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6. AUGUST 1929 KLINISCHE WOCHENSCtlRIFT. 8. JAHRGANG. Nr. 3 2 I5Ol der Vermutung, dab biologische Vorggnge ~hnlich der Pferde- serumsensibilisierung Vorbedingung ftir die Lokalisation der Bakterien am Endokard sind. Zur experimentellen Untersuchung wurden Kaninchen an 5 bzw. IO Tagen tgglich mit 2 ccm Casein (2% in o, iproz. Na=CO3-L6sung ) intraven6s gespritzt. Nach dieser Behand- lung zeigten IO yon 15 Tieren eine ausgesprochene, 5 eine weniger deutliche hyperergische Hautreaktion auf intracutane Caseineinspritzung. Histologische Untersuchungen lassen in diesem Stadium keinerlei Vergnderungen des Endokards er- kennen. Bet nachfolgender Infektion mit Staphylokokken entwickelten 5 yon 7 infizierten Kaninchen eine vollaus- gebildete Endokarditis. Wir glauben, dab unsere Experimente folgende Schlfisse er!auben : I. Vorbedingung ftir Lokalisation yon Bakterien am Endo- kard ist ein allergischer Zustand des Makroorganismus. 2. Das Verh~ltnis zwischen dem Antigen, das den allergi- schen Zustand herbeiftihrt und der Infektion, die sich am Endokard lokalisiert, kann ein unspezifisches sein. Der aller- gische Zustand kann auch dutch nichtbakterielle EiweiBk6rper erzeugt werden. Die immunbiologische Definition des al!ergischen Zustandes wird in weiteren Experimenten versucht. Die ausfiihrliche Arbeit erscheint in den Archives of Pathology. (Aus dem Institute o/ Pathology, West Penn Hospital, Pittsburgh, Pa. U. S. A. [Direktor: Dr. R. R. Mellon].) Literatur: 1 SIEGMU~D, Verh. dtsch, path. Ges. 19, 1I 4 (i923). 7- ~ DIETRICH, Verh. dtseh, path. Ges. 37, 188 (1925). -- 3 FRzI- FELD, Klin. Wschr. x928 , Nr 35, 1645- KASUISTISCHE MITTEILUNG. KONSTITUTIONELLE INFANTILE (PERNICIOSAARTIGE) ANAMIE. Von ~)r. E. U~EHLINGER, Prosektor anl Pathdogisehen Institut Zflrich (Direktor: Prof. H. v. MEYENBURG). NA]EGELI hat versucht, die AnAmien nach ihren Grundlagen zu ordnen. Er unterscheidet : I. Endogene, konstitutionelle AnAmien. 2. Konditionelle AnAmien, auf Grund einer, durch Augere Fak- toren umgestalteten, neuen, besonderen I(6rperbereitsehaft. 3. Exogene An~mien. Zur Gruppe der konstitutionellen AnAmien gehbrt die hereditAre h~molTyLische An~mie, die Chlorose und eine eigenartige AnAmie des Kindesalters, die von FANCO~I besehrieben worden ist, als famili/~re infantile, perniciosaartige An~trnie. Drei }3r~lder erkrankten im 5. bis 7. Lebensjahr zur Zeit der ersten Streckung, im AnschluB an fieberhafte interkurrente Er- krankungen, an hAmorrhagischer Diathese, gefolgt von ether pro- gredient verlaufenden AnAmie, der sie atle, in einem Fall ohne, in zwei Fallen nach einmaliger Remission, erlagen. Die Knaben waren in der k6rperlichen Entwieklung I -- 2 Jahre zurfiek. Die Intelligenz war gut, trotz Mikrocephalie. t3edeekte K6rperhaut, besonders an den Genitalien, intensiv braun pigmentiert. Hantblutungen. Milz, Leber und Lymphdriisen nicht vergr6Bert. Hoden hypoplastisch. Strabismus konvergens. Sehnenreflexe stark gesteigert. Lange vor Ausbruch der AnAmie waren F.I. erh6ht und das Volumen der roten Blutk6rperchen auf mehr als das ll/2-fache vermehrt. FArbung gut. Starke Anisocytose, Poikilocytose, geringe Polychromasie, besonders der Makrocyten. Vereinzelt Megaloeyten und kernhaltige Rote. Resistenz gegen hypertonisehe 1,2oehsalzl6sung eher vermehrt. Leukoeyten framer stark vermin- dert, besonders die Granuloeyten. Gerinnungszeit normal. ]31u- tungszeit stark verllingert. Retraktion des Gerinnsels mangelhaft. H~molyse nicht gestelgert. ]3ilirubinspiegel im ]3lut nie fiber 12,5 rag%. Das I~nochenmark der Iangen und kurzen Knochen bestand vorwiegend aus Fettmark, in das kleine Blutbildungsherde einge- streut waren. Im iolgenden set ein neuer Fall dieser AnAmie beschrieben, der aber dutch das Fehlen des familiAren Auftretens und durch das nicht ausgesprochen perniciosaartige Blutbild yon den yon FANVCONI be- schriebenen FMlen abweicht. Das klinische ]gild abet war so typisch, dab die t~rankenschwestern die Diagnose prima vista stellten. Krankengeschichte: Der 