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WÄRMEDÄMMUNG – SPRICHT WAS DAGEGEN? Antworten auf die zehn häufigsten Fragen Millionen Schafe können nicht irren – oder doch?

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WÄRMEDÄMMUNG –SPRICHT WAS DAGEGEN? Antworten auf die zehn häufigsten Fragen

Millionen Schafe können nicht irren – oder doch?

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2 | Einleitung | Zieht Wärmedämmung Schimmel an?

WÄRMEDÄMMUNG –EIN HEISSES THEMA IN DEN MEDIEN

Wer in den letzten Jahren die Medien aufmerksam verfolgthat, wird mitbekommen haben, dass das Thema Wärme-dämmung hin und wieder massiven Vorwurfen ausgesetztist. Insbesondere die Außenwanddämmung mit demDämmstoff Polystyrol (landläufig Styropor genannt) stehtdabei im Fokus. Schlagzeilen wie »Stoppt den Dämm-wahn«, »Wahnsinn Wärmedämmung«, »Die große Lugevon der Wärmedämmung« oder »Kostenfalle Wärmedäm-mung« verunsichern inzwischen viele Hausbesitzer, diegegen uber Energiesparmaßnahmen an ihren Häusern bis-lang aufgeschlossen waren.

Eigentlich bietet die umfassende Wärme-dämmung eines Hauses viele Vorteile:

• Einsparung von Energie und Heizkosten

• Werterhalt oder sogar Wertverbesserung des Hauses

• Erhöhung der Behaglichkeit im Haus.

Was ist dran an den Vorwürfen? Gibt es Gründe, von derWärmedämmung Abstand zu nehmen? Es soll in dieserBroschure Licht ins Dunkel gebracht und mit den zehnhäufigsten Vorwurfen gegenuber Wärmedämmung aufge-räumt werden:

1. Zieht Wärmedämmung Schimmel an?

2. Kann eine gedämmte Wand nicht mehr atmen?

3. Werden gedämmte Häuser zu dicht?

4. Bilden sich auf gedämmten Wänden vermehrt Algen?

5. Ist Wärmespeicherung wichtiger als Wärme -dämmung?

6. Sperrt die Dämmung solare Gewinne aus?

7. Werden durch Wärmedämmung die berechnetenEinsparungen gar nicht erreicht?

8. Rechnet sich Wärmedämmung uberhaupt?

9. Erhöht eine Außenwanddämmung das Brandrisiko?

10. Ist eine Dämmung mit Polystyrol ökologisch oderam Ende Sondermüll?

1. ZIEHT WÄRME-DÄMMUNG SCHIMMELAN?

Manche Menschen behaupten, dass sich mit der Wärme-dämmung einer Außenwand das Risiko einer Schimmel-bildung im Haus erhöht. Sie fuhren dies meist daraufzuruck, dass die Dämmung den Feuchte- und Luftaus-tausch so behindere, so dass es praktisch zu einem»Stau« und damit zu Schimmelbildung komme.

Der Schimmelpilz, den man auf der Innenseite oder imEckbereich von Außenwänden manchmal findet, brauchtzum Wachsen tatsächlich eine gewisse Feuchtigkeit.

Als Nahrung reicht ihm meist schon die Tapete als organi-sches Material. Auch im Hinblick auf Licht und Temperaturist er sehr flexibel.

Bild 1 und 2: Typische Schimmelschäden

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Wodurch wird die Feuchtekonzentra tion an der Wandoberfläche bestimmt?

Um dies zu erklären, reicht ein Blick auf Bild 3, das vielekennen. Stellt man eine kalte Wasserflasche aus demKuhlschrank auf den Tisch und wartet kurz, wird sichFeuchtigkeit auf der Oberfläche niederschlagen.

Das hängt damit zusammen, dass die Fähigkeit der LuftWasserdampf aufzunehmen ganz stark von der Tempera-tur abhängt. Je wärmer sie ist, umso mehr Wasser kannsie aufnehmen und umgekehrt. Kühlt sich etwa 22 Gradwarme Raumluft an der 7 Grad kühlen Flasche ab, kannsie die ursprünglich gespeicherte Wassermenge nichtmehr halten und diese schlägt sich auf der Flasche nieder.Wenn die Feuchtigkeit sichtbar ist, sind 100 Prozent rela-tive Luftfeuchtigkeit (Tauwasser) erreicht. Übertragen aufdie Außenwände von Häusern heißt das, dass man einenBlick auf die Oberflächentemperaturen werfen muss. Diefolgende Grafik zeigt den Temperaturverlauf quer durcheine Wand. Links ist sie ungedämmt und rechts von außengedämmt.

Innere Wandtemperatur entscheidend

Ist die Wand ungedämmt, kuhlt sich die 20 Grad warmeRaumluft an der Oberfläche um mehr als 5 Grad auf 14,4Grad ab. Entsprechend steigt die relative Luftfeuchtigkeitdort an, weil die Luft weniger Wasserdampf speichernkann. Wichtig zu wissen ist: Damit die Schimmelpilzewachsen können, reicht meist schon ein Anstieg der re-

Zieht Wärmedämmung Schimmel an? | 3

Bild 3: Kalte Wasserflasche in warmem Raum

Die gleiche Außenwand mit zusätzlich 16 cm Außenwanddämmung:

• U-Wert 0,19 W/(m2·K)• Lufttemperatur in der Raummitte: 20 Grad• Außentemperatur: – 10 Grad• Oberflächentemperatur innen jetzt: 19,3 Grad• Relative Luftfeuchtigkeit an der Wandoberfläche

nur minimal höher als in der Raummitte

Temperaturverlauf (Außenwand)

Alte Außenwand 24 cm dick und ungedämmt;noch recht häufig bei vor 1978 gebauten Häusern:

• U-Wert 1,45 W/(m2·K)• Lufttemperatur in der Raummitte: 20 Grad• Außentemperatur: – 10 Grad• Oberflächentemperatur der Wand innen: 14,4 Grad• Relative Luftfeuchtigkeit an der Wandoberfläche

deutlich höher als in der Raummitte

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lativen Luftfeuchtigkeit auf 80 Prozent aus. Die Wandmuss also gar nicht fuhl- und sichtbar feucht werden, da-mit der Schimmel kommt. Das bestätigt auch die Erfah-rung: In den meisten Häusern mit Schimmelbefall sind diebe fallenen Stellen nicht fühlbar feucht.

