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Lokaler Aktionsplan für Toleranz und Demokratie gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit für die Landeshauptstadt Potsdam amino Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung im sozialen Bereich gGmbH

Lokaler Aktionsplan - ECCAR · 4.2.2 Maßnahmen zur Veränderung der strukturellen Bedingungen von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung 43 4.2.3 Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung

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Lokaler Aktionsplanfür Toleranz und Demokratie gegenGewalt, Rechtsextremismus undFremdenfeindlichkeitfür die Landeshauptstadt Potsdam

aminoWerkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitungund Forschung im sozialen Bereich gGmbH

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Lokaler Aktionsplan für Toleranz undDemokratie gegen Gewalt,Rechtsextremismus undFremdenfeindlichkeitfür die Landeshauptstadt Potsdam

Erstellt durch Camino – Werkstatt für Fortbildung,Praxisbegleitung und Forschung im sozialen BereichgGmbH im Auftrag der Stadt Potsdam

Berlin/Potsdam 2001

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ImpressumCamino – Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschungim sozialen Bereich gGmbHScharnhorststraße 510115 BerlinTelefon (030) 786 29 84Fax (030) 785 00 91E-Mail [email protected]: Paul Glaser, Silva WischeroppSatz: Britta OmmerbornDruck: solid earth

Die Erstellung des Aktionsplans wurde finanziert durch das Bundes-ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen desProgramms „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialenBrennpunkten“ (E & C).

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InhaltInhalt

Einleitung 5

1 Situationsanalyse: Rechtsextreme und fremden-feindliche Aktivitäten in Potsdam 8

1.1 Organisierter Rechtsextremismus 81.2 Rechtsextreme Subkultur 111.3 Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Ausgrenzung 13

1.3.1 Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung im öffent-lichen Alltag 14

1.3.2 Strukturelle Bedingungen der Fremdenfeindlichkeitund Diskriminierung 16

1.3.3 Integrationshindernisse durch Behörden undInstitutionen 19

1.4 Manifester Rechtsextremismus in Form von Gewalt- undStraftaten 21

2 Ressourcen gegen Rechtsextremismus, Fremden-feindlichkeit und Gewalt 26

2.1 Polizei 282.2 Ausländerarbeit/Flüchtlingsarbeit 282.3 Weitere Initiativen und Interessenvertretungen 302.4 Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit 312.5 Schule 34

3 Ziele 36

4 Maßnahmen 38

4.1 Maßnahmen gegen organisierten Rechtsextremismus undrechtsextreme Subkultur 38

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Inhalt

4.2 Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit undAlltagsrassismus 404.2.1 Maßnahmen zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit

und Diskriminierung im öffentlichen Raum 404.2.2 Maßnahmen zur Veränderung der strukturellen

Bedingungen von Fremdenfeindlichkeit undDiskriminierung 43

4.2.3 Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung undIntegrationshindernissen durch PotsdamerBehörden und Institutionen 44

4.3 Maßnahmen gegen rechte Gewalt und Straftaten 454.3.1 Prävention 454.3.2 Intervention 474.3.3 Reaktion 47

4.4 Information, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit 484.4.1 Information 484.4.2 Vernetzung 494.4.3 Öffentlichkeitsarbeit 50

4.5 Fortbildung 504.6 Sicherung und Steuerung 51

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Einleitung

Einleitung

Anfang Oktober 2001 beauftragte das Jugendamt der Stadt PotsdamCamino – Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschungim sozialen Bereich gGmbH – mit der Erstellung des Lokalen Aktions-planes für Toleranz und Demokratie gegen Gewalt, Rechtsextremis-mus und Fremdenfeindlichkeit für die Landeshauptstadt Potsdam. DieErstellung des Aktionsplanes erfolgte im Rahmen des Programms „Ent-wicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“(E & C) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen undJugend. Ziel war, in Kooperation mit den relevanten Akteur/innen ausden verschiedenen Arbeitsfeldern (Jugendhilfe, Schule, Polizei, Verwal-tung, Initiativen und Vereine) eine Situationsanalyse zu Gewalt, Rechts-extremismus und Fremdenfeindlichkeit für die Stadt Potsdam und aufdieser Basis einen praxisnahen und handlungsbezogenen Aktionsplanzu erstellen.

Ausgehend davon, dass lokale Aktionen und Maßnahmen, wenn sielangfristig erfolgreich sein wollen, die Akteur/innen des lokalen Sozial-raums umfassend und zielorientiert als Kooperationspartner einbindenmüssen, wurden Situationsanalyse und Lokaler Aktionsplan unter größt-möglicher Einbindung der vor Ort tätigen Akteur/innen erstellt.

Für die Situationsanalyse wurden zum einen die vorhandenen Materi-alien aufgearbeitet, so beispielsweise Wahlergebnisse und Bevölke-rungsstatistiken, Presseberichte über fremdenfeindliche Übergriffe undÜberfälle, Daten über rechtsextremistische Organisationen und Grup-pierungen u. a. Zum anderen wurden 25 leitfadengestützte Experten-interviews mit 37 lokalen Akteur/innen aus verschiedenen Handlungs-feldern geführt, so mit Vertreter/innen der Jugendhilfe (Jugendarbeit,Streetwork, Fan-Projekt, Jugendamt), Polizei, Stadtverwaltung (Sicher-heitskonferenz, Ausländerbeauftragte), Schule (Gesamtschulen undOberstufenzentren), Initiativen im Bereich Fremdenfeindlichkeit, Flücht-lingsarbeit und Opferhilfe. Zentraler Inhalt der Interviews waren dieEinschätzung der Gesprächspartner/innen hinsichtlich der aktuellenSituation in Potsdam und erfolgreicher bzw. nicht erfolgreicher Maß-nahmen, die in der letzten Zeit umgesetzt wurden, sowie ihre Sicht aufdie Ziele und Inhalte des Aktionsplanes.

Im Rahmen der Verständigung über die Ziele des Aktionsplanes unddie zur Erreichung notwendigen Maßnahmen wurden in einem zweiten

Der Auftrag

Situationsanalyse

Werkstattgespräche

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Schritt Werkstattgespräche mit lokalen Akteur/innen aus den ver-schiedenen Handlungsfeldern durchgeführt, um von Beginn an dieBeteiligung der vor Ort Tätigen zu gewährleisten. Es fanden dreiWerkstattgespräche mit insgesamt 38 Potsdamer Akteur/innen statt:mit Vertreter/innen der Jugendhilfe, der Schule sowie mit Akteur/innen,die sich von Berufs wegen (oder aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätig-keit) explizit mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus be-schäftigen.

In den Werkstattgesprächen ging es um eine gemeinsame Einschät-zung der Situation, um Ziele, Prioritäten und Elemente des Aktionsplanssowie um seine Erfolgs- bzw. Realisierungsbedingungen. Es galt indiesem Kontext auch, die verschiedenen Sichtweisen auf das Phäno-men aufzuzeigen und mögliche Übereinstimmungen, aber auch Diffe-renzen deutlich zu machen.

Des weiteren fanden sechs Regionalkonferenzen statt, die von zweiMitarbeiter/innen des Mobilen Beratungsteams Brandenburg geleitetund von Camino begleitet wurden. Diese Regionalkonferenzen dien-ten als Fortbildungen der Mitglieder der Regionalkonferenzen zumThema Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Im Rahmendieser Fortbildungen wurden Gruppengespräche über die gegen-wärtige Situation in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextre-mismus im jeweiligen Stadtteil geführt. Zudem wurden Landkarten er-stellt über rechtsextreme oder fremdenfeindliche Aktivitäten sowieTreffpunkte der rechtsextremistischen Szene im Stadtteil.

Regionalkonferenzen

Erstellung des Lokalen Aktionsplans (Verlauf)

Einleitung

Oktober JanuarDezemberNovember

Datenrecherche

Presse- undInternetrecherche

Interviews mitlokalen Akteurenund Akteurinnen

Werkstattkonferenz zurErarbeitung konkreter Maßnahmen

WerkstattgesprächeJugendhilfe, Schule undweitere Akteur/innen

Begleitung derRegionalkonferenzen

Erstellung desAktionsplans Rückmeldung

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In einer Werkstattkonferenz am 11. Dezember 2001 wurden schließlichdie Ergebnisse und Ideen der Werkstattgespräche zusammengeführt.Zu dieser Veranstaltung wurde sehr breit eingeladen, so dass sich ca.50 Teilnehmer/innen aus den verschiedenen Handlungsfeldern betei-ligten. Nach einer kurzen Vorstellung der bisherigen Ergebnisse durchCamino haben sich die Teilnehmer/innen in themenbezogenen Arbeits-gruppen über Ziele und Leitlinien des Aktionsplanes verständigt, umsodann konkrete Maßnahmen zu entwickeln. Wenn gewünscht, konn-ten hier schon konkrete Absprachen für eine Weiterarbeit getroffenwerden. In diesem Kontext war es von besonderer Bedeutung, dassnun Akteur/innen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern gemeinsaman einem Thema diskutierten bzw. konkrete Projekte erarbeiteten. Sokonnten neue Kontakte hergestellt werden. Es wurde auch von meh-reren Teilnehmer/innen bestätigt, dass „obwohl man ja das Gefühl hat,dass man sich in Potsdam so gut kennt“, sie auf der Werkstatt-konferenz bisher unbekannte mögliche Partner kennengelernt undneue Kontakte geknüpft hatten.

Insgesamt waren wir bei der Situations- und Ressourcenanalyse so-wie der Ziel- und Maßnahmenplanung beeindruckt, dass in Potsdamerfreulich viele Projekte und Maßnahmen von kompetenten Akteurinnenund Akteuren durchgeführt werden. Gleichzeitig wurde deutlich, dassvon allen Seiten die Erschließung weiterer Ressourcen, eine verbes-serte Vernetzung und die Erweiterung der schon getätigten Maßnah-men in einem integrierten Gesamtkonzept als notwendig und wün-schenswert erachtet wurde. In diesem Sinne erhebt der folgendeAktionsplan nicht den Anspruch, „das Rad neu zu erfinden“, sonderndie schon vorhandenen Ressourcen zu stärken sowie die entsprechen-den Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeiteffektiv zu bündeln und zielgerichtet auszubauen.

Einleitung

Werkstattkonferenz

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Situation

Organisierter RechtsextremismusUnter „organisiertem Rechtsextremismus“ verstehen wir die Aktivitä-ten von rechtsextremen Parteien, Vereinigungen und Netzwerken.Bundesweit haben sich die Strategien und Erscheinungsformen desorganisierten Rechtsextremismus seit 1990 stark verändert. Gehörteder „Kampf um die Parlamente“ bis zu diesem Zeitpunkt zur Haupt-strategie der rechtsextremen Parteien DVU, Republikaner und NPD,gewinnen seit Anfang der neunziger Jahre zunehmend die außerparla-mentarischen Aktivitäten an Bedeutung. Eine zentrale Rolle spielt indiesem Zusammenhang die Nationaldemokratische Partei Deutsch-lands (NPD), die auch in Potsdam aktiv ist.

Mit dem Aufruf der NPD-Studentenorganisation „Schafft befreite Zonen“von 1992 und spätestens seit der Wahl von Udo Voigt zum Bundes-vorsitzenden der NPD 1996 hat sich eine „Drei-Säulen-Strategie“ aus„Kampf um Räume“, „Kampf um die Köpfe“ und „Kampf um Parlamente“durchgesetzt. Das Strategieelement „Kampf um Räume“ hat seinenAusgangspunkt in dem Aufruf „Schafft befreite Zonen“, dessen Ideees ist, überschaubare Räume herzustellen, in denen Rechtsextremedominieren, ihre Vorstellungen und ihr Recht etablieren. Systematischwerden demokratisch eingestellte Bürger/innen, Migrant/innen und„undeutsche“ Jugendkulturen von bestimmten öffentlichen Räumen(zum Beispiel Bahnhöfe) durch die Verbreitung von Angst (Pöbeln,Provokationen, Gewalt), meist durch rechtsextrem orientierte Jugend-und Skinheadgruppen, verdrängt. Auch wenn keine gänzlich befreitenZonen entstehen, produziert dieses Drohpotenzial temporär Räumeder Angst im Stadtgebiet, die von den oben genannten gefährdetenGruppen gemieden werden. Darüber hinaus zeigen sich Rechtsextremeverstärkt auf der Straße und versuchen, mit Demonstrationen Aufmerk-samkeit zu erreichen.

Die zweite Säule des Strategiekonzeptes „Kampf um die Köpfe“ hatdie kulturelle Hegemonie in bestimmten Gebieten und Gruppen zumZiel. Diese Hegemonie soll durch spezifische kulturelle und sozialeAngebote erreicht werden. Hierzu gehören die Zusammenarbeit mitder rechtsextremen Skinheadkultur, die Bereitstellung von Infrastruk-tur für rechtsextreme Musikgruppen („Aktion Notenschlüssel“ von1994), soziale Hilfestellungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen

Situationsanalyse: Rechtsextreme undfremdenfeindliche Aktivitäten in Potsdam

Was ist „organisierterRechtsextremismus“

„Kampf um Räume“

„Kampf um die Köpfe“

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Situation

(zum Beispiel für Mütter, Ältere, Strafgefangene) oder der Aufbau vonBürgerwehrgruppen, die in einem Wohngebiet für Sicherheit sorgensollen.

Erst wenn die räumliche Dominanz und die kulturelle Hegemonie einengewissen Grad erreicht haben, steht der „Kampf um die Parlamente“auf dem Programm. In vielen Gemeinden und Städten vor allem derneuen Bundesländer scheint diese Strategie Erfolg zu haben, wennman die Zahl der Aktivitäten und auch das Anwachsen der Mitglieder-schaft der NPD betrachtet (alle anderen rechtsextremen Parteien lei-den unter Mitgliederschwund).

Potsdam ist sicher keine Hochburg der rechtsextremen Szene, aberauch in Potsdam bestehen Strukturen der organisierten Rechten. Zuden Landtagswahlen 1999 sind drei rechtsextreme Parteien ange-treten: Bund freier Bürger (BfB), NPD und Deutsche Volksunion (DVU).Alle drei Parteien blieben in den beiden Potsdamer Wahlkreisen unter5 Prozent der Wählerstimmen. Einen nennenswerten Erfolg konnte dieDVU zwar auch in Potsdam erreichen, blieb aber in den beiden Wahl-kreisen der Stadt unter ihrem Durchschnittsergebnis im Land Branden-burg von 5,28 Prozent.1 Aufgrund der oben beschriebenen Strategiekann allerdings aus den schlechten Wahlergebnissen der rechts-extremen Parteien nicht darauf geschlossen werden, dass der orga-nisierte Rechtsextremismus keinen Einfluss in Potsdam hat.

1 In Potsdam I erreichte die Partei 2,63 Prozent und in Potsdam II 3,25 Prozentder Wählerstimmen.

„Kampf um die Parlamente“

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Während die DVU nur selten in der Öffentlichkeit aktiv wird und einmalim Monat einen Stammtisch für Interessierte veranstaltet, hat die NPDstärkere Aktivitäten entwickelt. Seit 1990 ist die NPD im Land Branden-burg aktiv und der für Potsdam zuständige Kreisverband Navel-Nuthehat sein Postfach in Potsdam. Die NPD und ihre Jugendorganisation,die JN, treten vor allem mit Propagandamaterial bei Wahlen, im Rah-men der Kampagne „Argumente statt Verbote“ sowie bei verschiede-nen Aufmärschen und Veranstaltungen sichtbar mit Plakaten und Flug-blättern in Erscheinung. Regelmäßig werden Aufkleber der NPD/JN imStadtgebiet geklebt. Seit August 2001 hat die JN einen Stützpunkt inPotsdam. Berichten professioneller Akteur/innen zufolge gab es in denvergangenen Jahren verstärkt Rekrutierungsversuche vor Schulen.Insgesamt spricht die Partei vor allem 14- bis 25-jährige an.

