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JAHRBUCH MARKETING 2010/2011 63 Lebendiges Marketing von Veränderungs- prozessen: Der interne Prozessbegleiter Judith Claushues und Katrin Goltz 1. Die Ausgangslage ................................................................................ 65 2. Umgang mit Veränderungen aus psychologischer Sicht ................ 65 2.1 Widerstand und Reaktanz ..................................................................... 66 2.2 Lernen am Modell .................................................................................. 67 3. Veränderungsmarketing: Wirksame Veränderungskommunikation und glaubwürdige Wertebotschafter ................................................. 68 4. Der interne Prozessbegleiter als lebendiges Marketinginstrument ........................................................................... 69 4.1 Die Schritte der Veränderung ................................................................ 70 4.2 Der interne Prozessbegleiter als Wertebotschafter ............................... 71 4.3 Prozessbegleiter als Helfer und Förderer .............................................. 73 4.4 Prozessbegleiter als Vermittler und Vertrauensperson .......................... 74 4.5 Prozessbegleiter als Informator und Koordinator .................................. 75 4.6 Prozessbegleiter als Motor .................................................................... 76 4.7 Der interne Prozessbegleiter als Element des Gesamtmarketings ....... 77 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 78

Lebendiges Marketing von Veränderungs- prozessen: … · Umgang mit Veränderungen aus psychologischer Sicht ... 2.2 Lernen am Modell ... Coaching-Erfahrung in den Bereichen Management

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JAHRBUCH MARKETING 2010/2011 63

Lebendiges Marketing von Veränderungs-

prozessen: Der interne Prozessbegleiter

Judith Claushues und Katrin Goltz

1. Die Ausgangslage ................................................................................ 65

2. Umgang mit Veränderungen aus psychologischer Sicht ................ 65

2.1 Widerstand und Reaktanz ..................................................................... 66

2.2 Lernen am Modell .................................................................................. 67

3. Veränderungsmarketing: Wirksame Veränderungskommunikation

und glaubwürdige Wertebotschafter ................................................. 68

4. Der interne Prozessbegleiter als lebendiges

Marketinginstrument ........................................................................... 69

4.1 Die Schritte der Veränderung ................................................................ 70

4.2 Der interne Prozessbegleiter als Wertebotschafter ............................... 71

4.3 Prozessbegleiter als Helfer und Förderer .............................................. 73

4.4 Prozessbegleiter als Vermittler und Vertrauensperson .......................... 74

4.5 Prozessbegleiter als Informator und Koordinator .................................. 75

4.6 Prozessbegleiter als Motor .................................................................... 76

4.7 Der interne Prozessbegleiter als Element des Gesamtmarketings ....... 77

Literaturverzeichnis ....................................................................................... 78

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JAHRBUCH MARKETING 2010/201164

Dipl. Psych. Judith Claushues

Judith Claushues ist Diplom-Psychologin mit jahrelanger Coaching-Erfahrung in den Bereichen Management und Personal. Seit 2004 fungiert sie als Mitglied der Geschä�s-

leitung in der PTA Praxis für teamorientierte Arbeitsgestal-tung GmbH (Köln, München, Zürich).

Katrin Goltz, M.A.

Katrin Goltz ist Beraterin der PTA Praxis für teamorientierte Arbeitsgestaltung GmbH. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte lie-

gen in der externen Prozessbegleitung und in der Work-

shopmoderation bei der Einführung und Umsetzung von Teamarbeit in Industrieunternehmen. Zudem trainiert sie in KMU die Themen Konfliktlösung, Zielvereinbarungen, Kommunikation und Führen von Teams.

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JAHRBUCH MARKETING 2010/2011 65

Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

1. Die Ausgangslage

Veränderungen sind heute an der Tagesordnung, im beruflichen wie im priva-

ten Umfeld. Diese Entwicklung zeigt sich nicht erst seit gestern, sondern schon seit einigen Jahren immer stärker. Der konstruktive Umgang mit strukturellen Reorganisationen, die Übertragung neuer Aufgabenbereiche, das Hineinfinden in wechselnde Arbeitsorganisationsformen oder die Erfüllung erweiterter Ziel-vorgaben wird wie selbstverständlich von Menschen im Unternehmen erwartet.

Generell bieten Reorganisationen positive Chancen für Unternehmen sich zu verbessern und zu optimieren. Jedes Unternehmen lebt von Dynamik, Weiter-

entwicklung und neuen Ideen. Dazu werden die Zyklen immer kürzer, in de-

nen Prozesse und Strukturen erneuert, verändert, überarbeitet und optimiert werden. Diese Veränderungsprozesse in Unternehmen laufen zudem parallel nebeneinander, denn es gilt nicht mehr „eins nach dem anderen“ sondern eher die Marschrichtung „mehrere Pferde ins Rennen schicken“. Dabei wollen (Füh-

rungs-) Verantwortliche „ihre“ initiierten Veränderungsprozesse schnell und vor allem erfolgreich um- oder durchsetzen. Idealerweise soll sich jedes Verän-

derungsvorhaben trennscharf abheben von anderen Aktivitäten und nicht un-

tergehen im zum Teil sehr betriebsamen bis hektischen Tagesgeschä�.

