie sie Bezold~) in einem Fall yon einseitiger, angeborener Atresie, der zur Obduktion kam, besehrieben hat. Als palpables kniSehernes Gebilde finder sieh in dem ]~aum zwisehen Proe. mast. und Gelenkkopf des Unterkiefers erst ein Organ, dns als Proe. styloidens angesproehen werden mug. Dieser Knoehen entsteht aus einem eigenen Knoeheu- kern, ist ~lso unabh/~ngig yon den iibrigen Knoehen, welehe die Paukenhghle zu bilden bestimmt sind, Annulus tympanieus und P~u'amide. Das Vorhandensein des Proe. styloi, erlaubt daher in keiner Weise den Sehlug auf das Vorhandensein einer Pauken- ht~hle. Die Eustaehisehe Tube ist auf der reehten Seite vorhanden, wie in der Krankengesehiehte mitgeteilt wurde. An ihr sind keine Nil~bildungen zu erkennen. Es ist also die Entwieklung der Vorderdarmausstiilpung, welehe zur Bildung der Tube fiihrt ungestSrt verlaufen. Die Tube endet blind und besitzt mit 30 mm nieht die volle L~nge, die naeh t ty r t l 34 bis 45 betragen soll Es seheint demnaeh der tympanale Absehnitt der Tube nieht zur vollen Entwieklung gekommen zu sein. Es entwiekelt sieh ~-) bekanntlieh der sehalleitende Apparat aus einer yon der iiugeren Oberfl/iehe her erfolgenden geringeren eetodermalen Einsenkung

    1I Z. f. O. Bd. 48, S. 175. 2) tIoffmann-Sehwalbe, Lehre yon den Sinnesorganen. 1887. S. 293.

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    und einer st~irker entwickelten jener entgegenkommenden entoder- malen Tasche. DiG die beiden Tasehen trennende 3~Iembran zer- relict und fiihrt zur Bildung der ersten Kiemenspalte. Der ventrale Abschnitt der Kiemenspalte kommt zum Versehlul~, der dorsale bitdet ein yon auBea naeh dem Schlunddarm fiihrendes gohr, das einen ektodermalen nnd entodermaten Absehnitt hat. An der Grenze beider entsteht alsdana eine Verwaehsung~ an der sieh besonders das mittlere Keimblatt beteiligt. In dieser Trennungs masse bilden sieh aus dem Gebiet der ersten beiden Kiemenbogen hervorgegangene Skelettsttieke, die GehSrknSehelehen. Es mug also eine Einstiilpung des ektodermalen nnd entodermalen Blattes erfolgt sein~ wenn Bin vollkommener sehalleitender Apparat zu- stande kommen soll. In unserm Fall seheint die ektodermale Ein- sttilpung ausgeblieben zu sein. Das entodermale Blatt hat seinen Widerpart nieht gefunden und es ist daher wahrseheinlich~ dal~ auch das Mesoderm der ihm zufallenden Aufgabe tier Bildung des Trommelfelles und der Geh~rkngehelchen nieht hat gereeh werden k~3nnen. MiBbildnngen der Ohrmusehel und gigbildungen des 5ul3eren GehSrganges kommen h~iufi~, gleiehzeittig vor~ und soweit in solehen Fiillen anatomische Untersuehungen vor]iegen~ pflegt dann auch das Mittelohr erhebliehe Entwieklungsst~rungen aufzuweisen.

    Wenn nun auch in unserm Falle ein vSlliges Fehlen des Mittelohres mit groger Wahrseheinlichkeit angenommen werden muB~ so wSre doeh durch einen derartigen Vorgang die Taub- heit nieht erkl~rt. Dafiir mug eine Lfision des sehallempfindenden Apparates in irgend einem seiner Teile verantwortlieh gemacht werden.

