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Liebe Mitchristen Anfang Sommerferien war ich mit … · Anfang Sommerferien war ich mit meiner Frau in Jordanien. Unsere Rundreise endete am Ro- ... dass ich nicht perfekt, heilig

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Page 1: Liebe Mitchristen Anfang Sommerferien war ich mit … · Anfang Sommerferien war ich mit meiner Frau in Jordanien. Unsere Rundreise endete am Ro- ... dass ich nicht perfekt, heilig

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Predigt Epheser 5,8-14, Lausen, 22.7.18, Pfr. H.Meyer

Liebe Mitchristen

Anfang Sommerferien war ich mit meiner Frau in Jordanien. Unsere Rundreise endete am Ro-

ten Meer. Es war heiss und die Mittagssonntagssonne tauchte alles in ein grelles, farbloses

Licht. Gegen Abend aber verändert sich das Licht und die Landschaft erschien in warmen Rot-

tönen, von daher der Name. Das Licht ist massgebend wie und in welchen Farben etwas gese-

hen wird. Das gilt in direktem und im übertragenen Sinn.

Wir leben ja in einer Zeit, in der uns gerade im übertragenen Sinn unzählige Lebensscheinwer-

fer angeboten werden, um uns und unsere Umgebung vermeintlich im richtigen Licht erschei-

nen zu lassen. Nur, was taugen sie? Was zeigen sie uns? Was heben sie hervor und was las-

sen sie blass erscheinen? Kurz: Was ist das richtige Licht und wer definiert das oder anders

gefragt: In welchem Licht möchte ich mich und die Welt sehen?

Paulus nimmt diesen Gedanken in seinem Brief an die Christen von Ephesus gleichnishaft auf.

Lesung Epheser 5,8-14

8 Früher gehörtet ihr selbst zur Finsternis, doch jetzt gehört ihr zum Licht, weil ihr mit dem Herrn

verbunden seid. Verhaltet euch so, wie Menschen des Lichts sich verhalten. 9 Ihr wisst doch:

Die Frucht, die vom Licht hervorgebracht wird, besteht in allem, was gut, gerecht und wahr ist.

10 Deshalb überlegt ´bei dem, was ihr tut,` ob es dem Herrn gefällt. 11 Und beteiligt euch unter

keinen Umständen an irgendeinem Tun, das der Finsternis entstammt und daher keine guten

Früchte hervorbringt. Deckt solches Tun vielmehr auf! 12 Denn was manche im Verborgenen

treiben, ist so abscheulich, dass man sich schämt, es auch nur zu erwähnen. 13 Doch alles,

was aufgedeckt wird, ist dann im Licht ´als das` sichtbar, ´was es wirklich ist`.14 Mehr noch:

Alles, was sichtbar geworden ist, gehört damit zum Licht. Deshalb heisst es auch: »Wach auf,

du Schläfer,und steh auf von den Toten! Dann wird Christus sein Licht über dir leuchten las-

sen.«

Für Paulus ist ohne wenn und aber klar, dass es für Christen letztlich nur ein Licht gibt, das vor

allen anderen massgebend sein soll und ist, das Licht Gottes. Da gibt es keine Relativierung,

kein Philosophieren, sondern nur ein klares Bekenntnis. In welchem Licht ich mich, andere und

die Welt anschaue und eben auch beurteile tue und will ist letztlich immer auch eine Frage mei-

ner Entscheidung. Denn es gibt - wie gesagt - viele verschiedene Blickwinkel und Lichter, die je

nachdem ein halbvolles oder halbleeres Glas, das Gleiche in einem anderen Licht zeigen.

Da ist z.B. das Leistungslicht, das den Fokus darauflegt, was jemand zu leisten vermag, oder

das Gesundheitslicht. Da liegt die Priorität ganz bei der Frage wie gesund, dynamisch und un-

handicapiert jemand ist. Das Aussehlicht wiederum bewertet Menschen danach wie attraktiv

und wohlproportioniert jemand ist.

Das sind alles Lichter, die Wirklichkeit, oft sehr zeitbedingt und der Mode unterworfen sind,

Lichter, die durchaus auch hilfreich sein können. Nur, sollen sie das letzte und entscheidende

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Wort über meinem Leben, meinen Beziehungen haben? Übernehme ich das, was und wie sie

mir etwas zeigen, als Wahrheit? Für Paulus ist klar. Welches Licht einen Menschen bestimmt,

ist massgebend. Wo Gott in einem Leben ist, da ist es sein Licht. Er schreibt den Christen in

Ephesus darum klipp und klar: Weil ihr mit Jesus verbunden seid, seid ihr in seinem Licht.

Will er damit sagen, dass diese Christen eben besonders heilig, vorbildlich sind? Lichtgestal-

ten? Kaum. Paulus redet generell von allen, die zu Christus gehören, die ihm nachfolgen, ihm

vertrauen, allen Gläubigen. Gottes Schweinwerfer ist auf uns alle gerichtet. Dunkelheit hat kei-

nen Platz mehr. Wie tönt das für uns? Wie eine Drohung, wenn wir an Aussagen denken wie

«Pass auf, der liebe Gott sieht alles!»?