So kommt der Ansprache und der Überzeugung von Betroffenen eine entschei-dende Rolle in Veränderungsprozessen zu. Demzufolge hat sich Change Ma-

nagement als feste Größe und notwendige Führungsaufgabe im Unternehmen etabliert.

In einem systematischen Change Management gewinnt Marketing und Öffent-lichkeitsarbeit für Veränderungsprojekte zunehmend an Bedeutung. Denn nur, wenn es gelingt, Betroffene zu Beteiligten zu machen, bekommen neue Struktu-

ren und Prozesse dauerha�e Stabilität.

2. Umgang mit Veränderungen aus psychologischer Sicht

Wie nah liegt doch bei der Häufigkeit der Veränderungsvorhaben folgende Schlussfolgerung: jeder hat in unterschiedlichen Lebensbereichen mit Verände-

rungsprozessen zu tun und Übung macht doch den Meister! Fällt es also den Menschen im Unternehmen immer leichter, auf Veränderungen angemessen zu reagieren und mit ihnen gut um zu gehen? Diese im Grunde rhetorische Frage lässt sich klar mit einem „Nein“ beantworten. Denn trotz oder vielleicht gerade weil Neuerungen so o� auf Menschen zukommen, sind Widerstände, Konflikte oder auch Resignation normale, weit verbreitete und auch unvermeidliche Be-

gleiterscheinungen bei Veränderungsprozessen.

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JAHRBUCH MARKETING 2010/201166

Claushues/Goltz

2.1 Widerstand und Reaktanz

Wer also ohne Böses zu denken, in einem Unternehmen etwas Neues, Unge-

wohntes oder einfach etwas anderes vorschlägt, wird in der Regel als erste Re-

aktion Skepsis und Ablehnung erfahren. Widerstand meint „jegliche Verhaltens-

weise, die dazu dient, den Status Quo aufrecht zu halten, angesichts eines Druck, den Staus Quo zu ändern“ (Zaltman/Duncan 1973, zitiert nach Schmidt 1996, S. 38). Dabei ist zunächst nicht entscheidend, ob der Druck zur Änderung real ist oder nur in der subjektiven Wahrnehmung eines Menschen besteht.

Widerstand mag unangenehm sein und einen sonst reibungslosen Ablauf behin-

dern, trotzdem gilt der Grundsatz: „Keine Veränderung ohne Widerstand; der Widerstand zeigt, dass etwas passiert“. Hier zeigt sich der menschliche Über-lebensreflex. Jede noch so geringe Veränderung im persönlichen Umfeld wird vom Menschen unmi%elbar auf ihre Bedrohlichkeit geprü�. Diesen Mechanis-

mus hat die menschliche Natur im Laufe der Evolution entwickelt, er ist nicht willentlich gesteuert, sondern hat sich als überlebenswichtiger Erfahrungswert ausgebildet. Erst wenn wir uns sicher sind, dass eine Neuerung nicht bedrohlich für uns ist, sind wir bereit, anderen Aspekten der Neuerung Aufmerksamkeit zu schenken. Zum Beispiel den zu erwartenden Vorteil und Chancen der Verän-

derung. Wird eine Veränderung als bedrohlich eingestu�, stellt sich im zweiten Schri% die Frage: „Ist die Bedrohung für mich zu bewältigen, ja oder nein?“ Je nach individueller Einschätzung der Situation zeigen sich unterschiedliche Ver-

haltensweisen bei betroffenen Personen.

Nein

z.B. Anzweifeln, Aussitzen/Ignorieren

z.B. Nutzbarkeit für eigene Interessen

Flucht AngriffTot-

stellen

NeinJa

Ja

1. Entscheidung: Bedrohlich?

2. Entscheidung: Zu bewältigen?

Chancenprüfen

Notsystem(Panik)

Verhaltensstrategie auswählen

Abbildung 1: Die reflektorische Bedrohlichkeitsprüfung (Berner 2005, o.S.)

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Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

In diesem Sicherheitsmechanismus genügen zwei Entscheidungspunkte, um den ‚Notfallplan’ menschlichen Verhaltens zu aktivieren. Wenn die Möglichkeit be-

steht, wird die Flucht ergriffen. Das ist nicht die mutigste Lösung, minimiert je-

doch das Risiko einer unangenehmen Verletzung. Ist Flucht nicht mehr möglich, gilt Angriff als die zweitbeste Strategie, um die Überlebenschance zu erhöhen. Es sei denn, die Gefahr ist übermächtig, dann eignet sich eher die dri%e Reakti-on, ‚Sich tot stellen’. Diese Reaktionen haben sich in ihrem Grundmuster bis in die heutige Zeit erhalten, auch wenn sie sich nun im sozialen Verhalten äußern und nicht mehr rein auf physischer Ebene au�reten. Bedroht wird nicht mehr unser Leben, aber eventuell unsere wirtscha�liche Sicherheit, unser Selbstwert oder unser Status im Unternehmen. Die Reaktionen spielen sich dementspre-

chend heute weniger auf physischer Ebene als im sozialen Verhalten ab. Flucht ist beispielsweise über Vermeiden eines Zusammentreffens erkennbar, Angriff kann sich über pauschale kritische Bemerkungen äußern und ‚Tot stellen’ zeigt sich durch ein möglichst unauffälliges Au�reten mit Ausweichen beim Blick-

kontakt.

