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Leseprobe Diabolic A6 - arena-verlag.de · 3 Eine Diabolic ist erbarmungslos, stark, kaltblütig und tötet für die, die sie beschützen muss. Eine andere Art zu leben kennen Diabolics

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»Leseprobe

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Ab 14 JahrenS. J. KincaidDiabolicVom Zorn geküsstAus dem Amerikanischen von Ulrich Thiele488 Seiten • GebundenSchutzumschlag mit Silberfolien-Prägung und UV-Lackierung€ 18,99 [D] € 19,60 [A] CHF 25,50 978-3-401-60259-2Auch als E-Book erhältlich

© Chelsea Dier

S. J. Kincaid wuchs in Kalifornien auf und ging in New Hampshire zur Schule. Sie ist Weltenbummler durch und durch und pendelt mit Vorliebe zwischen den USA und Schottland hin und her. Eigentlich wollte sie Astro-nautin werden, aber ein Mangel an mathematischen Fähigkeiten brachte sie schließlich dazu, Bücher zu schreiben und so in packenden Geschichten die unendlichen Weiten des Universums zu entdecken.

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Eine Diabolic ist erbarmungslos, stark, kaltblütig und tötet für die, die sie beschützen muss. Eine andere Art zu leben kennen Diabolics nicht. Das ist ihr Platz im Universum. Als Nemesis, eine junge Diabolic, erfährt, dass ihre Schutzbefohlene als Gei-sel an den Imperialen Hof berufen wird, zögert sie keine Sekunde, sich an ihrer Stelle in die Hände der Feinde zu

begeben. Getarnt als zarte Senatorentochter reist sie an den Hof ‒ ein Ort der Intrigen, der Dekadenz und der Gefahr. Doch während Nemesis immer tiefer in tödliche Machtspiele verwi-ckelt wird, regt sich in ihr etwas, das nicht sein darf: ein Funke

von Menschlichkeit ‒ und von Liebe ...

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Schuf er, der das Lamm schuf, auch dich?

William Blake, Der Tiger

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Schuf er, der das Lamm schuf, auch dich?

William Blake, Der Tiger

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A lle glaubten sie, Diabolics seien furchtlose Kreaturen, doch lle glaubten sie, Diabolics seien furchtlose Kreaturen, doch in meinen ersten Jahren kannte ich nichts als Angst. Die in meinen ersten Jahren kannte ich nichts als Angst. Die

Angst hatte mich auch an jenem Morgen fest im Griff, als die Angst hatte mich auch an jenem Morgen fest im Griff, als die Impyreaner mich in den Gehegen besichtigten.Impyreaner mich in den Gehegen besichtigten.

Sprechen konnte ich nicht, doch ich verstand vieles von dem, Sprechen konnte ich nicht, doch ich verstand vieles von dem, was gesagt wurde. In heller Aufregung redete der Gehegevorstewas gesagt wurde. In heller Aufregung redete der Gehegevorste­her auf seine Gehilfen ein: Bald würden Senator von Impyrean her auf seine Gehilfen ein: Bald würden Senator von Impyrean und seine Frau eintreffen, die Impyreanische Matriarchin. Die und seine Frau eintreffen, die Impyreanische Matriarchin. Die Wärter streiften um meinen Käfig und musterten mich von Kopf Wärter streiften um meinen Käfig und musterten mich von Kopf bis Fuß auf der Suche nach Makeln.bis Fuß auf der Suche nach Makeln.

Mit pochendem Herzen und Muskeln, die für den Kampf bereit Mit pochendem Herzen und Muskeln, die für den Kampf bereit waren, wartete ich ab. Senator und Matriarchin? Wer war das?waren, wartete ich ab. Senator und Matriarchin? Wer war das?

Da kamen sie.Alle Abrichter, alle Wärter fielen vor ihnen auf die Knie. EhrAlle Abrichter, alle Wärter fielen vor ihnen auf die Knie. Ehr­

fürchtig führte der Gehegevorsteher ihre Hände an seine Wanfürchtig führte der Gehegevorsteher ihre Hände an seine Wan­gen. »Euer Besuch ehrt uns.«gen. »Euer Besuch ehrt uns.«

Angst durchzuckte mich. Was waren das für Wesen, vor deAngst durchzuckte mich. Was waren das für Wesen, vor de­nen sich selbst der schreckliche Gehegevorsteher in den Staub nen sich selbst der schreckliche Gehegevorsteher in den Staub warf? Noch nie hatte ich mich derart eingeengt gefühlt vom warf? Noch nie hatte ich mich derart eingeengt gefühlt vom leuchtenden Kraftfeld meines Käfigs. Ich quetschte mich in die leuchtenden Kraftfeld meines Käfigs. Ich quetschte mich in die hinterste Ecke, während Senator von Impyrean und seine Frau hinterste Ecke, während Senator von Impyrean und seine Frau herübergeschlendert kamen, um mich durch die transparente herübergeschlendert kamen, um mich durch die transparente Barriere zu begutachten.Barriere zu begutachten.

