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[Land ohne Brot] Ein Land ohne Brot ist kein wirkliches Land. Das sagte meine Großmutter. Und ich füge hinzu: Ein Land ohne Ästhetik ist weder ein rationales (emotionales) noch ein ausgewogenes Land. Sprechen wir also über Kunst, oder um genauer zu sein, über zeitgenössische Kunst. Meiner Meinung nach läuft heutzutage der Pfad in diesem Bereich hitzeversengte Felder und Brachland hindurch. Die Landschaften der Kunst gleichen einer Einöde. Aber warum wollen wir hier versuchen, ein ziemliches bescheidenes und einfaches Produkt wie das Brot mit dem elitären und ziemlich teueren Produktion der Kunstwerke in Zusammenhang zu bringen? Fangen wir erst mit dem Brot an. In meiner Jugendzeit gab es in meinem kleinen Dorf in Katalonien fünf unabhängige Bäckereien. Das Brot war gut, die Konkurrenz zwischen ihnen war ausgewogen, und trotzdem haben mit der Zeit diese fünf Bäckereien den Beschluss gefasst, eine Brotfabrik einzurichten. Das war eine kleine Katastrophe für uns alle, die daran glaubten, dass das Brot etwas Anders sei als eine einfache, wässerige und mehlige Masse. Die Zeiten des echten Brots waren vorbei: Das dörfliche Brot wurde in einer bloßen Objekt des Verdiensts transformiert. Laut Deleuze ist der heutige Kapitalismus ein Kapitalismus der Oberproduktion: „Was er verkaufen will, sind Dienstleistungen, und was er kaufen will, sind Aktien. Deshalb ist sein wesentliches Merkmal die Streuung; und die Fabrik hat dem Unternehmen Platz gemacht.“ Irgendetwas ähnliches geschieht mit der Kunst. Sogar die Kunst hat die geschlossenen Milieus verlassen und tritt in die offenen Kreisläufe der Bank ein. Was 1

Land ohne Brot

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Ein Land ohne Brot ist kein wirkliches Land. Das sagte meine Großmutter...

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[Land ohne Brot]

Ein Land ohne Brot ist kein wirkliches Land. Das sagte meine Großmutter. Und ich füge hinzu:

Ein Land ohne Ästhetik ist weder ein rationales (emotionales) noch ein ausgewogenes Land.

Sprechen wir also über Kunst, oder um genauer zu sein, über zeitgenössische Kunst. Meiner

Meinung nach läuft heutzutage der Pfad in diesem Bereich hitzeversengte Felder und Brachland

hindurch. Die Landschaften der Kunst gleichen einer Einöde. Aber warum wollen wir hier

versuchen, ein ziemliches bescheidenes und einfaches Produkt wie das Brot mit dem elitären

und ziemlich teueren Produktion der Kunstwerke in Zusammenhang zu bringen? Fangen wir

erst mit dem Brot an. In meiner Jugendzeit gab es in meinem kleinen Dorf in Katalonien fünf

unabhängige Bäckereien. Das Brot war gut, die Konkurrenz zwischen ihnen war ausgewogen,

und trotzdem haben mit der Zeit diese fünf Bäckereien den Beschluss gefasst, eine Brotfabrik

einzurichten. Das war eine kleine Katastrophe für uns alle, die daran glaubten, dass das Brot

etwas Anders sei als eine einfache, wässerige und mehlige Masse. Die Zeiten des echten Brots

waren vorbei: Das dörfliche Brot wurde in einer bloßen Objekt des Verdiensts transformiert.

Laut Deleuze ist der heutige Kapitalismus ein Kapitalismus

der Oberproduktion: „Was er verkaufen will, sind

Dienstleistungen, und was er kaufen will, sind Aktien.

Deshalb ist sein wesentliches Merkmal die Streuung; und die

Fabrik hat dem Unternehmen Platz gemacht.“ Irgendetwas

ähnliches geschieht mit der Kunst. Sogar die Kunst hat die

geschlossenen Milieus verlassen und tritt in die offenen

Kreisläufe der Bank ein. Was heutzutage mit der zeitgenössischen Kunst geschieht, hat eine

direkte Relation mit unserem gegenwärtigen Rauschkapitalismus: Angeblich werden

Kunstwerke heute wie nie zuvor als Aktien gehandelt. Laut einem Artikel der Zeit

veröffentlichtet am 21. Juni 2012 : „Es gibt keine Kunst, die nicht auch verkauft werden kann.

