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Forstw. CbL 109 (1990), 378-402 !.990 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0015-8003 Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR Von P. A. SCH,'.UDT 1 Landwirtschaft und Naturschutz als Spannungsfeld Die Landwirtschaft ist als Wirtschaftszweig, der nat/irliche Ressourcen nutzt und Okosy- sterne in der natiirlichen Umwelt bewirtschaftet, engstens m[t der Natur verbunden. [hr uneingeschriinktes Interesse mut~ (oder besser miit~te) der Erhaltung der Leistungsf?/higkeit ihres Hauptproduktionsmittels, der Naturressource Boden, und einer 6kologisch stabilen und nachhaltig produktiven Agrarlandschaft gelten, um sich nicht ihrer Grundlagen zu berauben. St~indig wachsende, wenn auch objektiv nicht immer zu rechtfertigende Anfor- derungen der Gesellschaft an Nahrungsg~itern und Rohstoffen sowie staatliche Diktate eines stalinistischen Machtapparates zwangen die Landwirtschaft der DDR in zunehmen- dem Mafle zur Intensivierung der Prodvktion. Die Aufwendungen an Energien und Stoffen wurden immer gr6t~er, um die Produktivit~it der Agro6kosysteme zu steigern und ihre Stabilit~it zu sichern. Wirtschaftsweisen, die 6koiogische Gesetzmiif~igkeiten mit~ach- teten, eingesetzte Mittel und Methoden, die die Standortsbedingungen nachhaltig veriin- derten, s zu Umweltbelastungen und -sch~iden bisher in der Menschheitsgeschichte nicht erreichten und nicht vertretbaren Ausmat~es, natiirlich nicht nur in der DDR. Landschaft und Vegetation wandelten slch grundlegend, dutch friihere landwirtschaftliche Nutzungsformen entstandene oder gef6rderte Okosysteme wurden zerst6rt oder sind in ihrer Existenz gef~ihrdet, Flora und Fauna verarmten. Damit entstand das Spannungsfeld 7um Naturschutz. Denn das Hauptanliegen des Naturschutzes ist die Erhaltung der Arten- und Formenvielfalt der Organismen in reich strukturierten, 6kologisch und blotisch mannlgfaltigen, stabilen und nachhaltig produktiven Kulturlandschaften. Analy- siert man die Faktoren, die neben Unkennmis oder Ignoranz 6kologischer Gesetzm~it~ig- keiten, neben potitischen und 6konomJschen Fehlentscheidungen von SED und Staatsap- parat, neben subjektivem Fehlverhalten yon Betrieben und Biirgern diesem Anliegen in der DDR entgegenstanden, so nehmen die einseitig auf Produktionssteigerung orientierten Intensivierungsmal~nahmen der Landwirtschaft einen vorderen PIatz ein. Erhebt, ngen gef~ihrdeter Arten und bedrohter ([3kosysteme (Abb. 1-3) lassen klar erkennen, daft Artenschwund und -riickgang dutch Biotopverlust, -zerst6rung und -verfinderung oder direkte Eingriffe in die Artenstruktur von Okosystemen in hohem Marie zu Lasten der Landwirtschaft gehen, insbesondere durch Ver~inderung der Standortsbedingungen und Nutzungsweisen seit der Einf/ihrung industriemiit~iger Produktionsmethoden vor 30 Jab- ten (vgl. Abb. 2 in Verbindung mit Tab. 1). Unter den Verursachern des Riickganges und der Gef~hrdung yon Pflanzen- und Tierarten rangiert der Landnutzer Landwirtschaft an erster Stelle. Den wachsenden Anforderungen an den Naturschutz, die sich aus dieser Entwicklung ergaben, versuchte das 1970 von der Volkskammer der DDR beschlossene ,Landeskulturgesetz" mit seiner 1. Durchfiihrungsverordnung (Naturschutzverordnung), die das 1954 verabschiedete ,,Gesetz zur Erhaltung und Pi:lege der heimatlichen Natur" abl6ste, gerecht zu werden. An gesetzlichen Voraussetzungen f(ir eine erfolgreiche Naturschutzarbeit mangelte es ebenso- wenig wie an engagierten Naturschutzmitarbeitern, die in meist ehrenamtlicher T~itigkeit oft aufopferungsvoll fiir die Ziele des Naturschutzes k[impften und die Hauptlast der praktischen Naturschutzarbeit trugen. Trotz nicht zu leugnender Erfolge im Biotop- und Artenschutz waren Riickgang und Gef~hrdung yon Okosystemen und Arten, insbeson- U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0015-8003/90/10906-000378 $ 0.2.50/0

Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR

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Forstw. CbL 109 (1990), 378-402 �9 !.990 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0015-8003

Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR

Von P. A. SCH,'.UDT

1 Landwirtschaft und Naturschutz als Spannungsfeld

Die Landwirtschaft ist als Wirtschaftszweig, der nat/irliche Ressourcen nutzt und Okosy- sterne in der natiirlichen Umwelt bewirtschaftet, engstens m[t der Natur verbunden. [hr uneingeschriinktes Interesse mut~ (oder besser miit~te) der Erhaltung der Leistungsf?/higkeit ihres Hauptproduktionsmittels, der Naturressource Boden, und einer 6kologisch stabilen und nachhaltig produktiven Agrarlandschaft gelten, um sich nicht ihrer Grundlagen zu berauben. St~indig wachsende, wenn auch objektiv nicht immer zu rechtfertigende Anfor- derungen der Gesellschaft an Nahrungsg~itern und Rohstoffen sowie staatliche Diktate eines stalinistischen Machtapparates zwangen die Landwirtschaft der DDR in zunehmen- dem Mafle zur Intensivierung der Prodvktion. Die Aufwendungen an Energien und Stoffen wurden immer gr6t~er, um die Produktivit~it der Agro6kosysteme zu steigern und ihre Stabilit~it zu sichern. Wirtschaftsweisen, die 6koiogische Gesetzmiif~igkeiten mit~ach- teten, eingesetzte Mittel und Methoden, die die Standortsbedingungen nachhaltig veriin- derten, s zu Umweltbelastungen und -sch~iden bisher in der Menschheitsgeschichte nicht erreichten und nicht vertretbaren Ausmat~es, natiirlich nicht nur in der DDR. Landschaft und Vegetation wandelten slch grundlegend, dutch friihere landwirtschaftliche Nutzungsformen entstandene oder gef6rderte Okosysteme wurden zerst6rt oder sind in ihrer Existenz gef~ihrdet, Flora und Fauna verarmten. Damit entstand das Spannungsfeld 7um Naturschutz. Denn das Hauptanliegen des Naturschutzes ist die Erhaltung der Arten- und Formenvielfalt der Organismen in reich strukturierten, 6kologisch und blotisch mannlgfaltigen, stabilen und nachhaltig produktiven Kulturlandschaften. Analy- siert man die Faktoren, die neben Unkennmis oder Ignoranz 6kologischer Gesetzm~it~ig- keiten, neben potitischen und 6konomJschen Fehlentscheidungen von SED und Staatsap- parat, neben subjektivem Fehlverhalten yon Betrieben und Biirgern diesem Anliegen in der DDR entgegenstanden, so nehmen die einseitig auf Produktionssteigerung orientierten Intensivierungsmal~nahmen der Landwirtschaft einen vorderen PIatz ein. Erhebt, ngen gef~ihrdeter Arten und bedrohter ([3kosysteme (Abb. 1-3) lassen klar erkennen, daft Artenschwund und -riickgang dutch Biotopverlust, -zerst6rung und -verfinderung oder direkte Eingriffe in die Artenstruktur von Okosystemen in hohem Marie zu Lasten der Landwirtschaft gehen, insbesondere durch Ver~inderung der Standortsbedingungen und Nutzungsweisen seit der Einf/ihrung industriemiit~iger Produktionsmethoden vor 30 Jab- ten (vgl. Abb. 2 in Verbindung mit Tab. 1).

Unter den Verursachern des Riickganges und der Gef~hrdung yon Pflanzen- und Tierarten rangiert der Landnutzer Landwirtschaft an erster Stelle. Den wachsenden Anforderungen an den Naturschutz, die sich aus dieser Entwicklung ergaben, versuchte das 1970 von der Volkskammer der DDR beschlossene ,Landeskulturgesetz" mit seiner 1. Durchfiihrungsverordnung (Naturschutzverordnung), die das 1954 verabschiedete ,,Gesetz zur Erhaltung und Pi:lege der heimatlichen Natur" abl6ste, gerecht zu werden. An gesetzlichen Voraussetzungen f(ir eine erfolgreiche Naturschutzarbeit mangelte es ebenso- wenig wie an engagierten Naturschutzmitarbeitern, die in meist ehrenamtlicher T~itigkeit oft aufopferungsvoll fiir die Ziele des Naturschutzes k[impften und die Hauptlast der praktischen Naturschutzarbeit trugen. Trotz nicht zu leugnender Erfolge im Biotop- und Artenschutz waren Riickgang und Gef~hrdung yon Okosystemen und Arten, insbeson-

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0015-8003/90/10906-000378 $ 0.2.50/0

Landwirtschaft und Naturschmz in der DDR 379

Abb. 1. Anzabl ausgestorbener und ge- f[ihrdcter Farn- und Bl6tenpflanzen in Zwergs~rauchheiden, Grasfluren und AckerwildM'antbest~indcn (Artenzahlen nach KNAeP et al. 1985)

Fig. 1. Number of e~tinct and endangered ferns and flowering plants on dwarf- shrub heath, grasslands, and field wild- plant communities (species mimbers ac- cording to K~ApP et aL 1985)

7O

6O

5O 5

3O

20

10

I

i

so

32

I 2 3 /4- 5

I Zw.ergstrouchheiden Z Pionierflur~n u. Tmd(en res.

auf 3and u.Silikotgesl~in 3 Besiphile Xerothermrosen I* Borsrgr~srasen 5 Frischw/esen

I

I I I

?5<.

6 7 8 9

Yorn AL~. srerben bedroht

ousg~Iorben U.~eFT~.h011~n

6 Feuchl'wiesen 7 Moosmoore Ikleinseggenr iede 8 R6hrichl~ u.OroBseggenriede

9 ACkerwi ldkraurf luren

o

E,

o

E.

Vorindu~frJelle gngie ]ndmtdelle tl0chindLL~

30 2B

25

2O

R

"i 10

5 O

w

Abb. 2. Entwicklung yon Vegeta- 160 I tion und Flora meckJcnburgischer I ~ " Flul.~tahnoore in den einzelnen [ Phasen der Landschat'tsgescbichte I~ (Ursachen f/.ir den rapiden ROck- ~ i00

gang der Phytoz6nosen und Ar- ~ 80F ten seit 1960 vgl. Tab. I; nach "<

60 Angaben bei KNAI'P [989)

Fig. 2. Development of vegetation l)O

and flora in river-bottom bogs of 20 Mecklenburg during the various phases of the landscape history. (for causes of the rapid decline of Nutflrli~- phytozoenoses and species since keitsgr~ 1960 compare Tab. 1; according Vmphiever- to statements by K~APP 1989) hl~Itnisse

bis B.Sohrh. Phase Phose

Mifi'e 19.- rlach 1960 Miti'e 20.]anrh.

Mitre IB.- Anrong 19. ]ohrh.