    Das Labyrinth nimmt naeh Ste inbr i igge ~) nur in seltenen Fiillen und aueh dann zuweilen nnr partiell an der Entwicklungs- stSrung Teil. Unter 24 anatomiseh nntersuchten Fiillen zeigte sich dasselbe nut 3 Mal wesenflich beteiligt. Labyrinthiire Entwicklungs- st~rungen aus frtihester Zeit, welehe etwa das ektodermale La- byrinthbliisehen betroffen hiitten7 scheinen~ nach demselben Autor~) selten vorzukommen~ vielleicht infolge der gegen meehanische Einwirkung gesehtitzten Lage des Bliischens~ sobald die Ab- sehntirung stattgefunden hat. Jedoch ist vollst~ndiges Fehlen des inneren Ohres und des GehSmerven auf beiden Seiten bei einem 1 t j~ihrigen taubstummen Knaben anatomisch festgestellt worden

    1) Lehrbuch der spec. path. Anatomie yon Orth. Erg~tnzungsband. S. I. 21 1. c. S. 6.

  • Kongenitale Facialislahmung mit ang'eborener Taubheit ttsw. 17.1

    yon Michel1) bet teilweisem Mangel des mittleren Ohres and normalem ~ul~eren Ohr nnd ~ul~eren GehSrgang. Die Proc. mastoid, fehlten in diesem Falle g~nzlich. Die Felsenbeine hatten nicht die dreieekig'e Pyramidenform, welche mit zwei Fl~tchen sonst der Seh~delhShle zugewandt sind, sondern waren oben flach und hatten nur 2 Fl~chen, n~mlieh eine nach der Sch~delhShle und die andere nach aul~en hinsehend. Der N. Facialis ging in dem Felsenbeim wetter bis zum foremen stylomastoideum~ die Chorda tympani fehlte. Von einer Offnung fiir den Eintritt des N. acustieus keine Spur. Derselbe fehlte beiderseits g~nzlieh und wurde vergeblich bis in den vierten Ventrikel verfolgt. Marfan nnd Armand Delille 2) berichten fiber einen Fall, bet dem das Felsenbein nut eine kleine Knochenmasse darstellt~ in der mittleres nnd inneres Ohr, sowie Faeialisstamm nicht naehzuweisen sind.

    Dal~ bei unserer Kranken ein vSlliger Mangel des Labyrinthes vorliegen kann~ ist nicht so ohne weiteres yon der Hand zu weisen. Es wurde deshalb der Versueh gemaeht~ dureh eine RSntgenaufnahme etwas mehr Ktarheit zu gewinnen.

    Die lichtempfindliche Platte befand ~ sieh am ttinterhaupt~ die RShre gegentiber der Stirn 3). Auf der Platte lassen sich sehr deutlich die Gelenkforts~tze des Hinterhaupts erkennen. Ferner springen in die Augen die Process. mastoidei~ deren GrSl~endifferenz zu Ungunsten des rechten sieh recht auff~llig markiert. Der linke ist bet weitem dunkler als der rechte. Zu erkennen sind deuflich die Orbitae trod die Choanen, was einigermaBen wiehtig ist, da eine Orientierung" yon diesen Punkten aus leieht stattfinden kann. Die linke 0hrmuschel liefert einen sehr deutlichen Sehatten. Von tier Mitre tier Mnschel zieht ein Kontour nach dem Hinterhauptsloch. Dieser Kontour ist auf der rechten Seite nur sehwach entwiekelt und verl~tuft ungef~hr t cm niedriger wie links. Er ist nicht wie auf der linken bis an die laterMe Wand der Seh~tdelkapsel zu verfolgen. Wenn man bedenkt, wie sieh die Schatten der die Seh~delbasis zusammensetzenden Gebilde auf der Platte in- and iibereinander sehieben mfissen, so ist es klar~ dal~ man aus dem RSn~enbilde nieht ein absolut klares Bild yon der Konfigm'ation der Sch~tdelbasis gewinnen kann, wie es bet anderen KSrper-

    i) Ref. A. f. O. Bd. 1, S. 353. 2) Ref. Z. f. 0. Bd. 44, S. 304. 3) Auf eine Reproduktion wurde verzichtet, da die auf der Original-

    platte ohnehin schwachen Schatten bet ether Wiedergabe bis zur Unkenntlich- kcit verlieren wfirden.

