9
Tarnung aufgeflogen Deutsche Neonazis organisieren «Combat and Survi-  val»-Ausbildungscamps. Mit dabei ein Fahrzeug mit Schweizer Militärkennzeichen. Seite 2 Rassismus und Neofaschismus in Russland «Wir sitzen in einem brennenden Boot, und niemand  weiss, ob es langsam oder rasant sinken wird oder  wir in der Lage sein werden, es zu retten», sagt Vera Kirsanova zur Situation in Russland. Jahresrückblick 2007 Die rechtsextreme Szene stagniert, so die Bundespo- lizei, auf «hohem Niveau» – kein Grund zur Beruhi- gung, wie etwa der skrupellose Anschlag auf das An- tifaschistische Festival in Bern zeigt.  Lieber Leserinnen und Leser  Das Schweizer Fernsehen DRS zeigte in der  Nachlese des 6. Oktobers 2007 einen  Bericht über Rechtsextreme, die unter der  Flagge der SVP an der Kürzestdemo mit- mar schie rten. Auf die Frag e, was sie vom linken Widerstand gegen den «Marsch auf  Bern» halten, antworteten die Neonazis:  «Die sollte man an die Wand stellen und erschiessen». Ein Kommentar, der nicht ein- schüchtern darf, aber aufrütteln muss.  Dass Rechtsextreme gerne mit Waffen han- tieren ist kein Zufall, sondern bereits in deren Weltbild angelegt. Wer von der Über- legenheit des Stärkeren überzeugt ist, der ist vielfach auch davon fasziniert diese «Stärke» mit Waffengewalt durchzusetzen. Diese  Faszination reicht von der Verherrlichung militärischer Einrichtungen bis hin zum eigenen Griff zu W affe. Vielfac h in erster  Linie zur Selbstdarstellung. Sich mit Schusswaffen abzubilden ist in der extremen  Rechten äusserst beliebt. Beispielsweise in dem man das eigene Schiesstraining filmt und ins Netz stellt. So geschehen vor wenigen Wochen, als ein Video der Gruppe Nationale-socialiste Suis- se (NNS) auf Y ouTu be auftauchte . Darin ballert ein junger Mann mit Sturmhaube und H andfeuerwaffe auf die Sch iessscheibe eines Schützenkellers. Unterlegt wurde der Videoclip mit Rechtsock-Klängen und eingeblendeten Nazi-Symbolen.  Das aktuelle Lautstark! geht der Frage nach, woher diese «Waffenliebe» in der extremen  Rechten kommt und wohin sie führen kann. Viel Spass beim Lesen!  Eure Antifa Antifa Bern Postfach 5053 3001 Bern [email protected] www.antifa.ch Editorial 15 Juli 2008 Waffen und Rechtsextremismus – das passt irgendwie zusam- men. Diese unheilige Allianz zwischen Mensch und Maschine tritt in verschiedenster Form in Erscheinung. Manchmal in  Liedtexten von Rechtsrock- Bands, manchmal bei Tötungs- delikten. Wir haben die gesamte Bandbreite des Waffenfetischs abgeklappert und uns Gedan- ken zum Hintergrund der rechtsextremen Waffenliebe  gemacht. Das Posieren mit Waffen scheint den eigenen Marktwert von Rechtsextre- men zu steigern, wie ein Blick in ein- schlägige Kontaktbörsen verrät. Erst mit der Waffe ist man ein ganzer Mann, so die Bildmessage. Einige werben vermummt und mit nacktem Oberkörper für ihre Gunst bei der rechtsgesinnten Weiblichkeit. Ande- ren bauen sich Waffenaltare mitten im Wald und stellen sich davor als eiserne Ritter mit White-Power -Flag- ge, ganz im Stile von «The Lord of the Rings». Daneben entdecken wir in diesen Internetforen auch immer wieder die Knarre-Wampe-Pit-Bull- Posen. Ohne Waffe fühlen sich diese rechtsextremen Männer offensicht- lich nicht attraktiv genug. Aber hinter dieser Freude an Waffen verbirgt sich mehr als mangelndes Ego. Die Liebe zur Waffe führt uns zum Kern der rechtsextrem en Ideologie, deren Ziel letztlich die (gewaltsame) Zerstörung von allem, was «fremd und anders» ist. Der Wunsch nach Zerstörung von dem, was nicht in die Norm- und Ordnungsvorstellungen dieser Men- schen passt. Und zum Zerstören eig- nen sich Waffen vorzüglich. Die Waffe in der Hand Die Liebe zur Waffe äussert sich in rechtsextrem en Kreisen auf verschie- dene Art und Weise. Wie bereits bei den Kontaktbörsen festgestellt, sind Waffen ein beliebtes Accessoire zur Selbstinszenierung. Auch in Fanzines, auf CD-Covers, in Katalogen rechts- extremer Klamottenversände und in einschlägigen Flugblättern sind Waf- fen ein beliebtes Sujet. Sie sind die stetigen Begleiter von darin porträ- tierten Menschen und Figuren. Vie- lerorts präsentieren sich Rechtsextre- me mit Sturmgewehren, mit Base- ballschlägern oder antiken Waffen. Auch in Rechtsrock-Liedern wird die Liaison mit diesen Mordinstrumen- ten besungen. Beispielsweise im Lied «Eidgenosse Harus» des Schweizer Liedermacher-Duos «Die Eidgenos- sen»: «Schlagt die Trommel, schwingt die Fahnen, holt aus den Gräbern die streitbaren Ahnen. Richtet die Waffen zum heiligen Krieg, weckt den Ruf, der zu lange schon schwieg», singen Sacha Kunz und Marco Schwarz mit weinerlicher Stimme – und sie folgen damit einem Trend. Der (Alp-)Traum vom bewaff- neten Kampf, Seite an Seite mit den ominösen Ahnen, erfreut sich in die- sen Kreisen grosser Beliebtheit. Ger- ne werden auch Soldaten abgebildet. Der Hang zur Verherrlichung ver- gangener Kriege und verbrecheri- scher «Kriegshelden», vornehmlich aus NS-Streitkräften, ist augenfällig und spricht allein schon Bände. Die Waffe an der Wand Der Schritt von Waffendarstellungen zur eigenen Waffe ist nahe liegend. So steigert der Besitz von Waffen of- fensichtlich den eigenen Marktwert in der Szene. Es wird eifrig gesam- melt, weiterverkauft und damit rum- posiert. Bereits 1981 tauchte in der «Schweizer Illustrierte» eine Bilder- reihe des rechtsextremen Waffen- sammlers Peter Saunders auf. Das Mitglied der damaligen Zürcher Kameradschaft «Adlerhorst» posier- te mit Hitlergruss vor seinen Waffen und Nazi-Devotalien. Nicht nur recherchier ende JournalistInnen wer- den gelegentlich fündig, auch die Polizei hebt in regelmässigen Abstän- den Waffensammlungen von Neona- zis aus. Etwa im Februar 2005, als im Umfeld der Kameradschaft «Helveti- sche Jugend», die im Oberaargau und im ländlichen Luzern beheima- tet ist, ein ganzes Waffenarsenal sichergestellt wurde. Neben Schrot- flinte und El ektroschockgerät wurden auch Teile von Armeegranaten gefunden. Ein vergleichbarer Waffen- fund ereignete sich im Dezember 2007, als bei einer Gruppe von Re chtse xtre men aus Genf neben Nazi-Propaganda auch Waffen und Munition sichergestellt worden sind. Die Gruppe war Ende 2007 wegen Raubüberfällen ins Visier der Polizei geraten. Ein etwas anderes Tummelfeld für rechtsextreme und andere Waffen- liebhaber sind die vom Departement für V erteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) inszenierten «Volk meets Army»-Anlässen, angefangen bei Flugshows bis hin zu Armeemate- rial-Ausschussbörsen. Dort wo es Tarnanzüge , Waffen und ausrangier- te Armeefahrzeuge zu kaufen gibt, treffen sich Armee-Fetischisten zum gemeinsamen Shopping. Unter ihnen ist immer wieder eine stattliche Anzahl von Neonazis anzutreffen. Bei solchen Gelegenheiten werden die Waffen- und Armeematerial- Sammlungen erweitert und ausge- baut. Und wenn sich dort das Richti- ge nicht findet, suchen sich die rechtsextremen Waffensammler ihre Liebhaberstücke in Läden oder ein- schlägigen Internet-Tauschbörsen zusammen. So auch Thomas Wer- melinger , ein langjähriges Hammers- kin-Mitglied aus der Innerschweiz, der gerne au ch auf dem öffe ntlich en Internetportal «waffen.ch» Ausschau nach gesuchten Schiesseisen hielt. Bewaffnet fürs «Vaterland» Die Affinität der Rechtsextr emen zur (Schuss-)Waffe hat aber noch viel Rechtsextreme Waffenliebe im Visier Die Symbiose zwischen Unmenschlichkeit und Maschine SD-Nationalratskandidat Roland Wagner beim Schiesstraning mit Neonazis aus Deutschland Seite 7 Seite 5

Lautstark! #15 / Juli 2008

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 1/8

Tarnung aufgeflogen

Deutsche Neonazis organisieren «Combat and Survi- val»-Ausbildungscamps. Mit dabei ein Fahrzeug mitSchweizer Militärkennzeichen.

Seite 2

Rassismus und Neofaschismus in Russland

«Wir sitzen in einem brennenden Boot, und niemand weiss, ob es langsam oder rasant sinken wird oder wir in der Lage sein werden, es zu retten», sagt VeraKirsanova zur Situation in Russland.

Jahresrückblick 2007

Die rechtsextreme Szene stagniert, so die Bundespo-lizei, auf «hohem Niveau» – kein Grund zur Beruhi-gung, wie etwa der skrupellose Anschlag auf das An-tifaschistische Festival in Bern zeigt.

 Lieber Leserinnen und Leser 

 Das Schweizer Fernsehen DRS zeigte in der   Nachlese des 6. Oktobers 2007 einen  Bericht über Rechtsextreme, die unter der  Flagge der SVP an der Kürzestdemo mit-marschierten. Auf die Frage, was sie vomlinken Widerstand gegen den «Marsch auf   Bern» halten, antworteten die Neonazis:  «Die sollte man an die Wand stellen und erschiessen». Ein Kommentar, der nicht ein-schüchtern darf, aber aufrütteln muss.

 Dass Rechtsextreme gerne mit Waffen han-tieren ist kein Zufall, sondern bereits inderen Weltbild angelegt. Wer von der Über-legenheit des Stärkeren überzeugt ist, der ist vielfach auch davon fasziniert diese «Stärke» mit Waffengewalt durchzusetzen. Diese  Faszination reicht von der Verherrlichung militärischer Einrichtungen bis hin zumeigenen Griff zu Waffe. Vielfach in erster   Linie zur Selbstdarstellung. Sich mit Schusswaffen abzubilden ist in der extremen  Rechten äusserst beliebt. Beispielsweise indem man das eigene Schiesstraining filmt und ins Netz stellt.

So geschehen vor wenigen Wochen, als einVideo der Gruppe Nationale-socialiste Suis-se (NNS) auf YouTube auftauchte. Darin

ballert ein junger Mann mit Sturmhaubeund Handfeuerwaffe auf die Schiessscheibeeines Schützenkellers. Unterlegt wurde der Videoclip mit Rechtsock-Klängenund eingeblendeten Nazi-Symbolen.

 Das aktuelle Lautstark! geht der Frage nach,woher diese «Waffenliebe» in der extremen Rechten kommt und wohin sie führen kann.

Viel Spass beim Lesen!  Eure Antifa

Antifa Bern

Postfach 5053

3001 Bern

[email protected]

www.antifa.ch

Editorial

15

Juli 2008

Waffen und Rechtsextremismus– das passt irgendwie zusam- men. Diese unheilige Allianzzwischen Mensch und Maschinetritt in verschiedenster Form inErscheinung. Manchmal in

  Liedtexten von Rechtsrock- Bands, manchmal bei Tötungs- delikten. Wir haben die gesamteBandbreite des Waffenfetischsabgeklappert und uns Gedan- ken zum Hintergrund der rechtsextremen Waffenliebe

 gemacht.

