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EINE VERLAGSBEILAGE DES BERLINER KURIER •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• LEBEN MIT BEHINDERUNG Mit modularer Bildung ins Arbeitsleben Hilfe bei der Suche nach einer eigenen Wohnung Computertechnik hilft Handicaps auszugleichen

Leben mit Behinderung

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Eine Sonderbeilage des Berliner Kurier

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Page 1: Leben mit Behinderung

E I N E V E R L A G S B E I L A G E D E S B E R L I N E R K U R I E R

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LEBEN MIT BEHINDERUNG

Mit modularer Bildungins Arbeitsleben

Hilfe bei der Suche nacheiner eigenen Wohnung

Computertechnik hilftHandicaps auszugleichen

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2 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Wenn andere auf die Kackehauen, dann habe ichnoch mal draufgehauen –

und zwar so lange, bis es spritzt“,sagt Hans Friedrich Baum, auchFidi genannt. Er sei ein exzessiverMensch, meint der 31-Jährige. Dasliege wohl daran, weil er immer dasmachen wollte, was andere auchtaten – und dann immer noch „ei-nen Zacken mehr“.Hans Friedrich Baum sitzt mit dreianderen jungen Männern im Grup-penraum einer Kita in PrenzlauerBerg. Man erwartet hier vieles: to-bende Kinder, zum Beispiel. He-rumliegendes Spielzeug, auf jedenFall. Ambitionierte Mütter, viel-leicht. Aber eine coole Hip-Hop-Gruppe? Die erwartet man hier nuneben gar nicht.Die vier jungen Männer nennensich die „Musterschüler“. Sie sindwohl Deutschlands einzige Hip-Hop-Band mit einem Rollstuhlfah-rer. „Das hoffe ich zumindest“,sagt Hans Friedrich Baum, aliasGraf Fidi und lacht. Denn er ist die-ser Rollstuhl-Fahrer. „Für dieses Al-leinstellungsmerkmal müssen wiraber ackern, ackern, ackern“, sagtFidi. Erst gestern habe er einenkleinwüchsigen, 1,30 Meter gro-ßen Rapper im Fernsehen gese-hen. Der 31-Jährige klingt ein biss-chen empört, blickt dabei seinGegenüber kurz prüfend an . Ironie:angekommen. Hans FriedrichBaum spielt gerne mit dem Kli-schee des Behinderten. Er nimmtsich selbst nicht so wichtig, siehtalles mit einem ironischen Blick –

Draufhauen,Sie heißen die „Musterschüler“ und sind in Deutschland wohl einzigartig.

so wie alle Musterschüler. „Ich willsehen wie die Leute reagieren“,sagt er. Denn nur weil man im Roll-stuhl sitze oder eben nicht zehnFinger habe, heiße das ja nicht,„dass wir nicht genauso gut sindwie alle anderen“. Er findet es be-zeichnend, dass es nur so wenigMenschen mit einer Behinderunggebe, die in der Öffentlichkeit ste-hen. So wie den Opernsänger Tho-mas Quasthoff, der mit einer Con-tergan-Schädigung geboren wurde.

Eine Menge Respekt

Seit einem dreiviertel Jahr ma-chen Benjamin Becker (alias Kis-teOne), Sven Hönicke (alias BTo-ung), Björn Grötzner (alias Flex)und Hans Friedrich Baum (aliasGraf Fidi) gemeinsam Musik. „Wirpassen einfach als Gruppe extremgut zusammen“, sagt Björn Grötz-ner, da spiele es keine Rolle, dasseiner von ihnen behindert sei. DasKlima innerhalb der Gruppe seiwohl gerade deshalb so entspanntund ausgeglichen, weil einer von ih-nen ein Handicap habe, meintGrötzner. Die Musterschüler sindso komplett anders, als die übli-chen Berliner Rapper: Björn Grötz-ner arbeitet als Historiker an derUniversität Potsdam. Benjamin Be-cker ist diplomierter Erzieher undarbeitet in der Kita, Sven Hönickeist dort Auszubildender und Baumderzeit dort Praktikant. Eigentlichstudiert er Soziale Arbeit auf Ba-chelor. Gerade hat er Semesterfe-rien und wollte aber in der Zeit et-was Praxisnahes machen.

PAULUS PONIZAK

Einzigartig: Die HipHop-Crew „Musterschüler“ ist wohl die einzige Band mit einem Rollstuhlfahrer. Für die vier Musiker ist das aber kein Problem.

Sobald die Sonne scheint, istdie Terrasse des Mauerca-fés in der Bernauer Straße

von Touristen bevölkert, die die ein-malige Aussicht auf den Fernseh-turm hinter der Berliner Mauernachempfinden wollen, gerade ausder Mauergedenkstätte kommenoder eine kleine Pause auf ihrerTour entlang des ehemaligen Mau-erstreifens einlegen. Auch Anwoh-ner und Schüler der nahe gelege-nen Pflegeschule genießen hier dieverschiedenen Snacks, Lavazza-Kaffee, hausgebackene Kuchenoder den Lobethaler Bio-Joghurt.Betrieben wird das Mauercafé vonden Hoffnungsthaler Werkstätten.Menschen mit kognitiven und psy-chischen Einschränkungen habenhier eine Arbeit gefunden und wer-den von erfahrenen Restaurant-fachkräften unterstützt. Jeder imTeam arbeitet nach seinen Mög-lichkeiten und Fähigkeiten mit, obim direkten Kundenkontakt oder inder Küche. Es tut ihnen gut, den Er-folg ihrer Arbeit direkt von den Gäs-ten zu erfahren. Und viele Besu-cher nehmen zum ersten Mal eineDienstleistung von Menschen mitBehinderung an.

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InteressanteBegegnungenIm Mauercafé arbeiten

Behinderte undNichtbehinderte zusammen

Seit 1992 unterstützen wir Menschen bei der Teilhabean der Gemeinschaft.