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    regionen mSglieh ist, immerhin sprieht doeh aber der deutliehe Untersehied in der Sehattenfigur yon links und reehts mit ziem- lieher Wahrseheinliehkeit dafiir, dag das reehte Felsenbein ver- kiimmert ist, wie das ja bei dem Proe. mast. fraglos zutrifft, und das in diesem verkfimmerten Felsenbein sieh eiu verktimmertes Labyrinth finder, oder da[5 dieses vNlig fehlt. Das Labyrinth- bl~isehen mit seinen Ver~nderungen ist ja doeh das Gebilde, wetehes die Felsenbeinpyramide erst sehafft und sie zn der Form- entwieklung fiihrt, die nns die Anatomie lehrt. Wenn also sin mangelhaftes Labyrinth vorhanden ist, oder wenn solehes feblt, so wird die Pyramide verkiimmert sein, und daraus l~gt sieh mit einiger Berechtigung der Rt{eksehlug ziehen, wenn die Pyramide verkiimmert ist, so ist es aueh das Labyrinth.

    Auger den lVIigbildungen im Bereiehe des Geh~rorganes zeigt unsere Patientin aueh Defekte in der Innervation der Gesiehts- muskeln, die auf eine angeborene L~sion des Gesiehtsnerven zurfiek- zuft~hren sind. Es fallen reehterseits die Bewegungen der Stirn- muskeln und der Augensehlieger vNlig aus. Dagegen sind aktive Bewegungen m~glieh l~ei dem Heber des Nasenfliigels und bei den Muskeln, die den Mundwinkel versorgen, w~hreud das Platysma wiederum ohne Bewegung" ist. Im Gebiet der aktiven Bewegungs- mSgtiehkeit ist die elektrisehe Erregbarkeit ffir galvaniseheu und faradisehen Strom erhalten, nut mfissen gr5gere Stromstiirken an- gewendet werden, wie auf der gesunden Seite. Der weiehe Gaumen ist reehts geI~thmt, dagegen der Gesehmaeksinn erhatten. An- geborene Faeialisl~hmungen mit Migbildungen des gleiehseitigen GehSrorgans sind mehrfaeh besehrieben Thomas 1): Einkerbung beider Ohrl~ippehen beiderseitige Faeialisliihmung und Taubheit, Sousques uud Hetler~), Sug'Xr3), Neuenborn4). In letzteren beiden F~llen finden sieh ItSrreste auf tier Seite der migbildeten HSrorgane. Aufierdem finden sieh kongenitale Gesiehtsnerven- l~thmungen isoliert oder kombiniert mit LKhmungen anderer Gehirn- nerven mehrfaeh in tier neurologisehen Literatur verzeiehnet.

    So beriehtet unter anderen MSbius 5) tiber angeborene doppelseitige Abdueens-FaeiMislKhmungen, ferner fiber angeborene L~hmung aller motorisehen Angenmuskelnerven in Begieitung yon

    t) Ref. Neurol. Zentralbl. 1900. S. 576. 21 Ref. Z. f. 0. Bd. 44, S. 304. 3) A. f. 0. Bd. 58, S. 216. 4) A. f . 0. Bd. 63, S. 113. 5t Nfinch. reed. Wochensehrift. I888. S. 9t u. 108.

