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Die geriatrische Rehabilitation in allgemeiner rehabilitationsmedizinischer Perspektive – Theorie und Praxis – Versorgungsstrukturen, Struktur- und Prozessqualitäten Matthias Schmidt-Ohlemann Bad Kreuznach Vortrag am 28. März 2007 16. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium Berlin Satellitenveranstaltung „Rehabilitation behinderter Menschen mit Pflegebedarf“

Matthias Schmidt-Ohlemann Bad Kreuznach Vortrag … · instrumentellen Charakter für die Förderung der ... (In Anlehnung an MDK-Leitlinie) ... • Der Struktur- und Prozessqualität

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Die geriatrische Rehabilitation in allgemeiner rehabilitationsmedizinischer Perspektive

– Theorie und Praxis –Versorgungsstrukturen, Struktur- und

Prozessqualitäten

Matthias Schmidt-OhlemannBad Kreuznach

Vortrag am 28. März 200716. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium Berlin

Satellitenveranstaltung„Rehabilitation behinderter Menschen mit Pflegebedarf“

Die rehabilitationsmedizinische PerspektiveWesentliche Merkmale der rehamedizinischen Perspektive

(idealtypisch)

• Orientierung auf die ICF– Schwerpunkt: Aktivitäten und Teilhabe

• Primär keine Altersorientierung• Primär keine Indikationsspezifität• Primär keine Maßnahmeorientierung• Orientierung auf Problemlösungen• Orientierung auf Lebensweltnähe• Orientierung auf die Region• Orientierung auf Nachhaltigkeit • Epidemiologische Orientierung

Arbeit an Schädigungen von Strukturen und Funktionen hat, abgesehen von der Schmerztherapie, im wesentlichen instrumentellen Charakter für die Förderung der Teilhabe.

Rehabilitation Pflegebedürftiger

� 1,952 Mio Personen haben eine anerkannte Pflegestufe I-III (SGB XI) (Stichtag 31.12.2005)

� Mindestens 450 000 Neufeststellungen im Jahr (mind. Stufe I)

� Nicht alle Menschen mit Pflegestufe sind rehabilitationsbedürftig

• Davon 27,7 % unter 70 Jahren d.h. ca. 540000 Personen– Davon ca. 194000 zwischen 60 und 70 Jahren– Davon ca. 92000 unter 20 Jahren

• Davon 72,3 % über 70 Jahre, d.h. ca. 1,4 Mio Personen

� Unterscheide: Rehabilitation während bestehender PflegebedürftigkeitundRehabilitation bei drohender Pflegebedürftigkeit

Entstehung von Rehabilitationsbedarf bei Pflegebedürftigen

� Ursachen der Entstehung von Rehabedarf:

• Während Pflegebedürftigkeit vorliegt, wird Rehabedarf durch neue Krankheit verursacht

• Vorhandenes Rehapotential wurde bei bestehender Pflegebedürftigkeit bislang nicht ausgeschöpft

• Massive Verschlechterungen der Aktivitäten und Teilhabemöglichkeiten ohne eindeutige Erkrankung (Geriatrische Patienten)

• Versagen der Kompensationsmöglichkeiten und/oder der Ressourcen klient- oder kontextbezogen (geriatrische Klienten) mit der Folge gesundheitlicher Dekompensation

Rehabilitationsmedizinische Interventionen

� Interventionen, insbesondere die Allokationsentscheidungen im Einzelfall hängen v.a. ab

� Vom Problemhaushalt des Individuums

� Von der Entstehungsursache der Aktivitäts- und Teilhabestörung

� Von der Herstellbarkeit von Effizienz und Akzeptanz des Rehasettings

� Von der konsentierten Angebotspalette

Und wesentlich auch

� Vom Verlauf der Krankenbehandlung/Rehabilitation (Verschlechetrungwährend stationärer Behandlung)

� Vom Versorgungsangebot und den prognostizierten Entwicklungschancen nach der eigentlichen Rehamaßnahme(Nachsorge..)

� Vom prognostisch für notwendig gehaltenen Zeitfenster für rehabilitativeMaßnahmen (beim Schlaganfall i.d.R. nicht unter 3 Monaten)

Rehabilitationsmedizinische Interventionen

Interventionen sind auch abhängig vom Ziel der Rehamaßnahme(Schädigungen, Aktivitäten, Teilhabe) und dem diese Ziele unterschiedlich interpretierenden Rehaträger, (z.B.