Darüber hinaus sind in Potsdam weitere rechtsextreme Organisationenund Netzwerke in Erscheinung getreten:

■ Bis zum Verbot 1995 existierte in Potsdam eine sehr funktionsfähigeGruppierung der Wiking-Jugend.

■ Die rechtsterroristische Nationale Bewegung zeichnet sich für ver-schiedene Anschläge in Potsdam und Umgebung verantwortlich.

■ Zu nennen ist auch das mittlerweile verbotene Netzwerk Blood &Honour im Zusammenhang mit der Potsdamer Band Proissenheadsund mit dem Babelsberger Geschäft Union Jack, dessen Angebotan den aktuellen Katalog des Hatesounds Versandes in Werder an-gelehnt ist. Hatesounds ist das Nachfolgeprojekt der Berlin-Branden-burger Sektion von Blood & Honour.

■ Die Kameradschaft Potsdam ist bisher nur ein Phänomen im Inter-net. Allerdings berichten verschiedene professionelle Akteur/innenvon Versuchen, eine autonome Kameradschaft in Potsdam zu auf-zubauen.

Insgesamt besteht auf den organisierten Rechtsextremismus bezogenein erhöhter Informationsbedarf, der auch von vielen Akteur/innen inPotsdam formuliert wurde. Vielfach wird die Vermutung geäußert, dasses entweder eine organisierte rechtsextreme Szene in Potsdam gibt,die vor allem verdeckt aus dem privaten Bereich agiert, oder organi-sierte Rechtsextreme aus dem Umland in der Stadt an Bedeutunggewinnen.

Rechtsextreme Aktvitätenund Strukturen in Potsdam

Situation

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Rechtsextreme SubkulturRechtsextreme Einstellungen sind in allen Bevölkerungs- und Alters-gruppen verbreitet und kein reines Jugendphänomen. Allerdings ist dieEntwicklung einer rechtsextremen jugendlichen Subkultur in den letz-ten zehn Jahren eine der wichtigsten Erscheinungsformen des Rechts-extremismus geworden. Als rechtsextreme Subkultur verstehen wirjene jugendlichen Zusammenhänge, die einem Lifestyle folgen, der ausrechtsextremer Einstellung, Musik, Kleidung, Symbolen, Code und Ver-haltensweisen, die auch Militanz und Gewalt als Mittel der Auseinan-dersetzung akzeptieren und zum Teil ausüben, besteht. Diese Jugend-lichen sind meist nicht in rechtsextremen Organisationen Mitglied, inihren Einstellungen und Verhaltensweisen allerdings rechtsextrem ori-entiert. Expert/innen gehen davon aus, dass etwa 20 bis 35 Prozentder männlichen ostdeutschen Jugendlichen zu diesem Lifestyle gezähltwerden können. Diese Jugendlichen stellen ein wichtiges Rekrutie-rungspotenzial für den organisierten Rechtsextremismus dar. Sie sindeine der Zielgruppen im „Kampf um die Köpfe“ und im „Kampf umRäume“ des organisierten Rechtsextremismus.

Mit soziokulturellen Angeboten und einer nationalen Jugendarbeit, dieeine Erlebniswelt aus Konzerten, Demonstrationen und Veranstaltun-gen schaffen will, sowie rechtsextremer Agitation durch Zeitschriftenund neue Medien/Internet werden jugendliche Gruppen und Szenenerreicht. Einen zentralen Stellenwert innerhalb des rechten Lifestylehat Musik mit rechtsextremen Texten. Sie vermittelt ideologische Bil-der und Phrasen an die jungen Hörer/innen. Seit Anfang der neunzigerJahre wird gezielt Musik eingesetzt, um rechtsextreme Ideen zu ver-mitteln und Jugendlichen den Einstieg in die rechtsextreme Szene zuerleichtern. Aus der rechtsextremen Szene heraus werden Bandsunterstützt, Konzertmöglichkeiten geschaffen sowie Herstellung undVertrieb von CDs organisiert. Das Spektrum rechtsextremer Musikreicht dabei von Liedermacher/innen wie Frank Rennicke und Annettüber umgedichtete Schlager- und Stimmungslieder bis hin zur Rock-,Heavy-Metal- und Oi-Punk-Musik. Dominiert der rechtsextreme jugend-liche Lifestyle bestimmte Orte (Klubs, Kneipen, Plätze), besteht dieGefahr, dass andere jugendliche Subkulturen verdrängt werden undeine demokratische Altagsgestaltung beeinträchtigt wird.

In Potsdam hat sich eine rechte Subkultur etabliert, die schon in denfrühen neunziger Jahren auf sich aufmerksam gemacht hat. Es gab inden letzten zehn Jahren immer wieder Gruppierungen in Potsdam undUmgebung, die mit rechtsextremen Aktivitäten in Erscheinung getre-ten sind. Es handelt sich überwiegend um Skinheads im Umfeld von

Situation

Was ist „rechtsextremeSubkultur“

Rechte Gruppierungen inPotsdam

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rechtsextremen Potsdamer Bands. Die Potsdamer rechtsextremenBands sind eng miteinander verbunden. So gibt es Doppelbesetzungen,sie treten unter einem gemeinsamen Label „Proissen SkinheadsPotsdam“ auf, sie werben gemeinsam auf einer Internetseite undhaben Verbindungen nach Berlin. Drei rechtsextreme Potsdamer Bandshaben sich etablieren können: Proissenheads, Unbending Bootboysund Freak Selection. Die Proissenheads konnten lange Zeit in einemPotsdamer Jugendclub proben. Das, so wird vermutet, habe in derrechtsextrem orientierten Jugendszene in Potsdam eine nachhaltigeWirkung hinterlassen.2

Von professionellen Akteur/innen aus der Jugendarbeit wird die Ein-schätzung formuliert, dass es in Potsdam eine Jugendszene, die sichdurch latente rechtsextreme Einstellung und eine hohe Mobilität aus-zeichnet, gibt. Aktuell wird von einem Generationswechsel in der rechts-extrem orientierten Jugendszene berichtet. Viele ältere Jugendlichebzw. junge Erwachsene halten sich stärker zurück, während jüngererechtsextrem orientierte Jugendliche in den Vordergrund treten. Dabeiwird die rechtsextreme Einstellung seltener offen gezeigt. Dennochsind rechtsextrem orientierte Jugendliche im Stadtbild erkennbar undbesetzen bestimmte öffentliche Räume, die dadurch für Migrant/innenund alternative Jugendliche gefährlich werden können. Viele Akteureund Akteurinnen beschreiben, dass in den randstädtischen Quartieren,zum Beispiel Schlaatz und Stern/Drewitz, rechte Jugendliche bestimm-te öffentliche Räume dominieren.

Bis vor wenigen Jahren hatte sich die rechtsextrem orientierte Jugend-szene in Potsdam auf diese randstädtischen Quartiere beschränkt.Nunmehr wird von räumlichen Veränderungen in Bezug auf Treffpunktevon rechtsextrem orientierten Jugendlichen berichtet: Seit der Verdrän-gung der Hausbesetzerszene aus der Innenstadt gebe es immerwieder Versuche der rechten Szene aus den Neubaugebieten, auchin Potsdam-Mitte Fuß zu fassen. In den letzten Jahren seien die Innen-stadt und Babelsberg auch für rechtsextrem orientierte Jugendlichezugänglicher geworden.

Bei der Situationsanalyse durch Akteur/innen aus Jugendhilfe, Schuleund Initiativen sind zwei besonders wichtige Entwicklungen in denVordergrund gerückt worden, die einen Handlungsbedarf ausdrücken:

■ Der öffentliche Nahverkehr, also Bushaltestellen, Bahnhöfe, Busseund Bahnen, sind weiterhin Treffpunkte und „Problemzonen“. Eine

2 Bernd Wagner in: die tageszeitung vom 12.2.2001.

Aktueller Handlungsbedarf

Situation

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besondere Entwicklung ist die Verlagerung der Straßenpräsenz vonrechtsextrem orientierten Jugendlichen in Richtung Hauptbahnhof.Der Hauptbahnhof wird in den Nachtstunden zu einem Treffpunktfür rechte Jugendliche. Der Wachschutz, so wurde berichtet, emp-fehle Fahrgästen, die spät abends hier mit dem Zug ankommen,einen bestimmten Ausgang des Bahnhofs nicht zu benutzen.

■ Bei einigen großen Veranstaltungsorten, wo jugendliche Ordner-gruppen eingesetzt werden, sind Veränderungen der Besucher-zusammensetzung zu verzeichnen. Insbesondere ist festzustellen,dass rechtsextrem orientierte Jugendliche in diese Ordnergruppeneinsickern und somit Macht ausüben können. Es wird berichtet, dassinsbesondere Jugendliche mit ausländischem Aussehen und aus al-ternativen Jugendszenen bedroht und ausgegrenzt werden oderdass rechte Jugendliche bevorzugt werden, indem sie ohne Eintritts-karte die entsprechenden Veranstaltungen besuchen dürfen.

Im Bereich der offenen Jugendarbeit wird von verschiedener Seite vonVersuchen rechtsextrem orientierter Jugendlicher berichtet, in Jugend-einrichtungen eine entsprechende Dominanz herzustellen. In einigenFällen werden neben Jugendlichen auch professionelle Jugendar-beiterinnen und Jugendarbeiter bedroht.

Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung undAusgrenzung

Unter Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung sowie Ausgrenzung ver-stehen wir alle Aktivitäten, die eine gleichberechtigte Teilnahme vonMenschen am gesellschaftlichen Leben einschränken und behindern –abhängig von ihrem Aussehen, ihrer Herkunft, ihrer religiösen Orien-tierung oder ihres Aufenthaltsstatus. Fremdenfeindliches und diskrimi-nierendes Verhalten ist oft gepaart mit einer Höherbewertung der sichselbst zugeschriebenen biologischen, sozialen oder kulturellen Merk-male sowie einer Abwertung und Disqualifizierung derjenigen Men-schen, die als „anders“ wahrgenommen werden. In diesem Sinne erwei-sen sich fremdenfeindliche und diskriminierende Aktivitäten gegenüberMigrant/innen als ein direkter Angriff auf die Grundfesten einer plura-listisch-demokratischen Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund sollen im folgenden insbesondere diejenigendiskriminierenden Aktivitäten und Handlungsweisen in den Blick genom-men werden, die strafrechtlich nicht relevant sind und trotzdem als

Situation

Was bedeutetFremdenfeindlichkeit?

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rassistisch und diskriminierend bezeichnet werden müssen. Abschät-zige, demütigende Kommentare auf der Straße gegenüber Migran-tinnen und Migranten gehören beispielsweise in diesen Bereich. Ebensogehören dazu unsensibles Verhalten und Benachteiligungen durch Ver-treter/innen von Behörden und Institutionen, die sich innerhalb des in-dividuellen Ermessensspielraumes bewegen. Schließlich gehören indiesen Bereich auch strukturelle Bedingungen (wie beispielsweise dasgegenwärtige Gutscheinsystem für Flüchtlinge), die eine gleichberech-tigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben einschränken.

Solche Verhaltensweisen, die sich im legalen Rahmen bewegen, prä-gen jedoch entscheidend das gesellschaftliche Klima. Dazu kommt,dass die Konzentration auf strafrechtlich relevante Delikte und Gewalt-taten die Gefahr birgt, Rechtsextremismus lediglich als kriminellesHandeln zu begreifen, das polizeilich und juristisch, aber nicht gesamt-gesellschaftlich bearbeitet werden müsse. Aus diesen Gründen mussgerade solchen Verhaltensweisen „legaler“ Fremdenfeindlichkeit undDiskriminierung entgegen getreten sowie die Teilhabe von Migrantinnenund Migranten am gesellschaftlichen Leben gefördert werden.

Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung im öffentlichenAlltag

Über den Umfang nicht-strafrelevanter Fremdenfeindlichkeit in Potsdamkann selbstverständlich keine genaue quantitative Angabe gemachtwerden. Es wurde allerdings von mehreren Seiten bestätigt, dassPotsdam im Vergleich zu anderen Städten/Gemeinden in Brandenburgeinen guten Ruf habe. Das zeigt sich beispielsweise auch darin, dasssich Flüchtlinge aus anderen Brandenburger Heimen, die mit rechts-extremen Übergriffen und Gewalttaten konfrontiert sind, eine „Um-verteilung“ nach Potsdam wünschen. Gleichzeitig jedoch berichtenFlüchtlinge und Flüchtlingsberatungsstellen von regelmäßigen Diskri-minierungen auf der Straße, die mittlerweile schon fast resignativ hin-genommen würden. Unverhohlenes Anstarren, ärgerliche oder schiefeBlicke auf der Straße sowie im öffentlichen Nahverkehr, Beleidigungenwie „Nigger – geh zurück in den Busch“ sind insbesondere für afrika-nische Flüchtlinge keine Seltenheit. Dabei wird betont, dass diese Dis-kriminierungen von Erwachsenen genauso wie von Jugendlichen ge-tätigt werden. In diesem Zusammenhang sind einige Stadtbereichebenannt worden, in denen solche Erfahrungen persönlich erlebt wur-den oder von denen Flüchtlinge den Beratungsstellen berichtet haben.Bei den benannten Gebieten handelt es sich um Rehbrücke, ins-

Belästigungen im Alltag

Situation

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besondere den Bahnhof, sowie um die Stadtteile Waldstadt II, Drewitz,Schlaatz, um den Bus zum Flüchtlingsheim am Lerchensteig, dasNeubaugebiet „Haeckelstraße“ in Potsdam-West und schließlich um denHauptbahnhof Potsdam, wo sich die Lage in den letzten Monaten zwarverbessert habe, aber noch nicht befriedigend sei. So berichtet einGesprächspartner, dass er noch im November 2001 Belästigungenund Beleidigungen in einer Kaufhalle des Bahnhof-Centers ausgesetztgewesen sei.

Nicht nur Flüchtlinge und Asylbewerber/innen sind von latentem Ras-sismus betroffen. So sind auch Fälle von ausländischen Wissenschaft-ler/innen bekannt, die verbal oder körperlich bedrängt wurden. Im Jahr2000 führten Pöbeleien in einem Supermarkt sogar dazu, dass einindischstämmiger Wissenschaftler aus den USA die Berufungsverhand-lungen für eine Professur abbrach. Eine ganz andere Variante vonAusgrenzung berichtet ein Mitglied des Ausländerbeirats. Seit seinEngagement im Beirat bekannt geworden sei, werde es von Nachbarnund Nachbarinnen bewusst gemieden. Auch die Situation der mos-lemischen Bevölkerung in Potsdam scheint nicht unproblematisch zusein. Einerseits erlebe die moslemische Gemeinde ein verstärktesInteresse an Informationen über den Islam, andererseits hätten sichdie Pöbeleien und Beleidigungen seit dem 11. September auffälligerhöht. Dies betreffe insbesondere kopftuchtragende Frauen sowieMänner, die dem Aussehen nach arabischer Herkunft zu sein scheinen.

