21
KURT DIEMBERGER Unterwegs zwischen Null und Achttausend Bilder aus meinem Leben

Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Das Bergsteigerleben von Kurt Diemberger ist geprägt von grossen Erfolgen an hohen Bergen, aber auch von schrecklichen Tragödien. Dass er alle seine Abenteuer überlebt hat, verdankt er der Fähigkeit, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen – auf seine innere Stimme zu hören.

Citation preview

Page 1: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

KURT DIEMBERGERUnterwegs zwischen Null und Achttausend

Bilder aus meinem Leben

Urs
Leseprobe Ecke
Page 2: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben
Page 3: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

AS Verlag

KURT DIEMBERGERUnterwegs zwischen Null und Achttausend

Bilder aus meinem Leben

Page 4: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

www.as-verlag.ch

© AS Verlag & Buchkonzept AG, Zürich 2012Gestaltung: Heinz von Arx, Urs Bolz,www.vonarxgrafik.ch, ZürichLektorat: Karin Steinbach Tarnutzer, St.GallenDruck: B&K Offsetdruck GmbH, OttersweierEinband: Grossbuchbinderei Josef SpinnerGmbH, OttersweierISBN 978-3-909111-92-3

Legende Frontispiz:Warum nur? Kurt auf demGipfel der Dent d’Hérensnach der Durchsteigungder Nordwand.

für Erik und Luciafür Igor und Georgfür Karen und Hildegardfür Ruby, Yancen, Jana . . .und alle, die da noch kommen!

Page 5: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

Inhalt

6 Die Seite Null7 Vorwort

Die Alpen – extrem12 Auf geht’s! Großvaters Fahrrad,

eine Krabbe im Wald und das Matterhorn18 Eine Schwäche für Nordwände26 Geschichten vom Mont Blanc32 Der Große Grat – und ein Salto mortale des Glücks

Zu den höchsten Bergen der Welt40 Broad Peak – der Meilenstein mit Hermann Buhl56 Chogolisa – Erfüllung und Ende66 Tagebuchseiten vom Dhaulagiri86 Höher als der Adler fliegt – Neuland im Hindukusch91 Zwei Mann und neunzehn Lager – ein «Schubs» dem Alpinstil . . .96 Tirich West IV – im Irrgarten der Nordwand100 «Gnade der Götter»? – Masaaki und die Sonne Japans104 Was ein Stein erzählen kann

Als Komet nach dem Westen112 Grand Canyon – Blättern im Buch der Zeit

Meilensteine in Kalifornien122 Death Valley und White Mountains – im Reich der Überlebenskünstler126 Filmabenteuer am Orinoko

Im Himmel über Tibet134 Shartse, der Zukunftstraum vom großen Grat144 Everest und Makalu – Geschenk der Götter im Zauberwald des Barun –

das Spitzenjahr

Ein neuer Aufbruch ins Ungewisse160 Gasherbrum, 8035 Meter – die Wende170 Shaksgam – die Bergwüste180 K2, der große Kristall – gefährlich, hypnotisch, tödlich192 Niemals aufgeben! Als Kameramann für die Wissenschaft

Meine Berufe: ein Kaleidoskop198 Grönland – die Weisheit des Eisbergs204 «Nur die Geister der Luft wissen . . .»

Begegnungen hinter den Bergen

Wo bin ich daheim?214 Zu Hause zwischen nah und fern216 Berge unter den Sternen234 Epilog am Tupungato: Wie weiter? – die Formkraft