»Wie Ihr seht«, sagte der Gehegevorsteher, »ist Nemesis un»Wie Ihr seht«, sagte der Gehegevorsteher, »ist Nemesis un­gefähr im Alter Eurer Tochter und körperlich exakt auf Eure gefähr im Alter Eurer Tochter und körperlich exakt auf Eure

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Vorgaben zugeschnitten. In den nächsten Jahren wird sie noch wachsen und an Kraft zulegen.«

»Sicher, dass dieses Mädchen eine Gefahr darstellt?«, erwider­te der Senator gelangweilt. »Sieht mir nach einem verängstigten Kind aus.«

Seine Worte ließen mich frösteln.Verängstigt durfte ich nicht erscheinen. Mit Angst handelte

ich mir Stromstöße ein, reduzierte Rationen und Qualen. Angst durfte ich keinesfalls zeigen. Also warf ich dem Senator einen grimmigen Blick zu.

Als er mein Starren bemerkte, wirkte er überrascht. Sein Mund öffnete sich, er wollte etwas sagen, zögerte dann jedoch und betrachtete mich aufmerksam, bevor er sich wieder von mir ab­wandte. »Vielleicht haben Sie recht«, murmelte er. »Man sieht es an den Augen – die fehlende Menschlichkeit. Liebste, bist du dir wirklich sicher, dass wir uns eine solche Abscheulichkeit ins Haus holen sollten?«

»Heutzutage hat jede große Familie einen Diabolic. Unsere Tochter darf nicht als einziges Kind schutzlos dastehen.« Da­mit wandte sich die Matriarchin an den Gehegevorsteher. »Ich wüsste gerne, was wir für unser Geld bekommen.«

»Selbstverständlich«, antwortete dieser mit einem Wink in Richtung eines Wärters. »Irgendein Köder –«

»Nein«, fuhr die Matriarchin dazwischen, ihre Stimme wie ein Peitschenknall. »Wir müssen Gewissheit haben. Wir haben drei Sträflinge mitgebracht, die die Kreatur angemessen fordern werden.«

Der Gehegevorsteher lächelte. »Ausgezeichnete Idee, Grandeé von Impyrean. Hier ist größte Vorsicht angebracht, schließlich wimmelt es von unfähigen Züchtern … aber Nemesis wird Euch nicht enttäuschen.«

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Auf das Nicken der Matriarchin hin trat die Gefahr endlich offen zutage: Drei Männer wurden von außerhalb meines Blick­felds zum Käfig getrieben.

Ich drückte mich gegen das Kraftfeld und spürte das vibrie­rende Kribbeln am Rücken, während sich in meinem Bauch ein eisiger Abgrund auftat. Ich wusste, was geschehen würde. Diese drei waren nicht die Ersten, die dazu verdammt waren, mir ei­nen Besuch abzustatten.

Die Gehilfen des Gehegevorstehers lösten meine Ketten, schal­teten das vordere Kraftfeld aus, schubsten die drei zu mir hinein und aktivierten das Feld wieder. Ich atmete stoßweise. Ich woll­te das nicht. Ich wollte nicht.

»Was soll das?«, fragte ein Sträfling, dessen Augen zwischen mir und dem Publikum dieser spontanen Vorstellung hin und her huschten.

»Ist das nicht offensichtlich?« Die Matriarchin hakte sich beim Senator unter und nach einem zufriedenen Blick auf ihren Mann belehrte sie die Sträflinge in freundlichstem Tonfall: »Mit brutalen Verbrechen habt ihr euch in diese Lage gebracht – aber jetzt habt ihr die Chance, euch zu retten. Tötet ihr das Kind, wird euch mein Gatte begnadigen.«

Zweifelnd starrten die Sträflinge auf den Senator, der nur gleichgültig mit der Hand wedelte. »So soll es sein.«

Einer der Männer stieß einen hässlichen Fluch aus. »Ich weiß, was für ein Vieh das ist. Haltet Ihr mich für dumm? Dem Ding werde ich nicht zu nahe kommen!«

»Wenn das so ist«, erwiderte die Matriarchin lächelnd, »werdet ihr hingerichtet. Alle drei. Jetzt tötet das Kind.«

Die Sträflinge beäugten mich und nach einer Weile verzerrte sich der Mund des massigsten zum anzüglichen Grinsen. »Das ist ein kleines Mädchen. Das erledige ich selbst. Komm schon,

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Kleine.« Er kam näher. »Wollt Ihr Blut sehen oder soll ich ihr einfach das Genick brechen?«

»Deine Entscheidung«, sagte die Matriarchin.Die Zuversicht des einen ermutigte die anderen, in ihren Ge­

sichtern loderte die Hoffnung auf Freiheit. Mein Herz trommelte gegen den Brustkorb. Ich hatte keine Möglichkeit, die drei vor mir zu warnen. Selbst wenn, sie hätten nicht auf mich gehört. Ihr Anführer hatte mich zum schwächlichen Mädchen erklärt – damit stand ihr Urteil fest. Ein tödlicher Fehler.