Wird die Wand von außen gedämmt, bleibt sie insge-samt wärmer. Die Oberflächentemperatur innen steigt auf19,3 Grad an. Damit wird die 20 Grad warme Raumluft nur minimal an der Außenwand abgekühlt. Die relative Luft-feuchtigkeit steigt nur geringfügig an. Weiterer positiverEffekt: Die Behaglichkeit im Raum nimmt ebenfalls zu,wenn die Oberflächentemperaturen von Wänden, Deckenund Fußböden gleichmäßig hoch sind.

iFazit: Das Risiko einer Schimmelbildung istbei gedämmten Wänden deutlich geringer als

bei ungedämmten.

2. KANN EINE GEDÄMMTE WANDNICHT MEHR ATMEN?

Manche Menschen behaupten, dass eine gedämmteWand nicht mehr atmen kann und man quasi in einerPlastiktüte wohnt, wenn man die Wände mit Polysty-rol (landläufig Styropor) dämmt. Die angebliche Folge:Weder Luft noch Feuchtigkeit könne nach draußen unddamit verschlechtere sich das Raumklima.

Die These der atmenden Wand geht auf den im 19. Jahr-hundert lebenden Chemiker Max von Pettenkofer zurück.Ihm gelang es, durch einen entsprechend präpariertenZiegel, eine Kerze auszublasen. Daher kam er zu demSchluss, dass massive Wände luftdurchlässig sind. Wider-legt wurde er jedoch schon 1928 von dem Physiker Dr. Ing.Erwin Raisch. Raisch führte genauere Messungen durchund stellte dabei mit Hilfe einer speziellen ApparaturDruckunterschiede an einer massiven und beidseitig ver-putzten Wand her, wie sie üblicherweise an Gebäudenherrschen. Das Ergebnis der Messungen: Eine massiveverputzte Wand ist luftdicht. Pettenkofer hatte mit Hilfe-seiner Lunge einen so hohen Luftdruck erzeugt, dem Wän-de von Gebäuden nie ausgesetzt sind.

Wie sieht es mit dem Feuchtetransport aus?

Auch dieser Effekt ist ausreichend untersucht. Aufgrundihrer Eigenbewegung wandern Wasserdampfmoleküledurch die Poren einer Wand. Diesen Vorgang nennt manFeuchtediffusion. Allerdings sind diese Mengen sehr ge-ring im Vergleich zu den gesamten Feuchtemengen, die imLaufe einer Heizperiode innerhalb eines Wohngebäudesfrei werden und nach draußen transportiert werden müs-sen. Von den 1.000 bis 2.000 Litern, die während der Heiz-periode nach draußen gehen, diffundieren nur etwa zweiProzent durch die Gebäudehülle. Für das Raumklima istdiese geringe Menge daher nicht relevant. Übrigens istder Dämmstoff Polystyrol genauso durchlässig für Was-serdampf wie weiches Holz – hartes Holz ist dichter, wirdvon den Wärmedämmkritikern als Baustoff aber nie in Frage gestellt.

4 | Atmen Wände?

Bild 4: Atmet eine Wand?

Bild 5: Darstellung des »Kerzenversuchs« nach einer Veröffentlichung von Pettenkofer.

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iFazit: Eine Wand kann nicht atmen im Sinneeines Luftaustauschs – egal ob sie gedämmt

ist oder nicht. Wände lassen eine geringe MengeWasserdampf durchdiffundieren – auch wenn siegedämmt sind. Diese geringe Menge hat jedoch kei-ne Bedeutung für das Raumklima.

3. WERDEN GEDÄMMTEHÄUSER ZU DICHT?

Manche Menschen warnen davor, dass gedämmte Häu-ser zu dicht werden. Darunter leide das Raumklima undman müsse zwangsläufig eine Lüftungsanlage einbauen.

Dass der Transport von Luft und Feuchtigkeit durch mas-sive Bauteile keine Relevanz hat, wurde bereits unter 2.erläutert. Aber wie sieht es an den Stellen aus, an denenBauteile aneinander stoßen und an denen manchmal Fu-gen zu finden sind? Braucht es diese Fugen für einen ge-wissen Grundluftwechsel?

In der Tat strömt die Luft durch diese Fugen problemloshindurch und nimmt dabei viel Energie und Feuchtigkeitmit nach draußen. Durch eine drei Millimeter breite undeinen Meter lange Fuge geht eine um den Faktor hundertbis zweihundert größere Menge an Feuchtigkeit hindurchals bei der Diffusion durch einen Quadratmeter Wandflä-che. Aber das ist nicht nur mit einem Energieverlust undZugerscheinungen sondern auch mit anderen Risiken ver-bunden. Das zeigen die folgenden Fotos.

Bild 6 zeigt den Rahmen eines geöffneten Fensters. Mansieht ganz deutlich den Schimmelstreifen in der Mitte. Erist entstanden, weil die Gummidichtung, die das Fensterim geschlossenen Zustand abdichten soll, an der entspre-chenden Stelle am Fensterflügel in keinem guten Zustandmehr war. Das Fenster schließt nicht dicht, so dass imWinter warme und relativ feuchte Luft nach außen strö-men kann. Auf diesem Weg kühlt sie aufgrund des Tempe-raturunterschieds zwischen drinnen und draußen ab undkann nicht mehr soviel Wasserdampf speichern wie zuvor.Die erhöhte Luftfeuchtigkeit am Rahmen schafft damit op-timale Voraussetzungen für den Schimmel. Der »Vorteil«hier: Man sieht den Schimmel direkt, kann ihn entfernenund die Dichtung erneuern. Wenn das gleiche jedoch inanderen Fugen in der Gebäudehülle passiert, sieht manden Schimmel unter Umständen gar nicht, so dass einnicht erkannter Bauschaden entsteht, der das Raumklimanegativ beeinflussen kann. Denn durch die Fugen kanndie Luft auch von draußen nach drinnen strömen und dieSchimmelsporen mit in die Wohnung bringen.