• Selbständiges Leben

• Leben in eigener Familie

• Leben im Rahmen der Behinderten/Eingliederungshilfe

• Altenhilfe

• Berufliche Perspektiven– Primärer, sekundärer oder tertiärer Arbeitsmarkt

– Werkstatt für behinderte Menschen

– Teilhabe an Tagesstruktur

• Rentnerstatus

Indikation zur Rehabilitation aus rehabilitationsmedizinischer Perspektive

Die Indikation zu einer bestimmten Rehabilitationsmaßnahme ist auf der Basis eines individuellen und dem Verlauf angepassten und, ggf. einschl. iterativer Zielbestimmung, wiederholten, Assessments sowie einer darauf basierten klinischen Beurteilung, z.B. im Rahmen eines rehamedizinischen/ ggf. auch geriatrischen Konsils zu stellen, nicht primär auf Grund einzelner Merkmale des Patienten.

• Dabei sind die regionalen Angebote und die Wünsche des Klienten zu beachten.

• Dies ist besonders wichtig bei Vorliegen von Pflegebedürftigkeit auf Dauer.

• Mit Hilfe eines prozeduralen statt eines klassifikatorischenVerfahrens der Indikationsstellung können Kontextfaktoren sehr viel besser berücksichtigt und damit die Steuerung der Rehabilitation optimiert werden. In diesem Zusammenhang plädieren wir eher für Konsil und Verhandlungslösungen (Hilfeplankonferenzen) als für indikatorenbasierte formalisierteEntscheidungsprozesse.

Problemhaushalt verschiedener Rehagruppen Iinsbesondere bei Pflegebedürftigen

Multimorbidität Ein Mensch ist multimorbide, wenn er multiple strukturelle oder funktionelle Schädigungen (nach ICF) bei mindestens zwei behandlungsbedürftigen Erkrankungen aufweist. Behandlungsbedürftig heißt, dass die aus diesen Erkrankungen entstehenden medizinischen Probleme im Rahmen der beantragten Rehabilitationsleistung aktuell engmaschig ärztlich beobachtet und bei der Therapie entsprechend berücksichtigt werden müssen. Ggf. muss dies integrativ erfolgen, d.h. über die Grenzen des eigenen Fachgebiets hinweg. (In Anlehnung an MDK-Leitlinie)

Davon zu unterscheiden: weitere Beeinträchtigungen mit Krankheitswert, die Aktivitäten und Teilhabe einschränken.

Problemhaushalt verschiedener Rehabilitandengruppen II

insbesondere bei Pflegebedürftigen, mit Teilhaberelevanz, z.B.

• Fehl-, Mangelernährung, Exsiccose/ Gewichtsverlust • Obstipation/Diarrhöe/ Stuhlinkontinenz• Urininkontinenz/ Harnwegsinfekte• Schwindel• Stürze• Schlafstörungen• Depression/ Angst/ gerontopsychiatrische Syndrome• Demenz, Weglauftendenz, mangelnde Verhaltens- und Impulskontrolle• Kognitive Beeinträchtigungen//neuropsychologische Störungen• Schwäche, verminderte Belastbarkeit/Leistungsfähigkeit• Hautprobleme (Decubitus, Pruritus)• Bewegungsstörungen• Mobilitätseinschränkungen• Schmerzen• Sinnesbeeinträchtigungen (Hören, Sehen)• Schluckstörungen• Stimm-, Sprech- und Sprachstörungen

Problemhaushalt bei Pflegebedürftigen III

Weitere Beeinträchtigungen mit Relevanz für die RehaPflegebedürftiger, z.B.

• Soziale Kontakte knüpfen und halten

• Soziale Rollen erfüllen

• Kompetenz in den ADL

• Kompetenz in den IADL

• Gesundheitsmanagement

• Prophylaxen und gesundes Leben

• Selbstwahrnehmung und Selbstkompetenz

• Tagesstruktur

• Coping, Konflikte, Stressbewältigung

Vgl. dazu aktuell: K. Wingenfeld et al.: Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumenten, Bielefeld 2007, im Rahmen des Modellprogramm nach § 8 Abs 3 SGB XI.