Das Posieren mit Waffen scheint den

eigenen Marktwert von Rechtsextre-men zu steigern, wie ein Blick in ein-schlägige Kontaktbörsen verrät. Erstmit der Waffe ist man ein ganzerMann, so die Bildmessage. Einigewerben vermummt und mit nacktemOberkörper für ihre Gunst bei derrechtsgesinnten Weiblichkeit. Ande-ren bauen sich Waffenaltare mittenim Wald und stellen sich davor alseiserne Ritter mit White-Power-Flag-ge, ganz im Stile von «The Lord of the Rings». Daneben entdecken wirin diesen Internetforen auch immerwieder die Knarre-Wampe-Pit-Bull-Posen. Ohne Waffe fühlen sich dieserechtsextremen Männer offensicht-lich nicht attraktiv genug. Aber hinter

dieser Freude an Waffen verbirgt sichmehr als mangelndes Ego. Die Liebezur Waffe führt uns zum Kern derrechtsextremen Ideologie, deren Zielletztlich die (gewaltsame) Zerstörung von allem, was «fremd und anders»ist. Der Wunsch nach Zerstörung vondem, was nicht in die Norm- undOrdnungsvorstellungen dieser Men-schen passt. Und zum Zerstören eig-nen sich Waffen vorzüglich.

Die Waffe in der Hand

Die Liebe zur Waffe äussert sich inrechtsextremen Kreisen auf verschie-dene Art und Weise. Wie bereits beiden Kontaktbörsen festgestellt, sindWaffen ein beliebtes Accessoire zurSelbstinszenierung. Auch in Fanzines,auf CD-Covers, in Katalogen rechts-extremer Klamottenversände und ineinschlägigen Flugblättern sind Waf-fen ein beliebtes Sujet. Sie sind diestetigen Begleiter von darin porträ-tierten Menschen und Figuren. Vie-lerorts präsentieren sich Rechtsextre-

me mit Sturmgewehren, mit Base-ballschlägern oder antiken Waffen.Auch in Rechtsrock-Liedern wird dieLiaison mit diesen Mordinstrumen-ten besungen. Beispielsweise im Lied«Eidgenosse Harus» des SchweizerLiedermacher-Duos «Die Eidgenos-sen»: «Schlagt die Trommel,schwingt die Fahnen, holt aus denGräbern die streitbaren Ahnen.Richtet die Waffen zum heiligenKrieg, weckt den Ruf, der zu langeschon schwieg», singen Sacha Kunzund Marco Schwarz mit weinerlicherStimme – und sie folgen damit einemTrend. Der (Alp-)Traum vom bewaff-

neten Kampf, Seite an Seite mit den

ominösen Ahnen, erfreut sich in die-sen Kreisen grosser Beliebtheit. Ger-ne werden auch Soldaten abgebildet.Der Hang zur Verherrlichung ver-gangener Kriege und verbrecheri-scher «Kriegshelden», vornehmlichaus NS-Streitkräften, ist augenfällig und spricht allein schon Bände.

Die Waffe an der Wand

Der Schritt von Waffendarstellungenzur eigenen Waffe ist nahe liegend.So steigert der Besitz von Waffen of-fensichtlich den eigenen Marktwert

in der Szene. Es wird eifrig gesam-melt, weiterverkauft und damit rum-posiert. Bereits 1981 tauchte in der«Schweizer Illustrierte» eine Bilder-reihe des rechtsextremen Waffen-sammlers Peter Saunders auf. DasMitglied der damaligen ZürcherKameradschaft «Adlerhorst» posier-te mit Hitlergruss vor seinen Waffenund Nazi-Devotalien. Nicht nurrecherchierende JournalistInnen wer-den gelegentlich fündig, auch diePolizei hebt in regelmässigen Abstän-den Waffensammlungen von Neona-zis aus. Etwa im Februar 2005, als imUmfeld der Kameradschaft «Helveti-

sche Jugend», die im Oberaargau

und im ländlichen Luzern beheima-tet ist, ein ganzes Waffenarsenalsichergestellt wurde. Neben Schrot-flinte und Elektroschockgerät wurdenauch Teile von Armeegranatengefunden. Ein vergleichbarer Waffen-fund ereignete sich im Dezember2007, als bei einer Gruppe vonRechtsextremen aus Genf nebenNazi-Propaganda auch Waffen undMunition sichergestellt worden sind.Die Gruppe war Ende 2007 wegenRaubüberfällen ins Visier der Polizeigeraten.Ein etwas anderes Tummelfeld für

rechtsextreme und andere Waffen-liebhaber sind die vom Departementfür Verteidigung, Bevölkerungsschutzund Sport (VBS) inszenierten «Volkmeets Army»-Anlässen, angefangenbei Flugshows bis hin zu Armeemate-rial-Ausschussbörsen. Dort wo esTarnanzüge, Waffen und ausrangier-te Armeefahrzeuge zu kaufen gibt,treffen sich Armee-Fetischisten zumgemeinsamen Shopping. Unter ihnenist immer wieder eine stattlicheAnzahl von Neonazis anzutreffen.Bei solchen Gelegenheiten werdendie Waffen- und Armeematerial-Sammlungen erweitert und ausge-

baut. Und wenn sich dort das Richti-

ge nicht findet, suchen sich dierechtsextremen Waffensammler ihreLiebhaberstücke in Läden oder ein-schlägigen Internet-Tauschbörsenzusammen. So auch Thomas Wer-melinger, ein langjähriges Hammers-kin-Mitglied aus der Innerschweiz,der gerne auch auf dem öffentlichenInternetportal «waffen.ch» Ausschaunach gesuchten Schiesseisen hielt.

Bewaffnet fürs «Vaterland»

Die Affinität der Rechtsextremen zur(Schuss-)Waffe hat aber noch viel

Rechtsextreme Waffenliebe im VisierDie Symbiose zwischen Unmenschlichkeit und Maschine

SD-Nationalratskandidat Roland Wagner beim Schiesstraning mit Neonazis aus Deutschland

Seite 7Seite 5

Page 2: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 2/8

(Abgrenzungs-)Problem zu rechtsex-tremen Aspiranten hat, ist keinNovum. Doch wie gelangt einSchweizer Militärfahrzeug auf einFoto, das einen «Combat & Survi-val»-Lehrgang dokumentiert, der vonFührungspersönlichkeiten aus demdeutschen «Blood & Honour»-Zirkelangeboten wurde?

  Da hilft auch kein Tarnanzug: Die Schweiz wurde im vergange- nen Jahr Schauplatz von «Com- bat and Survival»-Ausbildung- scamps, organisiert von deut- schen Neonazis. Mit dabei einFahrzeug mit Schweizer Militär- kennzeichen.

Es scheint, als haben deutsche Neo-nazis im Bedürfnis nach Abenteuerund Schlammrobben einen lukrati-ven Erwerbszweig entdeckt, wie das

Antifaschistische Infoblatt im Spät-sommer 2007 enthüllte (AIB 3.2007).Sie betreiben Handel mit Militäraus-rüstungen und bieten Scharfschüt-zenausbildung, Kampfsport- undÜberlebenstrainings an – alles profes-sionell und in legalem Rahmen. Auf ihrer Webseite werben die «Blood &Honour»-Aktivisten mit Bildern vonMännern beim Schiesstraining inTarnanzügen. Weitere Fotos zeigenKämpfer, als Laubbäume undBüsche verkleidet, auf Undercover-Mission – ein visuelles Highlight.

Doch nicht nur der Umstand, dassdiese paramilitärisch anmutendenAbenteuercamps von Rechtsextre-men geleitet werden, ist brisant: EinBilderordner auf der Internetseitefichierte Trainings in der Schweiz. Ineiner Szenerie posiert eine GruppeMänner in Militäruniform um einFahrzeug mit Schweizer Armeekenn-zeichen und lädt Material für dienächste Übung aus.

Strategischer Rückzug?

Mitte August 2007, kurz nach demdie deutsche Zeitschrift AIB führendePersonen der «Combat & SurvialSchool» unter die Lupe genommenhat und die Verbindungen zur«Blood & Honour»-Szene publikmachte, verschwanden alle Namenund Kontaktadressen von der Home-page. Die Internetseite wurde kom-plett überarbeitet und auf ein Mini-mum an Informationen zurückge-

stutzt. Zufall? Oder wurde den Orga-nisatorInnen die Angelegenheit zuheiss?

 Jedenfalls herrscht seither Brachland-Stimmung auf der Seite. ZukünftigeCampdaten werden nicht mehr ver-öffentlicht, und dem Gästebuch feh-len jegliche Einträge. Auch die aus-führlich dokumentierende Fotoseitezu den verschiedenen Lehrgängen istverschwunden, womit auch die Bil-der von «Combat & Survival»-Camps in der Schweiz nicht mehreindeutig als solche markiert sind.Alles erscheint sehr konspirativ,weder unter dem Link «Ausbildner»noch «Kontakt» wird man schlauer.Alle Kontaktadressen sind ver-schwunden, und auch das Auto mitdem Schweizer Militärkennzeichenist nicht mehr auf Anhieb zu finden.

 Von Neonazis instruiert

Wer steckt hinter den Organisatoren

und Ausbildnern der «Combat &Survial School» und «Warrior Survi-val School» mit ihren paramilitäri-schen Zügen? Als Trainer werdenPersonen aus dem Neonazi-Milieuangepriesen, die auch im Zusam-menhang mit NPD-Aufmärschenoder freien Kameradschaften aufge-fallen sind.

Einer der genannten Ausbildner istHannes Knoch, ein bekannter«Blood & Honour»-Aktivist aus

Deutschland. Im März 2008 wurdeer zusammen mit sechs weiteren Per-sonen für die Weiterführung der inDeutschland verbotenen Organisati-on verurteilt. Neben einem Tattoo-studio («Bulletproof-Tattooing») daser mit seinem ebenfalls zu einerGeldstrafe verbrummten KumpelHannes Franke führt, betreibt ereinen Online-Shop für Militärausrü-stung mit elitärem Anspruch. Knochprofitiert von seinem weitläufigenKontaktnetz und übernimmt eineScharnierfunktion zwischen der Neo-naziszene und dem Kampfsport-Milieu.

Die Durchführung von Trainings-camps durch externe Firmen, die vonder Schweizer Armee ideell und wohlauch materiell unterstützt werden, istgang und gäbe. Sie fungieren auf derHomepage des Departements fürVerteidigung Bevölkerungsschutzund Sport (VBS). Auch die Tatsache,dass das Militär ein zunehmendes

Schwerpunkt

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 2 – 

brutalere Gesichter. Immer wieder

kommt es vor, dass Rechtsextremeauch Schüsse aus ihren Waffenabfeuern. Häufig als Hobby-Schüt-zen in Schützenvereinen – quasi ingeschütztem Rahmen. Roland Wag-ner, ein Neonazi, der im Herbst 2007als SD-Mann für den Nationalratkandidierte, lud zu solchen Schiess-übungen sogar befreundete Neonazis

aus Deutschland ein. Das gemeinsa-

me Training am Schweizer Armee-sturmgewehr wurde im August 2007von Antifas gefilmt und publikgemacht. Aber Wagner ist nur einExempel unter vielen. Dass Rechts-extreme in Schweizer Schützenverei-nen den Umgang mit Waffe üben, istein alarmierender Tatbestand.Und manchmal wird aus «Übung»

Ernst. In der Nacht vom 10. auf den11. Juli 2000 feuerte ein Rechtsextre-mer rund 110 Schüsse auf das vonHausbesetzerInnen bewohnte Solter-mann-Fabrikareal im Berner Marzili-Quartier ab. Die Schützen beschaff-ten sich ihre Munition und eine derTatwaffen beim SchiessstandSchliern-Platten, wo einer der Täterim Schützenverein aktiv war. Danachfuhren sie mitten in der Nacht zurlinken Wohngemeinschaft und baller-ten mit Serienfeuer auf das Gebäude,in welchem sich fünf BewohnerInnenaufhielten. Dass niemand von diesenim Kugelhagel getötet oder verletztwurde, grenzte an ein Wunder. Nachihrer Verhaftung gaben die Täter alsTatmotiv «Abneigung gegen Linke»an. «Wir können sie ja gleich umle-gen, statt nur zu verklopfen», dies dieAussage des damals 20-JährigenRechtsextremen und aktiven Jung-schützen. Der jüngste Schusswaffen-vorfall auf politische Gegner ereigne-

te sich vor drei Jahren am Bahnhof inThun. Damals feuerte ein stadtbe-kannter Thuner Neonazi mehrereSchüsse auf einen linken Jugendli-chen ab. Das Opfer erlitt einen Ober-schenkeldurchschuss, die anderenProjektile verfehlten glücklicherweiseihr Ziel.

Rechtsextrem + Waffe = Über-legenheit?