Angemerkt sei noch, dass bei den Schilderungen all dieser Fällewenig über ein couragiertes Auftreten von Unbeteiligten sowie Zuschau-erinnen und Zuschauern berichtet wurde. Zwar wurden auch Beispie-le genannt, dass sich Potsdamer Bürger/innen in solchen Situationenengagierten und eingriffen. Es scheint jedoch nicht die Regel. Hier be-steht folglich Handlungsbedarf.

Vor dem Hintergrund dieser Schilderungen ergibt sich, dass derLebensalltag von Flüchtlingen in Potsdam oft eingeschränkt ist. Selbstwenn sich Flüchtlinge von den 80 DM Bargeld, das ihnen monatlich zurVerfügung steht, den Besuch von kulturellen Einrichtungen und Ereig-nissen in Potsdam leisten können, so werden diese Möglichkeiten dochfaktisch kaum genutzt – um erst gar nicht in eine diskriminierende oderbedrohliche Situation zu geraten. Kinos und Diskotheken werden häu-fig ebenso gemieden wie Schwimmbäder, Rummel und Sportveran-staltungen. Auch die Flüchtlingskinder leiden unter dieser Situation. Sounterlassen einige Eltern aus Angst den Besuch von Kinderspielplätzenoder verbieten den Kindern, allein auf die Straße zu gehen. In diesemZusammenhang wurde auch der Umstand genannt, dass einige Kinder

Situation

Einschränkung desLebensalltags vonFlüchtlingen

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bewusst nicht in die Schule ihres Wohngebietes (zum Beispiel imSchlaatz) geschickt würden, aus Angst vor Beleidigungen und Über-griffen. Und selbst wenn es zu erfreulichen Kontakten in der Schulekommt, kann es immer noch zum Problem werden, dass deutscheEltern ihren Kindern den Besuch der Wohnung der Flüchtlingsfamilieverbieten.

Es lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse unserer Gespräche mitBeratungsstellen, Flüchtlingsinitiativen, Flüchtlingen und anderenMigrant/innen ein ambivalentes Bild ergeben. Auf der einen Seite wirdimmer wieder betont, dass die gesamtstädtische Atmosphäre in Be-zug auf Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung positiv einzuschät-zen sei, auf der anderen Seite aber berichten insbesondere Flüchtlingevon besorgniserregenden Erfahrungen im öffentlichen Raum jenseitsvon strafrelevanten Delikten. Dies führt bei diesem Personenkreis zumTeil zu einer erheblichen Einschränkung ihrer Teilhabe am öffentlichenLeben mit der Folge eines Rückzuges aus dem öffentlichen Raum.Dieser Rückzug verhindert aber gerade die Realisierung einer wichti-gen Integrationsbedingung: nämlich die Herstellung von Kontakten undBegegnungen mit anderen Potsdamer Bürger/innen.

Wenn man diesen Rückzug von Migrant/innen abwenden will, sollte manallerdings noch andere Phänomene in den Blick nehmen. Denn die dro-hende Isolierung von Migrant/innen wird nicht nur durch das Erlebenvon fremdenfeindlichen Einzelpersonen und Gruppen im öffentlichenRaum gefördert, sondern auch durch strukturelle Umstände, die imfolgenden näher beschrieben seien.

Strukturelle Bedingungen der Fremdenfeindlichkeit undDiskriminierung

Von Gesprächspartner/innen sind mehrere Personengruppen benanntworden, die besonders der Gefahr der Isolierung ausgesetzt sind. Sogehören 600 der ca. 4500 in Potsdam lebenden Ausländer/innen zuder Gruppe der jüdischen Migrant/innen, vorwiegend aus Osteuropa.Diese sind nicht nur mit dem vehementen Antisemitismus der „Natio-nalen Bewegung“ konfrontiert, sondern auch mit strukturell entstan-denen Integrationsproblemen. So hat sich die Stadtverwaltung bewusstdafür entschieden, diese Zuwanderergruppe räumlich nicht auf einStadtgebiet zu konzentrieren. Das ist auf der einen Seite sicherlichsinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass eine räumliche Schwerpunkt-bildung gerade den Kontakt und die Begegnung mit anderen Potsdamer

Zur Situation derjüdischen Migrantinnen

und Migranten

Situation

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Bürger/innen erschwert. Auf der anderen Seite kann aber eine Vertei-lung auf das ganze Stadtgebiet erst recht in eine Isolierung führen,wenn – wie in Potsdam – bestimmte Rahmenbedingungen gegebensind. So handelt es sich bei den meisten jüdischen Migrant/innen umSenior/innen, für die die aktive Realisierung neuer Nachbarschafts-beziehungen eine besondere Herausforderung darstellt. Dies wirdinsbesondere durch die geringen oder fehlenden Deutschkenntnisseerschwert, da es zudem an Sprachkursangeboten für diese Migranten-gruppe mangelt. Zusätzlich besteht das Problem, dass 300 dieserjüdischen Migrant/innen zwar der jüdischen Gemeinde angehören, diedurch einen Verein repräsentiert wird. Da es jedoch keinen Staatsver-trag mit den jüdischen Gemeinden in Brandenburg gibt, ist die finan-zielle Ausstattung dieser Gemeinde gering.

Als weitere Gruppe, die kaum am Potsdamer gesellschaftlichen Lebenteilnimmt, wurden die ca. 200 vietnamesischen Arbeitsmigrant/innenin Potsdam genannt. Über diese Gruppe liegen leider wenige Informa-tionen vor. Es gibt aber Vermutungen, dass sie für sich eine eigeneStruktur im Hinblick auf ihr kulturelles und soziales Lebens aufgebauthat.

Eine andere Gruppe, die der Gefahr der Isolierung ausgesetzt ist, stelltdie Gruppe der Flüchtlinge dar, die in den gegenwärtig zwei Flüchtlings-heimen (520 Plätze) bzw. in angemieteten Wohnungen (250 Plätze)leben. Zu dieser Gruppe gehören die derzeit 622 Asylbewerber/innen,des weiteren Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge sowie „geduldete“ und„vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer“ nebst deren Ehepartnerinnenund -partnern und minderjährigen Kindern. Die zwei Heime in Potsdamliegen jeweils abgelegen am Stadtrand (Michendorfer Chaussee undLerchensteig). Die öffentlichen Nahverkehrsverbindungen (Ein-Stunden-Takt und mehr) sind unbefriedigend. Des weiteren steht zur Zeit dieNahverkehr-Sozialfahrkarte nicht mehr zur Verfügung. Allein diese Um-stände erschweren den Heimbewohner/innen schon die Teilnahme amgesellschaftlichen Leben in Potsdam. Die aufgrund der isolierten Lagein der Michendorfer Chaussee geplante Verkleinerung dieses Heimeswird von vielen befürwortet. Gleichzeitig fragen sich viele, ob diedamit einhergehende Verlagerung in die Kirschallee, die neben demLerchensteig zu einer Konzentration von Asylbewerberplätzen inPotsdam-Nord führt, die Integration fördert. Hingegen wird die geplanteAusweitung der Plätze in Potsdamer Wohnungen sehr begrüßt. ImUnterbringungskonzept für Zuwanderer, das die Stadt am 23. Januar2002 beschlossen hat, wird u. a. festgeschrieben, dass Familien, dieseit mehr als drei Jahren, und Alleinstehende, die seit mehr als fünfJahren in Deutschland leben, einen Anspruch auf eine Wohnung haben.

Situation

Die vietnamesischenArbeitsmigrant/innen

Zur Situation der Flüchtlinge

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Die Verwaltung wertet diesen Beschluss als ei-nen Fortschritt; ein Teil der Flüchtlingsinitiativenhingegen problematisiert, dass Flüchtlingeweiterhin mindestens drei Jahre in einer abge-legenen Sammelunterkunft verbringen müs-sen.

Zur Zeit zeichnet sich aufgrund der Mietpreiseeine Konzentration der vom Bereich Wohnender Stadtverwaltung zugewiesenen Wohnun-gen im Stadtteil Schlaatz ab. In diesem Stadt-teil ist allerdings von mehreren fremdenfeind-lichen Vorfällen berichtet worden. Auch werdendort von vielen Potsdamer Akteure und Akteur-innen eine relativ große rechte Szene und ent-sprechende Sympathisanten wahrgenommen.Entsprechend erfahren auch hier wiederFlüchtlinge eine Einschränkung ihres Lebens-alltags und eine Behinderung von positivenLebens- und Kontaktmöglichkeiten.

Ein weiterer Faktor, der die Isolierungsgefahr erhöht, ist die sogenannteResidenzpflicht. Flüchtlinge, die den Auflagen des Asylbewerber-leistungsgesetzes unterliegen, dürfen den Landkreis ihrer zugewiese-nen Unterbringung nur mit Ausnahmegenehmigung verlassen. Deshalbsind Bewegungsfreiheit, Begegnungsmöglichkeiten, sozial stabilisie-rende Kontakte sowie die Wahrnehmung kultureller Veranstaltungenaußerhalb des Landkreises eingeschränkt.

So ist eine Reise ins nahe gelegene Berlin in der Regel illegal – egalob man eine Veranstaltung, Freunde, Verwandte oder eine Fortbildungs-möglichkeit besuchen möchte. Besonders gravierend ist dieser Um-stand für traumatisierte Flüchtlinge, denen damit manchmal Unter-stützungsleistungen für eine psychische und soziale Genesung durchFreunde und Verwandte ver-wehrt sind. Dieser Umstand hat sich seitden Terroranschlägen vom 11.9.2001 auch in Potsdam verschärft.

Ein weiterer struktureller Faktor, der die Stigmatisierung und Isolierungvon Flüchtlingen fördert, ist das Sachleistungsprinzip. Flüchtlingewerden, bis auf einen Barbetrag von 80 DM, nur mit Sachleistungenbzw. mit einlösbaren Gutscheinen versorgt. Dieses System an sich wirdvon den meisten Flüchtlingen bereits als diskriminierend empfunden.Des weiteren führt im Lebensalltag das Einlösen der Gutscheine inGeschäften zu konkreten Ausgrenzungen und abschätzigen Bemerkun-

Residenzpflicht

Sachleistungsprinzip

Situation

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gen durch Angestellte und Kund/innen. Auch wird berichtet, dassKassierer/innen Migrant/innen als kriminell verdächtigten, wenn siestatt mit Gutscheinen mit Bargeld oder gar Scheckkarte bezahlten.Ebenso ließen Kunden abschätzige Bemerkungen fallen oder wärenverärgert, wenn sich die Schlange an der Kasse verzögere, weil derGutscheintausch mehr Zeit in Anspruch nähme.

Diese demütigende und integrationshemmende Situation erkennend,hat Anfang Juli 2001 die Stadtverordentenversammlung einem Antragzugestimmt, mit dem die Landesregierung aufgefordert wurde, die ge-setzlichen Chancen zur Gewährung von Geld- statt Sachleistungen soweit wie möglich auszuschöpfen. Außerdem soll nach dem Willen derStadtverordnetenversammlung die Landesregierung eine Initiative zurbundesweiten Abschaffung des Sachleistungsprinzips in Gang bringen.Die Entscheidung der Landesregierung zur erweiterten Gewährung vonGeldleistungen steht noch aus. Da eine engagierte Haltung und öffent-liche Positionierung der Stadtpolitik zugunsten der Lebensbedingun-gen und gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten von Flüchtlingen alswichtig eingeschätzt wird, um das gesamtgesellschaftliche Klima zuverändern, ist der Stadtverordnetenbeschluss von vielen lokalen Ak-teur/innen positiv gewürdigt worden.

Ein letztes wichtiges strukturelles Hemmnis bei der Integration bzw.Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrant/innen ist dieSprachbarriere. Wie schon bei der Gruppe der jüdischen Migrant/innenerwähnt, sind auch andere Gruppen mit sprachlichen Verständigungs-barrieren konfrontiert. Auf der Migrantenseite spielt vor allem das zugeringe Angebot an hochwertigen Sprachkursen eine große Rolle.Dieser Umstand hat sich insofern verschärft, da die finanzielle Bezu-schussung von Sprachkursen der VHS durch das Land gestrichenwurde und es zur Zeit unklar ist, inwieweit das (schon nicht ausrei-chende) Angebot weitergeführt werden kann und die Eigenbeteiligungfür die teilnehmenden Migrant/innen zumutbar bleibt.

Integrationshindernisse durch Behörden und Institutionen

Als letztes möchten wir auf den Zusammenhang des Verhaltens vonBehörden und der Behinderung von Integration und gesellschaftlicherTeilhabe eingehen. Als ausführende Organe spielen Behörden einewichtige Rolle im Leben der Migrant/innen, insbesondere der Flücht-linge. Gleichzeitig fungieren sie als eine Art Aushängeschild der gesell-schaftlichen wie politischen Meinung und Haltung – positiv wie negativ.Denn je nach Gestaltung des jeweiligen Gesetzesspielraumes und je

Situation

Sprachbarrieren

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nach individueller oder gruppenspezifischer Behandlung prägen sie dasBild, das sich Migrant/innen von der Gesellschaft machen, und beein-flussen umgekehrt auch die Wahrnehmung der Migrant/innen durchdie anderen Einwohner/innen Potsdams.

Die Polizei und diejenigen Behörden, mit denen Flüchtlinge bei derBewältigung ihres Alltags am häufigsten konfrontiert sind, spielenhierbei die zentralen Rollen.

Das Auftreten der Polizei im öffentlichen Raum gegenüber Migrantinnenund Migranten oder Flüchtlingen ist ein wichtiger Baustein im Mosaikder deutsch/nicht-deutschen Beziehungen und Wahrnehmungen.Befragt man Flüchtlinge über ihre Erfahrungen mit der Polizei, dannfindet man mehrheitlich ein Verhältnis des Misstrauens gegenüber derPolizei vor. Dafür gibt es mehrere Gründe. So haben viele Flüchtlingein ihren Herkunftsländern sehr schlechte Erfahrungen mit der Polizeigemacht. Diese werden auf die deutsche Polizei übertragen. Desweiteren haben Polizisten gesetzmäßig die Residenzpflicht zu überprü-fen. Es gibt aber auch andere Gründe des Misstrauens. So wurde voneinem Fall berichtet, in dem ein bedrohter Flüchtling aufgrund einesfremdenfeindlichen Übergriffes die Polizei gerufen habe und anschlie-ßend selber wie ein Täter behandelt worden sei. Ein anderer Gesprächs-partner erzählt, dass er auf der Straße von der Polizei angehalten undanscheinend grundlos nach seinem Pass gefragt worden sei und sichrespektlos behandelt fühle. Ein solches Verhalten zeitigt nicht nurentsprechende Wirkungen bei Migrant/innen, sondern auch bei denumstehenden Passant/innen.

So hat sich bei vielen Flüchtlingen aufgrund von eigenen Erfahrungenoder von Erzählungen das Bild einer Polizei verfestigt, der mit Miss-trauen zu begegnen sei und die Asylbewerber/innen keinen sicherenSchutz bei Übergriffen biete.

Auf der anderen Seite verhält sich ein beachtlicher Teil der Polizeiengagiert, unterstützt ein solches Auftreten nicht und ist in einen kon-struktiven Dialog mit Vertreter/innen von Flüchtlingsberatungsstellengetreten. Diese Ansätze gilt es fortzuführen und auszubauen.