Neben der Bedrohlichkeitsprüfung gibt es ein weiteres Phänomen aus der sozial-psychologischen Forschung: Reaktanz.

Brehm fasst das so zusammen: „Der Mensch ist motiviert, seine Freiheiten zu erhalten“. „Wenn bisher verfügbare – oder als verfügbar angenommene – Ver-

haltens- oder Ergebnisalternativen blockiert oder auch nur bedroht werden, ent-steht Reaktanz. Reaktanz ist ein Erregungs- oder Motivationszustand, der darauf abzielt, die bedrohte, eingeengte oder blockierte Freiheit wieder herzustellen“ (Brehm 1966, zitiert nach Herkner 2003, S. 97). Gemeint sind hiermit Handlungs-

optionen, die einem zum Beispiel in seinem Arbeitsbereich potenziell zur Verfü-

gung stehen könnten. Reaktanz tri% also nicht nur bei Einschränkungen auf, die tatsächliches Handeln betreffen, sondern erstaunlicherweise auch dann, wenn Optionen geändert werden, die jemand noch nie wirklich genutzt hat.

Somit ist Widerstand bei Neuerungen nicht vermeidbar, er wird jedoch erst dann zur Gefahr, wenn man ihn ignoriert oder mit den falschen Mi%eln bekämp�. Entscheidend für ein erfolgreiches Veränderungsprojekt ist der Umgang mit die-

sen Hintergrundmechanismen menschlichen Verhaltens.

2.2 Lernen am Modell

Zweite wesentliche Einflussgrößen auf den Erfolg von Umsetzungen in einem Veränderungsprojekt ist der Effekt des Modellernens. Die auf Albert Bandura (1977) zurückgehenden Erkenntnisse der Lernpsychologie besagen, dass Men-

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Claushues/Goltz

schen aufgrund von Beobachtungen des Verhaltens bei anderen sich selber neue Verhaltensmuster aneignen oder schon bestehende gravierend verändern kön-

nen (Bandura 1977, zitiert nach Zimbardo/Gerrig 2004, S. 286). Durch das Lernen am Modell ist der Mensch in der Lage, sich auch komplexe soziale Handlungen anzueignen. Der Lernende wird dabei maßgeblich von einem Modell beeinflusst. Wirkt eine Verhaltensweise beim Modell positiv, sinkt die Hemmschwelle selber dieses Verhalten zu zeigen. Übertragen auf den Kontext ‚Veränderungsprozesse im Unternehmen’ bedeutet dies, je sichtbarer glaubwürdige Modelle zu einem neuen Verhalten au�reten, umso eher erreichen die inhaltlichen Botscha�en die Zielgruppe. Idealerweise verbindet sich die Funktion eines Lernmodells mit Übermi%lung von bestimmten Werten, die im Zuge der Neuerung an Bedeutung gewinnen sollen. So ergibt sich die Funktion eines effektiven Wertebotscha�ers, der lebendiges Marketing im Unternehmen verkörpern kann.

Zusammenfassend spielen aus psychologischer Sicht folgende Faktoren eine wesentliche Rolle:

▪ Widerstand ist normal, aber nicht harmlos (Angst und Reaktanz sind häufige Begleiterscheinungen bei Veränderungen)

▪ Das individuell empfundene Ausmaß an Bedrohlichkeit und Bewältigungs-chance bestimmt die Reaktionen

▪ Glaubwürdige Verhaltensmodelle bzw. Wertebotscha�er erleichtern die Um-

setzung neuer Verhaltensweisen

3. Veränderungsmarketing: Wirksame Veränderungskom-

munikation und glaubwürdige Wertebotschafter

Auch vor dem Hintergrund, dass Menschen auf Ereignisse, die ihnen nicht er-klärt werden, negativ reagieren (Su%on 2009, S. 66), gilt grundsätzlich folgende Zauberformel: offene Kommunikation und klare Zielsetzungen bilden nicht nur das stärkste Gegenmi%el zum oben beschriebenen Widerstand, sondern auch die Basis für akzeptierte und erfolgreich umgesetzte Veränderungen. Wirksame Veränderungskommunikation benötigt damit als Voraussetzung Offenheit und Transparenz zum Veränderungsvorhaben. Die Wirksamkeit klarer Botscha�en wird über glaubwürdige Lernmodelle im Unternehmen deutlich verstärkt.