Waffen und Gewalt scheinen zumin-dest in gewissen Kreisen der extre-men Rechten ein wichtiger Bestand-teil der eigenen Identität zu sein. Die-se wird in verschiedener Form ausge-lebt: Angefangen bei der inflationä-ren Darstellung von Menschen mitWaffen bis hin zu Mordversuchenmit solchen. Dass sich Unmensch-lichkeit gut mit der Liebe zuTötungsinstrumenten verbindenlässt, ist nahe liegend.

Weshalb aber sind Waffen so faszinie-rend für Neonazis? Mit der Waffe inder Hand werden verschiedeneGefühle befriedigt: Technikfreudeund Machismus, Gewaltgelüste unddas Gefühl, in einer überlegenenPosition zu sein. Der Glaube an dieeigene Überlegenheit wird imRechtsextremismus durch das Recht

des Stärkeren begründet. In dieserLogik gelten Menschen, die physischstärker sind, als etwas Besseres unddürfen deshalb über «minderwerti-ge» Menschen verfügen. Und damitdiese Logik auch wirklich aufgeht,hilft man der eigenen «Stärke» mitkleineren und grösseren Waffen ganzunbescheiden nach. Mit der Waffe

wird also die eigene Wehrfähigkeitund physische Stärke demonstriert.Zwei Eigenschaften, die insbesonderefür das Männerideal in der extremenRechten grundlegend sind. Schliess-lich ist die Vorstellung vom Kampf für die Heimat und die «weisse Ras-se» in diesen Kreisen wegleitend.Sich selber sehen sie als eine ArtKrieger.

Die Tatsache, dass Rechtsextremeüber Waffen verfügen und diese auchnutzen, ist bedenklich. Hinzukommt, dass jeder Militärdiensttuen-der ein Sturmgewehr zuhause in derEcke stehen hat. Und das sind heut-zutage, wo psychiatrisches Gutach-ten, Dienstverweigerung und Zivil-dienst als Alternativen bestehen, zueinem grossen Teil rechts(extrem)Gesinnte. Ein erster Schritt wäre,dass diese Waffen in den Zeughäu-sern aufbewahrt würden. Ein zweiterSchritt wäre, dass die Armee, die

Waffen und die Rassisten der Ver-gangenheit angehören würden. Zwi-schen Schritt eins und zwei mussallerdings noch nach einer gangbarenLösung gesucht werden. Waffen nie-der und Nazis ins Zeughaus?

Tarnung aufgeflogenNeonazis ballern und robben mit Schweizer Armeematerial

Schweizer Militärauto mit dem Kennzeichen M 8549

Posen vor White-Power-Flagge

Page 3: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 3/8

Sie heissen «Michigan Militia»,«Arizona Patriots», «Southea- stern Ohio Defense Force», «Big Star One», «Militia of Monta- na» oder «Aryan Nations».Gemeinsam ist ihnen ein kru- der Mix aus bizarren Verschwö- rungsphantasien, militanter 

  Regierungsfeindlichkeit, offe- nem Antisemitismus und dem unerschütterlichen Glauben andie weisse Vorherrschaft. Diesmacht die rechtsradikalen Bür- 

  gerwehrbewegung in den USAauch für Europas extreme Rech- te attraktiv.

Tatort Oklahoma City: Am 19. April1995 explodiert vor dem achtstöcki-gen Alfred P. Murrah Federal Buil-ding ein mit Sprengstoff beladenerLastwagen. Der Sitz mehrerer Regie-rungsbehörden wird durch die Deto-nation nahezu zerstört, 168 Men-schen kommen ums Leben. Die Tra-gödie rückt schlagartig die US-ameri-kanischen Militias ins Licht einerbreiten Öffentlichkeit – obwohl bisheute strittig ist, ob die rechtsgerich-teten Attentäter Timothy McVeighund Terry Nichols tatsächlich Mit-glieder der Milizbewegung gewesensind.

Doch beginnen wir von vorne:Rechtsgerichtete paramilitärischeVerbände haben Tradition in denUSA. Bekannteste Beispiele sind der1865 gegründete rassistischeGeheimbund «Ku-Klux-Klan» (KKK)mit seinem organisierten Terrorgegen Schwarze in den Südstaatenoder die in den 1980er-Jahren vorallem im Mittleren Westen starkeOrganisation «Posse Comitatus»(lateinisch für «Macht der Landkrei-se»), die den Landkreis-Sheriff alsoberste Autorität betrachtete, die hö-heren Instanzen (Bundesstaat- undUS-Regierung) aber als illegitimablehnte.

«Combat and survive»Kräftigen Schwung erhält die vorsich hin dümpelnde Hassgruppen-Bewegung Anfang der 1990er-Jahre,als vielerorts Bürgermilizen insLeben gerufen werden, die sich mitWaffenübungen, Survival-Trainingsin freier Natur, Nahkampf- oderGuerillataktiken, aber auch mit per-manenter Mitgliederwerbung undoffener Aufwiegelei (vor allem imInternet) beschäftigen. Die Initial-zündung für die Renaissance derMilitias geben zwei Ereignisse – dieFestnahme eines «Aryan Nation»-Anhängers, der sich 1992 tagelang ineiner abgelegenen Berghütte im

US-Bundesstaat Idaho verschanzthat, und der blutige Angriff des FBIauf die Psycho-Sekte «Branch Davi-dians» bei Waco, Texas, 1993 – sowieder Versuch des frisch gewählten,demokratischen US-Präsidenten BillClinton, den in der Verfassung veran-kerten Privatbesitz an Schusswaffenzu regulieren. «Waffenkontrolleheisst Volkskontrolle», so der Tenorin der aufkeimenden Militia-Szene.Klammerbemerkung: Clintons «guncontrol»-Politik bleibt zaghaft – 1994lässt er 19 Typen von Semiautoma-tikwaffen auf die schwarze Liste set-zen, Laufzeit der Massnahme: zehn

 Jahre.

Die Milizbewegung wächst unge-mein schnell: Mitte der 1990er-Jahre,dem Höhepunkt der Militias, existie-ren in den USA bereits gut 800 para-militärische Gruppen, verteilt übermindestens 40 Bundesstaaten. DieUS-amerikanische Organisation«Anti-Defamation League of B'naiB'rith» (Liga gegen Diffamierungen)schätzt die Zahl der in den Militiasaktiven Mitglieder 1995 auf rund15'000, während andere Quellen vonbis zu fünf Millionen Militia-Mitglie-dern sprechen. Tatsächlich dürfte derentschlossene harte Kern der Bewe-gung, die eigentlichen gewalttätigen

und aufrührerischen «Kampf»-Mili-zen, zu diesem Zeitpunkt bloss einigetausend Personen zählen. Ungleichgrösser ist aber sein Umfeld: die sogenannt «redenden» Milizen, denenes in erster Linie um den Widerstandgegen Waffenverbotsgesetze odervom Staat erhobene Einkommens-steuern geht und weit weniger umdas Vorantreiben einer christlich-patriotischen Revolution.

 Weites Spektrum

Die Motive der heterogenen Militia-Bewegung decken ein weites Spek-trum von regierungsfeindlichenÜberzeugungen ab, verknüpft mit

religiösem Hass und rassistischerIntoleranz. Der US-amerikanischeTerrorexperte Bruce Hoffman macht2001 in seinem Buch «Terrorismus.Der unerklärte Krieg. Neue Gefah-ren politischer Gewalt» folgende ver-bindende inhaltliche Elemente aus:Feindschaft gegen jede Form derRegierung oberhalb der Kreisebene;Verunglimpfung von Juden undNichtweissen als Kinder Satans; einewahnhafte Besessenheit im Hinblickauf die Durchsetzung einer religiösenund rassischen «Reinigung» der Ver-einigten Staaten; Glaube an eine Ver-schwörungstheorie, wonach mächtige

  jüdische Interessen die Regierung,die Banken und die Medien kontrol-

lieren; Befürwortung des Sturzes derUS-Regierung oder der «ZOG» (Zio-nistische Besatzungsregierung/Zio-nist Occupation Government), wiedie Patriot-/Militia-Gruppen sie dif-famierend nennen – ein Begriff, derauch Eingang ins Vokabular dereuropäischen Neonaziszene gefun-den hat.

Es bleibt nicht bei Hasspredigten undAufwiegelei – zumindest in drei Fäl-len werden der Milizbewegung gewalttätige Bestrebungen nachge-wiesen: Im Juli 1996 verhaftet diePolizei im US-Bundesstaat Arizona

zwölf Mitglieder der «Viper Militia»,die Anschläge auf sieben Bundesver-waltungsgebäude in der HauptstadtPhoenix vorbereitet und dazu bereitsein umfangreiches Sprengstoffarsenalangelegt haben. Im Oktober dessel-ben Jahres gehen der Behörde zurKontrolle von Alkohol, Tabak undFeuerwaffen (BATF) drei Anhängerder «Militia-at-Large for the Repu-blic of Georgia» ins Netz. Die Grup-pe soll die Ermordung von höherenBeamten geplant und möglicherweisesogar Angriffe auf die OlympischenSpiele in Atlanta in Erwägung gezo-gen haben. Bereits 1995 hat die Poli-zei sieben Mitglieder der «West Vir-ginia Mountaineer Militia» dingfest

gemacht, welche das Computerzen-trum des FBI in West Virginia in dieLuft sprengen wollten.

Zenit längst überschritten

Das rechtzeitige Aufdecken dieserAnschlagspläne, mehrere Verhaf-tungsaktionen aber auch gescheiterteVersuche, die Militias untereinanderbesser zu vernetzen, schwächen dieMilizbewegung in der Folge. Dochverbreiten zahlreiche dieser Gruppenbis heute ihr rassistisches und antise-mitisches Gedankengut im Internetoder veranstalten Trainingscamps – vor allem im Mittleren Westen derUSA.

Immer auch hat die US-amerikani-sche Milizszene eine grosse Faszinati-on auf Gesinnungsgenossen diesseitsdes grossen Teichs ausgeübt: Die ter-roristische Organisation «Combat18», der bewaffnete Arm des interna-tionalen Neonazinetzwerks «Blood&Honour» in Grossbritannien, hat sichbeispielsweise ganz offen am Vorbildder Militias orientiert. Die Gruppe,die ihren Namen aus dem ersten unddem achten Buchstaben des Alpha-bets – also den Initialen Adolf Hit-lers– ableitet, wird verantwortlichgemacht für eine ganze Reihe vongewalttätigen Anschlägen, Mordensowie Mordversuchen.

 Die rechtsextreme Szene möchtedas Drama um die getötete fünf- einhalbjährige Ylenia nutzen,um mit einer Demonstration«gegen Kinderschänder» am 13. Oktober 2007 in Appenzell Werbung in eigener Sache zumachen. Die Trittbrettfahrer- Strategie erleidet Schiffbruch:

  Die Behörden widerrufen im Vorfeld die Bewilligung, die

 PR-Aktion mit erhoffter breiter   Mobilisierung verkommt zur «Blood and Honour»-Parade – eine unappetitliche Angelegen- heit.

Am 19. September 2007 zieht derBezirksrat Appenzell die ursprüng-lich erteilte Erlaubnis für die Demon-stration zurück, nachdem ruchbargeworden ist, dass nicht bloss eineEinzelperson – Marina Rechsteineraus Wiedlisbach BE –, sondern meh-rere rechtsextreme Organisationenwie die «Freie Nationale Kamerad-schaft Schweiz-Germania», der«Kampfbund Nationaler Aktivistin-nen» (KNA) und einige Sektionender Partei National OrientierterSchweizer (PNOS) hinter demgeplanten «Gedenkmarsch» stehen.Die Behörden fürchten um dieöffentliche Sicherheit im Bilderbuch-

ort. Auch wollen sie nicht, dass dieAngehörigen von Ylenia in ihrerTrauerarbeit gestört werden.

700 Meter hin, 700 Meterzurück

Gut 100 Rechtsextremistinnen und-extremisten sind es, die am13. Oktober dem Widerruf derBewilligung trotzen und sich auf dievon den Behörden nach Verhandlun-gen zugelassene, unattraktive Mini-route begeben: vom Brauereipark-platz zum Hallenbad, wo Ylenia ent-führt worden ist, und wieder zurück.Ein stattliches Polizeiaufgebot riegeltden Appenzeller Dorfkern herme-

tisch ab, aus den Reihen der zahlrei-chen Schaulustigen ertönen verein-zelt «Pfui»-Rufe.Die teils vermummten Neonazis,einige davon im Look der «Autono-men Nationalisten», tragen ihreGesinnung auf Transparenten, Pla-katen und T-Shirts offen zur Schau.Das Fronttransparent «Blood &Honour Schweiz» wirbt für den hiesi-gen Ableger des internationalen,klandestin operierenden Neonazi-Netzwerks. «Kinderschänder sindnicht heilbar!» prangt auf einemTransparent, ein Strick ergänzt denSpruch. Und: «Für alle Länder – Todesstrafe für Kinderschänder» istauf T-Shirts zu lesen.