Viel zu leichtsinnig fuhr der Große den Arm aus, wollte mich packen. Er kam mir so nahe, dass ich seinen Schweiß roch.

Es war ein Geruch, der in mir einen Schalter umlegte, wie jedes Mal: Die Angst verschwand, die Panik wurde weggespült von der Flut des Zorns.

Mein Gebiss schloss sich um seine Hand. Kupferrot leuch­tendes Blut spritzte hervor. Schreiend versuchte er, sich loszu­reißen – vergeblich. Ich fasste ihn am Handgelenk, warf mich nach vorne und verdrehte ihm dadurch den Arm. Knirschende Gelenkbänder. Ein Tritt in seine Kniekehle, um ihn zu Boden zu stoßen, ein Satz über seinen Rücken. Meine Stiefel landeten kra­chend auf seinem Hinterkopf und zersplitterten ihm den Schädel.

Da drüben stand der Zweite, der sich in seinem Leichtsinn zu weit nach vorne gewagt hatte und jetzt seinen Fehler erkannte. Erschrocken schrie er auf, konnte aber nicht entkommen. Ich war zu schnell. Mein Handballen rammte sich in seinen Nasen­knorpel und trieb diesen direkt ins Gehirn.

Über die beiden Leichen hinwegsteigend näherte ich mich dem Dritten, dem Vernünftigen, der mich fürchtete. Der Mann kreischte, stolperte rückwärts gegen das Kraftfeld und kauerte sich zusammen wie ich kurz zuvor, ehe ich von der Wut erfasst worden war.

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Auf das Nicken der Matriarchin hin trat die Gefahr endlich offen zutage: Drei Männer wurden von außerhalb meines Blick­felds zum Käfig getrieben.

Ich drückte mich gegen das Kraftfeld und spürte das vibrie­rende Kribbeln am Rücken, während sich in meinem Bauch ein eisiger Abgrund auftat. Ich wusste, was geschehen würde. Diese drei waren nicht die Ersten, die dazu verdammt waren, mir ei­nen Besuch abzustatten.

Die Gehilfen des Gehegevorstehers lösten meine Ketten, schal­teten das vordere Kraftfeld aus, schubsten die drei zu mir hinein und aktivierten das Feld wieder. Ich atmete stoßweise. Ich woll­te das nicht. Ich wollte nicht.

»Was soll das?«, fragte ein Sträfling, dessen Augen zwischen mir und dem Publikum dieser spontanen Vorstellung hin und her huschten.

»Ist das nicht offensichtlich?« Die Matriarchin hakte sich beim Senator unter und nach einem zufriedenen Blick auf ihren Mann belehrte sie die Sträflinge in freundlichstem Tonfall: »Mit brutalen Verbrechen habt ihr euch in diese Lage gebracht – aber jetzt habt ihr die Chance, euch zu retten. Tötet ihr das Kind, wird euch mein Gatte begnadigen.«

Zweifelnd starrten die Sträflinge auf den Senator, der nur gleichgültig mit der Hand wedelte. »So soll es sein.«

Einer der Männer stieß einen hässlichen Fluch aus. »Ich weiß, was für ein Vieh das ist. Haltet Ihr mich für dumm? Dem Ding werde ich nicht zu nahe kommen!«

»Wenn das so ist«, erwiderte die Matriarchin lächelnd, »werdet ihr hingerichtet. Alle drei. Jetzt tötet das Kind.«

Die Sträflinge beäugten mich und nach einer Weile verzerrte sich der Mund des massigsten zum anzüglichen Grinsen. »Das ist ein kleines Mädchen. Das erledige ich selbst. Komm schon,

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Kleine.« Er kam näher. »Wollt Ihr Blut sehen oder soll ich ihr einfach das Genick brechen?«

»Deine Entscheidung«, sagte die Matriarchin.Die Zuversicht des einen ermutigte die anderen, in ihren Ge­

sichtern loderte die Hoffnung auf Freiheit. Mein Herz trommelte gegen den Brustkorb. Ich hatte keine Möglichkeit, die drei vor mir zu warnen. Selbst wenn, sie hätten nicht auf mich gehört. Ihr Anführer hatte mich zum schwächlichen Mädchen erklärt – damit stand ihr Urteil fest. Ein tödlicher Fehler.