239 Literatur- und Filmverzeichnis240 Dank, Bildnachweis

Page 6: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

40

Und die Lager stehen auch», so charakterisierteich 1970 beim Schreiben meines ersten Buchesunsere Unternehmung, bei der Hermann Buhl,Marcus Schmuck, Fritz Wintersteller und mirnach harter Arbeit und zweimaligem Anlauf dieErstbesteigung des Berges glückte.Viele junge Bergsteiger, die von einemAchttau-

sendergipfel träumen, geringe finanzielle Mittel,großen Opfermut und Einsatzfreudigkeit haben,wählen auch heute noch diese Form einer Klein-expedition. Nur wenige hingegen wagen den so-genannten «reinen Alpinstil», bei dem an die Stel-le fixer Hochlager auch noch geplante Biwakstreten oder ein einzigesmobiles Lager, dasmanch-mal, je nach Auffassung des Zeltinsassen, eben-falls als «Biwak» bezeichnet wird. Hermann Buhlund ich haben jedenfalls diese Technik bereits beiunserem Besteigungsversuch an der Chogolisaangewandt, und Messner/Habeler haben 1975am Hidden Peak mehr als zwei Jahrzehnte späternichts anderes getan als wir. Freilich ersparteihnen ein guter Stern den Wettersturz, der Her-mann Buhl am Wechtengrat den Tod brachte.Es ist jedoch unsinnig, deshalb Hermann Buhlsinnovative Idee jemand anderem als ihm selbstzuzuschreiben!

Auch der Erfolg am Broad Peak sollte uns nichteinfach in den Schoß fallen – abgesehen vonwenigen Höhenmetern haben wir den Achttau-sender praktisch zweimal bestiegen! Ursache wardie lang gezogene Gipfelschneide des «BreitenBerges», die von unten völlig waagrecht aussah.Welch ein Irrtum! Nachdem wir zu viert in harterPlackerei während gut zwei Wochen erst am stei-len Westsporn, dann in einer mühsam erweiter-tenWechtenhöhlung am Rande eines Hochplate-aus und schliesslich auf einer Art «Adlerhorst» inder 3000 Meter hohen Flanke des Berges dreiHochlager eingerichtet haben, geht es am 29. Maiendlich dem vermeintlichen «Gipfel» entgegen.Von einer Scharte in 7800 Meter Höhe aus fehlenuns gerade noch etwa 200 Meter bis dorthin.Schneegirlanden, ein scharfkantiger, weißer Sporn,darüber nur noch der Himmel. Los! Hinauf!«Doch jeder Schritt fordert hier vier bis fünf

Atemzüge, ein paar Kletterstellen verlangen dasLetzte an Kraft, Meter um Meter zwingt der Wille

Hermann Buhlhat denWestalpenstilin den Himalaja verpflanzt.ReinholdMessner, 1976

Die Erstbesteigung des Broad Peak, so wie Buhlsie erdacht hatte – ohne Sauerstoffgeräte undHochträgerhilfe, eben «wie in den Westalpen» –,sollte zum Markstein in der bergsteigerischenGeschichte des Himalaja werden. Nur vier Mann,die ohne Mitwirkung der Einheimischen selbstihre Lasten den Berg emporschleppten undschließlich ohne Rückendeckung aus einemBasislager den Gipfel eines Achttausenders an-gingen, das war seit 1957 die Quintessenz einesneuen Stils, der am Broad Peak zum Erfolg ge-führt hatte. «Trage dich gesund und akklimatisie-re dich dabei. Mit anderen Worten: Gewöhnedich an die Höhe, indem du deinen Rucksack solang und so oft voll gefüllt den Berg hinauf-schleppst, bis er dich nicht mehr drückt, du keinKopfweh mehr hast und nicht mehr nach Luftschnappst. Dann bist du sicher in Bombenform!

BBrrooaadd PPeeaakk –– ddeerr MMeeiilleennsstteeiinn mmiitt HHeerrmmaannnn BBuuhhll

Ein kleines Team für einengroßen Berg – wird dasKonzept sich bewähren?Im Uhrzeigersinn: MarcusSchmuck (Expeditions-leiter), Kurt Diemberger,Fritz Wintersteller, Her-mann Buhl (bergsteigeri-scher Leiter – am Berg allen übergeordnet).

Rechte Seite oben:Von jeder Seite sieht derBroad Peak anders aus.Vom K2 her gesehengleicht er einem dreifachgezackten Drachenrücken(Broad Peak mit Nord-,Mittel- und Hauptgipfel).