Multimorbidität und multifokale Problematik

• Fokussierung auf eine Krankheit oder ein Organsystem meist nicht möglich• Behandlung mit ärztlicher Begleitung notwendig• Mehrfachmedikation mit Wirkungen und Wechselwirkungen• Errichtung eines Behandlungsregimes erforderlich• Kontrollen, Beobachtung und ggf. Anpassung der Behandlung notwendig• Nachhaltige Stabilisierung des Konzeptes für Zeit nach der Reha.• Multifokalität der Rehabilitation und Behandlung notwendig

Ohne sachgerechte Bewältigung der Krankheiten meist keine Teilhabe sondern Drehtüreffekte. Deshalb

• Thema für jede Rehaform• Problem der Arbeitsteilung in der Gesundheitsversorgung• Kein Spezifikum der geriatrischen RehaAber:• Nicht in jedem Falle von Pflegebedürftigkeit besteht Multimorbidität• Nicht in jedem Falle erfordert diese stationäre Behandlung• Nicht in jedem Falle ist die Beherrschung schwierig oder an geriatrische

oder fachärztliche Kompetenz gebunden (klass. Problem in der Allgemeinmedizin und rehabilitativen Medizin)

Forderungen an Rehaangebote

• Nur die Beachtung des gesamten individuell relevanten Problemhaushaltes und dessen Berücksichtigung im Rehaplan und den Rehazielen sichert Aktivitäten und Teilhabe zuverlässig.

• Nicht alle Probleme sind gleich relevant für die Teilhabe, z.T. hängen sie auch voneinander ab. Deshalb ist eine Fokussierung unerlässlich. Die Gefahr redundanter Informationsgewinnung und überkomplexer Umgangsstrategien ist erheblich.

• Die angemessene Beurteilung und Behandlung der zugrundeliegenden und die Reha auslösenden Erkrankung muss sichergestellt sein.

• Das jeweilige Rehakonzept muss wesentlich auf die Aktivitäten und Teilhabe abstellen. Krankenbehandlung, z.B. auch bei interkurrenter Erkrankung darf diese Zielvorgaben nicht beeinträchtigen.

Vorhandene Lösungsangebote für Pflegebedürftigeen

Welche angemessenen Lösungsoptionen zur medizinischen Rehabilitation bzw. rehabilitationsmedizinischen Versorgung mit welcher Relevanz für Funktionen, Aktivitäten und Teilhabe werden angeboten?

Versorgung erfolgt im Rahmen derA. 1. Geriatrie

2. Physikalischen und rehabilitativen Medizin3. Neurologischen Frühreha4. Behindertenhilfe 5. Langzeitkrankenhäuser/Spezialkrankenpflegeheime

B. Indikationsspezifischen Reha

C. Pflegeeinrichtungen und - dienste

D. kompetenten koordinierenden Hausarztversorgung mit Lotsenfunktion einschl. Heilmitteln

E. Es herrscht therapeutischer und/oder rehabilitativer Nihilismus

Bedeutung der Geriatrie

Für die multimorbid und multidimensional Betroffenen können geriatrische Angebote eine konzeptionell und praktisch überzeugende Lösung darstellen.

Es umfasst die bei weitem größte Gruppe der Betroffenen

Sie ist konzeptionell den Ansprüchen geriatrischer Personengruppen gewachsen

In ihrer praktischen Organisation und ihrer Eingliederung in das Gesundheitswesen wird jedoch teilweise die Einlösung von Rehaansprüchen älterer Menschen nicht immer erreicht oder u.U. gar behindert (s.u.).

Indikationsspezifische Rehabilitation Pflegebedürftiger

In der indikationsspezifischen Rehabilitation werden Pflegebedürftige z.T. nicht, z.T. mit reduziertem Programm behandelt.

Der Problemhaushalt wird häufig nur selektiv und nur partiell rehabilitativ umfassend bearbeitet, da die Indikationsspezifikdominiert. (So reicht es nicht, die motorischen Anteile des Toilettenganges zu trainieren, wenn die medikamentösen, pflegerischen und hilfsmitteltechnologischen Aspekte der Inkontinenz nicht eigenständig mit bearbeitet werden.)

Insofern kann derzeit die Indikationsspezifische Reha nicht allgemein für die Reha Pflegebedürftiger empfohlen werden.

