Multikulturalismus oder Assimilation? Der Umgang mit kultureller Diversität vor dem Hintergrund der Migrations-und Integrationspolitik in Großbritannien und Frankreich

Dr. Helge BattUniversität Koblenz-Landau, Institiut für Sozialwissenschaften, Abt. Politikwissenschaftbatt@uni-landau.de

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• „Londonistan“• Tolerierung islamistischer

Gruppen in GB• Spaltung und Mangel an

gemeinsamen Werten und nationaler Identität als Folge des Multikulturalismus

• Sonderrechte und Privilegien

→ Vermutung: terroristische Gewalt

• Assimilation in Frankreich durch Republikanismus

• Vermeidung von Spaltung• Gleichheit und

Gleichbehandlung• Gemeinschaft der Bürger• Indifferenz gegenüber

Differenz→ Vermutung: keine terroristische Gewalt

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TERRORISMUS UND MULTIKULTURALISMUS: DAS KLISCHEE

ABER: Terrorismus gibt es also sowohl in Staaten, die mit dem Multikulturalismus auf kulturelle Diversität antworten als auch in solchen die mit dem Ziel der

Assimilation auf kulturelle Diversität antworten!

Wir wollen uns nun im folgenden näher mit den beiden Strategien beschäftigen.

Hypothese:

Beide Strategien – Multikulturalismus und Assimilation –fördern beide, jede auf ihre Art, den homegrown terrorism

(„hausgemachten Terrorismus“)

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FrankreichZiel: Assimilation

GroßbritannienZiel: Multikulturalität

Kern: Indifferenz gegenüber Differenz Kern: Anerkennung kulturellerIdentitäten und Differenz

• Sonderrechte und Partikularprivilegien werden verweigert

• Anpassung von Minderheiten und Zuwanderern

• Republikanismus ist „farben- und kulturblind“

• Zugehörigkeit aller BürgerInnen zur „communauté des citoyen“

• Integrationspolitik zielt auf alle StaatsbürgerInnen

• Ethnisch-religiöse Themen unter dem „Schleier des Nichtwissens“ (Rawls): Laicité

→ homogene Gesellschaft

• Gleichheit durch Gewährung von Sonderrechten und Gruppenprivilegien für alle Minderheiten

• Unterschiedlichkeit als positives Merkmal

• Minderheiten nach innen als homogene, nach außen als unterscheidbare Entitäten

• ethnische und kulturelle „Boxes“ mit singulärer Sicht von Kultur und Glaube: Policymaking für und mit den „Boxes“

• „plural monoculturalismus“ (AmartyaSen) und Identitätspolitik

→ fragementierte „tribal society“5

INTEGRATIONSPOLITIK IN F UND GB

Wie kann es aber nun sein, dass die französische Assimilationspolitik im Prinzip zum gleichen Ergebnis führte wie der britische Multikulturalismus obwohl beide Policies doch ganz

unterschiedliche Ausgangspunkte haben?

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Rassismus, Benachteiligung und Marginalisierung von Minderheiten in der französischen Politik und GesellschaftNarrativ der Angst und Bedrohung der französischen Gesellschaft durch den „Islam“ (Michelle Houellebecq: „Unterwerfung“)„Islam“ als Symbol für die Ängste der französischen Mehrheitsgesellschaft vor dem bedrohlichen AnderenSuche nach Sündenböcken in einer gespaltenen, verunsicherten, von der Politik entfremdeten, von den Eliten enttäuschten Gesellschaft: „assimilationsunfähige“ MuslimeReaktion der politischen Eliten: Identitätspolitik auf der Grundlage der Ablehnung des Fremden (hier: des Islam) ohne Definition der Ideen und Werte der Republik aber durch Verbot der Symbole des Fremden (z.B. Burka, Streit um Burkini)Ignoranz der Eliten gegenüber Rassismus und Diskriminierung

Folgen:§ soziale Entfremdung§ Exklusion§ Demütigung§ Bindungslosigkeit als Kulturlosigkeit§ Hinwendung zum Islamismus und jihadistischen Gewalt 7

PROBLEME DER ASSIMILATIONSPOLITIK IN FRANKREICH

Zwischenfazit:§ Policy des Multikulturalismus kann zum Terrorismus führen§ Policy der Assimilation kann zum Terrorismus führen§ beide Strategien fördern gesellschaftliche Anomie statt sie zu

verhindern

Und jetzt?

