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Minerale und Gesteine Mineralogie - Petrologie - Geochemie von Gregor Markl, M Marks 2., neu bearb. u. erw. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2008 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8274 1804 3 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Minerale und Gesteine - ReadingSample · der Mineralogie, die sich mit der Entstehung und Veränderung von Gesteinen, der Quan- ... nats Pikropharmakolith von der Grube Anton im Heubach

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Minerale und Gesteine

Mineralogie - Petrologie - Geochemie

vonGregor Markl, M Marks

2., neu bearb. u. erw. Aufl.

Spektrum Akademischer Verlag 2008

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 8274 1804 3

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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2 Allgemeine Mineralogie

2.1 Einführung

Die Mineralogie ist eine sehr alte Wissenschaft,denn seit Menschen versuchen, aus SteinenWerkzeuge, Farben oder Metalle zu gewinnen,beschäftigen sie sich mit Mineralien. Dennochtritt die Mineralogie im Leben eines heutigenDurchschnittsbürgers kaum in Erscheinung –wer hat schon näher mit Mineralien und Ge-steinen zu tun, außer wenn er einmal im Gar-ten ein paar Steine aus dem Gemüsebeetklaubt? In der Schule hört man das Wort nichtein einziges Mal, und so könnte man zu demSchluss kommen, die Mineralogie sei heutzu-tage entbehrlich. Dies ist aber nicht der Fall,wie dieses Kapitel zeigen wird: In einer moder-nen, auf stetig verbesserten Materialeigen-schaften künstlicher oder natürlicher Werk-stoffe aufbauenden Industriegesellschaft wieauch in den modernen Geowissenschaften sinddie theoretischen Konzepte der Mineralogieund die angewendeten Analyseverfahren un-verzichtbar. Denn was ist Mineralogie anderesals die Beschreibung, die Untersuchung, dastheoretische Verständnis und die Herstellungursprünglich nur natürlicher, inzwischen aberauch künstlicher Feststoffe? Wenn wir heuteüber den Internbau von Kristallen, die färben-den Eigenschaften von Ionen in Feststoffen, dieKorrosionsbeständigkeit von Materialien oderdie geeigneten Prozesse zur Herstellung vonPorzellan genau Bescheid wissen, so wird dieszwar häufig der Physik oder der Chemie „gut-geschrieben“. Natürlich haben diese daranauch ihren Anteil, aber im Grunde waren dieseProbleme immer mineralogischer Natur, undbevor die Mineralogie aus der Schule und ausden Curricula für Studenten der Chemie und

Physik völlig verschwand, war dies auch allge-meines Wissen.Heute umfasst die inzwischen stark quantitativarbeitende, modellierende und analytisch aus-gerichtete Mineralogie nach wie vor das ge-samte Feld von der Geländearbeit über experi-mentelle Untersuchungen zur Stabilität von Mi-neralen in Erdkruste, Erdmantel und seit weni-gen Jahren – seit man experimentell so hoheDrucke und Temperaturen erzeugen kann – so-gar im Erdkern bis zur Untersuchung, Charak-terisierung und Entwicklung bekannter oderneuer Werkstoffe. Die Mineralogie bildet alsodie Brücke zwischen der Geologie auf der einenund den Materialwissenschaften auf der ande-ren Seite. Sie untergliedert sich heute entspre-chend in folgende Teilbereiche:– Allgemeine Mineralogie mit dem Schwer-

punkt auf der Chemie und Physik von Mine-ralen und auf der Kristallographie, die heut-zutage selbst häufig in die Physik „abgewan-dert“ ist und daher zwischen Geowissen-schaften, Materialwissenschaften und Physiksteht;

– Spezielle Mineralogie mit dem Schwerpunktauf der Untersuchung und Neubeschreibungeinzelner Mineralarten;

– Petrologie, Vulkanologie, Geochemie undLagerstättenkunde sind die geländebezoge-nen, aber auch stark analytischen Teilgebieteder Mineralogie, die sich mit der Entstehungund Veränderung von Gesteinen, der Quan-tifizierung geodynamischer Prozesse, derElementverteilung und -umverteilung in Ge-steinen, der Datierung von Mineralen, Ge-steinen und geologischen Prozessen sowieder Bildung von Erz- und Minerallagerstät-ten beschäftigen;