7jAhr. Knabe W. H. ist der Alteste Sohn gesunder, nicht blutverwandter gltern. Sein 6jAhr. Bruder zeigt vollkommen normalen Blutbefund. W.H. hat normale statische und psychische Entwicklung durchgemaeht, trotz einer durch MiBbildung des guBeren und inneren Ohres be- dingten Schwerh6rigkeit. Vor i1/2 Jahren entwickelte sieh im An- schluB an eine KopfriBwunde eine mAch• Blutung. Seit dieser Zeit leidet der Knabe an auBerordenttich starkem Nasenbluten, so, dab das Hb. zeitweise bis ant 3o hinunterfiel. Einmal auch Hautblutungen. W.H. wird wegen des framer wiederkehrenden, oft nur durch Tamponade zum StilIstand zu bringenden Nasenblutens in das Kinderspital Zfirich eingeliefert. Status praesens vom Ii. XII. 1928: L~nge 113, 5 cln (--21/2 cm), Kopfumfang 49 cnl, Brustumfang 52 cm, Banchumfang 49 cm. Schlank gebauter Knabe in gutem E.Z. tIaut blaBgelb, bleich, im Gesicht fahl. Ohrmuscheln durchsichtig. Schleimh~ute blaB. All den bedeckten K6rperpartien ist die Haut stark braun pigmentiert, am st~rksten ill dell Achselh6hlen, um die Mamillen, um den Nabel, an den Hodens~cken. Auf der linken Brustseite und ~ber deulRficken sind mehrere gr6Bere, zackig begrenzte, pigmentfreie Fleeken. Auf der medialen Seite des linken Knies und in beiden Kniekehlen kleine braune Pigmentflecken. Auf den Fugrficken, an beideu Brustkorbseiten blau durchscheinende Hautblutungen. Linker Daumen fehlt. Rechter rudimentAr, nur 2 cm lang, kann nicht bewegt werden. Kop/: Augenreflexe normal. Hintergrnnd stark pigmentiert. GehOr: Fltisterstimme rechts nicht wahrgenommen, links nur ant 3o cm. Rechter Geh6rgang stark verengt.* Linker Geh6rgang normal. TrommelfelI triibe, opak mit eigentflmlich radialen, dunk- len Streifen. Hammerstiel nicht sichtbar. Knochenleitung gut. ZAhne cari6s. Tonsillen nicht vergr6Bert. Schilddrfise nicht ffihlbar. Thorax krAftig, symmetriseh, l~ber den Lmagen lauter Schall und pueriles Atmen. Herzgrenzen: Links 2 Querfinger augerhalb der Mamillarlinie,. rechts 2 Querf.i.nger augerhalb des Sternal- randes. SpitzenstoB im 5. I.c.r. Uberall systolisches GerAusch, mit Maximum fiber der Pulmonalis. Nonnensausen. Leber nieht vergr6Bert. Milz nieht zu ffihlen. Genitale: Hoden sehr klein, kaum bohnengro~, Penis klein. Phimose. Ingafinale, axilli~re, eervieale Lymphdrfisen bis erbsengrog. Sehnenreflexe stark gesteigert geordnet. Psr. + +, Achsr. + + +. Temperatur 37,4. Puls lO6. Blutdruck ILO]45. Urin: E--. Z--. Urobilinogen--. Diazo--. Blutbild: Erythrocyten 85oooo. Hb. 13 unkorr. F.I. 0,96 (normal o,9}. Volumen 97,5 (normal 88), Leukocyten 3600, Neutro- phile 44%, Eosinophile o%, Basophile 0%, Monocyten 2,o%, Lymphocyten 53,4%, kernhaltige Rote i%. P1Attchen 230oo. Gerinnungszeit 4Minuten. Fibrinogen 0,79 (normal 0,2--0,5 ). Blutungszeit 32 Minuten (normal 1,5). Retraktion des Gerinnsels o. Serum~arbe hell. ]3ilirubin im Blutserum 25 mg %. Rumpel-Leede schwach positiv. Die Roten zeigen Anisocytose, basophile Punktierung, Poly- chromasie. u linden sieh Megalocyten. Trotz Arseninjektionen, LeberdiAt und Fleischsaftkost treten framer neue Blutungen auf in die Haut, ill das Zahnfleisch, Nasen- blutungen. Das I-lb. sinkt dauernd. Am 27. XlI. und 29. xn mehrmaliges t31utbreehen. ]31utung an der Wange. Stuhl schwarz. Atmung vertieft. Knabe sieht sehr schlecht aus. Temp. 37,5 ~ sinkt agonal auf 34,2 ~ Hb. 5. Blutbild: Leukocyten 2560, Neutro- phile 53 %, Eosinophile i %, Monocyten 2 %, Lymphoc3&en 43,5 %, Plasmazellen 0,5%. 29. XlI. 13 Uhr 3o Minuten tritt der Tod ein. Die Zugeh6rigkeit des Falles zu der konstitutionellen (famili/~ren) AnAmie mit perniciosaarfigem ]31utbild, trotzdem der ]3ruder yon ~Y. H. gesund ist, wird besti~tigt durch den Sektionsbefund. Auszug aus dem Sektionsprotokoll vonv 29. XII. 1928, 16 Uhr. Schi~delh6hle: Gehirn blutarm, ziemlich grog. Windungen zahi- reich, sehr sehmal. Ventrikel mitfelweit. Ependym glatt. Liquor klar, hetlgelb. Hypophyse erbsengrog. Tfirkensattel mittelgrol3. Augenhintergrund rechts um den Sehnerveneintritt und um die Macula mit punktf6rmigen Blutungen fiberstreut.