Couragierte Antifaschistinnen undAntifaschisten aus der Region doku-mentieren den Nazi-Spuk minutiös – und reissen mit ihren vorzüglichenFotoaufnahmen einige der beteiligtenAktivistinnen und Aktivisten aus derAnonymität: Aus der Stadt Bernangereist ist etwa der Nazi-SkinRuben Kurt, er trägt während desUmzugs eine schwarze Fahne. Gutvertreten in Appenzell ist die Aargau-er Neonaziszene: So präsentiert sichdie «Kameradschaft Baden-Wettin-gen» (KBW), die im Juli 2005 inBaden-Dättwil einen «Liederabend»

mit den Duos «Annett und Michael»und «Die Eidgenossen» organisierthat, im Einheitslook. Tamara Häfli-ger, Renee aus Rothrist, ihrerseits hateine Handvoll süddeutscher Kamera-dinnen und Kameraden in dieSchweiz gelotst, zum Beispiel SophieMichel und Heiko Flöter vom «Frei-korps Baden».

PNOS-Vorstand: Kalte Füssegekriegt

Die szene-interne Bilanz der rundeinstündigen Aktion fällt nicht nurschmeichelhaft aus, wie die Debattein einschlägigen Neonazi-Foren inden Tagen danach zeigt: «Sauberer

und disziplinierter Auftritt wäre einwenig anderst gewesen, da gab esLeute die haben geraucht währenddem Gedenkmarsch, dann habe ichLeute gesehen welche eine FlascheSchnaps bei sich hatten», tippt sichein Beteiligter in Rage. Nicht begei-stert ist man insbesondere über dasFehlen der PNOS-«Prominenz»: «Esist halt einfacher sich in dem Medienmit fremden Sachen zu schmückenum sich ins Rampenlicht zustellenwie die Lady D. Friedrich als am Saden Arsch aus dem Bett zu kriegenund auch hinter der gross angekün-digter sache zustehn.»

In der Tat glänzen an diesem Sams-

tag Parteiexponentinnen und -expo-nenten wie Denise Friederich, Domi-nic Bannholzer oder Michael Haldi-mann durch Abwesenheit. Der trifti-ge Grund für die kollektive Absenz:Die PNOS-Spitze, gegen welche zudiesem Zeitpunkt ein Gerichtsverfah-ren wegen Verletzung der Antirassis-mus-Strafnorm (diskriminierendesParteiprogramm) läuft, kann sichweitere negative Publicity nicht lei-sten.

Schwerpunkt

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 3 – 

Trittbrettfahrer«Blood and Honour-Parade im Bilderbuchort»

Nation unter WaffenDie rechtsradikale Milizbewegung in den USA

Page 4: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 4/8

 Die Häufigkeit sowie die Durch-   führungsart von Rechtsrock-  Konzerten im Berner Mittelland verdeutlichen die Toleranz vonBehörden und VermieterInnenund verweisen zudem auf denrelativ hohen Organisations- 

  grad der lokalen extremen  Rechten, deren «Stützpunkt»sich aktuell einmal mehr in

 Langenthal befindet.

Die Auseinandersetzungen am Ran-de der Auftritte von «Legion of Thor» (De), «XXX» (De), «Eugenik»(De) und «Kraftschlag» (De) verur-

sachten szeneintern den meisten Dis-kussionsstoff. Das eigentlich beschau-liche Wimmis im Berner Oberlanderlebte am Abend des 15. März 2008um ein Haar gewalttätige Auseinan-dersetzungen zwischen Exponentender verfeindeten rechtsextremenOrganisationen «Blood & Honour»(B&H) und den «Schweizer Ham-merskins» (SHS). Dass gemeinsameBesuche von Konzerten auch miteinem Abbruch dieser enden können,zeigte sich beispielsweise am «Helve-tischen Klangsturm» vom 11. Juni

2005: «Es gab mehrere Verletzte undSachbeschädigungen, die Polizei rea-gierte sofort und stürmte das Kultur-zentrum und beendete die Veranstal-tung» (Fehler im Original). Lauteinem Bericht über die «Musikveran-staltung» in Wimmis sei es der «Kon-sequenz der Veranstalter» – wobei essich nach Angaben der Partei Natio-nal Orientierter Schweizer (PNOS)um «Freie Aktivisten und die PNOSBerner Oberland» gehandelt hat – zuverdanken, dass es nur einige Leicht-verletzte und kleine Sachbeschädi-gungen gegeben habe. Das Konzertkonnte wie geplant stattfinden, und

die rund 250 BesucherInnen kamenin den zweifelhaften Genuss, diedeutsche Band «Kraftschlag» in einerspeziellen Besetzung spielen zu hö-ren. Neben Alexander Rohrbach – eigentlich Gitarrist bei «Indiziert» – spielte auch Mario Friso mit, dessenPNOS-Parteikamerad Jordi de Kron(Vorsitzendes der PNOS-SektionBerner Oberland), die zum Nazikon-zertlokal umfunktionierte und zurSchulanlage «Chrümig» gehörendeHalle angemietet hatte. Die Beweg-gründe, für die dann doch noch ver-

hinderte Prügelei, schildert ein ande-rer Besucher wie folgt: Den Expo-nenten von «28» (B&H) sei der Ein-lass zum Konzert verwehrt worden,auch wenn sie «ohne jegliche Schlä-gereiabsichten» angereist seien. Sokam es zu «Tumulten» und «heissenDisskusionen». Später «fordertemann mehrere Person aus dem SHSUmfeld auf, sich zu stellen und denBruderkrieg in einem 10 gegen 10auszutragen, die verlierende Seitewird ihre Organisation auflösen undgut ist es».

 Wenig Empörung in der Öffent-

lichkeit

Eine öffentliche Auseinandersetzung über den Anlass sowie das Verhaltender Polizei oder der Schulbehördefand einmal mehr kaum statt, wasaufzeigt, dass Konzerte dieser Artausserhalb der extremen Rechtennahezu kein Diskussionsthema mehrsind. Wohl auch dank der Medien-mitteilung der «Antifa Oberland» sahsich die Berner Kantonspolizeigezwungen, wenigstens ein kurzesCommuniqué zu veröffentlichen,

worauf dann auch die lokalenMedien ihre sich immer gleichendenBerichte verfassten.

Das am Schleusungspunkt in MuriBE postierte Polizeiaufgebot warzwar nicht zu übersehen, änderte amVerlauf des Konzertabends im Ber-ner Oberland jedoch nichts. Etwasanders ging die Polizei drei Wochenspäter bei einem nächsten Neonazi-Konzert vor: «Ca fait chier quand onpense à ce que ça aurait pu être, maison est quand même vainqueur car unconcert a quand même eux lieux avecune super ambience.» Den ursprüng-

lich geplanten Veranstaltungsort imRaum Yverdon mussten die Veran-stalter kurzfristig aufgeben, und soerstaunte weder die verwaiste Auto-bahnraststätte noch das kleine dortanzutreffende Polizeiaufgebot.Anstelle von gross angelegten Ver-kehrs- und Personenkontrollen anSchleusenpunkten können die jeweilsdoch so überraschten wie überforder-ten Dörfer und Gemeinden, die dochso unwillkommenen Rechtsextremeneinfach durch die Kündigung desVeranstaltungslokales loswerden.

Damit löst sich das eigentliche Pro-blem zwar nicht, jedoch braucht sichkeine Ortschaft mehr um ihren Ruf zu fürchten – aus den Augen, ausdem Sinn? Mehr oder weniger spon-tanes Umplanen war angesagt, damitdie drei Bands «The Kriminals» (It),«Legitima Offesa» (It) und «Indi-ziert» (CH) am 5. April doch noch zuihrem Auftritt kamen. Die Verlegung des Veranstaltungsortes in den Kan-ton Bern, genauer nach Roggwil,lässt sich sowohl durch das zuvor-kommende Vorgehen der hiesigenKantonspolizei, Behörden und dendiversen VermieterInnen als auch

den vergleichsweise hohenOrganisationsgrad der mittelländi-schen extremen Rechten erklären.Dieses Mal diente zudem der Treff-punkt in der ehemaligen Porzellanfa-brik in Langenthal als Ausgangs- undStützpunkt, was zusätzlich den Stel-lenwert verdeutlicht, den solcheRäumlichkeiten für die rechtsextre-me Szene als Ganzes und ihre Akti-onsfähigkeit besitzen.

Konzerte

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 4 – 

Burgdorf wird gerne als attrak- tiver Lebens- und Wohnort ange- 

 priesen, nicht zu nah und nicht zu fern von den Zentren der Welt. Sowohl im Bildungs-, im Verkehrs- als auch im Energie- bereich gilt Burgdorf als

  Modellstadt: Ein verschlafenes

  Provinzstädtchen für junge,kleinbürgerliche Familien. Und dennoch – oder gerade deshalb – 

  gerät Burgdorf immer wieder im Zusammenhang mit Rechts- extremismus in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Der Burgdorfer Gemeinderat, allenvoran Stadtpräsident Haldimann,sieht sich darum des Öfteren genötigtBurgdorfs angekratztes Kleinstadt-image wieder gerade biegen zu müs-sen. Unlängst wurde gar eine frag-würdige Gewaltstudie beim Psycho-logen Allan Guggenbühl in Auftrag gegeben. Dieser schaffte es, aller Kri-tik zum Trotz, Burgdorfs Problememit Gewalt und Rechtsextremismuszu negieren. Und dies obwohl auchneuere Beispiele eindeutig aufzeigen,dass die Stadt sehr wohl ein Problemmit Gewalt und vor allem Rechtsex-tremismus hat. Neben regelmässigenAngriffen von Neonazis auf Anders-denkende an den Stadtfesten Korn-

hausmesse und Solätte, dient die fastmenschenleere Altstadt nämlich häu-fig als Schauplatz von Übergriffenoder Ansammlungen von Exponen-ten der extremen Rechten.

Rechtsrock-Konzert in 4-Ster-ne-Hotel

Auch kurz vor Weihnachten 2007musste die Burgdorfer Oberstadtwieder einmal als Treffpunkt dieserSzene hinhalten: Als Weihnachtsfeiergetarnt, veranstaltete die ursprüng-lich aus Burgdorf stammendeRechtsrock-Band Indiziert am22. Dezember 2007 ein Konzert imStadthauskeller. So konnten sich über100 Rechtsextreme, kaum behelligtvon Polizei und Behörden, ungestörtim Untergeschoss des 4-Sterne-Hotels Stadthaus tummeln.Der Stadthaus-Verantwortliche Ste-fan Kläy leugnete damals, gewusst zuhaben, dass Indiziert der rechtsextre-men Szene angehört. Dies obwohl erselber auch gerne in der rechtenBurgdorfer Teddy-Szene verkehrt.Da sich die extreme Rechte und dieTeddy-Szene in Burgdorf zumindestteilweise vermischen, fällt es etwasschwer zu glauben, dass besagterHerr Kläy so ahnungslos war, wie erdies beteuerte.

Kein Aufschrei

Bei besagtem Konzert zum Jahres-ausklang handelte es sich schon umden zweiten solchen Anlass in derBurgdorfer Oberstadt. Bereits imSommer 2006 war es der Bandgelungen, einen Keller zu mieten und

vor kleinem Publikum aufzutreten.Was damals noch zu einem öffentli-chen Aufschrei führte, scheint heutekaum jemanden mehr zu stören:Obwohl lokale PolitikerInnen 2006noch beteuerten, dass es solche An-lässe nicht mehr geben darf, lassendie Burgdorfer Behörden die extremeRechte gewähren. Der Auftritt vonIndiziert Ende Dezember 2007 wur-de sowohl von den BurgdorferBehörden als auch von den Medienund EinwohnerInnen schlichtweg ignoriert.

