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Messung in der Umfrageforschung II:
Die Rolle theoretischer Vorstellungen
bei der Messung (Beispiel: Werteforschung)
Siegfried Schumann
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Mögliche Fragestellung – theoretischer Hintergrund
Bekanntes Beispiel:
• Offenheit für Erfahrung → Selbstentfaltungswerte
• Persönlichkeitseigenschaften → Werthaltungen
• Wichtige Ansätze der Werteforschung:– Werte nach Rokeach – Postmaterialismus-Ansatz (Inglehart)– Werteraum nach Klages – Werteraum nach Schwartz
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Klassische Definition: Wert
Def. „Wert“: Conception of the desirable (Kluckhohn 1951)
Wert ↔ Persönlichkeitseigenschaft – i.e.S. keine Persönlichkeitseigenschaft (PE) – PE: „tiefer liegendes Merkmal“ (z.B.: Vererbung!)
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Werte bei Rokeach (1973) – Übers.: Kmieciak (1976) –
Terminalwerte (alphabetisch)– Das Gefühl, etwas erreicht zu haben – ein dauerhafter Erfolg – Ein angenehmes Leben – ein wohlhabendes Leben– Ein aufregendes Leben – ein anregendes, tätiges Leben– Eine friedliche Welt – ohne Krieg oder Konflikte– Eine schöne Welt – Schönheit der Natur und Künste– Erlösung – zum ewigen Leben– Freiheit – Unabhängigkeit, Freiheit der Entscheidung– Genuss – ein vergnügliches, genussvolles Leben– Gesellschaftliche Anerkennung – Respekt, Bewunderung– Gleichheit – Brüderlichkeit, gleiche Chance für jeden– Glück – Zufriedenheit – Innere Harmonie – Eintracht mit sich selbst– Reife Liebe – geistig-sexuelle Vertrautheit– Selbstachtung – Respekt vor sich selbst– Sicherheit für die Familie – für seine Lieben sorgen– Staatliche Sicherheit – Sicherheit vor Angriffen– Wahre Freundschaft – enge Kameradschaft– Weisheit – ein tiefes Verständnis des Lebens
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Werte bei Rokeach (1973) – Übers.: Kmieciak (1976) –
Instrumentelle Werte (alphabetisch)– Beherrscht – zurückhaltend, diszipliniert – Ehrgeizig – fleißig, strebsam– Ehrlich – aufrichtig, wahrhaftig – Fähig – kompetent, wirkungsvoll– Gehorsam – pflichtbewusst, respektvoll– Hilfreich – sich um das Wohlergehen anderer kümmern– Höflich – wohlerzogen– Intellektuell – intelligent, nachdenklich– Liebevoll – zärtlich, zugetan– Logisch – übereinstimmend, rational– Munter – leichten Herzens, fröhlich – Mutig – zu seiner Überzeugung stehen– Phantasievoll – kühn, schöpferisch– Sauber – ordentlich, nett– Tolerant – aufgeschlossen– Sicherheit für die Familie – für seine Lieben sorgen– Unabhängig – selbstgenügsam, selbstvertrauend– Verantwortlich – zuverlässig, verlässlich
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Wertedimensionen I: Postmaterialismus-Ansatz
Postmaterialismus
Materialismus
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Zum Postmaterialismus-Ansatz I:
Bedürfnishierarchie nach Maslow
Hierarchie der Motivgruppen aufgrund relativer Vorrangigkeit in der Bedürfnisbefriedigung
(Darstellungsweise nach Krech u.a. 1962: 77; aus: Heckhausen 1989: 69)
PostmaterialismusMaterialismus
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Zum Postmaterialismus-Ansatz II:
• Bedürfnisse (z.T. physiologische Grundlage!) → Werte
• Dichotomisierung der „Bedürfnishierarchie“ von Maslow
• Sozialisations- vs. Knappheitshypothese
• Problem: Selbstentfaltung aufgrund materialistischer Werte!
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Inglehart-Index
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Zum Inglehart-Index
• Ordinalskalen-Niveau!
• Reliabilität? →
• Validität?insbes.:Werte ↔ politische Einstellungen / Ziele (Inflationsrate!)
• Status der Mischgruppe (stärkste Besetzung!) →
• Ansatz durch empirische Ergebnisse kaum gestützt aber: i.d.R. hohe Varianzerklärung!
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Zum Inglehart-Index
Stabilitätsanalysen für den Postmaterialismus-Index 94-98 98-02 94-02
% Hauptdiagonale 37.0 38.0 35.8 % Hauptdiagonale ± 1 70.1 70.6 68.1 Δ Antwort = 2 (in %) 25.9 26.4 28.0 Δ Antwort = 3 (in %) 3.9 3.0 3.8
Rangkorrelationskoeffizient .16 .24 .18 N (Befragtenzahl) 2052 1357 1930
% Materialisten (94-98-02) 24.3 23.3 29.2 % MIX-Materialisten (94-98-02) 24.7 28.1 26.4 % MIX-Postmaterilisten (94-98-02) 35.3 31.9 27.5
1 Materialisten
2 Mischgruppe materialistsch
3 Mischgruppe postmateria- listisch
4 Postmateria-listen
% Postmaterialisten (94-98-02) 15.6 16.7 16.9 Δ Antwort „Entfernung der Antworten“ (3 = höchstmögliche Entfernung) Rest 100% - „% Hauptdiagonale ± 1“ – „Δ Antwort = 3 (in %)“ Studie: TRAFO N 1994: 5295 (gültige Antworten) aus: Schumann (2007 – in Druckvorbereitung)
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Wertedimensionen IIa: Der Ansatz von Klages
Pflicht und Akzeptanzwerte
Selbstentfaltungswerte
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Zum Ansatz von Klages:
• Kritik an Inglehart → 2 Dimensionen
• Zentrale Stellung der „Wertesynthese“
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Wertedimensionen IIb: Der Ansatz von Klages
Pflicht und Konvention
Hedonismus und Materialismus
Kreativität und Engagement
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Messung (Klages): 12 Werorientierungen
3 Wertedimensionen
Pflicht / Konvention
Hedonismus / Mat.