Wir bieten für Menschen mit Lernschwierigkeiten Betreute Wohngemeinschaften (BWG) Betreutes Einzelwohnen (BEW) mit Treffpunkten Begleitete Elternschaft (BEW + Familienhilfe)

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MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 3

Benjamin Becker erzählt die Ge-schichte vom Rapper-Mittwoch imCalabash-Club an der Veteranen-straße in Berlin-Mitte. Die Ge-schichte ist ein bisschen rührend,aber doch auch irgendwie bezeich-nend: Ein voller Raum, mit 200Leuten, allesamt Hip-Hop-Fans –„und alle haben sich auf den Bodengesetzt, damit auch die ganz hin-ten den Fidi auf der Bühne sehenkonnten.“ Ganz ohne Kommando.Da sei schon immer eine MengeRespekt mit im Spiel.Doch Hans Friedrich Baum hatauch schon einmal ganz andere Re-aktionen erlebt. Nach einem Auf-tritt kam zum Beispiel ein jungerMann auf ihn zu und meinte: „Dusitzt ja nur im Rollstuhl, um die Auf-merksamkeit auf dich zu ziehen.Mach dich nicht behinderter als dubist.“ Der Rapper geht mit solchenÄußerungen locker um, er hat seineigenes Mittel gefunden, um aufsolche Sprüche zu reagieren: Ermacht daraus einfach einen Song,mit dem Titel „Verarscht“: Der Roll-stuhl? Nur Show. Der missgebil-dete Finger? Nur angeklebt.Er lässt sich von solchen dummenSprüchen nicht beeindrucken. Da-für sind ihm die Musterschüler, istihm die Musik einfach zu wichtig.„Ich habe sonst nichts“, sagt derRapper. Für ihn sei die Musik, dasallerwichtigste und dafür „tue ich150 Prozent“. Wenn man wo hin-komme und sage, man mache Rap-Musik, dann könne man etwas vor-weisen, etwas erzählen. „Danimmt mir niemand so schnell die

Butter vom Brot“, sagt Fidi. Bevorsich die vier Musiker zu den Mus-terschülern zusammenschlossen,sei sein Leben ja eigentlich nichtschlecht gewesen: das Studiumlief gut, er hatte gerade eine neueFreundin – „und trotzdem ging esmir nicht gut“, erzählt Fidi. Die Mu-sik habe einfach gefehlt.Hans Friedrich Baum kam als Früh-chen auf die Welt, 980 Grammschwer. Drei Monate lag er im Brut-kasten. Seine Behinderung be-zeichnet man in der Fachspracheals irreparable Zerebralparese –eine vor oder während der Geburtentstandene Gehirnstörung, dieden Bewegungsapparat und dieSensomotorik negativ beeinflusst.Seine rechte Hand ist missgebil-det. „Warum ich so bin wie ich bin,kann niemand genau sagen“, er-klärt Fidi. Mit 16 liegt er über vierMonate lang im Universitätsklini-kum in Heidelberg.Obwohl es die Musterschüler erstseit einem dreiviertel Jahr gibt, hatihre Karriere schon Fahrt aufge-nommen: „Es passiert einfach un-glaublich viel Drumherum. Wirknüpfen neue Kontakte, haben Auf-tritte und produzieren neue Vi-deos“, sagt Bandmitglied Sven Hö-nicke. Alles gehe gerade verdammtschnell. Und darin könnte ein Prob-lem liegen. „Denn nach einem Auf-tritt bin ich einfach Matsch“, sagtFidi. Wenn die Auftritte jetzt immermehr würden, sei das ein Problem,mit dem sie sich auseinanderset-zen müssten. Aber das ist auchschon das Einzige. (spa.)

PAULUS PONIZAK

Einzigartig: Die HipHop-Crew „Musterschüler“ ist wohl die einzige Band mit einem Rollstuhlfahrer. Für die vier Musiker ist das aber kein Problem.

bis es spritztDenn die Musterschüler sind eine Hip-Hop-Gruppe samt Rollstuhlfahrer

Die Integration behinderterFrauen in den Arbeitsmarktist ein Thema, das in Berlin

noch zu wenig Aufmerksamkeit er-fährt. Deshalb erstellt der gemein-nützige Verein Life e.V. eine Bro-schüre mit Beispielen und Infor-mationen zum Berufseinstieg fürFrauen mit Handicap in Berlin-Mitte, die in Informations- und Be-ratungsstellen in Berlin Mitte aus-liegt und auf den Internetseitenvon Life e.V. und anderen Plattfor-men veröffentlicht wird.Ziel ist es, die Teilhabe am Arbeits-leben von Frauen mit Behinderungzu fördern. Deshalb werden solcheFrauen , die von ihrem erfolgrei-chen beruflichen Werdegang erzäh-len möchten. Im Informationsteilder Broschüre werden Beratungs-und Informationsstellen vorge-stellt, die behinderte Menschenbei der Arbeitssuche unterstützen.Vorgestellt wird die Broschüre„Barrierefrei statt karrierefrei“ imOktober auf einer öffentlichen Ver-anstaltung, auf der die Protagonis-tinnen und die Beratungs- und In-formationsstellen von ihren Erfah-rungen und Angeboten berichten.

Wer sich an der Broschüre be-teiligen möchte, kann sich meldenunter Tel. 030/308789-30 [email protected]

Barriere- stattkarrierefrei

Gesucht werden Frauen mitBehinderung, die von ihrem

Berufseinstieg erzählen

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VfJ Berlin e.V., Tel. (030) 68 281-3 · Grenzallee 53 · 12057 Berlin, [email protected]

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Hoffnungstaler Werkstätten gGmbHwww.lobetal.de • e-mail: [email protected]

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4 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Burghard Gründel (45) ziehtden Toner aus einemschrottreifen Laserdrucker.

„Wir müssen beachten, dass dieTeile aus unterschiedlichen Mate-rialien bestehen“, erklärt er. Alleindie 16 verschiedenen Aluminium-sorten müssen teilweise unter-schiedlich behandelt werden. Beiden Monitoren ist es noch wichti-ger, Kenntnisse über die Teile zuhaben, es gibt gefährliche Stoffedarin.Gründel arbeitet in der Recycling-abteilung der Lankwitzer Werkstät-ten in Berlin-Hohenschönhausen.Ein Sucht- problem führte vor Jah-ren zu solch starken Beeinträchti-gungen, dass er nicht mehr arbei-ten konnte. Der Weg in dieWerkstatt war damals ein wichtigerSchritt, um seinem Leben Strukturzu geben. Seine Sucht hat er seit16 Jahren überwunden. Man kannsagen, dass er in den vielen Jahrenseiner Werkstättenzugehörigkeitzu einem Fachmann in Sachen Re-cycling geworden ist. Dennochnimmt er jede Woche an einer mo-dularen Weiterbildung in der Werk-statt teil.

