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Musikleben im Diskurs 63280 3/14 Juli-September 2014 Musik und Identität Ein Blick hinter die Maske | Lernstress, hohe Belastung, wenig Zeit – die Diskussion um „G 8“ | Europäische Musikethnologie – Chancen und Herausforderungen D 8,50 ıA 8,80 ı CH SFR 14,60

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Musikleben im Diskurs

632803/14

Juli-September 2014

Musik und IdentitätEin Blick hinter die Maske

| Lernstress, hohe Belastung, wenig Zeit – die Diskussion um „G 8“| Europäische Musikethnologie – Chancen und Herausforderungen

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j e t z t o n l i n e a n m e l d e n

freitag, 19.9.2014 11 .15 uhr antonín dvorák sinfonie nr. 9 e-moll op. 95 „aus der neuen welt“

n dr si n fon i eorc h ester thomas h engelbroc k dirigentrolf-li eberman n-studio des n dr

live auf allen ard kulturwellen und als video-livestream von artein kooperation mit dem deutschen musikrat

s c hu l k o n z e r t . a r d . d e

Livestream unter concert.arte.tv

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Musik und Identität

Ich – Du – Wir: Die Welt hält viele Wegbeschreibungen bereit – vor allem für das ICH.

Die Suche nach Identität(en) wird von der Lust und Last der Unterscheidbarkeit begleitet.

Das Schlüpfen in Rollen, die Maskierung und die manchmal auch versuchte Demaskie-

rung sind täglich geübte Praxis.

Welche Rolle spielt die Musik in diesem Kosmos der Selbst- und Wir-Findung? Ein kleiner

Ausschnitt findet sich in dieser Ausgabe des Musikforums, der wieder einmal verdeutlicht,

dass die Musik als die am unmittelbarsten wirkende der Künste bei dem multiplen Prozess

der Identitätsbildung eine zentrale Rolle einnimmt. Jenseits der in der aktuellen gesell-

schaftspolitischen Debatte unterbelichteten Verständigung darauf, dass die Künste um

ihrer selbst willen konstitutiver Bestandteil einer humanen Gesellschaft sind, bleibt die

Frage, welche Rolle sie für die Identitätsentwicklung spielen. Für die Musik gilt, dass sie

den Menschen von Anfang an und ein Leben lang begleitet. Das Ohr ist das erste Sinnes -

organ, welches sich im Mutterleib ausbildet und das letzte Sinnesorgan, das im Sterben

aufhört zu funktionieren. Hinzu kommt die Allverfügbarkeit der Musik im digitalen Zeit-

alter, die Fluch und Segen zugleich ist. Im Verbund mit den vielen Gesichtern der Musik,

den heilenden wie den manipulativen Kräften, erschließt sich eine beispiellose Wirkungs-

breite von Musik auf den Einzelnen wie auf Gruppen. Eine Wirkungsbreite, die nur dann

vollumfänglich zum Tragen kommen kann, wenn unsere Gesellschaft die Musik in ihrem

Selbstwert wie in ihren Funktionalitäten entsprechend wertschätzt. Diese Wertschätzung

geht einher mit der Prioritätensetzung bei der Gestaltung von Rahmenbedingungen für

musikalisches Leben. Adäquate Rahmenbedingungen sind Voraussetzung dafür, dass jeder

Mensch die bestmöglichen Chancen erhält, seine individuellen Potenziale zu entfalten.

Das Suchen, Finden und Freilegen der eigenen Potenziale ist ein Schlüssel auf dem lebens-

langen Weg zu sich selbst und zu dem bzw. den anderen und trägt dazu bei, differenzie-

ren zu lernen.

Differenzieren zu lernen in der Wahrnehmung des je Eigenen und des je Anderen – von

Anfang an und ein Leben lang – ist in einer Welt mit immer komplexeren Wirkungsme-

chanismen und in Folge einer zunehmenden fragmentierten Wahrnehmung gesellschaft -

lichen Lebens überlebensnotwendig. Die Musik kann dabei helfen – bei der Suche nach

dem Ich – Du – Wir – vorausgesetzt, wir geben ihr eine Chance.

Christian HöppnerChefredakteur

Christian Höppner

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Was tragen Musikhochschulen zur persönlichen Entwicklung ihrer Studenten bei? (Seite 14)

Volksmusik zwischen Tradition und Moderne (Seite 21)

im fokus:Musik und IdentitätEin Blick hinter die Maske

inhalt

im fokus| Was ist kulturelle Identität?