Konstitutionelle Infantile (Perniciosaartige) Anämie

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Page 1: Konstitutionelle Infantile (Perniciosaartige) Anämie

6. AUGUST 1929 K L I N I S C H E W O C H E N S C t l R I F T . 8. J A H R G A N G . N r . 3 2 I5Ol

der V e r m u t u n g , d a b biologische Vorggnge ~hn l i ch der Pfe rde- s e rumsens ib i l i s i e rung V o r b e d i n g u n g ftir die Loka l i s a t i on der B a k t e r i e n a m E n d o k a r d sind.

Zur e x p e r i m e n t e l l e n U n t e r s u c h u n g w u r d e n K a n i n c h e n a n 5 bzw. IO T a g e n tgg l ich m i t 2 ccm Casein (2% in o, i p r o z . Na=CO3-L6sung ) i n t r a v e n 6 s gespr i tz t . N a c h dieser B e h a n d - lung ze ig ten IO yon 15 T ie ren eine ausgesprochene , 5 e ine weniger deu t l i che h y p e r e r g i s c h e H a u t r e a k t i o n au f i n t r a c u t a n e Case ine inspr i t zung . His to log ische U n t e r s u c h u n g e n lassen in d iesem S t a d i u m ke iner le i V e r g n d e r u n g e n des E n d o k a r d s er- kennen . Bet nach fo lgende r I n f e k t i o n m i t S t a p h y l o k o k k e n en tw icke l t en 5 yon 7 in f iz ie r ten K a n i n c h e n eine vol laus- gebi lde te E n d o k a r d i t i s .

Wi r g lauben , d a b unse re E x p e r i m e n t e folgende Schlfisse e r ! auben :

I. V o r b e d i n g u n g ftir Loka l i s a t i on yon B a k t e r i e n a m E n d o - k a r d i s t ein a l lergischer Z u s t a n d des M a k r o o r g a n i s m u s .

2. Das Verh~ l tn i s zwischen d e m An t igen , das den allergi- schen Z u s t a n d h e r b e i f t i h r t u n d der In f ek t ion , die sich a m E n d o k a r d lokal is ier t , k a n n ein unspez i f i sches sein. Der al ler- gische Z u s t a n d k a n n auch d u t c h n i c h t b a k t e r i e l l e E iweiBk6rper e r zeug t werden .

Die immunb io log i s che Def in i t i on des a l !e rg ischen Z u s t a n d e s wi rd in we i t e r en E x p e r i m e n t e n ve r such t . Die ausf i ihr l iche A r b e i t e r s c h e i n t in den Arch ives of P a t h o l o g y . (Aus dem Institute o/ Pathology, West Penn Hospital, Pittsburgh, Pa. U. S. A. [Direktor: Dr. R. R. Mellon].)

L i t e r a t u r : 1 SIEGMU~D, Verh. dtsch, path. Ges. 19, 1I 4 (i923). 7- ~ DIETRICH, Verh. dtseh, path. Ges. 37, 188 (1925). -- 3 FRzI- FELD, Klin. Wschr. x928 , Nr 35, 1645-

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G .

KONSTITUTIONELLE INFANTILE (PERNICIOSAARTIGE) ANAMIE.

Von

~)r. E. U~EHLINGER, Prosektor anl Pathdogisehen Institut Zflrich (Direktor: Prof. H. v. MEYENBURG).

NA]EGELI ha t versucht, die AnAmien nach ihren Grundlagen zu ordnen. Er unterscheidet :

I. Endogene, konsti tutionelle AnAmien. 2. Konditionelle AnAmien, auf Grund einer, durch Augere Fak-

toren umgestalteten, neuen, besonderen I(6rperbereitsehaft . 3. Exogene An~mien.

Zur Gruppe der konst i tut ionel len AnAmien gehbrt die hereditAre h~molTyLische An~mie, die Chlorose und eine eigenartige AnAmie des Kindesalters, die von FANCO~I besehrieben worden ist, als famili/~re infantile, perniciosaartige An~trnie.

Drei }3r~lder erkrankten im 5. bis 7. Lebensjahr zur Zeit der ersten Streckung, im AnschluB an fieberhafte in terkurrente Er- krankungen, an hAmorrhagischer Diathese, gefolgt von ether pro- gredient verlaufenden AnAmie, der sie atle, in einem Fall ohne, in zwei Fallen nach einmaliger Remission, erlagen. Die Knaben waren in der k6rperlichen Entwieklung I -- 2 Jahre zurfiek. Die Intelligenz war gut, t rotz Mikrocephalie. t3edeekte K6rperhaut , besonders an den Genitalien, intensiv b raun pigmentiert . Hantblutungen. Milz, Leber und Lymphdri isen nicht vergr6Bert. Hoden hypoplastisch. Strabismus konvergens. Sehnenreflexe s tark gesteigert.

Lange vor Ausbruch der AnAmie waren F.I. erh6ht und das Volumen der roten Blutk6rperchen auf mehr als das ll/2-fache vermehrt . FArbung gut. Starke Anisocytose, Poikilocytose, geringe Polychromasie, besonders der Makrocyten. Vereinzelt Megaloeyten und kernhalt ige Rote. Resistenz gegen hypertonisehe 1,2oehsalzl6sung eher vermehrt . Leukoeyten framer s tark vermin- dert, besonders die Granuloeyten. Gerinnungszeit normal. ]31u- tungszeit s tark verllingert. Ret rakt ion des Gerinnsels mangelhaft . H~molyse nicht gestelgert. ]3ilirubinspiegel im ]3lut nie fiber 12,5 rag%.

Das I~nochenmark der Iangen und kurzen Knochen bes tand vorwiegend aus Fet tmark, in das kleine Blutbi ldungsherde einge- s t r e u t waren.

Im iolgenden set ein neuer Fall dieser AnAmie beschrieben, der aber dutch das Fehlen des familiAren Auftretens und durch das nicht ausgesprochen perniciosaartige Blutbild yon den yon FANVCONI be- schriebenen FMlen abweicht. Das klinische ]gild abet war so typisch, dab die t~rankenschwestern die Diagnose prima vista stellten.