Die Potsdamer Ausländerbehörde wird im großen und ganzen alskooperativ erlebt. Gegenwärtige Hauptkritikpunkte sind fehlendeFremdsprachenkompetenzen sowie die in der Regel unbefriedigendeErteilung von lediglich dreimonatigen Duldungen für ausreisepflichtigeAsylbewerber/innen. Letzteres führt zum einen zu psychischen Belas-tungen von Flüchtlingen, denen diese kurzfristigen Duldungen erteilt

Polizeiliches Verhalten

Ausländerbehördeund Arbeitsamt

Situation

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werden, obwohl sie schon zwischen zwei und fünf Jahren oder nochlänger in Potsdam leben. Zum anderen erschweren diese dreimo-natigen Duldungen erheblich die Erteilung einer Arbeitserlaubnis durchdas Arbeitsamt. Da die Prüfung durch das Arbeitsamt vier bis sechsWochen dauert, jedoch die Arbeitserlaubnis, wenn man sie bekommt,nur bis zum derzeitigen Duldungstermin erteilt wird, ist die Umsetzungder Arbeitserlaubnis nur schwer realisierbar. Zudem wird im Arbeits-amt die unzureichende Beratungsleistung für Flüchtlinge und interes-sierte Arbeitgeber kritisiert.

Als positiv zu bewerten ist, dass es zwischen der Stadt Potsdam unddem Landkreis Potsdam-Mittelmark eine Vereinbarung zur gegensei-tigen Aufenthaltsgestattung von Asylbewerber/innen gibt.

In den Gesprächen mit Flüchtlingen und Beratungsstellen wurde derBereich Soziales der Stadtverwaltung hauptsächlich im Zusammen-hang mit der Zuweisung von Wohnungen problematisiert. Insbesonderewurde die Zuweisung von Wohnraum im Stadtteil Schlaatz kritisiert.Uneinigkeit herrschte in der Einschätzung, inwieweit der BereichWohnen überhaupt einen Ermessensspielraum habe, um Wohnungenaußerhalb vom Schlaatz anzubieten. Eine wichtige Rolle scheint hierbeidie Berechnung der gestatteten Mietpreishöhe anhand der Netto-Kalt-miete pro Quadratmeter zu spielen. Bei diesen Berechnungen fallenWohnungen aus anderen Stadtteilen mit einer höheren Netto-Kaltmietepro Quadratmeter heraus, obwohl sie aufgrund ihrer kleineren Wohn-fläche in der Gesamtmiete gleich viel kosten würden. Mittlerweilebesteht für solche Fälle ein Prüfungs- und Genehmigungsverfahren. Ineinigen weiteren Fällen, zum Beispiel beim Erwerb von notwendigenEinrichtungsgegenständen für Wohnungen, wiesen Flüchtlinge nach,dass bei mehr Flexibilität des Bereichs Soziales sogar eine Kosten-ersparnis zustande käme. Hier wünschen sich professionelle Bera-terinnen und Berater sowie Flüchtlinge mehr Flexibilität.

Situation

Bereiche Soziales undWohnen

Manifester Rechtsextremismus in Form vonGewalt- und Straftaten

Hier geht es in erster Linie um Überfälle – meist ausgehend von rechts-extrem orientierten Jugendgruppen – auf Migrant/innen, Flüchtlingeund alternative oder alternativ aussehende Jugendliche. WenngleichPotsdam im Vergleich zu anderen Brandenburger Städten noch alsrelative sichere Stadt gelten kann und diesen Ruf auch bei Menschen

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ausländischer Herkunft hat, kommt es doch regelmäßig zu Übergrif-fen, die mit Gewalt verbunden sind.

Die Entwicklung der letzten Jahre auf dem Feld der Gewalt- und Straf-taten mit rechtsextremem Hintergrund zeigt, dass hier deutlicherHandlungsbedarf besteht. Während in der zweiten Hälfte der neunzigerJahre (von 1993 bis 1998) eine Abnahme zu verzeichnen war, ist seit1999 eine Zunahme zu registrieren. So stiegen im SchutzbereichPotsdam die rechtsextrem motivierten Delikte von 89 im Jahre 1999auf 138 im Jahre 2000, also über 50 Prozent. Diese Aussage gilt füralle Delikte mit rechtsextremem Hintergrund.3

Die Mehrzahl der Straftaten bezieht sich auf die Verwendung von Kenn-zeichen verfassungswidriger Organisationen und Propagandadelikte,also Delikte nach § 86a StGB. Im Jahre 2000 waren 94 von 138 rechts-extrem motivierten Straftaten insgesamt diesem Bereich zuzuordnen,also 68 Prozent. Im Vergleich zu 1999 hat es hier eine Zunahme umca. ein Drittel gegeben: von 69 auf 94 Verfahren. Für das Jahr 2001ist eine weitere Zunahme zu erwarten: Allein am Hauptbahnhof sind indem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 ca. 90 Propagandadeliktezu verzeichnen.

Besorgniserregend ist auch die Zunahme der anderen Straftaten mitrechtsextremem, fremdenfeindlichem oder antisemitischem Hinter-grund. Hier verzeichnen wir 24, 13 bzw. 7 Verfahren im Jahre 2000gegenüber 11, 7 bzw. 2 Verfahren im Jahre 1999. Es kam also beirechtsextrem oder fremdenfeindlich motivierten Delikten zu einerVerdoppelung, bei Delikten mit antisemitischem Hintergrund zu einerVerdreifachung.

Unter diese Rubriken fallen u. a. Delikte nach § 130 StGB (Volks-verhetzung). Als Beispiel hierfür können die Aktionen der „NationalenBewegung“ gelten, die in kleinen konspirativen Zellen Anschläge aufMahnmale, jüdische Friedhöfe und andere Orte mit ähnlichem Symbol-wert verüben, so zum Beispiel der Anschlag auf das Totenhaus desjüdischen Friedhofes in Potsdam im Januar 2001 oder die Schändungder Potsdamer Villa Grenzenlos im September 2000: „Und am 21. Sep-

3 Die offiziellen polizeilichen Zahlen sind nur mit Einschränkungen aussagekräftig.So ist zu beachten, dass laut Aussagen der Polizei inzwischen sensibler reagiertwerde und von daher mehr Delikte verzeichnet werden. Auch ist unklar, inwieweitein verändertes Anzeigeverhalten der Bevölkerung die Statistik beeinflusst.Möglicherweise werden mehr Straftaten als früher angezeigt, da die Bevölkerungsensibilisiert ist; möglich ist allerdings auch, dass insbesondere Migrant/innenaufgrund schlechter Erfahrungen weniger anzeigen.

Entwicklung der Gewalt-und Straftaten

Situation

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tember, dem Tag der Fünfzigjahrfeier des Zentralrats der Juden,schmieren die Mitglieder der Gruppe Hakenkreuze, SS-Runen undantisemitische Parolen an die Potsdamer Villa Grenzenlos. In diesemHaus bietet die Jüdische Volkshochschule Kurse an. In dem hinterlas-senen Pamphlet heißt es: ‚Wir haben keinen Platz im Deutschen Reichfür diese geldgierige, unarische Rasse.‘“4

Wie viele der registrierten Straftaten mit rechtsextremem, fremden-feindlichem oder antisemitischem Hintergrund mit Gewalt verbundensind, lässt sich aus den zur Verfügung gestellten Statistiken fürPotsdam nicht entnehmen.

Es ist davon auszugehen, dass neben den offiziell registrierten Delik-ten eine Vielzahl von mit Gewalt verbundenen Taten nicht angezeigtwird. Das gilt insbesondere für Übergriffe mit geringen körperlichenVerletzungen, für Überfälle gegen sich illegal in Potsdam aufhaltendeMenschen oder für Angriffe gegenüber Szenen, die eine Distanz ge-genüber der Polizei und staatlichen Verfolgungsorganen haben. DieGrauzone nicht angezeigter gewalttätiger Angriffe lässt sich nichtgenau benennen, scheint jedoch nicht unbeträchtlich zu sein.5 DieseÜbergriffe beeinträchtigen Sicherheit, Sicherheitsgefühl und Lebens-qualität von in Potsdam lebenden Menschen – insbesondere von Flücht-lingen, Migrant/innen, linken oder alternativen Jugendkulturen – instarkem Maße.

Chronologien rechtsextrem motivierter Übergriffe zeigen auf, dassauch in Potsdam regelmäßig gewalttätige Angriffe mit rechtsextrememoder fremdenfeindlichem Hintergrund erfolgen. Folgende Beispiele ausdem Jahr 2001 sollen dies verdeutlichen:

26.4.2001Ein 28-jähriger Nigerianer wurde im Bahnhofscenter von vier 17- bis24-jährigen Deutschen überfallen. Das Opfer wurde umstellt, die Täterversuchten, seinen Rucksack zu entreißen. Dann wurde er geschlagenund beschimpft. (Berliner Zeitung, 28.4.2001)

17.5.2001Drei junge Männer und ein Mädchen wurden von drei Angehörigen derrechten Szene an einer Bushaltestelle beschimpft und mit Fäustengeschlagen. (ddp)

Situation

4 www.klick-nach-rechts.de/gegen-rechts/2001/01/nationale-bewegung.htm.5 Eine Untersuchung der AnStiftung Dresden schätzt, dass 50 bis 75 Prozent dergewalttätigen Übergriffe nicht angezeigt werden.Vgl. www.kamalatta.de/opferperspektive/anstiftung.htm

Rechtsextreme Übergriffein Potsdam

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25.8.2001Ein 15-jähriger Jugoslawe wurde von einem 19-Jährigen als „Scheiß-Kanake“ und „Scheiß-Ausländer“ beschimpft und mit der Hand ins Ge-sicht geschlagen. (MAZ, 27.8.2001)

25.8.2001Am Sonnabend war es gegen 18 Uhr zu einer Konfrontation zwischengut 100 Hertha-Fans und einigen Hausbesetzern gekommen, als dieBerliner Fans sich grölend dem besetzten Haus in der Rudolf-Breit-scheid-Straße 6 unweit des Karl-Liebknecht-Stadions näherten. Meh-rere Augenzeugen haben ausgesagt, dass die besagten Hertha-Fansauf dem Weg vom Stadion zur S-Bahn-Station Babelsberg gezielt dasbesetzte Haus angesteuert hätten. Nach Angaben der Aktion Not-eingang haben die Hertha-Fans dann Steine aus dem Gleisbett derStraßenbahn aufgesammelt und mit Rufen wie „Zecken töten“ oder„Hier marschiert der nationale Widerstand“ die Steine in die Fenster-scheiben des Hauses geworfen. (…) Auf der Homepage des Hertha-Fanklubs Fanatics waren bereits Tage vor dem Spiel massive Hetz-parolen gegen Anhänger des SV Babelsberg aufgetaucht. (BerlinerZeitung, 31.8.2001)

29.8.2001Drei türkische Jugendliche wurden von sechs deutschen rassistischangepöbelt und mit Steinen und Flaschen attackiert. Verletzt wurdeniemand. (ORB-Videotext, 30.8.2001)

8.11.2001Mehrere Jugendliche haben in Potsdam eine 31-jährige Nigerianerinüberfallen. Die Frau wurde zunächst in einem Linienbus mit ausländer-feindlichen Sprüchen beschimpft und mit Essensresten beworfen.Außerdem schlugen die Täter die Frau auch brutal auf den Hinterkopf.Nach Verlassen des Busses verfolgten zwei der Jugendlichen die Fraubis in das Stern-Einkaufscenter und drohten ihr Schläge an. Die voneinem Wachmann alarmierte Polizeistreife nahm als Täter zwei 16 und19 Jahre alte Jugendliche fest, die in eine Toilette geflüchtet waren.Die beiden polizeibekannten Jugendlichen blieben nach Erstattung einerAnzeige aber auf freiem Fuß. (ddp/dpa)

Die Erfahrungen von Menschen mit nicht-deutschem oder alternativemAussehen bestätigen, dass die Möglichkeit, Opfer eines Überfalls zuwerden, ständig präsent ist. Fremdenfeindlichkeit zeigt sich nicht nurin Form von Beleidigungen und Pöbeleien, sondern auch durch tätlicheÜbergriffe bei Alltagshandlungen, zum Beispiel Einkaufen oder Benut-zen öffentlicher Verkehrsmittel.

Situation

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Regionale Schwerpunkte von Gewalttaten sind übereinstimmend derHauptbahnhof und einige der Plattenbausiedlungen. Genannt werdenhier am häufigsten Schlaatz und Stern. Laut Aussagen der Polizei sinddie letztgenannten Gebiete von der Deliktzahl her nicht auffälliger alsdie anderen Wohngebiete. Der Hauptbahnhof war bis zum Sommer2001 einer der Schwerpunkte von rechtsextrem motivierten Aktivi-täten. Inzwischen habe man, nach Aussagen der Polizei, die Aktivitä-ten dort jedoch unter Kontrolle. Eine Rolle hierbei spielt sicherlich auchdie seit Mitte 2001 eingesetzte Videoüberwachung im Bahnhof.

Dennoch ist in den Augen bedrohter Bevölkerungsgruppen der Haupt-bahnhof ein unsicherer Ort, insbesondere abends und am Wochenen-de. Dann werde der Bahnhof zu einem Treff für rechte Jugendliche,und es komme immer wieder zu Übergriffen.

Auch die öffentlichen Nahverkehrsmittel gelten als gefährliche Orte,die von vielen gefährdeten Personen und Gruppen gemieden werden.Einige Bus- und Straßenbahnlinien und -haltestellen haben in diesemKontext den Ruf, außerhalb der Hauptverkehrszeiten nicht gut benutz-bar zu sein. So wird vom S-Bahnhof Babelsberg berichtet, dass sichdie sogenannten Opfergruppen vor allem in den Abend- und Nacht-stunden sehr vorsichtig verhalten (müssen), weil sie Gefahr laufen, vonrechten Jugendlichen angepöbelt zu werden.

In Bezug auf rechtsextrem/fremdenfeindlich motivierte Straftaten er-gibt sich deutlicher Handlungsbedarf: Notwendig sind Maßnahmen imBereich der Prävention, um bedrohte Bevölkerungsgruppen im Vorfeldvor Übergriffen zu schützen. Drüber hinaus müssen Konzepte fürIntervention und Reaktion entwickelt werden, um diese Gruppen in undnach Übergriffen zu unterstützen.

Ein bislang kaum behandeltes Thema ist die Bedrohung von Mitarbei-ter/innen in Schule und Jugendhilfe durch rechtsextreme Jugendliche,von der im Rahmen von Interviews und Werkstattgesprächen berich-tet wurde. Aufgrund der Sensibilität der Thematik können an dieserStelle keine näheren Angaben dazu gemacht werden. Auch wenn essich hierbei (noch) um ein vereinzelt auftretendes Problem handelt, be-steht doch dringender Handlungsbedarf.

Situation

Regionale Schwerpunkteund gefährliche Orte

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Ressourcen gegen Rechtsextremismus,Fremdenfeindlichkeit und Gewalt

SicherheitskonferenzDie Stadt Potsdam ist seit geraumer Zeit gegen Rechtsextremismusund Fremdenfeindlichkeit aktiv. Eine wichtige Rolle spielt in diesemZusammenhang die Sicherheitskonferenz, die im Jahre 1995 aufgrundeines Stadtverordnetenbeschlusses eingerichtet wurde. Sie arbeitetunter den zentralen Zielstellungen, die Kriminalität zurückzudrängenund ein hohes Maß an Sicherheit und Ordnung in der Stadt zu gewähr-leisten. Zu den inhaltlichen Aufgabenfeldern, die im „Konzept desInneren Friedens und der Inneren Sicherheit“ aufgeführt werden, zähleninsbesondere Gewalt an Schulen, Suchtprävention, Gewalt in derFamilie, Gewalt gegen Frauen, Aggressionsdelikte, Fahrrad- und Laden-diebstähle sowie der Bereich „Sicheres Wohnen“. Rechtsextremismusund Fremdenfeindlichkeit sind nicht explizit als Themenfelder benannt.