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– Die angewandte Mineralogie wendet mine-ralogische Methoden (also z.B. Analytik,Thermodynamik von Mineralen, Kristall-strukturtheorie) auf industrielle Fragestel-lungen an, wobei die Untersuchung, Opti-mierung und Herstellung von Gläsern, Le-gierungen, Supraleitern, Halbleitern, Ze-ment, Putz- und Estrichkomponenten oderkeramischen Roh- und Werkstoffen von be-sonderer Bedeutung ist.

Zur Untersuchung und Beschreibung neuer Mi-neralien, der speziellen Mineralogie, müssennoch einige ergänzende Worte gesagt werden.Damit nicht jeder, der glaubt, etwas Neues ge-funden zu haben, einfach ein neues Mineral de-finieren kann, gibt es eine Kommission der In-ternational Mineralogical Association (IMA),die über die Anerkennung von neuen Mineral-namen entscheidet. Nur wenn Zusammenset-zung, Struktur, Fundort und einige physikali-sche Eigenschaften wie die Dichte bekannt sind,darf der Entdecker oder der bearbeitende Wis-senschaftler einen Namen vorschlagen, der sichhäufig auf den Fundort, die chemische Zusam-mensetzung, verdiente Mineralogen, den Erst-finder oder eine besondere Eigenschaft bezieht(z.B. Hechtsbergit nach einem Fundort imSchwarzwald; Cualstibit für ein Cu-Al-Sb-Oxidaus der Grube Clara bei Wolfach; Graeseritnach dem Mineralogen Stefan Graeser aus Ba-sel; Wilhelmvierlingit nach einem langjährigenMineraliensammler in Ostbayern oder Magne-tit für ein magnetisches Mineral). Die meistenMineralnamen und alle heutzutage vergebenenenden auf „it“ (englische „ite“). Neben diesenwissenschaftlichen Namen existieren aber – lei-der, muss man wohl sagen – noch eine Vielzahlalter, z.T. sehr plastischer Bergmannsnamenwie z.B. Zinkblende für Sphalerit, Kupferkiesfür Chalkopyrit oder Schwerspat für Baryt so-wie Unmengen an Varietätsnamen. Allein derals Edelstein geschätzte Beryll, ein Be-Al-Sili-kat, heißt Smaragd, wenn er grün ist, Aquama-rin, wenn er hellblau gefärbt ist, Morganit istdie rote Varietät und Heliodor die gelbe!In der Universität ist die Mineralogie die Mate-rialwissenschaft unter den Geowissenschaften,

sodass heutzutage geowissenschaftliche Frage-stellungen meist durch Kombination von geo-logischen, mineralogischen und häufig auchgeophysikalischen Methoden bearbeitet wer-den. Entsprechend der oben genannten Vielfaltarbeiten Mineralogen heute außer an Universi-täten in einer Vielzahl von Industriebetriebenund Behörden, die mit der Entwicklung, Ge-winnung oder Qualitätssicherung praktisch al-ler denkbaren Feststoffe in Verbindung stehen,von geologischen Landesämtern bis hin zuSteinbruchbetrieben, von großen Glasherstel-lern bis zu Automobilzulieferern. Die Grund-lage dafür ist das Verständnis anorganischerMaterie, das im Folgenden gelegt werden soll.