20 2O

WW WW

St &t 7

W I W~

1~0 160

W- Wald O - OeDOsch R. Rled u. R6hrichr .St �9 Staudenflur

WW - Wi~en u.Weiden A - Acker S - So~tgr[~slond

13~

Sp- SDerrn~rophyla i~- Bryapnyra

35

10 10 _-1 -1_

S~ S Sp B ~ B SD B

calem~roO o~i~hernerob meso- eu- i~I~/hememb ~-olkj~)'~m~)gb) u meso- hemerob

heme2ob (-euhemerOb)

ol igo-meso[roph (meso-~ eu-,nyperrroph i- eurroonl eurroph

380 P. A. Schmidt

60 ~

50 / 100

1 aO / i - /

, , . / ~ / ~ "-. \ / / " \ /

1 \ " "/ 50

I 2 3 q- 5 6 J I 2 3 q- 5 6 1965 - 1972 I 1973 - 1980

I Boratgrusr~sen (Narderurn) 2-4- Ooldhoferwiosen (Trisererum)

2 TvP.SUbaS& 3 Polygonum bistorra-Subass. g Nardus- Subns.s,

5 Feuchtwiesen (Trollius-Polvgonum bisrorto-Oes.) 6 NaBwiesen [Corici-Agrosre~m,Crepido-]unceIum)

Abb. 3. Entwicklung yon Bergwiesen-Phytoz6nosen im Harz 1956-1980 (\'~'~'OE~R 1981)

30

. _

I 3 g 5 (~ 1956-1959

~I00~ 43R-g ha (HUNDr 196~-)

kg i'L/ho Weidefiere (DDR1 mlO~6V

liar;-)

L

Fig. 3. Development of montain-meadow phytozoenoses in the Harz mountains, 1956--1980 (WEGE- aER 1981)

dere im Bereich der Agrarlandschaft, nicht im gewiinschien und erforderlichen Marie aufzuhalten. Dem stand vor allem eine dutch einseitig auf Okonomie ausgerichtete SED- Polifik und Staatsdoktrin, die die Landwirtschaft dirigierten und Umwelt-- und Natur- schutz weitgehend negierten, entgegen. Da der staatliche Naturschuez dcm Ministerium fiir Land-, Forst- und Nahrungsgiiterwirtschaft zugeordnet war, mufite er sich gew6hnlich der das Primat geniel~enden Landwirtschaft beugen. Auch dem Institut ffir Landschaftsfor- schung und Naturschutz Halle, ein Institut der Akademie der Landwirtschaftswissen- schaften, waren trotz umfassender und er'tolgreicher Naturschutzforschung und daraus resultierendem Wissen um die wirklichen Sachverhalte nicht selten die I-'Iande gebunden.

Inzwischen geh6rt der staatliche Naturschutz zur Abteilung Ressourcenschutz und Landnutzung des Ministeriums fiir Naturschutz, Umweltschutz trod Wasserwirtschaft, das sich zu einem wirklichen Kontrollorgan profilieren will. Unter den neuen politischen VerhS.]tnissen gilt es jetzt, auf demokratischer Basis gesetzliche Grundlagen ffir einen wirksamen Naturschutz zu schaffen und sowohl die Artenschutzbestimmung (1984) als auch die im Vorjahr verabschiedete Neufassung der Naturschutzverordnung zu (iberarbei- ten oder durch bessere Gesetze zu ersetzen. Bei der derzeitigen wirtschafdichen Situation in der DDR und bei einer abrupten Einfiihru,lg der Marktwirtschaft, auf die die Wirtschaft der DDR (auch und insbesondere die Landwirtschaft) noch nicht vorbereitet sind, m6chte ich die Beffirchtung nicht yon der Hand weisen, da~ es wieder zu Lasten des Naturschut- zes geht. Kooperation und nicht Konfrontafion yon Landwirtschaft und Naturschutz ist das Mittel zur L6sung der Konflikte. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist die gegenseitige Information und Suche nach gemeinsamen Wegen. Deshalb sind Tagungen wie die heutige von besonderem Weft, und ich m6chte den Veranstaltern meinen Dank fiir die Einladung aussprechen. Wenn meine folgenden Darstellungen zur Landwlrtschaft in der DDR und ihren negativen Auswirkungen auf Landschaft und Naturausstattung tendenzi6s sind, da ich als ein Lehrstuhlinhaber for Landeskultur t, nd Naturschutz Partei

Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR 381

Tabelle 1. Bewirtschaftungsformen und ihre Auswirkungen in mecklenburgischen Flufltalmooren (am Beispiel des Tollensetales bei Neubrandenburg; nach K.'aavP 1989)

Table 1. Working methods and their effects on river-bottom bogs of Mecklenburg (here, the Tollense v.'dley near Neubrandenburg is cited as an example; according to KNAPv 1989)

Bis 1960 I%er nach 1980

Wiruchaftsmas Grabensystem starke Entw;isse- nahmen und zur Entw.~sse- rung durch Aus- Vegetation runm. Adage bau des Graben-

zah[reicher Torf- netzes und neue stiehe. !- bis Dralnmethoden, 2sch6rige Mahd Umbruch und und Beweidung Ansaat yon Fut-

~ roflfFichig vor- tergrSsem. D6n- errschender gu,~g

Feuchtwiesen

Bodcnform Fen, m:iflige E,'dfern, starke Vererdung Vererdung

Grundwasser 2545 45-70 (cm unter Flur) Feuchtestufe feucht ,n~fiig feucht

ProduktMtit 50-70 (dtTS ha -I a "'1)

90-100

dutch Diingung und Todmi,erali- sierung hohes Trophieniveau

Ausbau des Entw~serungss),stems. wiederholt U,nbn, ch undNeusaat. starke Dfingung, mebrmaliger Schnitt und intensive Beweidung des hat- grastandes

Mulmfen, schwa- Mulm, starke che Degradierung Dcgradierung

70-100 I00-I 50

wechseinall~. (m~iflig) wechsel- m~gig wechsel- trocken, tro~ken feucht, m.'ilgig trocken 70--80 50-80

trotz anhahendem Trophieniveau sinkende Produktivifit infolge Sta.d- ortdegradauon

ftir den Naturschutz ergreife, und meine Beispiele kopflastig zugunsten yon Flora und Vegetation sind, da ich Botaniker bin, bitte ich urn Nachsicht seitens der Landwirte und der Vertreter des zoologischen Artenschutzes.

2 Die heu t i ge K u l t u r l a n d s c h a f t der D D R -

T~itigkeitsfeld von L a n d w i r t s c h a f t und N a t u r s c h u t z

2.1 Natiirliche Vegetation und anthropogener Landschaftswandel auf dem Terr i tor ium der DDR

Die Lands&aft und i hre Naturausstattung waren und sind einem stS.ndigen Wandd unterworfen. Die heutige Vegetation sowie die aktuelle Flora und Fauna sind nicht allein Ausdruck gegenw~irtig wirkender natClrtlcher und anthropogener Faktoren, sondern zugleich Produkt menschlicher Auseinandersetzung mit der Natur seit der agrarischen Landnahme und -nutzung. Vor dem komplexen mittelalterlichen Landausbau war fast die gesamte LandflS.che der DDR (wieder) waldbedeckt (etwa 99 % des Territoriums), wobei Buchen(misch)wS.lder etwa die Ha.tfte der Waldfl.5.che einnahmen. Die wichtigsten Okosy- sterne der zonalen Vegetation yon der planaren bis in die submontane Stufe waren: - auf nf.hrstoffreichen und -kraftigen B6den: Lehm- und KalkbuchenwS.Ider im frischen,.

Eichen-Hainbuchenw/ilder im mehr trockenen und feuchten Standortsbereich, - auf sauren B6den mittlerer bis ziemiich armer Trophie: Eichen-Buchenwfi.lder im

frischen, Birken- und Kiefern-EichenwS.lder im mehr trockenen, Pfeifengras4tielei- chenw~ilder im feuchten Standortsbereid~.

382 P. A. Schmidt

Auf grundwasserbeeinflul~ten oder -beherrschten niihrstoffreichen Standorten der Niede- rungen nahmen Erlen-Eschenw~ilder, auf mesotrophen organischen Naf~b6den Eden- Bruchw~lder gr6f~ere Fl~ichen ein, auf den dutch agrarische Landnahme seit derl~ Neotithi- kum entstandenen reichen Aueb6den im Mittel- und Unterlauf der Fliisse stockten Eichen- Eschen-Hartholzauenw{iider. Nur lokal auf oligotrophen Standorten kam~'n Sand-Kie- fernw~ilder und Kiefern- oder Birken-Moorw~iider vor. In den Mittelgebirgen dominierten (Tannen-) Buchen-Berg(misch)w~ilder, auf mittleren his ziernlich armen Standorten und in h6heren Lagen mit Fichte, die nut in den Kammlagen Reinbesdinde bildete. Den Anteil der wichdgsten Vegetationsformen der potentiellen natfirlichen Vegetation der DDR gibt Abbildung 4 wieder.

In der Epoche des mittelakerlichen agrarischen [.andausbaus ~nderte sich alas Land- schaftsbild grundlegend. Der Wald wurde au{ einen den heutigen Verh~.knissen (27 % Waidanteil am DDR-Landesterritorium) weitgehend entsprechenden F1;ichenanteil redu- ziert, die gerodeten Fl~ichen wurden ackerbaulich genutzt (DreifelderwirtschalTt) oder unterlagen, wie auch der verbliebene Wald, der Weidenutzung. Im Ergebnis des Land- schaftswandels in diesem vorindustriellen Zeitalter (bis Anfang des 19. Jahrhunderts)

NADELW~;LDER ( Fichten-Bergw61der, ~ C H W ~ L D ~ KieternwC~ld~r ) ~z)

ERIEN-ESC ~ N__~,x. 6% X~ \ I 29% Bodensoure Buchen- ~

TROCKENW~LI}ER u . ~ o , ~ ~ \ \ \ I

BODEN

r% Orundw~sserferne ~ ~ - - - . - . ~

"-" ~4"%'Orund- und / sruuwosserbe-~ /

\ei~"u~S>% 0=~-~ / \ beeinflu6te / \ /

4-7% BUCHE N CMIS__CHLWALD 5 R

18% r/ Lehm- u. Kalkbuchen{mi~ch waldcr krQfriger bis rei- chef. feuchrer bis FTiKhe

\ 8tondorre a /

21%

12% Orund- w(~sserferne

~llder 3)

Luzulo-,Vaccinio myr tH l i -Fog lan ~) Oucrcion pubescenri-perraeae

m FrQxino- , gclphno-, Asperulo-Fogion ~ Fraxino-Ouercion

]J Cepholonthero - Fogion ~3 Frclxino- Amion

',~ Corpinion. CQrpino- Ouercion m~TiliO- kcerion

~J Molinio - (luercion ~ Alnion glur inosoe ~1 Agrostio -O, uercion ~) Yoccinio-Piceion u.

VaccJnio-Pinion

Abb. 4. Prozentua[er Anteil der Hauptvegetationsfoi'men der potentiel!.en natfirlicheri Vegetation an der Gesamtiandfi~.che der DDR (%-Angaben nach t-to~,iA~.~ 1988)

Fig. 4. Percentage share of the main forms of potential natural vegetation in total lazed area of the GDR (percentages according to HOF.~tANN 1988)

Landwirtscbajt und Naturscbutz in der DDR 383

entstand eine 6kologisch mannigfaltige, struktur- und artenreiche Kulturlandschaft mit noch relativ naturnaher (oligo- bis mesohemerobe) Vegetation (vgl. Abb. 2).

Extensive landwirtschaftiiche Nutzungsweisen f6rderten die Entstehung oder Ausbrei- tung bestlmmter Okosysteme (Laub- und Wacholdergeb~sche, Zwergstrauchheiden, Magerrasen, Wiesen, Ackerwildkrautfluren u. a.). Der st~indige Biomasse- und N/ihrstoff- entzug erhiclt oder bedingte oligo-mesotrophe Standorte, die auch den konkurrenzschwa- chen Arten gute Existenzm~Sglichkeiten boten. Der Biotop- und Artenreichtum der Kuhurlandschaft dieser Zeit, weniger die Naturlandschaft, stehen heute meisr im Mittel- punkt der Bestrebungen des Naturschutzes. Scoffentzug, Degradierung und Devastierung yon Standorten schritten aber voran, Stoffkreisliiufe waren bereits gest6rt, die Einstellung neuer 6kologischer Gleichgewichte nahm l~ingere Zeitraume in Anspruch. Doch kam es noch nicht zu systemfremder Beeinflussung der C)kosvsteme durch naturfremde Stoffe.