Im Januar 2001 wurde die Sicherheitskonferenz vom Bürgermeister,der Koordinator gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt der Landes-hauptstadt Potsdam ist, mit der Koordinierung der Aktivitäten gegen

Arbeitsfelder undAktivitäten der

Sicherheitskonferenz

Ressourcen

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Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in Potsdam beauftragt. Seitdemstehen alle Aktionen unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe!“. Indiesem Rahmen fanden seither mehrere Aktionen statt, unter ande-rem ein Schülerwettbewerb zur Gestaltung eines T-Shirts mit dem Logo„Potsdam bekennt Farbe!“, das Drachenfest der Potsdamer Schulenunter dem Leitgedanken one sky – one world, die Entwicklung der„Grünen Karte“ für Zivilcourage und viele weitere mehr. Darüber hin-aus wurde eine Internetseite zu „Potsdam bekennt Farbe!“ eingerichtet,deren Aktualität noch gesteigert werden könnte.

Das Angebot der Sicherheitskonferenz deckt folglich mehrere Bereicheab und beschränkt sich nicht auf die Thematik Rechtsextremismus,Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. In der Einschätzung der Sicherheits-konferenz selbst und der Organisationen/Einrichtungen, die regelmäßigmit ihr zu tun haben, hat sich das Konzept der Sicherheitskonferenzbewährt, insbesondere der Punkt, dass das Konzept nicht starr ist,sondern Möglichkeiten bietet, flexibel auf aktuelle Problemlagen zureagieren. Wichtig ist in diesem Kontext, dass die Sicherheitskonferenzsowohl auf die Probleme oder Konflikte, die an sie herangetragenwerden, eingeht, als auch permanent die Entwicklung in der Stadtverfolgt und eigenständig Projekte entwickelt und umsetzt. Darüberhinaus können auch Projekte anderer Einrichtungen unterstützt werden,sei es finanziell oder durch die Bereitstellung anderer Ressourcen.

Durch ihre Arbeit steht die Sicherheitskonferenz in ständigem Kontaktmit Stadtverwaltung, Polizei (Schutzbereich, Soko TOMEG), Landes-kriminalamt, Einrichtungen der Jugendarbeit sowie mit im BereichRechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit tätigen Organisationen.Von daher stellt sie eine Art Schaltstelle dar, die Informationen bün-delt sowie Aktivitäten anregt und koordiniert. Diese Ressource solltebei der Umsetzung des Aktionsplanes genutzt werden.

Neben der Arbeit der Sicherheitskonferenz, die viele der Aktivitätengegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bündelt, setzensich auch andere Bereiche der Stadtverwaltung Potsdam mit dieserThematik auseinander, bieten Unterstützung an und gestalten unter-schiedliche Aktivitäten, beispielsweise die Durchführung von Wettbe-werben und Gedenkveranstaltungen sowie von Veranstaltungen untereinem bestimmten Motto (zum Beispiel Antirassismustag, Woche derausländischen Mitbürger, Woche der Brüderlichkeit) und weitere Akti-onen, die alle zu nennen an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde.

Konzept derSicherheitskonferenz

Weitere Aktivitäten derStadtverwaltung

Ressourcen

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Die Ausländerbeauftragte

PolizeiEin weitere wichtige Ressource bei der Bekämpfung von Rechts-extremismus und Fremdenfeindlichkeit – insbesondere wenn es umstrafrechtlich relevante Vorfälle geht – stellt die Polizei dar.

In einem monatlichen Gefahrenlagebild werden sämtliche rechtsextre-mistischen Taten erfasst, zum Beispiel Hakenkreuzschmierereien,Spielen von rechtsgerichteter indizierter Musik, Gewalttaten mit rechts-extremem Hintergrund. Aus diesem Bericht lässt sich ablesen, ob esbesondere regionale und/oder inhaltliche Schwerpunkte in Potsdamgibt.

Weiterhin besteht seit dem Jahr 2000 die Sonderkommission TOMEG(Täterorientierte Maßnahmen gegen Extremistische Gewalt), deren Auf-gabenfeld das systematische Vorgehen gegen rechte Gewalttäter ist.Die SoKo TOMEG zielt folglich auf Personen, die durch ihre Gewaltta-ten Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung verbreiten. Das sieben-köpfige Ermittlerteam bündelt Informationen über rechte Straftäter undkoordiniert die polizeilichen Gegenmaßnahmen. Insbesondere bei derProblematik um den Hauptbahnhof in Potsdam spielte die SoKo TOMEGeine wichtige Rolle bei der Auflösung einzelner Gruppen und bei derBeruhigung der gesamten Lage.

Weiterhin ist die Jugendbeauftragte der Potsdamer Polizei zu nennen,die – wenngleich sie für das gesamte Spektrum von Jugenddelinquenzzuständig ist – auch in Bezug auf Rechtsextremismus und Fremden-feindlichkeit aktiv ist. Zwischen Jugendbeauftragter und den Regiona-len Arbeitskreisen besteht eine Zusammenarbeit, die von den Betei-ligten als positiv beschrieben wird.

Ausländerarbeit/FlüchtlingsarbeitEine wichtige Ressource sind die Initiativen der Ausländerbeauftragten.So veranstaltet sie einen Ausländer-Gesprächskreis beim Bürgermeis-ter, in dem sich Vertreter/innen von verschiedenen Ausländerinitiativen,Organisationen sowie ehren- und hauptamtlich in der AusländerarbeitTätige regelmäßig treffen. Mittlerweile haben viele Sitzungen zu ver-schiedenen Themen des interkulturellen Zusammenlebens stattgefun-den. Themenschwerpunkte des Gesprächskreises sind u. a. die Pro-bleme der in der Stadt lebenden Ausländer/innen, Konzepte in derAusländerarbeit sowie ein gegenseitiger Erfahrungs- und Informa-tionsaustausch. Die Ausländerbeauftragte bietet darüber hinaus

Polizei

Ressourcen

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Der Ausländerbeirat

Weitere Initiativen

Unterstützung bei der Vermittlung relevanterThemen aus dem Bereich Ausländerarbeit indie Stadtverwaltung.

Im Jahr 2001 fanden zwei Veranstaltungenstatt, auf denen Sachbearbeiter/innen derBereiche Soziales und Wohnen mit Vertreter-innen und Vertreter von Flüchtlingsinitiativen ineinen Erfahrungs- und Informationsaustauschgetreten sind, um gegenseitiges Verständnisherzustellen bzw. zu vertiefen.

Eine weitere wichtige Ressource stellt dieArbeit des Ausländerbeirats dar. Als ein vonausländischen Bürger/innen Potsdams gewähl-tes Parlament, das mit einer Geschäftsstelleam Büro der Stadtverordnetenversammlungangegliedert ist, trägt der Ausländerbeirat ent-scheidend zu einer positiven Atmosphäre despolitischen Klimas bei. Seit zehn Jahren stehtder Ausländerbeirat der Potsdamer Stadtver-ordnetenversammlung beratend zur Seite, bie-tet Raum für die Thematisierung vielfältiger Probleme, beispielsweisebei der schulischen Eingliederung von fremdsprachigen Kindern, undunterbreitet den Fraktionen der Stadt, den einzelnen Ausschüssen oderdem Schulamt Vorschläge auf dem Gebiet der Integration und der Zu-wanderung. Weiterhin engagiert er sich im Rahmen von „Potsdam be-kennt Farbe!“, arbeitet mit der Sicherheitskonferenz zusammen undinitiiert bzw. unterstützt Projekte wie die „Woche der ausländischen Mit-bürger“ oder Aktionen zur doppelten Staatsbürgerschaft. Auch stehtder Ausländerbeirat in engem Kontakt zu einer Gesamtschule und leis-tet in weiteren Schulen Aufklärungsarbeit.

Weitere im Bereich der Ausländerarbeit tätige Organisationen und Ini-tiativen sind beispielsweise die Berlin-Brandenburgische Auslands-gesellschaft, die u. a. Sprachkurse anbietet, der Verein BeDiTo, derfür die Förderung des interreligiösen Dialoges eintritt, u. a. m. Andieser Stelle ist anzumerken, dass wir im Rahmen der Erstellung desAktionsplanes einige der angeschriebenen kleineren Vereine und Initi-ativen trotz telefonischer Nachfrage nicht erreicht haben. Inwieweit sieeine Ressource für die Umsetzung des Aktionsplanes darstellen, lässtsich von daher kaum beurteilen. Mit Sicherheit ist eine intensiveAktivierung in diesem Feld nötig, um die zweifellos vorhandenen Res-sourcen vollständig zu erschließen.

Ressourcen

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Flüchtlingsarbeit

Opferhilfe

Universität undFachhochschule

Im Bereich der Flüchtlingsarbeit ist der „Flüchtlingsrat des LandesBrandenburg e.V.“ eine wichtige Anlaufstelle. Vor sieben Jahren gegrün-det, engagiert sich der Rat für die Verbesserung der Situation vonFlüchtlingen in Brandenburg und unterstützt in diesem Rahmen auchPotsdamer Flüchtlinge und deren Aktivitäten. In den Bereichen Betreu-ung und Beratung von Potsdamer Flüchtlingen ist insbesondere dieFlüchtlingsberatungsstelle der Diakonie für Flüchtlingsbetreuung inWohnungen zu nennen. Da es keine externe Beratungsstelle undKontaktmöglichkeit für Flüchtlinge aus den Heimen gibt, suchen dieseregelmäßig die Beratungsstelle der Diakonie auf. Eine wichtige Rollenimmt auch die Flüchtlingsseelsorgerin der evangelischen Kirche ein,die für alle Flüchtlinge zuständig ist. Von den weiteren in diesem Bereichtätigen Organisationen ist vor allem die Initiative für Ausländer e.V. zunennen.

Unterstützung und Beratung für Opfer von fremdenfeindlicher undrechtsextremer Gewalt bieten verschiedene Organisationen und Initi-ativen an, so zum Beispiel die Opferberatung beim Diakonischen WerkPotsdam e.V., die Opferperspektive e.V. oder die OpferberatungPotsdam des Vereins zur Förderung des Täter-Opfer-AusgleichsBrandenburg e.V.

Die Stadtverwaltung beteiligt sich mit der Kennzeichnung von öffent-lichen Gebäuden an der landesweiten „Aktion Noteingang“ und bietetdamit potenziellen Opfern Schutz bei Übergriffen.

Zusammenfassend für diesen Bereich lässt sich feststellen, dass inPotsdam sowohl eine Sensibilisierung in weiten Bereichen für die The-matik Fremdenfeindlichkeit und Gewalt vorhanden ist als auch ein dich-tes Netz von in diesem Gebiet tätigen Organisationen und Initiativen.Insbesondere das Netz zwischen der Diakonieberatungstelle, der Ini-tiative für Ausländer, der Ausländerseelsorgerin, der Opferperspektiveund dem Flüchtlingsrat scheint gut zu funktionieren.

Weitere Initiativen und InteressenvertretungenWeitere Ressourcen könnten die Universität und die FachhochschulePotsdam sein. Dort sind u.a. die Asten (Allgemeinen Studentenaus-schüsse) aktiv, veranstalten Informationsveranstaltungen zur Lage vonFlüchtlingen oder geben entsprechende Solidaritätsbekundungen ab.Weiterhin bestehen Verbindungen zu antifaschistischen Initiativen undes finden vereinzelt Organisationsversuche von ausländischen Studie-renden statt.

Ressourcen

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Arbeitskreis Mediation

Schüler- undJugendinitiativen

Grundsätze derJugend(sozial)arbeit

In den Bereichen Mediation und Umgang mit Konflikten bietet derArbeitskreis Mediation „Zankapfel“ – ein Zusammenschluss verschie-dener Träger und Mediator/innen – Trainings und Konfliktvermittlungan.

Ressourcen, über die zu diesem Zeitpunkt nur wenig konkrete Aus-sagen gemacht werden können, sind die antifaschistischen Initiativenin Potsdam sowie Schüler- bzw. Jugendinitiativen, wie zum Beispiel dieWeiße Rose. Es ist zu vermuten, dass Schüler- bzw. Jugendinitiativeneine wichtige Ressource darstellen könnten, wenn auch jugendgemäßePartizipationsformen bei der Umsetzung des Aktionsplanes erfolgenund eine entsprechende Aktivierung stattfindet.

Jugendarbeit und JugendsozialarbeitDie Schulsozial-, Straßensozial- und Jugendarbeit in Potsdam bietet viel-fältige Ressourcen und Ansatzpunkte in der Arbeit für Toleranz undDemokratie sowie gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremden-feindlichkeit. Die Jugendarbeit der Stadt legt einen Schwerpunkt aufpräventive Maßnahmen und hat eine permanente Demokratie- undToleranzerziehung zum Ziel. In den letzten Monaten und Jahren habenverschiedene Maßnahmen und Veranstaltungen stattgefunden, an diedieser Aktionsplan anknüpfen wird. Aus Sicht der Akteur/innen derJugendhilfe stehen im Bereich der Prävention vielfältige Potenziale fürdie Entwicklung des Aktionsplanes zur Verfügung, die in diesem Zusam-menhang vorgestellt werden.

Ein wichtiger Leitgedanke ist die Einübung von gewaltfreien Konflikt-lösungsmöglichkeiten und die Förderung von demokratischem Handelndurch Partizipation der Jugendlichen. Die Akteur/innen der Jugendar-beit legen Wert darauf, ein demokratisches Modell vorzuleben, dasdurch Transparenz und Einbeziehung geprägt ist. Hierzu gehört diestarke Einbindung der Jugendlichen in die Planung von Maßnahmenund Veranstaltungen und im besten Fall eine eigenständige Interessen-vertretung der Jugendlichen, zum Beispiel durch Clubräte. Allgemeingeht es, wie es Mitarbeiter/innen aus der Jugendarbeit formulierten,um alle Maßnahmen, die „den voyeuristischen Passivkonsumenten“zum partizipierenden Akteur werden lassen. Ziel ist die Entwicklungvon sozialer Kompetenz und die Förderung von Selbstvertrauen durchdemokratische Einflussmöglichkeiten. Dabei sollen gerade jüngereJugendliche gestärkt werden, eine eigene Position und Kommuni-kationsbereitschaft zu entwickeln.

Ressourcen

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1 Vgl. den Bericht „Lokale Initiativen – Entwicklungstendenzen bei der Umsetzungdes Handlungskonzeptes Tolerantes Brandenburg im kommunalen Raum“ vom26.9.2001.

Angebote und Aktivitätender Jugendarbeit

Die Jugendhilfe in Potsdam bietet eine Vielzahl von kulturellen Ange-boten für Kinder und Jugendliche. Die Mitarbeiter/innen der Jugend-hilfe formulieren das Ziel, über Kunst und Kultur die Entwicklung einereigenen Lebenskultur zu fördern. Diese Angebote ermöglichen einer-seits Ausdrucksmöglichkeiten (zum Beispiel durch Theater-, Kunst- undMusikworkshops) und andererseits das Kennenlernen anderer Kultu-ren (zum Beispiel durch internationale Kochprojekte, Workshops mitSchüler/innen und Lehrer/innen oder Kinderkulturtage).