Bild 7 zeigt die Ecke einer Dachwohnung, in der die Dach-schräge an die Giebelwand stößt. Die blauen Pfeile zei-gen jeweils die Stellen, an denen ein Luftzug spürbar ist.Bild 8 zeigt die gleiche Stelle aufgenommen mit einer

Werden gedämmte Häuser zu dicht? | 5

Bild 6: Schimmel am Fensterrahmen Bild 8: Wärmebildaufnahme dieser Wohnung

Bild 7: Zugige Dachwohnung

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Thermografiekamera, die die Ober flächen tem peraturensichtbar macht. Die blauen Stellen zeigen deutlich, wo dieniedrigsten Temperaturen herrschen, weil hier ein ständi-ger Luftstrom zu verzeichnen ist. Hier ist es unbehaglichim Winter. Bild 9 zeigt den gleichen Effekt wie beim Fotodes Fensterrahmens (Bild 6) am Beispiel des Dachüber-standes an der Giebelwand außen.

Deutlich zu erkennen ist der Schimmel, der aus der un-dichten Fuge zwischen Dach und Wand heraus wächst.Um solche Probleme zu vermeiden, muss die Gebäude-hülle möglichst luftdicht gemacht werden – und zwar un-abhängig davon, ob und wie dick ein Haus gedämmt ist.

Und was ist mit dem nötigen Luftaustausch?

Durch eine fugendichte Gebäudehülle geht in der Tat we-niger Luft hindurch als durch eine undichte Hülle. Aberseitdem in den sechziger Jahren des letzten Jahrhundertsdie Einzelöfen, die viel Verbrennungsluft über die undich-te Gebäudehülle angesaugt haben, durch Zentralheizun-gen ersetzt und in den siebziger Jahren Fenster mit Gum-midichtungen eingebaut wurden, sind viele Gebäude be-reits deutlich dichter geworden. Die übrig gebliebenenundichten Stellen reichen selbst bei älteren Häusern beiweitem nicht aus, den notwendigen Luftwechsel zu erzeu-gen. Es muss also in jedem Fall aktiv gelüftet werden –entweder durch Öffnen und Schließen von Fenstern undTüren oder mit Hilfe einer Lüftungsanlage. Wie häufigman im Winter lüften muss, kann übrigens ganz leicht mitHilfe eines Hygrometers festgestellt werden, das denFeuchtegehalt der Luft misst. Je feuchter die Luft, umsohäufiger und länger muss gelüftet werden.

iFazit: Die Gebäude müssen dicht sein, damitkein Feuchte- und Schimmelschaden entsteht

und damit die unkontrollierten Energieverluste ge-ring bleiben.

6 | Werden gedämmte Häuser zu dicht?

Bild 9: Dachüberstand außen an der Dachwohnung

Bild 10: Thermo- und Hygrometer zur Messung vom Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit.

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4. BILDEN SICH AUF GEDÄMMTEN WÄNDENVERMEHRT ALGEN?

Manche Menschen behaupten, dass Algen nur auf ge-dämmten Wänden wachsen.

Aufgrund der Luftbelastung in den sechziger und siebzi-ger Jahren des letzten Jahrhunderts und wegen der Dis-kussion um das Waldsterben in den achtziger Jahren ist inDeutschland eine konsequente Luftreinhaltungspolitikbetrieben worden. Kohlekraftwerke bekamen Filter undAutos wurden mit Katalysatoren ausgerüstet. Die Folge:Algen wachsen leichter. Daher findet man sie zunehmendauch auf Gebäuden, wenn weitere Randbedingungen wiefeuchtes Mikroklima und Pflanzenwuchs in der Nähe dazukommen. Dies gilt für gedämmte wie für ungedämmte Flä-chen. Das zeigen die folgenden Fotos.

Da Algen die Feuchtigkeit lieben, muss die Feuchtezu-fuhr von außen möglichst gering gehalten werden. Bei gedämmten Fassaden ist es so, dass die äußeren Ober -flächentemperaturen etwas niedriger liegen als bei un -gedämmten, so dass sich vor allem nachts leichter Tau -wasser bilden kann. Eine weitere Feuchtequelle ist derSchlag regen, der außen auf die Wand trifft. Weitere Feuch-tequellen können Pflanzen, nahe gelegene Bäche undFlüsse oder Teiche sein, die das Mikroklima vor allem anNordfassaden entsprechend beeinflussen.

Algenbildung | 7

Bild 11 - 14: Gedämmte und veralgte Gebäudeflächen.Die hellen Flecken auf den beiden linken Fotos stammen von Metalldübeln, die wärmer sind als die Dämmung.

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Was kann man vorbeugend gegen die Algenbildung machen?

Die Schlagregenmenge kann durch einen ausreichendgroßen Dachüberstand deutlich reduziert werden. Gleich-zeitig kann man bei einer Außenwanddämmung einenstärkeren Deckputz wählen, der etwas besser die einge-strahlte Wärme speichert und damit für eine leicht höhe-re Oberflächentemperatur sorgt. In der Folge verdunstetdie Feuchtigkeit auf der Wand schneller. Eine entspre-chende Wahl des Anstrichs kann für eine andere Feuchte-verteilung sorgen, die die Algenbildung erschwert. Hiergibt es noch dringenden Forschungsbedarf, um den opti-malen Maßnahmenmix zur dauerhaften Algenbekämp-fung herauszufinden. Wenn überhaupt, dann sollten Algi-zide als Zusatz im Deckputz oder im Anstrich erst als letz-tes Mittel zum Einsatz kommen. Diese verhindern für einegewisse Zeit das Algenwachstum. Da sie jedoch langsamausgewaschen werden, wirken sie nicht dauerhaft und ge-langen zudem in die Umwelt.

iFazit: Algen sind ein optisches Problem, dasauf Wänden und Dächern auftreten kann –

egal ob gedämmt oder ungedämmt. Es gibt kon-struktive Möglichkeiten, das Risiko der Algenbil-dung zu verringern.