Wolfgang Auhagen: Die Rolle der Musik bei der Identitätsbildung 8

| Inwiefern trägt Musik zur Identitätsbildung bei?Rolf Oerter: Einfluss und Prägung von Musik 11

| Welchen Beitrag können Musikhochschulen bei der persönlichen Entwicklung der Studierenden leisten? Bernd Clausen: Eine kritische Betrachtung 14

| Auf der Suche nach dem UrsprungJoachim Klose: Heimat und ihre Bedeutung für kulturelle Identität 18

| Gesänge in der WirtshausstubeArmin Griebel: Volksmusik als Mittel kultureller Identität 21

| Musik verbindet Kulturen Christian Höppner im Gespräch mit Cymin Samawatie 24

| Musik und Gender Corinna Herr: Zur Entwicklung musikalischer Rollenbilder 27

| Prägend …Dieter Kreidler: Welche Wirkung hat Musik bei Laienmusikern? 30

| KlangkörperHeiner Stolle: Das Innenleben eines Orchesters 32

| Transkultureller MusikunterrichtBirgit Jank: Verständnis und Methoden 34

| Ein Leben für die Musik Christian Höppner im Gespräch mit Peter Gülke 38

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2014

Musik verbindet Kulturen. Ein Gespräch mit Cymin Samawatie (Seite 24)

So klingt die Natur: Tonmeister und Klangkünstler Walter Tilgner (Seite 50)

begegnung| Musik, Gespräche und ein Klappstuhl

Begegnung mit dem Filmemacher Bruno Monsaingeon (Stephan Mayer) 44

akzente| Dialekt battelt sich mit Deutsch-Rap

Heimatmusik als regionale Weltmusik (Michael Fischer) 48

neue töne| Von der Bioakustik zur Biofonie

Wege zur künftigen Soundscape Ecology –„80 Natural Sounds“ zum 80sten Geburtstag des Hörbild-Komponisten Walter Tilgner (Hans-Ulrich Werner) 50

europa| Fundgrube der Musikethnologie

50 Jahre musikethnologische Forschung am Institut für Europäische Musikethnologie (Klaus Näumann, Günther Noll, Astrid Reimers) 54

bildung | forschung| Niedersachsen hat sich entschieden: für ein

modernes, zeitgemäßes Abitur nach 13 JahrenLernstress, hohe Belastung, wenig Zeit – die Diskussion um „G 8“ (Frauke Heiligenstadt) 56

kolumne| All along the watchtower

Der Song von Bob Dylan aufgenommen von Jimi Hendrix (Udo Dahmen) 60

| editorial 1| nachrichten 4| rezensionen 62| finale/impressum 64

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Der Rundfunkrat des Süd-westrundfunks (SWR) hat beiseiner letzten Sitzung am 18. Juli2014 in Mainz mit großerMehrheit beschlossen, die soge-nannte Öffnungsklausel des Fu-sionsbeschlusses der beiden ba-den-württembergischen Orches-ter des SWR zu streichen. DerRundfunkrat hatte diesen Vorbe-halt in seinem Beschluss vom28. September 2012 eingefügt,damit das Gremium „bei einerwesentlichen Änderung der Ge-schäftsgrundlage unter gravie-rend veränderten Rahmenbedin-gungen, die Angelegenheit er-neut aufgreifen“ könne. Knappzwei Jahre nach dieser Entschei-dung zeige sich nun, dass dieserVorbehalt aufgrund der sich eherverschlechternden Rahmenbe-dingungen nicht mehr aufrecht-erhalten werden könne. Der Ent-scheidungsprozess für das SWR-Symphonieorchester sei somitendgültig abgeschlossen.Christian Höppner, Generalse-kretär des Deutschen Musikrats,Sprecher für die Sektion Musikim Deutschen Kulturrat und Vor-sitzender des FachausschussesBildung, hat die Pläne des SWR