Alles ist im Angebot. Auch die Seele der Künstler soll verkauft werden...“ Meine These und die

– unter anderen - vorgeschlagene von Éve Chiapello1 lautet, dass die „Künstlerkritik“ in den

letzten zwanzig Jahren in eine schwere Krise geraten ist. Wenn die Künstler sich für einen

Teller Linsen verkaufen, kann man tatsächlich von ihnen keine sensationelle Kritik erhoffen.

Die Gründe für diese Schwächung der Künstlerkritik können wir gleichermassen in der

Kunstwelt wie in der Wirtschaft finden. Eine entmutigende und treulose Realität zeigt uns, dass

eine auf jeden Fall nicht verwerfliche Zahl zeitgenössischer Künstler die Benutzung ihrer

eigenen Kreativität gegen die Ungerechtigkeit, die allgemeine Plünderung und die Gelüste der

1 Menke, C.; Rebentisch, J. (Herausgegeben) Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus. Kulturverlag Kadmos: Berlin, 2010. S.38-39

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Markte endgültig vergessen haben. Diese Situation ist zumindest Beunruhigend.

Demnach sollte man sich vor Augen halten, dass heute wie nie zuvor in den westlichen

Gesellschaften die Korrosion der politischen Strukturen, die Politik und das Management der

Angst, die Wirtschaftliche Krise, die Verflüssigung der Demokratie und der zunehmende

Unterschied zwischen den Reichen und den durchschnittlichen Sichten zu einer massiven

Enttäuschung und Mutlosigkeit geführt haben. Kein Kunstler sollte diese Situation übersehen,

auch wenn nur zu Ehren deren Freiheit und freien Meinung. Nach unserer Perspektive ist es

mehr erforderlich denn je, ein klares Engagement vor dem fortschrittlichen Verderben unserer

sozialen Realität einzunehmen. Nach N. Chomsky lauten die Grundsätze der neoliberalen

Ordnung: „Liberalisierung von Handel und Finanzen, Preisregulierung über den Markt,

Beendigung der Inflation (makroökonomische Stabilität), Privatisierung.“2 Wie gewöhnlich

werden wir zuhören, dem Neoliberalismus lauthals und hartnäckig verkündet: „Dass es keine

alternative zum Status quo gebe und die Menschheit ihre höchsten Stand erreich habe“. Was

diese Auffassung angeht, hat Chomsky auch darauf hingewiesen: „Dass es in der Vergangenheit

schon mehrfach Epochen gab, die als Ende der Geschichte gegolten haben.“ 3 Neulicht hat

Robert Harris einen Roman mit dem Titel „Angst“ veröffentlichtet, und wir vermuten, um

Harris zuzustimmen, dass hier die Angst der Menschen vor ihren eigenen Handeln und den

unkontrollierten Finanzmärkten eine wichtige Rolle spielen soll. Wir möchten auch nicht diesen

Weg verlassen ohne einen anderen Hinweis auf dieses erstaunliche herausgegebene schon

zitierte Buch von C. Menke und J. Rebentisch machen. In diesem versuchen verschiedene

Autoren hinsichtlich der Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus, dem Unbehagen in der Kultur

und den neuen Formen der Sozialisation u.a., eine Relation zwischen den schon erwähnten

Konzepten Kreation und Depression zu etablieren. Allerdings kann man vielleicht hier nicht

stillschweigen übersehen, die zwischenvorhandenen Beziehungen Angst, Unsicherheit,

Emanzipation, individueller Subjektivität als eine Folge neuer Formen des zunehmend

flexibilisierten und globalisierten Kapitalismus in Verbindung zu bringen. Obwohl wie A.

Ehrenberg4 uns darauf hinweist, „wäre das ein bisschen zu naiv und wie sonst vereinfachend.“

Die These also, die Ehrenberg uns vorgibt, finden wir die interessant aber auch ein bisschen zu

bizarr. Nichtsdestoweniger handelt sich es bei Ehrenberg darum, dass „die Geschichte der

Depression verläuft parallel zum Niedergang jenes Typus disziplinierten Individuen, der das

Erbe des späten 19. Jahrhunderts gewesen ist und der sich bis in die 1950er und 1960er Jahre

erhalten hat.“ Deshalb sind heute mehr denn je Subjektivität, Gefühle und moralische

Empfindungen zentrale Fragestellungen nicht nur für die Biologie sonder auch für die

2 Chomsky, Noam. Profit over People. Neoliberalismus und globale Weltordnung. Piper: Hamburg, 2006.

3 Chomsky, Noam. Profit over People. S.14 Ehrenberg, Alain.; DuK. Depression: Unbehagen in der Kultur oder neue Formen der Sozialität. S. 52

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Soziologie.