8 | Algenbildung

Bild 15 - 18: Ungedämmte und veralgte Gebäudeflächen. Algen gibt es auch auf ungedämmten Fassaden.

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5. IST WÄRMESPEICHE-RUNG WICHTIGER ALSWÄRMEDÄMMUNG?

Manche Menschen behaupten, es wäre sinnvoller, dieWärme in den massiven Wänden des Hauses zu spei-chern als das Haus umfassend zu dämmen.

Eine Speichermasse wie beispielsweise eine dicke Wandkann nur verzögernd auf den Temperaturverlauf im Hauswirken, aber nicht die Energieverluste eindämmen. Dabeimuss jeder Speicher zunächst aufgeladen werden. Wieschnell er sich wieder entlädt, hängt von seiner Speicher-masse, von seiner Oberfläche und von seiner äußerenWärmedämmung ab. Auch eine Wärmflasche im Bett istnur hilfreich, wenn die Bettdecke als Dämmschicht hinzu-kommt. Ohne die Bettdecke würde sie sehr schnell dieeingespeicherte Wärme verlieren.

Übertragen auf Gebäude heißt das, dass massive Bautei-le zu einer zeitlichen Verzögerung von einigen Stundenbeim Abkühlen oder Aufheizen der Raumluft führen; sietragen jedoch nicht zur Energieeinsparung bei. Die Wir-kungen auf das Raumklima insbesondere im Sommer sinddurchaus positiv, weil die Speichermassen im Gebäude

das Aufheizen des Hauses wesentlich verzögern können.Es sei denn, es kommt den ganzen Tag über viel Sonnen-strahlung durch große Glasflächen oder Dachflächenfen-ster ins Haus. Dann haben es auch die Speichermassenschwer, diese Energiemenge wegzupuffern.

Die etwas komplizierte Wechselwirkung zwischen Däm-men und Speichern ist schon im 19. Jahrhundert vom fran-zösischen Physiker und Mathematiker Fourier genau un-tersucht und mathematisch dargestellt worden. Späterdurchgeführte Messungen bestätigen seine Theorie. Üb-rigens kann jeder den Unterschied zwischen Dämmen undSpeichern im Winter selbst erfahren: Der eigene Körper istein guter Wärmespeicher, weil er zu einem hohen Anteilaus Wasser und Fett besteht. Im Winter fühlen wir uns amwohlsten, wenn wir eine Wärmedämmung in Form vonFleece- oder Daunenjacken anlegen. Niemand käme aufdie Idee, eine Ritterrüstung zu tragen, weil sie die Spei-chermasse deutlich erhöht.

iFazit: Das Speichern von Wärme liefert im Ge-gensatz zum Wärmedämmen keinen Beitrag

zum Energiesparen. Es kann sich aber positiv auf dieRaumtemperaturen im Sommer und in der Über-gangszeit auswirken.

Wärmespeicherung und Wärmedämmung | 9

Bild 19 - 22: Fleecejacke, Daunenjacke, Lederjacke, Ritterrüstung

Was trägt man im Winter, um sich wohlzufühlen?

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6. SPERRT DIE DÄMMUNG SOLARE GEWINNE AUS?

Manche Menschen behaupten, dass eine gedämmteWand keine Sonnenstrahlung von außen aufnehmen undspeichern kann. Daher wäre das Dämmen kontraproduk-tiv. Im Übrigen würde dieser Effekt bei den Verordnun-gen und Normen, die für die Berechnung von Energiever-lusten und -gewinnen von Gebäuden zur Anwendungkommen, nicht berücksichtigt.

Es ist richtig, dass eine ungedämmte Wand auch währendder Heizperiode Energie durch die Sonnenstrahlung vonaußen aufnimmt und dass eine Wärmedämmung dieseAufnahme deutlich reduziert. Der damit verbundene Ener-giegewinn ist jedoch vergleichsweise gering, weil dasStrahlungsangebot während der Heizperiode in unserenBreiten relativ niedrig ist. Im Vergleich dazu ist die Ener-giemenge, die durch die Wärmedämmung eingespartwird, um ein Vielfaches größer. Diese Energieflüsse sindmesstechnisch relativ einfach zu erfassen, so dass dieseZusammenhänge schon lange geklärt sind. Und seit 2002wird dieser Effekt auch bei den Berechnungen im Zusam-

menhang mit der Energieeinsparverordnung und den zu-gehörigen Normen entsprechend berücksichtigt. Wenndie solaren Gewinne durch massive Bauteile im Winterwirklich nennenswert wären, wäre es in alten Gemäuernim Winter nicht so ungemütlich. Auch das wurde bereitsmesstechnisch erfasst. Das zeigen die Bilder 23 und 24.

Das sind Thermografieaufnahmen eines Altstadtturms zuunterschiedlichen Zeiten an einem kalten sonnigen Febru-artag. Die Farbverteilung zeigt die unterschiedlichen Ober -flächentemperaturen. Auf dem linken Bild bringt die Son-ne die Oberflächentemperatur der Südwand auf 15 Gradbei einer Außenlufttemperatur von 1,5 Grad. Die rechteAufnahme wurde fünf Stunden später gemacht, und zeigt,dass sich die aufgenommene Sonnenwärme fast vollstän-dig in die Umgebung entladen hat. Die Innentemperaturim Turm lag die ganze Zeit bei nur 2 Grad. Es war also lau-sig kalt, trotz Sonneneinstrahlung auf dicke wärmespei-chernde Mauern.

iFazit: Solare Gewinne über die Außenbautei-le sind wesentlich kleiner als die eingespar-

ten Energiemengen durch die Wärmedämmung. Siewerden bei der Berechnung von Energieeinsparun-gen von Gebäuden berücksichtigt.

10 | Wärmespeicherung und Wärmedämmung

Bild 23: Wärmebildaufnahme eines Altstadtturms an einem Februartag um 17 Uhr. Die Sonne schien den ganzen Tag.

Bild 24: Wärmebildaufnahme des selben Turms um 22 Uhr

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7. WERDEN DURCHWÄRMEDÄMMUNG DIEBERECHNETEN EIN-SPARUNGEN ERREICHT?