In Potsdam gibt es eine vielfältige und rege Jugendszene mit sehrunterschiedlichen Ausdrucksformen und Stilen. Diese Vielfalt anJugendkulturen ist eine wichtige Ressource, wenn es darum geht,Akzeptanz und Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Lebens-stilen zu entwickeln. Deshalb ist die Stärkung von demokratischen undalternativen Jugendkulturen durch die Schaffung von Freiräumen einSchwerpunkt der Jugendarbeit in Potsdam.1 Hierzu gehören Konzert-veranstaltungen und Straßenfeste ebenso wie Treffpunkte, die Einrich-tung einer Skaterbahn oder die Initiative zur Bildung eines Fan-Projek-tes SV Babelsberg 03.

Ein Beispiel für die Aktivierung von jugendkulturellen Zusammenhän-gen ist das aus dem Umkreis der Fan-Initiativen im Sommer 2001veranstaltete 1. antirassistische Stadionfest „Der Ball ist bunt“, das imRahmen des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ gefördertwurde.

Kontakt und Interesse zwischen Jugendlichen, die unterschiedlichenJugendkulturen oder Ethnien angehören, wird in der Potsdamer Jugend-arbeit durch unterschiedliche Formen von Begegnungen gefördert. DieAngebote reichen von gemeinsamen Diskoveranstaltungen und Stra-ßenfußballturnieren über Grillabende bis zum Jugendaustausch. In die-sem Kontext sind teilweise auch gute Erfahrungen damit gemachtworden, mit unterschiedlichen oder gar verfeindeten Jugendszenengemeinsam etwas zu unternehmen. Einig ist man sich darüber, dasssolche Ansätze nur unter bestimmten Bedingungen und unter genauerBestimmung von Zielen und Zielgruppen funktionieren können.

Den Bedürfnissen vieler Jugendlicher nach neuen Erfahrungen undGrenzerlebnissen versuchen die Jugendarbeiter/innen durch erleb-nispädagogische Maßnahmen und offene Sportangebote nachzu-

Ressourcen

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Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen

kommen. So gehören Freizeiten in einigen Jugendeinrichtungen zumfesten Bestandteil der Angebote.

Auch im direkten Umgang mit rechtsextrem orientierten Jugendlichengibt es ein gutes Fundament in der Jugendhilfe der Stadt Potsdam.So wird in den verschiedenen Vernetzungsrunden der Jugendhilfe einreger Austausch zu diesem Thema praktiziert. Die Akteur/innen derJugendhilfe arbeiten, wenn es möglich ist, mit der Regionalen Arbeits-stelle für Ausländerfragen, dem Mobilen Beratungsteam, Trägern ausdem Sportbereich und auch mit der Polizei zusammen und reflektierensozialpädagogische Konzepte im Umgang mit rechts orientiertenjugendlichen Gruppen.

Zuletzt wurde im Rahmen der Erstellung dieses Aktionsplans, ange-leitet durch das Mobile Beratungsteam, ein allgemeiner Informations-stand über die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus erreicht,eine Bestandsaufnahme der lokalen Entwicklung in den Quartieren er-stellt und über Handlungsmöglichkeiten der Jugendarbeit diskutiert.Darüber hinaus haben in den letzten Monaten zahlreiche Fortbildungs-veranstaltungen und Fachdiskussionen stattgefunden. Dies ist einewichtige Grundlage für die direkte und schnelle Reaktion, wenn jugend-liche Gruppen mit rechtsextremen Symbolen, Musik etc. in einer Ein-richtung oder im öffentlichen Raum auftreten.

Bei einem großen Teil der Akteur/innen der Jugendhilfe, so ein Ergeb-nis eines Werkstattgespräches, scheint Einigkeit darüber zu bestehen,dass Schlüsselpersonen der rechtsextremen Szene keinen Zutritt zuden Einrichtungen der Jugendhilfe haben sollen. Hilfreich ist nachMeinung der Akteur/innen in diesem Zusammenhang eine klare Profil-und Zielgruppenbestimmung der Einrichtung. Organisierte Rechts-extreme, meist junge Erwachsene, können nicht durch die Jugendhil-fe erreicht werden und müssen als Zielgruppe anderer staatlicher Ein-richtungen betrachtet werden. Erreicht werden können bestenfallsrechts orientierte Jugendliche, solange sie nicht die Möglichkeit be-kommen, eine Jugendeinrichtung kulturell zu dominieren. Rechts ori-entierte Jugendliche werden also nicht von vornherein ausgegrenzt.Die Straßensozialarbeiter/innen beispielsweise arbeiten explizit mit„Punks und Glatzen“. Konsens ist dabei, dass man sich darüber klarsein muss, ob man etwas bei den Jugendlichen bewirken kann,insbesondere bei den Jüngeren. Diese suchen die Auseinandersetzung,so dass sich die Chance bietet, auf sie Einfluss zu nehmen und soideologischen Verfestigungen zu begegnen. Weiterhin ist Konsens,dass klare Grenzen gesetzt sowie die eigenen Standpunkte und Wertedeutlich herausgestellt werden müssen.

Ressourcen

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Aktivitäten im BereichSchule

Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dassbezüglich schwieriger und ggf. „unpopulärer“Entscheidungen die Träger der Einrichtung ihreVerantwortung wahrnehmen und die Mitarbei-ter/innen unterstützen.

Im Zusammenhang mit Rechtsextremismusund Gewalt werden von den Akteurinnen undAkteuren der Jugendhilfe zwei Leitgedankenformuliert: Erstens soll die Perspektive derOpfer in der Auseinandersetzung mit rechts-extrem motivierter Gewalt eine zentrale Rollespielen. So müssen die von Bedrohung undGewalt betroffenen Jugendlichen gestärkt undgeschützt werden. Zweitens müssen die sozi-alen Ursachen von Gewalt gerade bei jüngerenJugendlichen präventiv bearbeitet werden,also zum Beispiel Probleme in Schule, Eltern-haus etc. Deshalb wird aus der Jugendhilfeheraus versucht, Krisenberater/innen zu ver-mitteln oder auch spezielle Fahrten mit pro-blembehafteten Jugendlichen durchzuführen.

SchuleSchule als ein zentraler Aufenthaltsort für Jugendliche kommt bei derEntwicklung eines gesamtstädtischen Handlungskonzeptes für Tole-ranz und Demokratie sowie gegen Gewalt, Rechtsextremismus undFremdenfeindlichkeit eine große Bedeutung zu. Ähnlich wie im BereichJugendhilfe haben an Potsdamer Schulen in den vergangenen Mona-ten zahlreiche Veranstaltungen und Maßnahmen stattgefunden, dieweiterentwickelt und ausgebaut werden sollten. Seit März 1999 exis-tiert eine Beratungsstelle für das Handlungskonzept „TolerantesBrandenburg“ beim Staatlichen Schulamt Potsdam (jetzt StaatlichesSchulamt Brandenburg an der Havel). Diese Beratungsstelle sieht ihreAufgabe vor allem darin, die Initiativen von Schulen zu unterstützenoder gezielte Angebote anderer Partner/innen vor Ort einzubringen.Sie berät Schulleiter/innen, Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern undgibt einen Infobrief zum Thema Gewalt, Extremismus und Rassismusheraus.

Der Schwerpunkt der Beratungsstelle liegt auf der gewaltpräventivenArbeit, um den Aggressionen von Jugendlichen an den Schulen mög-

Mediation an PotsdamerSchulen

Ressourcen

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Maßnahmen gegenGewalt und Rechts-extremismus an Schulen

Ressourcen

lichst wirkungsvoll zu begegnen. Eine geeignete Methode der gewalt-freien und selbstverantwortlichen Konfliktlösung ist, auch nach Ansichtvieler Akteur/innen in der Schule (Lehrer/innen, Schulsozialarbei-terinnen und -arbeiter und Direktor/innen), die Mediation. Auf Anregungder Sicherheitskonferenz und auf Initiative des Staatlichen SchulamtesPotsdam wurde Mediation als Methode, Konflikte gewaltfrei zu lösen,an vielen Potsdamer Schulen eingeführt. Hierzu wurden Lehrerinnenund Lehrer an verschiedenen Schulen ausgebildet. Eine sehr wichtigeErweiterung des Konzeptes ist die Ausbildung von Schülerinnen undSchülern als sogenannte Konfliktlotsen oder Streitschlichter/innen.Durch diese Peer-Mediation können die Kompetenzen und Einfluss-möglichkeiten der Mitschülerinnen und Mitschüler für die Konflikt-bearbeitung und -lösung genutzt werden.

Darüber hinaus haben in der Vergangenheit laut Bericht der Beratungs-stelle zahlreiche Maßnahmen an verschieden Schulen stattgefunden,die sich in vier Bereiche zusammenfassen lassen:

■ internationale Begegnungen und Partnerschaften mit Jugendlichenund Schulen,

■ Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte durch Geschichts-werkstätten, Zeitzeugen und Gedenkstättenfahrten,

■ Projekte zum multikulturellen Lernen, beispielsweise interkulturelleProjekttage und Feiern in Zusammenarbeit mit der Regionalen Ar-beitsstelle für Ausländerfragen und Einrichtungen der Jugendhilfesowie Kontakte mit den Flüchtlingsheimen,

■ Teilnahme an verschiedenen Wettbewerben, zum Beispiel zum The-ma Fremdenfeindlichkeit der Bundeszentrale für Politische Bildung.

Im Rahmen der Arbeit gegen Gewalt und Rechtsextremismus habeneinige Schulen die Zusammenarbeit mit der Polizei und der Sicher-heitskonferenz intensiviert. So kann bei bestimmten Vorfällen eineschnelle Reaktion erfolgen und die Polizei kommt im Rahmen von In-formationsveranstaltungen, Projekttagen etc. in die Schulen, um Auf-klärungsarbeit zu leisten. Im Bereich der Berufsschulen wird bei rechts-extremen Vorfällen in der Schule oder dem Betrieb mittlerweile eineengere Abstimmung mit dem Ausbildungsträger versucht. Viele Schu-len arbeiten mit der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen zu-sammen, die ein umfangreiches Angebot an Materialien und Baustei-nen für den Unterricht bereitstellt.

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Gemeinsam mit den Akteur/innen aus den verschiedenen Arbeits-bereichen wurden für den Lokalen Aktionsplan für Toleranz und Demo-kratie gegen Gewalt, Rechtsextremismus und FremdenfeindlichkeitZiele erarbeitet, die mit den vorgeschlagenen Maßnahmen erreicht wer-den sollen:

Ziele

(1) Der Aktionsplan soll Signale für die Politik setzen und ein Weg-weiser dafür sein, was in Potsdam getan werden muss.

(2) Der Einfluss des organisierten Rechtsextremismus und das Aus-breiten einer rechtsradikalen Jugendkultur sollen gestoppt wer-den. Eine Dominanz von rechtsradikal orientierten Jugendgruppenan bestimmten öffentlichen Plätzen und Einrichtungen muss ver-hindert und auf Unterwanderungs- und Rekrutierungsversuchedurch Rechtsradikale soll konsequent reagiert werden.

(3) Es gilt, eine Öffentlichkeit in der Stadt zu schaffen, welche offenfür unterschiedliche Sicht- und Lebensweisen ist und konsequentmit den Erscheinungen von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsex-tremismus umgeht. Diskriminierendes und rassistisches Verhal-ten im öffentlichen Raum soll verhindert und Vorurteile abgebautwerden.

(4) Die von rechtsextrem motivierter Gewalt und Bedrohungen betrof-fenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere Flüchtlinge, Migran-tinnen und Migranten, alternative Jugendliche, müssen geschütztund unterstützt werden. Für die Bürger/innen soll das Eingreifenin konkreten Bedrohungssituationen normal und selbstverständ-lich werden.

(5) Die Kooperation und Vernetzung der verschiedenen Akteur/innensoll ressortübergreifend gestärkt und der Informationsfluss opti-miert werden. Dadurch soll die Effektivität gesteigert und verhin-dert werden, dass dieselbe Arbeit von verschiedenen Stellengleichzeitig geleistet wird. Mehr Transparenz kann neue Möglich-keiten der Zusammenarbeit aufzeigen.

(6) Informationen, Erkenntnisse und Handlungskonzepte zum The-menkomplex werden den professionellen und ehrenamtlichen Ak-

Ziele

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teur/innen aus Jugendhilfe, Schule, Stadtverwaltung, Verbändenund Initiativen durch ein umfassendes und koordiniertes Fort-bildungsangebot, das die Kompetenzen aller Akteur/innen verei-nigt, zugänglich gemacht.

(7) Die Maßnahmen des Aktionsplans sollen effektiv und effizient um-gesetzt werden, deshalb bedarf es einer abgestimmten Steue-rung und Sicherung des Umsetzungsprozesses.

(8) Im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans sollen nicht nur pro-fessionelle Akteur/innen einbezogen werden, sondern verstärktauch Eltern und Bürger/innen allgemein. Die Aktivierung und Be-teiligung von Bürger/innen sind wichtige Elemente, um das zivil-gesellschaftliche Engagement zu stärken.

Ziele

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Die folgenden Maßnahmen sollen der Erreichung der im vorangegan-genen Kapitel formulierten Ziele dienen. Der Katalog baut auf denErfahrungen der Potsdamer Akteur/innen auf und listet Aktivitäten undMaßnahmen auf, die gemäß den formulierten Leitlinien als erfolgver-sprechend eingeschätzt wurden.

Der Maßnahmenkatalog ist nach den Handlungsfeldern gegliedert, diesich im Laufe der Potsdamer Situationsanalyse als bedeutsam für eineumfassende Bearbeitung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlich-keit und Gewalt herauskristallisiert haben. Aufgrund des Ansatzes, denAktionsplan als ein integriertes Gesamtkonzept zu entwickeln, bein-haltet der folgende Katalog sowohl Aktivitäten, die schon derzeit durch-geführt werden, als auch Maßnahmen, die das derzeitige Aktivi-tätenspektrum ausbauen und ergänzen.

Auf Grundlage des Maßnahmenkataloges als eine systematischeSammlung von Vorschlägen und bereits bestehenden Aktivitäten er-gibt sich für die Stadt Potsdam ein Überblick, auf welchen FeldernHandlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten bestehen. Letztlichmüsste nun entschieden werden, welche Prioritäten und Schwerpunktegesetzt und wie die entsprechenden Maßnahmen koordiniert werden.Von daher kommt der Umsetzung der unter dem Punkt „Sicherung undSteuerung“ genannten Maßnahmen – Einrichtung einer Servicestellezur Umsetzung des Aktionsplanes und Schaffung eines Experten-beirats – besondere Bedeutung zu, um dies leisten zu können.

Maßnahmen

Maßnahmen gegen organisierten Rechtsextremis-mus und rechtsextreme Subkultur

Leitlinien Gegen die Unterwanderungs- und Rekrutierungsversuche des orga-nisierten Rechtsextremismus muss ebenso schnell, konsequent undkoordiniert vorgegangen werden wie gegen die Dominanz von rechts-extrem orientierten Jugendgruppen in Einrichtungen und an öffentlichenPlätzen. Dies kann nur durch einen allgemeinen guten Informations-stand, ständige Reflexion und gemeinsam erarbeitete Handlungs-konzepte erreicht werden. Darüber hinaus müssen demokratische

Maßnahmen

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Maßnahmen

Potenziale in den verschiedenen nicht rechtsextrem orientiertenJugendkulturen gestärkt werden.

(1) Entwicklung eines gemeinsamen und abgestimmten Konzeptsder Jugendhilfe für den Umgang mit rechtsextrem orientiertenJugendgruppen. Insbesondere werden Regelungen für den Um-gang mit Symbolen, rechtsextremer Musik und Verhaltensweisenvereinbart. Dieses Konzept wird mit weiteren Akteuren abge-stimmt (Schule, Ordnungsamt, MEGA, SoKo TOMEG etc.).