Die Realität aber mag komplexer werden als man gewöhnlicherweise sie denkt. Um sinnvolle

Aussagen machen zu können, müssen wir zunächst die Theorie von der Wirklichkeit trennen.

Wie sonst anders sein könnte, gibt es im Rahmen der Kunst eine Mehrzahl Opportunisten.

Natürlich bedeutet das nicht, dass sie keine Angst haben oder dass sie ihre Unsicherheit

übergewunden haben. Ganz im Gegenteil vermuten wir daran, dass das eine Konsequenz der

Art und Weise ihres Tuns ist; Es gibt eine unzählige Menge Pseudokünstler, die mit ziemlicher

spitzen Phantasie arbeiten und auch

Pseudokunstwerke hervorbringen, die gar keine

Beziehung zur wahren Kunst haben; Reine

ästhetische demotivierte Werke, mit gar keiner Lust

auf Streit und die gewöhnlich mit einer

beunruhigender Leere gesegnet werden.5 Vielleicht

stellt diese Leere ein anderes Symbol unserer

gegenwärtigen Gesellschaft dar, wer weiss, aber die Sache steht zumindest vor einigen

Kritikern ziemlich klar. Hanno Rauterberg hat dieses Phänomen in seinem Buch Und das ist

Kunst? tiefanalysiert. Bei ihm geht es um eine Art Qualitätsprüfung der heutigen Welt der

Kunst. Rauterberg geht von dem Motto Masse statt Klasse aus und er sieht ein allgemeines und

vorchristliches Verderben in allem, was über dem Kunstmarkt referiert. Unter anderen existiert

ein Kaufrausch, der sorgt darum, dass die Messen als „Emotionsmaschinen“ funktionieren und

dass beispielsweise auf den Aktionen der Geldwert zum Kunstwert werden. Rauterberg zitiert

etwa Wolfgang Zinggl, ein Künstler aus Wien, der der Meinung ist, dass „jegliche Debatte über

ästhetische Belange sei kaum mehr als die Krawattennadel am Hemd gutsituierter Bürger“. Jede

Kunst hat ihre Zeit, deshalb sind wir der Meinung, dass es unbedingt und notwendiger denn je

ist, eine kritische Rückkehr der gegenwärtigen Kunst gegen die gierigen Handlungen der

Märkten und ihre entsprechenden spekulativen Ansprüche.6

Wie schon auch suggeriert, leuchten hängende die grosse Mehrheit dieser unethischen Werke

"cool" an den Wähnen oder den Salons der Reichen und außerdem notieren die an der

Kunstbörse. Trotzdem gibt es noch Hoffnung. Wie Rautenberg erzählt: Nähmen sich Etliche

Künstler in den USA ihren Community Projects gefährdeter Jugendlicher an, Kümmerten sich

5 Michaud, Yves. Kunst in gasförmigen Zustand. Nach H. Rosenberg: „In den Neunziger Jahren aber, das Spektrum Babels sich abzeichnete, obwohl es sich lediglich unter dem Gesichtspunkt einer Anstrengung der Restaurierung des hegemonischen pensée unique hatte gefürchtet lassen. Und wir traten in dem Postmodernismus ein... S.78-80

6 Rauterberg, Hanno. Und das ist Kunst? Eine Qualitätsprüfung. Fischer Verlag: Frankfurt am Main, 2008.

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um Verbrechensvorbeugung, arbeiten mit Analphabeten, Aids-Kranken oder Obdachlosen.

Ähnlich werde auch in England die Kunst als Befriedigungsmedium entdeckt und systematisch

ausgebaut. Ausbauen, Dekonstruieren in gewisser Weise wie uns Derrida lehrte, sollten wir das

falsches Vorbild des Versprechens des Reichtums zerlegen. Es mangelt uns an Ehrlichkeit mit

uns selbst dazu Bescheidenheit. Konsumismus, Reichtum, Gier, usw., haben eine Situation

definiert, die endlich ermöglich hat, dass die Korruption heute und hier neue Macht gewinnt.