Viel zu leichtsinnig fuhr der Große den Arm aus, wollte mich packen. Er kam mir so nahe, dass ich seinen Schweiß roch.

Es war ein Geruch, der in mir einen Schalter umlegte, wie jedes Mal: Die Angst verschwand, die Panik wurde weggespült von der Flut des Zorns.

Mein Gebiss schloss sich um seine Hand. Kupferrot leuch­tendes Blut spritzte hervor. Schreiend versuchte er, sich loszu­reißen – vergeblich. Ich fasste ihn am Handgelenk, warf mich nach vorne und verdrehte ihm dadurch den Arm. Knirschende Gelenkbänder. Ein Tritt in seine Kniekehle, um ihn zu Boden zu stoßen, ein Satz über seinen Rücken. Meine Stiefel landeten kra­chend auf seinem Hinterkopf und zersplitterten ihm den Schädel.

Da drüben stand der Zweite, der sich in seinem Leichtsinn zu weit nach vorne gewagt hatte und jetzt seinen Fehler erkannte. Erschrocken schrie er auf, konnte aber nicht entkommen. Ich war zu schnell. Mein Handballen rammte sich in seinen Nasen­knorpel und trieb diesen direkt ins Gehirn.

Über die beiden Leichen hinwegsteigend näherte ich mich dem Dritten, dem Vernünftigen, der mich fürchtete. Der Mann kreischte, stolperte rückwärts gegen das Kraftfeld und kauerte sich zusammen wie ich kurz zuvor, ehe ich von der Wut erfasst worden war.

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Er hob die zitternden Hände, sein Leib wurde von Schluchzern geschüttelt. »Bitte nicht. Bitte tu mir nicht weh. Bitte!«

Bei diesen Worten zögerte ich.So hatte ich mein ganzes Leben verbracht, von Geburt an:

mit der Abwehr von Angreifern, mit dem Töten, um nicht selbst getötet zu werden. Ein einziges Mal hatte ein Opfer um Gnade gefleht. Damals hatte ich nicht weitergewusst und jetzt, im Angesicht dieses angstgekrümmten Mannes, sickerte die­selbe Verwirrung in meinen Geist und lähmte mich. Was sollte ich tun?

»Nemesis.«Plötzlich stand die Matriarchin vor mir, lediglich geschützt

vom Kraftfeld. »Versteht sie meine Worte?«, fragte sie den Ge­hegevorsteher.

»Ja, sie können unsere Sprache begreifen – dafür haben sie genügend Menschliches an sich. Aber zu antworten lernt sie erst, wenn sich die Maschinen an ihrem Gehirn zu schaffen ge­macht haben.«

Mit einem Nicken drehte sich die Matriarchin zu mir. »Du hast mich beeindruckt, Nemesis. Jetzt frage ich dich: Willst du die­sen Ort hinter dir lassen? Willst du etwas Eigenes haben, etwas Kostbares, das du beschützen und dem du deine Liebe schenken kannst? Ein Zuhause voller Annehmlichkeiten, die du dir nie erträumt hättest?«

Liebe? Annehmlichkeiten? Seltsame Worte. Ihre Bedeutung kannte ich nicht, doch ihr verheißungsvoller Klang lockte mich, verwob sich mit meinem Geist wie eine Melodie und übertönte das Wimmern des Verzweifelten.

Ich war wie gebannt vom schneidenden Blick der Matriarchin.»Willst du mehr sein als ein Tier in einem nasskalten Käfig?«,

sagte sie. »Dann beweise mir, dass du würdig bist, unserer Fami­

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lie, den Impyreanern, zu dienen. Zeige mir, dass du gehorchen kannst, wenn es nötig ist. Töte ihn.«

Liebe. Annehmlichkeiten. Was auch immer das war, ich woll­te es. Ich würde es mir holen. Ich machte zwei, drei schnelle Schritte und zerschmetterte dem Sträfling das Genick.

Als die dritte Leiche zu meinen Füßen landete, sah ich die Matriarchin lächeln.

Später brachten mich die Wärter ins Laboratorium, wo ein klei­nes Mädchen wartete. Zu ihrem Schutz wurde ich fixiert, mei­ne Arme und Beine eingeschlossen in massives Eisen, umgeben von einem Ring aus leuchtender Elektrizität. Ich konnte nicht anders, als das merkwürdige Wesen anzustarren, ein schmales, bibberndes Ding mit dunklem Haar, gebräunter Haut und einer Nase, die nie gebrochen worden war.