Folgende Faktoren fließen in die Akzeptanz von Veränderungen im Unterneh-

men insgesamt mit ein:

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Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

Abbildung 2: Einflussfaktoren auf die Akzeptanz von Veränderungsprozessen

Wenn Marketing dazu beitragen soll, bestimmte Zielgruppen zu überzeugen, idealerweise zu begeistern, zumindest aber Akzeptanz für ein neues Vorhaben zu gewinnen, bieten diese Erkenntnisse für Marketingstrategien wertvolle An-

satzpunkte.

4. Der interne Prozessbegleiter als lebendiges Marketing-

instrument

Der Umgang mit Widerstand, mit Ablehnung und mit aktiver Gegenwehr ist ein Kernstück eines fundierten Change Management. Dennoch ist davon abzuraten, sich ausschließlich auf diese Störfaktoren zu stürzen. Zunächst sollte der Blick vielmehr auf mögliche konstruktive Mitstreiter gerichtet werden. Wie diese zu gewinnen und einzubinden sind, ist am Ende der entscheidende Erfolgsfaktor. Danach erst folgen die Fragen, wie beständige Kritiker zum mitmachen animiert werden können und wie man mit den „Unbelehrbaren“ umgeht.

Schlussfolgernd aus den oben beschriebenen Erkenntnissen empfiehlt sich dazu der Einsatz glaubwürdiger Personen als Lernmodelle und Wertebotscha�er. Heute werden in vielen Unternehmen Führungsverantwortliche mit der Aufga-

be eines „Change Agent“ betraut, diese sollen erwünschte Ergebnisse in Verän-

derungsprojekten vorantreiben.

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Claushues/Goltz

Nicht selten bleibt der Effekt im Hinblick auf Überzeugung der betroffenen Mit-arbeiter dabei recht gering, was mit der Rolle der Führungskra� und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit zusammenhängt. Denn wer ‚verordneterwei-se’ Neuerungen aufgrund seines Jobs als positive Entwicklung verkaufen und schmackha� machen muss, erzielt o� nicht die höchstmögliche Akzeptanz. So hat sich ergänzend zu einer erweiterten Führungsaufgabe im Change Manage-

ment eine weitere Funktion in vielen Unternehmen etabliert: der interne Pro-

zessbegleiter.

4.1 Die Schritte der Veränderung

Systematisches Change Management, mit der Zielsetzung der Schaffung einer neuen stabilen Struktur, bedeutet ein stufenweises Vorgehen in Veränderungs-

prozessen – von der Information bis zur aktiven Beteiligung von Mitarbeitern.

„in die Augen“

„in den Kopf“

„ins Herz“„ins Verhalten“

Menschen gewinnen

§ Ankündigungen

§ Basis-Infomaterialien• Klare Botschaft• Zielsetzung• Meilensteine

§ „Neugier-Wecker“

§ Persönliche Ansprache

§ Hintergrund-Infos

§ Vertiefung von Zahlen, Daten, Fakten

§ Dialogmöglichkeiten organisieren

§ Argumentationshilfen

§ GlaubwürdigeModelle nutzen

§ Erste Erfolgsstories aufbereiten

§ Möglichkeiten zur Mitwirkung organisieren

§ Ergebnisseaufbereiten

Interner Prozessbegleiter als wirkungsvoller

Veränderungskommunikator

Ma

rke

tin

g-

ele

me

nte

Abbildung 3: Veränderungen erfolgreich umsetzen

Die Stufen im Change Management beziehen sich auf den Grad der Einbindung von Betroffenen. Eine dosierte Steigerung hierbei ermöglicht es den Mitarbei-tern, Neuerungen besser anzunehmen und sie aktiv zu unterstützen. Anfänglich steht Information im Vordergrund. Nach kurzer Ankündigung geben verständ-

liche Basis-Informationen den Startpunkt für die Umsetzung von Verände-

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Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

rungen an. Marketingelemente in medialer Form zu Basis-Information (Poster, Broschüren, Aushänge, Newsle!er etc.), ‚Neugier-Wecker’ und persönliche Ansprache bilden hierbei o" die Grundlage des weiteren Marketingprozesses. ‚Sichtbar machen’ und ‚Neugier wecken’, gelten hier als bewährtes Mo!o. In der zweiten Stufe geht es darum, ein weitergehendes Verständnis bei Betroffenen zu erreichen. Vertiefende Informationen und vor allem die Möglichkeit zum Dialog und Austausch unterstützen diese Stufe der Klärung. Widerstand zeigt sich vor allem in dieser Phase und kann je nach Ausmaß den Prozess verlangsamen und behindern. Ein entscheidender Sprung gelingt mit dem Erreichen der nächsten Stufe. Wenn es gelingt, Mitarbeiter von den anstehenden Veränderungen zu überzeugen, ist viel erreicht. In dieser Phase spielen glaubwürdige Modelle und erste Erfolgsstories die wesentliche Rolle. Je weniger Mitarbeiter sich in ihrer persönlichen Freiheit durch die Veränderung eingeschränkt fühlen und je mehr sie das Gefühl haben, selbst Kontrolle und Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen und Wahlmöglichkeiten zu haben, desto höher ist die Chance, dass reaktantes Verhalten ausbleibt (Brehm 1993, S. 3f.).