Wie sind der Meinung, dass die „Künstlerkritik“ (E. Chiapelllo) eine Diskussion über der Wert

der Dinge fordern und sich gegen die Kommodifizierung von Werten, die sich der Logik des

Wertes eigentlich entzieht, richten sollte. Politik, Kunst, Philosophie und sonst alle

geisteswissenschaftlichen Gebiete können hier eine wichtige Rolle spielen, wenn sie die

Diskussion in dem Rampenlicht legen. Aber nehmen wir an, was J. Stiglitz uns zu sagen hat:

„So sollten marktwirtschaftliche Systeme eigentlich nicht funktionieren. Irgendetwas geht

schief – und zwar gründlich...“ Im Gegenteil scheint der Kunstmarkt ziemlich gut zu

funktionieren, aber nur für eine Minderheit von Anlegern. Sie sind natürlich die, die mehr Geld

besitzen. Das bedeutet, dass in etliche Angelegenheiten die ursprüngliche Funktion der

Kunstwerke – z. B., die Kritik der soziale Ungerechtigkeit – in eine öde Leere gerät ohne

jeglichen Einfluss auf die Realität. Nach Zmijewski „die Paradoxe auf diese Lage sind leere,

wirkungslose Werke und Ausstellungen. Alles, was der Kunst heute noch bleibt, ist inszeniertes

Spektakel... (S. 013)

Trotzdem würden wir uns bloß unsere Zeit vergolden, wenn wir das nur unter dem Schrimp

einer ökonomische Perspektive zu begreifen versuchen. Es gibt hier zahlreiche Implikationen

und vielleicht auch noch mehr Gründe, um die langen Arme der „Finanzkunst“ (wie jetzt z.B.,

können wir sie nennen) zu verstehen. Finanzkunst ist ein Produkt des spekulativen Fonds, wie

sonst irgendeines dieser Produkte werden könnte. Das schlimmste ist, dass die Künstler, die

diese Art vor Kunst praktizieren, schämen sie sich nicht für diese Umstand. Im Gegenteil sie

profitieren bei dieser Art des Verdiensts (Krawattennadel) wie sonst irgendeiner reicher

Kapitalist oder Finanzier. Das heißt, sie funktionier mit der gleichen Regeln des Kapitalismus.

Um E. Chiapello (KuD) zu zitieren: Die Kooption der „Künstlerkritik“ durch den die

Businesswelt beherrschen ökonomischen Diskurs ist somit eine der bemerkenswerten Ursachen

für die Krise der „Künstlerkritik“, die heute zweifellos in jeder Hinsicht geschwächt ist. S, 50

Eine andere Frage wäre: ist reine ästhetische Kunst nur blosse Dekoration? Das ist einer

schwierige Frage. Wenn wir einen Kunstwerk gründlich analysieren, können wir bei ihm

Charakteristiken, oft fast verborgene oder fast unempfindliche Merkmale, die uns etwas über

die Gesellschaft, das Volk, die Geschichte, das Denken der Menschen in dieser Periode

erzählen. Deswegen können wir aus diesem Grund eine Geschichte der Kunst bzw. Ästhetik

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erstellen. Ein illustrierendes Beispiel wäre, um Boris Kagarlistsky - einen russischen

Linksintellektuellen - zu zitieren: „Kunst würde heutzutage um Einsätze spielen, die von

neoliberalen Eliten gesetzt werden, auch wenn diese Einsätze rein symbolisch sind: eine

stärkere Position auf dem Ideenmarkt, die Aufrechterhaltung des Gruppenstatus oder

Selbstreproduktion.“ (S. 015) Es gibt die gleiche radikale finanzielle Ungleichheiten innerhalb

der Kunstmarkt bzw. Kunstwelt als innerhalb der realen Welt. Wir können dann beobachten,

wie Künstler ihre Seele an den Teufel verkaufen. Wenn wir in einer Zukunft die Charakteristika

der Kunst des frühen 21 Jahrhunderts beschreiben wollten, das wäre ein guter Anfang zu

überlegen. Kagarlistky betrachtet diese Situation als eine moralische Frage, die vor ihr die

Künstler stehen. Endlich sagt uns Kagarlistky, dass „Kunst neu erfunden werden müsse, aber

nicht als handwerkliche Variante, die menschliche Probleme auf eine neue Art ästhetisiert,

indem sie sie in Inszenierung verwandelt“. (S. 015) Natürlich gibt es auch Menschen, die die

Meinung vertreten, Kunst sei zu einer Darstellung der heutigen Status quo geworden. Diese

unterstütze das System dadurch, dass sie Zuschauer zu Passivität in Ausstellungen und

Konzerten erzogen hat. (S. 018)

