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(Aus der Dermatologischen Universit~tsklinik Zfirich. - - Direktor: Professor Dr. G. Miescher.) LichtgewShnung und Lichtkrebs bei der weiBen Maus. Von G. Miescher. (Eingegangen am 20. September 1939.) In einer frfiheren Untersuchungsreihe (Strahlenther. 60, 134) wurde gepriift, ob die gro2e Bereitschaft weiBer M~tuse zum Lichtkrebs auf einer mangelhaften Schutzfunktion der Haut gegenfiber Licht beruht, zumal es sich um Tiere handelt, welche normalerweise im Dunkeln leben. Die Untersuchungen der Verh~ltnisse am Menschen haben gezeigt, dab bei der weiBen Rasse die Hornschicht gegenfiber Licht den wirksamsten Schutzfaktor darstellt, und daI~ das Ph~nomen der LichtgewShnung auf einer reaktiven Hyperkeratose mit Verbreite- rung der Itornschicht beruht. Diese Verbreiterung kann ganz erhebliche Grade erreiehen, so dab selbst sehr intensive Bestrahlungen reaktionslos ertragen werden. Das Ergebnis der Untersuchung war die Feststellung, dab die weiBe Maus, beurteilt nach dem Verh~lten der Oberhaut, eine GewShnungs- f~higkeit an Lieht besitzt, wie beim Menschen morphologiscli gekenn- zeichnet durch eine erhebliche Verbreiterung der gesamten Epidermis und vor allem such der Hornschicht. Es wurde weiter festgestellt, dab diese GewShnungsf~higkeit nicht fiber eine bestimmte Grenze hinaus- geht. Diese Grenze liegt nicht unerheblich tiefer als beim Menschen (Verh~ltnis etwa 1:4); allein der Unterschied ist nicht derartig, um daraus ~in verschiedenes Verhalten yon Maus und Mensch dem Licht gegenfiber abzuleiten. Es wurde darum in einer zweiten Untersuchungsreihe gepriift, wie welt das erzielte Resultat beim experimentellen Lichtkrebs davon ab- h~ngt, ob bei den Bestrahlungen die GewShnungsf~higkeit fiberschritten wird 0der nicht. Daffir, dal~ es bei der weiBen Maus eine kritische Dosen- schwelle gibt, sprechen die Untersuchungen yon Funding, Henriques und Rel~ling. Diese Autoren erzielten bei einer Bestrahlungsdauer yon 10 Minuten (Aggregat yon 4 Babhlampen aus 80 cm Distanz) jeden zweiten Tag w~hrend eines Jahres bei 44% der M~use klinisch Krebs- bildung; bei Bestrahlung in derselben Weise w~hrend 4 Monaten immer noch 23%. Bei einer Bestrahlungszeit yon 5, 2 und 1 Minute und einer Bestrahlungsperiode yon 8 Monaten wurden keine Careinome beobaehtet, doch war das Resultat bei der 5-Minuten-Gruppe noch nicht mit Sicher- heir zu beurteilen.

Lichtgewöhnung und Lichtkrebs bei der weißen Maus

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(Aus der Dermatologischen Universit~tsklinik Zfirich. - - Direktor: Professor Dr. G. Miescher.)

LichtgewShnung und Lichtkrebs bei der weiBen Maus. Von

G. Miescher. (Eingegangen am 20. September 1939.)

In einer frfiheren Untersuchungsreihe (Strahlenther. 60, 134) wurde gepriift, ob die gro2e Bereitschaft weiBer M~tuse zum Lichtkrebs auf einer mangelhaften Schutzfunktion der Haut gegenfiber Licht beruht, zumal es sich um Tiere handelt, welche normalerweise im Dunkeln leben. Die Untersuchungen der Verh~ltnisse am Menschen haben gezeigt, dab bei der weiBen Rasse die Hornschicht gegenfiber Licht den wirksamsten Schutzfaktor darstellt, und daI~ das Ph~nomen der LichtgewShnung auf einer reaktiven Hyperkeratose mit Verbreite- rung der Itornschicht beruht. Diese Verbreiterung kann ganz erhebliche Grade erreiehen, so dab selbst sehr intensive Bestrahlungen reaktionslos ertragen werden.