  • Kongenitale Facialisli~hmung mit angeborener T~ubheit u~w. 173

    Facialisparalyse 1) 7 B e r nh a r d t fiber angeborene einseitige Trige- minus Abducens-Facialisliihmung2). Die angeborenen Facialis- l~hmungen weisen die eigenartige Erseheinung auf, dai~ gew5hnlieh nicht alle Muskeln des Gesiehtes vSllig geliihmt sind~ sondern dal~ eine Gruppe wenn auch verminderte, so doch deuflieh ausgesprochene aktive Bewegungsfi~higkeit behalten bat. Der akfiven Beweglieh- lichkeit entsprieht die elektrisehe~ galvanische sowohl wie fara- disehe, die wenn aueh gegeniiber der Norm herabgesetzt, so doeh vorhanden ist. Mit einer ziemlichen Regelm~i~igkeit sind es die Muskeln des MundwinkeIs~ des Kinnes~ auch wohl das Platysma, welche eine aktive Bewegliehkeit aufweisen. Wi~hrend in dieser Region eine gewisse Konstanz in dem Verhalten der versehiedenen Muskelgruppen bei angeborener Faeialisli~hmung vorzuliegen seheint, finden sich diametrale Gegens~tze beziiglich der Gaumenmuskulatur and des Gesehmaekssinnes. Es spielen ja die StSrungen in diesen beiden Gebieten eine Rolle r insofern dutch sie der Sitz der L~sion des N. VII. festgestellt werden soll. Erhalten ist der Gesehmgck, wie Bernhardt 3) and Sugar (1. e.) beriehten and wie es bei nnserer Patientin der Fall war. gJber Fehlen desseIben auf dem vorderen Absehnitt der Zunge auf der gel~hmten Seite berichten Kor tum 4) Neuenborn (1. e.) nnd andere.

    Uber die Wege~ auf denen die Nervenfasern~ welehe die Ge- schmacksempfindungen vermitteln, ins Zentralorgan gelangen~ herrseht keineswegs Einmiitigkeit der Ansehauungen. Man nimmt wohl ziemlieh allgemein any daI~ der N. Glossopharyngeus and der Lingualis vom dritten Ast des Trigeminus die Gesehmacksfasera beherbergen. Die Geschmacksfasern~ die dem Lingualisgebiet an- geh6ren, laufen naeh weitverbreiteter Ansieht dutch die Chorda tympani. Sic treten dadurch in r~umliehe Beziehnngen zum Faeialis indem die Chorda sieh dem N. VII. in der Paukenhiihle zugeselk nnd sein Gefahrte bleibt bis zum Ganglion genieuli. Wie die centri- petalen Geschmacksfasern yon dort welter naeh dem Zentralorgan ziehen, ob im Stamme des facialis oder dureh den Petrosus superfic. major zum Ggl. sphenopalatinum and damit zum zweiten Ast tier Trigemin'us~ fiillt fiir unsere Frage weniger ins Gewicht. Zu beriieksiehtigen ist noeh eine MSglichkeit des Verlanfes yon Ge- schmacksfasern vom Lingualis des V. Dieser Weg fiihrt yore

    1) Miinch. reed. Wochenschrift. 1S92. h~r. 2~ 3, 4. 2) Neurol. Zentralbl. 1890. S. 419. 3) Neurol. Zentralbl. 1894. S. L 4) ~'eurol. Zentralbl. i896. S. 259.

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    Ggl. oticum des dritten Quintusastes durch den N. petros superfic. minor biegt in den N. tympanicus s. Jacobsonii ein und gelangt, mittels desselben in das Ggl. petrosum des Glossopharyngeus und dann zentralw~rts. Den letztbesehriebenen Weg wies Meissner 1) in seinen Vorlesungen den Gesehmacksfasern zu, soweit sie nieht direkte Aste des glossopharyngeus waren. C arl~) weist den Ge- schmacksfasern des Lingualis den gleiehen Weg" an, I~$t abet dabei aueh einen Tell der gustatorisehen Fasern die Chorda passieren und diese dureh Ggl. geniculatum und dutch denRamus eommunicans zum N. tympanicus gelang'en. Da$ im Nervus tympanieus (Iacobsonii) sensible Fasern vom Zungenrande herkommend verlaufen, ist nicht gut zu bezweifeln. Jedem Ohrenarzt ist zur Geuiige die Tatsache bekannt, da$ bei Sondenberiihrungen der medialen Paukenwand Empfindungen in dem gleichseitigen Zungenrande ausgelSst werden. Weswegen solten nieht aueh die Gesehmacksfasern diesen Weg nehmen?

    E. Maier3) ist auf Grund seiner Untersuehungen iiber Ge- sehmaeksstSrungeu bei Mittelohrerkrankungen zu dem Resultate gelangt, dag Glossopharyngeus und Lingualis, letzterer mittels der Chorda tympani vielleieht auch des Plexus tympanieus sieh in die Versorgung der Zunge mit Geschmaeksfasern teilen, dag aber diese Versor~ung individuelI in verschieden hohem Grade sehwankt. Es kann in einzelnen F~tlen der Glossopharyngeus, in andern die Chorda der einzige Gesehmacksnerv sein.