Krankengeschichte: Der 7jAhr. Knabe W. H. ist der Alteste Sohn gesunder, nicht b lutverwandter g l tern . Sein 6jAhr. Bruder zeigt vollkommen normalen Blutbefund. W . H . ha t normale statische und psychische Entwicklung durchgemaeht, t ro tz einer durch MiBbildung des guBeren und inneren Ohres be- dingten Schwerh6rigkeit. Vor i1/2 Jahren entwickelte sieh im An- schluB an eine KopfriBwunde eine mAch• Blutung. Seit dieser Zeit leidet der Knabe an auBerordenttich s tarkem Nasenbluten, so, dab das Hb. zeitweise bis ant 3o hinunterfiel. Einmal auch Hautblu tungen. W . H . wird wegen des framer wiederkehrenden, oft nur durch Tamponade zum StilIstand zu bringenden Nasenblutens in das Kinderspital Zfirich eingeliefert.

Status praesens vom I i . XII . 1928: L~nge 113, 5 cln (--21/2 cm), Kopfumfang 49 cnl, Brus tumfang 52 cm, Banchumfang 49 cm. Schlank gebauter Knabe in gutem E.Z. t I a u t blaBgelb, bleich, im Gesicht fahl. Ohrmuscheln durchsichtig. Schleimh~ute blaB. All den bedeckten K6rperpart ien ist die Hau t s tark b raun pigmentiert , am st~rksten ill dell Achselh6hlen, um die Mamillen, um den Nabel, an den Hodens~cken. Auf der l inken Brustseite und ~ber deulRficken sind mehrere gr6Bere, zackig begrenzte, pigmentfreie Fleeken. Auf der medialen Seite des linken Knies und in beiden Kniekehlen kleine braune Pigmentflecken. Auf den Fugrficken, an beideu Brustkorbsei ten blau durchscheinende Hautblutungen. Linker Daumen fehlt. Rechter rudimentAr, nur 2 cm lang, kann nicht bewegt werden.

Kop/: Augenreflexe normal. Hintergrnnd stark pigmentiert . GehOr: Flt isterst imme rechts nicht wahrgenommen, links nur ant 3o cm. Rechter Geh6rgang stark verengt.* Linker Geh6rgang normal. TrommelfelI triibe, opak mit eigentflmlich radialen, dunk- len Streifen. Hammerst iel nicht sichtbar. Knochenlei tung gut. ZAhne cari6s. Tonsillen nicht vergr6Bert.

Schilddrfise nicht ffihlbar. Thorax krAftig, symmetriseh, l~ber den Lmagen lauter Schall

und pueriles Atmen. Herzgrenzen: Links 2 Querfinger augerhalb der Mamillarlinie,. rechts 2 Querf.i.nger augerhalb des Sternal- randes. SpitzenstoB im 5. I.c.r. Uberall systolisches GerAusch, mit Maximum fiber der Pulmonalis. Nonnensausen. Leber nieht vergr6Bert. Milz nieht zu ffihlen.

Genitale: Hoden sehr klein, kaum bohnengro~, Penis klein. Phimose.

Ingafinale, axilli~re, eervieale Lymphdrfisen bis erbsengrog. Sehnenreflexe s tark gesteigert geordnet. Psr. + + , Achsr. + + + . Temperatur 37,4. Puls lO6. Blutdruck ILO]45.

Urin: E - - . Z - - . Urobi l inogen- - . D i a z o - - . Blutbild: Erythrocyten 85oooo. Hb. 13 unkorr. F.I. 0,96

(normal o,9}. Volumen 97,5 (normal 88), Leukocyten 3600, Neutro- phile 44%, Eosinophile o%, Basophile 0%, Monocyten 2,o%, Lymphocyten 53,4%, kernhalt ige Rote i% . P1Attchen 230oo. Gerinnungszeit 4Minuten. Fibrinogen 0,79 (normal 0,2--0,5 ). Blutungszeit 32 Minuten (normal 1,5 ). Ret rakt ion des Gerinnsels o. Serum~arbe hell. ]3ilirubin im Blutserum 25 mg %. Rumpel-Leede schwach positiv.

Die Roten zeigen Anisocytose, basophile Punkt ierung, Poly- chromasie. u l inden sieh Megalocyten.

Trotz Arseninjektionen, LeberdiAt und Fleischsaftkost t re ten framer neue Blutungen auf in die Haut , ill das Zahnfleisch, Nasen- blutungen. Das I-lb. s inkt dauernd. Am 27. Xl I . und 29. x n mehrmaliges t31utbreehen. ]31utung an der Wange. Stuhl schwarz. Atmung vertieft. Knabe sieht sehr schlecht aus. Temp. 37,5 ~ s inkt agonal auf 34,2 ~ Hb. 5. Blutbi ld: Leukocyten 2560, Neutro- phile 53 %, Eosinophile i %, Monocyten 2 %, Lymphoc3&en 43,5 %, Plasmazellen 0,5%.

29. Xl I . 13 Uhr 3o Minuten t r i t t der Tod ein. Die Zugeh6rigkeit des Falles zu der konsti tut ionellen (famili/~ren)

AnAmie mit perniciosaarfigem ]31utbild, t ro tzdem der ]3ruder yon ~Y. H. gesund ist, wird besti~tigt durch den Sektionsbefund.

Auszug aus dem Sektionsprotokoll vonv 29. XII . 1928, 16 Uhr.

Schi~delh6hle: Gehirn blutarm, ziemlich grog. Windungen zahi- reich, sehr sehmal. Ventrikel mitfelweit. Ependym glatt. Liquor klar, hetlgelb. Hypophyse erbsengrog. Tfirkensattel mittelgrol3. Augenhintergrund rechts um den Sehnerveneintr i t t und um die Macula mit punktf6rmigen Blutungen fiberstreut.