Manche Menschen behaupten, dass die Wärmedäm-mung gar nicht funktioniert und dass die berechnetenEinsparungen nie erreicht werden.

Dass eine Wärmedämmschicht bei Gebäuden wirkt undwie sie das macht, ist schon vor einigen Jahrzehnten anbauphysikalischen Instituten genau berechnet und ge-messen worden. Die Messungen stimmten dabei mit denBerechnungen sehr gut überein. Zentrale Kenngrößensind dabei die Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffs sowieder so genannte U-Wert eines Bauteils.

iDie Wärmeleitfähigkeit ist eine Stoffeigen-schaft und beschreibt das Ausmaß der Wär-

meleitung in einem Material. Der U-Wert ist eineBauteileigenschaft und beschreibt den Wärme-fluss durch ein Bauteil von einem QuadratmeterFläche bei einem Temperaturunterschied von ei-nem Grad zwischen innen und außen. Je kleinerbeide Werte sind, umso besser sind die Dämmei-genschaften des Materials beziehungsweise desBauteils.

Um den Einfluss einer Wärmedämmmaßnahme auf denGesamtenergiebedarf eines Gebäudes zu berechnen,muss ein Energieberater zunächst sämtliche Daten, wiedie Größe und Beschaffenheit sämtlicher Außenbauteileund die Details der Heizungsanlage sowie der Warmwas-serbereitung, erfassen. Diese Daten werden in einem Re-chenverfahren so verarbeitet, dass sämtliche Energiever-luste und Gewinne in der Ausgangssituation während ei-ner Heizperiode dargestellt werden. Wenn man dieAusgangssituation gut abgebildet und die berechnetenEnergiebedarfswerte mit den tatsächlichen Energiever-brauchswerten abgeglichen hat, lässt sich relativ einfachdie Auswirkung einer Dämmmaßnahme berechnen.

Kritiker behaupten gerne, dass der U-Wert und die Ver-wendung der Grundrechenarten bei der Energiebilanz ei-nes Gebäudes nicht ausreichen, um die komplizierten

Wärmeflüsse zu berechnen. Das stimmt sogar, wenn esum kurze Zeiträume wie Stunden oder Tage geht. Betrach-tet man jedoch längere Zeiträume von mindestens einemMonat, bilden die einfachen Rechenverfahren die Situati-on mit einer vertretbaren Genauigkeit ab. Natürlich lässtsich auch noch genauer rechnen, aber der damit verbun-dene Aufwand wird dann unverhältnismäßig hoch.

Woran liegt es dann, dass prognostizierteEnergieeinsparungen nicht immer erreichtwerden?

Neben den technischen Daten der Gebäudehülle und derHeizungsanlage gehen noch weitere Faktoren in die Be-rechnungen ein: Die beiden wichtigsten sind das Verhal-ten der Bewohner sowie die örtlichen klimatischen Bedin-gungen. Das Verhalten der Bewohner äußert sich in derWahl der Raumtemperatur, im Lüftungsverhalten und imWarmwasserverbrauch. Da Energieberater alle drei Fakto-ren nicht genau kennen und nur mit hohem Aufwand mes-sen könnten, geht man bei der Berechnung von Standard-werten aus. Diese müssen in der Regel angepasst werden,wenn man die Ausgangssituation wie oben beschriebenmöglichst korrekt abbilden will. Außerdem muss man be-achten, dass die mittlere Raumtemperatur in rundum ge-dämmten Gebäuden höher liegt als in ungedämmten Häu-sern. Vernachlässigt man beides, werden die Einsparun-gen rechnerisch oft überschätzt.

Bei der Berechnung der Energieeinsparung geht man imHinblick auf den Witterungsverlauf von einem langjähri-gen Mittelwert aus. Daher müssen tatsächliche Ver-brauchswerte, die man mit den berechneten Werten ver-gleichen will, zunächst auf den langjährigen Witterungs-durchschnitt umgerechnet werden. Aber auch bei derErfassung der Ausgangsdaten des Gebäudes gibt es Feh-lermöglichkeiten, wenn beispielsweise unrealistische U-

Solare Gewinne | 11

Bild 25: Sorgfältige Planung ist wichtig

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Werte für die Bauteile angenommen werden. All das zeigt,dass Energieberater, die Einsparprognosen errechnen,eine gewisse Erfahrung brauchen und sorgfältig bei derBerechnung vorgehen müssen. Zusätzlich kann es auchbei Ausführung der Dämmmaßnahmen zu Fehlern kom-men, die dazu führen, dass der Einspareffekt geringer istals prognostiziert. Daher ist die Qualitätssicherung durcherfahrene Energieberater, Planer oder Architekten in Formeiner Baubegleitung meist gut angelegtes Geld.

iFazit: Wärmedämmung funktioniert und ihr Ef-fekt lässt sich berechnen. Das ist sowohl in

der Forschung als auch in der Praxis längst bewie-sen. Sowohl die Berechnung als auch die Umsetzungmüssen aber sehr sorgfältig durchgeführt werden.

8. RECHNET SICH WÄRMEDÄMMUNGÜBERHAUPT?

Manche Menschen behaupten, Wärmedämmung rechnesich grundsätzlich nicht, weil sie zu teuer sei und dieversprochene Einsparung nicht erreicht würde.

Ob sich eine Dämmmaßnahme rechnet, hängt von vie-len Faktoren ab und erfordert immer eine Betrachtung des Einzelfalls. Pauschalaussagen wie »Wärmedämmungrechnet sich immer« oder »Wärmedämmung rechnet sichnie« machen daher wenig Sinn. Die Wirtschaftlichkeit ei-ner Wärmedämmmaßnahme hängt im Einzelfall von derArt und den Kosten der jeweiligen Maßnahme ab, vomAusgangszustand des zu dämmenden Bauteils und vonder künftigen Preisentwicklung des eingesparten Energie-trägers – meistens sind das Erdgas oder Heizöl, manch-mal aber auch Fernwärme, Strom oder Holz.