    Ein wesentlieh differentes Verhalten bei angeborener Faeialis- I~hmung zeigt auch die Gaumenmuskulatur. Bei unserer Patientin konnte eine der Facialisparalyse entspreehende L~hmung des Gaumens festgestellt werden: die auf Reehnung des Levator und des gleichseitigen M. uvulae naeh dem Schema yon Max~ann 4) zu setzen ist. Uber L~hmung" der Gaumenmuskulatur bei angeborener Facialisparalyse beriehten Sugar (1. e.): Tieferstehen des Gaumen- bogen auf d er erkr~,nkten Seite, N e u en b o r n (I.e.) : Uvula sinkt naeh links. Bei anderen wird ausdriicklieh betont, dal~ am Gaumen keine StSrung vorliege (Bernhardt ~), Sehultze6). Weleher Nerv die motorische Funktion der Gaumenmuskulatur iibernimmt, ist zurzeit

    1) weil. Physiologe in GSttingen. 2) A. f. O. Bd. 10. S. 172. 3) Z. f. O. Bd. 48. S. 178. 4) Z.f.O. Bd. 47. S. lff. 5) Neurot. Zentralbl. 1894. S. 1. 6) Neurol. Zentralbl. 1892. Nr. 14.

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    noch eine umstrittene Frage. Im atlgemeinen ist man gencigt~ dem n. Facialis die Innervation tier Gaumenheber und der Uvula zu- zuweisen, indem dieser yore Ggl. geniculi durch den n. Petrosus superficialis major motorisehe Fasem zum Ggl. spheno-palatinum s. nasale sendet, yon wo aus sic in die betreffenden Muskeln ziehen. Reth i t) hat in einer Reihe yon Arbeiten naehzuweisen gesueht, dal~ nieht der Facialis, sondera der Vagus der motorische Nerv [iir den Gaumenheber sei und ihm stimmen darin bei G r a d e n ig o 2) u .a . Naeh Henle , Luschka , Schwalbe~) ist eine doppelte Innervatiou sehr wahrscheinlich. Nach dem Material, welches Reth i vorbringt, kann es nicht gut bezweife]t werden~ dug der Plexus pharyngeus vagi die Innervation der Gaumenheber fiber- nehmen kann. Ebenso liegen doeh aber zahlreiche klinisehe Tatsaehen vor, we]che unzweifelhaft dem Facialis die Rolle der Innervation der Gaumenheber zuweisen. Unser Fall liifit bei seiner ausgesprochenen Levator- und Azygosl~hmung keine an- dere Deutung zu als die, dab der AusfalI der Fasern im Facia]is, tier sich ja in der Gesichtsl~ihmung so unzweifelhaft dokumenfiert, auch die Schuld au der Gaumenl~hmung tr~gt. Es hiel~e doch den Tatsachen Gewalt antun 7 wenn man im vorliegenden Falle eine L~hmung yon Vagusfasern, die den Levator veli versorgen, an- nehmen wiirde, wiihrend im iibrigen keine weiteren StSrungen im Gebiete des Vagus nachweisbar sind. Das verschiedene Ver- halten, welches die Gaumenmuskulatur bei F~llen yon angeborener Facialisli~hmung an den Tag legt~ macht die Hypothese, dab die Innervation der Gaumenheber eine doppelte sei, sehr wahrschein- lich. Sie l~i[~t sich auf Grund dieses abweichenden Verhaltens vielleicht noch dahin erweitern, dal~ in manehen F~llen der Vagus, in anderen der Facialis der einzige motorisehe Nerv fiir den Levator etc. ist. Es wiirde dies ein iihnliches Verh~ltnis sein, wie es nach M aier zwischen Glossopharyngeus und Trigeminus bei der Versorgung der Zunge mit Geschmacksfasern besteht.