2.2 Kristallgeometrie undKristallmorphologie

2.2.1 SymmetrienJedem, der zum ersten Mal mit Kristallen zutun hat, stechen ihre Perfektion, ihre Formen,ihr Flächenreichtum und ihre Symmetrie insAuge (Abb. 2.1). Die Flächen und die Symme-trien hängen direkt mit dem submikroskopi-schen Internbau von Mineralen zusammen,also mit der Anordnung von Atomen in ihremKristallgitter. Wir werden uns im Folgendenmit der Internstruktur und den daraus resultie-renden Kristallsymmetrien beschäftigen, dennerst diese ermöglichen die genaue Beschrei-bung einer Substanz und ihre sichere Identifi-zierung. Darüber hinaus sind sie auch noch fürviele interessante Eigenschaften wie die Dop-pelbrechung oder die Piezoelektrizität verant-wortlich.In diesem Zusammenhang ist der Begriff derNah- und der Fernordnung von Bedeutung. Dabestimmte Anordnungen von Atomen beson-ders stabil sind, also energetisch besondersgünstig, werden sie in Kristallen bevorzugt. Dasbringt im Endeffekt durch ständige räumlicheWiederholung dieser Atomanordnungen dieSymmetrien hervor. Dies bedeutet auch, dass

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2.1 Formen von Mineralen: O: Baryt-Kristalle von der Grube Clara bei Wol-fach, Schwarzwald, BB: ca. 40 cm;U: nadelige Büschel des Ca-Mg-Arse-nats Pikropharmakolith von derGrube Anton im Heubach bei Schil-tach im Schwarzwald, BB ca. 3 cm.

Kristalle eine Fernordnung aufweisen, dassalso die Internstruktur am einen Ende desKristalls genauso aussieht wie am anderenEnde des Kristalls. Besonders deutlich wirddiese Eigenschaft im direkten Vergleich mitMaterialien, die keine Fernordnung aufweisen,also z.B. Flüssigkeiten. In ihnen kann man niesicher sein, wie die Atome oder Moleküle einpaar Mikrometer entfernt von dem Ort, denman gerade betrachtet, angeordnet sind, dadiese sich beliebig hin- und herbewegen kön-nen. Silikatschmelzen, auf die wir in Kapitel 3eingehen werden, und Gläser besitzen eine ge-wisse Ordnung, z.B. enthalten sie bestimmteSilikatketten, doch auch diese können sich un-terschiedlich bewegen und anordnen. Hierspricht man von einer Nahordnung.

Nun aber zur Kristallsymmetrie. Einer derwichtigsten Begriffe in diesem Zusammenhangist die Symmetrieoperation, d.h. die Abbil-dung einer Kristallstruktur unter Beibehaltungaller Winkel und Abstände auf sich selbst. InKristallen gibt es (Abb. 2.2 und 2.3):– Spiegelungen;– zwei-, drei-, vier- oder sechszählige Drehun-

gen. Alle anderen „Zählungen“ kommen inKristallstrukturen nicht vor. Offenbar hängtdies damit zusammen, dass mit 5- oder 7-zähligen Flächen oder Körpern, also Fünf-oder Siebenecken zum Beispiel, eine Flächebzw. ein Raum nicht vollständig ausgefülltwerden kann und diese daher mit der Perio-dizität von Kristallstrukturen nicht vereinbarsind;

2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 121

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GleitspiegelungTranslation Spiegelung

sechszähligeDrehung

vierzähligeDrehung

dreizähligeDrehung

zweizähligeDrehung

2.2 Symmetrieoperationen.

– Translationen (Verschiebungen);– Gleitspiegelungen: Spiegelung und Transla-

tion werden miteinander verknüpft;– Punktspiegelungen (Inversion): es wird nicht

an einer Linie, sondern an einem Punkt ge-spiegelt, was zur Folge hat, dass jede Kristall-fläche eine parallele Komplementärflächebesitzt;

– Schraubungen: eine Verknüpfung von Dre-hung um und Translation entlang einerSchraubenachse;

– Drehinversionen: sie verknüpfen eine Dre-hung mit einer Punktspiegelung – es entste-hen identische, aber nicht mehr paralleleFlächen wie bei der Inversion.