Ausnahmen sind möglich, z.B. die neurologische Reha der Phase C

Allokationsempfehlung in der Rehabilitation

Für die Allokation Pflegebedürftiger zur Rehabilitation sollte die Bedarfsgerechtigkeit des Rehaangebotes den Ausschlag geben.

Rehaangebote für diesen Personenkreis müssen nicht zwingend geriatrisch organisiert sein, müssen sich aber analogen Qualitätsanforderungen stellen.

Für jüngere Klienten mit Pflegebdürftigeit entsteht bei Konzentration der Versorgungsplanung rein auf geriatrische Reha eindeutig eine Versorgungslücke.

Geriatrische Rehabilitation

• Frührehabilitation im Krankenhaussektor • Rehabilitation im Rehabilitationssektor

• Positionspapier „Abgrenzungskriterien der Geriatrie-geriatrisches Behandlungsprofil unter leistungsrechtlichen Vorgaben des SGB V“ beinhaltet drei Versorgungsformen:

– die geriatrische Akutbehandlung (verstanden als Akutbehandlung des multimorbiden geriatrischen Patienten ohne zusätzlichen (früh-)reha-bilitativen Behandlungsbedarf)

– die geriatrische Frührehabilitation (verstanden als Akutbehandlung des multimorbiden geriatrischen Patienten mit gleichzeitigem (früh-)reha-bilitativem Behandlungsbedarf)

– die geriatrische Rehabilitation (verstanden als über die Akutbehandlungsbedürftigkeit mit den Mitteln des Krankenhauses hinausgehendem Rehabilitationsbedarf eines multimorbiden geriatrischen Patienten).

Behandlungspfade in der Behandlung älterer Patienten z.B. nach Schlaganfall 90 Tage nach Ereignis

Denkbar sind in Behandlungspfaden folgende Bestandteile :

• A = Akutbehandlung Allgemeinkrankenhaus

• B = Akutbehandlung Geriatrisches Krankenhaus

• C = Frühreha im Krankenhaus

• D = geriatrische Frühreha im Krankenhaus

• E = Stationäre indikationsspezifische Rehabilitation

• F = Stationäre geriatrische Reha

• G = Geriatrische Tagesklinik

• H = Ambulante geriatrische Reha

• I = ambulante indikationsbezogene Rehabilitation

• J = Mobile Rehabilitation

• Ambulante Versorgung und Heilmittel

Behandlungspfade 90 Tage (12 Wochen) I

I. Ohne Geriatrie Wo

1. Akutbehandlung Allgemeinkrankenhaus 3

2. Stationäre indikationsspezifische Rehabilitation 4

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 5

II. Mit geriatrischer Rehaeinrichtung

1. Akutbehandlung Allgemeinkrankenhaus 3

2. Geriatrische Rehabilitation 4

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 5

III. Mit Akutgeriatrie

1. Akutbehandlung Allgemeinkrankenhaus 1

2. Akutgeriatrie fallabschließend 3

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 8

Behandlungspfade 90 Tage (12 Wochen) II

IV. Mit Akutgeriatrie und geriatrischer Frühreha Wo

1. Akutbehandlung Akutgeriatrie 1

2. geriatrische Frührehabilitation (fallabschließend) 3

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 8

V. Mit geriatrischer Akut- und Rehaeinrichtung

1. Akutbehandlung Akutgeriatrie 3

2. Geriatrische Rehabilitation 4

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 5

VI. Mit Akutgeriatrie und Tageklinik

1. Akutbehandlung Akutgeriatrie 3

2. geriatrische Tagesklinik fallabschließend 3

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 6

Behandlungspfade 90 Tage (12 Wochen) III

VII. Mit ambulanter geriatrischer Rehabilitation Wo

1. Akutbehandlung Allgemeinkrankenhaus 3

2. Ambulante geriatrische Rehabilitation 6

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 3

VIII. Mit Mobiler Rehabilitation

1. Akutbehandlung Allgemeinkarnkenhaus 3

2. Mobile Rehabilitation 8

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 1

IX. Mit geriatrischer Frührehabilitation und Mobiler Rehabilitation

1. Akutgeriatrie einschl. Frühreha 3

2. Mobile Rehabilitation 8

3. Ambulante Versorgung und Heilmittel 1

Behandlungspfade geriatrischer Patienten

• Die Darstellung verschiedener Pfade der ersten 90 Tage nach Ereignis ist notwendig, da keinesfalls nur die rehabilitativeMaßnahme für den Outcome verantworlich sein dürfte, da das reharelevante Zeitfenster in der Regel nicht unter 6 Wochen, meist nicht unter 12 Wochen beträgt.

