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262 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand Empirische Sonderpädagogik, 2016, Nr. 3, S. 262-278 ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet) Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen und Haupt- und Realschulen – Eine empirische Vergleichsstudie Carolina Käter 1 , Conny Melzer 2 & Clemens Hillenbrand 1 1 Universität Oldenburg 2 Universität zu Köln Zusammenfassung Kognitive, emotionale und soziobiografische Aspekte nehmen Einfluss auf das moralische Ur- teilsvermögen. Schülerinnen und Schüler an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen besit- zen dahingehend jedoch eine risikobehaftete Ausgangssituation, da sie neben Problemen im Be- reich des Lernens Komorbiditäten im Bereich des Verhaltens aufweisen können und zudem oft- mals einer sozioökonomischen Benachteiligung unterliegen. Bisher gibt es kaum Studien, die die moralische Urteilskompetenz bei dieser Gruppe von Schülerinnen und Schülern untersu- chen. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob bei Jugendlichen aus Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen von einem relativ wenig differenziertem moralischen Urteilsvermö- gen auszugehen ist. Im Rahmen einer Einmalerhebung im prospektiven ex-post-facto-Design wird die moralische Urteilskompetenz von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen sowie von Schülerinnen und Schülern an Haupt- und Realschulen in Niedersachsen (N=315) erhoben. Die Ergebnisse zeigen, im Gegensatz zu den aus den theore- tischen Überlegungen abgeleiteten Annahmen, keine signifikanten Unterschiede in der morali- schen Urteilskompetenz zwischen den Gruppen. Diskutiert werden die Ergebnisse hinsichtlich divergierender Ansätze in der theoretischen Fundierung und der Operationalisierung der Mes- sung. Dabei stellen vor allem die Güte und die Aussagekraft des Erhebungsinstruments limitie- rende Faktoren dar. Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten Moral judgment competencies of students at general and special education schools – a comparative study Abstract Individuals’ moral judgements are influenced by emotional, cognitive and socio-biographic as- pects. On these grounds, students attending special schools for slow learners face special chal- lenges due to limited cognitive competencies and comorbidities between learning and behav- ioural difficulties. Very few studies focus on these students to specifically examine their moral judgment competencies. Hence, this study aims at investigating the moral judgment competen- cies between students in special schools and those in regular schools. In a prospective ex-post- facto-Design, 315 seventh graders out of special schools for learning disabilities (Förderschule

Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern ... · Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten

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262 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

Empirische Sonderpädagogik, 2016, Nr. 3, S. 262-278ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet)

Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und

Schülern an Förderschulen mit dem Schwerpunkt

Lernen und Haupt- und Realschulen –

Eine empirische Vergleichsstudie

Carolina Käter1, Conny Melzer2 & Clemens Hillenbrand1

1 Universität Oldenburg2 Universität zu Köln

ZusammenfassungKognitive, emotionale und soziobiografische Aspekte nehmen Einfluss auf das moralische Ur-teilsvermögen. Schülerinnen und Schüler an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen besit-zen dahingehend jedoch eine risikobehaftete Ausgangssituation, da sie neben Problemen im Be-reich des Lernens Komorbiditäten im Bereich des Verhaltens aufweisen können und zudem oft-mals einer sozioökonomischen Benachteiligung unterliegen. Bisher gibt es kaum Studien, diedie moralische Urteilskompetenz bei dieser Gruppe von Schülerinnen und Schülern untersu-chen. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob bei Jugendlichen aus Förderschulen mitdem Schwerpunkt Lernen von einem relativ wenig differenziertem moralischen Urteilsvermö-gen auszugehen ist. Im Rahmen einer Einmalerhebung im prospektiven ex-post-facto-Designwird die moralische Urteilskompetenz von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen mitdem Schwerpunkt Lernen sowie von Schülerinnen und Schülern an Haupt- und Realschulen inNiedersachsen (N=315) erhoben. Die Ergebnisse zeigen, im Gegensatz zu den aus den theore-tischen Überlegungen abgeleiteten Annahmen, keine signifikanten Unterschiede in der morali-schen Urteilskompetenz zwischen den Gruppen. Diskutiert werden die Ergebnisse hinsichtlichdivergierender Ansätze in der theoretischen Fundierung und der Operationalisierung der Mes-sung. Dabei stellen vor allem die Güte und die Aussagekraft des Erhebungsinstruments limitie-rende Faktoren dar.

Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern-schwierigkeiten

Moral judgment competencies of students at general and special education

schools – a comparative study

AbstractIndividuals’ moral judgements are influenced by emotional, cognitive and socio-biographic as-pects. On these grounds, students attending special schools for slow learners face special chal-lenges due to limited cognitive competencies and comorbidities between learning and behav-ioural difficulties. Very few studies focus on these students to specifically examine their moraljudgment competencies. Hence, this study aims at investigating the moral judgment competen-cies between students in special schools and those in regular schools. In a prospective ex-post-facto-Design, 315 seventh graders out of special schools for learning disabilities (Förderschule

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263Moralische Urteilsfähigkeit

Jeden Tag sind sowohl Schülerinnen undSchüler als auch Lehrkräfte mit Herausfor-derungen des schulischen Alltags konfron-tiert. Hierbei kommt es oftmals zu Dilem-masituationen, in denen die Entscheidungfür oder gegen eine Handlung trotz spezifi-scher Rahmenbedingungen wie Schul- oderKlassenregeln nicht einfach fällt. In diesemKontext spielen die Reflexion und die Ent-scheidung für bestimmte Erwartungen einegroße Rolle, die häufig mit Moral als „die ineiner Gesellschaft geltenden Normen undRegelsysteme“ (Tenorth & Tippelt, 2007,S. 515) in Verbindung gebracht werden(Hermann, 2001).

Moralische Dilemmata können unter-schiedlich ins Gewicht fallen. Sie werdennach Boshammer (2008) in „lösbare“ undunlösbare, sog. „stabile“ Dilemmata aufge-teilt. Für beide Formen gilt, dass „unter-schiedliche moralische Prinzipien im Wider-spruch zueinander“ stehen (Gerrig, 2015,S. 413) und sich die angesprochene Personkaum in der Lage fühlt, den an sie herange-tragenen Ansprüchen und Erwartungen ge-recht zu werden. Lösbare Dilemmata lassensich durch Kompromisse und Kooperationauflösen, indem zum Beispiel Verständnisfür eine Entscheidung eingeholt wird. Stabilsind Dilemmata hingegen dann, wenn keinAnspruch oder keine Erwartung erfüllt wer-den können (Boshammer, 2008). Dies ist derFall, wenn zum Beispiel jede Entscheidungs-richtung eine gravierende Folge hätte (s.Heinz-Dilemma: Tod vs. Gesetzesverstoß).Die Grenzen zwischen den Formen sind al-lerdings fließend und die Diskussion darumim moralphilosophischen Paradigma zu ver-orten (Bayertz, 2004).