Der Deutsche Kulturrat,Spitzenverband der Bundeskul-turverbände, fordert den Ab-bruch der Verhandlungen zumFreihandelsabkommen (TTIP)und stellt acht Grundsätze auf,die bei einem möglichen Neu-start der Verhandlungen zu be-rücksichtigen sind:1. Unterschiedliche Kulturbegriffe: DieUSA und die EU sowie ihre Mit-gliedstaaten pflegen unterschied-liche Vorstellungen von Kultur,kultureller und medialer Vielfaltsowie deren Erhalt und Förde-rung. Eine Handelspartnerschaft,die auf gemeinsamen Wertenund gegenseitigem Respekt ge-gründet ist, muss diese Unter-schiede akzeptieren, zulassenund darf ihre Ausgestaltung nichtdurch Handelsregeln einschrän-ken oder verändern.2. Gemischtes Abkommen: Aus Sichtdes Deutschen Kulturrats bedür-fen Handelsabkommen in dieserGrößenordnung und Tragweitegrundsätzlich der zusätzlichenRatifikation sowohl durch dasEuropäische Parlament als auchdie nationalen Parlamente derMitgliedstaaten. Das impliziert,dass die nationalen Parlamentebereits in den Entstehungspro-zess einbezogen werden müssen.3. Investitionsschutz: TTIP kommtohne ein Investitionsschutzkapitelund ohne Investor-Staat-Schieds-klauseln aus. Investitionsschutzund Investor-Staat-Schiedsverfah-ren bergen die Gefahr, Verfas-sungs- und Rechtsordnungen zuunterlaufen und die Entschei-dungs- und Handlungsfähigkeitvon Staaten in Rechts- und Regu-lierungsfragen zu unterhöhlen.4. Positiv- statt Negativlisten: Positiv-listen haben sich bereits imWTO-Kontext bewährt und dür-fen nicht durch Negativlisten er-setzt werden. Negativlisten sindnicht geeignet, der dynamischenEntwicklung gerade in Kulturund Medien gerecht zu werdenund bergen die Gefahr in sich,dass durch die Hintertür zusätzli-che Bereiche erfasst werden.

von Anfang an massiv kritisiert.Im Gespräch mit der „DeutschenWelle“ erklärt er, warum:„Ich glaube schon, dass das derletzte Akt war in diesem Drama:Es ist ein beispielloser Vorgang inder bundesrepublikanischen Ge-schichte, dass ein Intendant undein Rundfunkrat ein hochqualifi-ziertes, international renom-miertes Orchester schließen. DerBegriff „Fusionierung“ ist eineBeschönigung. Es geht hier umdie Schließung eines Orchesters.Das kommt durchaus der Ver-nichtung eines Kunstwerksgleich. Der Deutsche Musikrathat sich von Anfang an ganz ein-deutig positioniert, viele nam-hafte Dirigenten, Vertreter derWirtschaft und auch der Bun-destagspräsident haben sich ein-deutig geäußert – es hat allesnichts genützt. Es macht michwütend, mit welcher Verantwor-tungslosigkeit Intendant undRundfunkrat gehandelt haben.Und auch mit welcher Ahnungs-losigkeit sie glauben, dass manein künstlerisch gewachsenesGebilde wie ein Orchester ein-fach mit einem anderen zusam-menlegen kann.“

Entscheidungsprozess zum SWR-Symphonieorchester abgeschlossen

TTIP: Kulturrat fordert Verhandlungsabbruch

5. Erhalt und Weiterentwicklung von För-derinstrumenten: Die bestehendenRah menregelungen und Förder-instrumente auf europäischer undnationaler Ebene für Kultur undMedien dürfen durch das Frei-handelsabkommen nicht ange-tastet werden. Das gilt sowohl fürden erwerbswirtschaftlichen wieden nicht-gewinnorientiertenSektor.6. Sicherung von digitalen ZukunftschancenAusnahmeregelungen dürfennicht auf bestehende audiovisu-elle Dienste und deren Verbrei-tung eingeengt werden, es mussvielmehr der digitalen Konver-genzentwicklung Rechnung ge-tragen werden.7. Erhalt und Ausbau eines hohenSchutzniveaus für Urheber- und Leis-tungsschutzrechte: Urheber- und leis-tungsschutzrechtliche Fragenwerden im internationalen Kon-text im Rahmen der Weltorgani-sation für geistiges Eigentum ver-handelt. Der Deutsche Kulturratkann keinen zusätzlichen Nutzendarin erkennen, das Urheber-und Leistungsschutzrecht zumGegenstand von TTIP zu machen.Dies umso mehr, weil sich daseuropäische Urheberrecht unddas US-amerikanische Copyright-System grundlegend unterschei-den. Die Grundprinzipien des eu-ropäischen Urheberrechts, dieden Urheber und seine Persön-lichkeit sowie seine ökonomi-schen Rechte in den Mittelpunktstellen, sind nicht verhandelbar.8. Erhalt und Ausbau der sozialen Siche-rung: Die ILO-Kernarbeitsnormenmüssen die Grundlage zur Siche-rung von Arbeitnehmerrechtenin TTIP sein. Dazu zählt auch,dass diese Normen von beidenSeiten vollumfänglich anerkanntwerden. Die in Deutschland be-stehenden Arbeitnehmerrechtewie auch die in Deutschland be-stehende soziale Absicherung derfreiberuflichen Künstler und Pub -lizisten durch das Künstlersozial -versicherungsgesetz dürfen durchdas Freihandelsabkommen nichtangetastet werden