Rechte Seite unten:Der Broad Peak, der «breite Berg», gesehenvom Baltorogletscher;rechts der Hauptgipfel(8047 m) mit der scheinbarhorizontalen Schneide, die den höchsten Punktträgt. Über die schattigeWestflanke führte unserAufstieg.

Page 7: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben
Page 8: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

46

den Körper höher», erinnere ich mich. Hermannund Marcus sind zurückgeblieben, sie folgen Fritzund mir nur zögernd, haben nicht mehr die Über-zeugung, dass der Gipfel so spät am Tag noch geht– es ist kurz vor 18 Uhr, und wir können uns keinBiwak auf 8000 Metern leisten! «Endlich! Im fla-chen Licht der Sonne sehen wir über einem steilenSchneehang dunkle Felsen gegen den Himmel stehen. Noch eine letzte Anstrengung – Fritz undich stehen oben. Es geht wirklich nirgends mehrhöher hinauf.»Gleich darauf wandelt sich das Gefühl der Er-

leichterung, es geschafft zu haben, in ungläubigesStaunen und Enttäuschung: «Vor uns senkt sichin sanften Schwüngen die Gipfelschneide des Broad Peak nach Süden, macht dann einen Bogen,und dort – dort steigt sie wieder an, wird höher

und höher. Weit draußen, wohl eine Stunde ent-fernt, taucht aus ziehenden Nebeln ein schim-merndes Dreieck heraus: der Gipfel! Er muss essein. Er überragt uns vielleicht nur um 15 oder20 Meter . . .» So enthüllen unberührte Gipfelmanchmal die Wirklichkeit im letzten Augen-blick. «Hinüber? Es ist zu spät! Aus der Tiefe steigtdie Dämmerung. Wer jetzt da hinübergeht,kommt kaum mehr zurück.»Das war eine bittere Entdeckung – und in späte-

ren Jahren hat so mancher an dieser Stelle be-schlossen, auf den höchsten Punkt des Achttau-senders zu verzichten. Auch wir diskutierten nochheftig im Basislager, ob es wert war, an diesemBerg ein zweites Mal höherzusteigen. «You havedone it! 15 meters, that’s nothing . . . You haveclimbed the mountain!», ließ sich sogar Qader

Lager 2 auf 6400 Metern in der Plateauwechte.Zwar ist es windgeschützt,doch Hermann flucht: einEisloch! Und allmählichsenkt sich die Decke aufdie Zelte herab.

Lager 3, 6950 Meter, am«Adlerhorst» – mit Buhl,Schmuck und, am Hori-zont, dem Masherbrum.Unser Sturmlager warzweimal Ausgangspunktfür den Gipfelangriff.

Page 9: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben
Page 10: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

58

Am nächsten Tag bleiben wir bis 10 Uhr imSchlafsack, dann kochen wir, bauen um 13 Uhrdas Lager ab und ziehen weiter. Der Schnee istknietief, und so lassen wir am Fuß des Firngrats –es ist der Südostgrat der Chogolisa – auf 6400 Me-tern ein Depot zurück. Dann geht es steil hinaufbis auf eine Gratschulter, hinter der wir auf6700 Metern unser Zelt neuerlich aufstellen. DasWetter ist schlecht, dafür funktioniert aber derKocher gut. Also abwarten! Der nächste Tag bringtuns Sturm. Wir gehen trotzdem ein kurzes Stückin Richtung des namenlosen folgenden Gratgip-

fels, den schon der Herzog der Abruzzen und seineFührer bewältigten, aber der Sturm treibt uns baldzurück. Weiter abwarten. Doch gegen Abend reißtes plötzlich auf – durch den Zelteingang blickenwir hinüber auf den im Sonnenlicht leuchtendenBaltoro Kangri! Und schon hat Hermann eineneue Idee, für den Fall, dass uns nach der Chogoli-sa noch genügend Verpflegung bleibt . . .Wir beeilen uns, alles für den Gipfelgang zu

packen, denn morgen gehört uns wohl die Cho-golisa! Morgen, am 27. Juni . . .