(2) Entwicklung eines umfassenden Sicherheitskonzeptes für denBereich der öffentlichen Verkehrsmittel und Bahnhöfe

(3) kurzfristige Erarbeitung eines Handlungskonzepts für das akuteProblem der Versuche von rechtsextrem orientierten Jugend-lichen, verschiedene Ordnergruppen zu unterwandern und zudominieren

(4) kurzfristige Erarbeitung eines Handlungskonzepts gegen dieRekrutierungsversuche des organisierten Rechtsextremismus vorSchulen und an informellen Treffpunkten von Jugendlichen

(5) regelmäßige Reflexion in den regionalen Vernetzungsrunden derJugendhilfe (Regionale Arbeitskreise)

Einzelmaßnahmen

Sicherung und Steuerung

Vernetzung Information

Akteurinnen und Akteure

FortbildungÖffentlichkeitsarbeit Information

MaßnahmengegenorganisiertenRechtsextremismus

Maßnahmengegenrechte Subkultur

MaßnahmengegenFremdenfeindlichkeitund Alltagsrassismus

Maßnahmengegenrechte Gewalt- undStraftaten

Struktur der Maßnahmen für Toleranz und Demokratie gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit

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Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit undAlltagsrassismus

Maßnahmen zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit undDiskriminierung im öffentlichen Raum

(6) Erstellung von Informationsbroschüren „Recht gegen Rechts“ und„Strategien moderner Formen des Rechtsextremismus“ als Hand-reichung für Verwaltungen, Jugendeinrichtungen, Schulen, Ver-bände und Organisationen

(7) Bereitstellung von Räumen und Schaffung von Entfaltungsmög-lichkeiten für demokratische, alternative und nicht rechtsextremeJugendkulturen: Gemeinsam mit Jugendlichen verschiedenerJugendkulturen wird eine Initiative zur Gestaltung von Jugendkulturim öffentlichen Raum entwickelt. Dabei steht im Vordergrund, dievorhandenen Ressourcen im jeweiligen Stadtteil effektiv zunutzen.

(8) Stärkung selbstverantwortlich geleiteter Jugendtreffs(9) Schaffung von mehr Räumen und Rückzugsmöglichkeiten für

Jugendliche in den Schulen(10) Organisierung gemeinsamer Unternehmungen verschiedener

Jugendszenen, zum Beispiel im Rahmen eines Fußballturniers

Ausländerbeauftragte, Jugendamt, Ordnungsamt, Staatliches SchulamtBrandenburg an der Havel, Schulleiter/innen, Polizei, Sicherheits-konferenz, private Sicherheitsdienste, lokale Rechtsextremismus-expert/innen

Hier geht es darum, diskriminierendes und rassistisches Verhalten imöffentlichen Raum aufzuzeigen und Strategien zu dessen Verhinderungzu entwickeln. Es gilt, die Öffentlichkeit für das Ausmaß und die Fol-gen von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu sensibili-sieren sowie ein Klima von Offenheit für die jeweilige Vielfalt der Sicht-und Lebensweisen zu schaffen, zum Beispiel durch die Förderung vonBegegnungen und Kontakten der verschiedenen Kulturen. Darüberhinaus ist es von Bedeutung, Menschen ausländischer Herkunft zuunterstützen – und zwar sowohl bei der Bewältigung ihres Alltages alsauch, wenn sie Opfer von Übergriffen oder Diskriminierung werden.Der Förderung von Zivilcourage kommt in diesem Kontext folglichbesondere Bedeutung zu.

Handlungszuständigkeit

Leitlinien

Maßnahmen

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A Einzelmaßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dasAusmaß und die Folgen von Diskriminierung, Rassismus und Rechts-extremismus

Maßnahmen

(11) Demokratie- und Toleranzprogramme für Multiplikatoren-Gruppen(zum Beispiel Betzavta-Seminare)

(12) verstärktes Angebot der außerschulischen politischen Jugend-bildung zu den Themen, Rassismus, Leben in der multikulturellenGesellschaft, Flucht und Migration u. a.

(13) verstärkte Umsetzung von Konzepten interkultureller Bildung inKindertagesstätten

(14) flächendeckendes Angebot von Mediation, Konfliktschlichtungund Kommunikationstrainings für die Schulen

(15) Schülerwettbewerbe zum Thema Fremdenfeindlichkeit (zumBeispiel über die Bundeszentrale für politische Bildung)

(16) Weiterentwicklung und verstärkter Einsatz der vorhandenen Bau-steine und Medienpakete zu den Themen Fremdenfeindlichkeit,Rechtsextremismus, multikulturelle Gesellschaft. Diese Angebotekönnen von Schulen und Jugendeinrichtungen für Unterrichtsge-staltung, Veranstaltung von Projekttagen etc. abgerufen werden.

(17) flächendeckende Durchführung von interkulturellen Projekttagen(Angebot der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen)

Einzelmaßnahmen

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(18) erweiterte Freistellung von Lehrer/innen (eine halbe Stelle proSchule), um sich speziell um die Durchführung von Projekten undTrainingsmaßnahmen in den Themenbereichen Demokratie, Tole-ranz, Fremdenfeindlichkeit, Zusammenleben der Kulturen sowieum Fortbildungen für das jeweilige Kollegium zu kümmern

(19) Integration von Unterrichtseinheiten zur Behandlung von Themenaus den Bereichen Rechtsextremismus und Rassismus in denFachunterricht (zum Beispiel in den naturwissenschaftlichenFächern)

Ausländerbeauftragte, Jugendamt, Staatliches Schulamt Brandenburgan der Havel, Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen (RAA), Päd-agogisches Landesinstitut Brandenburg, Sicherheitskonferenz

B Einzelmaßnahmen zur Förderung von Begegnungen und Kontakten

(20) Begegnung von Flüchtlingsheimbewohner/innen (Jugendlichenund Eltern) mit Schüler/innen und Lehrer/innen

(21) Familienpatenschaften mit Zugewanderten in Wohngebieten(22) ehrenamtlich gestalteter Sprachunterricht in Heimen und Wohn-

gebieten(23) multikulturelle Weihnachtsfeiern und andere Feste(24) Schaffung von niedrigschwelligen und wohnortnahen Begeg-

nungsorten für die verschiedenen Kulturen, zum Beispiel inBürgerhäusern

(25) verstärkte interkulturelle Öffnung der Sportvereine

Ausländerbeauftragte, Jugendamt, Staatliches Schulamt Brandenburgan der Havel, RAA, Bürgerhäuser, Träger der Asylbewerberheime,Schulleiter/innen, Stadtsportbund

Handlungszuständigkeit

Einzelmaßnahmen

Handlungszuständigkeit

C Einzelmaßnahmen zur Bewältigung des Alltages von Menschen aus-ländischer Herkunft

(26) Erstellung einer Broschüre über die Stadt Potsdam (Stadt- undBehördenführer) in unterschiedlichen Sprachen

(27) Überarbeitung der Internetdarstellung der Stadt Potsdam: spe-zielle Hinweise und Angebote für Menschen ausländischer Her-kunft, entsprechende Linklisten und Präsentation der Seite in ver-schiedenen Sprachen

(28) Fortbildungen für Flüchtlinge in Bezug auf ihre Rechte undPflichten

Einzelmaßnahmen

Maßnahmen

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Maßnahmen

(29) Trainings für Migrant/innen und Flüchtlinge in den BereichenSelbstbehauptung und Deeskalation

(30) Umweltkarten für Kinder von Flüchtlingen, die nicht im eigenenStadtteil zur Schule gehen

Schulverwaltungsamt, Sozialamt, Ausländerbeauftragte, Ausländer-behörde, Pressestelle, Volkshochschule, Träger der Asylbewerber-heime

D Einzelmaßnahmen zur Entsolidarisierung mit den Tätern sowie öf-fentliches Zeigen von Zivilcourage

(31) Unterstützung von Bürgerinitiativen für mehr zivilgesellschaft-liches Engagement

(32) Trainings zu Zivilcourage und Deeskalation für Bürger/innen undfür Angestellte der Stadtverwaltung sowie entsprechende Fortbil-dungsprogramme für Ehrenamtliche

(33) Anti-Diskriminierungsvereinbarungen in Betrieben(34) verstärkte Positionierung und Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtun-

gen des ÖPNV, keine Übergriffe in Bussen und Bahnen oder aufBahnhöfen zu dulden

(35) Vermittlungsangebote bei Konflikten zwischen deutschen Anwoh-ner/innen bzw. Flüchtlingen/Ausländer/innen

Sicherheitskonferenz, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Be-triebs- und Personalräte, Ausländerbeauftragte, soziale Dienste, Woh-nungsbaugesellschaften, Vereine

Handlungszuständigkeit

Leitlinien

Einzelmaßnahmen

Handlungszuständigkeit

Maßnahmen zur Veränderung der strukturellenBedingungen von Fremdenfeindlichkeit undDiskriminierung

Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung werden auch durch politischeund gesellschaftliche Rahmenbedingungen gefördert, die Menschenausländischer Herkunft, insbesondere Flüchtlinge und Asylbewer-berinnen und Asylbewerber, als „Menschen zweiter Klasse“ erschei-nen lassen. Von daher erweist es sich als notwendig, auch an diesenBedingungen anzusetzen, um Veränderungen in Einstellung und Ver-halten in der Bevölkerung zu erreichen. Mögliche Maßnahmen könnensich auf die strukturelle Verbesserung der Nachbarschaftsverhältnisse

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Handlungszuständigkeit

Einzelmaßnahmen

Maßnahmen

von Menschen ausländischer Herkunft, auf den weiteren Abbau desSachleistungs- und Gutscheinprinzips und auf die Förderung desSpracherwerbs beziehen. Es gilt allerdings zu beachten, dass die Um-setzung dieser Maßnahmen nicht immer im Hoheitsbereich der Stadtliegt.

(36) städtische Aufforderung zur Abschaffung der Residenzpflicht(37) Die Potsdamer Ausländerbehörde erweitert ihre Handhabung der

Ausnahmegenehmigungen zum Verlassen des zugewiesenen Auf-enthaltsbereichs, um die Integration und die Teilhabe der Flücht-linge am gesellschaftlichen Leben zu fördern.

(38) Abschaffung des Gutscheinsystems bzw. Erweiterung der Bar-leistungen (wird von der Stadtverordnetenversammlung unter-stützt). Kurzfristig könnte ein verstärkter Tausch von Gutschei-nen der Flüchtlinge gegen Bargeld durch Potsdamer Bürger/innenrealisiert werden.

(39) Verbesserung der Wohnsituation von Flüchtlingen, zum Beispieldurch verstärkte Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungenstatt im Heim und keine Konzentration von Flüchtlingswohnungenauf bestimmte Stadtteile

(40) Ausweitung der Alphabetisierungskurse und Sprachkurse fürMenschen ausländischer Herkunft

Sozialamt, Ausländerbeauftragte, Wohnungsamt, Volkshochschulen,Träger der Asylbewerberheime,Vereine

Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung und Integra-tionshindernissen durch Potsdamer Behörden undInstitutionen

Hier geht es darum, die in den Behördenstrukturen vorhandenen Be-nachteiligungen von Menschen ausländischer Herkunft aufzuzeigen undabzubauen sowie in diesem Zusammenhang Bedingungen zu schaf-fen, die die besondere Situation von Migrant/innen berücksichtigen,beispielsweise eine Flexibilisierung der Hilfeleistungen im Sozialamt.Gleichzeitig ist es wichtig, die gegenseitige Wahrnehmung von Behör-den und Migrant/innen zu verbessern und so zum gegenseitigen Ab-bau von Vorurteilen beizutragen. In diesem Zusammenhang sollte dieFreistellung von Angestellten der Stadtverwaltung bzw. die Anerken-nung von Begegnungen und entsprechenden Fortbildungen als Bil-dungsurlaub ermöglicht und gefördert werden.

Leitlinen

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Maßnahmen

Handlungszuständigkeit

(41) weitere Sensibilisierung der sozialen Dienste und Behörden(Schuldnerberatung, Jugendamt, Arbeitsamt, Sozialamt, Gesund-heitsamt) und der Polizei für die Probleme von Migrant/innendurch die Erstellung einer entsprechenden Informationsbro-schüre, die Bereitstellung von Fortbildungen für Mitarbeiter/innenoder informelle Begegnungen in den Flüchtlingsheimen.

(42) effektivere Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen durch das Arbeits-amt, Schaffung einer Kontaktbörse für potenzielle Arbeitgeber

(43) Benennung von Verantwortlichen mit spezieller Beratungskom-petenz für Migrant/innen und Flüchtlinge in Behörden und sozia-len Diensten (zum Beispiel Unterhalts- und Vormundschaftswesen,ASD) und verstärkte Fortbildung für Mitarbeiter/innen in Bezugauf die speziellen Probleme dieser Ratsuchenden

(44) Erweiterung der interkulturellen und fremdsprachlichen Kompe-tenzen der Mitarbeiter/innen von sozialen Diensten und Behör-den bzw. Einstellung von muttersprachlichen Fachkräften

(45) Begleitung von Flüchtlingen und Migrant/innen bei Behörden-gängen durch Sozialarbeiter/innen

Bürgerinformation, Jugend-, Wohnungs- und Sozialamt, Ausländer-behörde, Sicherheitskonferenz, Polizei, Ausländerbeauftragte, Arbeits-amt, Presseamt

Maßnahmen gegen rechte Gewalt und StraftatenNeben der allgemeinen Auseinandersetzung mit rechtsextremer undfremdenfeindlicher Gewalt und der allgemeinen Mobilisierung der Öf-fentlichkeit ergibt sich deutlicher Handlungsbedarf, Maßnahmen zu ent-wickeln und umzusetzen, wie bedrohte Bevölkerungsgruppen – Flücht-linge, Migrant/innen, alternative Jugendszenen – vor gewalttätigenÜberfällen geschützt werden können (Prävention) und wie sie in odernach Übergriffen unterstützt werden können (Intervention / Reaktion).Wichtig ist, dass zur Unterstützung der konkreten Maßnahmen einepositive öffentliche Würdigung erfolgen sollte, wenn jemand in einerkonkreten Gewaltsituation im öffentlichen Raum eingegriffen hat. Lang-fristig gesehen sollte das Bild entwickelt werden, dass es normal undselbstverständlich ist, sich einzumischen.

Prävention

Prävention in diesem Bereich heißt, Jugendliche (und auch Erwachsene)aufzuklären und für die Thematik Rechtsextremismus, Fremden-

Einzelmaßnahmen

Leitlinen

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Einzelmaßnahmen

Maßnahmen

Handlungszuständigkeit

Weitere Maßnahmen

feindlichkeit und Gewalt zu sensibilisieren. Zum einen geht es alsodarum, potenzielle Täter zu erreichen. Zum anderen ist es von Bedeu-tung, potenzielle Opfergruppen in die Lage zu versetzen, mit bedroh-lichen Situationen umzugehen und sich zur Wehr zu setzen.

Um das zu erreichen, sollten folgende Angebote entwickelt werden:

(46) Trainings in den Bereichen Umgang mit eigenen Aggressionen(zum Beispiel Coolness-Trainings), Schulung von Kommunikation,Umgang mit Konflikten. Es gilt, Wege aufzuzeigen, brenzlige Situa-tionen ohne Anwendung von Gewalt zu beenden.