Wenn die letzte Stufe ‚Mitmachen’ gescha$ ist, hat man die Menschen für die Veränderung ganz gewonnen. Hier werden die neuen, erwünschten Verhaltens-

weisen aktiv gezeigt. Stabilität in dieser Stufe wird über Möglichkeiten zur Mit-wirkung und konsequenten Rückmeldung von bisher erreichten Ergebnissen gefördert. Erfahrungsgemäß kann ein interner Prozessbegleiter in diesen Stufen einen spürbaren positiven Einfluss auf den Verlauf nehmen und die Wirksam-

keit aller weiteren Marketingelemente deutlich verstärken.

4.2 Der interne Prozessbegleiter als Wertebotschafter

Der interne Prozessbegleiter: ein Mitarbeiter ohne Weisungsbefugnis mit einem Talent für kommunikative Prozesse mit einer Ausbildung in sozial-methodischer Richtung. Systematisch eingesetzt beschleunigt er die Krä"e des Zusammenwir-

kens innerhalb der Veränderung in hohem Maße. Dies gilt vor allem dann, wenn der Prozessbegleiter sich als ein Werte- und Kulturbotscha"er des Unterneh-

mens und der Veränderung begrei" und dadurch an den Stellen Einfluss nimmt, wo Veränderung sta!findet – nämlich bei den Menschen selbst. Das geschieht zum einen durch ein Vorleben der Veränderung und seiner Funktion als Motor.

Neben der grundlegenden Aufgabe, Informationen richtig und umfassend weiterzugeben und diese so zu visualisieren, dass sie für alle zugänglich und verständlich sind, ist er zum anderen Ansprechpartner, Vertrauensperson und Vermi!ler, Helfer und Spiegel. Darüber hinaus muss er in der Lage sein, Poten-

ziale zu erkennen und im Prozess zu fördern. Somit kann er in allen Phasen der

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Claushues/Goltz

Veränderung ein wertvoller Faktor sein, wenn es darauf ankommt, Betroff ene zu aktiven Beteiligten zu machen. Das bedeutet, Mitarbeiter zu unterstützen, sich für den angestrebten Zustand verantwortlich zu fühlen. O" geht diese Verant-wortung in der Summe der beteiligten Personen verloren und ein Rückfall in alte Verhaltensweisen ist der Anfang vom Ende der Veränderung. Somit bedarf es einer Instanz, die diese Verantwortung zum gewissen Teil aufnimmt und noch viel wichtiger an alle Prozessbeteiligte einen Teil der Verantwortung weitergibt. Erreicht wird dies durch ein Widerspiegeln der Situation oder der einzelnen Verhaltensweisen. Darau& in können gezielt Forderungen gestellt oder Hilfe-stellung innerhalb des Lösungsprozesses angeboten werden.

Welchen Widerständen und Ängsten man häufi g zu Beginn einer Veränderung aufgrund der Ungewissheit begegnen kann, wurde aufgezeigt. Der interne Pro-zessbegleiter kann in der Funktion des Wertebotscha" ers eines Unternehmens somit gezielt darauf reagieren, indem er diese Themen von sich aus anspricht, au' lärt und vor allem den Sorgen der Mitarbeiter zuhört. Mit Geduld und Ver-ständnis kann den destruktiven Elementen von Widerstand in Veränderungen frühzeitig entgegen gewirkt werden. Diese Aufgabe kann kein anderes Marke-tinginstrument in medialer Form allein erfüllen. Hier spielt die zwischenmensch-liche Komponente die entscheidende Rolle.

Helfer/Spiegel/Förderer§ Probleme erkennen

und aufzeigen

§ methodische Hilfe

§ Potenziale erkennen

§ Prinzip der minimalen Hilfe

Koordinator

§ organisiert und moderiert Teamsitzungen

Vermittler§ zwischen allen Beteiligten

Motor

§ Vorleber und Vorbild

§ Unterstützer

Vertrauensperson

§ neutrale Anlaufstelle

§ Zuhörer

Informator§ Ansprechpartner

§ Visualisierung

Abbildung 4: Der interne Prozessbegleiter – Ein Mitarbeiter mit Potenzial

Claushues/Goltz

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Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

Wie sich eine Umsetzung in der Praxis gestalten lässt, wird im Folgenden an-

hand der Rollen und Aufgaben des internen Prozessbegleiters und Wertebot-scha"ers verdeutlicht.

4.3 Prozessbegleiter als Helfer und Förderer

Als Helfer und Förderer geht es zu Beginn der Aufnahme einer Tätigkeit als Pro-

zessbegleiter darum, die im Rahmen der Veränderung au"retenden Probleme zu identifizieren und für andere wahr- und annehmbar zu machen:

„In Veränderungsprozessen müssen o" lieb gewordene Gewohnheiten und Ar-

beitsweisen verändert werden. Von vielen Beteiligten wird ausgeblendet, dass gerade auch sie sich ändern müssen, um das Vorhaben zum Erfolg zu bringen. Der Prozessbegleiter hat hier die Aufgabe, die „blinden Flecke“ in der Eigen-

wahrnehmung ohne Gesichtsverlust für den Einzelnen deutlich zu machen. Wel-che Veränderungsmöglichkeiten wirklich bestehen, muss er mit dem jeweiligen Menschen direkt besprechen und mit ihm gemeinsam Lösungsmöglichkeiten entwickeln“ (Lindinger/Goller 2004, S. 105).