Bei solchen Symmetrieoperationen gibt es Fix-punkte, also Punkte, die sich nicht bewegen.Die Menge der Fixpunkte einer Symmetrieope-ration bezeichnet man als ihr zugehörigesSymmetrieelement. Das können, entsprechendobigen Operationen, verschiedenzählige Dreh-punkte sein (also Punkte, um die gedreht wird)oder eine Spiegellinie (Abb. 2.3). Translationenund streng genommen auch Gleitspiegelungenhaben keine Symmetrieelemente, doch werden

bei letzteren die Fixpunkte der zugehörigenSpiegelung als Gleitspiegellinie definiert.Die Kombination von Symmetrieelementen ineiner Kristallstruktur kann neue Symmetrieneröffnen. Dazu nur zwei Beispiele:– Wenn eine Struktur 2- und 3-zählige Dreh-

punkte enthält, so gibt es auch 6-zähligeDrehpunkte, da 6 das kleinste gemeinsameVielfache von 2 und 3 ist.

– Schneiden sich zwei Spiegellinien unter ei-nem Winkel von § = 30°, so ist auch die Dre-hung um den Winkel 2 § = 60° um denSchnittpunkt der Spiegellinien eine Symme-trieoperation. Die Zähligkeit dieser Dreh-achse ist entsprechend 180°/ § = 6.

Man erkennt dabei aber auch sofort, dass nurbestimmte Kombinationen erlaubt sein kön-nen, damit wieder erlaubte Symmetrieele-mente entstehen. Eine Kombination von zweiSpiegelebenen, die sich unter 25° schneiden,wäre z. B. verboten, da eine unerlaubte Zählig-keit entstünde, nämlich 7,2. Ebenso kann eineStruktur nicht 4- und 6-zählige Drehpunkteenthalten, da ja 12-zählige Symmetrien in Kris-tallen verboten sind.

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2.3 Im Text erklärte Symmetrieelemente, die die roten Punkte ineinander überführen.

2.2.2 Kristallgitter

Will man die Translationssymmetrie von Kris-tallen anschaulich machen, so verwendet manam besten die Beschreibung durch das Punkt-gitter. Definiert wird es als die Endpunkte derTranslationsvektoren einer Struktur, wenn mandiese von einem einzigen, beliebigen Punkt der

Struktur ausgehen lässt. Dies ist in Abb. 2.4veranschaulicht. Man sieht, dass man ein ge-samtes Kristallsystem auf diese Weise aufbauenkann, indem man von einem Anfangspunktden verschiedenen Translationsvektoren folgt.Überträgt man das in Abb. 2.4 für den zweidi-mensionalen Fall gezeigte Verfahren auf dendreidimensionalen Fall, so kann man statt des

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usw.

2.4 Aufbau eines Translationsgitters aus Gitterpunkten.

2.5 Aufbau eines Raumgitters aus Elementarzellen.

2.6 Die Wahl der geeigneten Elementarzelle:primitiv (A) oder raumzentriert (B).

Anfangspunktes ein Anfangsvolumen definie-ren (Abb. 2.5). Dieses Anfangsvolumen wirdElementarzelle genannt. Diese ist normaler-weise die kleinste Einheit, durch deren Ver-schiebung entlang Translationsvektoren (die indiesem Fall kristallographische Achsen ge-nannt werden) ein gesamtes Raumgitter ausge-füllt werden kann, wie es in Abb. 2.5 gezeigtwird. Eine Elementarzelle ist also ein dreidi-mensionales Parallelogramm, ein so genanntesParallelepiped. Die Seitenbegrenzungen dieses

Epipeds sind gegeben durch die Gitterkonstan-ten. Diese Gitterkonstanten definieren die Aus-dehnung der Elementarzelle in jeder Richtungund die Winkel zwischen den Seiten.Will man also die Translationssymmetrie einesPunktgitters beschreiben, um z.B. röntgeno-graphisch Mineralstrukturen eindeutig bestim-men zu können, so verwendet man dazu dieElementarzelle. Sonderbarerweise hat man beider Auswahl der Elementarzelle für ein gegebe-nes Punktgitter eine gewisse Auswahl (Abb.2.6): die kleinste Elementarzelle ist bisweilennicht die praktischste und auch nicht diehöchst symmetrische, und so wählt man dannstatt einer primitiven Elementarzelle, die nurGitterpunkte an ihren Ecken hat (A in Abb.2.6), eine zentrierte Elementarzelle (B in Abb.2.6), die auch im Inneren einen Gitterpunktenthält. Man legt also konventionellerweise denUrsprung der Elementarzelle in einen Punktmöglichst hoher Symmetrie.Die kristallographischen Achsen werden lautKonvention mit den Buchstaben a, b und c ab-gekürzt, die Winkel zwischen ihnen mit § , gund + . Die c-Achse wird dabei meist vertikalausgerichtet (Abb. 2.7), während a und b eineFläche aufspannen. Die c-Achse ist daher häu-

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2.7 Kristallographisches Koordinatensystem.