Nach dem Broad Peak lockten uns neue Ziele.Hermann Buhl wollte erstim Herbst in die Heimatzurückkehren. In Richtungzum fernen Baltoro Kangri(daneben der Kaberisat-tel) lagen nicht nur das«Himmelsdach» der Cho-golisa, sondern auch der7925 Meter hohe fantas-tische Gasherbrum IV, denHermann für eine Expedi-tion erkunden wollte.

Rechte Seite:Hermann Buhl zwischenden Riesenspalten des Kaberigletschers. «Gut inForm» und «alles mit Fahnen markiert» notierte

er über diesen Aufstieg ins Notizbuch. Trotzdemwir unser «wanderndesHochlager» auf dem Rück-en trugen, bewältigten wiran diesem Tag 5 Kilometerund 1400 Höhenmeter.

Page 11: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben
Page 12: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

72

Ernst Saxer und EmilWick, unsere beiden Pilo-ten, begutachten den Motor der Pilatus Porter.

Im Nordostcol des Dhaula-giri (5750 m): Ernst Forrer,Georg Hajdukiewicz, MaxEiselin, Peter Diener und(stehend) Albin Schelbert,mehr als einen Monatnach der ersten Landungin der nun ausgebautenHochbasis.

Rechte Seite oben: Unser sehnlichst erwar-teter «Gletschervogel» ist abgestürzt. Am 5. Maiereilte ihn sein Schicksalbeim Start vom Akkli-matisierungslager.

Rechte Seite unten: Lager für die Höhen-anpassung im Schneesat-tel des Dambush (Dapa)Col (5200 m). Unweit davon liegen noch heuteWrackteile des «Yeti». Im Hintergrund die Gipfel der Nilgiri und der Annapurna.

Page 13: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben
Page 14: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

84

Vom Biwaklager bis hierher haben wir rund4 Stunden gebraucht. Nun ist es Mittag. Die Zeitscheint stehen geblieben zu sein. Wir machen Gipfel-bilder, legen uns zeitweise in die Sonne, strecken dieGlieder auf unserem braungrauen Horst mitten in den Wolken, die nun erheblich in Bewegung geratensind. Oft sehen wir nichts als uns selbst, das Weißrundum und oben den blauen Himmel mit den hochschießenden Wolkenpilzen. Das Wetter ist an-genehm, nicht kalt, man hat das Gefühl, hier ewig bleiben zu können. Und zu schauen . . . Denn immerwieder geben die Wolkenburgen den Blick frei aufFranzosenpass, Tukucha Peak, Nordostcol und aufden jenseitigen Teil unseres Gipfelkamms, auf vieleBuckel hintereinander, dorthin wo irgendwo einstGerhard Watzl und seine Gefährten von der Expedi-tion der Argentinier sich dem Ziel bereits nahe wähn-ten und doch, über Nacht vom Schlechtwetter über-rascht, zur Tiefe flüchten mussten.Apropos Rückweg, einige Tausend Meter unter

uns grollt irgendwo ein Gewitter!

Als wir plötzlich ein schmerzhaftes Prickeln wieHunderte von Nadelstichen auf der Kopfhaut spüren,begreifen wir, dass auch hier oben die Luft voller Elektrizität ist, und treten schleunigst den Abstieg an.