Moralische Entscheidungen sind dabeivielschichtig: Moralisches Urteilen stellt dietheoretische Auseinandersetzung mit mora-lischen Werten dar, die einem Handeln zu-grunde liegt; moralisches Verhalten betriffthingegen das tatsächliche Handeln nachden vereinbarten gesellschaftlichen Nor-men (Tenorth & Tippelt, 2007). Eine oft re-zipierte Definition moralischer Urteilskom-petenz meint dabei den „Gewinn an Refle-xionsvermögen, an Selbst- und Rollendis-tanz sowie an flexibler Identität – und somiteinen Zuwachs an sozialer Handlungsfähig-keit“ (Lempert, 1981, S. 727).

In der Öffentlichkeit werden oftmals Fra-gen diskutiert, warum Jugendliche unmora-lisch handeln und welche die Ursachen füreine „gesellschaftliche Anomie (Regellosig-keit)“ (Weyers, 2002, S. 532; H. i. O.) seinkönnen. Befunde zeigen, dass zum BeispielRückstände im moralischen Wissen oderauch in moralischen GefühlsempfindungenGründe dafür sein können (Gasser & Keller,2009; Gasser & Malti, 2011; Schwartz,2000). Im Laufe der vergangenen Jahrzehn-te haben sich verschiedene Perspektiven aufmoralisches Urteilen entwickelt, die unter-schiedliche Erklärungsansätze vertreten.

Perspektiven auf moralischesUrteilen

Im Zuge der „Kognitiven Wende“ (Dember,1974) der Psychologie in den 1960er und1970er Jahren wurde der Blick für mensch-liches Verhalten auf interne Denk- und Be-wusstseinsprozesse gelegt (Heidbrink,2008; Lind, 2002). In moralpsychologi-schen Untersuchungen wurden moralische

Schwerpunkt Lernen) or two types of regular schools (Haupt- und Realschule) in Lower Saxony(Germany) participated. They were tested with the „Moral Judgment Test for Primary School“.Contrary to the presumed hypothesis, no significant differences between students at special orregular schools could be found in moral judgment competencies. Subsequently, divergent the-ories supporting the hypothesis and the operationalization of the study are discussed. The resultsof this study are limited by the quality as well as relevance of the test instrument.

Keywords: moral judgment, Kohlberg, cognition, emotion, borderline intellectual disabilities,learning difficulties, special schools

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264 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

Urteile durch die „aktive Konstruktion undTransformation“ (Weyers, 2013, S. 13) vonDenkmustern und kognitiven Strukturen be-gründet. Aufbauend auf den Arbeiten Pia-gets konfrontierte Kohlberg in den 1950erund 1960er Jahren Kinder mit Dilemmasi-tuationen und entwickelte sechs Stufen derMoralentwicklung auf den drei bekanntenmoralischen Entwicklungsniveaus: das prä-konventionelle, das konventionelle und daspostkonventionelle Niveau (Kohlberg,1995). Nach Kohlberg (1995) steht dieStruktur des moralischen Urteilens im en-gen Zusammenhang mit der kognitiven Ent-wicklung. Höhere Stufen des moralischenUrteilens, die eine ausgeprägte Perspekti-venübernahme implizieren, sind folglichnur zu erreichen, wenn die intellektuellenFähigkeiten dafür vorliegen (Heidbrink,2008; Zierer, 2010).

Kohlbergs Theorie und die große Zahlder Publikationen zu seinem Stufenmodelldominierten für lange Zeit die moralpsycho-logischen Forschungen (Heidbrink, 2008;Heinrichs, 2010; Weyers, 2013). Kritikenan Kohlbergs Theorie (z. B. Becker, 2010)sowie der Aufschwung der Neurowissen-schaften am Ende des 20. Jahrhunderts führ-ten jedoch dazu, dass die Moralpsychologiemoralisches Handeln und die dabei beob-achtbare Rolle der Emotionen fokussierte.In einschlägigen moralpsychologischen Stu-dien lässt sich eine „Renaissance des Ge-fühls“ (Heidbrink, 2008, S. 43) beobachten.Demnach spielen nicht nur Kognitionen inmoralischen Dilemmasituationen eine Rol-le, sondern auch Emotionen (Woolfolk,2014).

Im Bereich der Moralpsychologie zeigensich derzeit Bestrebungen, beide Perspekti-ven im Hinblick auf das moralische Urteilenund Handeln zu verbinden (Malti & Latzko,2010; Nunner-Winkler, 2009; Prehn et al.,2008). Das sog. „Zwei-Aspekte-Modell desmoralischen Urteilsverhaltens und der Mo-ralentwicklung“ (Lind, 2002) baut auf derkognitiven Entwicklungstheorie Piagets undKohlbergs auf und erweitert bzw. ergänzt sieum den emotionalen Aspekt. Lind verfolgt

damit einen integrativen Ansatz. In diesemModell werden neben der moralischen Ur-teilsfähigkeit (kognitiver Aspekt) auch dieEmotionen, Motive, Gerechtigkeitsvorstel-lungen und Werthaltungen (affektive As-pekt) (vgl. auch Gerrig, 2015) berücksichtigt.Der kognitive Aspekt ist definiert als „Struk-tur, Muster oder Organisation des morali-schen Verhaltens in Bezug auf bestimmtemoralische Motive oder Prinzipien“ (ebd.,S. 52f.; Herv. i. O.). Der kognitive Aspekt istderjenige, der bei Menschen sehr unter-schiedlich ausgeprägt und maßgeblich zurLösung moralischer Konflikte notwendig sei.Die Inhalte der moralischen Stufen nachKohlberg (1995) (vgl. Abb. 1) stehen für denaffektiven Aspekt. Die „affektive-kognitiveParallelität“ (Lind, 2002, S. 37) zeigt, dass eskeine einseitigen Abhängigkeiten der Aspek-te bzw. eine Vorrangstellung des einen vordem anderen geben kann.