Bei den möglichen Varianten der Wärmedämmung gibt essolche, die häufig Sinn machen, da sie relativ kostengün-stig und einfach realisierbar sind. Dazu gehört die Däm-mung der oberen und unteren Geschossdecke also desSpeicherbodens und der Kellerdecke – falls der Speicherund der Keller unbeheizt sind und das auch so bleiben soll.Ebenfalls einfach und kostengünstig realisierbar ist dieDämmung sämtlicher warmer Rohrleitungen der Heizungund Warmwasserbereitung im unbeheizten Bereich. We-sentlich aufwändiger und damit teurer sind dagegen dieDämmung der Außenwände und des Daches sowie derEinbau neuer Fenster. Diese Maßnahmen sind vor allemdann wichtig, wenn sowieso eine Modernisierung des je-weiligen Bauteils oder des ganzen Hauses ansteht. Nutztman diese Gelegenheit nicht für eine Energiesparmaß-nahme, ist das eine auf Jahre hinaus verpasste Chance.

Grundsätzlich gilt bei allen Maßnahmen: Je schlechterdie Ausgangssituation umso größer ist der Einspareffekteiner Dämmung und desto eher rechnet sie sich.

Daher sind Energiesparmaßnahmen an Häusern, die vor1980 gebaut wurden (rund 50 Prozent des Gebäudebe-stands in Deutschland) und bei denen bisher nur wenigmodernisiert wurde, wirtschaftlich am interessantesten.Wie groß im Einzelnen die eingesparte Energiemenge ist,kann ein erfahrener Energieberater gut kalkulieren (sieheunter 7.). Die große Unbekannte bleibt jedoch die Preis-entwicklung der Energieträger. Da man die künftigen Prei-se nicht kennt, kann man bei einer Wirtschaftlichkeitsbe-rechnung nur Annahmen hinsichtlich der Preissteigerungtreffen. Meist greift man dabei auf die Erfahrungswerteder letzten Jahre zurück. So sind der Heizölpreis in denletzten zwanzig Jahren jährlich im Mittel um vier Prozentund der Erdgaspreis jährlich im Mittel um drei Prozent ge-stiegen. In den letzten drei Jahren haben die Preise trotzeiniger Schwankungen sogar auf relativ niedrigem Niveaustagniert. Rechnet man also mit einer künftigen Preisstei-gerungsrate von jährlich zwei Prozent, liegt man in einemangemessenen Rahmen.

iFazit: Die Frage der Wirtschaftlichkeit einerDämmmaßnahme lässt sich immer nur auf

den Einzelfall bezogen sinnvoll beantworten. Je älter das Gebäude, umso größer ist die Wahrschein-lichkeit, dass sich eine Wärmedämmung rechnet.Für die künftige Entwicklung der Brennstoffpreisekann man nur vorsichtige Annahmen treffen.

12 | Energieeinsparung durch Wärmedämmung

Bild 26

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9. ERHÖHT EINE AUSSENWAND -DÄMMUNG DAS BRANDRISIKO?

Manche Menschen behaupten, dass ein Wärmedämm-verbundsystem mit Polystyrol die Risiken für die Be -wohner im Brandfall deutlich erhöht. Diese Behauptungwurde in mehreren Fernsehbeiträgen mit spektakulärenBildern von brennenden Wohnhäusern unterstützt, beidenen auch die Außendämmung eine Rolle spielte.

Analysiert man das Thema Brandrisiko etwas genauer, er-gibt sich ein differenzierteres Bild. Rund 180.000 Brändegibt es jährlich in Deutschland – davon etwa 80 Prozent inWohngebäuden. Die meis ten Brände in Wohnhäusern ent-stehen innerhalb des Hauses aufgrund von defekten elek-trischen Geräten, durch Fehler bei der Elektroinstallationoder durch Zigaretten oder Kerzen. Als erstes fangen dasMobiliar und die Inneneinrichtung Feuer. Nach rund 10 bis15 Minuten verpuffen die Brandgase und zerstören dieFensterscheiben. Die unverbrannten Pyrolysegase strö-men nach draußen, entzünden sich unter Sauerstoff undbrennen als Fackel vor dem Fenster nach oben. Nach eini-ger Zeit werden die nächst höher gelegenen Fenster zer-stört und der Brand wandert in die nächste Etage.

Die Geschwindigkeit der Brandausbreitung im Raumhängt im Wesentlichen von der inneren Brandlast ab. Die-se wird von der Möblierung und von Teppichböden sowieden Treppenhäusern aus brennbarem Material bestimmt.

Die größte Gefahr für die Bewohner geht dabei als erstesvon den Brandgasen aus. Diese führen innerhalb wenigerMinuten zu einer Rauchvergiftung, die tödlich sein kann.Entscheidend ist daher, dass die Bewohner möglichstschnell das brennende Haus verlassen, bevor sie zu vieleRauchgase einatmen. Aus diesem Grund ist in den meis -ten Bundesländern der Einbau von Rauchmeldern inWohn gebäuden Pflicht.

Der beschriebene Brandverlauf passiert unabhängig da-von, ob die Außenwand gedämmt ist oder nicht. Das Poly-styrol im Wärmedämmverbundsystem kann je nach Situa -tion anfangen mit zu brennen – es dauert in der Regel jedoch zwanzig bis dreißig Minuten nach dem Brandaus-

bruch in der Wohnung, bis es Feuer fangen kann. Vorherschmilzt das Material. Eine brennende Wärmedämmungstellt die Feuerwehr vor andere Herausforderungen beider Brandbekämpfung.