Zehn Tage später erreichten auch Michel Vaucher und Hugo Weber den Gipfel. Sie brachensogar vom vorletzten Lager auf, doch unser«Schnippchen-Lager» auf 7800 Metern, mit demwir gedacht hatten, dem täglichen Wetterum-schlag vor dem Erreichen des Gipfels zu entkom-men, diente ihnen wenigstens für die folgendeNacht.Von unserem bunten «Yeti», der uns in das

seltsame Abenteuer am Weißen Berg hineingetra-gen hat, ist heute nicht mehr viel zu sehen.Manchmal findet noch ein Trekker etwas von ihmam Rande des «Unbekannten Tals». Mir hat ein-mal jemand ein gelb-rot gestreiftes verblichenesStück, nicht größer als ein Lesezeichen, von dortmitgebracht. Es hängt vor mir an der Wand, wäh-rend ich schreibe.

Page 15: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

85

13. Mai 1960: Der Gipfeldes Dhaulagiri gehört uns!Kurt, Albin, Nawang undNima, Ernst und Peter (die letzteren nicht im Bild)feiern zwischen Sonne und Wolken den großenErfolg. Das «Hagen-Foto»in der Brusttasche hat mir bis zuletzt den Weggewiesen.

Zwei Sherpanis mit Kurt, immer zu Späßenaufgelegt!

Page 16: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

88

kam ein Auto. Ein Lkw, bedeckt mit Ornamentenin allen Farben, hielt an. Er erschien uns wie einRetter aus Tausendundeiner Nacht. Sein Lenkernahm uns mit, und während unser «Murl» bei derbrausenden Fahrt, die nun folgte, 300 Kilometerlang auf dem Lkw hin und her taumelte, verzogHerwig Mundwinkel samt Bart und rief, in Ab-wandlung seines beliebten Spruches: «Wir wer-den den Hindukusch erreichen!» Von der Heimatsagte er diesmal kein Wort.

Dertona Peak

Hayat ud Din war blond und blauäugig, ein Berg-bauer aus Shagrom-Tirich, dem letzten Dorf aufunserem langen Weg durch Chitral. Er war hilfs-bereit, freundlich, hatte einen offenen Charakter– mit einem Wort, er war uns sympathisch, undals er nach dem Anmarsch mit einer Handvoll Trägern, die uns aus seinem Dorf ins Basislager be-gleiteten, bereit war, noch zu bleiben, sagten wirmit Freuden Ja. Wir hatten unsere beiden Zelte ineinem geräumigen Talkessel nördlich eines na-menlosen Gipfels aufgestellt, der auf der primiti-ven Kartenskizze, die wir hatten, mit 7056 Meternangegeben war. Ein Siebentausender?Später stellte sich heraus, dass sich die indi-

schen Geometer um rund 1000 Fuß geirrt hatten –nicht das einzige Mal im Hindukusch. Jeden-falls gehörte der hohe weiße Berg zum Massiv desTirich Mir, und so tauften wir ihn nach der Erst-besteigung auf «Tirich Nord». Heute hat er dieQuote 6732 Meter. Die steile und schwierige Routeüber den rund 1500 Meter hohen Granitpfeilermit seinen Eisfeldern verlangte mir, Herwig undFranz in harten zehn Tagen alles ab. Mit Tona wa-ren wir in dieser Zeit nur über Blinkzeichen mitder Taschenlampe in Verbindung.Apropos – wo kam plötzlich Franz her? Er

war uns bis Peshawar nachgeflogen und hatte sich dann auf den Weg nach Norden gemacht.Der Treffpunkt lautete schlicht: Oberer Tirichglet-scher und dann laut schreien! Franz war ziemlichheiser, als er uns endlich gefunden hatte. Aber –was wir ihm hoch anrechneten – die riesige Cog-nacflasche, die er versprochen hatte mitzubrin-gen, war noch unberührt.Vier zum Tirich Mir – so hatte sich das Kleeblatt

endlich gefunden.Doch ich will nun vom weißen Gipfelkranz des

Ghul Lasht Zom erzählen! Was dieser einheimi-sche Name aussagt, haben wir nie erfahren, sicherist nur, dass «Zom» Gipfel bedeutet. Vor uns hattenur Reginald Schomberg in den Dreißigerjahrendas Gebiet geografisch erkundet, und bergsteige-risch gesehen waren wir gewiss Pioniere. Mit Aus-nahme weniger Berge mit einheimischen Namen,wie etwa auch des Istor-o-Nal (in dem das WortHufeisen steckt), konnte man erreichte Gipfel also

«Das tägliche Brot»: Hayat ud Din wartet aufseinen Tschapati.