Page 2: Konstitutionelle Infantile (Perniciosaartige) Anämie

I 5 0 2 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Brust- und BauchhOhle: Subcutanes Fettgewebe fiber der Brust r cm, fiber dem Bauch z cm, an den Oberschenkeln 2 cm breit, citronengelb. Thorax-, besonders aber die Oberschenkelmuskulatur, kr~ftig entwickelt, bildet mit ihrer leuchtenden, saftigen rotbraunen F~rbung einen schroffen Kontrast zu den fibrigen blutarmen, bleichen Organen. Von der MuskelschnittflXche reichlich dfinnfltis- siges, hellrotes Blur abstreiibar.

Zwerchfellstand bds. 4. Rippe. Milz klein, fret. Leber fiberragt die Basis des Sternum um 4 cm, verschwindet in der rechten Mamillarlinie unter dem Rippenbogen. Magen, Darmschlingen und Appendix fret. Kleines Becken leer. Rechte Niere, Ureter und Samenblase fehlen. Peritoneum weiB, zart, gl~nzend.

VerknScherungsgrenze der Rippen schmal, weiB. Rippenknorpel bl~ulich. Lungen stark gebl~ht, fret. Pleurar~ume leer. Pleura costalis weiB, zart. Ductus thoracicus zart. ImvorderenMittelfeld liegt eine 6 : 2 cm messende, den t terzbeutel tiberlagernde, schmale, blasse Thymus. Schnittflache grauweig, lappig.

Im Herzbeutel reichlich klare, hellgelbe Flfissigkeit. Herz zwei- real so groB wie die rechte Faust der Leiche, 145 g schwer, fiber- ragt die Mittellinie nach rechts um 4, nach links um 7 cm. Spitze abgerundet, yon beiden Ventrikeln gebildet. Uber de r Herzspitze streifenfOrmige, subepikardiale 131utungen. Alle Herzh6hlen stark erweitert. Klappen zart. Myokard auf Schnitt blaB, weiglich, transparent, miBt im linken Ventrikel 7 ram, im rechten 3 ram.

Zunge weiB, glatt. Balgfollikel kr~ftig. Tonsillen i : i : 1/~ cm grog. Oberfl~che glatt, sauber. Lymphatisches Gewebe graugelb, gefaltet. Oesophagusschleimhaut weiB, im unteren Drittel yon streifenf6rmigen, hellroten Blutungen durchzogen.

Schilddriise wiegt 5 g, miBt bds. 3 : I : I cm, a/S gelbbraun, lappig.

S~mtliche Luftwege enthalten spXrlichen, klaren, zahen, weiBen Schleim. Schleimh~ute gelbweig, zart.

Lungenlappen grog, stark gebl~tht, yon gelbweiger, durchschei- nender Pleura fiberzogen. Rechte Lunge nur in Ober- und Unter- lappen geteilt. Vom Oberlappen ist durch eine quer verlaufende, seitliche Spalte die Abgrenzung eines Mittellappens angedeutet. Linkerseits nur i Lappen, dessen Zweiteilung durch eine Furche angedeutet wird. S~hnittfl~che s~mtlicher Lappen trocken, glatt, braunrot. Abstrichsaft fiberall ziemlich reichlich, luftreich, auger- ordentlich blutarm, Mar. In den Unterlappen unregelm~tBig ver- teilt fleckfSrmige, orangegelbe Blutungen. Gewebe zahe.

Hilus- und Bifurkationslymphdrfisen i - - 2 cm lang, gelbweig. Milz migt: 8 : 4 : i~/~ cm, wiegt 4 ~ g. Kapsel graur6tlich, glatt.

Sehnittflache violettrot, glatt. Foltikel klein. Trabekel breit. Abstrichsaft spXrlich, klar, blutarm. Brfichigkeit nicht vermehrt.

Beide Nebennieren gut entwickelt, 5 g schwer. Linke kappen- artig fiber den oberen Nierenpol gestfilpt, rechte flach ausgebreitet. Rinde intensiv gelb. Mark schmal.

Linke Niere miBt io : 8 : 3 cm, wiegt ioo g. Sie hat Dreiecks- form. Ober- nnd Schnittfl~che blaBgelb. Rinde und Mark deutlich getrennt, 7 mm Rindenbreite, Hilus liegt auf der Vorderseite. Nierenbecken zweigeteilt. Das obere Becken sammelt die Calices, yon links oben augen, das untere yon rechts innen. Die Ureteren vereinigen sich auf halber H6he. Nierenfettkapsel mittelkrXftig. Fibr6se Kapsel zart.

Leber miBt 18 : I i : 6 cm, wiegt 38o g, normal geformt. Ober- und SchnittftXche gelbbraun, glatt. Zeichnung klar. Zentren der L,~tppchen geIb. Glissonsche Scheiden schmal. In der Gallenblase hellgelbe Galle. Pankreas kr~ftig, io g schwer. Mesenterium fett- arm. Lymphdrfisen erbsgroB, gelb.

Schleimhant yon Magen und Darmtraktus grauweiB, zart. Coecum und Appendix sind zusammen 3~/~ cm lang, gehen ohne seharfe Grenze ineinander fiber.

Blase intakt. Nur links Ureterenmfindung, Prostata klein. Rechte Samenblase und rechter Hoden ~ehlt. Linker Hoden bohnen- grog, a/S graur6tlich, IXcherf6rmig.

Rechter Oberschenkel: In beiden Epiphysen nnd im unteren Teil des Schaftes goldgelbes Fettmark, das gegen den oberen Teil des Schaftes in durchsichtiges, graur6tliches Mark fibergeht. In der oberen Diaphyse rein graurotes Mark. In den WirbelkSrpern Spo~giosagerfist krXftig. Markr~ume streifenfSrmig mit goldgelbem und rotem Mark geffillt. Rippen enthalten rotes M~trk.