Das kann tatsächlich etwas Bedrohliches haben. Denn auch als Christ bin ich mir bewusst,

dass ich nicht perfekt, heilig im Sinne von sündlos bin. Da gibt es immer noch und wieder dunk-

le Flecken und Ecken in meinem Leben, Peinlichkeiten. Ist da sein Licht unbarmherzig wie das

Mittagslicht am Roten Meer und denkt es schonungslos auf? Das würde mir Angst machen. Gut

zu wissen, dass die Art und das Licht Christi nie gnadenlos sind, er uns nie blossstellen oder

demütigen will, im Gegenteil. Sein Licht ist vielmehr ein gnädiges, warmes, hilfreiches und be-

freiendes Licht, oft auch ein sehr diskretes Licht, welches manches mit dem Mantel seiner Liebe

bedeckt, damit nur er und ich, vielleicht ein Seelsorger, es sehen. Das nimmt mir die Angst.

In seinem Licht kann ich mich und andere darum primär aus dem Blickwinkel seiner Liebe und

Gnade sehen - wie wir es gerade auch am Beispiel der Ehebrecherin gehört haben. Bei Jesus

geht es nie darum zu verurteilen, blosszustellen, fertig zu machen, Schuld und Fehler unter die

Nase zu reiben, oder etwas zu rächen, sondern darum zu helfen, zu heilen, zu ermutigen und

aufzurichten. So ist das Licht Gottes.

In seinem Licht wird meine Unzulänglichkeit zwar auch sichtbar. Da wird nichts beschönigt oder

weggeredet. Aber all das geschieht im Licht der Barmherzigkeit, im Licht der Liebe Gottes. All

das geschieht im Licht, das vom Kreuz Christi kommt, das alles im Licht der Tatsache erschei-

nen lässt, dass er für uns gestorben ist, damit das Dunkle keine endgültige Macht mehr über

uns hat. Es ist das Licht, welches nicht nur die dunklen Flecken zeigt, sondern auch die Hoff-

nung und Verheissung durch Christus gerade für und in all das. Es zeigt, dass Gott uns immer

wieder eine Chance gibt Altes hinter uns zu lassen, neu anzufangen, Vergebung in Anspruch zu

nehmen und Heilung zu erfahren.

Als Christ stehe ich in diesem Licht, darf mich und andere in diesem wunderbaren und befrei-

enden Licht sehen, mich drin sonnen und auch hoffnungsvoll das weniger Schöne annehmen.

So grossartig das ist, so sehr fällt es uns manchmal auch schwer. Nicht umsonst heisst es,

dass Geben einfacher ist als Nehmen. Dazu kommt, dass wir mit vielen anderen Lichtern und

Wertsystemen konfrontiert werden, die etwas ganz anderes zeigen.

Luther hat solche Anfechtungen, wie er es nannte, nur allzu gut gekannt. Es wird überliefert,

dass er dann trotzig aufs Pult geschrieben habe: «Ich bin getauft» oder anders ausgedrückt:

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Das mit Jesus, das gilt, auch wenn es manchmal kaum zu glauben ist. In seinen Augen, in sei-

nem Licht, bin und bleibe ich liebenswert. Wenn ich das vor Augen habe, dann kann ich auch

viel entspannter auf das in meinem Leben schauen, was nicht so gut oder um es mit der Sym-

bolsprache des Paulus zu sagen, was dunkel ist.

Sein Licht ist kein Gerichtslicht, sondern ein Therapielicht. Es geht darum, wie Licht ins Dunkle

kommen kann. Es geht darum, dass Bindungen gelöst werden. So schmerzhaft das zwischen-

durch sein kann, schlussendlich ist es wohltuend und befreiend.

Als Christen sind wir in seinem Licht. Das hat verschiedene Aspekte. Einen, den seelsorgerli-

chen Aspekt, habe ich etwas länger vertieft. Ein anderer ist der, dass wir eben auch von unse-

rer Umgebung als Christen wahrgenommen werden resp. dass ich einen Einfluss darauf habe,

was andere mit Christsein verbinden.

Das gehört zu unserer Berufung als Christen und das ist eine Herausforderung, eine, der ich

nicht immer gewachsen bin. Das macht mir zwischendurch Kopfzerbrechen und ich frage: Wa-

rum, lieber Gott, machst du so viel von mir abhängig? Gott nimmt mich in Verantwortung, weiss,

dass ich nicht perfekt bin, will, dass ich daran wachse. Aber erleben nicht viele gerade diese

Ehrlichkeit, diese Menschlichkeit als befreiend? Mancher stellt fest: Wenn Gott zu dem oder

jener steht, bei aller Unvollkommenheit, dann kann das ja auch für mich gelten. Wir sind beru-

fen, ja gefordert. Paulus schreibt: «Verhaltet euch so, wie Menschen des Lichts sich verhalten.»