In einer moralisch herausfordernden Si-tuation, zum Beispiel einem moralischenDilemma, werden sowohl Affekte in Formverschiedener Emotionen und Werthaltun-gen als auch kognitive Prozesse aktiviert.Kognitionen strukturieren dabei die ver-schiedenen Affekte, was in Abbildung 1durch den Zirkel in der Mitte verdeutlichtwird, wobei stets neue Affekte hinzutretenkönnen. Kognition ist ein selbstständigerFaktor und zeigt „den Grad von Konsistenzund Differenziertheit [an], mit welchem derjeweilige Affekt das Urteilsverhalten domi-niert“ (Lind, 2002, S. 59).

Moralische Urteilskompetenz wird je-doch nicht nur von kognitiven und emotio-nalen Aspekten beeinflusst, sondern ebensodurch die „Bereitstellung von moralisch re-levanten Bildungserfahrungen“ (Lind, 2002,S. 159). Das heißt, dass auch der schulischeKontext und der familiäre Bildungshinter-grund moralische Urteilskompetenz beein-flussen und somit auch fördern können.Moralische Kompetenz könnte demnachauch damit erklärt werden, ob und wie mo-ralische Themen in Schule oder Familieresp. mit Peers besprochen und welcheWerte dort vertreten werden. Diese soziale

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265Moralische Urteilsfähigkeit

Perspektive, die zum Beispiel Heidbrink(2008) explizit hervorhebt, wird oftmalsmissachtet. Auch Gerrig (2015) nennt dreiArten der Information, auf denen ein mora-lisches Urteil basiert: kognitive (Gedanken),affektive (Gefühle) und behaviorale Infor-mationen (Verhalten) (vgl. Stams et al.,2006). Im Rahmen der Theorieentwicklungsind die Perspektiven in Zukunft weiter zudiskutieren und zu integrieren.

Die Beachtung sozialer Einflüsse eröff-net zugleich pädagogische Handlungsmög-lichkeiten: Moralisches Urteilen ist lehr-und lernbar (Lind, 2002). In einer Interven-tionsstudie förderte Zierer (2010) Schülerin-nen und Schüler über sechs Wochen mitder Methode der Dilemmadiskussion. ZurEvaluation wurde der Moralisches-Urteil-Test für Grundschüler (MUT-Grund) einge-setzt. In der Untersuchung erzielten dieDrittklässler der Experimentalgruppe(n=27) und der Kontrollgruppe (n=23) imPrä-Test einen durchschnittlichen Compe-tence-Index (C-Index) von 26.11. Nach derFördereinheit lagen die Werte in der Post-testung bei 31.85 (Experimentalgruppe)bzw. 25.11 (Kontrollgruppe). Solche Hand-lungsmöglichkeiten könnten insbesonderebei vorhandener Risikobelastung eineChance zur individuellen Entwicklungsför-derung und sozialen Teilhabe darstellen(vgl. auch Just-Community-Konzept).

Zielgruppenspezifische Risiken inder moralischen Entwicklung

Die Zuordnung von Schülerinnen undSchülern an Förderschulen mit demSchwerpunkt Lernen zu einer besonders ri-sikobelasteten Zielgruppe in Fragen der mo-ralischen Entwicklung entspricht durchausdem aktuellen Diskussionsstand. Jedoch las-sen sich Merkmale des FörderschwerpunktsLernen grundsätzlich empirisch schwer fas-sen. Die Versuche zur Begriffsklärung um-fassen i. d. R. die Dimensionen des erhebli-chen Schulleistungsversagens (ein Leis-tungsrückstand von mehr als zwei Schuljah-ren) und der erheblichen Rückstände in derallgemeinen Intelligenz (IQ-Werte zwi-schen 55 und 85) (Linderkamp & Grünke,2007; Gold, 2011; Grünke & Grosche,2014). Es handelt sich bei der Begriffsbil-dung „Förderschwerpunkt Lernen“ folglichum „eine schulorganisatorische Setzung“(Linderkamp & Grünke, 2007, S. 18; vgl.Gold, 2011, S. 11) im deutschen Bildungs-system. International ist diese Begrifflichkeitnicht geläufig. In Ansätzen vergleichbar mitdem Begriff „Förderschwerpunkt Lernen“ istder Begriff „Intellectual Disabilities“. Perso-nen mit sog. „Intellectual Disabilities“ verfü-gen per Definition über einen Intelligenz-quotienten kleiner als 70. Es gibt also beider definitorischen Abgrenzung der Begriffe

Abbildung 1: Das Zwei-Aspekte-Modell des moralischen Urteilsverhaltens (eigene Darstellung, nachLind, 2002, S. 59 f.)

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266 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

eine Schnittmenge, jedoch auch Unter-schiede. Unter den daneben geläufigen Be-griff „Learning Disabilities“ fallen hingegenPersonen mit Teilleistungsstörungen, diag-nostiziert unter Beachtung des sog. Diskre-panzkriteriums, bei denen Minderleistun-gen, aber keine Intelligenzminderungenvorliegen (Gold, 2011).

Die hier in der Begriffsbildung vollzoge-ne Gleichsetzung von Personen einer be-stimmten Schulform mit einer bestimmtenkognitiven Leistungsfähigkeit ist sehr kri-tisch zu betrachten. Der Intelligenzquotientkann ein Kriterium für die Festsetzung einessonderpädagogischen Förderbedarfs im Be-reich Lernen sein, das jedoch nicht in je-dem Fall für die Zuweisung zu dem Schwer-punkt resp. zur Förderschule angelegt wirdbzw. wurde (Grünke & Grosche, 2014). Alsgemeinsames Merkmal der Förderschülerin-nen und -schüler im Schwerpunkt Lernen istdas Schulversagen im spezifischen Schul-system festzuhalten.