Das Ergebnis der Untersuchung war die Feststellung, dab die weiBe Maus, beurteilt n ach dem Verh~lten der Oberhaut, eine GewShnungs- f~higkeit an Lieht besitzt, wie beim Menschen morphologiscli gekenn- zeichnet durch eine erhebliche Verbreiterung der gesamten Epidermis und v o r allem such der Hornschicht. Es wurde weiter festgestellt, dab diese GewShnungsf~higkeit nicht fiber eine bestimmte Grenze hinaus- geht. Diese Grenze liegt nicht unerheblich tiefer als beim Menschen (Verh~ltnis etwa 1:4); allein der Unterschied ist nicht derartig, um daraus ~in verschiedenes Verhalten yon Maus u n d Mensch d em Licht gegenfiber abzuleiten.

Es wurde darum in einer zweiten Untersuchungsreihe gepriift, wie welt das erzielte Resultat beim experimentellen Lichtkrebs davon ab- h~ngt, ob bei den Bestrahlungen die GewShnungsf~higkeit fiberschritten wird 0der nicht. Daffir, dal~ es bei der weiBen Maus eine kritische Dosen- schwelle gibt, sprechen die Untersuchungen yon Funding, Henriques und Rel~ling. Diese Autoren erzielten bei einer Bestrahlungsdauer yon 10 Minuten (Aggregat yon 4 Babhlampen aus 80 cm Distanz) jeden zweiten Tag w~hrend eines Jahres bei 44% der M~use klinisch Krebs- bildung; bei Bestrahlung in derselben Weise w~hrend 4 Monaten immer noch 23%. Bei einer Bestrahlungszeit yon 5, 2 und 1 Minute und einer Bestrahlungsperiode yon 8 Monaten wurden keine Careinome beobaehtet, doch war das Resultat bei der 5-Minuten-Gruppe noch nicht mit Sicher- heir zu beurteilen.

400 G. Miescher:

Bei den eigenen Untersuchungen wurde folgendermaBen vorgegan- gen: Bestrahlungsger~t: Bachlampe aus 80 cm Distanz. Bestrahlung der M~use in kleinen Gruppen in einem offenen, runden Metallgef~B 3real wSchentlich. Ffir jede Dosierungsart wurden 50 M~use verwendet. Dosierung :

1. Beginn unterschwellig einschleichend mit allm~ihlicher Steigerung der Dosis.

a) Steigerung bis nahe an die Toleranzgrenze, b) Steigerung his zur Toleranzgrenze, c) Steigerung fiber die Toleranzgrenze.

2. JBeginn mit iiberschwelligen Dosen. a) Arffangsdosis das 10faehe des Schwellenwertes. In der Folge

sprungweise Steigerung bis zur GewShnungsgrenze. b) Anfangsdosis das 20fache des Schwellenwertes. In der Folge

sprungweise Steigerung his fiber die GewShnungsgrenze. c) Anfangsdosis das 60faehe des Schwellenwertes. In der Folge

sprungsweise Steigerung bis zum 2--3fachen Wert der GewShnungs - : schwelle.

Schwellenwert fiir Schuppung (Ohr) im Beginn 1/2--1 Minute, aa der GewShnungsgrenze: 15--25 Minuten.

IJber den Verlauf bei den einzelnen Versuehsgruppen ist folgendes ZU sagen:

Gruppe la: Abgesehen yon gelegentlich leichteren Schuppungen wurden die Bestrahlungen symptomlos ertragen, bis nach ca. 3 Monaten die Dosis yon 22 Minuten erreicht war. In der Folge trat st~rkere Schuppung ein, so dab auf 15 Minuten zurfiekgegangen wurde, welche Dosis bis zum AbschluB des Versuches nach 12 Monaten beibehalten wurde. Die Ohren der Tiere hatten dabei vollstgndig normales Aus- sehen.

Gruppe lb: Der Verlauf war im Beginn wie bei Gruppe la. Die Dosen wurden jedoch beim Eintritt der Schuppung nieht reduziert, sondern die erreiehte Dosis yon 22 Minuten wurde bis zum AbschluB des Versuches beibehalten. Die Ohren der meisten Tiere wiesen am Ende des Versuches einige winzige atrophisehe Stellen und gelegentlich eine minimale Verdiekung des Ohrrandes auf.