    Es dr~ngt sich nun die Frage auf: an weleher Stelle hat man den Sitz der I_5sion des Facialis zu sucheu? M5bius (1. c.) erblickt die Ursache in einem Sehwund der Kerne und be- zeiehnet das yon ibm entworfene Krankheitsbild geradezu als in- fantilen Kernschwund. Bernhardt 4) sehlieSt sieh ihm an und

    1) Z. f. 0. Bd. 50. S. 286. 2) Z.f. 0. Bd. 51. S. 437. 3) Zitat in der Rethischen Arbeit. 4) Neurol. Zentralbl. 1894. S. 5.

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    ist der Ansicht, dab dabei nicht alle gangliSsen Elemente und die yon ihnen entspringenden Pasern untergehen. Die erhaltene Funktion einzelner Muskeln~ wie der den Mundwinkel versorgen- den~ wiirde so ihre Erkl/irung finden, wenn man nicht den Ur- sprung der jene Muskeln versorgenden Nervenfasern aus dem tIypoglossuskern annehmen will. Dieser Hypothese der mangeln- den Kernentwiekelung gegeniiber spricht sieh Sehu l tze (l. c.) dahin aus~ dal~ er in seinem Falle yon angeborener Facialis- liibmung eine periphere L~sion fiir nicht ganz ausgeschlossen betraehten kSnne, daes leichter verstgndlich erseheint~ dab dem peripheren Nerven bei seinem Waehstum peripherw~rts irgend etwas zugestol~en ist, als dab in einem sonst ganz normalen Zentralorgan ein einzelner Kern nieht ausgebildet sein sollte. ZweifeI an tier KernIgsion bei FacialisIghmung, die nicht alte Gesiehtsmuskeln betroffen hat, heat aueh Toby Cohnl). Nach ihm sprieht das Freibleiben einzelner Muskeln yon der L~thmung nicht ohne Weiteres fiir Kernaffektion, da auch in andern Nerven- gebieten bei Stammlahmungen ein einzelner Muskel freibleiben kann, z. B. der Snpinator longus bei ehronisehen Radialis- lghmungen, tier Tibialis antiens bei Paralysen im Peroneusgebiet.

    Das klinische Bild~ welches die angeborene Facialisparalyse aufweist, ffihrt also nieht mit Sieherheit zur Anffindung des Sitzes der L~sion, sonderh liil3t mehrfaehe Deumngen zu. Wenn wir in unserem Falle yon der MiBbildung des iiu[~eren und mittleren Ohres absehen, so lii[St es die hier vorliegende Kombination: Liihmung des Aeustieus, vergesellsehaftet mit L~hmung des Faeialis, als das Gewiesenste erscheinen, das Hemmnis dort zu suehen, wo die beiden Nerven gemeinschaftlieh verlaufen, also auf der Streeke yon ihrem Austritt aus dem verlgngerten Marke bis zu ihrem Eintritt in den Porus acnsticus internus. Wenn die oben auseinandergesetzte Annahme, dais in unserem Falle eine mangelhafte Felsenbeinpyramide vorhanden sei, zutrifft, so wird ein Labyrinth nur verktimmert da sein oder iiberhaupt fehlen. In letzterem Falle kann der hirnwiirts gelegene Abschnitt des Aeustieus keinen AnsehluB an den peripheren Abschnitt linden and ein gleiehes Geschiek wtirde dem Faeialis besehieden sein.

    Nur der Geruchs- und Sehnerv sind Ansstiilpungen der ttirn- blasen2), die iibrigen Nerven~ auch tier Acusficus, waehsen nieht aus dem Zentralorgan heraus, sondern bilden sich iiberall, wo

    1) Neurol. Zentrabl. 1896. S. 972. 2) Vierordt. Grundril] der Physiologie des Menschen. 1STL

  • Kongenita.le Facialisl~hmung mit angeborener Taubheit usw. 177

    Organe und Gewebe sich differenzieren und kommen erst nach- trSglich mit dem Zentratorgan in Verbindung. Gehim- und rtickenmarldose Mit3geburten haben ebenfatls Nerven.