Beim moralischen Urteilen werden auf-genommene Informationen strukturiert, or-ganisiert, geordnet und bewertet (Peter-mann, Koglin, Natzke & von Marées, 2007).Schülerinnen und Schüler im Förderschwer-punkt Lernen zeigen dabei oftmals eine un-zureichende sozial-kognitive Informations-verarbeitung (Lauth, Brunstein & Grünke,2014; Lauth, Hussein & Spieß, 2006; Grün-ke & Grosche, 2014; Petermann et al.,2007). Es können gehäuft Gedächtnisstö-rungen vorliegen (Büttner & Mähler, 2004;Swanson, Cooney & McNamara, 2008).Studien zur Gedächtnisleistung von Schüle-rinnen und Schülern mit einer Beeinträchti-gung im Bereich des Lernens weisen Pro-bleme in allen Bereichen des Arbeitsge-dächtnisses nach (Alloway, Gathercole,Adams & Willis, 2005; Gathercole & Picke-ring, 2001; Mähler, 2007; Schuchardt, Geb-hardt & Mähler, 2010). Gravierend könnendiese Rückstände für moralische Urteilspro-zesse sein: Funktionelle Magnetresonanzto-mographien (fMRI) zeigen, dass währendmoralischer Urteilsprozesse bei Menschenmit einer hohen oder niedrigen moralischen

Urteilsfähigkeit unterschiedliche Hirnarealetätig sind, jedoch immer ein Abgleich dereingegangenen Informationen mit den be-reits bestehenden Informationen im Lang-zeitgedächtnis stattfindet (Prehn et al.,2008). Büttner und Mähler (2004) schlie-ßen, dass „die Qualität der Übertragungvom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis […] ausschlaggebend für individuelle Abruf-leistungen“ (S. 210) ist; dies gilt auch fürmoralische Urteilsprozesse, die als Voraus-setzung natürlich die Ermöglichung von Bil-dungserfahrungen haben (Lind, 2002). Er-schwerend kommt bei massiven Lern-schwierigkeiten hinzu, dass 75 % der Schü-lerinnen und Schüler gravierende Problemein ihren sozialen Kompetenzen zeigen (Ka-vale & Forness, 1996). Es zeigt sich oftmalseine Komorbidität zwischen Lern- und Ver-haltensstörungen (Heine, Engl, Thaler, Fus-senegger & Jacobs, 2012; Linderkamp &Grünke, 2007; Myschker, 2005; Schröder &Wittrock, 2002).

Für die Gruppe von Schülerinnen undSchülern an Förderschulen mit demSchwerpunkt Lernen, die zudem oftmals ei-nem eher niedrigen familiären Bildungshin-tergrund entstammen (Koch, 2004), spielendie angeführten Belastungen für kognitive,emotionale und soziale Komponenten einebedeutsame Rolle für eigene moralische Ur-teilsprozesse (Eisenberg & Morris, 2001;vgl. Abb. 1). Die formulierten Zusammen-hänge wurden bisher jedoch kaum empi-risch überprüft. Studien zur moralischen Ur-teilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülernan Förderschulen mit dem SchwerpunktLernen im Vergleich mit Probanden andererSchulformen bilden daher ein wichtigesForschungsthema, insbesondere als Basiszur Entwicklung von Interventionen undschulbasierten Maßnahmen der Präventionfür inklusive Settings und damit zur Unter-brechung einer möglichen sog. school-to-prison-pipeline (Petermann et al., 2007;Wilson, Lipsey & Derzon, 2003).

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267Moralische Urteilsfähigkeit

Zum Forschungsstand: Intellektuelle Beeinträchtigung,Lernbeeinträchtigung undmoralische Urteilskompetenz

Die moralische Urteilskompetenz bei Schü-lerinnen und Schülern an Förderschulen mitdem Schwerpunkt Lernen ist bisher nicht er-forscht. Hinweise zu diesem Thema könntenjedoch vorliegende Untersuchungen überSchülerinnen und Schüler mit „Learning Dis-abilities“ oder „Intellectual Disabilities“nach der ICD-10 (Deutsches Institut für Me-dizinische Dokumentation und Information,2015) liefern, auch wenn diese Probandin-nen und Probanden nicht zwingend mit denhier betrachteten Förderschülerinnen undFörderschülern gleichzusetzten sind.

Bezüglich moralischer Urteilskompe-tenz bei Schülerinnen und Schülern mit„Learning Disabilities“ ist die Befundlagewenig einheitlich, zumal es kaum Studienzur moralischen Urteilskompetenz dieserSchülergruppe gibt. Fincham (1977) stelltkeine Unterschiede in der moralischen Ur-teilskompetenz von Schülerinnen undSchülern mit „Learning Disbilities“ fest,Derr (1986) und Timor (2012) hingegen

schon (s. Tabelle 1). Diskutiert werden müs-sen die unterschiedlichen Ergebnisse imKontext der Heterogenität der Probandin-nen und Probanden und unter Berücksichti-gung der unterschiedlichen Forschungsdis-ziplinen. Eine größere Einheitlichkeit zeigtsich hingegen in den Forschungsbefundenbei einer vorliegenden „Intellectual Disabi-lity“. Studien belegen insgesamt eine gerin-gere moralische Urteilskompetenz dieserSchülerinnen und Schüler, wie auch das Li-teraturreview von Langdon, Clare undMurphy (2010) belegt. Van Vugt et al.(2011) stützen diese Annahme in einer jün-geren Studie mit männlichen Sexualstraftä-tern mit und ohne „Intellectual Disabilities“,die eindeutig auf unterschiedlichen Moral-stufen argumentieren (s. Tabelle 1).

Langdon, Clare und Murphy (2011) dis-kutieren zwei Zusammenhangshypothesenzwischen der moralischen Urteilsfähigkeitund dem Ausmaß delinquenten Verhaltensunter dem Einfluss des Intellekts. Der Autorund die beiden Autorinnen befürworten da-bei einen parabelförmigen und nicht – wiein der Literatur oftmals angenommen – ei-nen negativ-linearen Zusammenhang (vgl.Abbildung 2 und 3).

Autor(Jahr)

Fincham(1977)

Derr (1986)

Timor (2012)

Van Vugt et al.(2011)

Stichprobe 56 Jungen mit und56 ohne „LearningDisabilities“

25 Jugendlichemit und 25 ohne„Learning Disabi-lities“

5 nicht-delinquenteund 6 delinquenteJugendliche mit„Learning Disabili-ties“

32 männliche Se-xualstraftäter mitund 45 ohne „In-tellectual Disabili-ties“

Alter ca. 9 Jahre ca. 14–18 Jahre ca. 14–18 Jahre ca. 17 JahreMethode Befragung zum

Ausgang von Mo-ral Stories nachLee

Befragung mitdem MoralJudgment Inter-view nach Kohl-berg

Befragung mit demMoral Judgment In-terview nach Kohl-berg

Befragung mitdem SociomoralReflection-Inter-view nach Gibbs

Ergebnis Keine Unterschie-de in der Wahlder Ausgänge derMoral Stories

Unterschied fest-gestellt: Kohl-berg-Stufen 2–3(LD) vs. Stufen3–4) (noLD)

Unterschied festge-stellt: Kohlberg-Stu-fen 2–3 (delinquent)vs. Stufen 4–5)(nicht delinquent)

Unterschied fest-gestellt: Gibbs-Stu-fe 2 (ID) vs. Stufen2–3) (noID)

Tabelle 1: Überblick über Studien zu moralischer Urteilskompetenz bei Learning und IntellectualDisabilities

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268 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

Bei dem linearen Zu-sammenhangsmodell wirdangenommen, dass ein ne-gativer Zusammenhangzwischen delinquentemVerhalten (illegal behavior)und dem moralischen Ur-teilsvermögen (moral rea-soning) unter Einflussnah-me der Intelligenz als Mo-derator existiert. Bei höhe-rer Intelligenz sinkt dieWahrscheinlichkeit für de-linquentes Verhalten undes steigt das moralischeUrteilsvermögen.