Patenschaften helfen

Der Weg in die Werkstatt geht überdas Eingangsverfahren in der Be-rufsbildung und von dort nach zweiJahren in den Arbeitsbereich. Aberhier gibt es Unterschiede in deneinzelnen Werkstätten. Währendeinige einen separaten Berufsbil-dungsbereich haben, wie die Berli-ner Werkstätten für BehinderteGmbH, findet in anderen Werkstät-ten die Berufsbildung direkt in denArbeitsbereichen statt. So ist dieLankwitzer Werkstatt organisiert.Die Vorteile einer integrierten Be-rufsausbildung liegen Betriebslei-ter Frank Hilbrich zufolge darin,dass die Mitarbeiter sofort ihreGruppenleiter, ihre Arbeitskolle-gen, ihre Werkzeuge, die Tages-struktur in der zukünftigen Abtei-lung kennen lernen. Besonders beiMenschen mit psychischen undseelischen Beeinträchtigungen istder Wechsel der Umgebung immermit Ängsten und Verunsicherungenverbunden. Patenschaften förderndas Zusammengehörigkeitsgefühlin der Gruppe und die Persönlich-keitsbildung. Das beschleunigt dieLernerfolge.Spätestens seit der Einführung ei-nes entsprechenden Fachkon-zepts der Agentur für Arbeit im Jahr2010 sind die Werkstätten auchdazu angehalten. Es werden expli-zit modulare Bildungsangebote ge-fordert, die die Beschäftigten aufeine Tätigkeit auf dem ersten Ar-

Jede Woche zur WeiterbildungIn Werkstätten für behinderte Menschen werden Betroffene an das Arbeitsleben herangeführt

beitsmarkt vorbereiten sollen. DerPraxisbezug steht also eindeutigim Vordergrund.Für Hilbrich ist modulare Bildungkein notwendiges Übel, sonderndie einzige Möglichkeit für ein le-benslanges Lernen aller Werkstät-tenmitarbeiter. Sie nehmen einmalin der Woche an 60 Minuten Unter-richt teil. „Oft dauern die Kurseaber länger als eine Stunde“,meint Gruppenleiter David Reyke.„Die Diskussionen sind teilweiseso spannend, dass man nicht ein-fach unterbrechen kann.“Auch für Stefanie Proske (29) istdas Bildungsangebot eine guteMöglichkeit, sich einzuarbeiten.Sie ist erst seit vergangenem Jahrin der Lankwitzer Werkstatt be-schäftigt und archiviert Belege undRechnungen. In zehn Unterrichts-stunden lernt sie den Datenschutz,Aufbewahrungsfristen, den Um-gang mit der Technik. Interessantsind die Lernziele der einzelnenModule. Neben den fachlichenSchwerpunkten stehen auch freiesSprechen vor und mit der Gruppeund „Soziale Kompetenz – Rück-sichtnahme und Toleranz“ im Plan.Menschen mit einer psychischenBeeinträchtigung können sich oftnicht artikulieren. Sie möchten esherausschreien, sind aber wie blo-ckiert. Die Außenwelt versteht einsolches Verhalten oft falsch unddie Betroffenen fühlen sich nochisolierter. Mit solchen ungewolltenVerhaltensweisen scheitern sie oftauf dem ersten Arbeitsmarkt.

Obligatorischer Abschlusstest

Neben dem sozialen Aspekt stehtdie fachliche Ausbildung im Mittel-punkt. Man versucht, die Rahmen-pläne der IHK für die einzelnen Ge-werke herunterzubrechen und denBedingungen der Werkstatt anzu-passen. Bestimmte Bereiche las-sen sich dabei allerdings nicht we-sentlich vereinfachen, hier wirddas gleiche Wissen verlangt, dasauch der Arbeiter auf dem erstenArbeitsmarkt benötigt. BurghardGründel muss die Umweltgesetze,die für das Recyceln von Elektronik-schrott gelten, genauso beachten,wie sein Kollege von ALBA auch.Am Ende der Ausbildung steht einAbschlusstest. Hilbrich hat hierfürFragebögen erarbeiten lassen, diejeweils drei Antworten anbieten.Für Mitarbeiter, die nicht lesen undschreiben können oder die ansons-ten Schwierigkeiten mit der Wahr-nehmung haben, werden die Fra-gen in Piktogrammen dargestellt.Dann braucht der Mitarbeiter nurdas entsprechende Bild anzukreu-zen. (sis)

SIEGURD SEIFERT

Burghardt Gründel ist mittlerweile ein Fachmann beim Recyling technischer Geräte geworden.

B E H I N D E R T E N W E R K S T Ä T T E N I N B E R L I N

BehindertenwerkstattIntegral-WfB, Pankow

Behindertenwerkstatt der FSELankwitzer Werkstätten gGmbH,Charlottenburg-Wilmersdorf,Steglitz-Zehlendorf, Lichtenberg,

Berliner Werkstätten fürBehinderte GmbH (BWB), Mitte

Blindenwerkstatt desBlindenhilfswerk Berlin e.V.,Steglitz-Zehlendorf

Delphin Werkstätten, Pankow

DIM – Die Imaginäre Manufaktur,Friedrichshain-Kreuzberg

Kaspar Hauser TherapeutikumBerlin, Pankow

LWB Lichtenberger Werkstatt fürBehinderte gGmbH, Lichtenberg

MOSAIK Werkstätten fürBehinderte gGmbH, Friedrichs-hain-Kreuzberg, Mitte, Spandau

VIA Werkstätten gGmbH,Mitte

Werkgemeinschaft für Berlin-Brandenburg Sozialtherapeuti-sche Werkstätten gGmbH,Steglitz- Zehlendorf

Werkstatt für behinderteMenschen, Lichtenberg

Weitere Informationen unterwww.hilfelotse-berlin.de

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Landesamt für Gesundheit und Soziales- Integrationsamt -Landesamt für Gesundheit und SozialesIntegrationsamt

Integrationsamt – Ihr Partner, wenn es um die Teilhabeschwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben geht!

LiebeArbeitgeberinnenund Arbeitgeber!

Jedem Menschenmit Behinderungsoll die gleichbe-

rechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ermög-licht werden.Ans Herz legen möchte ich Ihnen auch dieKonvention über die Rechte der Menschen mitBehinderung der Vereinten Nationen, die seit

März 2009 geltendes Recht in Deutschland ist.Ziel der Behindertenkonvention ist, die Ange-bote und Hilfen für behinderte Menschen amLeitgedanken der Inklusion auszurichten.Dies bedeutet nicht den Abschied vom Ansatzder Integration, sondern setzt die Möglichkeitvoraus, selbstbestimmt zu entscheiden, wieinklusiv oder exklusiv der Einzelne an derGesellschaft teilhaben will.Das Integrationsamt im Landesamt für Ge-sundheit und Soziales Berlin hat die Aufgabe,die Integration schwerbehinderter Menschen

im Arbeitsleben zu fördern. Um Arbeitsplätzefür schwerbehinderte Menschen zu schaffenund zu sichern, kann das Integrationsamt Ar-beitgebern und schwerbehinderten Menschenfinanzielle Leistungen gewähren.Die Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderterMenschen soll dadurch gestärkt und die Chan-cengleichheit gegenüber nicht behindertenArbeitnehmern verbessert werden. Selbstver-ständlich werden alle Beteiligten von meinenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch pro-fessionell und unbürokratisch beraten.