In dem im vorigen Jahrhundert einsetzenden industrietlen Zeitalter erfuhr dann die Entwicktung der ProduktivkrS.fte und Produktionsmittel einen gewaltigen Aufschwung. Industrialisierung und Urbanisierung iief~en Ballungsr~iume entstehen, deren Standorte und Natu,ausstattung tiefgreifenden VerS.nderungen unterlagen. Die Belastungen griffen attch auf die Agrarlandschaft ~ber, deren Charakter allerdings weniger intensiven Wand- lungen ausgesetzt war. Zunehmende Ausbeutung nat~irlicher Ressourcen und neue land- wirtschaftliche Wirtschaftsweisen (Einsatz yon Maschinen und Mineraldfmger, Meliora- tionsmag,~ahmen) hlnterliegen jedoch ebenfalls deutlich Spuren. Der einsetzende RCick- gang heimischer PfIanzen- und Fierarten und die um die Jahrhunderrwende aufkonamen- den NaturschutzaktivitY, ten in Deutschland sind ein beredtes Zeugnis. Die Kulturland- schaft dieser Zeit biS.i;t also welter an Natiirlichkeit ein (6berwiegend mesohemerobe, teilweise bereits euhemerobe Vegetation), weist aber immer noch eine hohe landschaftliche und biotische Diversitiit auf (vgl. Abb. 2). Die natiirliche Regenerationsf~higkeit der Okosysteme war aber bereits stark beansprucht, die Stoffkreisl.:iufe wurden zunehmend dutch Fremdstoffe belastet.

In Art, Intensit~it und KomplexitS.t sind die Eingriffe und Folgen der Wirtschaftsmat~- nahmen jedoch nicht vergleichbar mit den umw~ilzenden, dutch die wissenschaftlich- technische Revolution gepragten Ver~inderungen in der um 1960 einsetzenden hochindu- striellen Phase der Landschaftsentwicklung, die in der DDR nlit der ,kra ,,sozialistischer Produktionsverhiiltnisse" in der I.andwirtschaft zusammenf~illt. Intensivierung dutch 6ko- logisch bedenkliche industriem~ilfige Produktionsmethoden der Landnutzung, forciert dureh politisch dirigierte Leitungsentscheidungen, f/.it~rten zu einer na~urfremden Kultur- landschaft mit weitestgehend polyhemerober Vegetation. Ausr~iumung und Nivellierung der Agrarfluren gingen mit Verlust struktureller und biotischer Vielfalt einher. Die Landwirtschaft wurde zuln Hauptverursacher der Ausrottung und Gef~ihrdung von Oko- systemen und Arten (Abb. 1, 2). Neben Darstellungen des Landschafts- und Vegetations- wandels f/.ir das gesamte Territorium der DDR (z. B. BERNHaRD'r u. J~.GER 1985; KN,\PP et aI. 1986) liegen entsprechende Untersuchungsergebnisse for einzelne LandschaftsrS.ume (z. B. SCH.~ttDT 1977-80; HE.~II, Ei_ 1982; L.,,NOZ et al. 1985) vor.

2.2 Die Entwicklung der Landwirtschaft und ihrer Produktionsmethoden in der DDR

Etwa 58 % des Gesamtterritoriums der DDR werden yon der seit 1950 eine rfickl{iufige Tendenz aufweisenden landwirtsehaftlichen NutzflS.che eingenommen (Tab. 2). Die Land- wirtschaft ist damit der wichtigste Landnutzer und der Hauptfl~ichennutzer der Naturres- source Boden. Um Wechselbeziehungen zwisctlen Landwirtsehaft und Umwelt, Konftikte zwischen l.mdwirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz darzt, legen, ist es erforderlich, einen kurzen Abrit.;. der Entwicklung der Landwirtschaft in der DDR zu geben.

Nach Ende des 2. Weltkrieges wurden in der Sowietischen Besatzungszone Grundbe-

384 P. A. Schmidt

TabeUe 2. Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutzfl~iche in der DDR in Mill. ha (nach Statist. Jb. DDR)

Table 2. Farmland development in the GDR in mill. hectares (according to the GDR Statistical Yearbook)

Landwirtschaf:lichr Anteil Ackerland Anteil Grtinland Nutzil~.che gesamt

1950 6,53 5,02 1,29 1960 6,42 4,85 1,36 1970 6,29 4,62 1,47 198,8 6,27 4,76 1,24 1985 6,22 4,72 1,25 1986 6,2l 4,71 1,25 1987 6,19 4,69 1,25 I988 6,18 4,69 1,26

sitzer mit einem Landbesitz yon fiber 100 ha Land enteignet. Durch die Bodenreform erhielten Ende 1945 Kleinbauern, Landarbeiter und Umsied]er dieses Land zugeteilt. In den Nachkriegsjahren und im ersten Jaln'zehnt der Existenz der DDR herrschten b~iuerli- che Mittel- und Kleinbetriebe vor, wobei sich in den 50er Jahren auf freiwilliger Basis die ersten Genossenschaften bildeten. Ende 1959 bestanden fiber 9000, meist reiativ kleine und nicht besonders leistungsfahige Genossenschaftsbetriebe, die 37 % der landwirtschaftli- then Nutzfl~.che bewirtschafteten. Mit der im Folgejahr einsetzenden und im Frfihjahr 1960 (,,sozialistischer Frfihling") abgeschlossenen Kollekfivierungskampagne erreichte die SED-Ffihrung durch stalinisrische Zwangsmagnatlmen den ,,freiwilligen Zusammen- schluf~ ~ fast aller Bauern der DDR in Genossenschaften. 13 022 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) waren fortan Triiger der landwirtschaftlichen Pro- duktion. Die Herausbildung grot~er Produktionseinheiten mit einem zunehmenden Grad der Spezialisierung und Konzentration schritt im folgenden Jabrzehnt welter voran. Bewirtschaftete anfangs in der Regel eine LPG eine Dorfflur, so wurden zu Beginn der 70er Jahre die Pflanzenproduktionsabteilungen aus den LPGs ausgegliedert und zu Koope- rativen Abteilungen Pt]anzenproduktion (KAP) zusammengeschlossen. Mehrere dieser KAPs bewirtschafteten die landwirtschaftllche Nutzfl~.che eines Kreises. Diese unnat/.irli- che, 6kologisch widersinnige Trennung yon Stoft'kreisl~ufen, yon Pflanzen- und Tierpro- duktion, wurde welter vertieft, indem aus jeder KAP eine juristisch selbstandige LPG (Pflanzenproduktion) wurde. Im Gebiet dieser LPGs(P) blieben die urspriinglichen Betriebe als LPG (Tierproduktion) welter bestehen, so daf~ eine LPG(P) mit mehreren LPGs(T) kooperieren mull Aut~er den Genossenschaften existieren staatliche Betriebe in der Landwirtschaft (Votkseigene Gtiter, Tab. 3). Im Rahmen der indust,'iem~i~igen Pro- duktion entstanden aufi;erdem Vorleistungsbetriebe der landwirtschaftlichen Primarpro- duktion wie Meliorationsbetriebe, Agrochemische Zentren u. a. Tabelle 4 gibt die derzei- tige Betriebsstruktur der Landwirtschaft am Beispiel des Bezirkes Dresden wieder. Einen weiteren Schritt zur Schaffung unnat0.rlicher fiberregionaler Grot~betriebe steliten die seit den 70er Jahren gegrfindeten Agrar-Ifidustrie-Vereinigungen (AIV) dar, die mehrere LPGs(P), LPGs(T) und kooperative Einrichtungen umfassen.

Die Entwicklung der Organisationsformen der Landwirtschaft in der DDR l~il~t die Herausbildung standig gr6f~er werdender Produktionseinheiten (vgl. sinkende Zahl der Landwirtschaftsbetriebe yon 1960 bis t988 in Tab. 3) mit steigendem Grad der Konzentra- tion und Spezialisierung erkennen. Damit sollten die Voraussetzungen ffir die Anwendung industriem~.giger Produktionsmethoden in der Landwirtschaft verbessert werden. Trotz anwachsender Probleme (z. B. Materialmangel, Arbeitskr~.ftesituation) gelang es der Landwirtschaft in der DDR, die Bev61kerung weitgehend stabil mit Nahrungsg/itern zu

Landwirtschaft und Naturscbutz in der DDR

Tabelie 3. Entwicklung der Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe in der DDR (nach Statist. Jb. DDR)

Table 3. Number and D'pe of farming enterprises in the GDR (according to the GDR Statistical Yearbook)

385

Betriebsform 196~ 1970 1988 1988

Volkseigene G6ter (VEG) 669 5ll davon VEG Pflanzenproduktion - -

VEG Tierproduktion - .- Landwirtschaftllche Produktions- genossensciqaften (LPG) 19313 9009 davon LPG Pflanzenproduktion - -

LPG Tierproduktion - - Kooperative Abteilungen (KAP) bzw. Zwischenbetriebliche Fin- - - richtungen (ZBE) Pflanzenpro- duktion ZBE Tierproduktion - -- Giirmerische Produktions- genossenschaften (GPG) 298 346

469 465 66 79

319 311

3946 3855 1047 i159 2899 2696

87 4

299 177

213 199

Zibelle 4. Betriebsstruktur der LandwirtschaftimBezirk Dresden (B~EuER 1988)

"Fable 4. Operationalstructure of farming enterprises in the Dresden administrative region (BREu~ I988)

1. LandwirtschaRliche Grundproduktion 71 LPG (Pflanzenproduktion)

201 LPG (Tierproduktion) I VEG (Tierproduktion)

20 Zwischengenossenschaftliche/-betriebliche Einrichtungen (ZGE/ZBE) 31 G~irmerische Produktionsgenossenschaften (GPG)

2. Agrar-6konomische Bedienungswirrschaft 13 Meliorations~emeinschaften t6 Agrochemiscne Zentren (ACZ) 16 Zwischenbetriebliche Bauorganisarionen (ZBO) 12 Krcisbetriebe f6r I.andtechnik (KfL)

i VEB Landbaukombinat VEB Meliorationsbau

versorgen und entsprechende Rohstoffe der Industrie bereitzustellen. Auf den 6,2 Mill. ha landwirtschafflichen Bodenfonds (0,37 ha LN pro Kopf der Bev61kerung) wurden beacht- liche Pflanzenertr~.ge und Leistungen der Tierproduktion erzielt, wenn diese auct~ untcr den Werten in der BRD liegen (T~-L~LHrL~I 1988). Ihre Aufgaben erf011te die Landwirt- schaft durch st~indige Intensivierung bet Einf(ihrung ,industriem~ifliger" Produktionsme- thoden. Diese batten aber eine Kehrseite, forderten Opfer, f6hrten zu unvert:etbaren Belastungen von Boden, Wasser und Luft, nivellierten Landschaft und Vegetation, entzo- gen Pflanzen- und Tierarten die Existenzgrundlage.

Welches sind die yon der Landwirtschaft der DDR beschrittenen Intensivierungswege, die sich direkt oder 6her Standortsver~.nderungen negativ auf die Landschaft und ihre Naturausstattung auswirkten? I. Uneingeschr~inkte F6rdenang des Meliorationswesens mit grofir~iumigen, tdlweise

unsachgem~flen, 6kologische Gesichtspunkte mifiachtenden Flurneugestakungen, Flur- und Hydromeliorationen;

386 P. ,4. Schmi&

2. Steigender Mechanisierungsgrad, besonders Einsatz schwerer Technikkomplexe und Transportfahrzeuge atif groSen Schi~igen und Schlageinheiten;

3. Zunehmende Chemisierung durch Einsatz von mineralischen DCmgemittein und Pflan- zenschutzmitteln.

Dutch die ,,Flurneugestaltung wurden im Rahmen der Meliorationen groi~fi~ichige land- wirtschaftliche Bewirtschaftungseinheiten geschaffen, die ha.oh Form, G@indegestaltung und Bodenverh~iltnissen m6glichst einheitlich und yon natiirlichen und anthropogenen Hindernissen bereinigt sind. Hierdurch soil der Einsatz hochmechanisierter Bearbei- pangs-, Ernte-, Transport- und Beregnungstechnik gew~ihrleistet werden" (D~5~Te~ in Bwsc~t et al. 1983). Es entstanden Riesenschl~ige (bis tiber 300 ha), wobei die Beseitigung yon Feldrainen, Wegr~indern, Hecken, Feldgeh61zen, Nard- und Feuchtstetlen, S61ien und anderen ,Flurhindernissen = zur riicksichtslosen Vernichtung wertvotler Landschat:tsele- mente und damit zur ,,Ausriiumung = der Agrarlandschaften fiihrte. Durch Hvdrometiora- tion gewonnene Entw~.sservngsfl~chen (jiihrlicher Zuwachs vgt. Abb. 5) wurl]en landwirt- schaftl~cher Nutzung zugef,'ihrt. Folgen waren u.a. gro~fl~ichige Grundwasserabsenkun- gen und Absterben der Moore (torfbildende und damit lebende Moore sind auf dem Gebiet der DDR bis auf 1% ihres ehemaligen Bestandes reduziert, Kx..~pp et al. 1985). Die nach Entw~.sserung intensiver Graslandnutzung zugefClhrten Niedermoore brachten vor{iberge- hend enorme Produktionssteigerungen, lassen abet inzwischen starke Bodendegradle- rungserscheinungen und damit sinkende Ertr~.ge erkennen (vgl. Tab. 1).