Gruppe lc: Gleicher Verlauf wie bei Gruppe lb. Die Dosis wurde jedoeh in allm/~hlicher Zunahme noch etwas hSher gesteigert bis 32 Mi- nuten. Die Erseheinungen (Schuppung, gelegentlich Spur RStung) waren ausgesproehener, doch kam es auch hier nie zu exsudativen X~e- aktionen. Am SehluB fanden sieh an den Ohren einige punktlSrmige dunkle Stellen und eine leichte Verdiekung der l~nder, ttistologisch zeigten die Ohren yon Gruppe l a--c eine erhebliehe Verbreiterung

Lichtgewshnung und Lichtkrebs bei der weiBen Yfaus. 401

des Epithels auf das 3--4fache der Norm und eine Verdickung und Ver- breiterung der Hornschieht.

Gruppe 2a: Die Reaktionen bestanden in den ersten Woehen in RStung und Krustenbildung. Sp/~ter zeigte sich bei Dosensprfingen yon 6 auf 15 Minuten und yon 15 auf 25 Minuten auger einer leichten RStung nur eine ziemlich betr/~ehtliche Schuppung; dagegen traten wiederholt an Ohren und Lidrandern kleine H~matome auf. Gegen Ende des Ver- suehes waren die Ohrrander etwas eingekrempelt, zum Teil verdiekt und stellenweise atrophisch, Naeh 9 Monaten wurden die ersten Papillome, naeh 10 Monaten die ersten Carcinome beobaehtet.

Gruppe 2b: In den ersten Wochen exsudative und krust5se Reaktio- nen mit 5dematSser Schwellung und H/~morrhagien yon Ohr und Lidern. In der Folge noeh chronisehe l~Stung, Infi l tration und Schuppung, starke Lichtscheu. Weiterhin nur Schuppung, chronische Verdiekung und Einkrempelung tier Ohrr/~nder, sowie zeitweise H/s Naeh 7 Monaten wurden die ersten Papillome, nach 8 Monaten die ersten Carcinome und nach 9 Monaten die ersten Sarkome festgestellt.

Gruppe 2c: Im Beginn der Bestrahlungen Schorfbildung im Gebiet tier Ohren und Augenlider mit naehfolgender Abstof)ung kleiner Ne- krosen. Entstehung yon ulcerSsen Defekten mit wallartig verdiekten R/indern. Cornealtriibung, Lichtscheu, naeh 4--6 Wochen nur noch ehronische RStung und Schuppung. Bei ErhShung der Dose auf 60 Mi- nuten neuerdings starke Entziindung mit Krustenbildung. In der Folge Fortdauer der entziindlichen Erseheinungen, die an Intensit/~t eher abnehmen. Am Sehlul~ des Versuches Schuppung. (')dematisation, Verdickung der Ohrrander und Lider, chronische Kerato-Conjunctivitis mit starker Cornealtriibung. Schon nach 6 Monaten wurden neben Papfllomen Carcinome und Sarkome festgestellt.

Das Resultat der Untersuehung ist, tabellarisch zusammengefat~t (s. S. 402), folgendes:

Der Prozentsatz der Careinome bezieht sich auf die Zahl der 1 Monat vor Auftreten yon Carcinomen noch lebenden Tiere (4. Gruppe 32, 5. Gruppe 28, 6. Gruppe 26 Tiere). S/imtliche festgestellten Verande-- rungen wurden histologisch verifiziert.

Auf histo]ogische Einzelheiten soil hier nicht mehr eingetreten werden, nachdem friihere Autoren, vor allem Putschar und Holtz dariiber ausffihrl~eh berich~et haben. Unsere Befunde stimmen mit den dort gemaehten Angaben fiberein. Es t raten Carcinome ausschlief~tich vom Spinalzellentypus h~ufig mit Metatypie der Zellen und starker Ver- hornung und ferner Spindelzellsarkome auf. Die H/~ufigkeit des Auf- tretens war ftir beide Geschwulsttypen ungefahr gleich. Sowohl in der 5. und 6. Gruppe wurde gleiehzeitig Auftreten y o n Carcinomen und Sarkomen in einer Anzahl yon Fallen beobaehtet.

402 G. Mieseher:

! Bes~rahlur/gsf0rm I i ]Einzeldosis A n f a n g s ~ End~- ~ Total

i Minuten IMinuten[ Std.