Um Ihnen einen Einblick in die Vielfalt derMöglichkeiten zu verschaffen, stelle ich Ihnendas Leistungsspektrum des Integrationsam-tes dar.Besuchen Sie uns im Integrationsamt – demKompetenzzentrum für die berufliche Teilhabeschwerbehinderter Menschen!

Ulf Meyer-GollingLeiter des Integrationsamtes imLandesamt für Gesundheit und Soziales

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Sprechzeiten: Montag / Dienstag / Freitag: 09:00 – 12:00 UhrPostfach 310929 · 10639 Berlin · E-Mail: [email protected] · Weitere Informationen im Internet: www.lageso.berlin.de

Für den Inhalt verantwortlich: Nelli Stanko – II C 15 – Z IK – V.i.S.d.P.: Silvia Kostner

Begleitende Hilfe im ArbeitslebenFinanzielle Hilfen an Arbeitgeber:➾ Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen➾ Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte

Menschen➾ Behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen➾ Prämien und Zuschüsse für Berufsausbildung

Finanzielle Hilfen an schwerbehinderte Menschen:➾ Technische Arbeitshilfen➾ Fortbildungen➾ Gründung und Erhaltung einer selbstständigen Existenz➾ Leistungen in besonderen Lebenslagen➾ Arbeitsassistenz

Beratungs- und Betreuungsleistungen:Wer hat Anspruch?➾ Arbeitgeber➾ Betriebs- und Personalräte➾ Schwerbehindertenvertretungen➾ schwerbehinderte oder gleichgestellte ArbeitnehmerWer erbringt diese Leistungen?➾ Der Technische Beratungsdienst des Integrationsamtes➾ Sachbearbeiter des Integrationsamtes➾ Integrationsfachdienste (IFD)

Aufklärungs-, Schulungs- und BildungsmaßnahmenZiel: Schwerbehindertenvertretungen, Betriebs- und Personalräte sowie Arbeit-gebervertretungen über ihre Rechte und Pflichten nach dem Schwerbehinderten-recht zu informieren.Themen: Grund- und Aufbaukurse zum Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch –(SGB IX) sowie Fachseminare.Fachpublikationen: Die Schulungsbroschüre und weiteres Informationsmaterialstellen wir Ihnen kostenfrei zur Verfügung.

Erhebung und Verwendung der AusgleichsabgabePrivate und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen(Jahresdurchschnitt) sind laut SGB IX verpflichtet, schwerbehinderte Menschenzu beschäftigen.Bei Nichterfüllung der Beschäftigungsquote in Höhe von 5% entrichtet derArbeitgeber jährlich eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt.Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden ausschließlich für die Förderung derTeilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben verwendet.

IntegrationspreisDas Land Berlin vergibt jährlich den Integrationspreis an ein Unternehmen,das schwerbehinderte Menschen vorbildlich ausbildet oder beschäftigt.Das Unternehmen des Gewinners erhält eine Geldprämie, eine Urkunde,eine Skulptur und Werbe-Broschüren.Bewerben können sich private wie öffentliche Unternehmen jeder Größe und allerWirtschaftsbereiche (mit Ausnahme anerkannter Integrationsunternehmen).

Ansprechpartnerin für Bewerbungen: Fr. StankoE-Mail: [email protected].: 030 / 90229-3307Informationen im Internet:http://www.berlin.de/lageso/arbeit/integrationspreis/index.html

Durchführung des besonderen KündigungsschutzesDas SGB IX sieht für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen einenbesonderen Kündigungsschutz vor.Behinderte Beschäftigte sollen dadurch vor Nachteilen geschützt werden,die aufgrund ihrer Behinderung entstehen.Danach ist die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers mit vorherigerZustimmung des Integrationsamtes möglich.Es muss aber nicht zu einer Kündigung kommen.Bei Schwierigkeiten können schwerbehinderte Arbeitnehmer und deren Arbeit-geber die vielseitigen Hilfen des Integrationsamtes in Anspruch nehmen.Vorrangiges Ziel ist immer eine einvernehmliche Weiterbeschäftigung.Deshalb unterstützt das Integrationsamt sowohl den Arbeitgeber als auch denschwerbehinderten Beschäftigten in allen Belangen um die berufliche Situation.

Ihr Integrationsteam ziehtim April 2012 um!

Die neue Anschrift lautet:Landesamt für Gesundheitund Soziales BerlinIntegrationsamt - Etage 2Turmstraße 21, Haus A10559 Berlin (Mitte)

Zentrales Ziel ist die Förderung von Selbstbestimmung undTeilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben

Telefonische Auskunft, Vermittlung an den zuständigen Fachbereich sowie Zusendung von Broschüren und Flyern: 030 / 90229-0

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Gregoria Weinhausist die Besitzerindes berüchtig-

ten Mietshauses „Pa-lazzo“ in Ibiza, erzählt Mi-chael Poggemann undschneidet ein Bild aus einerZeitschrift aus. Dieses Bild in-spiriert ihn, allerdings nicht zueinem Modell des Hauses, son-dern zu einer Vase der ganz beson-deren Art. Seine Vase hat Henkelwie man sie von einer Tasse kennt.Und davon hat sie sogar drei! Viel-leicht hat er sich gedacht, dass inein berüchtigtes Mietshaus skur-rile Einrichtungsgegenstände ge-hören, man weiß es nicht. Sicherist nur, dass beides seiner Fanta-sie entsprungen ist.

Michael Poggemann ist einMensch mit Lernschwierigkeiten.Er hat das Glück, in einer Werkstattzu arbeiten, die ihm Freiräume ein-räumt und ihm die Gelegenheitgibt, seiner Fantasie Gestalt zu ge-ben. Er ist Teilnehmer eines partizi-pativen Designprojekts. Gemein-sam diskutiert die Gruppe überbestimmte Themen und legt dieRichtung fest, in der die Idee umge-setzt werden kann.

Verantwortlich für das Projektist Isabelle Dechamps, eine diplo-mierte Designerin, die an derKunsthochschule Weißensee stu-dierte. Seit vielen Jahren arbeitenHochschule und Werkstatt eng mit-einander, zahlreiche Projekte sinddieser Kooperation entsprungen.Die Idee für das Projekt kam ihrwährend eines Praktikums bei ei-nem renommierten Möbeldesig-ner. Dort erkannte sie für sich,dass es nicht ihr Lebenszweck seinkann, noch mehr schöne Gegen-stände für einen sowieso schonübersättigten Luxusmarkt herzu-stellen. Sie wollte ein Design entwi-ckeln, das eine ethische Produk-tion mit Nachhaltigkeit und Ver-antwortung für die Gesellschaftverbindet.