Seltener ist der Fall, dass ein Feuer von außen an ein Ge-bäude heran getragen wird etwa durch brennende Müll-container oder andere Gegenstände bzw. Anbauten. Umdiese Situation neu zu bewerten, wurden durch die Bau-minister der Bundesländer 2014 entsprechende Brandver-suche in Auftrag gegeben. Dabei hat sich gezeigt, dassdas Polystyrol nach wenigen Minuten in der Außendämm-konstruktion anfängt, komplett zu schmelzen. Je nach derMenge des geschmolzenen Polystyrols kann allein dasGewicht dazu führen, dass die Schmelze austritt und Feuer fängt bei gleichzeitig starker Rauchentwicklung.Aus diesem Grund wurden die Brandschutzregeln fürneue Außenwanddämmungen mit Polystyrol verschärft.Jetzt sollen zusätzliche so genannte Brandriegel aus nichtbrennbarem Dämmstoff wie Mineralfaser eingebaut wer-den. Es handelt sich dabei um Streifen mit mindestens 20 cm Höhe, die horizontal und rund um das Gebäude inder Dämmebene verlegt werden. Damit entstehen imBrandfall abgegrenzte Bereiche mit geschmolzenem Po-lystyrol und der Druck auf den Deckputz durch das Ge-wicht der Schmelze wird begrenzt. In der Folge dringt dieSchmelze nicht nach außen und kann sich damit nicht ent-zünden. Für bereits vorhandene Wärmedämmverbund -systeme mit Polystyrol gibt es Empfehlungen für einenMindestabstand für brennbare Gegenständen von denFassaden. Diese Regelungen gelten nur für Gebäude, an

Außenwanddämmung und Brandrisiken | 13

Bild 27 (links): Brandfackel vor dem FensterBild 28: Brand »innerhalb« eines Gebäudes (Raum-brand)

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die die jeweilige Landesbauordnung besondere Anfor -derungen hinsichtlich der Entflammbarkeit der Wärme-dämmung der Außenwände stellt. Ein- und Zweifamilien-häuser sind in der Regel hiervon nicht betroffen. Wer auchhier sicher sein will, kann im Sockelbereich und am oberen Ende beim Übergang zum Dach jeweils einenBrandriegel einbauen. Letzterer reduziert im Brandfall dasRisiko, dass das Feuer von der Außenwand auf das Dachübergeht.

Unabhängig davon ob der Brand innen oder außen am Ge-bäude entsteht, spielen die Fenster eine besondere Rollebei der Brandausbreitung im Gebäude. Durch berstendeFensterscheiben oder offen stehende Fenster gelangt dasFeuer (und auch der Rauch) bei äußeren Bränden ins Hausoder breitet sich bei inneren Bränden von einer Etage zurnächsten aus. Dies passiert unabhängig davon, ob die Außenwand gedämmt ist oder nicht.

Wer aus Brandschutzgründen unbedingt auf Schaum-kunststoffe verzichten will, kann Mineralfaserplatten alsnicht brennbare, aber etwas teurere Alternative zu Poly-styrol bei Außendämmungen einsetzen. Im Fall einesWohnungsbrandes sind jedoch die Schaumkunststoffe inPolstermöbeln und Matratzen zunächst wesentlich rele-vanter als die Dämmstoffe auf der Außenwand. Wohn -accessoires, Teppichböden, Fenster und Dachstühle ausHolz werden von den Brandschutzvorschriften – sinnvol-lerweise – toleriert, obwohl sie im Brandfall schneller zumProblem werden können als Dämmstoffe.

iFazit: Ein Wärmedämmverbundsystem an derAußenwand erhöht im Brandfall nicht zwangs-

läufig das Risiko für die Bewohner eines Hauses.Wegen der Rauchgasentwicklung müssen die Be-wohner möglichst schnell das Haus verlassen. Einebrennende Außendämmung ist in erster Linie eineHerausforderung für die Feuerwehr. Neue Vorgabenreduzieren die Risiken beim Brand von außen.

10. IST EINE DÄMMUNGMIT POLYSTYROL ÖKOLOGISCH ODER AMENDE SONDERMÜLL?

Manche Menschen behaupten, eine Außenwanddäm-mung aus Polystyrol sei ökologisch nicht sinnvoll auf-grund der Herkunft des Materials, wegen des aufwändi-gen Herstellungsprozesses und weil es am Ende Sonder-müll sei.

Um eine ökologische Bewertung von Dämmstoffen vorzu-nehmen, werden in der Regel die folgenden Faktoren be-trachtet:

• Der Ressourcen- und Energieaufwand bei der Herstellung sowie die Inhaltsstoffe

• Die Energieeinsparung und sonstige Aspekte während der Nutzungsphase

• Die Möglichkeiten der Verwertung und Entsorgung

Dämmstoffe lassen sich im Hinblick auf ihre Zusammen-setzung grob in drei Klassen aufteilen: mineralisch, syn-thetisch oder nachwachsend. Dämmstoffe aus nachwach-sendem Material sind beim Ressourcenaufwand qualita-tiv klar im Vorteil. Betrachtet man den Energieaufwand beider Herstellung, ist das Ergebnis nicht mehr so eindeutig.So benötigen beispielsweise Dämmplatten aus nach-wachsenden Holzfasern ähnlich viel Energie bei der Pro-duktion wie Dämmplatten aus Polystyrol. Generell gilt je-doch, dass sämtliche Dämmmaterialien während ihrerNutzungsphase am Gebäude ein Vielfaches der Ener-gie einsparen, als für ihre Produktion eingesetzt wird.

Bei der Materialzusammensetzung gibt es praktisch kei-nen Dämmstoff, der nur aus einer Komponente besteht.Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen im Hin-blick auf Brandschutz, Feuchtebeständigkeit und Druck-festigkeit werden Zusatzstoffe und -materialien hinzuge-fügt. Das schließt zum Beispiel auch bei Dämmstoffen ausnachwachsenden Rohstoffen eine Wiederverwertung odereinfache Deponierung oft aus. Naturnahe Dämmstoffewerden zum Beispiel oft mit grundwasserkritischem Bor-salz behandelt, um die Brandschutzeigenschaften zu ver-bessern. Betrachtet man die Frage der Entsorgung, gilt für

14 | Ökologische Bewertung von Dämmstoffen

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die mineralischen Dämmstoffe, dass sie in der Regel aufspeziellen Bauschuttdeponien deponiert werden. Synthe-tische und nachwachsende Dämmstoffe werden meistthermisch verwertet – also verbrannt. Damit kann ein nen-nenswerter Anteil der Energie, die im Dämmstoff steckt,genutzt werden.