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Abb. 5. JShrlich dutch Hvdromelioration neugeschaffene E ntw~.sserungs fl~.chen yon 1965-1988 (nach Statist. Jb. DDR) Fig, 5. Annual increase of drainage areas which were newly created by hydroame- flotation from 1965-1988 (according to the GDR Statistical Yearbook)

Die Konzentration der Tierbest~nde in Grot~anlagen fiihrte zu bisher noch unbewiiltig- ten Problemen der G61Magerung und -ausbringung. Durch stS.ndig gestiegenen Einsatz von G/.i~te und mineraEschem D~mger unterliegen die Agrarlandschafren einer Hypertro- phierung. Das Stickstoff~berangebot verandert Artenstrukturen der Okosysteme, f6hrt zur Bdaspang des Bodens und Grundwassers sowie benachbarter Wald6kosysteme. Odland und andere extensiv oder nicht genutzte Fl~ichen in der Agrarlandschaft verlieren durch Eutrophierung zunehmend ihre Funktion als 6kologische Nischen, da dort sie- delnde oligo- oder mesotraphente Arten und Phytoz6nosen nitrophilen Ruderalfluren weichen mfissen. Ohne Ausbringung von Agrochemikalien sind Stabilisierung oder gar Erh6hung der Ertr~ige national wie international kaum noch abzusichern.

Es besteht aber kein Zweifel dartiber, dat~ eine 6kologisch orientierte Landwirtschaft in der Zukunft den Einsatz yon Bioziden und mineralischen Diingern drastisch reduzieren mut~. In den 80er Jahren wurden deshalb auch in der DDR computergestiitzte schlagbezo- gene Diingungsberatungen und objektive Bek~impfungsentscheidungen auf der Grundlage computergest~tzter I[}berwachungs- und Prognoseverfahren gefordert und teilweise einge-

Land.wirtsc/)aft und Naturschutz in der DDR 387

fiihrt. Die Umsetzung in die Praxis scheint aber nur mangelhaft oder halbherzig zu erfolgen, sonst ist es unerkliirlich, warum sowohl Minerald/inger- als auch Biozidausbrin- gung st~indig welter ansteigen (Abb. 3, 6, 7; Tab. 5). Einem kurzzeitigen Rfickgang der Herbizidappl ikat ion 1983-85 folgte inzwischen ein bisher unerreichter Anstieg (Abb. 6, Tab. 5), der nicht nur mit einer Erweiterung der behandelten FlS.chen entschuldigt werden kann.

In den letzten Jahren sind jedoch ol:fensichtliche Bemfihungen spiirbar, zu e i n e r stS.rkeren Ber0.cksichtigung der natiirlichen Standorteigenschaften und ,,6kologiegerechter Intensivierung" iiberzugehen. Als erstrangiges Anliegen der Agrarforschung wurde vom PrS.sidenten der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften 1988 ,,die Erfiillung der

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Abb. 6. Entwicklung der chemischen Unkrautbe- kampfung (nach Statist. Jb. DDR) /:7g. 6. Development of chemical weed control (ac- cording to the GDR Statistical Yearbook)

Abb. 7. Einsatz mineralischen D(ingers in der Landwirtschaft (nach Statist. Jb. DDR) Fig. 7. Use of commercial fertilizers in far- ruing (according to rl, e GDR Statistical Year- bookl

~zbelle 5. Ausbringung von Agrochemikalien (Auslieferung yon Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Diingemitteln an die Landwirtschaft, nach Statist. Jb. D D R )

Tab& 5. Application of agricultural chemicals (delivery of agrochemicals and commercial fertilizers to farming enterprises; according to the GDR Statistical Yearbook)

Piqanzenschutzmirte[ 1965 1970 1975 1980 1985 1986 1987 1988

(10-' t Wirkstoff) gesamt 8,2 18,6 22,5 27,0 26,7 29,4 29,9 30,1 t'Ierbizide 6,2 13,8 15,0 i8,1 18,2 i9,5 20,6 21,8 Mit Herbiziden behandelte angebaute F15.cbe (106 ha) 1,4 2,3 3,3 3,5 3,6 3,7 3,8 3,9

Mineraiische D6nge:n;.ttel 1950, 1955 t960 1{;'65 1970 1975 1980 1985 I986 1987 I988

(10 3 t) N 187 210 235 414 511 678 752 77C 709 774 873 PaOs 101 133 218 313 410 441 389 318 352 324 349 kg/ha landwirtschaftliche Nurzfl~iche N 2S,7 32,4 36,7 65,1 81,3 107,7 119,9 123,7 114,2 125,1 141,3 P_,O5 15,4 20,5 34,0 49,3 65,2 70,1 62,0 51,2 56,8 52,3 56,4

388 P. A. Scbmidt

6konomischen und 6kologischen Erfordernisse in der Landwirtschaft bei der umfassenden Intensivierung" formuliert (SPA~r 1989). In der Praxis/iugert sich dies u.a. dutch - Obergang zu reduzierten und mehr standortsangepat.~ten Schlaggr6/~en,

- verst~.rkten Flurholzanbau, - zunehmendes Interesse an Flurgestaltungskonzeptionen dutch die Landwirtschaftsbe-

triebe, - Umorientierung der Meliorationsbetriebe zu Betrieben der I.andschaftsgestaltung und

-pflege. Die gegenw~irtigen, seit dem demokratischen Aufbruch im Oktober 1989 in der DDR m6glichen Diskussionen werden sowohl zu Organisationsformen als auch Wirtschaftswei- sen der Landwirtschaft gef6hrt. Von der Arbeltsgruppe ,Okologischer Umbau" des ,,Runden Tisches" der DDR wurde im Januar 1990 die Abkehr yon der einseitig auf hohe Ertr~ige ausgerichteten Landwirtschaft und ein Obergang zu einer 6kologisch und 6kono- misch ausgewogenen Landbewirtschaftung gefordert. Diese soll bei effektiver Produktion pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse gleichermaf~en den Schutz des Bodens, des Grund- wassers, der Oberfl~.chengew~isser, der Luft und der Artenvielfalt einschliei~en.

3 F l u r g e s t a l t u n g und M e h r f a c h f u n k t i o n der A g r a r l a n d s c h a f t

Trotz anderslautender Festlegungen im Landeskulturgesetz (1970), trotz warnender Stim- men und wissenschaftlich begr(indeter Alternativen seitens Naturschutz und Geobotanik (z. B. JESCHKE 1961; HUNDT 1964; MEt;SH. u. SCHUBERT 1964) wurden in den 30 Jahren ,,industriem~il~iger Produktion" in der Landwirtschaft der DDR oft unverantwortticb.e, 6kologisch und 6konomisch kurzsichtige, abet vorgeblich 6konomisch zwingende Ein- griffe in die Landschaftsstruktur und den I.andschaftshaushalt vorgenommen. Diese einseitig auf Erxragssteigerung und technologische Vorteile ausgerichteten ,,Flurneugestal- tungen", Flur- und Hydromeliorationen batten schwerwiegende 6kologische und landes- kulturelle Folgen. Die yon Landwirtschafts- und Meliorationsbetrieben gew6hnlich ohnr Abstimmung mit anderen Landnutzern, insbesondere dem Naturschurz, durchgefiihrten Mat~nahmen lieflen Agrarlandschaften entstehen, die ihrer Mehrfachfunktion und sinnvol- let lVlehrzwecknutzung nicht mehr im erforderliehen Mal% gerecht wurden. Rtickgang landschaftlicher Vielfalt, Einbut~en 6kologischer I.eistungsf~ihigkeit und sozialer Funktio- nen, Zerst6rung und Verlust yon Biotopen, Ausrottung und Gef~ihrdung yon Arten gehen zu Lasren der Intensivierungsmagnahmen. Zur Nivellierung und Uniformlerung der Landschaft trugen vor allem bei:

- Reliefmeliorationen, - Rodung yon Hecken, Geb6schen, Feld- und Ufergeh61zen, Alleen, Stret, obstbes6inden

U. a.,

- Beseitigung yon Standgew~issern, Nat~- und Feuchtstellen (z. B. S611e), - Begradigung und Verrohrung von B~ichen und Gr~iben, - Vergr6t]erung der Einzelschl~ige bis fiber 300 ha. Seit etxva 10 Jahren sind, insbesondere im Ergebnis des zunehmenden Druckes seitens der Wissenschaft und der Offentiichkeit, Ans[itze zur Besserung der Situation zu erkennen. Im Bezirk Rosrock erschien 1982 eine ,Weisung zum Schutz und zur Erhaltung yon Feucht- gebieten und Kleingew~issern mit hoher Biotopfunktion fiir Fauna und Flora", das LPG- Gesetz yon 1982 verpflichte~ die Landwirtschaftsbetriebe, ,,ihren gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, die Natur f6r heutige und kiinftige Generationen als Lebens- und Produktions- grundlage zu erhalten und auf wissenschaftlicher Grundlage zu nutzen", der XII. Bauern- kongre~ 1982 setzte sich fiir den erweiterten Anbau yon Fturgeh6izen ein.

Die auf maximale Produktionssteigerung ausgerichteten ,H6chstertragskonzeptionen" einer durch die SED kommandowirtsehaftlich geleiteten Landwirtschaft waren der Umset-

Landwirtschaft und Nazurschutz in der DDR 389

zung dieser Forderungen meist abtr~iglich. Damit waren auch der Realisierung des ais bedeutsamen Fortschritt anzusehenden, 1985 herausgegebenen Fachbereichsstandardes ,,Flurmeliorationen" (TGL 42200) Grenzen gesetzt. Dieser orientiert auf die Erhalmng yon Landschaftselementen, wie Flurgeh61ze, Fiiefl- und Standgew~isser, Hohl- und Voll- formen, und erkl~rt die Einbeziehung yon Flurgestaltungskonzeptionen bei der Vorberei- tung yon Flurmeliorationen ais verbindlich. Flurgestaltungskonzeptionen sind ,langfristig konzipierte Leitbilder zur landeskukurellen und r~iumlich-gestalterischen Entwicklung vorwiegend agrarisch genutzter Territorien" (LEGLE~. et al. 1988). Wenn ffir die Territo- rien aller Landwirtschaftsbetriebe (LPG, VEG) Flurgestaltungskonzeptionen erarbeitet werden,k6nnen sie ein wesentliches instrument f~r eine 6kologischen Erfordernissen und dem Naturschutz gerecht werdende Landschaftsgestaltung darstellen.