Einer der Konzertbesucher, MarkusMartig aus Alchenflüh, machte dieserTage aus anderen Gründen von sichreden: Martig, ehemaliges Mitgliedder Nationalen Offensive, heute beiden Hammerskins aktiv, stellte sichals Vorsitzender der im Februar 2008neu gegründeten PNOS-SektionEmmental vor. Bislang scheint diePartei in der Region aber noch nichtsonderlich aktiv zu sein. Aufmerk-

samkeit wurde der Sektion eher vonanderer Seite zuteil: Eine Stadträtinder Grünen Freien Liste liess abklä-ren, ob das Logo der EmmentalerPNOS-Sektion nicht ein Missbrauchdes Stadtwappens darstelle. DiesesVorhaben wurde nun an denGemeinderat überwiesen, und eine

genaue Überprüfung dürfte einigeZeit auf sich warten lassen.Allem Anschein nach will das offiziel-le Burgdorf auch weiterhin nicht

ernsthaft gegen sein Rechtsextremis-mus-Problem vorgehen und lieberwie bisher alle Vorfälle unter denTeppich kehren. So kann nur gehofftwerden, dass sich die EinwohnerIn-nen Burgdorfs der Lösung dieses Pro-blems selber annehmen werden.

Wo sich die extreme Rechte zuhause fühlt...Das Städtchen Burgdorf und sein Rechtsextremismus-Problem

Ohne Katz-und-Maus-SpielKonzertparadies Kanton Bern

Das zum Konzertlokal umfunktionierte 4-Sterne-Hotel Stadthaus

Page 5: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 5/8

  Demonstrationen, Konzerteund Anschläge: Der Trend der letzten Jahre bestätigte sichauch 2007; die Neonazis suchtendie Öffentlichkeit und schreck- ten auch vor Bombenanschlä- 

 gen nicht zurück.

Laut der Statistik der Bundespolizeisind die rechtsextremen Vorfälle inder Schweiz im vergangenen Jahr auf «konstant hohem Niveau» stabilgeblieben, numerisch bei 106 Ereig-nissen. Auch die Zahl der aktivenrechtsextremen Personen ist unverän-dert bei 1200 festzulegen. Das Zen-

trum der Aktivitäten mit mehr als derHälfte aller Vorfälle bleibt das Mittel-land mit geografischen Schwerpunk-ten in den Kantonen Aargau und So-lothurn.

So weit so gut, ein Grund zur Beruhi-gung sind diese Zahlen aber nicht.Eingang in die oben erwähnte Stati-stik finden nämlich nur Vorfälle, wel-che zur Anzeige gebracht oder vonder Polizei selbst wahrgenommenworden sind. Ein Ereignis wie etwader Brandbombenanschlag währenddes zweiten Antifaschistischen Festi-vals in der Grossen Halle der Reit-schule Bern wird wohl keinen Ein-gang in die Statistik gefunden haben,

da es nicht eindeutig einer rechtsex-tremen Täterschaft zugeordnet wer-den konnte.

Brandbombe gegen Antifa-Festival

Der Anschlag auf das Antifa-Festivalwar an Feigheit kaum zu überbieten:Am Abend des 4. August 2007, kurzvor Mitternacht, wurde währendeines Konzerts ein verdächtigerRucksack entdeckt. Dieser war nebendem Mischpult mitten in der GrossenHalle deponiert worden. Einigen derrund 1500 BesucherInnen, die sichzu diesem Zeitpunkt in der Halle auf-hielten, war ein starker Benzingeruch

aufgefallen, worauf der Rucksacknach draussen gebracht wurde undkurze Zeit später in einem grossenFeuerball aufging. Der Raum wurdeevakuiert, die weiteren Konzertewurden abgesagt. Es ist nicht auszu-denken, was passiert wäre, wenn derRucksack noch in der Halle detoniertwäre. Ein Anschlag mit diesen Mit-

teln zielt klar auf das Leben von zig Menschen ab – eine neue Dimensionvon rechtsextrem motivierter Gewalt.

Ein weiterer feiger Überfall ereignetesich am 25. Juni in Glarus, als 30 bis40 Rechtsextreme die bewilligteKundgebung der Juso ( JungsoziastIn-nen) «für ein buntes Glarnerlandohne Rassismus» in einem öffentli-chen Park angriffen. Mit Flaschen,Reizstoffen und mit Sand gefülltenHandschuhen wurden die friedlichenDemonstrierenden attackiert undzum Teil verletzt. Nach kurzer Zeitzogen sich die Neonazis zurück und

verschwanden mit Autos.

Diese zwei Anschläge sind nur dieSpitze des Eisberges, welche denOrganisationsgrad und die Gewalt-bereitschaft – wohlverstanden gegenLeib und Leben – aufzeigen, mit wel-cher die Neonazis gegen Menschenvorgehen, die nicht in ihr stumpfesund verachtendes Weltbild passen.Fast jeden Tag gibt es rechtsextremmotivierte Vorfälle, ganz abgesehenvom latenten Rassismus, welcher imFahrwasser der erfolgsverwöhntenSchweizerischen Volkspartei SVP dieGeister erobert.

Der Gang an die Öffentlichkeit

Es ist nichts Neues, dass Neonazisauch die Strasse als Plattform zurVerbreitung ihrer Ideologie nutzen.Neben ihren traditionellen Stelldich-eins wie der Gedenkfeier zurSchlacht von Sempach oder der1.-August-Feier auf dem Rütli tratensie letztes Jahr auch an der offiziellen1.-Mai-Demo in Aarau oder an derSVP-Demo in Bern am denkwürdi-gen 6. Oktober auf.Während sie bei diesen Anlässen alsmehr oder weniger - oder auch nicht

 – unerwünschte MitläuferInnen auf-traten, ist es ihnen auch gelungen,eigene Demonstrationen auf die Bei-ne zu stellen. Zu nennen sind etwa

die Demonstration gegen Kinder-schänder in Appenzell oder dieDemo gegen «Multikulti» in Schwyz.Die Saison der rechtsextremen Auf-marschtouristInnen begann im letz-ten Jahr am 1. Mai: Als «NationaleKräfte Aargau» marschierten Expo-nentInnen der Partei National Orien-tierter Schweizer PNOS, des Kampf-

bundes Nationaler AktivistinnenKNA und der Schweizer Demokra-ten an der offiziellen 1.-Mai-Demoder Gewerkschaft in Aarau unterdem Transparent «Gemeinsamgegen Globalisierung. Wirtschaft fürdas Volk» mit und verteilten Flug-blätter mit klar rechtsextremisti-schem Inhalt. Darunter befand sichauch Roland Wagner, damaligerNationalratskandidat der AargauerSchweizer Demokraten. Das Ganzegeschah weitgehend unbemerkt, vonSeiten der VeranstalterInnen wurdenicht eingegriffen. Es war nicht daserste Mal, dass Rechtsradikale ver-

suchten, den 1. Mai als Tag der«nationalen Arbeit» auszulegen undfür ihre mitunter oberflächlich kapi-talismuskritische Propaganda zumissbrauchen. Bereits zwei Jahre zu-vor demonstrierten Neonazis am1. Mai in Aarau.

Rund zwei Monate später, am30. Juni, fand die alljährlicheGedenkfeier zur Schlacht von Sem-pach statt. Die Schlacht ereignetesich Juli 1386 als Höhepunkt desKonflikts zwischen den Eidgenossenund den Habsburgern. Die Gedenk-feier bezieht sich mitunter auf dieHeldensage von Arnold von Winkel-ried, welcher sich während der

Schlacht angeblich heldenhaft in denSpeerhagel der Habsburger geworfenhaben soll, um damit eine Breschefür den eidgenössischen Gegenangriff zu schlagen – ein geschichtswissen-schaftlich widerlegter Mythos, wel-cher neben der Gründungssage vomRütli für neonazistische Geschichts-revisionisten in der Schweiz von zen-traler Bedeutung ist und als Helden-tat verehrt wird. Alljährlich pilgertdeshalb eine stattliche Zahl von Neo-nazis an die von bürgerlichen Kreisenorganisierte Feier und wird dort auchnoch geduldet. So auch im letzten

 Jahr, als rund 160 Faschisten am Gra-be des vermeintlichen Helden Win-kelried einen Kranz niedergelegt

haben. Auch das Rütli hat 2007nichts von seiner Anziehungskraft auf RechtsextremistInnen verloren. DerZugang zur offiziellen Feier am1. August blieb ihnen jedoch, bis auf eine Handvoll, die es trotz der Hürdeder ausgewählt verteilten Eintritts-karten auf die Wiese schafften, ver-wehrt. Einige versuchten, auch ohneTicket in Gummi- und Motorboo-ten zum Rütli zu gelangen, wurdenaber allesamt von der Seepolizei auf-gehalten. Am Abend des Nationalfei-ertages feierten schliesslich rund fünf-zig RechtsextremistInnen in einerWaldhütte in Bonstetten ZH. Alsgrausiger Schlusspunkt zogen sie ge-gen zehn Uhr abends mit Fackelndurch Adliswil ZH.

Das Rütli stand jedoch weiter imFokus: Ein Aufmarsch am 1. Augustblieb zwar wie erwähnt aus, die Par-tei National Orientierter SchweizerPNOS organisierte aber am5. August ein «Bräteln des nationalen

Widerstandes», welchem rund 300Gleichgesinnte beiwohnten. Beim«Bräteln» allein blieb es aber erwar-tungsgemäss nicht, zum Programmgehörten auch hetzerische, revisioni-stische und antisemitische Reden.

 Autonome Nationalisten?

Im Dezember 2006 wurde zumersten Mal eine Kundgebung derPNOS bewilligt, eine Platzkundge-bung gegen den geplanten Minarett-bau in Langenthal («Stoppt die kul-turfremden Bauten»). Die Strategie,mit Bewilligung zu demonstrieren,

wurde im letzten Jahr vermehrt ver-folgt. Wohl auch mit dem Ziel, damitauf breitere öffentliche Akzeptanz zustossen. So geschehen im Oktober imKanton Appenzell. Im Sog dermedialen Präsenz rund um den «FallYlenia» versuchten freie Kamerad-schaften und das rechtsextreme Netz-werk «Blood & Honour», sich dieöffentliche Empörung zunutze zumachen und Sympathiepunkte zusammeln. Ein beliebtes, aber auchsehr durchschaubares Manöver.Schliesslich marschierten trotz wie-der zurückgezogener Bewilligung gut100 Neonazis durch Appenzell. Auf-fallend: Die Demonstrierenden tra-ten im Kleiderstil der Autonomen

auf. Schwarze Kleidung, Vermum-mung und schwarze Fahnen. EinTrend, welcher in Deutschland schonseit längerer Zeit Tatsache ist. DieAbwendung vom klischeehaften Neo-nazi mit Springerstiefel, Bomberja-cke und Glatze manifestiert sich nichtnur im Alltag, sondern auch anDemonstrationen.

Für den 8. März 2008 reichte wieder-um die PNOS eine Bewilligung füreine Demonstration in Schwyz ein.Unter dem rassistischen Motto«Volksgemeinschaft statt Multikultur

  – Stoppt die Masseneinbürgerung»wurde mobilisiert. Eine Bewilligung wurde zwar letztlich nicht erteilt, was

die PNOS aber nicht von ihrem Vor-haben abbringen konnte. Bereits am2. März zogen allerdings nur beschei-dene 30 Personen unbewilligt durchSchwyz.

Im Gleichschritt mit...

Auch die an Nationalismus und Füh-rerkult schwer zu überbietende Wahl-kundgebung der SVP in Bern vom6. Oktober hat zahlreiche bekennen-de RechtsextremistInnen angelockt.Die Übergänge zwischen Führungs-riege und Fussvolk der politisch eta-blierten SVP und der klassischenNeonazis sind fliessend, was sichnicht nur am gemeinsamen Auftretenerkennen lässt. Die Schnittmenge derGemeinsamkeiten ist wohl grösser alsdie der Streitpunkte. Die SVP hat imWahlkampf 2007 ihr wahres Gesichtmit aller Deutlichkeit gezeigt: EineFratze aus Fremdenhass, Rassismusund faschistischen Tendenzen. Esverwundert deshalb wenig, fühlen

sich auch die prügelnden Eiferer pu-delwohl an einer Kundgebung derwählerstärksten Partei der Schweiz.Die SVP als etablierte Kraft ebnetm i tihrer Politik den Boden für offenrechtsextremistische Haltungen. Einstarkes Zeichen dagegen wurdebereits am 6. Oktober gesetzt. Es gilt

 jedoch auch in Zukunft, das Blickfeldvermehrt vom ganz rechten Randhin zur SVP zu öffnen und diebeängstigenden Entwicklungen die-ser Partei zu beleuchten und zubekämpfen.