Im Fokus der aktuellen Diskussion stehen häufig die mitHBCD abgekürzten Flammschutzmittel in den Polystyrol-dämmstoffen. Diese Mittel sind problematisch für die Um-welt, weil sie für Gewässerorganismen giftig sind. Sie sindlanglebig und können sich in Lebewesen anreichern. Siekönnen die Embryonal- und Säuglingsentwicklung beein-trächtigen und stehen im Verdacht die Fortpflanzung zustören. Akut giftig für den Menschen sind sie jedoch nicht.In den Dämmplatten ist der Stoff so eingebunden, dassdie Bewohner von entsprechend gedämmten Häusern kei-ne negativen Einflüsse zu befürchten haben. Wenn Poly-styroldämmstoffe über die Müllverbrennung entsorgtwerden, werden diese Flammschutzmittel völlig zersetztund die Verbrennungsrückstände von den Filtern erfasst.

Seit März 2016 dürfen Produkte mit einem Gehalt vonmehr als 100mg HBCD pro kg Dämmstoff in der EU nichtmehr hergestellt oder in Verkehr gebracht werden. Rest-bestände durften noch bis Juni 2016 verkauft werden.Ausgenommen hiervon sind nur Hersteller mit einer ent-sprechenden Zulassung sowie Importe von außerhalb derEU. In diesen Fällen müssen die Dämmstoffe entspre-chend gekennzeichnet sein.

Die deutsche Dämmstoffindustrie hat inzwischen nach eigenen Aussagen ihre Produktion komplett auf unproble-matische Flammschutzmittel (Polymer-FR) umgestellt.

Für Unruhe sorgte Ende 2016 die Umsetzung einer Neu -regelung des Europäischen Abfallverzeichnisses. Der Bun-desrat hatte entsprechende Änderungen in der Abfallver-zeichnisverordnung vorgenommen. Demnach wurden Ab-fälle mit einem HBCD-Gehalt oberhalb eines bestimmtenWertes als gefährlich eingestuft. Dies führte kurzzeitigdazu, dass ältere Dämmstoffe mit HBCD schon beim Rück-bau auf der Baustelle getrennt gelagert, anschließend ge-trennt transportiert sowie gesondert verbrannt werdenmussten. Es kam zu einem Entsorgungsrückstand, weil einige Müllverbrennungsanlagen ohne entsprechende Zu-lassung diese Stoffe nicht mehr annahmen. Und dies ob-wohl der bisherige Verbrennungsprozess unproblema-tisch war. Inzwischen hat man reagiert und diese Rege-lung zunächst für ein Jahr bis Ende 2017 ausgesetzt, umZeit für eine befriedigende Lösung zu finden. Im Momentist also die Entsorgung alter HBCD-haltiger Dämmstoffewie bisher gesichert und auch unproblematisch.

Auch wenn bei einer Gesamtbewertung naturnahe Dämm-stoffe sicher am besten abschneiden, sollte man sich voreiner einfachen Schwarz-Weiß-Malerei hüten. So sind bei-spielsweise auch die Anbaubedingungen von Baumwolleoder die langen Transportwege von Schafwolle aus Neu-seeland kritisch zu bewerten. Außerdem ist es ausgehendvom Ressourcenpotential schwer möglich, den für die Er-reichung der Klimaschutzziele nötigen Bedarf an ener -getischer Gebäudesanierung in Deutschland nur durch naturnahe Dämmstoffe zu decken. Aus all diesen Gründenist der Einsatz von Wärmedämmverbundsystemen aus Polystyrol vertretbar – nicht zuletzt auch aus Kostengrün-den.

iFazit: Bei einer Gesamtbetrachtung von Poly-styrol überwiegen die ökologischen Vorteile

aufgrund der hohen Energieeinsparung und der Re-duzierung des CO2-Ausstoßes bei der Nutzung. Vie-le Dämmstoffe werden am Ende ihrer Nutzung ver-brannt. Alte Dämmstoffe mit Flammschutzmittelnsind meist so eingebaut, dass sie keinen unmittel-baren Schaden anrichten können. Um die Klima-schutzziele zu erreichen werden alle Dämmstoff -arten benötigt – auch Schaumkunststoffe.

Ökologische Bewertung von Dämmstoffen | 15

Bild 29: Wärmedämmverbundsystem mit Polystyrol

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IMPRESSUM HerausgeberVerbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. Seppel Glückert Passage 10, 55116 MainzTel. (0 61 31) 28 48 - 0Fax (0 61 31) 28 48 - [email protected]

Für den Inhalt verantwortlich: Ulrike von der Lühe, Vorstand der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V.

Text: Hans Weinreuter Fotos: Titelbild: Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Berlin | Bilder 1, 2: Dipl.-Ing. Architekt Harms Geissler, Worms | Bilder 3, 6, 10:Hans Weinreuter, Verbraucherzentrale RLP e.V. (VZ RLP), Mainz | Bilder 4, 11 - 18, 23, 24: Dipl. Ing. Werner Eicke-Hennig, Hessische Ener-giesparaktion, Darmstadt | Bild 5: Pettenkofer, M. v.: Populäre Vorträge»Über das Verhalten der Luft zum Wohnhause des Menschen«. Braun-schweig (1877) | Bilder 7, 8, 9: ebök Planung und Entwicklung GmbH, Tübingen | Bild 19: photobac©123RF.com (13210028) | Bild 20: Margheri-taGazzola©123RF.com (8231323) | Bild 21: Steve Collender©123RF.com(18991905) | Bild 22: Ruslan Olinchuk©123RF.com (4949039) | Bild 25:Dipl. Phys. Hermann Obermeyer, Mainz | Bild 26: Wolfgang Scheffler | Bild 27: Dipl.-Phys. Ingolf Kotthoff, Sachverständiger für Brandschutz und Fassaden, Stadtlengsfeld | Bild 28: VZ RLP nach einer Vorlage von Dipl.-Phys. Ingolf Kotthoff | Bild 29: Dipl. Ing. Bernhard Andre, Wittlich

Gestaltung: Wolfgang Scheffler, Mainz Druck: Print Pool GmbH, Taunusstein

Stand: 03/2017Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier

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