Langdon et al. (2011)nehmen statt des lineareneinen parabelförmigen Zu-sammenhang zwischenmoralischer Urteilsfähig-keit und delinquenten Ver-haltensweisen an (Abb. 3).Nach diesem Modell ist dieWahrscheinlichkeit für eindelinquentes Verhalten so-wohl bei Menschen mit alsauch ohne intellektuelleBeeinträchtigung eher ge-ring, im Grenzbereich je-doch hoch. Entsprechendder empirischen Befundla-ge ist die moralische Ur-teilskompetenz bei keinervorliegenden intellektuel-len Beeinträchtigung amhöchsten (vgl. auch Gibbs,2003; Langdon, Murphy,Clare & Palmer, 2010). DieRisikogruppe in dem para-belförmigen Zusammen-hangsmodell stellen dieProbanden an der Grenzezu einer intellektuellen Be-einträchtigung (sog. „Bor-derline Intellectual Disabi-lity“) in einem IQ-Bereichzwischen 70 und 85 dar(Alloway, 2010). Darunter

Abbildung 2: Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischenmoralischer Urteilsfähigkeit und Delinquenz (Langdon et al.,2011)

Abbildung 3: Annahme eines parabelförmigen Zusammenhangszwischen moralischer Urteilsfähigkeit und Delinquenz (Langdonet al., 2011)

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269Moralische Urteilsfähigkeit

fallen theoretisch auch die in dieser Studieim Blickfeld stehenden Förderschülerinnenund Förderschüler (Grünke & Grosche,2014). Diese Risikogruppe zeichnet sich –zumindest gemäß der theoretischen Annah-me – neben der intellektuellen Beeinträchti-gung durch eine mittelmäßig ausgeprägtemoralische Urteilskompetenz und eine hoheWahrscheinlichkeit für delinquentes Verhal-ten aus.

Ziel der Studie und Fragestellung

Das Gros der angeführten Studien führt zuzwei zentralen Annahmen dieser Untersu-chung: 1. Moralisches Urteilen steht – ne-ben soziobiografischen Aspekten – in ei-nem engen Zusammenhang mit emotiona-len und kognitiven Verarbeitungsprozessen.Das Zwei-Aspekte-Modell (Lind, 2002)dient dabei als eine integrative Perspektive.2. Die Befunde zeigen, dass die dafür benö-tigten Fähigkeiten (eine kontrollierte undstrukturierte Informationsverarbeitung so-wie eine Emotionsregulation) bei Schülerin-nen und Schülern im FörderschwerpunktLernen oftmals unzureichend ausgeprägt zusein scheinen.

Das Ziel dieser Studie ist es, vor demHintergrund der bereits erwähnten Arbeitenvon Derr (1986), Langdon, Clare und Murp-hy (2010), Langdon et al. (2011), Timor(2012) und van Vugt et al. (2011) zu über-prüfen, ob Jugendliche an Förderschulenmit dem Schwerpunkt Lernen tatsächlichein relativ wenig differenziertes moralischesUrteilsvermögen aufweisen. Zwar liegenwie gesagt auch vereinzelte Untersuchun-

gen vor, die gegen unsere Annahme spre-chen (z. B. Fincham, 1977), dennochspricht das Gros der Studien dafür, davonauszugehen, dass Schülerinnen und Schü-ler, die aufgrund ihrer anhaltenden Leis-tungsprobleme eine spezielle Förderschulebesuchen, bei ihren moralischen Urteilenweniger tiefgründig und abgestuft vorgehenals solche aus Haupt- und Realschulen.

Methode

Stichprobe

Es wurden fünf Förderschulen, drei Haupt-schulen und drei Realschulen im Umkreisvon 60 km einer Großstadt in Niedersach-sen erst telefonisch und anschließend posta-lisch zur Teilnahme an der Studie aufgeru-fen. Es handelt sich um eine anfallendeStichprobe und es wurden sowohl Schulenim Stadtbereich als auch im Umland rekru-tiert. Alle angeschriebenen Schulen nah-men freiwillig an der Erhebung teil. ZurTeilnahme an der Studie wurde eine Stich-probengröße von N=315 gewonnen. DieTeilnahme erfolgte ausschließlich auf frei-williger Basis.

Erhebungsinstrument

Im Rahmen der Studie wurde der Morali-sches-Urteil-Test für Grundschüler (MUT-Grund) als Erhebungsinstrument eingesetzt.Die Entwicklung des MUT-Grund durch Zie-rer (2010) erfolgte maßgeblich auf Grundla-ge der Standardversion des Moralische Kom-

Förderschule Realschule Hauptschule

n = 125 (39.7%) n = 118 (37.5%) n = 72 (22.9%)

männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich

70 (56%) 54 (43.2%) 63 (53.4%) 55 (46.4%) 43 (59.7%) 28 (38.9%)

Alter ≈ 13.5 Alter ≈ 13

Alter ≈ 13.2 (SD = 0.6)

Tabelle 2: Zusammensetzung der Stichprobe

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270 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

petenz Test (MKT) (vorher: Moralisches-Ur-teil-Test MUT) und wurde im Rahmen einernur sehr kleinen Interventionsstudie evalu-iert (nExperimentalgruppe=27, nKontrollgruppe=23).

Die Tabelle 3 zeigt derzeit verfügbareDiagnostikinstrumente im Bereich der Mo-ralentwicklung und legitimiert den Einsatzdes MUT-Grund in dieser Studie.

Der MUT-Grund ist demnach das einzi-ge Testverfahren, das für Kinder in deutscherSprache vorliegt, einen ökonomischen Um-fang (1 Dilemma mit 12 Fragen) aufweistund auch für Schülerinnen und Schüler mitSchwierigkeiten im Lernen verständlich ist,sodass er in einer quantitativen Studie einge-setzt werden kann. Das Design des MUT-Grund wird durch drei Faktoren bestimmt:sechs moralische Orientierungen, ein –nach Boshammer (2008) eher lösbares – Di-lemma und zwei Meinungsrichtungen. ImMUT-Grund bildet die semi-reale Dilemma-situation „Jürgen und Franz“ die moralischeAusgangslage, die unter moralischen Ge-sichtspunkten bewertet werden soll.