...und im Schatten der SVP

Optisch hat die PNOS im vergange-ne Jahr weiter zugelegt: Mit der neugegründeten Sektion Emmental hatdie Partei nun sieben Sektionen insechs Kantonen. Realpolitisch bleibtihr Einfluss aber weiterhin minim.Sie hat zwar mit dem Gemeinderats-sitz von Dominik Bannholzer inGünsberg SO und dem LangenthalerStadtrat Tobias Hirschi immer nochzwei politische Mandate inne, welchein diesem Herbst bestätigt werdenmüssten, aber ihr Wirken ist nichtwahrnehmbar. Insbesondere dasAbstimmungsverhalten von TobiasHirschi sorgt selbst bei der Langen-

thaler SVP für Stirnrunzeln, stimmter doch des Öfteren gegen sie. In Tatund Wahrheit bleibt beim aktuellenKurs der SVP auch wenig Platz füreine rechte Splittergruppe auf demetablierten Politikfeld; die Themen-felder sind von der grössten Partei derSchweiz ganz im Sinne einer PNOSbesetzt. Widerstand tut Not, vorallem auch gegen die SVP. DiePNOS ist als Partei gescheitert,scheint sich aber vermehrt als Dreh-und Angelpunkt der Szene zu etablie-ren – von der Partei- zur Bewegungs-struktur. So trat sie in jüngster Zeitauch als Konzertveranstalterin auf.Wenig verwunderlich, stellt sie mitihrer Hausband «Indiziert» doch die

derzeit aktivste und bekanntesteSchweizer Rechtsrock-Band.

Musikveranstaltungen bleiben einzentrales Element der rechtsextre-men Szene. An den bierseligen Kon-zerten wird die Propaganda unter dieLeute gebracht und insbesondereauch das junge Publikum angespro-chen. Kontakte können geknüpft undFreundschaften gepflegt werden.Umso bedenklicher ist, dass etwa dasvon der PNOS organisierte Konzertin Wimmis BE vom 16. März 2008 inder Turnhalle einer Schulanlagestattfand oder der Auftritt von «Indi-ziert» am 22. Dezember im 4-Sterne-Hotel «Stadthaus» in der BurgdorferOberstadt. Behördenunfähigkeit parexcellence, begnügt man sich doch je-weils mit den Zusagen der Veranstal-tenden, dass alles ruhig über die Büh-ne gehen werde. Die Schweiz bliebauch 2007 ein Konzertparadies, esverging kaum ein Monat ohne hetze-risches Konzert.

Jahresrückblick

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 5 – 

Neonazis im Autonomen-Look in Appenzell

Jahr der Brandstifter und BiedermännerJahresrückblick 2007

Page 6: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 6/8

Interview

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 6 – 

 Der Kampf gegen rechtsextremeOrganisationen sei sinnlos,wenn er nicht in Verbindung ste- he mit dem weiterreichenden

 Kampf gegen die Werte, welchesie verteidigten. Dies ist die

 feste Überzeugung eines Vertre- ters der französischen Antifa- Gruppierung SCALP, welcher im Interview einen vertieftenEinblick in die Aktivitäten der Extremen Rechte in unserem 

  Nachbarland gibt und über mögliche Alternativen zum herrschenden System spricht.

  Lautstark: Ihr nennt euch SCALP. Wasbedeutet das? 

Dieser Name hat Geschichte. DieIdee stammt aus Toulouse, als 1984autonome Antifaschisten eineDemonstration gegen den Präsiden-ten des Front National (FN) organi-sierten. Die Demo lief unter demTitel «Widerstand der Indianer». EinFlugblatt beschrieb die Faschos als«Bleichgesichter», die Polizisten als«Blauröcke» und die AntifaschistIn-nen als entschlossene «IndianerIn-nen», welche den Kojoten Le Pen

 jagen wollten. Dieser Flyer wurde mitSCALP «Section Carrément Anti-Le Pen» («Sektion klipp und klar

gegen Le Pen») unterzeichnet. DieserName war eigentlich nur als Witzgedacht, die Indianerinszenierung hatte jedoch einen so grossen Erfolg,dass SCALP einige Monate späterder Name einer neu gegründetenradikalen antifaschistischen Gruppewurde. Darauf entstanden spontanweitere SCALP-Gruppen, und da dieradikalen AntifaschistInnen nicht nurgegen den FN kämpften, sondernauch in soziale Kämpfen, beispiels-weise gegen Polizeigewalt oder derUnterstützung der ImmigrantInnen,involviert waren, änderte sich dieBedeutung der Abkürzung. So ent-stand «Section Contre-Attaque À LaPeur» («Sektion zum Angriff gegen

die Angst»), «Section Contre-Atta-que À La Passivité» («Sektion zumAngriff auf die Passivität»), «SectionCarrément Active contre les PartiesPolitiques» («Sektion gegen die Par-teien»), «Section Carrément À LaPlage» («Sektion ohne zu zögern anden Strand»), «Section CarrémentAnti-Laurence Parisot», («Sektiongegen die Präsidentin des Arbeitge-berverbandes»). Ich muss jedoch hieranfügen, dass viele Gruppen in unse-rem Netzwerk «No Pasaran» sichnicht oder nicht mehr so nennen.

Welches sind eure Ziele, welches eure Mit-tel? 

Der Kampf gegen rechtsextremeOrganisationen ist sinnlos, wenn ernicht in Verbindung steht mit demweiterreichenden Kampf gegen dieWerte, welche sie verteidigen: Hierar-chien, politische Ungleichheiten,Fremdenfeindlichkeit. Der Kapitalis-mus beinhaltet diese Werte auch.

Darum gilt für uns, dass einE Antifa-schistIn auch AntikapitalistIn seinmuss. Unabdingbar ist der kritischeBlick auf die Arbeitswelt, ist dieseheute doch wie nie zuvor sozialeKontrolle und Lockvogel zugleich.Konkreter: Wir glauben, dass wirunsere Analyse vom Kapitalismus inder Praxis testen müssen. Deshalb istdie Suche nach Alternativen undderen Umsetzung eine Kernaufgabeunserer Gruppe. Jede Gruppe unse-res Netzwerkes «No Pasaran» ver-sucht, ihre praktischen Tätigkeitenden lokalen Gegebenheiten ange-passt in den Kampf anderer sozialer

Bewegungen einzubringen. Auf Netzwerkebene publizieren wirmonatlich ein Heft, veröffentlichenweitere Texte (Bücher, Infobroschü-ren) und verteilen Propagandamate-rial. Wir funktionieren selbstverwaltetund unabhängig. So besitzen wir eineWanderkantine, welche oft im Rah-men sozialer Kämpfe (Sans-Papier-oder Studentenbewegung) eingesetztwird. Sie ermöglicht uns, im Herzender Proteste über Selbstverwaltung,Preisgestaltung oder die Abhängig-keit von den Nahrungsmittelprodu-zenten zu diskutieren.

  Ein Thema des Präsidentschafts-Wahl-kampfes von Nicolas Sarkozy war die  Migration. Wie ist die Situation der   AusländerInnen, mit oder ohne Papiere in Frankreich? 

Die Situation der Sans-Papiers inFrankreich wird immer katastropha-ler. Dies zeigen mehrere Vorfälle, beiwelchen Sans-Papiers sich in Gefahrbegeben haben oder sogar gestorbensind, um den immer zahlreicher wer-denden Polizeikontrollen zu entkom-men. Die Immigrationspolitik folgtseit einiger Zeit nur einer Logik: DasZiel ist es, jeden Monat eine immerhöher werdende Anzahl Personenauszuschaffen, ohne das diese Politikauch nur begründet würde. Immerneue Gesetze werden beschlossen: Sowird der Familiennachzug in Fragegestellt, und die administrativen Hür-den für Ausschaffungen werdenabgebaut. Der Druck auf die Polizei,immer mehr Sans-Papiers zu erwi-

schen, sowie die Tendenz der «Flics»zu Rassismus, machen aus jedemMenschen mit dunkler Hautfarbeeinen potenziellen Verbrecher. Mankann hier eine weitere Neuerung anfügen: Mit dem neu geschaffenen«Ministerium für nationale Identitätund Immigration» übernimmt dieneue Regierung eine Idee aus demParteiprogramm des FN, welche dar-in besteht, aus MigrantInnen eineGefahr für die Identität und kulturelle Stabilität des Landes zu machen.Diese Ideologie versucht Sarkozy,heuchlerisch zu kaschieren, indem erbeispielsweise mit der Justizministerin

Rachida Dati Personen ausländischerHerkunft in die Regierung aufnimmt.Diese Personen haben jedoch wie erübertriebene Ambitionen und diesel-be ultraliberale Einstellung.

Stichwort «soziale Kämpfe»: In der Schweizhörte man nur wenig über den Streik der   Eisenbahner und fast nichts über den der Studierenden. Was ist geschehen? 

Die Eisenbahner versuchten, denAngriff auf ihr Rentensystem abzu-wehren. Dieses wurde nach demZweiten Weltkrieg durch den «Con-

seil de Résistance» eingeführt undbildet den Sockel des heutigen Sozial-versicherungssystems in Frankreich.Sarkozy will gemeinsam mit denArbeitgebern dieses System durch einSystem von privaten Versicherungenersetzen. Es ist eine antisoziale Offen-sive sondergleichen, welche zurzeit inFrankreich läuft. Der Kampf derEisenbahner ist eine Fortsetzung derKämpfe von 2003. Sie wehren sichnicht nur für sich, sondern gegen alleliberalen Angriffe auf «unser» Sozial-system, welches zwar weit weg voneinem perfekten System ist, aberimmerhin gerechter als die geplantenReformen. Aber der Kampf istinzwischen verloren, auch weil dieChefs der grossen Gewerkschaftendiejenigen, die eigentlich noch weiterkämpfen wollten, an den Arbeitge-berverband verraten haben. Bei denStudentenprotesten, welche sichgegen die vollständige Liberalisie-rung der Universitäten richtete, sieht

es ähnlich aus: Es gab grosse Demon-strationen und Fakultätsblockadengegen dieses neue Gesetz, welches dieUniversitäten völlig vom Kapital derGeschäftswelt abhängig macht. Dochdie Medien ignorierten diese Bewe-gung, und ein Berater Sarkozys sagtesogar: «Ein Studentenstreik existiertnicht, da die Studierenden gar nichtarbeiten.» Die Polizei, unterstütztvon privaten Sicherheitsdiensten,räumte mit unverhältnismässigerGewalt die Blockaden der Studieren-den. Die grösste Studentengewerk-schaft UNEF, welche noch im Som-mer führend war bei der Organisation

der Proteste, rief im Herbst dazu auf,weitere Protestaktionen zu unterlas-sen, da sie nun mit dem Ministeriumverhandeln würde. Beide sozialenKämpfe sind zwei eher entmutigendeBeispiele, da sie klar aufzeigen, wieungleich die Kräfte zwischen obenund unten derzeit verteilt sind. Ande-rerseits zeigte es vielen Menschen,dass man die Politik nicht in die Hän-de der grossen politischen Organisa-tionen legen darf, und es wurden vorallem im letzten Sommer basisdemo-kratische Ideen gelebt und in einigenBahnhöfen und Universitäten selbst-verwaltete Organisationsformen indie Realität umgesetzt.

Trotz einer erhöhten Stimmbeteiligung verlor der Front National viele Stimmen. Wieerklärt ihr euch sein schlechtes Abschneiden? 

Eines ist klar, Le Pen wird eines Tagesvon der politischen Bühne verschwin-den, aber man muss seinen Todabwarten. Bis zu seinem letztenAtemzug wird er diese Partei, die erzwar nicht selber gegründet hat, aberdie im Laufe der Geschichte zu sei-nem Spielzeug wurde, an der kurzenLeine halten.

Was das Wahlresultat betrifft: Es istmanchmal sehr schwierig, die Moti-vation derjenigen zu verstehen, wel-che den Stimmzettel in die Urne

legen, weil bei ihrer Wahl - man musses leider so sagen – wenige politischeÜberzeugungen zugrunde liegen.Eine Sache ist klar: Der FN verliert,zumindest zurzeit. Er verlor für wich-tige Bevölkerungsgruppen an Attrak-tivität, sei es als Verteidiger von Ord-nung und Arbeit – Sarkozy wirkt indiesem Punkt für viele glaubwürdiger

  – oder als Antisystempartei – dasAnsinnen von Marine Le Pen, denRuf der Partei zu verbessern, brachtebis jetzt mehr Probleme, als es denWählerkreis erweitert hätte. Nun, auf die Frage zur Zukunft des FN lautetmeine Antwort: Wir werden es sehen.Eines ist sicher: Es ist wichtig, den FNweiterhin zu beobachten, weil dasTerrain, auf welchem er gewachsenist, weiterhin fruchtbar ist. Wenn dieSeifenblase Sarkozy platzt, wäre derFN nicht der letzte der davon profi-tieren würde.