Histologiseher Be/und: Knoehenmarksausstrich aus Oberschenkel, WirbelkSrper und

Rippen : Zahlreiche l?;rythroblasten, die fast ausnahmslos als Normo- blasten anzusprechen sind, in allen Stadien der Reifnng mit amito- tischem Kernzerfall und Kernpyknosen. Bet mehrmaliger Durch- sicht der PrXparate konnten im ganzen nur zwei ganz jugendliche Zellen gefunden werden, die wegen ihres groBen, ziemlich typisch feinretikul~tren Kernes, vielleicht als Megaloblasten angesprochen werden k6nnen. Sicher l~gt es sich such hier nicht behaupten, da die GrOBe der Zellen nicht zur Beurteilung herangezogen werden kann. AuBerdem linden sich in nornlaler Menge zahlreiche Jugend-

R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr . 32 6. AUGUST I9Z9

formen der myeloischen Leukocyten, vereinzelte mit eosinophilen Granula, in alien Reifestadien. Vereinzelt retie Lmyphocyten, wahrscheinlich aus dem Blute stammend.

Knoehenmark des t~emur im Schnitt: Das Spongiosagerfist ist regelm~Big entwickelt, zum Teil mit Ilachen, zum Teil mit kubischen Osteoblasten belegt. Die Markraume sind vorwiegend geffillt mit Fettmark, in das Blutbildungsherde eingestreut sind, die sich aus den gleichen Zellen zusammensetzen wie die Blutausstriche. Megakaryocyten /ehlen /ast ganz. Kein Eisen.

Milz: Fotlikel gut entwickelt, in mittlerer Menge, mit deutlichen Sekund~irkn6tchen. In einzelnen Kn6tchen ist das Reticulum um die Zentralarterien besonders krXftig entwickelt. Sinus scharf umschrieben. Pulpamaschen mtichtig mit Blur durchflutet, werden yon einem dichten Gitterfaserwerk durchkreuzt, sind nicht infiltriert. Sinusendothelien kubisch, dr~ngen sich stark in die Lichtung vor. Entlang den Trabekeln und um die Zentralarterien ist in die Reti- culumzellen wenig kSrniges Eisen eingelagert. Oxydasereaktion fast vollkommen negativ. Keine Normoblasten (auch nicht in den Ausstrichen).

Leber: Zeichnung deutlich. Leberzeltbalken mittelbreit, Leber- zellen um die Zentralarterien feintropfig verfettet. Kupffersche Sternzellen nicht geschwollen, nicht vermehrt, ohne Fet t und ohne Eisen. Glissonsche Scheiden zart. Keine Blutbildungsherde.

Lymphdri~sen: Lymphatisches Gewebe krMtig entwickelt. Rindenkn6tchen mit kleinen Keimzentren. Sinus welt. Weder Reticulumzellen noch Sinusendothelien haben Eisen aufgenommen. Oxydasereaktion negativ.

Herz, Lungen, Nieren, Pankreas zeigen keinen abnormen Befund. Schilddriise: Lappiger Bau. Follikel klein und mittelgroB mit

kubischen Epithelien ausgekleidet. Einzelne Follikel enthalten eosinophiles Kolloid. Stroma schmal, fibrill~r.

Nebennieren: Rinde regelm~tBig entwickelt. Zona fascicularis fettreieh. Mark kr~tftig, mit zahlreichen chromophilen Zellen.

Hoden: Keine Spermiogenese. Zwischenzellen in mittlerer Menge. Kein Eisen.

Haut yon Brust und Hodensack: Basalzellschicht der Epidermis ist stark braun pigmentiert. In der chris reichlich, zum Teil spindel- f6rmige, zum Tell stark ver~stelte Zellen, die dureh schmale Proto- plasmaausl~ufer netzartig miteinander in u stehen und reich mit feink6rnigem, braunem, eisenfieiem Pigment beladen stud. Keine Infiltrate.

Zungengrund: Die Papillengef~Be sind zum Teil mit Plasma- zellin~iltraten umgeben. Follikel am Zungengrund krMtig entwickelt, mit groBen Keimzentren.

QuergestreiJte MuskelJasern nicht verfettet, ohne Eisen. Keine Infiltrate.

Pathologisch-anatomische Diagnose: Sehwere Aniimie. l~ettmark in Oberschenkel, WirbelkSrpern, Rippen. Geringgradige HXmoside- rose der Milz. Geringgradige zentrale Verfettung der Leber. Starke exzentrisehe tIerzhypertrophie bds. Blutungen in Oesophagus, Lungen, subepikardial, in den Augenhintergrund, in die Haut .

Fehlen des linken I)aumens, rudimentarer rechter Daumen. Fehlen der rechten Niere, Samenblase, des rechten Hodens und Nebenhodens. GroBe linke Niere mit doppeltem Nierenbecken. Rudiment~re Appendix. Unvollkommene Lungenlappung. Starke Pigmentation der bedeckten KSrperhaut.