Reichlich kreatives Potenzial

Während einer Hospitanz in der Ke-ramikwerkstatt der VIA-Werkstattlernte sie den Arbeitsalltag in einerWerkstatt für behinderte Men-schen kennen und stellte sich dieFrage, warum man die Werkstät-tenmitarbeiter nicht selbst in denGestaltungsprozess einbezieht.Sie sollten nicht nur irgendwelcheAufträge mechanisch abarbeiten,sondern selbst Produkte entwer-fen und herstellen.

Ihre Professoren an der Hoch-schule erkannten das Potenzialdieser Idee. Sie schlugen IsabelleDechamps vor, das Projekt zum

Vom Glück, die eigene Kreativität zu erfahrenDie VIA-Keramikwerkstatt arbeitet seit Jahren erfolgreich mit der Kunsthochschule Weißensee zusammen

Thema ihrer Diplomarbeit zu neh-men. Eine Rektorin, die selbst auseinem Bereich kommt, in dem par-tizipatorische und künstlerischeAnsätze sehr verbreitet sind, halfihr Mittel zu finden, diese partizipa-tiven Designstrategien in denHochschulalltag zu verankern.

Heute ist sie fest verwurzelt indieser Gruppe kreativer Chaoten,die gewöhnliche Gebrauchsgegen-stände wie Vasen, Müsli-Schalen,Gewürzstreuer oder einfache Aufbe-wahrungsboxen aus Porzellan her-stellen. Ihre Schönheit gewinnendiese manchmal skurril anmuten-den Gegenstände aus dem „Um-die-Ecke-Denken“ der Designer.

Sie alle sind Mitarbeiter in einerWerkstatt für behinderte Men-schen, haben Beeinträchtigungendieser oder jener Art. „Für mich wares wichtig, ihnen nicht aus einerüberlegenen Position zu begeg-

nen, ihre Stärken zufinden und zu fördern

und nicht die Schwä-chen zum Projektgegen-

stand zu machen“, er-klärt Isabell Dechamps.

Michael Poggemannbeispielsweise hat künstle-

risches Interesse und Talent.Seine selbstbestimmte Art,

Ideen zu entwickeln, bereichertdie Gruppe sehr. In einem einfa-

chen Bild eine Geschichte wie dieder Gregoria Weinhaus zu erken-nen, zeugt von reichlich kreativemPotenzial. Und daraus dann eineIdee für eine Henkelvase mit Hen-keldeckel aus einer umgekehrtenMüslischale zu entwickeln, istschon Kunst auf höherem Niveau.„Für mich war es interessant zu er-fahren, dass jeder Einzelne vonuns eine andere Fantasie hat“, er-klärt er. „Das ist gerade das Gute

daran, dass jeder dieWelt mit seinen ei-genen Augen sieht.“

Seit Jahrtausen-den ist finanziellerSpielraum derärgste Feind derKreativität. Wiesollte es diesenkünstlerisch tätigenMenschen anders er-gehen? Zum Glückgibt es inzwischendas Internet und da-

mit ganz neue Finanzierungs-formen. Zum Beispiel, dass manüber geeignete Plattformen sichseine Mäzene selbst sucht. AufNeudeutsch heißt so etwas„Crowdfunding“. Die Idee ist soeinfach wie wirkungsvoll: Man er-klärt sein Vorhaben im Internet undlässt die Leser dieser Seite dar-über abstimmen, ob sie die Ideegut finden oder nicht. Einziger Un-terschied zu bisherigen Verfahrenist lediglich, dass man seine Zu-stimmung durch eine mehr oderweniger kleine Spende zum Aus-druck bringt. Die Künstler des Pro-jekts „able“ haben auf diese Weise8419 Euro zusammenbekommen.

Dieses erfolgreiche Projektgeht nun in die nächste Phase: Essoll auf andere Werkstätten für be-hinderte Menschen übertragenwerden. Interessenten dafür ha-ben sich schon zahlreich währendder Werkstättenmesse in Nürn-berg, die in diesem Monat statt-fand, gemeldet. (sis)

Einzelheiten zu diesem erfolgrei-chen Projekt erfährt man unter:www.able-berlin.de

MichaelPoggemannmit seinerHenkelvase.ISABELLE DECHAMPS (3)

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MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 9

Mirko Hartung (30) schautgespannt auf ein Flip-chart, auf dem in großen

Lettern „Ziele“ steht. Gemeinsammit Psychologin Sandra Berger undSozialarbeiterin Anne Gersdorfferarbeitet er die Ziele in seinem Le-ben. Ihm ist klar, nur wer weiß, waser will, kann es auch erreichen.Deshalb nimmt er diese Beratungim Berliner Zentrum für Selbstbe-stimmtes Leben in der PrenzlauerAllee 36 in Anspruch.Nicht abhängig sein und sein Le-ben so weit wie irgend möglichselbst gestalten, das ist bei denMitarbeitern die Devise. „Wir hel-fen, Bedingungen zu schaffen, diees Menschen mit unterschiedlichs-ten Behinderungen ermöglichen,unabhängig von Institutionen undselbstbestimmt zu leben“, betontBarbara Poge, die Vorsitzende desVereins, der Beratung, Fortbildungund begleitende Unterstützung an-bietet. Sie nennen das Peer Coun-seling und Peer Support.Einer der Schwerpunkte in der Be-ratung ist immer wieder, eine geeig-nete behindertengerechte Woh-nung zu finden. Denn damit fängtdie Selbstbestimmung an: eineTür, die man hinter sich zu machenkann und hinter der das Privatle-ben beginnt. Nicht umsonst ist dieUnverletzlichkeit der eigenen Woh-nung im Paragraf 13 des Grundge-setzes geregelt.Geschäftsführer Hans-Reiner Bön-ning zeigt, wie man sich über die

Das Angebot ist noch dürftigMit einer eigenen Wohnung fängt die Selbstbestimmung an

Website des Landesamtes für Ge-sundheit eine Wohnung suchenkann. In einer Suchmaske trägt erein, in welcher Etage die Wohnungliegen soll, wie viel Zimmer sie ha-ben und wie teuer sie sein soll, obman einen Balkon oder eine Ga-rage möchte. Was sehr komforta-bel aussieht, entpuppt sich dannaber doch als ein ziemlich dürftiges