Die deutschen Musikverle-ger haben auf ihrer Jahresta-gung über die Herausforderun-gen auf dem weltweiten Musik-markt zu beraten. Durch illegaleKopien z. B. in vielen Musik-schulen und in katholischen Kir-chen entstehe jährlich ein großer

Verlust. Insgesamt zeigen sichdie Musikverleger allerdings zu-frieden mit der wirtschaftlichenEntwicklung. So seien der Um-satz aus dem Verkauf von Tonträ-gern, Downloads und Musik-streaming um 1,2 Prozent auf1,4 Milliarden Euro gestiegen.

Stärkerer Schutz der Rechte

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Rolf Budde wurde in Osna-brück auf der Jahrestagung desDeutschen Musikverleger-Ver-bands (DMV) zum neuen Präsi-denten gewählt. Neuer Vizepräsi-dent ist Winfried Jacobs. Karl-Heinz Klempnow erhielt alsDank für seine 35-jährige, eh-renamtliche Verbandstätigkeit die„Medaille für Verdienste um dieFörderung der Musik“ des DMV.Präsident Rolf Budde wird wei-terhin den GEMA-Ausschuss desDMV leiten.

Rüdiger Grambow ist neuerPräsident des LandesmusikratsHamburg. Auf der Mitgliederver-sammlung des LandesmusikratsHamburg wurden Alenka Bar-ber-Kersovan und Walter Gehlertals Vizepräsidenten bestätigt. AlsBeisitzer wurden Anke Dieterle,Claudia Draser, Tobias Rempe,Andrea Rothaug, Markus Menkeund Hans-Georg Spiegel wieder-gewählt. Neu im Präsidium: Bet-tina Kiehn, Mücke Quinckhardtund Amadeus Templeton.

Personalia

Bildungs- und Wissenschaftsschranken

Ulrich Rademacher (Westfä-lische Schule für Musik, Müns-ter) wurde bei der Hauptarbeits-tagung der Bundesversammlungdes Verbands deutscher Musik-schulen (VdM) als Bundesvorsit-zender zusammen mit dem stell-vertretenden Bundesvorsitzen-den Friedrich-Koh Dolge (Stutt-garter Musikschule) in ihremAmt bestätigt. Als Vorstandsmit-glieder ebenfalls wiedergewähltwurden Angela Faber, WolfgangGreth und Gabriel Zinke

Der Deutsche Kulturrat,Spitzenverband der Bundeskul-turverbände, spricht sich für einen schnellen und unbürokra-tischen Zugang zu Wissen in Bildung und Wissenschaft aus. Inseiner gestern veröffentlichtenStellungnahme betont er abergleichzeitig, dass die Urheber ihrer anerkannten Rechte nichtberaubt werden dürfen.Mit seiner Stellungnahme be-zieht der Deutsche Kulturrat Po-sition in der aktuellen Debatteüber die Einführung einer soge-nannten Bildungs- und Wissen-schaftsschranke. Schrankenrege-lungen sind Beschränkungen desUrheberrechts zugunsten vonNutzern. Aus Sicht der Urheberbegrenzen sie ihr Recht, ausSicht der Nutzer ermöglichen siees, bestimmte Handlungen ohneEinwilligung der Urheber vorzu-nehmen. Der Deutsche Kulturratund die in ihm vereinten Inte-

ressenvertretungen stehen einerZusammenführung bislang imUrheberrecht getrennt geregelterSachverhalte im Rahmen einerBildungs- und Wissenschafts-schranke positiv gegenüber. Vo-raussetzungen dafür sind: klareund technologieneutrale Formu-lierungen, mehr Rechtssicher-heit für Urheber, die Gewährleis-tung einer angemessenen Vergü-tung der Urheber, keine Beein-trächtigung des Primärmarkts,und die stringente Anwendungdes Drei-Stufen-Tests. Zudemdarf die Bildungs- und Wissen-schaftsschranke nicht zu einerkostengünstigen Wissensversor-gung von Schulen, Hochschulenund anderen Bildungs- und Wis-senschaftseinrichtungen ausge-nutzt werden. Die Einführungvon Fair-Use oder Fair-Dealing-Regelungen in Deutschland nachanglo-amerikanischem Musterlehnt der Deutsche Kulturrat ab.

major minor berlin

Jürgen Budday, einer derprofiliertesten und angesehens-ten deutschen Chorexperten,übernahm ab Juni 2014 diekünstlerische Leitung des Inter-nationalen Kammerchor-Wettbe-werbs Marktoberdorf. Der Veran-stalter des Wettbewerbs, die Bun-desvereinigung Deutscher Chor-verbände e.V. (BDC), berief Bud-day als Nachfolger von Wett -bewerbsgründer Dolf Rabus, derim vergangenen Winter nach fast25-jährigem Wirken verstarb.