Zeitraum

Monate

Symptoms Mall-

gnome

%

Papil- lome

%

Ers tesAuN treten nach

Monaten

c)~

~)

b)

e)

j 1/2

6

10

3O

15 22

32

35 56

60

25 55

30 65z/~

60 Sg~/~

1. Unterschwellig einschleichend. 12 Gelegentlich Spur Schuppung I 12 Leiehte Schuppung,leichteVerdickung /

des 0hrr~ndes, punktf6rmige Atro- I phien

12 Idem

2. ~berschwelIi9 sprungweise stsigend. l l In den ersten Wochen geringe Kru-

stenbildung, sparer Schuppung, leiehte Atrophie, chron, ttypergmie, Verdickung der Ohrrgnder

l 1 Im Anfang krust6se Reaktionen, Schwellung, tt/~matome, spgter (hash 1/4 J~hr) nur noch Sehup- pung, gelegentlich Kriistehen, Cya- nose, Verdiekung der Ohrr~nder, Atrophien

8 Im Anfang krust6se Reaktionen, Ne-i krosen, Bildung oherfl~ehlicher 'De- I fekte - mit verdiekten l~ndern,

I schwere Augensymptome, sp~ter] Zustand chronischer Infiltration,! RStung und Schuppung I

32

50

13

11

I

12

Aus den Untersuchungen geht hervor, daft der Carcinomeffekt weniger yon der absoluten GrSfte der Einzeldosis und aueh nicht ent~ scheidend yon der Gesamtdosis abh/s ist, als vielmehr davon, wie welt der Hau t die MSgliehkeit zur Anl0assung dutch GewShnung gegeben ist. Dort, wo die Dosis nur allm~hlich fiber den Schwellenwert gesteigert wird, wie bei Gruppe l a - - e , vermag die hyperkompensa~orische Ver- dickung der Hornschicht mit der Belastung Schri~t zu halten, so da[~ auch bei leiehtem Ub~rseh~eiten der maximalen Gew6hnungsgrenze t rotz relativ hoher Einzeldosen (32 Minuten) nur sehr schwache Reak- tionen erzeugt werden. In allen 3 Gruppen kam es weder zur Bildung yon Papillomen noch zu malignen Tumoren.

Wo aber, wie in Grulope 2 a - - c nach Art sines Strahlenfiberfalles die anf~ngliehe Dosenscbwelle sprungweise iiberschritten wird, kommt es zu einer ls Periods defensiver Insuffizienz, in welcher fortwahrend starke Reaktionen aufeinanderfolgen. Obwohl in Gruppe 2 a und 2 b die maximal erreiehte Einzeldosis nicht fiber die in Gruppe 1 b und 1 c ver- abfolgten Maximaldosen hinausreicht und obwohl auch die in Stunden

LichtgewShnung und Lichtkrebs bei der weil~en Maus. 403

ausgedrfickten Gesamtdosen ungef~hr dieselben sind, so kommt es im Gegensatz zu jenen Gruppen bei 3 bzw. 32 % der Tiere zur Tumorbildung. Die Ausbeute wird um so grSBer, je r~cksichtsloser man die Dosen- spriinge vorn immt und je rascher man die Grenze der maximalen An- passungsf~higkeit iiberschreitet (Gruppe 2c). Dal] dann der Erfo]g rasqh 100% wird, beweisen die Versuche yon Putschar und Holtz.

Wi t kSnnen datum aus diesen Untemuchungen /olgern, daft Cardnom- bildung dann nicht zu erwarten ist, wenn die Bestrahlungen l~eaktionen erzeugen, welche in der Ndhe der Schwellengrenze liegen, und wenn bei serienweiser Bestrahlung die Grenze der natiirlichen Gewghnungs/~ihigkeit nicht iiberschritten wird. In diesen _~Yillen /iihren selbst relativ hohe Dosen nicht zur Carcinombildung. Andererseits ist die Carcinombildung um so eher zu erwarten, ]e iiberschwelliger die Dosen sind und ]e mehr 8ie die Grenze der natiirlichen GewShnungs/~ihigkeit iiberschreite~. Auf die Verh~ltnisse des Menschen fibertragen, wfirde das heiBen: Lichtkuren mit langsam steigenden Dosen, welche zu einer vollstKndigen GewShnung fiihren, erscheinen ungefi~hrlich. H~ufig sich wiederholende fiberschwellige Be- strahlungen mit heftigen Reaktionen bedeuten dagegen eine Gefghrdung.

Literaturverzeichnis. Funding, Henriques u. Rekling, Internat. Lichtkongre• Wiesbaden 1936. - -

Holtz u. Putschar, Ebend~. - - Miescher, G., Strahlenther. 35 (1930). - - Putschar u. ttoltz, Z. Krebsforsch. 33 (1930).