Angebot. Nur eine einzige Woh-nung spukt die Ergebnisliste aus.„Wir versuchen möglichst über dieWohnungsgesellschaften geeigne-ten Wohnraum zu finden“, beteu-ert Bönning.Oft wird auch eine Assistenz benö-tigt. Weitere Angebote betreffendie Integration und Ausbildung inBetrieben des ersten Arbeitsmark-tes für junge Menschen ebensowie die Unterstützung von Men-schen mit Behinderungen aus derGeneration 50+.Mirko Hartung hat übrigens eine ei-gene Wohnung. Er wohnt in Britzund fühlt sich dort wohl. „Eine ei-gene Wohnung ist für mich ganzwichtig. Sie gibt mir Sicherheit undGeborgenheit“, betont er. Die Be-ratung zur Zukunftsplanung sollihm helfen, den Weg auf den allge-meinen Arbeitsmarkt zu finden. Erhat schon verschiedene Anläufegenommen, richtig geklappt hat esaber noch nicht. Die Berater vomZentrum Selbstbestimmtes Lebenwollen ihm jetzt über ein Praktikumim Ausland helfen, das nötige Wis-sen und die Erfahrungen zu vermit-teln, die er für eine Arbeit hier brau-chen würde. Am liebsten würde ernach Italien gehen. Der Verein ver-mittelt solche Praktika nachSchweden, Finnland, Großbritan-nien, in die Niederlande oder nachItalien. Hat er keine Angst vor derfremden Sprache? „Ich kann dochschon ein bisschen Russisch spre-chen“, sagt er und lacht. (sis)

S U C H E

www.bzsl.de – BerlinerZentrum für SelbstbestimmtesLeben e.V.

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1 0 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Für viele Menschen ist „Inklu-sion“ noch ein unbekanntes,zumindest erläuterungsbe-

dürftiges Wort. Jenes Wort stammtaus der Behindertenkonventionder Vereinten Nationen, dort stehtim Artikel 24: „Die Vertragsstaatenanerkennen das Recht von Men-schen mit Behinderungen auf Bil-dung. Um dieses Recht ohne Dis-kriminierung und auf der Grundlageder Chancengleichheit zu verwirkli-chen, gewährleisten die Vertrags-staaten ein inklusives Bildungs-system auf allen Ebenen undlebenslanges Lernen ...“ Dasmuss man sich genau durchlesen,denn damit verbunden ist ein tief-greifender Wandel des bisherigendeutschen Schulsystems. Sonder-schulen müssten, denkt mandiese UN-Konvention zu Ende, weit-gehend aufgelöst werden, dieGymnasien müssten mehr behin-derte Schüler aufnehmen und zumAbitur führen. Alle Lehrer müsstenbehinderte Kinder wie ganz nor-male Schüler begreifen, auf derenEigenheiten man vorbereitet seinmuss. Sei es ein Stotterer mit Kon-zentrationsschwächen, ein Autistoder ein Kind, das kein ausgepräg-tes Sozialverhalten hat.

Große Veränderung

Die Inklusion steht auf der Tagesord-nung: Denn Deutschland hat dieseUN-Konvention anerkannt, Elternvon behinderten Kinder können sichschulrechtlichdaraufbeziehen.Aberviele dieser Eltern fürchten geradedie Auflösung der Förderschulen.Der Unterschied übrigens zu integra-tiven Grundschulen, die vielerortsbereits bestehen, wäre etwa, dassdort bislang behinderte Kinder in dieGruppe von „Normalen“ integriertwerdensollten.Dabeibliebendiebe-hinderten Kinder aber eine beson-dere Gruppe. Das Konzept der Inklu-sion hingegen, gehe von aus, dass„alle Kinder unterschiedlich sind“,formuliert es der BildungsforscherHans Brügelmann. Behinderte Kin-der sollen an den Schulen also garnichtmehrbesondersauffallen,son-dern sich einfügen in eine vielfältigeSchülerschaft.So weit so gut. Doch so einfach istdas nicht. Die Berliner Bildungsse-natorin Sandra Scheers (SPD) hatnun die Umsetzung der Inklusion inBerlin erst einmal ausgesetzt.„Kostenneutral ist das nicht umzu-setzen“, sagt sie. Genau das sahnämlich das Konzept ihres Vorgän-gers Jürgen Zöllner (SPD) vor, dasallein schon zwei Jahre hatte aufsich warten lassen. Zöllner wolltezunächst die lern- und sprachbe-hinderten sowie die verhaltensauf-

Inklusion – das unbekannte WortDie Berliner Schulen müssen sich deshalb in den nächsten Jahren auf eine umfangreiche Reform einstellen

fälligen Schüler an die Regelschu-len bringen, viele Förderschulenauflösen. Scheers will nun erst ein-mal einen Beirat einberufen, dembetroffene Elterninitiativen wie dasBerliner Elternzentrum, AutismusDeutschland und viele anderemehr. Einen unabhängigen Beirats-vorsitzenden, der die teilweise zer-strittenen Gruppierungen zusam-menführe soll, ist indes noch nichtgefunden. Viele Eltern behinderterKinder haben Angst davor, dassFörderschulen aufgelöst werdenund die Kinder an den Regelschu-len scheitern.Scheers sieht die Inklusion auf je-denFall alsein„Schwerpunktthemain dieser Legislaturperiode. Aller-dings hat sie im neuen Doppelhaus-halt 2012/13 dafür erst einmalkaum Geld bereitstellen lassen. Esseien noch viele Dinge zu klären,sagt Scheers. So muss es eine zen-trale Diagnostik zumindest nacheinheitlichen Kriterien geben. Der-zeit werden etwa in Lichtenbergdeutlich mehr Kinder als behinderteingestuft als etwa in Tempelhof-Schöneberg. Problematisch seiauch, dass die Feststellung des För-derbedarfs erst einige Zeit nachdem Schuleintritt erfolge. Auch derÜbergang von behinderten Kindernin die Oberschulen bedürfe noch ge-nauerer Prüfung, sagte Scheers.Das alles werde deutlich mehr Geldkosten, das sei klar.Nach internen Papieren rechnetder rot-schwarze Senat mit erhebli-chen Mehrkosten, wenn das Inklu-sions-Konzept eingeführt werdensoll. Allein für Umbauten und fürMaßnahmen zur Barrierefreiheitwie den Einbau von Aufzügen rech-net man bis 2015 mit Mehrkostenin Höhe von 48 Millionen Euro.Hinzu kommen im gleichen Zeit-raum noch einmal 53 MillionenEuro für die nötige Personalaus-stattung. Von „Kostenneutralität“ist längst nicht mehr die Rede.Offenkundig ist, dass die zusätzli-chen Stunden, die Schulen für be-hinderte Kinder erhalten, seit Jah-ren abgesenkt worden sind. AnGrundschulen gibt es für einen be-hinderten Schüler statistisch etwa2,5 Wochenstunden mehr zur Ver-fügung. Die Grünen hatte im Wahl-kampf gefordert diesen Zuschlagwenigstens um eine Wochen-stunde auf 3,5 zu erhöhen. Auchandere Politiker stimmten dem hin-ter vorgehaltener Hand zu. In dennächsten zwölf Monaten werdennun die entscheidenden Weichenfür die Inklusion gestellt. Zögertsich die Umsetzung noch weiterheraus, ist in Berlin mit ersten Kla-gen vor Gericht zu rechnen. (mk)

IMAGO

Behinderte Schüler sollen sich in eine vielfältige Schülerschaft einfügen.