Zu jeder Kohlberg-Stufe gibt es bei den„richtig“- und „falsch“-Aussagen je ein zu-

sammengehöriges Pro- und Kontra-Argu-ment. Die Probanden werden also auch mitArgumenten konfrontiert, die nicht ihrer ei-genen Meinung entsprechen. Das Antwort-muster des Kindes zeigt, inwiefern Pro- undKontra-Argumente differenziert betrachtetwerden. In der Auswertung wird dies durcheinen C-Index (Competence-Index) verdeut-licht. Diesen Competence-Index, der stell-vertretend für den kognitiven Aspekt steht(vgl. Abb. 1), definiert Lind (2002) als „dieFähigkeit, normative Orientierungen inte-griert und differenziert in konkreten Situa-tionen im Urteilsverhalten zur Geltung zubringen“ (S. 8). Der C-Index nimmt einenWert zwischen 0 und 100 an. Ein Wert von0 bedeutet, dass die Probandin bzw. derProband nicht zwischen verschiedenen Ar-gumenten differenziert, sondern alle eige-nen Argumente gleichermaßen akzeptiertbzw. fremde Argumente konsequent ab-lehnt. Ein Wert von 100 zeigt, dass zwi-schen Argumenten differenziert wird, unab-hängig davon, ob sie der eigenen Meinungentsprechen oder nicht. Der affektive As-pekt, die Stufenpräferenz (vgl. Abb. 1), ist

MoralischeAtmosphäreFragebogen(MAF)

Defining IssueTest (DIT)

MoralischeKompetenz Test(MKT; vorherMUT)

Moralisches-Urteil-Test fürGrundschulen(MUT-Grund)

Autor Lind, G., Link, L. (1988)

Rest, D.(1974)

Lind, G.(1977)

Zierer, K.(2010)

Instrument Fragebogen Fragebogen Fragebogen Fragebogen

Auswertungs-material

125 Items,darunter 1Dilemma mit 12geschlossenenFragen

6 Dilemmata mitje 12geschlossenenFragen

2 Dilemmata mitje 12geschlossenenFragen

1 Dilemma mit12 geschlossenenFragen

Forschungs-ansatz

quantitativ quantitativ quantitativ quantitativ

Zielgruppe Schüler der Sek.I/II

Erwachsene Erwachsene Grundschüler

Liegt indeutscherSprache vor?

ja nein ja ja

Tabelle 3: Diagnostikinstrumente zur Erhebung der moralischen Urteilskompetenz

Page 10: Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern ... · Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten

271Moralische Urteilsfähigkeit

Jürgen und Franz sind neun Jahre alt und die besten Freunde. Eines Tages sieht Jürgen, wie Franz einen jüngeren Schüler verprügelt und erst aufhört, als dieser ihm seinen Geldbeutel gibt. Als Franz Jürgen sieht, bittet er ihn als seinen besten Freund, nichts weiterzusagen. Jürgen gibt Franz sein Versprechen. Am nächsten Tag kommt die Polizei in die Schule und fragt, wer gesehen hat, wie der jüngere Schüler verprügelt und ausgeraubt wurde. Auch Jürgen wird von der Polizei befragt, weil der jüngere Schüler Jürgen gesehen und wiedererkannt hat. Jürgen sagt, was er gesehen hat.

Hältst du das Verhalten von Jürgen für richtig oder falsch? völlig falsch eher falsch unentschlossen eher richtig völlig richtig

Wie schätzt du diese Begründungen ein? Jürgen hat richtig gehandelt, weil er so selbst einer Bestrafung entgeht.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat richtig gehandelt, weil Diebstahl nicht in Ordnung ist.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat richtig gehandelt, weil die meisten Menschen vor der Polizei so handeln würden.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat richtig gehandelt, weil das Zusammenleben zwischen den Menschen nur funktionieren kann, wenn das Eigentum anderer Menschen geachtet wird.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat richtig gehandelt, weil er sich so viel Ärger erspart.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat richtig gehandelt, weil Recht und Ordnung in diesem Fall wichtiger sind als Freundschaft.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Wie schätzt du diese Begründungen ein? Jürgen hat falsch gehandelt, weil er gegen kein Gesetz verstößt, wenn er zu seinem Freund hält.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat falsch gehandelt, weil ein Zusammenleben zwischen Menschen ohne Freundschaft und Vertrauen nicht funktionieren kann.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat falsch gehandelt, weil er der beste Freund von Franz ist und so Streit mit ihm bekommen wird.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat falsch gehandelt, weil eine Freundschaft wie Versprechen ist, das nicht gebrochen werden darf. Nur dann ist sie sinnvoll.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat falsch gehandelt, weil Franz als bester Freund von Jürgen erwartet, dass er schweigt. Die meisten Menschen würden auch schweigen.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Jürgen hat falsch gehandelt, weil er so seinen Freund Franz verliert.

völlig falsch

eher falsch

unentschlossen eher richtig

völlig richtig

Abbildung 4: Der MUT-Grund (Zierer, 2010)

Page 11: Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern ... · Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten

272 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

im Rahmen des MUT-Grund nicht ermittel-bar, da im Vergleich zum MKT nur eine stattzwei Dilemmasituationen geboten wird(vgl. Lind, 2010).

Das Instrument erfüllt jedoch nicht imvollen Ausmaß die klassischen Gütekrite-rien. Die Reliabilität könne für den MUT-Grund nach Lind (2002, 2010) nicht gelten,da der MUT-Grund kein Test im klassischenSinne sei; eine Urteils(in)konsistenz sei eherein Merkmal des Probanden bzw. Ausdruckeines komplexen kognitiven Systems undweniger ein Merkmal bzw. ein anzulasten-der Messfehler des Instruments. Zierer(2010) und Lind (2006) belegen durch dieBerechnung der Korrelation zwischen ko-gnitivem und affektivem Aspekt sowiedurch die Korrelation der Präferenz zwi-schen benachbarten Stufenargumenten(Quasi-Simplex Struktur) die Validität desMUT-Grund. Die Quasi-Simplex-Strukturkann jedoch auch in Fragen der Reliabilitätverortet werden, ebenso wie der vorgenom-mene Vergleich der Testbögen zu zweiMesszeitpunkten (Zierer, 2010). Eigene Be-rechnungen ergeben ein Cronbach‘s a fürdie „richtig“-Items von a=.73, für die„falsch“-Items von a=.79 und für alle Itemszusammen von a=.54. Ein spezifischerAuswertungsalgorithmus spricht für dieAuswertungsobjektivität, jedoch gibt es kei-ne Hinweise zur Durchführung der Testung.