Als erster erkl~irte der thC~ringische Bezirk Erfurt 1986 die Erarbeitung yon Flurgestal- tungskonzeptionen for ieden Pflanzenproduktionsbetrieb in Kooperation mit den zugeh6- rigen St~idten und Gemeinden zur verbindlichen Au[gabe, die 1992 abgeschlossen sein soll. Besondere Verdienste um die Landschaftsplanung und -gestaltung erwarb sich das Institut ftir Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, das seit 20 Jahren entsprechende Forschungen in der Agrarlandschaft durchf~ihrt. So wurden f~ir die L6ggebiete Sachsen-- Anhalts und Th/.iringens komplexe L6sungsvorschl/ige zur Agrarraumgestahung unter besonderer Beri~cksichtigung des Erosionsschutzes und des Habitatangebotes zur Erhal- tung und F6rderung yon Flora und Fauna erarbeitet (z.B. REICHttOFF U. MANSlK I988 , HIEKFI- U. HAUPT 1989). ES gilt aber, die aufgezeigten Empfehlungen zur Verbessemng der tiabitatausstatmng und zur Habitatgestaltung auch in der Pr~is zu verwirklichen, um wieder reich strukturierte, 6kologisch mannigfaltige und artenreiche Agrarlandschaften, die nicht nut ihren produktiven, sondern ebenso protektiven und rekreativen Funktionen gerecht werden, entstehen zu lassen. Die Stinden der Vergangenheit werden nur teilweise zu tilgen sein, denn Umwandlung und Neuschaffung yon I.andschaftsetementen oder Renaturierung yon Biotopen k6nnen weder erstrebenswerte optimale 6kologische Struktu- ten und Prozesse der Vergangenheit reproduzieren noch irreversible Sch{iden oder Verluste aufheben. Die Forderung nach 6kologisch mannigfaltigen Landschaften bedeutet nat/irlich nicht Rtickkehr zum Zeitalter ,,vorindustrielier" Landwirtschaft, hierin stimmen wit mit dem Pr~sidenten der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften iiberein. Des Natur- schutz erwartet aber, daf~ das von ihm formulierte Ziel (SP,~R 1989a, b) neuer Flurgestal- tung, die Sicherung der Stabiiit~it und Produktivit~it der Landschaft unter Bewahrung und Gestaltung einer notwendigen, gew~inschten und anzustrebenden Mannigfaltigkeit der I.andscbaft mit einer vertretbar grof~en Anzahl und Vielfalt yon Landschaftselementen neben der landwirtschaftlichen Nutzfl~iche und mit unbedingt notwendiger Einordnung der Schutzbediirfnisse gef~ihrdeter Pflanzen- und Tierarten, nicht Absichtserkliirung bleibt, sondern allseitig umgesetzt wird.

Einen wichtigen Platz im Rahmen der Landschaftsgestaltung nimmt der Elurhotzanbau ein. Die ,Ausr~.umung" der Agrarlandschaft in den 60er Jahren war ein entscheidender Fehler in der Landwirtschaft der DDR, denn Fturgeh61ze iiben zahlreiche produktive (landwirtschaftliche Ertragssteigerung, Holzerzeugung), protektive (Verminderung yon Wind- und Wassererosion, Artenschutz durch Habitatfunktionen, Sicht-, Liirm-, Staub- schutz, blologische Sch?idlingsbek~impfung) und rekreative (Landschaftsgliederung, -~isthetik) Funktionen aus. Fi]r den Naturschutz ist insbesondere die Habitatfunktion herauszuheben. Durch zielgerichteten Flurholzanbau und Verbesserung des Zustandes vorhandener Flurgeh61ze kann die Habitatkapazidit fiir V6get (z.B. ffir Baum- und Gebiischbrfiter in der L6flalandschaft Steigerung urn 50-100 % m6glich, HIEKEt. U. HAUPT 1989), Insekten oder Niederwild wesentlich gef6rdert werden. Es sind aber gewisse Voraussetzungen zu erf/.illen, vor allem Pflanzung standortgemii~er und autochthoner Geh61ze sowie Pflegemaf~nahmen, wenn Flurgeh61ze die biotische Vielfalt erh6hen oder gar als Bausteine in einem Biotopverbundsystem wirksam werden soilen. Eine bereits 1973

390 P. A. Scl.,midt

in Kraft gesetzte ,,Anordnung zur F6rderung landschaftsgestaltender Mal~nahmen, insbe- sondere des Flurhoizanbaues und des Erosionsschutzes" erbrachte zun~.chst nur m~it.~igen Erfolg, denn weder Landwirtschafts- und Meliorationsbetriebe noch Baumschulen waren vorbereitet. Es wurde an Geh61zen gept-ianzt, was verf0gbar, nicht was ertorder[ich war, und das waren vorrangig fremdl~indische Geh61ze. F6r naturnahe Feld- und Ufergeh61ze sowie andere fiir den Naturschutz bedeutsame Flurgeh61ze bestand nach der Naturschutz- verordmmg (NWO) von 1970 die M6glichkeit, sie als ,,Hecken, Geh61ze und Baumreihen auf~erhalb des Waldes" durch den Rat des Kreises unter Schutz zu stellen, nach der Neufassung der NVO yon 1989 genie~en sie einen Schutzstatus als ,,Okologisch bedeut- same Bereiche" in der offenen Landschaft. In manchen Gebieten (z. B. Bezirk Dresden) wurden nach einer Inventur alle erfai~ten Flurgeh61ze unter Schutz gestelit. Wertvolle und schutzbed0rftige Landschaftselemente mit Habitatfunktion stelien in der Agrarfiur auch Streuobstwiesen und Kopfweiden dar, sie sind zugleich Zeugnisse ehemaliger Bewirtschaf- tungsformen und haben tandschafts~isthetische Bedeutung. Die Einbindung in F]urgestal- tungskonzeptionen und in das System der zu erhaltenden und zu pflegenden F[urgeh61ze, wie in den letzten Jahren f0.r Thfiringen gefordert, d(irfte der Sicherung ihrer Existenz f6rderlich sein (Coamr 1988; GR~M~i 1988; HIEKEI. u. HAuPr 1989).

Gef~ihrdung von Okosystemen und Arten durch Intensivierung landwirtschaftlicher Nutzung und Maflnahmen

zur Erhaltung ihrer Mannigfaltigkeit

Die Gef~ihrdung yon Okosystemen und der Ri.ickgang von Pflanzen- und Tierarten durch die Landwirtschaft des ,,hochindustriellen Zeitalters =, in der DDR insbesondere durch die Einffihrung ,,industriem~giger ~ Produktlonsmethoden seit 1960, ist durch zah]reiche Untersuchungen dokumen~iert und analysiert worden (aus bo~anisc]~er Sicht z. B. Succow 1976, K,xr et al. 1985, aus ornitho[ogischer z. B. RurscI{Ke 1979, aus entomologischer z.B. REINHaRDT 1985). Die Problematik soll am Beispiei solcher Phytoz6nosen und Arten, deren Schicksal in besonderer Weise ,nit der Landwirtschaft verbunden ist, dargestellt werden. Artenreiche Grasfluren und Ackerwildkrautfluren, die urspriingIich durch bestimmte Nutzungsweisen der Landwirtschaft gef6rdert wurden, wurden nun zum Opfer des gleichen Landnutzers.

4.1 Grasfluren und Zwergstrauchheiden

In der natiirlichen, vom Wald gepr~igten Vegetation der DDR waren dutch Gr~.ser und Stauden geformte waldfreie Okosysteme nur inse]artig und kleinfl~ichig verbreitet. Sie konnten sich lediglich an waldfeindlichen oder Waldgrenzstandorten erhalten oder entwik- keln. Dabei spielte der Stando,'tsfaktor Wasser eine entscheidende Rolle. R6hrichte, Groi]- und Kleinseggenriede waren Bestandteil der natfirlichen Gew~sser- und Moo~regetation, Trockenrasen und Pionierfluren besiedelten grundwasserferne Extremstandorte (Fels- und Steilh~nge, Dfinen). Erst nach grogr~.umigen Waldrodungen im Zeitalter des agrarischen Landausbaus wurden Bedingungen for die Ausbreitung dieser Vegetationsformen und die Entstehung neuer Typen yon Grasfluren geschaffen.

Frisch- und Feuchtwiesen, Borstgrasrasen sind ebenso wie die Zwergstrauchheiden im wesentlichen anthropogene Okosysteme (Halbkulturformation). Sic gehen auf mittelalter- liche Formen der Landnutzung zurfick. Biomasseenmahme und N~ihrstoffentzug, setek- tive F6rderung bestimmter Arten und Verhinderung der Sukzesslon durch extensive landwirtschaftiiche Nutzungsweisen (Beweidung, Mahd, Plaggenwirtschaft) begfinstigten die Entstehung und/oder Ausbreimng der Grasfluren und Zwergstrauchheiden auf po-

L~ndwirtschaft und Naturschutz in der DDR 391

tentielien Waldstandor:en (anthropogene ,,Ersatz6kosysteme"). Unter verschiedenen Standortsbedingungen (Abb. 8) und bei bestimmten Nutzungsweisen (Abb. 9) bildete sich ein breites Spekt~m charakteristischer artenreicher Okosysteme (vgl. Abb. 1-3, Tab. 6) heraus. Trotz 6kologischer Umweltveriinderungen und zunehmend intensiver Nutzungs-

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Abb. 8. StandortsverhLilmisse (Trophie, Wasserhaushalt) der wich:igsten Grasfluren und Zwerg- strauchhclden, die ihre Existenz und/oder FSrderung (fiberwiegend) laz:dwirtschaftlichen Nutzungs- formen verdanken und heute dutch [ntensivierungsmagnahmen gef?;.hrdet sind

Fig. 8. Site conditions (nutrition trends, waterregime) of the most important grasslands and dwarf- shrub heath which owe their existence and/or have been favored (mainly) by farming methods, and which are presently endangered by intensification measures

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Abb. 9. Grasfluren und Zwergstrauchheiden in ihrer Abi~irigigkeit yon Standortsfaktoren (TrophEe, Wasserhaushak) und Iandwirtschafrlichen Nutzungsweisen Fig. 9. Grasslands and dwarf-shrub heath as affected by sire factors (nutrition trends, waterregime) and farming methods

392 P. A. Schmidt

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fl~rmen w~hrend des Landschaffswandels im in- dusuiellen Zeitaher haben diese (3kosysteme, wenn auch mit Verschiebungen in der Artenstruktur, bis Mitre dieses Jahrhunderts ihre Existenz wahren k6nnen.

Auf dem etwa 1,26 Mill. ha und damit unge- f~ihr 20 % der landwirt- schaftlichen Nutzfl~che der DDR einnehmenden Grasland (Tab. 2, 7) 9011- zogen sich im Rahmen der Intensivierung der Pro- duktionsmethoden in den letzten 20-30 Jahren dra- mat[sche Standortsveriin- derungen, die dazu fiihr- ten, dat~ unter den Vege- tationsformationen der DDR die Grasflt, ren hin- sichtlich der Anzahl ge- f~brdeter Okosysteme und Arten am st~irksten be- droht sirtd (Abb. 1-3, Tab. !., 8). Die Phytoz6- noscn und Arten im has- sen bis feuchten Standorts- bereich wurden inbeson- dere Opfer der EntwSsse- rung und nachfolgender Intensivierungsmaflnah- men (Dfingung bis zur Hypertrophierung, Um- bruch und Ansaat, Herbi- zideinsatz, [ntenslvwei- de), die Phytoz6nosen und Arten oligotropher Standorte (Streuwiesen, Magerrasen, Heiden) sind vor allem durch Eutro- phierung (Diingung, N[ihrstofffreisetzung oder -eintrag) gef~ihrdet (Abb. 10). Weitere Gef~ihrdungs- ursachen sind bei allen Grasfluren ausbleibende Nutzung durch Uuterlas- sung yon blahd oder Be-

Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR

Tabelle 7. Grasland der DDR (nach Succow 1983) Table 7. Grasslands of the GDR (according to Succow 1983)

393

Hiche (ha) % der Gesamtil~iche

Nicdermoorstandorte 475 000 37,8 Bergstandorte 220 000 17,5 Auenstandorte 209 000 16,6 Pleistoz~ine Sandstandorte 178 000 14,2 Pleistoz;ine Lehm- und Tonstandorte I l 7 000 9,3 L6gstandorte 58 000 4,6

Gesamt 1 257 000 I00 (ca. 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfl~che)

Tabelle 8. Bestandesver?inderungen yon Wiesenpflanzen der hercynischen Mittelgebirge 1970-80 (nach WECE,XER 1982)