Ich wusste, was das war: ein echtes Mädchen.Woher ich das wusste? Ich hatte mal eines getötet.Als mir das Mädchen einen Schritt zu nahe kam, fauchte ich.Sie zuckte zurück. Ihre Unterlippe bebte. »Sie hasst mich.«»Nemesis hasst dich gewiss nicht«, erwiderte der Arzt, über­

prüfte aber zur Sicherheit nochmals meine Fesseln. »So beneh­men sich alle Diabolics in diesem Entwicklungsstadium. Sie se­hen aus wie wir, sind aber keine echten Menschen. Sie sind Raubtiere. Sie können kein Mitgefühl empfinden, keine Sanft­mut, dazu sind sie schlicht nicht fähig. Deswegen müssen wir sie zivilisieren, sobald sie ein bestimmtes Alter erreicht haben. Komm, Sidonia.« Er krümmte den Finger und Sidonia folgte ihm zu einem Computermonitor. »Schau.«

Auch ich konnte die Anzeige erkennen, interessierte mich je­doch nicht dafür. Wer schon so viele Schädel geknackt hatte, der wusste, wie ein Menschengehirn aussah.

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Er hob die zitternden Hände, sein Leib wurde von Schluchzern geschüttelt. »Bitte nicht. Bitte tu mir nicht weh. Bitte!«

Bei diesen Worten zögerte ich.So hatte ich mein ganzes Leben verbracht, von Geburt an:

mit der Abwehr von Angreifern, mit dem Töten, um nicht selbst getötet zu werden. Ein einziges Mal hatte ein Opfer um Gnade gefleht. Damals hatte ich nicht weitergewusst und jetzt, im Angesicht dieses angstgekrümmten Mannes, sickerte die­selbe Verwirrung in meinen Geist und lähmte mich. Was sollte ich tun?

»Nemesis.«Plötzlich stand die Matriarchin vor mir, lediglich geschützt

vom Kraftfeld. »Versteht sie meine Worte?«, fragte sie den Ge­hegevorsteher.

»Ja, sie können unsere Sprache begreifen – dafür haben sie genügend Menschliches an sich. Aber zu antworten lernt sie erst, wenn sich die Maschinen an ihrem Gehirn zu schaffen ge­macht haben.«

Mit einem Nicken drehte sich die Matriarchin zu mir. »Du hast mich beeindruckt, Nemesis. Jetzt frage ich dich: Willst du die­sen Ort hinter dir lassen? Willst du etwas Eigenes haben, etwas Kostbares, das du beschützen und dem du deine Liebe schenken kannst? Ein Zuhause voller Annehmlichkeiten, die du dir nie erträumt hättest?«

Liebe? Annehmlichkeiten? Seltsame Worte. Ihre Bedeutung kannte ich nicht, doch ihr verheißungsvoller Klang lockte mich, verwob sich mit meinem Geist wie eine Melodie und übertönte das Wimmern des Verzweifelten.

Ich war wie gebannt vom schneidenden Blick der Matriarchin.»Willst du mehr sein als ein Tier in einem nasskalten Käfig?«,

sagte sie. »Dann beweise mir, dass du würdig bist, unserer Fami­

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lie, den Impyreanern, zu dienen. Zeige mir, dass du gehorchen kannst, wenn es nötig ist. Töte ihn.«

Liebe. Annehmlichkeiten. Was auch immer das war, ich woll­te es. Ich würde es mir holen. Ich machte zwei, drei schnelle Schritte und zerschmetterte dem Sträfling das Genick.

Als die dritte Leiche zu meinen Füßen landete, sah ich die Matriarchin lächeln.

Später brachten mich die Wärter ins Laboratorium, wo ein klei­nes Mädchen wartete. Zu ihrem Schutz wurde ich fixiert, mei­ne Arme und Beine eingeschlossen in massives Eisen, umgeben von einem Ring aus leuchtender Elektrizität. Ich konnte nicht anders, als das merkwürdige Wesen anzustarren, ein schmales, bibberndes Ding mit dunklem Haar, gebräunter Haut und einer Nase, die nie gebrochen worden war.