Durchführung

Eine Pilotererhebung des MUT-Grunds er-folgte in einer 7. Klasse einer Förderschulemit dem Schwerpunkt Lernen, um die Eig-nung des Instruments für diese Gruppe vonSchülerinnen und Schülern festzustellen.Diese Erprobung mit dem MUT-Grund er-wies sich als erfolgreich und die Durchfüh-rung in der Jahrgangsstufe 7 der Förderschu-le mit dem Förderschwerpunkt Lernen alsangemessen, zumal der schulische Leis-tungsstand der Zielgruppe ungefähr demvon Grundschülerinnen und Grundschülernin Klasse 4/5 entspricht (Grünke & Grosche,2014). Im Zeitraum von zwei Wochen wur-

de der MUT-Grund in den Klassen als be-gleitete Gruppentestung durchgeführt. Dasheißt, dass die Aussagen (und das Dilemma)von der durchführenden Testanleiterin vor-gelesen wurden und die Schülerinnen undSchüler unmittelbar danach ihr Kreuz ge-setzt haben. Fragen wurden direkt geklärt..

Umgesetzt wurde die Studie letztend-lich unter Verwendung eines prospektivenEx-post-facto-Designs. Bei der Untersu-chung handelte es sich um eine nicht-expe-rimentelle Arbeit in Form einer Einmalerhe-bung, deren gesamter Erhebungszeitraumsich über drei Wochen erstreckte.

Ergebnisse

Die Überprüfung auf Normalverteilung er-folgte durch den Shapiro-Wilks-Test undzeigte, dass keine Normalverteilung vorlag(pFörderschule=.000; pRealschule=.003; pHauptschu-

le=.028). Wir verwendeten deswegen fürden Gruppenvergleich den nicht-parametri-sche Mann-Whitney-U-Test bzw. den Krus-kall-Wallis-Test. Zur Unterstützung der Er-gebnisse wurde die Effektgröße Cohens dder Mittelwertunterschiede berechnet. DieInterpretation erfolgte nach Cohen, wonachein Wert von d>.20 einen kleinen Effekt,d>.50 einen mittleren Effekt und d>.80 ei-nen großen Effekt anzeigt (Bortz & Döring,2006, S. 606). Zur Auswertung der Datenwurde die Statistik- und Analyse-SoftwareSPSS 23 genutzt.

Deskriptiv zeigten die Schülerinnen undSchüler der Förderschulen einen höherenC-Index (31.47, SD=22.87) als diejenigender Haupt- und Realschulen (30.92;SD=20.11). Der Mittelwertunterschiedzwischen den C-Indices ist nach dem Mann-Whitney-U-Test nicht signifikant (p=.88).Es liegt nach Cohen kein erwähnenswerterEffekt vor (d=.026). Schülerinnen undSchüler der Jahrgangsstufe 7 aus Förder-schulen mit dem Schwerpunkt Lernen zeig-ten demnach kein niedrigeres moralischesUrteilsvermögen als gleichaltrige Jugendli-che aus Haupt- und Realschulen.

Page 12: Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern ... · Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten

273Moralische Urteilsfähigkeit

Die Förderschülerinnen und Förder-schüler erzielten im Durchschnitt einen C-Index von 31.47 (SD=22.88), die Realschü-lerinnen und Realschüler einen von 31.80(SD=19.99) und die Hauptschülerinnenund Hauptschüler einen von 29.48

(SD=20.38). Somit erreichte die Gruppeder Realschülerinnen und -schüler imDurchschnitt den höchsten C-Index, gefolgtvon den Förderschülerinnen und -schülernund daraufhin von den Hauptschülerinnenund -schülern. Der Kruskall-Wallis-Test er-

0

10

20

30

40

Förderschülerinnen und -schüler (n=120)

Haupt- und Realschülerinnen und schüler (n=182)

Moralische Urteilskompetenz (C-Index)

Abbildung 5: Die moralische Urteilskompetenz (C-Index) der Jugendlichen aus Förderschulen sowieder aus Haupt- bzw. Realschulen

Moralische Urteilskompetenz (C-Index)

Abbildung 6: Die moralische Urteilskompetenz (C-Index) der Jugendlichen aus Förder-, Real- undHauptschulen

Page 13: Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern ... · Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten

274 Carolina Käter, Conny Melzer & Clemens Hillenbrand

gab einen Signifikanzwert von p=.73, so-dass keine signifikanten Unterschiede imdurchschnittlichen C-Index zwischen dendrei Gruppen vorlagen. Post-Hoc-Analysenergaben: Der Mittelwertunterschied zwi-schen dem C-Index der Schülerinnen undSchüler der Förderschule und der Realschu-le (pWhitney-U=.63) wies eine Effektstärke vonCohens d=.115 auf. Zwischen Real- undHauptschule (pWhitney-U=.44) lag sie eben-falls bei d=.115 und zwischen Förder- undHauptschule (pWhitney-U=.71) bei d=0.090.Nach der genannten Konvention lagen so-mit keine nennenswerten Effekte vor, diezudem als zufällig einzustufen wären.

Diskussion

Die Studie ging der Frage noch, ob es einenUnterschied in der moralischen Urteilskom-petenz zwischen den im Schulsystem anzu-treffenden Gruppen von Schülerinnen undSchülern an Förderschulen mit demSchwerpunkt Lernen sowie Haupt- und Re-alschülerinnen und -schülern gibt. Die Un-tersuchung erfolgte auf Basis der theoreti-schen Annahme, dass emotionale, kognitiveund soziobiografische Aspekte einen Ein-fluss auf die moralische Urteilskompetenzausüben und diese bei Schülerinnen undSchülern an Förderschulen mit demSchwerpunkt Lernen oftmals unzureichendausgebildet sind. Es zeigten sich – entgegender hergeleiteten Annahme – keine Unter-schiede in der moralischen Urteilskompe-tenz zwischen den Schülerinnen und Schü-lern. Die durchgeführten Mittelwertverglei-che erreichten nicht die Signifikanzschwel-le. Schülerinnen und Schüler an Förder-schulen mit dem Schwerpunkt Lernen undan Haupt- oder Realschulen besitzen einevergleichbar hohe moralische Urteilskom-petenz.