• Die Qualität der einzelnen Pfadelemente muss im Hinblick auf dieErreichung optimaler Rehaziele im Gesamtzusammenhang bewertet werden.

• Pfade, die die Zeit rehabilitativer Interventionen stark beschränken, müssen eher kritisch bewertet werden.

• Evaluation muss sich in Zukunft auf Pfade, weniger auf einzelne Maßnahmen beschränken.

• Der Struktur- und Prozessqualität von Einrichtungen darf deshalb nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als der Ergebnisqualität eines Gesamtprozesses.

Hauptprobleme in der Versorgung mit Rehabilitationsleistungen für geriatrische Rehabilitanden

mit Pflegebedarf und Behinderung

1. Akutkrankenhaus– Mangelnde therapeutische Angebote vom ersten Tage an (KG,

Ergoth, Logo)– Gravierende Pflegemängel, zumindest im Hinblick auf

rehabilitative Pflege, z.T. durch mangelnden Support– Späte Einbindung des Sozialdienstes– Mangelndes medizinisch-geriatrisches Wissen (s.

Problemhaushalt

� Mit der Folge funktioneller und struktureller Verschlechterungen, Komplikationen, Decubitus

� Insbesondere bei vorher bereits behinderten oder pflegebedürftigen Patienten

� Insbesondere bei fehlenden Angehörigen oder Heimbewohnern

� Fazit: Der Aufenthalt im Akutkrankenhaus wirkt in der Regel antirehabilitativ und ist insofern meist zu lang

Hauptprobleme in der Versorgung mit Rehabilitationsleistungen für geriatrische Rehabilitanden

mit Pflegebedarf und Behinderung II2. Indikationsbezogene Rehabilitation

– Pflegebedürftige Rehabilitanden werden nicht aufgenommen (Inkontinenz, Demenz) oder werden von wichtigen Behandlungsanteilen ohne Ersatz ausgeschlossen (Gruppe, Bewegungsbad, Speisesaal etc.)

– Pflegerische Versorgung ist nicht durchgehend gesichert, – Teilhabe während der Reha nicht gesichert (Isolation im Zimmer)

Konflikte mit anderen anspruchsvollen Rehagästen (Schluckstörungen, Schwerhörige, Demenz, Lähmungen)

– Multimorbidität ist nicht immer im Rehakonzept und im Alltag gleichermaßen berücksichtigt (z.B. kardiale Probleme in der Neurologie)

– Problemhaushalt kann mangels Kompetenz nicht ausreichend erfasst, fokussiert und dann rehabilitativ bearbeitet werden: Bsp: Inkontinenz, Decubitus, Schluckstörungen, Kommunikationsstörungen in orthopädischer Klinik, Neuropsychologie in der Rheumatologie u.a.)

Fazit: Die indikationsspezifische Reha ist meist überfordert, die Einrichtung einer Pflegestation ohne Änderung des Rehakonzeptes selbst reicht nicht!

Hauptprobleme in der Versorgung mit Rehabilitationsleistungen für geriatrische Rehabilitanden

mit Pflegebedarf und Behinderung III

3. Akutgeriatrie

– Nicht in allen Fällen komplexer geriatrischer Ansatz sondern Arbeitsweise wie im Allgemeinkrankenhaus

– Problem: Behandlungsmöglichkeiten für medizinische Spezialfälle nicht immer gegeben.

– Konzentration auf maximale medizinisch-kurative Versorgung

– Nicht immer wohnortnah (Flächenregionen?)

– Später Beginn der Frühreha im eigenen Haus oder Verzicht darauf, dennoch fallabschließende Behandung

Fazit: Akutgeriatrie garantiert keine Frühreha inclusive, kann durch fallabschließende Behandlung Rehaansprüche in Leere laufen lassen.