Und wenn es um Passivität und Gleichgültigkeit bei der Rede geht, in den letzten Jahren haben

wir von unserer Regierungen ihre Gebote bekommen: U.a. schweigen und verbrauchen. Die

neuliberale Ordnung hat uns, die normalen Bürger, in einer Art Schaufensterpuppen ohne oder

fast ohne kritische Kapazität gegen die Trägheit der Kultur und der Politik hinsichtlich unserer

Realität verwandeln. Gleichgültigkeit ist der neue Trend geworden, und das ist schade, denn wir

haben zu viel Zeit verschwendet. Hier und jetzt aber geht mir etwa anderes durch den Kopf,

genau hier, vor meiner Nase, wahrend ich die Schulhefte vollschreibe und mit dem Bleistift in

meiner Hand, betrachte ich ein Werk von Maria Eichhorn. In dem Buch-Heft Inaesthetik –

Politics of Art - wird die Kunst der Maria Eichhorn beschreiben als eine vielfache Kombination

Elemente, die : „comprise a simple, but highly preciss and specific way of working, a kind of

variable methodology that differs from stablished modes of production, especifically from those

which regard works of art as consumer goods for which the primary value is economic“ (Ia.36).

Marcin Sliwa hat beispielsweise ähnliche Ablehnungen gegen die heutzutage absolute, perverse

Verbriefung des Kunstmarkts. Er hat auch mehr denn je jene Blase in der Kunst und damit ihre

Entwendung gespürt. Demnach fragt er sich: Sei Kunst notwendig? Heute mehr denn je

fungieren sowohl Geld (1) als auch Kunstwerke als Markwerte. Seiner Meinung nach,

„Sozialkultur, Kulturpolitisch, zu viel unbegabter Schaum habe sich dort angesammelt, und

diese Leute würden nur Verwirrung, Kakophonie, mehr PR., verursachen. Sie seien nicht in der

Position, den Ton anzugeben. (FF. 023)“

5

(Die Welt, 22.7.2012) (1) Der Ökonomen eine Sache ist klar: Dass Menschen Gelt im Übermass

horten, statt es zu konsumieren oder zu investieren. Geld wenn es seinen Zweck erfüllen soll,

muss in der Wirtschaft zirkulieren... Ja aber, Silvio Gesell, der vor genau 100 Jahren über ganz

ähnliche Sorgen nachdachte. Wollte man wirtschaftlichen Wohlstand für alle erreichen, musste

man dringend etwas am Geldsystem verändern. Die Idee war das das in Umlauf bringen von

Schwundgeld. Was Gesell damals mit seinem „Schwundgeld“ erdachte, würde man heutzutage

wohl „negative Zinsen“ nennen. Genau auf dieses Instrument setzen derzeit die Notenbanken –

und das hat erhebliche Folgen für bundesdeutsche Sparer. Das ist aber ein anderer Grund dafür,

dass die Reichen an Kunstwerke investieren sollen. Im Prinzip sind nur die Reichen, weil der

durchschnittliche Bürger kaum an nichts investieren kann. Außerdem und das ist merkwürdig,

stammen die Mehrheit der Künstler aus diesem Gesellschaftsschicht, dieser Umstand könnte

man als einen Verrat an den eigenen Ursprüngen betrachten. Vielleicht sollten lieber die

Kunstler darüber nachdenken, in welcher Position sie sich innerhalb der Gesellschaft finden

und für wen sie arbeiten, vielleicht arbeiten sie gerade für den Feind. Das wäre ein guter Start.

Wenn wir in einem globalen Kasino leben, das uns die Regeln des Spiels diktiert, und wir sind

Marionetten unter dem Macht der Märkte geworden, hat es kein Sinn, wenn man sieht die

fortwährende Ungerechtigkeit, die unser Welt dominiert, für diese Mächte zu arbeiten.

Wenigstens wenn wir an einer Kunst denken, die revolutionär, avantgardistisch, frei,

demokratisch, sozial, usw., sein sollte. Das Gegenteil wäre eine ohne Gefühle, leere, kaum

brechende Kunst, die nur am Dienst des neoliberalen Systems stünde. Zum Schluss wollte ich

nur einen Gedanke von Yves Michaud zitieren, der mir sehr geeignet scheint, um die

gegenwärtige Situation der Kunst zu beschreiben: Die moderne Kunst ist gleichzeitig der

Theater der hegemonischen Vorhandenen jeder und die Buhne der Abtrennung und der

Fragmentierung des künstlerischen Feldes.

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