, ,Jede An~mie ist eine Bilanzst6rung zwischen Verbrauch und Zufuhr yon roten Blutk6rperchen" (AsxA~AZu Die Ursache der AnXmie in meinem Fall beruht auf ether St6rung in der Bildung der roten Blutk6rperchen infolge einer stark quantitativen, aber nicht qualitativen Unterentwicklung des roten Markes. In einem Fall yon FAxco~I bestand allerdings auch eine deutliche qualitative Ver- ~nderung des I(nochenmarkes im Sinne einer megaloblastisch- megalocyt~ren Umwandhng. Das blutbildende Mark ist auf den Sehaft und die obere Diaphyse des Femurs und Inseln in den Wirbel- k6rpern beschr~nkt, Alle fibrigen Markr~ume werden yon Fet t - mark eingenommen (Lipomatose ex vacuo). Der Knochenbestand ist weder vermehrt noch vermindert. Die Folge ist eine hochgradige AnXmie und Leukopenie, deren StXrke in unmittelbarer, quanti ta- river Beziehung zur Verminderung des blutbildenden Gewebes besteht. Nit fortschreitendem K6rperwachstum wird der Unter- schied zwischen Erythrocytenbedarf und Masse des erythro- poetischen Markes immer grSBer, am st~rksten in der ersten Streckungsperiode (6. Lebensjahr). In gleicher Menge wie die eellulXren Bestandteile des Blutes, mit Ausnahme der Lympho- cyten, sind auch die Pl~ttchen vermindert. Sinkt ihre Zahl unter 45ooo, so t r i t t Ms erstes Symptom eine h~morrhagische Diathese auf. Die unaufhaltsam aufeinanderfolgenden ]31utungen vet-

Page 3: Konstitutionelle Infantile (Perniciosaartige) Anämie

6. AUGUST x929 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

sch~rfen rasch die Anf~mie. Das vorhandene Mark sucht den Ver- lust zu decken, ist aber, infolge seiner geringen Bassigkeit, keines- wegs dazu imstande. Die posth~morrhagische Regeneration ist sehr intensiv, fiberstfirzt, ffihrt zu Anisocytose, Poikilocytose, Polychromasie, Makrocytose. Das dureh die Blutraauserung frei werdende Eisen wird der Blutneubildung sofort wieder dienst- bar gemacht (AskA~KzY). Durum bleibt die It~mosiderose yon Milz, Leber und Knochenmark sehr gering. Die Thrombocytenzahl fi~llt durch die unaufh6rlichen Blutungen und ungenfigenden Ersatz framer rascher. Die h~morrhagisehe Diathese wird immer allge- meiner, steigert sich zur finalen, tSdlichen Blutung.

Die eigenartigen Gewebsmisehungsverh/~ltnisse im Knochen- mark weisen auf eine Entwieklungsst6rung hin, wie sie der Hamartie im Sinne E. ALBRECI~S zugrunde liegen. Auf Entwicklungsst6rung weist vor allem auch die H~nfung der Migbildungen an anderen Organen hin: Fehlen des linken Daumens, Hypoplasie des rechten Daumens, Fehlen der reehten Niere, eigenartig geformte linke Niere, Aplasie der rechten Samenblase und rechtsseitigen Genitalorgane, rudimentXre Appendix, unvollkommene Lungenlappung, struppiges Haar. Die St6rung ist nicht in die frfiheste Entwicklungsperiode zu verlegen, sondern in die Periode der Organentwicklung, denn die einzelnen Gewebe sind voltkommen funktionstfichtig. Darauf weist vor allem auch die starke Regeneration im roten Blutbild hin. Selbst Megalocyten kSnnen anftreten, sind aber nicht obligat.

DiJ]erentialdiagnose: Gegen pernizi6se AnAmie spricht in diesem :Fall der remissionslose Verlauf, das Fehlen yon Megaloblasten, das Fehlen einer Urobilinogenurie and das Alter. Pernizi6se An~mie unter IO Jahren ist auBerordentlich selten. Von 5zo FMlen SCHAV- MANNS ba t ten nur 2 ein Alter unter io Jahren. Anaemia splenica JAKSCI~-HAu ist wegen der normal groBen Milz nnd Leber, der Leukopenie and dem Alter, H~mophilie wegen der normalen Ge- rinnungszeit, die hamolytische Anamie wegen der normal groBen Milz, der normalen Resistenz der roten Blutk6rperchen und der nicht gesteigerten l-I/~molyse auszuschlieBen.

Die konstitutionelle, perniciosaartige, infantile An~mie und die essentielle Thrombopenie yon FRANI~ beginnen beide mit einer h/~mor- rhagisehen Diathese. Bei beiden Krankheiten ist die Blutpl/~ttchen-

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biIdung eingeschr~nkt. Sobald ihre Zahl unter 45o~ sinkt, setzen die Haut- und Sehleimhautblutungen ein. Bei der infantilen An~mie aber bleibt die KnochenmarksschAdigung nicht auf die Megakaryo- cyten beschr~nkt, sondern greift im sp~teren Krankheitsverlauf auf das gesamte erythropoetische System fiber und ffihrt zu einer ganz best immten VerXnderung des roten Blutbildes. Die Umwand- lung des roten Markes kann so tiefgreifend sein, dab Megalocyten und Megaloblasten auftreten (F.~I~coNI). In meinem Fall allerdings beschr~nkte sich die Umwandlung des quanti tat iv stark ein- geschr~nkten roten Knochenmarkes auf eine stark regenerativ verschobeue Erythropoese, mit Ausschwemmung yon anisocyto- tischen, polychromatischen und basophil punktierten roten Blut- k6rperchen. Gegenfiber der AleuMe yon FRAI~K bilden die inten- sive Regeneration der Erythrocyten und der langsame Krankheits- verlauf grundlegende Unterschiede. Erythropoese and Leukopoese liegen keineswegs darnieder, sind abet in ihrem Umfang eingeschrAnkt. Immerhin ist auffallend, dab eine extramedull~re Blutbildung nicht zustande kommt.

Aus den differentialdiagnostischen Betrachtungen geht hervor, dab wir in der infantilen, perniciosaartigen An~mie (FAI~CONI) ein scharf umschriebenes, besonderes Krankheitsbild vor uns haben, yon dem wit in Zfirieh in kurzer Zeit 4 F~tlle beobachten konnten.