Ich wusste, was das war: ein echtes Mädchen.Woher ich das wusste? Ich hatte mal eines getötet.Als mir das Mädchen einen Schritt zu nahe kam, fauchte ich.Sie zuckte zurück. Ihre Unterlippe bebte. »Sie hasst mich.«»Nemesis hasst dich gewiss nicht«, erwiderte der Arzt, über­

prüfte aber zur Sicherheit nochmals meine Fesseln. »So beneh­men sich alle Diabolics in diesem Entwicklungsstadium. Sie se­hen aus wie wir, sind aber keine echten Menschen. Sie sind Raubtiere. Sie können kein Mitgefühl empfinden, keine Sanft­mut, dazu sind sie schlicht nicht fähig. Deswegen müssen wir sie zivilisieren, sobald sie ein bestimmtes Alter erreicht haben. Komm, Sidonia.« Er krümmte den Finger und Sidonia folgte ihm zu einem Computermonitor. »Schau.«

Auch ich konnte die Anzeige erkennen, interessierte mich je­doch nicht dafür. Wer schon so viele Schädel geknackt hatte, der wusste, wie ein Menschengehirn aussah.

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»Das ist der sogenannte Frontallappen.« Für einen Moment verstummte der Arzt und in seinem verstohlenen Blick auf das Mädchen flackerte Angst. »Natürlich habe ich das alles nicht selbst erforscht, aber in meinem Metier lernt man automatisch dazu, wenn man den Maschinen zusieht.«

Sidonias Augenbrauen zogen sich zusammen, offenbar wun­derte sie sich über seine Worte.

In Verlegenheit gebracht, plapperte der Arzt rasch weiter. »Meinen bescheidenen Erkenntnissen nach vergrößern die Ma­schinen den Frontallappen – sie vergrößern ihn sehr stark, wo­durch Nemesis’ Intelligenz erhöht wird. Sie lernt, mit dir zu sprechen und ihren Verstand zu gebrauchen. Außerdem wird der Prägungsprozess eingeleitet.«

»Sie wird mich mögen?«»Schon heute Abend ist sie deine beste Freundin.«»Und dann ist sie nicht mehr so zornig?«, fragte Sidonia mit

leiser Stimme.»Nun ja, den Diabolics ist eine erhöhte Aggression einge­

pflanzt – die Nemesis aber nicht mehr gegen dich richten wird. Bald bist du der einzige Mensch im großen, weiten Universum, den sie jemals lieben wird. Aber sollte dir jemand wehtun wol­len … der muss sich vorsehen.«

Sidonia lächelte verschüchtert.»Und jetzt, Liebling, stellst du dich bitte so hin, dass Nemesis

dich sieht. Für eine erfolgreiche Prägung ist Blickkontakt ganz entscheidend.«

Der Arzt schob Sidonia vor mich hin, deutlich außer Reich­weite meiner Hände. Darauf bedacht, meinem bissigen Maul auszuweichen, setzte er mir Stimulationsknoten auf den Schä­del, die bald zu summen begannen. Ein Prickeln in meinem Ge­hirn, vor meinen Augen funkelten Sterne.

16

Mein Hass, meine Lust aufs Schlagen, Schlachten und Zerstö­ren … legte sich. Verging.

Wieder knisterte Elektrizität. Und noch einmal.Mein Blick ruhte auf dem kleinen Mädchen und in mir regte

sich etwas Neues, eine vollkommen fremde Empfindung. Mein Schädel war erfüllt von einem anhaltenden Tosen, das mich wandelte, mein Inneres verschob.

Ich wollte dem Mädchen helfen. Es beschützen.Das Tosen schien kein Ende zu nehmen, und als es doch ab­

ebbte, wirkte das Universum öde und leer – bis auf sie.

Die Modifikationen an meinem Gehirn nahmen Stunden in An­spruch, begleitet von den Experimenten des Arztes. Er wies Si­donia an, sich mir zu nähern, Schritt für Schritt. Sein Blick fi­xierte mich, meiner das Mädchen.

Schließlich war es so weit.Der Arzt zog sich zurück, nur Sidonia kauerte noch vor mir,

allein. Am ganzen Leib zitternd erhob sie sich. Zur Sicherheit visierte mich der Arzt mit einer Schockkanone an und entrie­gelte dann meine Fixierung.

Ich richtete mich auf und schüttelte die Fesseln ab. Als das Mädchen scharf einatmete, wölbte sich unter ihrem dürren Hals das Schlüsselbein hervor – ich hätte es ihr mit Leichtigkeit bre­chen können, das wusste ich. Ja, ich hätte ihr wehtun können. Ich stand vor der Kleinen wie vor so vielen anderen, die ich hingemetzelt hatte, doch die bloße Vorstellung, dieser zarten Kreatur Schaden zuzufügen, ließ mich frösteln.

Lieber machte ich einen Schritt nach vorne, um sie besser be­trachten zu können, dieses unendlich kostbare Wesen, dessen Überleben mir nun stärker am Herzen lag als mein eigenes. Wie klein das Mädchen war. Was war das für ein seltsames Gefühl,

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»Das ist der sogenannte Frontallappen.« Für einen Moment verstummte der Arzt und in seinem verstohlenen Blick auf das Mädchen flackerte Angst. »Natürlich habe ich das alles nicht selbst erforscht, aber in meinem Metier lernt man automatisch dazu, wenn man den Maschinen zusieht.«

Sidonias Augenbrauen zogen sich zusammen, offenbar wun­derte sie sich über seine Worte.