Hauptprobleme in der Versorgung mit Rehabilitationsleistungen für geriatrische Rehabilitanden

mit Pflegebedarf und Behinderung IV

4. Geriatrische Frührehabilitation (fallabschließend)

eigentlich: für spezifisches Klientel optimale Versorgungsform, aber:

– An krankenhausbehandlungspflichtige Krankheiten gebunden

– Hoher Aufwand – anfangs oft geringe Belastungsfähigkeit

– Krankenhaussetting auch für Klientel, das indikationsbezogene oder geriatrische Rehaleistungen in Anspruch nehmen könnte.

– Nicht immer wohnortnah

– Verweildauer DRG-begrenzt (7, 14, 21 Tage)

– Durch Vereinbarung fallabschließender Behandlung keine weitere Rehaleistung mehr

– Dadurch hoher Behandlungsanteil ambulant im reharelevantenZeitfenster

Fazit: Rechtlich bedenklich, wenn fallabschließend: verhindert die Durchsetzung eines Anspruchs auf Reha nach SGB IX bzw. § 40 SGB V

Hauptprobleme in der Versorgung mit Rehabilitationsleistungen für geriatrische Rehabilitanden

mit Pflegebedarf und Behinderung V

5. Ambulante geriatrische Rehabilitation– Der pflegebedürftige geriatrische Patient kann die ambulante

Reha in der Regel nicht wahrnehmen– Die, die dies tun könnten, können in der Regel auch eine

indikationsbezogene Reha absolvieren– Die kurative Behandlung ( auch der geriatrietypischen Probleme)

liegt bei den Vertragsärzten (Sicherstellungsauftrag)– Ermächtigungen oder Verträge nach § 73 Abs. 3 SGB V zur

Sicherstellung der kurativen Versorgung sind äußerst selten bzw. nicht bekannt.

– Heilmittel sind oft ausreichend

Fazit: Die ambulante geriatrische Reha ist ein überflüssiges Angebot. Sinnvoll sind Tageskliniken mit einem spezifischen zusätzlich zur Reha notwendigen kurativen Angebot.

Hauptprobleme in der Versorgung mit Rehabilitationsleistungen für geriatrische Rehabilitanden

mit Pflegebedarf und Behinderung VI

6. Mobile geriatrische Rehabilitationoptimales Angebot speziell für Pflegebedürftige und behinderte

Menschen mit Angewiesenheit auf die vertrauten Kontextfaktoren, aber:

– Erfahrungen nur an wenigen Standorten– Noch keine flächendeckende Verbreitung– Keine überwachungspflichtigen und hochfrequent zu

therapierende Klienten– Umfeld muss stimmen,– Kurative Anteile nur in regionaler Kooperation sicherzustellen– Bei Begrenzung auf geriatrische Klientel würden regional

jüngere Klienten ausgeschlossen (nur 1 Dienst möglich)

Fazit: Mobile Reha bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig ausbauen, nicht auf geriatrische Klienten beschränken

Zusammenfassende Überlegungen I• Die Versorgung behinderter, pflegebedürftiger und zugleich

rehabedürftiger Menschen mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation sollte sich an dem Ziel der Teilhabe des SGB IX orientieren.

• Z.Zt. gibt es kein dafür optimales Rehakonzept, da alle Ansätze, auch der geriatrische, neben Stärken auch erhebliche Schwächen aufweisen, zumindest in der Operationalisierung.

• Einzelne Personengruppen sind heute eindeutig unterversorgt, derAnspruch auf Reha wird nicht umgesetzt.

• Regelungen, die eine fallabschließende Behandlung im Krankenhaus vorsehen, sind aus fachlicher Sicht für viele Fälle strikt abzulehnen, da sie das Zeitfenster für die Rehabilitation deutlich verkürzen und zudem rechtlich bedenklich, wenn sie den Anspruch auf Rehabilitation außer Kraft setzen.

Zusammenfassende Überlegungen II• Für die Personengruppe rehabedürftiger Menschen mit Pflegebedarf bietet

sich aus rehamedizinischer Sicht ein gemeinsames übergreifendes Konzept von Rehamaßnahmen an, das man als komprehensiv bezeichnen könnte. Im Focus dieses Angebotes sollten Teilhabebeeinträchtigungen bei neuromuskulären Störungen unter Beachtung des gesamten Problemhaushaltes stehen.