2.8 Netzebenenscharen in einem Punktgitter.

fig (aber nicht immer!) parallel zur nadeligenoder stängeligen Form länglich ausgebildeterMinerale.Schließlich muss noch der Begriff der Netzebe-ne eingeführt werden, da er im Folgenden vonBedeutung sein wird. Netzebenen sind Ebenenin der Kristallstruktur, die durch die Schwer-punkte von Atomen verlaufen. Zu jeder derar-tigen Netzebene gibt es natürlich in einemKristall unendlich viele parallele Netzebenen ineinem wohl definierten Abstand, die zusam-men eine Netzebenenschar bilden (Abb. 2.8).Die makroskopisch sichtbaren Flächen einesKristalls werden von besonders stabilen Netz-ebenen gebildet, die meist dicht mit Atomenbesetzte Oberflächen darstellen. Diese stehenin einer einfachen geometrischen Beziehungzur Elementarzelle (z.B. parallel zu deren Sei-ten).Wir halten fest: Elementarzellen haben alsMaße die Gitterkonstanten (Längen und Win-kel), und sie werden entlang von kristallogra-phischen Achsen so verschoben, dass sie dasgesamte dreidimensionale Gitter, also denKristall, ausfüllen. Sie definieren somit durchdie Gitterkonstanten ein für eine Substanz ty-pisches kristallographisches Koordinatensys-tem. Makroskopische Kristalle erhält mandurch unzähliges Aneinanderreihen von Ele-mentarzellen, wobei allerdings der sichtbareKristall kein Abbild der Elementarzelle seinmuss (und auch nur selten ist), sondern ledig-lich mit erlaubten Symmetrieoperationen aus

ihr erzeugt wird. Identisch sind also nicht dieForm, aber die Hauptsymmetrieelemente vonKristall und – geschickt gewählter – Elementar-zelle. Wir kommen damit zu den Kristallsyste-men, mit deren Hilfe man Kristalle schnell auf-grund ihrer – häufig schon makroskopisch er-kennbaren – Symmetrieeigenschaften einteilenkann.

2.2.3 Kristallsysteme

Es gibt sieben Kristallsysteme, die durch ihreSymmetrien eindeutig voneinander unterschie-den werden: kubisch, tetragonal, orthorhom-bisch, hexagonal, trigonal, monoklin und tri-klin (Abb. 2.9 und 2.10). Wie oben erläutert,sind kristallographische Koordinatensystemedefiniert durch die Winkel und Kristallachsender Elementarzelle. Besonders hochsymmetri-sche Kristallsysteme (kubisch, hexagonal) wer-den typischerweise von Verbindungen relativeinfacher chemischer Zusammensetzung be-vorzugt, also zum Beispiel von Elementen undeinfachen Sulfiden und Oxiden, während che-misch komplizierte Minerale häufig in Syste-men niedriger Symmetrie kristallisieren. Ge-steinsbildende Silikate sind daher häufig mo-

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ab

c

a b

c

ab

c

a

bc

ab

c

a

b

c

a

b

c

kubisch

tetragonal

hexagonal

trigonal

orthorhombisch

monoklin

triklin

a = b = c

α = β = γ = 90°

a = b = c

α = β = γ = 90°

a = b = c

α = β = 90°, γ = 120°

a = b = c

α = β = γ = 90°

a = b = c

α = β = γ = 90°

a = b = c

α = γ = 90°, β = 90°

a = b = c

α = β = γ = 90°

-

1 zweizähligeDrehachse

3 zweizähligeDrehachsen

1 dreizähligeDrehachse

1 sechszähligeDrehachse

1 vierzähligeDrehachse

4 dreizähligeDrehachsen

2.9 Die Kristallsystemeund ihre kristallographi-schen Parameter. In rotist das jeweilige kristallo-graphische Koordinaten-system eingezeichnet.