Page 17: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

89

Tona auf dem Gipfel ihresBerges, 6100 Meter hoch.

Kurt, Franz, Herwig im Basislager der ersten Hindukusch-Kundfahrt.Rund herum unbestiegeneGipfel! Franz war KurtsGefährte am Peutereygratdes Mont Blanc. Jetzt geht es höher hinauf. Einzige Verbindung vomBasecamp nach oben zum Berg: Lichtsignale mit der Taschenlampe!

Page 18: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben
Page 19: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

93

kompletten Umrundung des Tirich Mir, waren wir betroffen, dort im afghanischen Grenzgebietkeinem Menschen zu begegnen. Ein kaum er-kennbarer Jäger- oder Schmugglerpfad (wie wirspäter erfuhren: für Lapislazuli) war alles. Damithatten wir nicht gerechnet – und fürchterlicherHunger begann uns zu quälen! Ein paar wilde Beeren und Wasser war alles, was wir schließlichhatten. Halb benommen tappten wir den Pfadentlang. Dann plötzlich . . . Ich werde den Augen-blick nie vergessen und habe die Begegnung inmeinem alten Buch «Gipfel und Geheimnisse» beschrieben:Es war wie die Rückkehr zur Mutter Erde – und

wie ein Märchen: Zuerst standen auf dem Pfad nur ein Bub und ein Mädchen und staunten uns aus großen Augen an, dann eilte ein bärtiger Mann herbei,deutete fragend dahin, woher wir gekommen waren,

Linke Seite: Zwei Mann und neunzehnLager – unser Hindu-kusch-Stil bewährt sich!Dietmar Proske – «Didi» –beim Umsiedeln für das nächste Lager.

Büßereis und Siebentau-sender. Mehrere WochenSchönwetter haben ihreWirkung gezeigt. Die einzige Skiabfahrt wirdschwierig, auch der Über-gang nach Gazikistan. Hinter Didi der NobaisumZom alias P. 6999 und der Istor-o-Nal (7403 m).Im ganzen Bereich desOberen Tirichgletschershatten wir nach und nach unsere Stützpunkteangelegt.

und schüttelte den Kopf, aber seine Verwunderungüber unser «bisi Tirich Mir» wich rascher Herzlichkeit,als wir «Tschapati» sagten; er schlug uns auf dieSchultern und brachte uns eilends zu seiner Hütte. Wir saßen im Gras unter ein paar hohen Bäumen, deren Zweige sich bogen und durch deren Blätter der Wind rauschte. Ein Alter tauchte auf, und eineFrau mit einem kleinen Kind kam und sah uns auswundervoll klaren Augen an, ehe sie verschwand,wohl um uns die Tschapatis zu bereiten. Wir warenwie verzaubert, es erschien uns alles als ein Wunder.Und der Alte nahm einen uralten Vorderlader mit Lunte vom Baum und erklärte uns mit vielen Wortenund Gesten, wie er damit in Gazikistan einen Stein-bock zur Strecke brächte. Am nächsten Tag kam er als Träger mit uns.Doch nun will ich vom «Bisi Tirich Mir» erzäh-

len, einem unserer Abenteuer in dieser Bergwelt.

Page 20: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben

Begegnung im Arkaritalnach dem Abstieg ins Ga-zikistan: Die ersten Men-schen erscheinen uns wiedie Rückkehr zur MutterErde! Der Steinbockjäger

erklärt Didi seinen Vorder-lader mit Lunte, ein Fels-block reicht als Tisch fürden Tschapati-Teig . . . Wirsind glücklich und werdengastfreundlich gefüttert.

Page 21: Kurt Diemberger – Bilder aus meinem Leben