• Die Stärken der Geriatrie sollten genutzt werden, aber nicht zu einer Monopolisierung führen. Geriatrie oder ein analoges Konzept der interdisziplinären Frühreha erscheint mir aber für eine rehabilitativorientierte Krankenhausbehandlung unverzichtbar.

• I.Ü. ist eine allgemeine Geriatrisierung in der Medizin und der Rehabilitation notwendig

• Rehabilitation hat konzeptionell verstärkt zu beachten, dass auch nach erfolgter (optimaler) Rehabilitation Pflegebedürftigkeit verbleiben kann.

• Für die Gestaltung der Versorgung sollte man sich an einem Pfadkonzept orientieren, wobei die einzelnen Komponenten nicht sequentiell sondern netzwerkartig und parallel genutzt werden können sollten. Auch längerfristige Maßnahmen sollten bedacht werden, nicht zuletzt im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Wirkungen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Folien des Vortrages erhalten Sie unter

[email protected]

Anhang

Leistungen zur geriatrischen Rehabilitation

werden je nach Konzeption und bestehenden Versorgungsstrukturen der einzelnen Bundesländer in geriatrischen Krankenhäusern oder Fachabteilungen, in geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen oder in beiden Versorgungsstrukturen erbracht.

– rehabilitative geriatrische Versorgung ausschließlich oder ganz überwiegend als Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen).

– rehabilitative geriatrische Versorgung ausschließlich oder ganz überwiegend als Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 40 SGB V (Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz).

– rehabilitative geriatrische Versorgung sowohl als Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V als auch als Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 40 SGB V (Saarland mit überwiegendem Rehabilitationsanteil, Niedersachsen und Sachsen, Nordrhein-Westfalen mit überwiegendem Krankenhausanteil).

Geriatrische Rehabilitation findet somit in unterschiedlichen Einrichtungen statt. Dieses sind im Wesentlichen: – im Krankenhausbereich

• die geriatrische Abteilung am Krankenhaus

• das geriatrische Fachkrankenhaus

• teilstationäre Krankenhausbehandlung (sogenannte geriatrische Tagesklinik) in Anbindung an geriatrische Krankenhausabteilungenoder an ein geriatrisches Fachkrankenhaus

– im Rehabilitationsbereich • die geriatrische Abteilung einer Rehabilitationseinrichtung

• die geriatrische Rehabilitationseinrichtung

• ambulante geriatrische Rehabilitationseinrichtung als selbst-ständige Rehabilitationseinrichtung oder in Anbindung an eine stationäre geriatrische Rehabilitationseinrichtung.

Abbildung der Geriatrie im DRG-System: Entwicklungsschritte

08/2004 OPS 8-550 Version

Herausforderungen für die Geriatrie aus Sicht des KCG

• In der Praxis hat sich insbesondere in den Bundesländern, in denen geriatrische Versorgungsstrukturen nur im Krankenhausbereich oder nur im Rehabilitationsbereich existieren, eine weitgehende ähnliche Behandlungskonzeption entwickelt. Dies bedeutet, dass in Bundesländern mit geriatrischer Versorgung ausschließlich in Krankenhäusern in nahezu 100% der Fälle fallabschließendeinschließlich der hierzu notwendigen rehabilitativen Maßnahmen behandelt wird. In Bundesländern mit geriatrischer Versorgung ausschließlich in Rehabilitationseinrichtungen wird durch das Angebot einer relativ weitreichenden akutmedizinischen Mitbehandlung die frühzeitige Verlegung aus dem Akutkrankenhaus in die geriatrische Rehabilitation ermöglicht. In Bundesländern mit relevanten Kapazitäten in beiden Versorgungsformen hat man sich um Abgrenzungskriterien für die beiden Behandlungssektoren Krankenhaus und Rehabilitationseinrichtung bemüht, die sich im Wesentlichen an der stationären Akutbehandlungsbedürftigkeit einerseits und der geriatrischen Rehabilitationsfähigkeit andererseits orientieren. (Nach BAR Arbeitshilfe)

Zum Autor

Dr. med. Matthias Schmidt-OhlemannArzt für Orthopädie, RheumatologieArzt für physikalische und rehabilitative MedizinChirotherapie

Ltd. Arzt des Rehabilitationszentrums Bethesda kreuznacher diakonie

Landesarzt für KörperbehinderteVorsitzender der BAG Mobile Rehabilitation

Waldemarstr. 2455543 Bad [email protected]