Ein Praxisbeispiel soll verdeutlichen, wie der Prozessbegleiter in die Verände-

rung konkret eingreifen kann. In einem Unternehmen der Stahlbranche wurde die Teamarbeit als neue Form der Arbeitsorganisation eingeführt. Im Arbeitsbe-

reich der Dreherei waren die Mitglieder der vier Schich!eams zu Beginn sehr verunsichert und ha!en Angst vor der Ungewissheit, die mit dieser neuen Ar-beitsform auf sie zukam. Sie befürchteten, dass ihre Arbeit nun viel mehr Ener-

gieaufwand benötigen wird und dass ihnen viel stärker auf die Finger geschaut wird. Außerdem war den Mitarbeitern ihre in bis zu 30 Arbeitsjahren aufgebaute tägliche Routine sehr wichtig. Veränderung bedeutete für sie die konkrete Ge-

fährdung der täglichen Abläufe und des bekannten Arbeitens. Immer wieder fielen in den Teamgesprächen Äußerungen wie: „Das wird sowieso nichts, es werden nicht alle mitziehen, das war schon immer so, das haben wir doch al-

les schon probiert...“. Diese „Killerphrasen“ als typische Reaktionen auf Verän-

derung bedeuteten für die Führungskra" eine starke Geduldsprobe, denn der Zeitplan zur Umsetzung war klar vorgegeben und gab wenig Spielraum für Ver-

zögerungen. Unterstützend wurde ein ausgebildeter interner Prozessbegleiter den Führungskrä"en und Teams zur Seite gestellt. Dieser übernahm den Part als Diskussionspartner und diskutierte in dieser Phase des Veränderungsprozesses mehrfach gemeinsam mit den Teams über Chancen und Risiken der Verände-

rungen. Er diente somit als Motor und Ansprechpartner und durch seinen per-

sönlichen Hintergrund (ein Kollege aus der Glüherei) gut akzeptiert.

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Claushues/Goltz

Aus der gemeinsamen Diskussion ergaben sich Fragen zu Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Veränderung im Hinblick auf die Qualifizierung der Teammitglieder. Notwendige Qualifizierungsmaßnahmen wurden erarbeitet und mit der Führungskra" abgestimmt. Dieser Schri! war existenziell wichtig, da es darum ging die Veränderung für die Menschen grei*arer zu machen.

Wesentlich an diesem Prozess war, dass der Prozessbegleiter als neutrale Per-

son, weder an die Führungskra" noch an die Werksleitung, die die Veränderung eingefordert ha!en, angekoppelt ist. Er ist unabhängiges Vorbild im Umgang mit der Veränderung. Nach anfänglicher Skepsis wurde dies den Teams schnell klar. Sie konnten an ihm beobachten, dass sein Umgang mit der Veränderung nicht von vorneherein abweisend war. Im Gegenteil, der Prozessbegleiter zeigte ein Verhalten, in dem er die Dinge erst ein Mal vorbehaltlos prü" und die not-wendigen Voraussetzungen für eine Umsetzung klärt. Durch offene Kommuni-kation und als glaubwürdiges Modell gelang es ihm, das Vertrauen der Teams zu gewinnen und den Weg ein Stück weit frei zu machen, alte Gedankenmuster über Bord zu werfen für die Idee „Das was heute so ist, kann morgen durchaus ein Stück weit anders sein“. Dies zeigte sich an der zunehmenden Akzeptanz der neuen Bedingungen und engagierten Beiträgen und Ideen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Arbeitsabläufe. Besonders erfreulich war die Beobach-

tung, dass Killerphrasen kaum noch zu hören waren und wenn Einzelne doch einmal einen derartigen Negativbeitrag leisteten, das Team selbstregulierend darauf einwirkte und solchen Verhaltensweisen schließlich die Wirkung nahm.

4.4 Prozessbegleiter als Vermittler und Vertrauensperson

Eine weitere Funktion des Prozessbegleiters ist die als Vermi!ler und Vertrau-

ensperson. In einer neuen Kultur wird er besonders dann gefordert, wenn Kon-

flikte zutage treten, die bereits lange Bestand haben oder durch die Veränderung neu entstanden sind. Als Wertebotscha"er ist es hier Aufgabe die Menschen zu-

sammen zu bringen, als Moderator zu fungieren und zwischen den Parteien in

neutraler Funktion zu vermi!eln. Wichtig dabei ist es, dass er sich nicht die Ver-

antwortung für die Lösung eines Konfliktes übertragen lässt. Vielmehr geht es darum, dass im Sinne einer neuen Unternehmens- und Konfliktkultur gemein-

sam an der Lösung gearbeitet wird. Allen beteiligten Personen soll die eigene Verantwortung für die Konfliktlösung deutlich werden. Welche Werte dabei eine Rolle spielen sollten, kann gemeinsam festgelegt werden.