Kreativität / Eng.
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Zur Messung bei Klages
• 1. Schritt: Faktorenanalyse → Faktorscores für Wertedimensionen
• 2. Schritt: Bildung von Wertetypen Wertetypen:
Pflicht und Konvention
Kreativität u.
Engagement
Hedonismus u.
Materialismus
Aktive Realisten +1 +1 +1nicht besetzt +1 +1 -1nicht besetzt +1 -1 +1Ordnungsliebende Konventionalisten
+1 -1 -1
Perspektivenlos Resignierte -1 -1 -1Nonkonforme Idealisten -1 +1 -1Hedonistische Materialisten -1 -1 +1nicht besetzt -1 +1 +1
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Zum Ansatz von Schwartz
• Def.: „Werte“:
Allgemeine Richtlinien und Ziele einer Person,die die Bewertung von – Meinungen, – Handlungen, – Personen oder – Ereignissen lenken
und dabei über die Zeit und Situationen hinweg relativ stabil sind. (Schwartz 1996:2 oder Bardi/Schwartz 2003: 1208; nach Iser/Schmidt 2003: 303)
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Zum Ansatz von Schwartz
• Details: Werte …– sind beliefs (Überzeugungen), die mit Emotionen zusammenhängen
– die für eine Person wichtig sind, motivieren sie zu entsprechenden Handlungen
– sind transsituationale Ziele
– dienen als Kriterien und Standards. In unserer täglichen Wahrnehmung– lenken sie die Auswahl und– bestimmen die Bewertung
von Handlungen, politischen Maßnahmen, Personen und Ereignissen
– sind nach Wichtigkeit geordnet (geordnetes System von Wertprioritäten) (nach
Iser/Schmidt 2003: 302)
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Zum Ansatz von Schwartz: Forschungsergebnisse
• Interkulturell vergleichende Forschung (über 40 Länder):– 10 verschiedene Wertetypen– verknüpft mit zwei dahinter liegenden Dimensionen
– 1. Selbsttranszendenz vs. Eigenorientierung– 2. Offenheit gegenüber Wandel vs. Bewahrung des Bestehenden
• Interkulturelle Universalität der Wertetypen:– wird zurückgeführt auf motivationale Grundlagen von Werten– Reaktionen auf drei universelle Bedürfnisse menschlicher Existenz:
– biologische Bedürfnisse– Notwendigkeit koordinierter sozialer Interaktion– Bedürfnis nach Funktionsfähigkeit und Überleben von Gruppen
(nach Iser/Schmidt 2003: 302)
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Wertedimensionen III: Der Ansatz von Schwartz
Iser/Schmidt 2005: 304
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10 Wertetypen und ihre motivationale Grundlage
Iser/Schmidt 2005: 303
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Zuordnung der Items zu den Werten (Beispiele)
Iser/Schmidt 2005: 319
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Messung (Schwartz)
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Zur Messung bei Schwartz
• Werden Werte oder Persönlichkeitseigenschaften gemessen?
• Messoperationen:– Beschreibung einer Person (dichotom, 0 – 1)– Einschätzung der Ähnlichkeit „Ego – Person“ (stetig, 0 – 5)
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Korrelationen mit Pers.eigenschaften (Beispiele)
Wertedimensionen nach Klages (Faktorwerte)
Inglehart- Index
Big Five (NEO-FFI):Pflicht und Konvention
Hedonismus Materialism.
Kritik und Engagem.
Postmate-rialismus
Offenheit für Erfahrung .-17 .05 .37 .26Gewissenhaftigkeit .50 .05 .08 .03Verträglichkeit .22 -.22 .18 .01Extraversion -.00 .23 .29 .19Neurotizismus -.16 .06 -.12 -.12Persönlichkeitsstudie 2003
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Fazit
• Messung: Strukturtreue Übertragung eines empirischen Relativs in ein numerisches Relativ
• Beschaffenheit (Struktur!) des „empirischen Relativs“ höchst unklar!
• Techniken zur Übertragung in ein numerisches Relativ teilweise „kreativ“
– Inglehart: Ordnungsaufgabe ↔ Ordinalskalenniveau!– Klages: „Richtung Likert-Instrument“, dann: Faktorenanalyse und Typisierung– Schwartz: völlig neu ersonnene Meßmethode
• Resultat: – höchst uneinheitliche Forschungslandschaft– Für inhaltlich ähnliche Konstrukte
– ergeben sich meist (aber nicht immer!) ähnliche Forschungsergebnisse– Interpretation (insbes. der Abweichungen) ist ausgesprochen schwierig
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Vielen Dankfür Ihre
Aufmerksamkeit!