Table' 8. Changes in meadow-plant species composition of the hercynian mountains, 1970--1980 (according to WECv.'qER, t982)

1. Arten mit miii~igern bis starkem R6ckgang (hierzu Arten der ,,Roten I_.iste" der DDR) Arnica montana Briza media Bot~chium lunaria Crepis pa[udosa (auger Harz und Th~ringer Wald) Iris sibiriea (aul]er Harz) L ychnis flos-cuculi Orchidaceae, alle Wiesenarten Pby.~euma orbiculare Sile~ze dioica (auger Th{iringer Wald) Succisa pratensis Trisetum flavescens (auger Th~iringer Wald) Trolli,~s europaeus (aul~er Th~iringer Wald)

2. Arten mit deutlichem, aber geringerem Rfckgang Alchemil!a vulgaris CaYel ca~Te$cel'lS Cirsium beteropbyllum Geranium svlvaticum Lathyr:~s lir~ifolius (Erzgebirge und Vogtland stiirkerer Rfickgang) PbU.euma spicagum Polygonum bistorta Potentilla erec~a Primula veris (Rh6n st~irkerer Rfickgang) Sanguisorba oJficit,alis

weidung (Brachfallen f{ihrt zur Sukzession zu Gebiisch- und Watd6kosystemen), zu intensive Beweidung oder Nutztmgsinderung (Umwandlung zu Ackerland oder Auffor- stung). Standortsver~inderungen, R/.ickgang und Gef~.hrdung yon Grasfluren und ihres Artenreichtums haben weitreichende 6kologische und soziale, abet auch 6konomische Folgen (Vernichtung von Habitaten und Nahrungspflanzen for Tierarten - vgl. Tab. 6, 9; Verlust von Kulturgiitern und Genressourcen, Mindert, ng des ~isthetischen Wertes der Wiesen und Triften, abnehmende Produktivit~it der Wiesen und Welden usw.).

Um die Erhaltung artenreicher Grasfluren bemtiht sich der Naturschutz bereits meh- rere Jahrzehnte. Die Ausscheidung yon Naturschutzgebieten und Flgchen-Naturdenkma- fen zur Bewahrung artenreicher Bergwiesen und Xerothermrasen in den 60er Jahren lief~ bald erkennen, dag eine einfache Konservierung dutch einen Schutzstatus kein geeignetes Mittel ist, da eine solche ,,Fl~chenstillegung" infolge ausbleibender Nutzung zur Verkrau-

394 P. A. Schmidt

f e h l e n d e o d e r z u i n r e n . s l v e B e w e i d u n g

E u r r o p h i e p u n g dutch DOngung, N(/Iqrstoffein frog od. -l~reiserzung

- Pionierfluren u. Trocketzr_~e~ !~Nphile X_epo[herm ro~en. our Sand u (lialbrrock n)

6orsl'qrosrc/5_gd] F r i schwiesen [ Fetrwiesen'3 /

7 " - - - ' - 7 e n_g r o~c. Feuchtwiesen 5_um_ pt dorterblumen- Feuchtwies.

/ Enr- 2 ~ " wasse- t ~

/ / ~.Co~seggenriede rung co _ o Kleinseggenriede

nab / R~h_r'_[ch t e = ~- 1-rophie

Abb. t0. Gef~hrdungsursachen f~ir Grasfluren und Zwergstrauchheiden. Weitere, aile Phvtoz6nosen bedrohende Faktoren: - Nutzungs~.nderung (Aufforstung; Umbruch und Ackernutzung oder Ansaat yon Kuhurrasen,

teilweise verbunden mit Ent- oder Bew:isserung), - Nutzungsintensivierung (D/ingung bzw. I~berdi.ingung, zu intensive Beweidung, Herbizhtelnsatz

It. a.)~

- fehlende Nutzung (Biomasseakkumulation nach Auflassung, Sukzession zu Gebiisch- und Waid- 6kosystemen)

Fig. 10. Causes of endangerment for grasslands and dwarf-shrub heath. Additional factors that threaten all phytozoenoses: - change of land use (afforestation; use for farm crops or conversion to intproved pastures, partially

together with drainage or irrigation); - intensified use (fertilization and overfertilization, overgrazing, use of herbicides, and other); - lack of proper utilization (accumulation of biomass after cease of utilization, succession towards

sltrub and forest ecosystems)

r

L - m ~

g~g~

Tabelle 9. Vorkommen von Tagfaltern verschiedener 6kologischer Gruppen vor und nach 1980 in der DDR (nach REIYnARD'r 1985)

7kble 9. Occurrence of butterflies of different ecological groups in the GDR before and after 1980 (according to R~INH,~RDT 1985)

Anzahi derNachweise Anzahi der Arten 1945-]980 1981-1985 1945-1980 1981-1985

/Vlesophile Arten des Offenlandes 2730 der l[Ibergangsbereiche 4697 des Waldes 2046 Gesamt 9473

Xerothermophi le Arten der Trockenrasen 917 der Geh61ze 418 Gesamt 1335

A r t e n d e r Feuchtgebiete hygrophile Arten 963 tyrphophile Arten 262 Gesamt 1225

1297 12 12 1706 36 32 450 [9 18

3453 67 62

261 25 20 81 15 9

342 40 29

210 13 12 32 l0 8

242 23 20

Landeoirrscha]} und Naturschutz in der DDR 395

tung und zu einer - je nach Standortbedingungen differenziert und ,'nit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufenden -- Sukzession zur natfirlichen Vegetation, zum Wald, f/.ihrt. Naturschutzforschung und -praxis widmeten sich intensiv dem Problem der Erhaltung und Pflege gesch/itzter Grasfluren. Das Schutzziel kann nur erreicht werden, wenn durch extensive Nutzung oder andere Pflegemagnahmen Struktur, Dynamik und Funktion dieser anthropogenen Okosysteme erhalten bzw. gezielt gesteuert werden. Als geeignete Pflegeelemente erwiesen sich neben den historischen Nutzungsformen (Mahd, Beweidung) und notwendiger GehOlzentfernung kontrolliertes Fl~immen und Rohbodenaufschl(isse. Zur F6rderung der Dynamik der Phytoz6nosen und der floristischen Vietfalt, aber auch zur Reduzierung des Pflegeaufwandes pro Fl~iche, wurden Pflegerotationsmodelle entwik- kelt (REmm-IOFF U. BOt-tNERT 1978 fCtr Trockenrasen, WEGENER 1981 t:fir Bergwiesen, BOH~I~RT U. H~MPr-L 1987 ffir alle schutzbediirftigen Vegetationsformen des Graslandes und der Zwergstrauchheiden Sachsens).

F/.ir geschfitzte Objekte sind die erforderlichen Pflegemat~nahmen in der Regel in Behandlungsrichtlinien festgelegt. Probieme bereitet jedoch ihre Verwirklichung, denn die praktische Naturschutzarbeit ]aster in der DDR weitestgehend auf den Schultern ehren- amdicher Naturschutzmitarbeiter. Erfreulicherweise gibt es abet einzelne Landwirt- schaftsbetriebe, die eine pflegliche Nutzung fibernehmen. Seit einigen Jahren werden auch dutch Naturschutzmitarbeiter yon Forstwirtschaftsbetrieben Pflegemai.~nahmen in Natur- schutzgebieten mit Wiesen u.a. Grasfluren wahrgenommen. Insgesamt ist die Situation jedoch unbefriedigend. Die Landwirtschaft als Rechtstr~ger und/oder Nutzer der Wiesen und Weiden, auch der geschiitzten, mu[~ bier ihrer Verantwortung starker gerecht werden. Dabei ist Pflege der Objekte das A und O, Brachfallen ist kein blittd zur Erhaltung der Gras]and6kosysteme und ihres Artenreichtums.

4.2 Ackerwildkrautfluren

Seit 20-30 Jahren unterliegt die Wildflora der acker- und gartenbaulich genutzten Fl~ichen besonders starken Ver~inderungen, sowohl in qua[itativer als auch quantitativer Hinsicht. Die aus Einheimischen und Archiiophyten zusammengesetzte Ackerwildflora unterliegt seit Existenz ackerbaulicher Ku[tur in Abhiingigkeit yon den landwirtschaftlichen Boden- nutzungssystemen einem st~ndigen Wandel. Dutch hoh/~n Artenreichtum waren die A.cker w~ihrend der Zeit des Dreifelderwirtschaft (bis 18. Jahrhundert) und der sogenannten verbesserten Dreifclderwirtschaft (19. Jahrhundert) ausgezeichnet. Der Rfickgang einzel- net Arten setzte bereits in der ersten Halfte dieses Jahrhunderts ein (vgl. z.B. SCt~mDT 1980). Aber erst die Einffihrung ,,industriemfii~iger" Produktionsmethoden in der Land- wirtschaft brachte die einschneidenden Umwiilzungen, die sich in einem drastischen Rtickgang der als UnkKiuter bekiimpften Acker-Wildpflanzen und in einer stark ver{inder- ten Artenstruktur der Segetal-Phytoz6nosen iiugerten. Es mugten 68 Ackerwildarten in die ,,Rote Liste" (R.~USCHER'r 1978) aufgenommen werden, davon sind 12 Arten in der DDR bereits ausgestorben (Abb. I). Wesentliche Ursachen fiir den Artenr0ckgang waren neben den bereits dargestellten Hauptintensivierungsmagnahmen

- Chemisierung (Herbizidanwendung, starke mineralische Dfingung und Giilleausbrin- gung, Kalkung),

- Mechanisierung (ver~nderte mechanisierte Bodenbearbeitungsmethoden, Einsatz schwerer Technik) und

-- Melioration (Hydro-, F!urmelioration) vor allem folgende Faktoren (vgl. HtLum 1978, K,'r et al. 1985, SCHmDT 1980):

- - Saatgutreinigung, - Auflassung oder veranderte Nutzung ertragsarmer, nur extensiv bewirtschaftbarer oder

kleinfl~ichiger Acker flachgrfindiger, skelettreicher und/oder stark hS.ngiger Standorte, - Ver~.nderung der Fruchtfolge, Anbau- und Erntetermine au{ sehr grogen Schlfigen,

396 P. A. Schmidt

- ver~inderres Kulturartenspektrum (Aufgabe des Anbaus yon Kulturpflanzen wie Lein, Hirse oder Buchweizen).

Bereits ausgerottet oder besonders gef~ihrdet sind A,-ten flacbgrfindiger Verwi~terungsb6- den des H~igellandes (z. B. Arten der KalkS.cker, wie Calend,la ar~Jensis, Orlaya grandi- flora, Adonisjqammea, Scandix pecten-veneris) oder n~hrstoffarmer Sand~.cker des pleisto- z~inen Flachlandes (z.B. Arnoseris minima, Teesdalia ~zudicaulis). Das Verschwinden dieser Arten geht sowohl auf das Auflassen ertragsschwacher .~cker als auch auf bodenver- bessernde MaSnahmen (intensivere Bodenbearbeitung und Diingung) zur(ick. So werden z. B. dutch tiefere Bodenbearbeitung Geophyten (Zwiebel- und Knollenpflanzen) aus den Ackern verdr~ingt, darunter mehrere in der DDR gef~ihrdete Arten wie Alli~m rotundurr,, Gagea villosa oder Lathyrus tuberosus. Opfer verbesserter Saatgutreinigung {st insbeson- dere die Kornrade (Agrostemma githago), frfiher eine jedermann bekannte Pflanze, heute in der DDR fast ausgestorben. W~ihrend die Standortbedingungen der gef~ihrdeten Arten sich st~indig verschlechterten, wurden durch die erh6hte Mineraldfingung und durch Giiileeinsatz besonders nitrophile Arten, dutch intensivere Bodenbearbeitung sich vegeta- tiv iiber Ausl~iufer und Wurzelsprosse vermehrende Arten und dutch die chemische Unkrautbek~impfung herbizidtoierante Arten gef6rdert. Diese meist ohnehin weit verbrei- teten Arten driingen durch h6here Konkurrenzkraft (ebenso wie die w(ichsigeren Kultt, r- pflanzen) die gegen~lber Intensivierungsmat~nahmen sensiblen Arten zus~itzlich zur(ick.