K O N Z E P T A U F G E S C H O B E N

Integriert: In Berlin besuchen be-reits 40 Prozent der Kinder mitFörderbedarf eine Regelschule,und keine Förderschule. Im Bun-desdurchschnitt sind es nur20 Prozent. Die UN-Behinderten-konvention zur Inklusion gilt inDeutschland seit 2009.

Sonderschulen: Derzeit gibt es inBerlin etwa 60 Förderschulen fürsprach- und lernbehinderte Kin-der Diese Schulen sollten nachden Plänen von Ex- Bildungssena-

tor Jürgen Zöllner zunächst suk-zessive aufgelöst werden.

Ausgesetzt: Die neue Bildungs-senatorin Sandra Scheeres(SPD) will in einem Jahr ein neuesInklusions-Konzept vorlegen.

Termin: Am 5. Mai organisiert derGrundschulverband von 9.30 bis13 Uhr in der Galilei-Grundschulein Kreuzberg eine Veranstaltungzum Thema „Bausteine auf demWeg zur inklusiven Schule“.

Personen mit dem grün-oran-gen Schwerbehindertenaus-weis und dem Beiblatt mit

gültiger Wertmarke können seitSeptember 2011 alle Nahver-kehrszüge der Deutschen Bahnund anderer Eisenbahnverkehrs-unternehmen bundesweit in der 2.Klasse ohne zusätzliche Fahrkartenutzen. IC/EC-, ICE- und D-Zügesind nicht von der Regelung betrof-fen. Im Verkehrsverbund Ber-lin/Brandenburg können Men-schen mit dem entsprechendenSchwerbehindertenausweis ohneKilometerbegrenzung alle Ver-kehrsmittel (RB, S-, U-, Straßen-bahn, Bus und Wasserfahrzeugeim Linien-, Fähr- und Übersetzver-kehr) kostenlos nutzen.

Die Berechtigung erhalten die-jenigen, die aus medizinischenGründen erheblich oder außerge-wöhnlich gehbehindert sind (Merk-zeichen G bzw. aG, Gehörlose (GI),Blinde (BI) und/oder Hilflose (H) ),oder Kriegsbeschädigte undGleichgestellte sowie Verfolgte imSinne des Bundesentschädigungs-gesetzes, die bereits vor dem 1.Oktober 1979 Anspruch auf Frei-fahrt hatten.Das Beiblatt mit Wertmarke kostetjährlich 60 Euro, halbjährlich 30Euro. Eine kostenlose Wertmarkekönnen Personen mit den entspre-chenden Merkzeichen im Ausweisbeantragen, wenn sie Hartz IV, So-zialhilfe, Grundsicherung, lau-fende Leistungen der Kinder- undJugendhilfe (SGB VIII) erhalten, Be-zieher einer ergänzen- den Hilfezum Lebensunterhalt nach demBundesversorgungsgesetz(§§27a und 27d BVG) sind, oderbeim Bemessen dieser Leistungenals MItglied der Bedarfsgemein-schaft berücksichtigt werden.Die Begleitperson eines Schwerbe-hinderten mit dem Merkzeichen„B“ im Ausweis fährt immer kos-tenlos mit. Handgepäck, Kranken-fahrstuhl und sonstige orthopädi-sche Hilfsmittel, Blindenführ- oderBegleithunde (§ 145 Abs. 2 Nr. 2SGB IX) werden ebenso kostenfreitransportiert.

Freie Fahrt mitBus und BahnDie Freifahrtregelung für

schwerbehinderte Menschenwurde 2011 erweitert

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Page 11: Leben mit Behinderung

MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 1 1

Die Menschen bedienen sichseit jeher zahlreicher Hilfs-mittel, um Handicaps aus-

zugleichen. Heute hilft dabei mo-derne Computertechnik.

Assistenzsystem für den Pflege-bereich: Das Institut für Kommuni-kationstechnologie an der Fach-hochschule Flensburg arbeitet aneinem „System for Home Care“.Alltagssituationen wie ein defek-tes Fernsehgerät, ein vergessenesBügeleisen oder ein Sturz könnenzu tödlichen Gefahren werden. Esgibt zwar Notrufsender, die am Kör-per getragen werden können. Aberdie Realität zeigt, dass sie geradein Notsituationen nicht bedientwerden können. Nach Vorstellun-gen der Wissenschaftler reagierenkünftig im Boden oder im Herd ein-gebaute Sensoren auf Geräusche,Gerüche, Druck oder Temperatur.So wird zum Beispiel die Tempera-tur reguliert, ferngesteuert Lichtgelöscht, eine vergessene Herd-platte ausgeschaltet oder um Hilfe

Computer helfen beim Ausgleich von HandicapsNeuentwicklungen aus Wissenschaft und Technik

gerufen, wenn ein Mensch fällt undnicht wieder aufstehen kann.

Brain-Computer-Interface an derSchwelle zum Praxiseinsatz: Ge-hirn-Computer-Schnittstellen las-sen Menschen durch und mit sich

selbst kommunizieren. Durch sieist es möglich, Gehirnströme voneiner Elektrodenhaube in Steuer-signale umzusetzen und gezielt aufeine Neuroprothese an Gliedma-ßen zu übertragen. Hybride Brain-Computer-Interface (BCI)-Systeme

spielen dabei eine spezielle Rolle:Auf diese Weise kann ein optima-les Signal aus zwei Kommunikati-onssystemen – BCI und Joystick –gewonnen und miteinander kombi-niert werden. „Querschnittsge-lähmte Menschen heilen zu kön-

nen, liegt aber noch in fernerZukunft“, betont Gernot Müller-Putz vom Institut für SemantischeDatenanalyse der TU Graz.

Sportgerät „polarwolf“: JulianRathmann hat im Rahmen seinerDiplomarbeit an der HochschuleCoburg ein hochfunktionalesSportgerät, den „polarwolf“, fürSledge-Hockey entwickelt. DiesesEishockey für Sportler mit Handi-caps gilt als physisch härteste Win-tersportart im Handicap-Bereich.Im Gegensatz zum Eishockey be-wegen sich die Spieler nicht aufSchlittschuhen, sondern aufSchlitten. Der „polarwolf“ eignetsich aufgrund seines modularenAufbaus für viele Spieler und kannleicht vor Ort repariert werden.