Gibt es einen dritten Weg?

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Was ist gut an den beiden Policies?

Was ist schlecht an den beiden Policies?

Assimilation Akzeptanz aller Menschen als gleiche Bürger und Bürgerinnen

Unterdrückung der Unterschiedlichkeit, Künstlichkeit gemeinsamer IdentitätZerstörung von Authentizität

Multikulturalismus Akzeptanz und Wertschätzung von Unterschiedlichkeit

ethnische und kulturelle „Boxes“ der spezifischen GemeinschaftenParallelgesellschaften

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STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER POLICIES

… von der Policy des Multikulturalismus

… von der Policy der Assimilation

• die Politik der Anerkennung der Unterschiedlichkeit statt der Institutionalisierung von Unterschiedlichkeit

• die Wertschätzung der Unterschiedlichkeit

• die Annahme der Gleichwertigkeit des Fremden und des Unbekannten

• den Multikulturalismus als Mechanismus der Integration nicht als „Nebeneinanderherlebens“ (Charles Taylor)

• Behandlung aller Menschen als gleicher BürgerInnen statt Exklusion des Fremden – und der Minderheiten – als Grundlage nationaler Identität

• Bereiche gemeinsamer Identität z.B. auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache

• Vorhandensein konkreter Gemeinschaftswerte

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DER DRITTE WEG?

1. Anerkennung der Vielfalt, die mit den Anforderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens noch vereinbar ist statt Assimilationszwang

2. Integration durch Arbeit, durch Bildungschancen für alle, Teilhabe an öffentlichen und gesellschaftlichen Aufgaben und politische Partizipation: Gleichheit statt Diskriminierung!

3. Staatsbürgerschaft mit gleichen Rechten und Pflichten – aber Anerkennung der Unterschiedlichkeit

4. liberal-pluralistische Neutralität und Weltlichkeit des Staates und Gleichbehandlung aller Religionen statt republikanischer Laizismus zum Umgang mit spiritueller Vielfalt und Gleichbehandlung aller Religionen: Anerkennung statt Ausgrenzung der religiösen Vielfalt

5. Verankerung der normativen Idee des Staates in der Zukunft: das künftige Gemeinwesen aller StaatsbürgerInnen als Ziel, nicht die Vergangenheit (Charles Taylor)

6. Integration durch die Stärkung der Zivilgesellschaft; die gemeinsame Tätigkeit der Bürger und die vertu des citoyen (Montesquieu) 11

UND WIE?

7. Fundierung und Begrenzung des Multikulturalismus durch die gemeinsame Basis der Menschenrechte und Grundwerte (Heiner Bielefeldt)• Fundierung: Menschenwürde, Anspruch auf freue und gleichberechtigte Selbstbestimmung der Menschen, Gleichheit,

Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Nachhaltigkeit, Sicherheit

• Grenze: Ausschluss der Anerkennung autoritärer und diskriminierender Praktiken

8. Multikulturalismus nicht als Nebeneinander, sondern als Miteinander wechselseitig anerkannter kultureller und ethnischer Gruppen

9. Verbindung der „Politik des Universalismus“ und einer „Politik der Differenz“, die auf der Annahme der Gleichwertigkeit des Fremden und Unbekannten“ gründet (Charles Taylor): Verfassungspatriotismus PLUS Anerkennung der Unterschiedlichkeit