Nivellierung der Standorte nnd Herbizideinsatz lassen Segetalphytoz6nosen mit a,ten- armen und uniformen WildkrS.uterbestiinden entstehen. Besonders gef~ihrdete Arten sind Arch~.ophyten, f/~r die im Gegensatz zu den einheimischen Ackerwildkr~iutern die Chance gering ist, sich durch ,,Samennachschub" yon Wegr~indern, Rainen oder Xerothermrasen wiederanzusiedeln. Soiche ,,Reserxen" fiir die indigenen Arten sind inzwischen ebenfalls bedroht, da das sogenannte (Ddland in der Agrarflur der ,,Flurneugestaltung" der 60er und 70er Jahre zum Opfer flel oder infolge Eutrophierung und Ruderalisierung diesen Arten keine Existenzm6glichkeiten mehr bietet. Drastischer Rfickgang und Gefiihrdung yon Ackerwildpflanzen auf der einen Seite, Ausbreitung von ,,Problemkr~iutern" auf der anderen Seite - d a s sind Erscheinungen in der Agrarflur, die weder Naturschutz noch Landwirtschaft hinnehmen k6nnen und dtirfen. Die Erhaltung der Arten- und Formen- vielfalt der Ackerwildflora muf~ aus wissenschaftlicher (z. B. Bioindikafion, Herbizidfor- schung), 6konomischer (z.B. Genressourcen, Nutzung von Inhaltsstoffen, nach WEI- NITSCHKE 1987 zunehmender Befall der Kulturpflanzen dutch Sch~idlinge nach Rfickgang der Wildkr~.uter), ~.sthetischer und kulturell-ethischer Sicht Verpflichtung und Bedfirfnis sein.

Kann man auch nicht behaupten, da~ in der Vergangenlleit die Begieiter der Kultur- pflanzen beim Bauern immer beliebt waren (siehe Name ,,Unkr~uter"), so gibt es doch innige Beziehungen zu ihnen im Volksleben und -g]auben, wie sie dutch die symboltr~.ch- tige Kornblume oder durch alte Spr(iche (z. B. in der Mark Brandenburg und der Lausitz: Rade, Rade rot - in vier Wochen neues Brot!, ILLtO 1987) dokumentiert werden. Wirksamer als eine wissenschaftliche Er6rterung fiber Nutzen und Schaden dieser P~i:lanzen scheint mir ein Nachdenken, zu dem ein Gedicht von JuLiuS SrURM (1816-1896) anregen soil, wenn auch ein Gedicht nicht so ganz in meine sachlich-n(ichterne Darstellung der Probleme paf~t:

Der Bauer steht vor seinem Feld und zieht die Stirne kraus in Falten: Ich hab den Acker wohl bestellt, auf reine Aussaat streng gehalten. Nun seh' mir eins das Unkraut an! Das hat der b6se Feind getan.

Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR 397

Da kommt sein Knabe hochbegliickt, ,nit bunten Bl{iten reich beladen. Im Felde hat er sie gepfl[ickt; Kornblumen sind es, Mohn und Raden. Er jauchzt: Sieh, Vater nur die Pracht! Die hat der liebe Gott gemacht.

Bisherige Bem(iht, ngen ura den Ackerwildpflanzenschutz in der DDR sind mehr Privatini- tiativen und Interessentengruppen zu verdanken, deren Koordinierung 1984 eine spezielle Arbeitsgruppe dcr Sektion Geobotanik und Phytota~,mnomie der Biologischen Gesellschaft {ibernahm. Ackerwildpflanzenschutz mug aber in Arten- t, nd Biotopschutzmagnahmen des Naturschutzes integriert (vgl. H~Lf3iC, 1985) und yon der i.andwirtschaft nicht nur to]eriert, sondern mitgetragen wcrden (vgl. B~3HNe~T et al. 1989).

Zur Bewahrung einheimischer und arch~ophytischer Ackerwildpflanzen vor dem Aus- sterben k6nnen verschiedene Wege beschritten werden. Anzustreben ist eine optimale Erhaltung unter artgcrechten Standortsbedingungen und Bewirtschaftungsformen: - Einrichtung und Bewirtscha[tung yon Schutz[ickern (Feldflorareservate). In mehreren

Bezirken der DDR wurden ,,Schutz~.cker" angelegt. Ein erfolgreiches Beispie[ stellt das seit 1981 existierende Feldflorareservat von Luckau-Freesdorf in der Niederiausitz dar, betreut yon zwei Biologielehrern mit ihren Arbeitsgemeinschaften und einem Landwirt (h.Ho 1987). Einen Fortschritt erreichen wir, wenn attf der Basis von Vereinbarungen zwischen staatlichen Naturschutzorganen und Landwirtschaftsbetrieben geeignete Feld- fl~.chen als Schutziicker erhalten oder neu geschaffen und entsprechend spezieller Behandlungsrichtlinien gepflegt werden, wie es in Sachsen in Angriff genommen wurde (B6H.xF.ar et al. 1989).

- Ackerrandstreifen-, Brachfl~ichen- und Od[and-Erhaltungskulturen. Am Fddrand sind nicht selren noch artenreichere ,,S~iume" (dutch KJatschmohn, Kornblume oder Kamille zur Bl/Jtezeit besonders ins Auge fallend) erhaJten. Die Nutzung dieser Gewendc for den Artenschutz ist f6rderungsw,[i,dig. Weniger intensive Bodenbearbeitung, Herausnahme aus der D/ingung und Herbizidausbringung sowie notfalls weitere Einschr~inkungen der Bewirtschaftung k6nnten zumindest ffir einige Arten die Lebenschancen f6rdern. Stiirker 6kologisch orientierte Landwirtschaft wird in Zukunft generell einen Beitrag hierzu leisten k6nnen. Brachfi~ichen und Odland sind nicht a priori fiir elne Erhaltung gef~ihrdeter Ackerwildpflanzen geeignet. Auch bier ist wie bei den Grasfluren eine Steuerung der Entwicklung Voraussetzung f/_ir die Schaffung yon Existenzbedingungen f/Jr die gew6hnlich konkurrenzschwachen Arten. Meist ist eine Senkung des Trophieniveaus erforderlich, es mut~ die Biomasse abgesch6pft wet- den, um Ruderalisierung (Entstehung ni'.rophiler Staude,xfluren) und Sukzession zur potentiellen nat{irlichen Waldvegetation zu verhindern. Solchc Biotope sind nur dann als Ersatzstandorte ffir Ackerwildpflanzen geeignet, wenn Pflegemat~nahmen die Fortdauer yon populationsf6rdernden St6rgr6gen garantieren. Eine einfache Fiachenstillegung stellt zumindest fiir den Ackerwildpflanzenschutz keine L6sung dar.

- Schutz- und/oder Schauhcker in agrarhistorischcn Museen und volkskundlichen Frei- lichtmuseen. Anbau und Bewirrschaftung yon kleinft~ichigen Feldkulturen mit Acker- wi]dpflanzen in museaJen Einrichtungen stellen nicht nut einen Beitrag zum Arten- schutz dar, sie erfi.ilien weitere Funktionen, so Wahrung und Demonstration kulturge- schichtlicher Wirtschaftsformen sowie Bildung und Aufkl~rung. Beispiele in der DDR hierf/.ir sind Schwerin-Muel~ oder Kloster Vef~ra.

- Erbaltungs- und Vermetlrungskulturen in wissenschafdichen Einrichtungen. Trotz aller Einschr~inkungen k6nnen auch ex situ-Schutzmaf~nahmen dutch Genbanken (z. B. Zentralinstitut fi.ir Genetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben, vgl. HaM- MEr 1985), in Botanischen Gfi.rten und Forschungseinrichtungen (Institut fClr Pflanzen-

398 P. A. Schmidt

schutzforschung Kleinmachnow) einen Beitrag zur Erhaltung gefbihrdeter Ackerwildar- ten ieisten.

Abschliet~end sei noch darauf hingewiesen, daf~ der R/.ickgang der Wildpflanzen der Acker auch die Existenz einer Vielzahl yon Tierarten getS.hrdet, insbesondere durch Entzug der

r "/ Nahrungsgrundlage. ~v erarmung und Uniformierung der Ackerflora versfiirken iihnliche Tendenzen bei der Fauna.

5 O k o l o g i e g e r e c h t e L a n d w i r t s c h a f t als Be i t rag z u m N a t u r s c h u t z

Erhahung, Schaffung bzw. Wiederherstellung reich strukturierter, 6kologisch und bio- tisch mannigfaltiger, stabiler und nachhaltig produktiver Agrarlandschaften miissen zum gemeinsamen Anliegen von Landwirtschaft und Naturschutz werden. Nut die Einheit von Nutzung und Schutz natiirlicher Ressourcen, yon Okologie und Okonomie bei der Bewirtschaftung yon Agro6kosystemen schaffen die Voraussetzung f~ir die langfristige Sicherung yon Stabilit~it und Produktivit~.t der Landschaft. Die landwirtschaftliche Pro- duktion mut~ innerhalb der 6kologischen Rahmenbedingungen, wie sie in der Agrarland- schaft vorgegeben sind, ablaufen. Eine 6kologisch-6konomisch orientierte Landwirtschaft mug optimale, nicht maximale Ertr~ige ansteuern. Et-st wenn die genannten Voraussetzun- gen erfiillt sind, kann sinnvoller und wirksamer Naturschutz in der Agrarlandschaft betrieben werden. Ein Naturschutz, der in unserer Kulturiandschaft die durch den Landnutzer Landwirtschaft gepr~.gten Umwdtfaktoren mi~achtet und isoliert Biotop- und Artenschutzmagnahmen dt, rchsetzen will, ist ebenso zt,m Scheitern verurteilt wie nine Landwirtschaft, die in einer ,,ausger/iumten" at, sschliel~lich der Produktion untergeordne- ten Landschaft durch st~.ndige Energiezufuhr die Ertr~.ge steig, ert, 6kologische Regt, la- tionsmechanismen mit~achtet und die Umwelt be- und ftberlastet. Ein soicher Naturschutz kann Pflanzen- und Tierarten nicht retten, und eine solche Landwir~schaft raubt nicht nur diesen Organismen, sondern sich selbst die Existenzgrundlagen. Erhaltung und Wieder- herstdlung vielgestaltiger und artenreicher Agrarlandschaften mit stabilen und nachhaltig produktiven Okosystemen als Anliegen eines modernen Naturschutzes und einer lei- stungsf~i.higen effektiven Landwirtschaft erfordern in der DDR, und sicher nicht nut hier, Neuorientierangen in Lar, dwirtschafts- und Umweltpolitik. Sie reichen yon politischen Grundsatzentscheidungen bis zum Abbau des Vollzugsdefizits bei der Umsetzung gel~en- der gesetzlicher Bestimmungen, yon der Anerkennung des Umweltvorsorgeprinzips bis zu neuen Verbrauchergewohnheiten, yon der Einfiihrung neuer Technologien (Landwirt- sol, aft als ()kotechnologie) bis zu naturschutzrelevanter Agrar6kologieforschung. Die politischen Voraussetzungen dafiir wurden dutch die demokratische Umgestaltung in der DDR geschaffen. Der gemeinsamen Bewaltigung dieser Probleme in Deutschland sind Tiir und Tor ge6ffnet, nachdem die Grenzen ge6ffnet sind.