Zusammen]assung: Beschreibung eines Falles yon infantiler, konstitutioneller (perniciosaartiger) An~mie (FANcoIqI) bei einem 6j~hrigen Knaben. Ursache der An/~mie ist eine quantitative Unter- entwicklung des roten Knochenmarkes, ohne VerAnderung des Knochenbestandes. Das vorhandene blutbildende Mark ist roll funktionsfXhig. Die HAmolyse ist nicht gesteigert. Die H~ufung yon MiBbildungen an den Organen spricht ftir ein Vitium primae for- mationis. Diese AnXmie kann familiar auftreten. Das klinische Bild wird beherrscht durch Haut- und Schleimhautblutungen auf Grund einer der Blutarmut vorausgehenden Thrombopenie.

Li t e r a t u r: M. ASKANAZY, Knochenraark. Handbueh der spez. pathol. Anatomie trod pathoL Histologie. Berlin: Jul. Springer 1929. - - E. FRANK, Aleukia haemorrhagica. Berl. klin. Wsehr. 1915, 96I. -- G. FANCONI, Famili~re infantile perniciosaartige An~imie (PerniziSsesBlutbild und Konstitution). Jb. Kinder- heiik. 67, e57 (I927). ~- O. NAEGELI, Angemeine Gesichtspunkte tiber An~irnie, deren EntsteIaung and Einteilung. Sehweiz. reed. Wscbr. 1~23, lO43.

ZUR FRAGE DER RASSENGLIEDERUNG DEUTSCHLANDS.

Von

Dr . KARL SALLER. Aus dem Anatomischen Institut der Universit~t G6ttingen

(Direktor: Prof. Dr. H. FUCHS).

Wenn wir heute beim Menschen yon verschiedenen Rassen sprechen, so sind wir uns eigentlieh nicht recht klar darfiber, was wir hier unter einer Rasse zu verstehen haben. Bei Tier- und Pflan- zenzuchten pflegen Rassen vielfach durch ein einziges, etwa zu Zuchtzwecken besonders wichtiges Berkmal gekennzeichnet zu werden. ,,Reine Rassen" liegen dana vor, wenn das in Frage kom- mende Merkmal in einer in Isolation gehaltenen Gruppe homozygot vererbt wird und wenn dementspreehend ffir das berficksichtigte Merkmal Mle FiliaIgenerationen der Parentalgeneration v611ig gleich sind. In diesem Sinn ist der l~assenbegriJJ weitverbreitet. Ffir den Menschen kann er ]edoch aus folgenden Grfinden in derselben Form nicht angewandt werden.

Wir besitzen keinen MaBstab und keinen Grand -- wie ilm ffir den Zfichter etwa eine geplante Zaehtwahl darstellt -- dieses oder ienes Einzelmerkmal ffir besonders wiehtig zu halten und uns durum zur Kennzeichnung yon Rassen auf derartige Einzelmerkmale berufen zu dfirfen. Es ist auch durchaus nicht eln Einzelmerkmal, das alle Menschenrassen unterscheidet; viele Rassen sind in vielen Merkmalen gleich und die Untersehiede beruhen jeweils in weehseln- den Merkmalen. Daraus folgt, dab zur Ifennzeichnung einer Men- schenrasse nicht Einzelmerkmale beigezogen werden k6nnen, son- dern dab sich die Rassenkennzeiehnung beim Menschen immer auf eine Vielheit yon Merkmalen, eine Merkmalskombination stfltzen muB. Dabei haben Untersuehungen an menschlichen Bastarden gezeigt, dab zwisehen den Merkmalen, die in ihrer Kombination eine Rasse kennzeichnen, im Erbgang eine Korrelation zwar be- stehen kann, aber nicht zu bestehen braucht.

Weiterhin handelt es sich bei den Rassenmerkmalen des Men- schen meist nicht um Berkmale mit alternativer Variabilit~t und dementspreehenc]em oder anderem einfachem Erbgang. Die meisten Rassenmerkmale variieren fluktuierend, und ihr Erbgang ist ein polymerer. Daher kann ffir die Rasse nicht jeweils eine ganz be- st immte Merkmalsauspr~gung kennzeichnend sein, die sieh kombinie- renden ~inzelmerkmale der Rasse mfissen vielmehr als eine be- st immte H~ufigkeitsreihe (mit charakteristischem Mittelwert und charakteristischer Streuung) bezeichnet werden. Daraus folgt auch die Unm6glichkeit, das Einzelindividuum nach dem EinzeImerkmal in seiner Rassenzugeh6rigkeit genau zu bezeichnen; das t~inzel- individuum kann mit seiner Merkmalsauspr~gung in das ~ber- schneidungsgebiet der H~ufigkeitsreihen von 2 oder mehreren Rassen fallen und dana einer best immtea Rasse nieht zugeordnet werden. Deshalb ist der Rassenbegriff beim Menschen auch vom Einzel- individuum zu 16sen, er ist ein Gruppenbegriff und kann nur durch die Untersuchung gr6Berer Gruppen gewonnen werden. Von ,,reinen" Rassen kann dabei exakt im genetischen Sinne nicht ge- sprochen werden, da mit der Polymerie der meisten Rassenmerkmale framer eine gewisse Inhomogenit~t der Rasse verbunden ist, die auch die Variabilita4c der Rassenmerkmale -- neben der Real~tion der- selben mit Umwelteinfl~ssen -- mitbedingt.

Die Abgrenzung der zu nntersuchenden Gruppen ergibt sich dann aus geographischen Grfinden, da die Voraussetzung ffir eine Rassenentstehung beim Menschen die geographische (wie bei Zucht- tieren die willkfirlich gesetzte) Isolation ist, in der Merkmale and Merkmalskombingtionen dureh neue Mutationen in Erscheinnng