noklin oder triklin. Wie man die genaue Struk-tur von Mineralien ermittelt, wird in Abschnitt2.5.2 beschrieben.Bevor wir mit der Besprechung der einzelnenKristallsysteme beginnen, seien noch die wich-tigsten Kristallformen, die gelegentlich im Textauftauchen, in einer Abbildung zusammenge-stellt (Abb. 2.11). Die Gestalt eines Kristallesnennt man übrigens seinen Habitus, der z.B.säulig, isometrisch, nadelig oder tafelig seinkann, während die Gesamtheit der an einemKristall entwickelten Flächen seine Tracht ge-nannt wird (Abb. 2.12).

Das höchst-symmetrische ist das kubische Sys-tem, das stets vier dreizählige Drehachsen auf-weist, die parallel zu den Raumdiagonalen ei-nes Würfels angeordnet sind. Hinzutreten kön-nen im kubischen System noch zwei- und vier-zählige Drehachsen, Spiegelebenen und einPunktsymmetriezentrum. Allerdings gibt eshier unterschiedliche Kristallklassen, die ne-ben den immer vorhandenen vier dreizähligenDrehachsen unterschiedliche Kombinationen,nur einzelne oder sogar keine der zusätzlichenSymmetrieelemente aufweisen können. DieGitterparameter von kubischen Kristallen sind

126 2 Allgemeine Mineralogie

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Feldspat

GipsKlinopyroxen

CalcitQuarz

NephelinBeryll

SchwefelOlivin

(g) triklin

(f) monoklin

(e) trigonal

(d) hexagonal

(c) orthorhombisch

(b) tetragonal

(a) kubisch

GranatPyrit

AnatasZirkon

2.10 Beispiele vonnatürlichen Kristallen fürdie verschiedenenKristallsysteme.

2.2 Kristallgeometrie und Kristallmorphologie 127

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KuboktaederTetrakis- hexaeder

Deltoid-ikositetraeder

Tris- tetraeder

Pentagon-dodekaeder

Rhomben-dodekaeder

OktaederTetraeder Würfel(Hexaeder)

ditrigonalesSkalenoeder

ditrigonaleBipyramide

trigonalesRhomboeder

hexagonaleBipyramide

hexagonalePyramide

hexagonalesPrisma

tetragonaleBipyramide

tetragonalePyramide

tetragonalesPrisma

2.11 Nomenklatur von Kristallformen.

2.12 Habitus und Tracht: die zwei linken Kristallehaben dieselbe Tracht, aber unterschiedlichen Ha-bitus, der linke und der rechte Kristall haben den-selben Habitus, aber unterschiedliche Tracht.

denkbar einfach: alle Kristallachsen sind gleichlang und alle Winkel betragen 90°. Der ein-fachste kubische Körper ist der Würfel, dane-

ben gehören aber auch Oktaeder, Tetraederund Rhombendodekaeder zu diesem Kristall-system (Abb. 2.10a). Häufige oder bekannteMinerale (was ja leider nicht immer dasselbeist), die im kubischen System kristallisieren,sind Diamant, Gold, Zinkblende, Bleiglanz,Granat, Magnetit und Pyrit.Das nächste niedriger-symmetrische System istdas tetragonale, das aber in der Natur nichtsehr verbreitet ist. Minerale wie Zirkon, Rutiloder Anatas bilden Dipyramiden oder Säulenim tetragonalen System (Abb. 2.10b). Wie-derum sind alle Gitterwinkel 90°. Zwei derKristallachsen sind gleich lang, die dritte je-doch hat eine unterschiedliche Länge. Somittritt als Hauptsymmetrieelement nur noch einevierzählige Drehachse auf, neben potenziell

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