In Verlegenheit gebracht, plapperte der Arzt rasch weiter. »Meinen bescheidenen Erkenntnissen nach vergrößern die Ma­schinen den Frontallappen – sie vergrößern ihn sehr stark, wo­durch Nemesis’ Intelligenz erhöht wird. Sie lernt, mit dir zu sprechen und ihren Verstand zu gebrauchen. Außerdem wird der Prägungsprozess eingeleitet.«

»Sie wird mich mögen?«»Schon heute Abend ist sie deine beste Freundin.«»Und dann ist sie nicht mehr so zornig?«, fragte Sidonia mit

leiser Stimme.»Nun ja, den Diabolics ist eine erhöhte Aggression einge­

pflanzt – die Nemesis aber nicht mehr gegen dich richten wird. Bald bist du der einzige Mensch im großen, weiten Universum, den sie jemals lieben wird. Aber sollte dir jemand wehtun wol­len … der muss sich vorsehen.«

Sidonia lächelte verschüchtert.»Und jetzt, Liebling, stellst du dich bitte so hin, dass Nemesis

dich sieht. Für eine erfolgreiche Prägung ist Blickkontakt ganz entscheidend.«

Der Arzt schob Sidonia vor mich hin, deutlich außer Reich­weite meiner Hände. Darauf bedacht, meinem bissigen Maul auszuweichen, setzte er mir Stimulationsknoten auf den Schä­del, die bald zu summen begannen. Ein Prickeln in meinem Ge­hirn, vor meinen Augen funkelten Sterne.

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Mein Hass, meine Lust aufs Schlagen, Schlachten und Zerstö­ren … legte sich. Verging.

Wieder knisterte Elektrizität. Und noch einmal.Mein Blick ruhte auf dem kleinen Mädchen und in mir regte

sich etwas Neues, eine vollkommen fremde Empfindung. Mein Schädel war erfüllt von einem anhaltenden Tosen, das mich wandelte, mein Inneres verschob.

Ich wollte dem Mädchen helfen. Es beschützen.Das Tosen schien kein Ende zu nehmen, und als es doch ab­

ebbte, wirkte das Universum öde und leer – bis auf sie.

Die Modifikationen an meinem Gehirn nahmen Stunden in An­spruch, begleitet von den Experimenten des Arztes. Er wies Si­donia an, sich mir zu nähern, Schritt für Schritt. Sein Blick fi­xierte mich, meiner das Mädchen.

Schließlich war es so weit.Der Arzt zog sich zurück, nur Sidonia kauerte noch vor mir,

allein. Am ganzen Leib zitternd erhob sie sich. Zur Sicherheit visierte mich der Arzt mit einer Schockkanone an und entrie­gelte dann meine Fixierung.

Ich richtete mich auf und schüttelte die Fesseln ab. Als das Mädchen scharf einatmete, wölbte sich unter ihrem dürren Hals das Schlüsselbein hervor – ich hätte es ihr mit Leichtigkeit bre­chen können, das wusste ich. Ja, ich hätte ihr wehtun können. Ich stand vor der Kleinen wie vor so vielen anderen, die ich hingemetzelt hatte, doch die bloße Vorstellung, dieser zarten Kreatur Schaden zuzufügen, ließ mich frösteln.

Lieber machte ich einen Schritt nach vorne, um sie besser be­trachten zu können, dieses unendlich kostbare Wesen, dessen Überleben mir nun stärker am Herzen lag als mein eigenes. Wie klein das Mädchen war. Was war das für ein seltsames Gefühl,

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das mein Innerstes erglühen ließ? Sie war es, die die Glut an­fachte.

Als ich die weiche Haut ihrer Wange betastete, erschauderte sie. Ich untersuchte ihr dunkles Haar, ein krasser Kontrast zu meinem blassen Weißblond, und beugte mich noch näher zu ihr, studierte die Regenbogenhaut ihrer riesigen Augen. In ihrer Tie­fe lag eine Furcht, die ich auslöschen wollte. Da Sidonia noch immer bibberte, legte ich die Hände auf ihre schwachen Arme und hielt mich ganz still, um sie vielleicht durch meine Ruhe zu besänftigen.

Da ließ ihr Zittern nach. Die Angst fiel von Sidonia ab und ihre Mundwinkel krümmten sich nach oben.