    Die StSrung wfirde also in unserem Falle darin zu suehen sein: dal~ der Zusammenschlug yon peripheren Nerven und Zentralorgan nicht zustande gekommen ist. Dag ein soleher Vor- gang vorkommen kann, beweist der eingangs (S. 169) angefiihrte Sektionsberieht yon Marfan und Armand Delille~ bei dem das Felsenbein nnr eine kleine Knoehenmasse darstellte, in der mittleres und inheres Ohr~ sowie Facialisstamm nicht naehzuweisen waren. In dem Michelschen Falle (1. c.) fehlte nur der Aeusticus, der Facialis war dagegen bis auf die Chorda tympani erhalten. Fiir unseren Falt mSchte ich 5hnliehe Verhi~ltnisse annehmen, wie sie dem Marfan und Delille~schen zugrunde lagen, fiber den leider klinisehe Beobaehtungen nicht gemacht zu sein scheinen. Gegen eine solche Annahme spricht das Vorhandensein des Ge- schmackes keineswegs. In der Maiersehen Arbeit (1. c) wurde festgestellt, dag zuweilen der Glossopharyngeus die gesamte Ge- schmacksversorgung tibernehmen kann~ und das wird er in unserem Falle getan haben, da den Geschmaeksfasern die Trigeminusbahn, welche dureh das GehSrorgan fiihrt (Chorda tympani und n. Ja- cobsonii)~ da sie fehlte, nicht zu Gebote gestanden haben wird. Sehwieriger ist die Deutung der Motilitat der Mundmuskeln. DaI~ dieselben bei StammtSsionen des Faeialis in T~tigkeit bleiben kSnnen, hat unter anderm T. Cohn (I. c.) und Ludwig Mann 1) beobachtet. Die Deutung~ dab die jene Muskeln versorgenden Fasern vietleicht widerstandsf/ihiger gegen Seh~dlichkeiten seiu sollen, ist (L. Mann) nicht gerade sehr iiberzeugend. Die An- nahme~ dag die Fasern fiir die Mundmuskulatur dem Itypoglossus- kern entstammen~ wiirde fiir unseren Fall, indem wit eine Unter- brechung des Facialisstammes durch nicht zustande gekommenen Anschlul~ an das periphere Ende fiir wahrscheinlich halten: nicht in Betracht kommen.

    Eine allseitig befriedigende Erkl~rung fiir die Funktion ge- wisser sonst zum Faeialisgebiet gerechneter Muskeln bei zweifel- loser Stammliihmung fehlt zurzeit noeh~ undes mug einstweilen lediglich mit der Tatsache gerechnet werden. Ob es vielleicht sich aueh um eine doppelte Innervation~ wie sie fiir den Ge- sehmaeksinn und mit Wahrscheinliehkeit auch fiir die Motilititt

    I) BerL Klin. Wochenschr. t894. S. 53. Archly f. Ohrenheilkunde, 73. Bd. Fes~schrift. t2

  • 178 XXIIt. KRETSCHMANN.

    tier Gaumenheber angenommen werden mug, handeln kann, ist eine noeh offene Frage. Kor tum (1. c.) h~lt es ftir nieht un- wahrscheinlieh, dab yon der gesunden Seite her eine Regeneration der Nerven erfolgt, oder da$ sehon yon vornherein, wenn aueh nieht konstant, Anastomosen zwischen den Endverbreitungen der beiden Nn. faeiales bestehen.

    Die yon verschiedenen Autoren bei angeborener Faeialpara- lyse beobaehteten nystagmusartigen Zuekungen bei extremer Blick- riehtung naeh aul~en fanden sieh aueh in unserem Falle. Irgend- weleher Zusammenhang mit der Gesiehtslahmung ist nicht er- weislieh. K or turn findet die Zuekung'en nicht so selten bei im tibrigen normalem KSrper- und Augenbefund, besonders bei nerves disponierten Personen. Die Tatsaehe ist ftir den Ohren- arzt, der ja auf Vorhandensein yon Nystagmus Weft legen tourS, nieht ohne Interesse, da sie zur Absehatzung der Bedeutung jenes Symptoms alas ihrige beitr@t.