Es sei mir abschliel~end gestattet, thesenhaft einige Gedanken zu ~iut~ern, wie ich 6kologiegerechte Landwirtschaft aus Sicht des Naturschutzes sehe: - Einfiihrung marktwirtschaftlicher Prinzipien, gleiche Chaucen und Entwicklungsbedin-

gungen fiir aile, auch wieder private, Eigentumsformen landwirtschaftlicher Betriebe, - Abbau von Subventionen fiir Energie, fiir Nahrungsmittel und ~iir Agrochemikalien, - Ertragskonzeptionen, die keinen Maximalertrag fordern, sondern einen Optimalertrag

je Fl~icheneinheit anstreben, wobei sich das Optimum nicht nut auf agrarische Produkte beziehen, sondern am gesamtgesellschaftlichen Nutzen (einschliei~lich des Wertes fiir den Naturschutz) orientieren sollte,

- standortangepa1"~te Methoden der Pflanzenproduktion, die das natC~rliche Ertragspo- tenti,'d des Standortes optimal ausnutzen, die Bodenfruchtbarkeit erhalten oder erh6hen und negative Auswirkungen auf Grund- und Oberfl~ichenwasser, Biotop- und Arten- vielfalt der Agrarlandschaft sowie auf benachbarte Okosysteme verhindern,

Landv.,'irtschaft und Naturschutz in der DDR 399

- R e d u z i e r u n g der konzentrierten TierbestS.nde der Grof~anlagen, Einf(ihrung neuer Strategien artgerechter und umweltschonender Tierhaltung, dabei wieder Zusammen- fiihrung yon Pflanzen- und Tierproduktion,

- Umweltvertriiglichkeitspriifungen und Umweltvorsorge-Prinzlp sind durchzusetzen, -F6rderung des 6kologischen Landbaus (zur Arbeitsgemeinschaft f~r 6koiogischen

Landbau ,,GSa = geh6ren zur Zeit 90 Mitglieder), Subventionierung yon Beispielsbe- trieben,

- Reduzierung des Einsatzes yon Agrochemikalien, er muf~ zeit- und bedarfsgerecht, maximal produktionswirksam und minimal umweltbelastend erfolgen, QualitS.t der Wirkstoffe und Technologic der Ausbringung mfssen verbessert werden,

- Landschaftsplanung, Orts- und Flurgestaltung m(issen 6kologisch ausgerichtet sein, die Verwirklichung der produktiven und der Mehrfachfunktion der Agrarlandschaft daft nicht zu Lasten der protektiven t, nd rekreativen Funktionen erfolgen,

- Erhaltung oder Wiederherstellung einer VielzahI und Vielfalt yon Landschaftselementen als 6kologische Nischen und Bausteine in einem Biotopverbundsystem sind Vorausset- zung for 6kologisch vielgestaltige und artenreiche Agrarlandschaften mit hohem landes- kulmrellem und sozialem Weft,

- Fl~ichendeckende Biotop- und Artenkartierungen in den Agrarfluren zur Erfassung naturschutzrelevanter Objekte und gef~.hrdeter Arten, Einleitung erforderlicher Schutz- maf~nahmen, Erhaltung aller schutzw6rdigen Biotope,

- Absicherung yon Pflegemal~nahmen zur Erhaltung artenreicher und gef~ihrdeter Okosy- sterne und Arten, blol~e Fl~ichenstillegungen (ohne oder mit Schutzstatus) sind in der Rege[ fiir den Naturschutz wertlos oder nur yon begrenzter Bedeutung,

- Extensivlerung yon landwirtschaftiichen NutzflS.chen stellt ein brauchbares Mittel zur Erreichung yon Naturschutzzielstellungen dar, extensiv bewirtschaftete Randbereiche yon Acker- und Graslandfl~ichen und Pufferzonen um Naturschutzgebiete erf611en wertvolle Funktlonen im Biotop- und Artenschutz,

- Subventionen fiir landwirtschaftliche Bewirtschaftung yon Schutzgebieten und 6kolo- gisch bedeutsamen Extensivfl~chen,

- Ump,ofilierung von Meliorationsbetrieben zu Betrieben f(ir Landschaftspflege und Naturschutz,

- AufklS.rung der Bauern und Landbewohner 6ber Einheit yon Nutzung und Schutz, fiber Okologie ais Langzeit6konomie. Es mug jedem Landnutzer bewutk sein, daf~ nut gesunde Landschaften und gesunde Erzeugnisse die Gesundheit des Mensehen erhalten.

Z u s a m m e n f a s s u n g

In der DDR entwickelten sich Landwirtschaft und Naturschutz zunehmend zu einem Spannungsfeld. Einseltig auf Produktlonssteigerung orientierte. Intcnsivierungsmai~nahmen der Landwlrtschaft f6hr- ten zur Vernichtung und GefS.hrdung yon Okosystemen der Agrarfluren, darunter artenreicher,

�9 durch frOhere landwirtschaftliche Nutzungsformen'entstandener oder gef6rderter Okosysteme. Bio- topverlust, -zerst6rung und -wandel durch VerS.nderung der..Standortsbedingungen und Nutzungs- weisen sowie direkte Eingriffe in die Artenstruktur yon Okosystemen bedingten einen solchen Artenschwund bzw. -rdckgang, dal~ &e Landwn'tschaft an erster Stelle unter den Verursachern der Gef~ihrdung von Pflanzen- und Tierarten stehr. Aus der Darstellung der Entwicklung der Landwirt- schai:t in der DDR ~eht hervor, dal] sict: foIgende Intensivierungswege in der J{ra der ~indusn'iem~igi- gen Produktionsmeihoden" nach der KollektMerung besonders negativ auf die Landschaft und ihre Naturausstattung auswirkten: - uneingeschr~inkte F6rderung des Meliorationswesens mit grogr~iumigen, teiiweise unsachgem:iL~en,

meist 5kologische Gesichtspunkte mit~achtenden Flurneugestaltungen, Flur- und Hydromeliora- tioneI1,

- steigender Mechanisierungsgrad, besonders Einsatz schwerer Technikkomplexe und Transporffahr- zeuge auf grol~en SchlS.gen und Schlageinheiten,

- zunehmende Chemisierung dutch Einsatz yon minera]ischen Dfingemitteln und Bioziden. Zur NiveUierung und Uniformierung der Landschaft, damit abet auch zum R~ickgang und zur

400 P. A. Schmidt

Gefiihrdung yon t3kosystemen und Arten sowie zu Einbut~en /Skologischer Leistungsffihigkeit und soziaIer Wirkungen der Agrartandschaft trugen vet allem bet: - Reliefmeliorationen, - Rodung yon Hecken, Gebiischen, Feld- und Ufergeh6]zen, Alleen, Streuobstbest~inden, - Beseitigung yon Standgew~issern, Nail- und Feuchtstellen (z. B. S611e), - Begradigung und Verrohrung yon B~ichen und GrSiben,

Vergr6flerung der Einze[schl~ige bis fiber 300 ha. Am Beispiel der Grasfluren (hinsichttich der Anzahl gefS.hrdeter Phytoz6nosen und Pflanzenarten am stS.rksten bedrohte Vegetarionsformation der DDR) und AckerwildkrS.uter werden die Problematik des Riiekganges und der Gef~ihrdung yon (=)kosystemen und Arten durch die landwirtschaftliche Nutzung dargestellt sowie Mafinailmen ihrer Erhaltung diskutiert.

In den letzten Jahren waren Bem/.ihungen spiirbar, eine mehr ,,6kologiegerechte lntensivierung" anzustreben, davon zeugen u. a. - Ubergang zu reduzierten und mehr standortangepafiten SchlagFr6t~;en,

verst~irkter Flurholzanbau (leider oft mit nicht standortgem~iben und/oder fremdl2indischen Ge- h61zen),

- zunehmcndes Interesse der Landwirtschaftsbetriebe an Flurgestaltungskonzeptionen u. a. Diese AnsS.rze sind positiv zu bewerten. Okologiegerechte Landwirtschaff erfordert aber weir melir. Ziel muff die Erhaltung bzw. Wiederherstellung reich strukturierter, 6kologisch und biotisch mannJg- faltiger, stabiler und nachhaltig produktiver Agrarlandschaften seth, damit werden auch Vorausset- zungen tiir sinnvol]en und wirksamen Naturschutz geschaffen. Dazu werden veto Autor Vorschl5ge unterbreitet, u.a. Einf{ihrung markrwirtschaftlicher Prinzipien (abrupte und uneingeschrf.nkte Marktwlrtschaft wird abet zu Lasten des Naturschutzes gehen), Subventionsabbau, standortange- pat]re Methoden der Pflanzenprdduktion, Reduzierung der konzentrierten Tierbest~inde und Zusam- menf/ihrune yon Pflanzen- und Tiemroduktion F~irderung des 6kologischen Landbaus Reduzierung des Einsatzes yon Agrochemikatien, Umprolilierung der Melioratmnsbemebe zu Betnebcn fiir LandschaiCtspflege un~ Naturschutz in der Agrarlandschaft, Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzf]~ichen, Landschaftspianung, flSichendeckende Biotop- und Artenkartierung, Pflegeprogramme und Sehu:zstrategien, Autkl~irung der Bauern und anderen Landnutzer.

S u m m a r y

Farming and nature conservation in the German Democratic Republic

Tension between farming and nature conservation in the GDR has increased steadily as time went on. Intensification of farming, lopsidedly oriented towards production increases, brought abuut the destrue6on el: and endangerement to ecosystems of the rural countryside. Among them were such with great species diversity which had been created or favored by former farming methods. Besides the loss, destruction, and change of biotopes caused by changing site conditions and production methods, direct encroachment on species structure of ecosystems occurred. AI! this has caused species to disappear or decrease in numbers to an extent that farming may be considered as the main factor contributing to the endangerement of plant and animal species. Description of the development of farming and its production methods in the GDR show that the following intensification measures during the era of "industry-lilie production methods" that followed the inauguration of collective farming had an especially negative effect on countryside and natural scenery: - unrestrained promotion of ameliorative practices with large-scale, in part ~lmproper modification of

the open countwside and I'requently giving no consideration to ecological principles, together with arable-land and hydro ameliorations;

- increasing mechanization, especially use of heavy harvesting and transportatim~ equipment on large parcels of land and large production units;

- increasing use of chemicaJs, i.e. of commereiaJ fertilizers and pesticides. Contributing to a monotonous look of the countryside, and tlnusly also to the disappearance and endangerement of ecosystems and species, to the loss of ecological efficiency and social effects of the rural scene W were especially

- relief ameliorations; - clearing of hedges; removal of tree groves bordering cropland and streams, tree rows along roads,

and scattered single fruit trees on meadows; - doing away with bodies of standing ware, and small wet areas (e.g. S611e); - channelization and piping of creeks and ditches; - increase of single production units up to more than 300 hectares�9 Grasslands (which, in respect to endangered phytozoenoses and species, are the most endangered plant ecosystems in the GDR) and wild plant species on croplands are used as an example to illustrate the problem of the disappearance and endangerement o~ ecosystems and species caused by such farming methods; means for their conservation are discussed.

Landwirtschaft und Naturschutz in der DDR 401

During recent years efforts towards more %cologically-geared intensification" could be detected, for example

- transition to smaller and more site-oriented production units; - increased plantingof tree groves bordering croplands (unfortunately quite often with woody plants

not suitable for the particular site, and/or none-native species); - increasing interest ot agricultural enterprises in landscape design concepts, etc. These are ositive a roaches Ecolo,,ically-,,eared farmin~ however re uires more The ob'ective P "PP " ~ "~ '~ ~' o , q �9 3 has to be conservation and restoration of hi.,hly diversified ecol%ically and bioticlv multi-structural, stable, and sustained-yield rural countrysides. In this way, also the prerequisites for sensible and effective nature conservation are created. Suggestions to achieve this objective are brought forth by the author; such are: introduction of market-oriented principles (abrupt and non-restrictive free-market economics, however, will encroach on nature conservation); doing away with government subsidies; site-adapted plantproduction methods; reduction of livestock concentrations, and integration of crop and livestock production; promotion of ecological farming methods; reduced use of agrochemicals; profile change of amelioration management :o such of landscape management and nature conservation in the rural countryside; more extensive use of farmland; landscape amenity planning; large-scale biotope and species'mapping; tending programs and protection strategies; broad information aimed at farmers and others living in rural areas.

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Anschrlft des Verjassers: Prof. Dr. sc. PETE.~ A. SCHMIDT, Sektion Forstwirtschaft der TU Dresden, Bereich Waldbatl/Forstschutz, Lehrstuhl fiir Landeskultur und Natur- schutz, 0-8223 Tharandt, Bundesrepublik Deutschland