Seine Erfahrungen als ‚Vermi!ler’ schildert Thomas Wi! (Parker Hannifin GmbH, Geschä"sbereich Ermeto, Bielefeld), der als interner Prozessbegleiter die Einführung von Teamarbeit begleitetet hat, wie folgt:

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Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

„Regelmäßige Abstimmung mit den Führungskrä"en steht für mich in der Zu-

sammenarbeit an erster Stelle. Dabei ist die Dauer nicht von entscheidender Bedeutung, lieber treffe ich mich ein wenig kürzer und dafür umso häufiger. Ein wesentliches Ziel dieser Treffen ist, der Führungskra" deutlich zu machen, dass sie an der erfolgreichen Umsetzung von Teamarbeit unmi!elbar und re-

gelmäßig mitarbeiten muss. Dazu gehört die aktive Mitgestaltung von Inhalten, aber auch das Werben für die Veränderung, die Betreuung der Mitarbeiter, also die Ausübung der so genannten ‚weichen Faktoren‘. Als Prozessbegleiter ste-

hen Sie ohne diese Bringschuld der Führungskra" mi!elfristig chancenlos da. Bei den Mitarbeitern war für mich die Vertrauensarbeit von besonderer Bedeu-

tung. Überwiegend habe ich die Teams anfangs als abwartend, reserviert, nahe-

zu unterkühlt erlebt: ‚Mal schauen, was das alles so bringt...‘ Hintergrund sind meiner Meinung nach Veränderungsängste, ab und zu Frustration, mangelndes Vertrauen oder einfach nur das Verhaltensmuster passiv zu sein. Ich muss aber auch an überschwängliche Teams mit hohem Veränderungs- bzw. Problemlö-

sungswillen und damit hoher Erwartungshaltung denken. In allen Fällen war es mir wichtig, so viel wie möglich das Tagesgeschä" und damit verbundenen Pro-

bleme zu verstehen. Wichtig sind Vor-Ort-Gespräche, in vielen Fällen auch Vier-Augen-Gespräche. Bei schwierigen Fällen suche ich immer das Einzelgespräch“ (Lindinger/Goller 2004, S. 107).

4.5 Prozessbegleiter als Informator und Koordinator

Als Informator ist der Prozessbegleiter während des gesamten Veränderungs-

prozesses maßgeblich an der Entstehung einer funktionierenden Informations-

gestaltung beteiligt. Die damit geschaffene Transparenz über die Geschehnisse ist Grundvoraussetzung, um bei den Menschen Akzeptanz zu schaffen. Aufgabe des Prozessbegleiters ist hierbei die Bereitstellung von Zusammenhängen und Hintergrundinformationen, aber auch die Initiierung von Bemühungen der In-

formationsbeschaffung seitens der Mitarbeiter als Teil des neu gezeigten Ver-

haltens. Ein kompetenter Prozessbegleiter verfolgt dabei immer das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe.

Der hilfreiche Einsatz des Prozessbegleiters als Modell und Wertebotscha"er in der Praxis lässt sich an dieser Stelle mit einem weiteren Beispiel verdeutlichen. Ziel eines Unternehmens war es ein neues gemeinsames Unternehmensleitbild einzuführen und sich nicht mit den geschriebenen Worten auf dem Papier zu-

frieden zu geben. Das Ziel war, dieses Leitbild in die gelebte Praxis zu trans- ferieren. Die zielgerichtete Einflussnahme des Prozessbegleiters in diesem Zu-

sammenhang bestand darin, bestimmte neue Verhaltensweisen mit einem posi-

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Claushues/Goltz

tiven Wert zu belegen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Wesentlicher Ankerpunkt war in diesem Fall seine ausdauernde Aktivität als Wertebotscha"er. Der Pro-

zess wurde durch ihn intensiv vorangetrieben und der intensive Austausch un-

ter den Betroffenen immer wieder gefördert und gefordert. Der Prozessbegleiter nahm von sich aus immer wieder den Kontakt zu den Kollegen auf. In diesem Falle sollte konstruktives Feedback als ein fester Unternehmenswert verankert werden, um aus Fehlern stärker zu lernen. Zu Beginn funktionierte dieses Vor-

haben in der Praxis überhaupt nicht, da die Mitarbeiter sich sehr schwer taten sich gegenseitig eine tatsächlich hilfreiche Rückmeldung zu geben. Der Pro-

zessbegleiter unterstützte, indem er konsequent kritische Themen von sich aus ansprach und lösungsorientiert damit umging. Dabei achtete er genau darauf, dass niemand angesichts der Kritik sein Gesicht verlor. Die Mitarbeiter sahen, die Situation führt nicht zu einer Eskalation, einem Ansehensverlust oder nach-