(47) Aufklärung und Hintergründe zum Thema rechte und fremden-feindliche Bedrohung und Gewalt. Hier kommt es vor allem auchauf die Darstellung von Formen der Gewalt an, um sich mit die-sen auseinandersetzen zu können. Diese Maßnahme richtet sichinsbesondere an Personen, die in stärkerem Maße davon betrof-fen sind (Jugendliche, Migrantinnen und Migranten, Senioren …).

(48) spezielle Trainings und Maßnahmen für Flüchtlinge, zum BeispielSicherheitstrainings

(49) Angebot von Trainings „Einmischen lernen“ für alle interessiertenPersonen zu den Themenbereichen Zivilcourage, Intervention inbedrohlichen und gewaltträchtigen Situationen, Deeskalation

Die Trainings sollten sowohl dezentral als auch dort angeboten werden,wo die Jugendlichen leben bzw. sich aufhalten, zum Beispiel in denSchulen, die Räume zur Verfügung stellen könnten, in Jugendfreizeit-einrichtungen etc.

(50) Schulprojekt zum Thema Fans und Gewalt: Ausgehend vom Fan-Projekt soll an den Schulen, in die die Fans gehen, mit den Schü-ler/innen und Lehrer/innen zu diesem Thema gearbeitet werden.Ziel ist die Auseinandersetzung mit den Themen Gewalt und ab-weichendes Verhalten. Das Projekt soll zu einer dauerhaften Ein-richtung an den betreffenden Schulen werden.

(51) Konfliktmanagement / Mediation vor Ort: Es sollte die Möglich-keit geschaffen werden, in Situationen vor Ort, in denen Konflik-te langfristig zu eskalieren drohen, Beratung und/oder Konflikt-management (zum Beispiel Mediation) niedrigschwellig undkostenlos anzubieten.

Sicherheitskonferenz, Jugendamt, Staatliches Schulamt Brandenburgan der Havel, RAA, Ausländergruppen, Opferschutzinitiativen, Fan-Projekt, Zankapfel (Arbeitskreis Mediation), professionelle Anbieter vonTrainings in den genannten Themenbereichen

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Maßnahmen

Handlungszuständigkeit

Einzelmaßnahmen

Intervention

Meist ist die Hilflosigkeit groß, wann und wiees möglich und notwendig ist, in sich zuspit-zende Situationen einzugreifen. Um hier dieHandlungsspielräume sowohl von Multiplika-tor/innen als auch von Bürger/innen zu erwei-tern, können – neben den oben erwähnten Trai-nings „Einmischen lernen“ – im Bereich derIntervention folgende Maßnahmen umgesetztwerden.

(52) Kriseninterventionsteam: Bildung eines Kriseninterventionsteamsin Potsdam, um eine zeitnahe Krisenintervention zu gewährleis-ten. Dieses Kriseninterventionsteam zeichnet sich dadurch aus,dass es mit den räumlichen und strukturellen Gegebenheiten derStadt vertraut ist. Alle Vereine und Institutionen, die in der Konflikt-bewältigung arbeiten, könnten einbezogen werden und ihre Kom-petenzen zur Verfügung stellen. Zur Koordination könnte eine AGbei der Sicherheitskonferenz gebildet werden.

(53) Maßnahmen gegen Bedrohungen von Jugendarbeiter/innen undanderen Multiplikator/innen: Es könnte eine Handlungsanleitungin Form einer Broschüre erarbeitet werden, die Hilfestellungenund Verhaltenstipps für konkrete Situationen gibt.

(54) Beobachtung unsicherer Orte: Um rechtzeitig bei bedrohlichenoder eskalierenden Vorfällen im öffentlichen Raum intervenierenzu können, kann eine Beobachtung bzw. Bewachung von unsiche-ren Orten und Strecken des ÖPNV in den Abend- und Nachtstun-den, insbesondere am Wochenende, sinnvoll sein.

Sicherheitskonferenz, Polizei, Ausländerbeauftragte, Jugendamt,Opferschutzinitiativen, Institutionen und Vereine, die im Bereich Rechts-extremismus und Fremdenfeindlichkeit tätig sind, Medien

Reaktion

Nach Übergriffen oder Überfällen benötigen die Opfer Unterstützung.Neben der konkreten Hilfe für die Opfer zeigt sich an der Bereitstel-lung von ausreichenden Angeboten in diesem Bereich auch, dass Politikund Gesellschaft das Leid der Opfer ernst nehmen und sich mit ihnengegen die Täter solidarisieren. Daneben ist es auch notwendig, imSinne der tertiären Prävention passgenaue Angebote für die Täter um-

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Einzelmaßnahmen

Handlungszuständigkeit

Leitlinien

Maßnahmen

Einzelmaßnahmen

zusetzen und Konzepte zu entwickeln, wie ihnen der Ausstieg aus derSzene ermöglicht werden kann.

(55) Einrichtung einer niedrigschwelligen Anti-Diskriminierungsstelle(56) Beratung und Begleitung von Jugendlichen, Flüchtlingen etc. nach

Überfällen und Übergriffen zur Polizei und zum Gericht. In diesemKontext ist es wichtig, umfassend über das Hilfesystem aufzu-klären, so dass die vorhandenen Möglichkeiten besser ausgenutztwerden können.

(57) Schaffung von niedrigschwelligen Kontaktangeboten für Opferund Zeugen

(58) Angebot von kostenloser anonymer Rechtsberatung für Opfer(59) Optimierung der Informationsangebote für Opfer (zum Beispiel

Veranstaltungen in Schulen oder in Flüchtlingsheimen)(60) umfassendes Angebot an Anti-Aggressions-Trainings im Rahmen

der Jugendgerichtshilfe

Ausländerbeauftragte, Sicherheitskonferenz, Polizei, Opferschutzini-tiativen, Jugendamt/Jugendgerichtshilfe

Information, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit

Information

Ein gut funktionierendes System zu Infomationsfluss und -austauschstellt Transparenz her, steigert die Effektivität und verhindert, dass die-selbe Arbeit von verschiedenen Stellen gleichzeitig geleistet wird. Vondaher kommt der Optimierung des Informations- und Erfahrungs-austausches bei der Umsetzung eines Lokalen Aktionsplans zentraleBedeutung zu. So kann beispielsweise auch verhindert werden, dassähnliche Aktivitäten unkoordiniert parallel laufen und die Akteur/innenzu spät voneinander erfahren.

(61) Erstellung einer Broschüre zu Angeboten und Ansprechpartnernin den Themenbereichen Zivilcourage, Fremdenfeindlichkeit,Rechtsextremismus. Diese Broschüre sollte alle auf diesemGebiet tätigen Organisationen auflisten. Möglich wäre die Erstel-lung von zwei Broschüren: eine für die allgemeine Öffentlichkeitund eine, die sich an professionelle Akteurinnen und Akteuresowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wendet.

(62) Erstellung einer Internetseite für Potsdam zum Thema Fremden-feindlichkeit und Rechtsextremismus mit aktuellen Infos, An-

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Maßnahmen

Handlungszuständigkeit

Einzelmaßnahmen

sprechpartner/innen, Aktionen. Um die Seite ständig aktuell hal-ten zu können, sollte sie mit einem Content Management Sys-tem (CMS) verbunden sein, so dass alle in diesem Feld tätigenAkteurinnen und Akteuren Zugriff auf die Seite haben und ohnegroßen Aufwand ihre aktuellen Informationen auf die Seite stel-len können. Die Internetseite ist mit einem Newsletter verknüpft,der an alle interessierten User regelmäßig verschickt wird.

(63) Schaffung eines Überblicks (in Form einer Broschüre oder als Teileiner Internetseite) über die lokalen und stadtteilorientiertensozialen Angebote und Aktivitäten gegen Rechtsextremismus undFremdenfeindlichkeit

Sicherheitskonferenz, Pressestelle, Ausländerbeauftragte, Jugendamt,Staatliches Schulamt Brandenburg an der Havel

Vernetzung

Hier gilt es, die existierende gute Vernetzung der Einrichtungen undOrganisationen, die in Potsdam in den Themenfeldern Rechtsextremis-mus und Fremdenfeindlichkeit aktiv sind, weiter auszubauen und nochstärker ressortübergreifend zu gestalten. Speziell eine Erweiterung derZusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches zwischen Jugend-hilfe und Schule nimmt in diesem Kontext eine wichtige Rolle ein.

(64) Veranstaltung regelmäßiger ressortübergreifender Werkstatt-konferenzen, auf denen sich Akteur/innen aus unterschiedlichenArbeitsbereichen kennenlernen und ihre Erfahrungen austau-schen können

(65) verstärkte Einbeziehung von Universität und Fachhochschule,zum Beispiel bei der Durchführung von aktivierenden Befragun-gen unter Jugendlichen oder von Mediationen bei Konflikten imöffentlichen Raum

(66) verstärkte Nutzung der Regionalen Arbeitskreise, um die Thema-tik Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit anzugehen undAktivitäten zu koordinieren

(67) Gründung eines „Netzwerkes“ zur Information (regional und über-regional), Bereitstellung von Hilfeleistungen, Koordinierung undRessourcen-optimierung. Dieses Netzwerk soll aus Vertreterinnenund Vertretern von Jugendarbeit, Schule, Schulsozialarbeit, derAusländerbeauftragten u. a. bestehen.

Sicherheitskonferenz, Jugendamt, Staatliches Schulamt Brandenburg ander Havel, Ausschüsse, Regionale Arbeitskreise, Institutionen, Vereine

Leitlinien

Handlungszuständigkeit

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Handlungszuständigkeit

Leitlinien

Einzelmaßnahmen

Maßnahmen

Öffentlichkeitsarbeit

Der Öffentlichkeit kommt im Rahmen der Auseinandersetzung mitRechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit große Bedeutung zu,denn sie bewirkt ein Klima, in dem bestimmte Taten möglich sind odereben nicht. Eine wichtige Rolle in diesem Kontext nehmen die Medienein, die die Haltung der Öffentlichkeit und das allgemeine Sicherheits-gefühl der Bürger/innen stark beeinflussen.

(68) Durchführung von Kampagnen, die so konkret wie möglich seinsollten, zum Beispiel Aktionen in Schule oder Betrieb wie „Machmeinen Kumpel nicht an!“ oder die Verleihung eines Zertifikats„Schule ohne Rassismus“

(69) Ausweitung bestehender und Entwicklung neuer stadtweiter Kam-pagnen zur Stärkung von Zivilcourage

(70) verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in den Bussen und Bahnen desÖPNV, zum Beispiel Hinweise auf Beratungs- oder Unterstützungs-angebote

(71) öffentliche Auszeichnung von engagierten Bürger/innen(72) Sensibilisierung der Medien in Hinblick auf die Berichterstattung

über rechte Straftaten und über positive Beispiele von Aktivitä-ten gegen rechts, zum Beispiel durch Gründung eines „Jour-nalistenstammtisches gegen Rechtsextremismus“

(73) Plakataktion „Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeind-lichkeit“: Kinder und Jugendliche entwerfen Plakate, die in derStadt plakatiert werden

Sicherheitskonferenz, Jugendamt, Staatliches Schulamt Brandenburgan der Havel, Medien, Institutionen und Vereine

FortbildungFundiertes Wissen über die verschiedenen Aspekte des Rechtsextre-mismus, des Alltagsrassismus, über die Situation von Migrant/innenund über die verschiedenen Handlungskonzepte ist eine zentrale Grund-lage für die Umsetzung des Aktionsplanes. Notwendig ist in diesemKontext die Verbreitung und Erweiterung der aktuellen Kenntnisse überRechtsextremismus und rechtsextreme Jugendkultur bei den beteilig-ten Akteur/innen. Gleichzeitig sollen durch Fortbildungen der Erfah-rungsaustausch und die Reflexion unter den Akteur/innen sowie dieVermittlung und Weiterentwicklung von sozialpädagogischen Hand-lungskonzepten sichergestellt werden.

Leitlinien

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Maßnahmen

Handlungszuständigkeit

(74) Abgleichen der Fortbildungsinhalte zumThemenkomplex Rechtsextremismusvon der Regionalen Arbeitsstelle für Aus-länderfragen, dem Mobilen Beratungs-team, den Flüchtlingsinitiativen, derSicherheitskonferenz sowie der Polizeiund Entwicklung eines integrierten Fort-bildungskonzeptes im Bausteinsystem.Dieses Fortbildungskonzept könnte imVerbund gemeinsam von Vertreterinnenund Vertretern der benannten unter-schiedlichen Arbeitsfelder umgesetztwerden.

(75) Fortbildungen für Multiplikator/innen inSchule und Jugendhilfe zum Themen-komplex Jugendkultur, insbesondere zuMusik, Geschichte der Jugendkulturenund ihren Symbolen

(76) Fortbildungen für Multiplikator/innen inSchule und Jugendhilfe „Argumentierengegen Rechts“

(77) Fortbildungen für die Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung zuden Themen interkulturelle und kommunikative Kompetenzen

(78) Fachtage für den Austausch und die Reflexion unterschiedlicherErfahrungen und Ansätze der Mitarbeiter/innen der offenenJugendarbeit, der Straßen- und Schulsozialarbeit sowie vonLehrerinnen und Lehrern

Ausländerbeauftragte, Jugendamt, Ordnungsamt, Staatliches Schul-amt Brandenburg an der Havel, RAA, MBT, Polizei, Sicherheits-konferenz, Flüchtlingsinitiativen

Einzelmaßnahmen

Sicherung und SteuerungDie Umsetzung der in diesem Aktionsplan vorgeschlagenen Maßnah-men bedarf einer fachlich fundierten Steuerung und Evaluierung. Daviele Maßnahmen von verschieden Akteur/innen aus unterschiedlichenBereichen durchgeführt werden, bedarf es einer effektiven und effizi-enten Koordinierung und Begleitung des Aktionsplanes. Darüber hin-aus müssen personelle und finanzielle Ressourcen erschlossen wer-den, was von der Mehrzahl der beteiligten Akteure und Akteurinnennicht gewährleistet werden kann.

Leitlinien

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Handlungszuständigkeit

MaßnahmenServicestelle (79) Einrichtung einer Servicestelle zur Umsetzung des Aktionsplanes.

Aufgaben sind:■ Sammlung und Weiterleitung von Informationen über die der-

zeitige Situation und Ressourcen, über den Stand der Umset-zung des Aktionsplanes und über die nächsten Umsetzungs-schritte

■ Vermittlung von Kooperationspartnern für Maßnahmen, Aktio-nen und Fortbildungen

■ Akquise von personellen und finanziellen Ressourcen, das heißtUnterstützung bei Fundraising, Ermittlung und Herstellung vonKontakten zu Programmen und Stiftungen

■ Beratung von Interessenten und engagierten Projekten, diesich Informationen, Kooperationspartner oder Unterstützungund Beratung bei der Suche nach Ressourcen wünschen

■ Schaffung und Verwaltung eines unbürokratischen Aktions-fonds für Anträge unter 1000 Euro

(80) Einrichtung eines Beirats lokaler Expert/innen, der regelmäßig(mindestens alle zwei bis drei Monate) einberufen wird. Aufgabensind:■ Impulse und Empfehlungen für die Steuerung und die Umset-

zung der Aktivitäten im Rahmen des Aktionsplanes zu geben■ Schwerpunkte zu setzen und deren Umsetzung anzustoßen■ Evaluierung der Ergebnisse, Sicherung der Nachhaltigkeit

sowie Einleitung von notwendigen Veränderungen■ Beratung und Kontrolle der Servicestelle

Sicherheitskonferenz, Jugendamt, Jugendhilfeausschuss

Beirat lokaler Expertinnenund Experten