Ich imitierte ihren Gesichtsausdruck, zog meine Lippen rechts und links nach oben – ein eigenartiges, unnatürliches Gefühl, doch ich tat es für sie. Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich nicht nur an mich selbst.

»Hallo, Nemesis«, flüsterte Sidonia und schluckte hörbar. »Ich heiße Sidonia.« Eine Falte grub sich zwischen ihre Augenbrau­en, ehe sie ihre Hand auf die eigene Brust drückte. »Si-do-ni-a.«

Erneut machte ich sie nach, klopfte mir auf die Brust und sagte: »Sidonia.«

Da lachte sie. »Falsch.« Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihren Brustkorb, sodass ich ihren rasenden Herzschlag spürte. »Ich bin Sidonia. Aber nenn mich doch Donia.«

»Donia«, wiederholte ich und tippte ihr aufs Schlüsselbein. Ich hatte verstanden.

Und als auf Donias Gesicht ein Lächeln erstrahlte, wurde mir ganz … warm. Ich war glücklich, stolz.

Sie drehte sich zum Arzt. »Sie hatten recht! Sie hasst mich nicht mehr.«

Ein Nicken. »Nemesis wurde auf dich geprägt. Ihr restliches

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Leben lang wird sie keinen anderen Gedanken kennen als dein Wohlergehen.«

»Ich mag sie auch«, stellte Donia fest und lächelte mich an. »Ich glaube, wir werden gute Freundinnen sein.«

Der Arzt lachte leise. »Freundinnen? Gewiss. Nemesis wird deine allerbeste Freundin sein, das verspreche ich dir. Sie wird dich dein ganzes Leben lang lieben.«

Endlich wusste ich, wie dieses eigentümliche, aber wunder­volle Gefühl in mir genannt wurde – die Impyreanische Matri­archin hatte nicht zu viel versprochen.

Das war Liebe.

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Page 15: Leseprobe Diabolic A6 - arena-verlag.de · 3 Eine Diabolic ist erbarmungslos, stark, kaltblütig und tötet für die, die sie beschützen muss. Eine andere Art zu leben kennen Diabolics

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das mein Innerstes erglühen ließ? Sie war es, die die Glut an­fachte.

Als ich die weiche Haut ihrer Wange betastete, erschauderte sie. Ich untersuchte ihr dunkles Haar, ein krasser Kontrast zu meinem blassen Weißblond, und beugte mich noch näher zu ihr, studierte die Regenbogenhaut ihrer riesigen Augen. In ihrer Tie­fe lag eine Furcht, die ich auslöschen wollte. Da Sidonia noch immer bibberte, legte ich die Hände auf ihre schwachen Arme und hielt mich ganz still, um sie vielleicht durch meine Ruhe zu besänftigen.

Da ließ ihr Zittern nach. Die Angst fiel von Sidonia ab und ihre Mundwinkel krümmten sich nach oben.

Ich imitierte ihren Gesichtsausdruck, zog meine Lippen rechts und links nach oben – ein eigenartiges, unnatürliches Gefühl, doch ich tat es für sie. Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich nicht nur an mich selbst.

»Hallo, Nemesis«, flüsterte Sidonia und schluckte hörbar. »Ich heiße Sidonia.« Eine Falte grub sich zwischen ihre Augenbrau­en, ehe sie ihre Hand auf die eigene Brust drückte. »Si-do-ni-a.«

Erneut machte ich sie nach, klopfte mir auf die Brust und sagte: »Sidonia.«

Da lachte sie. »Falsch.« Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihren Brustkorb, sodass ich ihren rasenden Herzschlag spürte. »Ich bin Sidonia. Aber nenn mich doch Donia.«

»Donia«, wiederholte ich und tippte ihr aufs Schlüsselbein. Ich hatte verstanden.

Und als auf Donias Gesicht ein Lächeln erstrahlte, wurde mir ganz … warm. Ich war glücklich, stolz.

Sie drehte sich zum Arzt. »Sie hatten recht! Sie hasst mich nicht mehr.«

Ein Nicken. »Nemesis wurde auf dich geprägt. Ihr restliches

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Leben lang wird sie keinen anderen Gedanken kennen als dein Wohlergehen.«

»Ich mag sie auch«, stellte Donia fest und lächelte mich an. »Ich glaube, wir werden gute Freundinnen sein.«

Der Arzt lachte leise. »Freundinnen? Gewiss. Nemesis wird deine allerbeste Freundin sein, das verspreche ich dir. Sie wird dich dein ganzes Leben lang lieben.«

Endlich wusste ich, wie dieses eigentümliche, aber wunder­volle Gefühl in mir genannt wurde – die Impyreanische Matri­archin hatte nicht zu viel versprochen.

Das war Liebe.

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