haltigen Schäden in der Zusammenarbeit, sondern ganz im Gegenteil. Es wurde deutlich, dass darau&in Dinge wirklich anders gemacht wurden. So wurde zum Beispiel die Informationsweitergabe von einer Abteilung zur nächsten aus die-

ser Initiative heraus gemeinsam standardisiert und regelmäßig weiterverbessert. Hinzu kam, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten von einer erwartenden Haltung in eine einfordernde veränderten. Wurden die Informationen nicht von selbst weitergegeben, wurden diese aktiv eingeholt. Gleichzeitig wurde gemeinsam besprochen, warum der erarbeitete Standard in diesem Moment nicht eingehal-

ten wurde und wie es zukün"ig anders laufen könne. Mi!lerweile ist Feedback ein gewohnter Bestandteil der täglichen Aufgaben geworden, auch ohne Mitwir-kung des Prozessbegleiters.

4.6 Prozessbegleiter als Motor

Eine der schwierigsten Rollen des Prozessbegleiters im Prozess der Veränder-ung ist es, Nachhaltigkeit zu erzielen. Viele Menschen neigen dazu, Rückschläge als Grund zum Aufgeben zu nutzen. Auch dort wirkt der Prozessbegleiter als Motor entgegen, indem er motiviert, Frustrationen mindert und den Glauben an das Gelingen durch Aufzeigen der kleinen Erfolge stärkt und mit klarem Blick analysiert, wodurch die Rückschläge beeinflusst sind bzw. an welcher Stelle Fehler gemacht worden sind (Lindinger/Goller 2004). Dabei geht es immer auch um die Auseinandersetzung mit Themen im Zusammenhang mit Kultur und Werten. Dazu gehören u. a. das Verhalten in schwierigen Situationen und im Veränderungsprozess, die Verfolgung von gemeinsamen Zielen und die eigene Einstellung sowie die Möglichkeit, diese zu beeinflussen. Alle diese Punkte müs-

sen diskutiert und in den Unternehmenskontext gestellt werden.

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Lebendiges Marketing von Veränderungsprozessen

Dabei ist es wichtig, dass sich der Prozessbegleiter in diesem weitgefassten Auf-gabenbereich nicht verliert. Gelingt es aber den Prozess zuweilen aus einem Ab-stand heraus zu betrachten und das Vorantreiben mit gezielter Systematik zu betreiben, wirken seine Aktivitäten multiplizierend und er kann das Rad immer wieder da neu anstoßen, wo es zum Stillstand kommt.

4.7 Der interne Prozessbegleiter als Element des Gesamtmarke-

tings

Insgesamt ergeben sich folgende drei Ebenen als Ansatzpunkte für die Gestal-tung von Marketing in Veränderungsprozessen. Eine klare Zielsetzung und Aus-richtung des Veränderungsprojektes dient als Grundlage und Ausgangspunkt. Die zweite, mediale Ebene liefert mit verständlichen Botscha" en das Werkzeug für den gesamten Prozess. Auf der dri! en Ebene leistet der interner Prozessbe-gleiter wertvolle Unterstützung. Er bringt den besonderen, zusätzlichen Eff ekt und führt hin zu einer aktiven Beteiligung und der konsequenten Umsetzung von Neuerungen.

Abbildung 5: Marketing von Veränderungsprozessen über interne Prozessbegleiter

InternerProzessbegleiter

Austausch

unter

Betroffenen

Lernen am Modell und

vom Wertebotschafter

Offene, glaubwürdige Kommunikation

Kommunikationsmittel

Medien

„Give-aways“

Klare Zielsetzung

des Veränderungsprozesses

und Ausrichtung

Eb

en

e im

Ve

rän

de

run

gsp

roze

ss

Abbildung 5: Marketing von Veränderungsprozessen über interne Prozessbegleiter

Das Zusammenwirken dieser Ebenen ist für das erfolgreiche Vorantreiben einer Veränderung von großer Bedeutung. Die zentrale Rolle, die der Prozessbeglei-ter in seiner besonderen Funktion als Wertebotscha" er dabei spielt, hat sich in der Praxis durch zahlreiche Projekte bestätigt. Angesicht dieser positiven Eff ekte ist davon auszugehen, dass zukün" ig noch mehr Unternehmen den wertvollen Beitrag des Prozessbegleiters im Sinne eines lebendigen Marketings in Veränder-ungsprozessen nutzen werden.

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Claushues/Goltz

Literaturverzeichnis

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BREHM (1993): Brehm, Jack W.: Control, its loss, and psychological reactance, in: Weary, Gifford et al. (Hrsg.): Control motivation and social cognition, New York, S. 3–23.

BREHM (1966): Brehm, Jack W.: A theory of psychological reactance, New York.

HERKNER (2003): Herkner, Werner: Lehrbuch Sozialpsychologie, Nachdr. d. 2., unveränd. Aufl., Bern et al.

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nagement leicht gemacht, Heute hier, morgen dort?, Frankfurt am Main.

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