Dies bedeutet, dass der parabelförmigenZusammenhangshypothese nach Langdonet al. (2011) bezogen auf den Zusammen-hang zwischen kognitiven Fähigkeiten undmoralischem Urteilsvermögen (hier ohne

Erhebung der Delinquenz) widersprochenwerden muss. Bei einer wiederholten Bestä-tigung diese Beobachtung müsste die Theo-rie einer Revision unterzogen werden.

Es ist nicht zwingend davon auszuge-hen, dass Schülerinnen und Schüler an För-derschulen mit dem Schwerpunkt Lernengeringere kognitive, emotionale oder sozia-le Kompetenzen zeigen als die Schülerin-nen und Schüler an Haupt- und Realschu-len. Zwar weisen Studien auf diese Zusam-menhänge hin, doch sind sie eher als ten-denziell anzusehen. Um bessere Aussagenüber die tatsächlichen Fähigkeiten derSchülerinnen und Schüler treffen zu kön-nen, wäre die Erhebung von Kontrollvaria-blen unterstützend. So wäre es sinnvoll, diekognitiven Fähigkeiten (z. B. mit dem Cultu-ral Fair Test, CFT-20R; Weiß, 2006), emo-tionale Aspekte zum Beispiel mit dem Per-sönlichkeitsfragebogen für Kinder (PFK 9–14; Seitz & Rausche, 2004) oder Informatio-nen zum soziobiografischen und -ökonomi-schen Hintergrund zu erheben. Diese feh-lenden Hintergrundinformationen stelleneinen limitierenden Faktor für die Interpre-tation der Ergebnisse dar.

Der MUT-Grund wurde im Vorfeld alsdas am besten geeignete Erhebungsinstru-ment identifiziert. Auf Grund der unzuläng-lichen Güte des Instruments ist jedoch an-zunehmen, dass ein anderes, weitaus ge-prüfteres Instrument zu zuverlässigeren Er-gebnissen kommen könnte. Die Entwick-lung standardisierter Verfahren zur Diag-nostik von moralischer Kompetenz im Ver-gleich zu Instrumenten im Bereich der Kul-turtechniken ist noch nicht weit fortgeschrit-ten. Hier besteht demnach ein Desiderat,das im Zuge der weiteren theoretischenFundierung des Konzepts der moralischenUrteilskompetenz geschlossen werden soll-te. Sofern die klassische Testtheorie mit ih-ren Gütekriterien in der Überprüfung vonInstrumenten an ihre Grenzen stößt, bietetsich der Einsatz der probabilistischen Test-theorie an, die gerade in Fragen von Verän-derungsmessungen statistische Möglichkei-ten eröffnet, um die Güte zuverlässig zu be-

Page 14: Moralische Urteilsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern ... · Schlüsselwörter: Moralentwicklung, moralisches Urteilen, Kohlberg, Kognition, Emotion, Lern- schwierigkeiten

275Moralische Urteilsfähigkeit

stimmen. Letztlich sollten diagnostischeVerfahren für heterogene Zielgruppensprachsensibel entwickelt werden (z. B. un-ter Vermeidung doppelter Verneinung) undsowohl im unteren als auch im oberen Leis-tungsspektrum gut differenzieren, um dieKompetenzen aller Probandinnen und Pro-banden zu erfassen. Gerade im Kontext ei-nes inklusiven Schulsystems und der erstar-kenden Forderung nach evidenzbasierterDiagnostik (z. B. Hillenbrand, 2015; Kuhl &Euker, 2016) ist dieser Aspekt von besonde-rer Bedeutung.

Zudem ist die Messung des affektiven(emotionalen) Aspekts durch den MUT-Grund im Vergleich zum MKT nicht mög-lich. Durch die fehlende Berechnung diesesin der Theorie als wichtig herausgestelltenAspekts kann zunächst keine Aussage be-züglich emotionaler Einflüsse getroffen wer-den. Damit erscheint durch diese Studie dieEntwicklung eines differenzierten, standar-disierten und altersspezifischen Erhebungs-instruments, das umfassend den Testgütekri-terien entspricht, dringend notwendig.

Kritisch ist an dieser Stelle noch anzu-merken, dass die Repräsentativität der Stu-die aufgrund ihrer Anlage (anfallende Stich-probe) nicht über jeden Zweifel erhaben ist.Das ausgewählte Design als Einmalerhe-bung und Querschnittsuntersuchung im Ex-Post-Facto-Design hat sich grundsätzlich alsangemessen herausgestellt, um die Frage-stellung beantworten zu können.

Fazit

Durch die Ergebnisse dieser Studie konntegezeigt werden, dass jugendliche Schülerin-nen und Schüler an Förderschulen mit demFörderschwerpunkt Lernen keine geringeremoralische Urteilskompetenz im Vergleichzu Schülerinnen und Schüler der Haupt-oder Realschule aufweisen. Diese Aussagekann jedoch nur schulformbezogen getätigtwerden und lässt keine Rückschlüsse aufweitere Merkmale zu. Unsere Studie weistauf erhebliche Lücken in der theoretischenFundierung moralischer Entwicklung hin, in

der auch der soziobiografische Aspekte be-rücksichtigt werden müsste. Des Weiterenstößt sie die Diskussion um Einflüsse aufmoralisches Urteilen weiter an. Außerdemzeigt sich die dringende Notwendigkeit ei-ner (Weiter-)Entwicklung fundierter und zu-verlässiger diagnostischer Instrumente bzgl.moralischer Urteilskompetenz, die aktuelleErkenntnisse (vgl. Heidbrink, 2008; Gasser& Keller, 2009) um die Komponenten dermoralischen Urteilskompetenz aufgreifensollten.

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Carolina Käter (M. Ed.)Carl von Ossietzky UniversitätOldenburgInstitut für Sonder- undRehabilitationspädagogik26129 [email protected]

Prof. Dr. Conny MelzerUniversität zu KölnHumanwissenschaftliche FakultätDepartment für HeilpädagogikGronewaldstraße 2 50931 Kö[email protected]

Prof. Dr. Clemens HillenbrandCarl von Ossietzky UniversitätOldenburgInstitut für Sonder- undRehabilitationspädagogik26129 [email protected]

Erstmalig eingereicht: 12.02.2016Überarbeitung eingereicht: 18.08.2016Angenommen: 25.08.2016