10.Förderung der Kenntnis einer gemeinsamen Sprache als Voraussetzung für die Integration im Bildungsbereich und Arbeitsmarkt (Hartmut Esser)

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weil die Anerkennung des Individuums in seiner Einzigartigkeit und seiner Unterschiedlichkeit durch eine kulturelle Gemeinschaft Grundlage der Selbstachtung und der Selbsterkenntnis ist (Taylor 1994)weil die globalisierte Welt eine Welt der Heterogenität, der Mobilität und der Vielfältigkeit istweil Individuen einer Welt feindlich gegenübertreten, in der sie sich als handelnde Subjekte abgetrennt oder isoliert von dieser Welt erfahren (Hartmut Rosa)weil westliche Gesellschaften Schwierigkeiten haben, ihren BürgerInnen Sinn zu vermitteln und dadurch Leere und Bindungslosigkeit Raum für Radikalisierung eröffnenweil Stigmatisierung gesellschaftlicher Gruppen als das feindliche „Andere“ zu Hass und Gewaltbereitschaft führenweil wechselseitige Toleranz und funktionierende ökonomische Institutionen die einzige Alternative zum Zusammenbruch liberaler Gesellschaften sindweil Islamophobie in die Hände von Terrororganisationen spielt

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UND WARUM?

Die Burka sollte im öffentlichen Raum verboten werden.

Der Erwerb der deutschen Sprache muss für alle Einwanderer und MigrantInnen verbindlich sein.

Alle Minderheiten sollen ihre kulturellen Besonderheiten ausleben können.

Anerkennung von Differenz ist wichtiger als Universalismus!

Der Wohlfahrtsstaat ist der wichtigste Integrationsmotor! 14

YES-NO-WALK: FRAGEN

Der Staat sollte sich gegenüber Fragen der Religion neutral verhalten!

Der IS-Terrorismus im Westen belegt die Radikalisierung des Islam.

Alle Kulturen sind gleich!

Die Zivilgesellschaft ist der zentrale Akteur der Integration in der Einwanderungsgesellschaft

Multikulturalismus ist Integrationspolitik!

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Hohaus, Eva-Maria (2015): Multikulturalismus in Theorie und Praxis - eine produktive Spannung?, Baden-Baden.Malik, Kenan (2015): The Failure of Multicilturalism. Community Versus Society in Europe, in: Foreign Affairs 2015, Bd.94, Nr.2, S.21-32.Gutman, Amy (Hrsg.) (1994): Multiculturalism. Examining the Politics ofRecognition. Princeton, N.J. (darin finden Sie den wichtigen Aufsatz von Charles Taylor „The Politics of Recognition“)Taylor, Charles (2011): Laizität und Gewissensfreiheit. Berlin.Kühnlein, Michael/Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.) (2011): Unerfüllte Moderne? Neue Perspektiven auf das Werk von Charles Taylor. Berlin.Bielefeldt, Heiner (2007): Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus. Bielefeld.Laden, Anthony Simon/Owen, David (Hrsg.) (2007): Multiculturalism and Political Theory. Cambridge.

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LITERATUR

Crowder. George (2013): Theories of Multiculturalism. An Introduction. Cambridge/Malden, MA.Adida, Claire L./Laitin, David D./Valfort Marie-Anne (2016): Why Muslim Integration Fails in Christian-Heritage Societies. Cambridge, MA.Leicht, Imke (2009): Multikulturalismus auf dem Prüfstand. Kultur, Identität und Differenz in moderenen Einwanderungsgesellschaften. Berlin.Kymlicka, Will (1999): Multikulturalismus und Demokratie. Über Minderheiten in Staaten und Nationen. Hamburg.Heins, Volker M. (2013): Der Skandal der Vielfalt. Geschichte und Konzepte des Multikulturalismus. Frankfurt/New York.Rattansi, Ali (2011): Multiculturalism. A Very Short Introduction. Oxford.

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