- Aber Achtung. Paulus redet hier nicht von einer Bedingung fürs Christsein, sondern einer

Frucht meines Lebens mit Christus.

Die Ethik ist also ein wichtiger und v.a. auch sichtbarer Teil der christlichen Existenz. Paulus

formuliert das so: «Ihr wisst doch: Die Frucht, die vom Licht hervorgebracht wird, besteht in al-

lem, was gut, gerecht und wahr ist. Deshalb überlegt ´bei dem, was ihr tut,` ob es dem Herrn

gefällt.» Das mit dem Licht Gottes ist eine Verheissung und eine Berufung. Dazu gehören sei-

ne Grundsätze und Gebote wie die 10 Gebote, das Doppelgebot der Liebe, ja auch das Gebot

der Feindesliebe.

Und gerade an diesem Punkt muss all denen widersprochen werden, welche behaupten, dass

letztlich alle Religionen das gleiche Licht ausstrahlen resp. letztlich das Gleiche verkünden. Tat-

sache ist vielmehr, dass es sehr unterschiedliche, ja widersprüchliche Glaubenslichter gibt. Ich

denke an ein Glaubenslicht, das besonders hell strahlt, wenn ein Gläubiger einen Ungläubigen

über den Tisch zieht, besiegt, ev. sogar tötet, weil so die Überlegenheit des Gläubigen und die-

ses Glaubens sichtbar würde. Das ist nicht das Licht Christi. Ich denke an das Licht, in dem ein

Mann viel mehr wert, eine viel höhere Inkarnation ist als eine Frau, oder an das Licht, welches

gnadenlos Gut und Schlecht auf- und abrechnet. Auch das ist nicht das Licht Christi. Ich bin

vielem begegnet und wage zu behaupten: So gnädig, menschlich, hoffnungsvoll, befreiend, be-

dingungslos, offen und zugänglich für alle, ist nur das Licht Christi.

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Paulus ruft die Christen auch dazu auf sich aktiv von finsteren Machenschaften fern zu halten.

Finster steht für das, was nicht Gottes Stil ist, nicht seinen Werten und Geboten entspricht, ja

ihnen sogar entgegenwirkt oder im Wege steht.

Ephesus war die Hauptstadt der römischen Provinz Asia. Sie war das grösste Handelszentrum

Kleinasiens und gleichzeitig eines der bedeutendsten religiösen Zentren der antiken Welt. Im

Zentrum stand der Artemiskult. Der Artemis-Tempel gehörte zu den sieben damaligen Welt-

wundern. Die Artemis selber galt als grausame und strenge Göttin. In Zusammenhang mit Ar-

temiskulten sind auch Menschopfer bekannt. Der Artemiskult war geprägt von vielen Spenden,

welche Menschen zu entrichten hatten, um die Göttin ihnen wohlgesinnt zu stimmen. Auch der

Handel mit religiösen Souvenirs florierte und brachte der Stadt und dem Tempel grossen Reich-

tum.

Das war das gängige Licht in Ephesus. Das Licht Christi war ganz anders, hat Menschen, Din-

ge und Gott in einem anderen Licht erscheinen lassen. Manchen war das ein Dorn im Auge,

weil es ihre Geschäfte und Pläne durchkreuzt hatte, für viele aber war es befreiend und sie ha-

ben sich diesem Licht Christi zugewendet, auch wegen dem, was sie bei den anderen Christen

gesehen hatten. Diese waren sicher nicht perfekt und fehlerlos. Aber vielleicht war es gerade

auch ihre Art mit Fehlern und Schwächen umzugehen, das Erleben, wie all das nicht dazu führ-

te, dass Gott Menschen strafte, sondern ihnen vergab und wieder auf die Beine half, die bedin-

gungslose Liebe und Gnade Gottes, die hier ganz praktisch wirkte und befreite.

Als Christen haben wir eine Verantwortung, auch für unsere Ausstrahlung, wie wir als Vertreter

des christlichen Glaubens auf andere wirken, was für ein Bild wir abgeben. Dieses muss und

kann nicht perfekt und heilig sein. Aber es soll ehrlich und authentisch sein und v.a. soll spürbar

werden, dass ich nicht nur an Jesus glaube, sondern konkret mit ihm lebe.

Paulus formuliert hier den Anspruch an uns Christen, dass der Unterschied durchaus sichtbar

werden kann und soll. Wir sind in seinem Licht. So dürfen und sollen wir uns und andere be-

wusst in diesem gnädigen, liebevollen Licht sehen und schätzen. So sind wir eingeladen den

Reichtum, die Ehrlichkeit und die Hoffnung des Lebens mit Christus für andere sichtbar werden

zu lassen. Paulus formuliert das am Schluss unseres Predigttextes das etwas pompös mit den

Worten: «»Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten! Dann wird Christus sein Licht

über dir leuchten lassen.« Amen.