Welche rechtsextremen Gruppen existierenneben dem FN? 

Was immer eine Eigenart des FNwar, auch wenn es heute weniger derFall ist, ist seine Kapazität, allerechtsextremen Tendenzen, von denultra-reaktionären fundamentalisti-schen Katholiken bis zu den faschisti-schen Neuheiden zu absorbieren.1999 erlebte der FN eine wichtigeSpaltung. Bruno Mégret, die damali-ge Nummer 2 des FN, gründete mitmehr als der Hälfte des FN-Kaderseine eigene Partei, die MNR. Diesekennt heute niemand mehr. Auf derparlamentarischen Ebene bleibt derFN der einzige Vertreter seiner«Familie».

Daneben gibt es einige weitererechtsextreme Gruppierungen, wobeidie Bewegung «les Identitaires» diewichtigste ist. Hier ist wichtig anzu-merken, dass die Nazi-Skinhead-Szene in Frankreich sehr klein ist. Esgibt nur einige hundert Kahlgescho-rene, welche zudem noch schlechtorganisiert sind, trotz der vielen Kon-zerte im Elsass. Dies lässt Platz fürandere Gruppierungen, welche sichals Folklore-Nazis profilieren wollen.Die Leute der Recherche-Antifa«REFLEX», welche uns sehr nahestehen, haben kürzlich ein Dossiermit dem Titel «La soupe de Vardon»über die wichtigste Gruppe in der«Identitaires»-Bewegung, der «Jeun-

nesse identitaire», erstellt:http://reflexes.samizdat.net.Anzufügen ist, dass rund um denAutor Alain Soral eine Gruppe mitdem Namen «Égalité & Réconciliati-on» («Gleichheit und Versöhnung»)existiert. Es ist eine Gruppe, welcheunterschiedlichste Rechtsextremevereint, die als gemeinsamer Nennerden Antisemitismus haben. Sie hältsich bereit, das Erbe des FN anzutre-ten, wenn Le Pen verschwindet. Wei-ter gibt es fundamentalistischeKatholiken, welche autonom vomFN aktiv sind. Sie organisieren vorallem Aktionen gegen Abtreibungen.Auch die fundamentalistischen jüdi-schen und moslemischen Strömun-

gen gilt es zu überwachen, da geradeeine mehr oder weniger gelungeneAnnäherung an die «traditionellenStrukturen» der Extremen Rechtenstattfindet. Für uns AntifaschistInnenist es wichtig, diese Strukturen genauzu beobachten und sich ihnen entge-gen zu stellen, wenn nötig auch kör-perlich, selbst wenn von ihnen derzeitkeine grosse Gefahr ausgeht. Es ist

  jedoch leider klar, dass der Chauvi-nismus dieser Cliquen und alle For-men von Autoritarismus eine rosigeZukunft haben.

«In der Bewegung über Selbstbestimmung reden»Ein Vertreter der französischen Antifa-Organisation SCALP steht Red und Antwort

Page 7: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 7/8

Vera Kirsanova aus Moskau, die  Autorin des folgenden Textes,vergleicht die Situation in Russ- land mit einem brennendenBoot: «Wir sitzen in einem bren- nenden Boot, und niemand weiss, ob es langsam oder rasant sinken wird oder wir inder Lage sein werden, es zu ret- ten.» Damit spielt sie auf die

  gesamtgesellschaftlichen Pro- bleme mit Rassismus, Nationa- lismus und Antisemitismus an,die immer stärker sichtbar wer- den und die für Ausgegrenzte in

  Russland mittlerweile zur all- 

täglichen Lebensbedrohung  geworden sind.

Bereits in der Sowjetunion warenRassismus, Antisemitismus undNationalismus in Staat und Gesell-schaft weit verbreitet. Dramatisierthat sich die Situation seit den Propa-gandaoffensiven des ehemaligen Prä-sidenten Vladimir Putin und dessenKrieg gegen Tschetschenien – ver-bunden mit einer rassistischen Hetz-propaganda und dem militärischenAppell an den nationalen Zusam-menhalt. Die Früchte dieses ausge-prägten Nationalismus und der extre-men Fremdenfeindlichkeit wurden inden letzten Jahren immer deutlicher

erkennbar: Rassistische Morde, bru-tale Übergriffe gegen Menschen-rechtsbeobachterInnen und eineGesellschaft die weitgehend weg-schaut. Laut einer jüngsten Mei-nungsumfrage in der russischenBevölkerung befürworten 55 Prozentder Befragten den Slogan «Russlandden Russen». Zwar machen Neona-zis, verglichen mit der Gesamtbevöl-kerung, ein marginale Zahl aus. Stelltman die Aktivitäten der Neonazisallerdings in den Kontext dieser Mei-nungsumfragen wird das Rassismus-problem in Russland in seiner Viel-schichtigkeit erkennbar. Zusätzlichzum latent vorhandenen Rassismuslässt sich auch eine rasante Zunahme

neonazistischer Gewalt feststellen –  jährlich um rund 20 Prozent.

 Wöchentlich ein Toter

In Russland haben «hate crimes» – damit sind Verbrechen gemeint, dieaus Hass und rassistischen Vorurtei-len begangen werden – gegen ethni-sche, religiöse oder nationale Min-derheiten stark zugenommen. Offi-zielle Zahlen existieren nicht. DieMoskauer Menschenrechtsorganisa-tion «SOVA Centre for Informationand Analysis» recherchiert und doku-mentiert solche Verbrechen. IhreZahlen sind alarmierend: 2005 wur-den 31 Morde und 413 Angriffe regi-striert; 2006 waren es 54 Morde und540 Angriffe; im letzten Jahr recher-chierten sie 59 Morde und 581Angriffe. Hinzu kommt eine Dunkel-ziffer von «hate crimes», die, wennüberhaupt, erst Wochen oder Mona-te nach dem Ereignis in Erfahrung gebracht werden können.

Die polizeilichen und juristischenReaktionen der Behörden auf «hatecrimes» sind schleppend. Ihre Moti-vation zur Aufklärung solcher Ver-brechen und zur Bekämpfung vonrassistischer Gewalt ist gering. Abge-sehen von einigen Verurteilungenkam es bei einer Vielzahl von Straf-prozessen wegen rassistischer Mordezu Freisprüchen. So auch am17. Oktober 2007: Dreizehn Rechts-extreme, die für die Ermordung des20-jährigen vietnamesischen Studen-ten Vu An Tuan angeklagt wordenwaren, kamen auf freien Fuss. Auchdie rassistischen Motive bei der Tat

wurden vom Gericht nicht aner-kannt. Ein Sachverhalt, dem Men-schenrechtsbeobachterInnen immerwieder begegnen: Regelmässig wer-den Anklagen und Strafen für Hooli-ganismus – einem vergleichweiseharmlosen juristischen Vergehen – verhängt. Im Fall des 2004 ermorde-ten 9-jährigen Khursheda Sultonovawurde von den acht Beschuldigtennur einer wegen rassistischem Mordangeklagt. Bei den Restlichen lautetedie Anklage «Hooliganismus».Die letzten Jahre haben zudemgezeigt, dass neonazistische Gewaltnicht nur gegen ethnische Minder-heiten, sondern auch gegen alternati-ve Jugendliche (wie Punks, Emos,

Redskins usw.) und politische Gegnerwie Antifas oder Menschenrechtsbe-obachterInnen gerichtet ist. Am16. April 2006 wurden der 19-jährigeAntifaschist Aleyander Ryukhin undsein Freund auf dem Weg zu einemPunk-Konzert grundlos attackiert.Ryukhin wurde erstochen, seinFreund überlebt glücklicherweise. Im

  Juni 2007 wurden deswegen dreiNazi-Skinheads, Angehörige derneonazistischen Slavic Union, wegenvorsätzlichem Hooliganismus undleichter Körperverletzung zu 4.5 bis6 Jahren Gefängnis verurteilt. Dreiweitere Personen werden nochgesucht.Am 13. Oktober 2007 wurde das

Ska-Punk-Festival «Music of theStreets» das Ziel mehrerer Neonazi-angriffe. Eine Gruppe von 15–20Neonazi-Skinheads attackiertenBesucherinnen und Besucher mitMetallstangen. Zudem konnte einSprengsatz von Sicherheitsleutenfrühzeitig aus den Räumlichkeitenentfernt werden. Zwei Tage späterübernahmen St. Petersburger Natio-nalsozialisten die Verantwortung fürden Bombenanschlag und die Angrif-fe und drohten mit weiteren Anschlä-gen auf alternative Jugendliche.Auch Personen, die sich beruflich mitThemen wie Rassismus und Rechts-extremismus beschäftigen, sindgefährdet. Die 59-jährige EthnologinValentina Uzunova wurde am19. Juni 2007 von unbekannten Per-sonen tätlich angegriffen und musstesich in Spitalbehandlung begeben.Sie ist als Leiterin der MinorityRights Commission an der St. Peters-burger Scientic Union besondersbedroht. Ihr Vorgänger, Nikolai

Girenke war am 19. Juni 2004, alsogenau drei Jahre vorher, an der Türseiner Wohnung in St. Petersburg erschossen worden. Girenke war inunterschiedlichen Gerichtsfällen zuextremistischen Gruppen als Expertetätig gewesen.Dies sind jüngere und publikgemachte Beispiele von «hate cri-mes», die in Russland täglich gesche-hen und durchschnittlich jede Wocheein Menschenleben fordern. Mei-stens unbemerkt von der (medialen)Öffentlichkeit.

Neonazis als (Sturm-)Spitze des

Eisbergs

Die Anzahl von aktiven Neonazis be-wegt sich in Russland zwischen fünf-zig bis siebzig Tausend. Darunterbefinden sich solche, die ideologischgefestigt sind und täglich durchGewalttaten auffallen, aber auch sol-che, die sich als «unpolitische» Mit-glieder einer Jugendsubkultur verste-hen. Diese unorganisierten undgesellschaftlich marginalisiertenGruppen, manchmal nur aus zwei bisdrei Leuten bestehend, mögen füreine Vielzahl von Morden undAngriffen verantwortlich sein.Wie unorganisiert diese Neonazisauch sein mögen, einige Einzelperso-

nen und Organisationen versuchenmehr oder weniger erfolgreich, dasgewalttätige Potenzial der Nazi-Skin-heads für die eigenen Ziele zu nut-zen. Bekanntestes Beispiel für solcheAllianzen ist der ehemalige Duma-Abgeordnete Nikolai Kuryanovich.Noch während seiner Amtszeit lud erbekannte Neonazis aus dem«Westen» ein, startete die skandalöseKampagne gegen russische Frauendie mit Ausländern verheiratet sind,nahm an rechtsextremen Demonstra-tionen teil und unterstützte Nazi-Skinheads, beispielsweise diejenigender Slavischen Union (SlavyanskySoyuz, SS). Deren Führer, DmitryDemushkin, begrüsste Kuryanovich

mit dem Hitlergruss.Strategie der Pogrome

Gezielt schüren rechtsextremeOrganisationen seit 2007 gesell-schaftliche Konflikte zu «Massenun-ruhen» und Pogromen. Mit solchenAktivitäten werden neonazistischeund nationalistische Ziele massen-tauglich gemacht. Inspiriert wurdendie Rechtsextremen durch Vorfälle inder Stadt Kondopoga, die sich im