Handys: Über eine spezielle Soft-ware können sehbehinderte Men-schen mit der Handykamera Fotosvon Texten schießen und sichdiese per Sprachausgabe vorlesenlassen. (sis)

Schlitten stattSchuhe: Eishockey

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1 2 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 26. MÄRZ 2012 I VERLAGSBEILAGE

Es ist Sonntag. Der 13. No-vember 1983. Reiner Köhnsetzt sich an seinen Schreib-

tisch, nimmt einen Stift zur Handund fängt an zu schreiben. Der da-mals 32-Jährige schreibt undschreibt – und schreibt. Erst tage-lang, dann wochenlang, dann jah-relang. Erst nur mit einem einfa-chen Stift, dann mit einerSchreibmaschine, seit einigen Jah-ren nun schon mit dem Computer.Reiner Köhn schreibt sein Lebenauf – und das mittlerweile seit 29Jahren. „Ich wollte das, was ich er-lebt habe, für die Nachwelt erhal-ten und niederschreiben“, sagt derheute 61-Jährige. Es sind die präzi-sen und teilweise fotografisch ge-nauen Momentaufnahmen einesganzen Lebens. Eines Lebens miteiner geistigen Behinderung.Manche taten seine Autobiografieerst als „Spinnergeschichten“ ab.Aber von solchen Leuten habe ersich nie unterkriegen lassen, sagtReiner Köhn und lacht verschmitzt.Seit rund 32 Jahren lebt er in derbetreuten Wohngemeinschaft desUnionshilfswerks an der Helm-holtzstraße in Charlottenburg. Anseinen Einzug erinnert sich ReinerKöhn noch genau: „Das war der 1.Juli 1989. Es war ein heißer Som-mertag und der Aufzug war kaputt.Wir mussten alles in den viertenStock hoch tragen.“ Reiner Köhnhat ein Faible für Zahlen. DutzendeGeburtstage, Todestage oder Jah-reszahlen kann er ohne zu zögernaufzählen.Wenn Reiner Köhn seine Erinnerun-gen aufschreibt, dann sind sie oftliebevoll und detailreich – beson-ders, wenn es um seine Mutter

Eine ganze Menge LebenSeit 29 Jahren schreibt Reiner Köhn an seinen Memoiren. Für ihn ist das Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung

geht. Wenn er von ihr erzählt, dannspricht er immer nur von „Mut-tern“.Dass es in seiner Autobiografie oftum die gleichen, immer wiederkeh-renden Erinnerungen geht, störtihn aber wenig. Ihm geht es um dasSchreiben an sich und das Erin-nern: „Ich, Reiner Köhn, wurde ge-boren am 11.2.1951, an einemSonntag. Mein Vater war hoch er-freut.“ Er sei ein richtiges Sonn-tagskind, sagt er, so wie sein Bru-der. Das läge wohl in der Familie,

dass die Kinder an einem Sonntagauf die Welt kämen.Reiner Köhn sitzt vor seinem Com-puter, wie fast jeden Tag. Er zählt:„82, 83, 84“. 84 Kapitel hat ermittlerweile geschrieben, 105 sol-len es werden. Die meisten sindnur rund eine halbe Seite lang –aber sie sind echte Handarbeit.Denn ganz am Anfang schrieb Rei-ner Köhn alles noch von Hand auf.Die Betreuer mussten es dann kor-rigieren, dann schrieb er es inSchönschrift ab, wieder Korrektur,

wieder abschreiben. „Das war einständiger Kreislauf, bei dem esaber nie so richtig vorwärtsging“,erinnert sich Valeria Weimann. Sieist seit 21 Jahren Betreuerin in derWG Helmholtzstraße. Mittlerweilehat Reiner Köhn fünf Schreibma-schinen und zwei Computer-Bild-schirme verschlissen. Eines Tageswill er seine Memoiren veröffentli-chen, das ist sein Traum. Und erwill viel Geld damit verdienen. Vondem Geld kauft er sich dann einChalet in der Schweiz. „Und Frau

Weiman kommt mit und kümmertsich um mein Geld“, schwebt esdem 62-Jährigen vor. Seit rund dreiJahren hat er sogar eine Lektorin,Silvia Zenske, Betreuerin in derWohngemeinschaft Kaiser-Fried-rich-Straße. Sie hilft dabei, die Sei-ten zu nummerieren, sie korrigiertdie Texte und bringt alles in die rich-tige Reihenfolge. „Man hat mir da-mals gesagt, ich kriege eine Lekto-rin, konnte mir aber darunter nichtsvorstellen und dachte, was istdenn das?“, erinnert sich Köhn.Die Idee zum Schreiben kam ihmdurch die siebenteilige ZDF-Fern-sehserie „Unser Walter“. Darinwird der Lebensweg eines Kindesmit Down-Syndrom und seiner Fa-milie nachgezeichnet. Die Ausein-andersetzung mit der eigenen Be-hinderung ist ein wichtiger Punktfür Reiner Köhn. „Als ich drei Jahrealt war, machte sich meine Muttergroße Sorgen und sie ging mit mirzu einem Professor Gutzmann. Sieklagte ihr Leid. Sie sagte, dass ihrSohn nicht richtig sprechen könne.Ich sprach immer noch in der Baby-sprache. Er sagte zu ihr: Frau Köhn,machen sie sich keine Sorgen, dasentwickelt sich noch.“ Durch Sin-gen lernt Reiner Köhn schließlichdas Sprechen. „Im Bett habe ichabends immer „Wer will fleißigeHandwerker sehen“ gesungen“, er-innert er sich. Die Mutter hat ihremSohn dann auch mit zehn Jahrennoch das Lesen beigebracht, mitHilfe der Hasenfibel. Reiner Köhnmuss lachen, wenn er das erzählt:„Denn wenn etwas nicht richtig war,gab es einen Klaps mit dem Tep-pichklopper. Aber nur einen ganzleichten.“ (spa.)

MARKUS WÄCHTER

Fast jeden Tag schreibt Reiner Köhn an seinen Memoiren. Den Spaß daran hat er in all der Zeit nicht verloren.

Markelstraße 24a12163 BerlinTel.: (030) 700 96 23-0Fax: (030) 700 96 23-16 www.aktion-weitblick.de · E-Mail: [email protected]

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Wir fördern die soziale und berufliche Integrationbehinderter und sozial benachteiligter Menschendurch Beratung, Betreuung, Beschäftigung undArbeit im Verbund von Projekten und Firmen.

Kontakt:WIB – WeißenseerIntegrationsbetriebe GmbH

GeschäftsstelleTassostr. 1713086 Berlin

Tel.: 030 - 47 99 11 0Fax: 030 - 47 99 11 32

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