  Jahr 2006 ereignet hatten. Damalsendete ein gewöhnlicher Konflikt,der in einer Bar seinen Anfang genommen hatte, in Pogromen undin der Vertreibung von Tschetsche-ninnen und Tschetschenen aus derStadt. Die nationalistische Propagan-da nutzte damals den Kneipenvorfallzur Hetze gegen ethnische Minder-heiten. Der damit geschürte Hassentlud sich bei breiten Bevölkerungs-schichten in gewalttätigen Übergrif-fen auf tschetschenische Nachbarin-

nen und Nachbarn. Solche Ereignis-se fallen nicht vom Himmel; sie set-zen ein hohes Mass an bereits vor-handenen, rassistischen Ressenti-ments in der Bevölkerung voraus.Insbesondere die Mitglieder derOrganisation «Bewegung gegen ille-gale Immigration» (Dvizhenie protivnelegalnoj immigratsii, oder DPNI)versucht, das Exempel von Kondopo-ga in anderen Städten zu wiederho-len. Der «erfolgreichste» Versuch er-eignete sich in Stavropol Krai zwi-schen Mai und Juni 2007. Am24. Mai entwickelte sich ein alltägli-cher Konflikt zu Massenausschschrei-

tungen, die zu rassistischen Spannun-gen, Panik und breit gestreutenGerüchten über getötete Russen undangebliche Brandstiftungen durch«Kaukasier» führten. Es sollen bis zu200 Leute an den Kämpfen teilge-nommen haben, wobei ein Tschet-schene ums Leben gekommen ist.Die Situation verschlimmerte sichnoch, als am 3. Juni zwei Studentengetötet wurden – angeblich von «kau-kasischen Männern». Lokale rechts-extreme Gruppen mobilisierten,unterstützt von ausserhalb, im Spe-ziellen von der DPNI und der «Rus-sian All-Nation Union» (RusskyObshchenatsionalny Soyuz oderRONS) für eine Massenveranstal-

tung, die am 5. Juni geplant war. DieTeilnehmerInnen des rassistischenAufmarsches wurden von der Polizeikontrolliert. Ein Aktivist der lokalenRONS kam in Haft und wurdewegen Anstiftung zu Rassenhassangeklagt.Ein weiterer wichtiger Anlass fürrechtsextreme Mobilisierungen warder «Russische Marsch» vom4. November, an dem von den Russi-schen Behörden neu erfundenen Fei-ertag namens «Tag der Einheit derVölker» (The Day of Peoples Unity).In Moskau nahmen an diesemMarsch im Jahr 2007 rund dreitau-

send Rechtsextreme teil, unter ihnenviele Nazi-Skinheads. Mindestens einDrittel der TeilnehmerInnen warenMitglieder der «Nationalsozialisti-schen Gesellschaft» (Natsional-Sot-sialisticheskoe Obshchestvo, NSO),einer der bekanntesten und gewalttä-tigsten Organisationen. Dieser Anlassist nicht nur ein rechtsextremes Aus-flugsziel, sondern führt auch zurKonsolidierung von neonazistischenund nationalistischen Kräften.Ansonsten ist die extreme Rechtestark zerstritten und beschuldigt sichgegenseitig der Spionage fürGeheimdienst und Polizei.

Reaktionen der AntifaschistIn-nen

Die antifaschistische Bewegung inRussland wächst im Moment sehrschnell. Neben kleinen Gruppen undEinzelpersonen, die seit mehr alszehn Jahren aktiv sind, hat sich inden letzten drei Jahren eine antifa-schistische Bewegung, oft mit militan-tem Charakter, entwickelt. Antifassind in Russland täglich an Leib undLeben bedroht. Hinzu kommt, dasssie von breiten Gesellschaftsschichtenausgegrenzt werden. Nicht zuletztaufgrund der omnipräsenten Bedro-hung wird deshalb vor allem die Stra-

tegie der direkten Aktion verfolgt.Diese ist in gewissen Situationensicherlich nützlich, es darf aber nichtnur bei dieser Aktionsebene blieben.Was es braucht, ist der Aufbau einerbreiter abgestützten Gegenkultur, diepositive Impulse setzt. Dies setzt aberauch ein Nachdenken über das eige-ne Tun einer relativ jungen Bewe-gung voraus.

Vera Kirsanova, Moscow

Russland

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 7 – 

«Wir sitzen in einem brennenden Boot»Rassismus und Neofaschismus in Russland

 Was du tun kannstNeben Kampagnen zur Sammlung von Geld für die russischen Antifas gibtes noch andere Wege, Solidarität zu zeigen. Verbreitet Informationen,erstellt Flugblätter, schreibt über die Situation in Russland in euren Blogs,organisiert Demonstrationen, schreibt an russische Antifas, um diese zustärken, oder kommt nach Russland und startet ein Projekt zusammen miteiner der russischen Gruppen oder Organisationen.

Weiter Informationen findet ihr auf der englischen Seite des SOVA Centerfor Information and Analyis: www.xeno.sova-center.ru.

Page 8: Lautstark! #15 / Juli 2008

8/3/2019 Lautstark! #15 / Juli 2008

http://slidepdf.com/reader/full/lautstark-15-juli-2008 8/8

Schwarze Schafe legen sichquer

Am 6. Oktober 2007 wollte dieSchweizerische Volkspartei (SVP) zurKrönung ihres reisserischen und ras-sistischen Wahlkampfes unter demMotto «Marsch nach Bern» durchdie Stadt Bern ziehen. Die SVP rief mit ihrem Vorhaben zahlreiche Geg-nerInnen auf den Plan: So protestier-te das Komitee «Das schwarzeSchaf» mit einer Gegenkundgebung auf dem Münsterplatz, verschiedeneautonome und antifaschistischeGruppen ihrerseits riefen zu direkten

Aktionen auf.

Auf dem Münsterplatz fand ab Mit-tag ein gut besuchtes Fest gegen Ras-sismus statt. Zwischen den Konzertengab es diverse Redebeiträge undStatements. Währenddessen kam eszu verschiedenen, zum Teil militan-ten Aktionen gegen den Aufmarschder SVP. Der Widerstand in derInnenstadt war vielfältig und effektiv:Die SVP musste ihre Abschlusskund-gebung schliesslich beim Bärengra-ben abhalten, der Gang auf denBundesplatz blieb ihr verwehrt.

Bleiberecht jetzt!

Rund 3000 Flüchtlinge und Sympa-thisantInnen haben am 19. April2008 in Zürich lautstark ein kollekti-ves Bleiberecht für Menschen, welcheseit Jahren hier leben, gefordert. DieDemonstranten verlangten ein radi-kales Umdenken in der aktuellenAsylpolitik. Während in vielen euro-päischen Ländern ein solches Bleibe-recht diskutiert wird oder längst um-gesetzt wurde und selbst die EUihren Mitgliedsstaaten diesen Schrittempfiehlt, findet in der Schweiz nichteinmal eine öffentliche Debatte dar-über statt. Dieser Umstand zeigt, wiesehr sich die politischen Parteien inder Schweiz von einer lösungsorien-tierten Migrationspolitik verabschie-

det haben und tatkräftig mitarbeitenan einem System, welches Menschenausgrenzt und diskriminiert.

Ob nun als papierlose Billiglohnar-beiter, als abgewiesene Flüchtlingeoder als vorläufig Aufgenommene: Eskann nicht sein, dass Menschen überzehn Jahre in einem Dauerprovisori-um hier leben müssen. DieserZustand macht krank und ist inak-zeptabel! Beim Abstimmungskampf um das neue Asylgesetz wurde ver-sprochen, dass anhand der Härtefall-regelung ein Instrument geschaffenwird, welches eine geregelte Aufent-haltsbewilligung für Menschenermöglicht, die schon Jahre hierleben. Der Kanton Zürich beispiels-weise ignorierte bis anhin diese Mass-nahme - in keinem anderen Kantonder Schweiz wird die Härtefallrege-lung so restriktiv umgesetzt. Dieangenommenen Gesuche können aneiner Hand abgezählt werden.

8. März – internationaler Frau-enkampftag

Unter dem Motto «Frauen, diekämpfen, sind Frauen, die leben!»versammelten sich am 8. März 2008rund 500 Frauen auf dem Hechtplatzin Zürich, um den internationalenFrauenkampftag kraftvoll und kämp-ferisch zu feiern. Der Parole wurdeauf vielen Bildern von berühmtenund unbekannten KämpferinnenAusdruck verliehen: «Damit wollenwir die vielen Frauen sichtbarmachen, die gestern und heute, hierund international gekämpft haben

und kämpfen.» Nach der Eröffnungs-rede zur Geschichte und Bedeutung des 8. Märzes ging die Demonstrati-on via Limmatquai zum Helvetia-platz. Es wurde darauf aufmerksamgemacht, dass weltweit Frauen fürbessere Lebens- und Arbeitsbedin-gungen kämpfen, nicht nur am8. März.

Bern: Doch ein 1.-Mai-Umzug

In Bern haben die Gewerkschaftenden 1.-Mai-Umzug aufgrund desAuffahrtstages kurzerhand abgesagt.Deshalb hat sich ein gewerkschafts-unabhängiges 1.-Mai-Bündnis gebil-det und zur Demo aufgerufen. Rund

200 Personen beteiligten sich amfrühmorgendlichen Gang durch dieAltstadt. An der offiziellen Platz-kundgebung mit den Gewerkschaftennahmen rund 500 Leute teil. Als derSP-Stadtpräsident Alexander Tschäp-pät seine Rede hielt, wurde er ausge-pfiffen und mit Wasserballonenbeworfen. Es formierte sich eine wei-tere Demo - weg von der Kundge-bung, ab durch die Berner Innen-stadt.

Zürich: 1. Mai am 1. Mai

In Zürich nahmen rund 10'000 Per-sonen an der offiziellen Grossdemon-stration durch die Zürcher Innen-

stadt teil. Im Anschluss an die Demofand ein vom Bündnis «1. Mai am1. Mai» organisiertes Konzert, u.a.mit den unverwüstlichen «UK Subs»,statt. Das Areal wurde hermetischvon der Polizei abgeriegelt. Vor Kon-zertbeginn stürmten Polizeigrenadie-re den Platz und kontrollierten dierund 1000 Anwesenden. Mit einermassiven Polizeipräsenz waren auchdie rund 2000 Personen auf demHelvetiaplatz konfrontiert, die eben-falls die Konzerte hören wollten, abernicht auf das Areal gelassen wurden.Zu einem gravierenden Zwischenfallkam es an der Dienerstrasse, als einAutofahrer in eine Menschenmengefuhr und dabei zwei Menschenschwer verletzte.

Was bisher geschah / Spende Russland!

lautstark! Ausgabe Nr. 15 – Juli 2008

 – 8 – 

Impressum:

Redaktion, Bilder und Layout:Antifa BernAuflage: 6000 Stück.Das «lautstark!» erscheintdreimal jährlich.Erscheinungsdatum: 15. Juli 2008

Kontakt: Antifa Bern,Postfach 5053, 3001 BernWeb: www.antifa.chE-Mail: [email protected]

SoliaboDas «lautstark!» kann

auch abonniert werden.

Schicke Fr. 20.– an:

Antifa Bern

Postfach 5053

3001 Bern

Und du erhältst die

nächsten drei Antifa-

Zeitungen bequem in

deinem Briefkasten.

Kapital dem Kampf!

Zaster, Kohle, Money... Auch wir kommen leider

nicht ohne aus. Das Magazin Lautstark!, die Web-

site, Flyer, Flugis und die Aufrechterhaltung

unserer Infrastruktur müssen bezahlt werden.

Deshalb sind wir auch über finanzielle Solida-

rität dankbar!

(Spenden)-Postkonto: 84-472259-7

Vermerk: Spende

Oder einfach Geld in ein Kuvert packen und an

folgende Adresse schicken: Antifa Bern, Postfach

5053, 3001 Bern

Lieben Dank allen SpenderInnen!

KurzmeldungenEin Blick zurück

Internationaler Spenden-

aufruf für Antifaschist-

Innen in Russland

In den letzten Jahren hat in Russland die

Zahl der Morde durch militante Neonazis

erheblich zugenommen. Sowohl MigrantInnen

als auch AntifaschistInnen sehen sich miteiner zunehmenden Gefährdung ihres Lebens

durch Nazi-Skins und Co. konfrontiert. All

dies vor dem Hintergrund eines Staates,

der dem Treiben der Neonazi-Szene weitgehend untätig zusieht, und alle

Gewalttaten mit einschlägigem Hintergrund als «Hooliganismus» abtut. Doch

es geht noch schlimmer: Mittels eines Extremismusgesetzes, das im Juni

2006 verabschiedet worden ist, geht man genau gegen diejenigen vor, die

aktiv antifaschistisch tätig sind.

Die Situation für Menschen, die sich abseits des Mainstreams bewegen,

wird immer schwerer und gefährlicher. Solidarität ist Pflicht! Geld ist

nicht alles, aber es kann den AktivistInnen helfen, Flugblätter zu pro-

duzieren, Kampagnen zu machen und AnwältInnen zu bezahlen.

Die Antifa Bern sammelt gemeinsam mit dem internationalen Netzwerk

«Antifa-Net» Spenden für die AntifaschistInnen in Russland. Spenden kön-

nen auf das (Spenden)-Postkonto: 84-472259-7 Vermerk Russland

überwiesen werden.

Herzlichen Dank!