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Auf Initiative des Julius-Stern-Instituts für musikalische Nach-wuchsförderung der Universitätder Künste Berlin findet am 17.und 18. Oktober 2014 erstmaligein Symposium und Kammer-musikfestival mit internationalenGästen statt.Das International Symposium onthe Education of Young ClassicalMusicians, „major minor ber-lin“, vernetzt Institutionen zurmusikalischen Nachwuchsförde-rung auf internationaler Ebene.Die zunehmende Globalisierungund mediale Vernetzung im kul-turellen Bereich erfordert einenkreativen Austausch zur Musik-erziehung auch über nationaleGrenzen hinweg. Der diesjährigeKongress widmet sich dem The-ma „Zukunftsorientierte Ausbil-dung und unsere kulturelle Ver-antwortung“ und sucht Wege ei-ner zielgerichteten und dennochbehutsamen Förderung beson-

ders begabter Kinder und Ju-gendlicher. Referenten interna-tionaler Ausbildungsinstitutio-nen wie die Junior Academy derSibelius Academy Helsinki, DavidGoldman Program for Outstan-ding Young Musicians, JerusalemMusic Centre, Begabtenförde-rung der Universität für Musikund darstellende Kunst Wienund Spezialmusikschule desRimsky-Korsakov Konservato -rium Sankt Petersburg verweisenin Vorträgen auf die weitreichen-de Bedeutung der frühen Förde-rung musikalisch Hochbegabter.In Präsentationen und Diskus -sionsrunden reflektieren undentwickeln Experten Ideen undsetzen Impulse für die Zukunftder musikalischen Ausbildung.Darüber hinaus findet ein mode-riertes Speed-Dating statt, bei demalle Teilnehmer die Möglichkeiterhalten, sich kennenzulernenund ihre Ideen auszutauschen.

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Die Carl-Bechstein-Stiftunghat beim 51. Bundeswettbewerb„Jugend musiziert“ in Braun-schweig erstmals vier Stipendienvergeben. Diese gingen an vierjunge Pianisten in der Alters-gruppe III. Mehr als 2 000 Ju-gendliche nahmen teil. 130 Teil-nehmer verzeichnete allein dieWertung „Klavier solo Alters-

gruppe III“. Unter den zahlrei-chen Preisträgern in dieser Al-tersgruppe wählte die Carl Bech-stein Stiftung nun auf Empfeh-lung der Jury jene vier jungenPianisten aus, die einen ErstenPreis mit der Höchstpunktzahlvon 25. Punkten zugesprochenbekommen hatten.

ausgezeichnet

Mit dem „BKM-Preis fürKulturelle Bildung 2014“hat die KulturstaatsministerinMonika Grütters auf einer Fest-veranstaltung im Schloss Gens-hagen bei Berlin drei beispiel -gebende Modellprojekte ausge-zeichnet. Aus zahlreichen Vor-schlägen hat eine Fachjury zehnProjekte nominiert, von denendrei gleichwertige Hauptpreis-träger mit je 20 000 Euro ausge-zeichnet wurden:

Auf Flügeln der Musik – Kon-zertprogramme für Menschen

Gleich zwei Alt-Rektorender Hochschule für Musik FranzLiszt wurden für ihre Arbeit ge-ehrt: Ministerpräsidentin Christi-ne Lieberknecht verlieh den Thü-ringer Verdienstorden an Wolf-ram Huschke und Rolf-DieterArens. Huschke wirkte von 1993bis 2001, Arens von 2001 bis2010 als Rektor in Weimar. DieWeimarer Musikhochschulefreut sich mit ihren beiden ehe-

Beim Deutschen Chorwett-bewerb stehen die Preisträgerfest: Der Vorsitzende des BeiratsJürgen Budday und ProjektleiterHelmut Schubach teilten den 64in der zweiten Hälfte des Chor-wettbewerbs gestarteten Forma-tionen auf dem Theaterplatz inWeimar die offiziellen Endergeb-nisse mit. 28 Chöre und Ensem-bles schnitten mit sehr gutemoder gar hervorragendem Erfolgab. Bei einer Höchstpunktzahlvon 25 Punkten erreichten zehnChöre in den sieben gehörtenKategorien des zweiten Wettbe-werbsteils 23 oder mehr Punkte.Für diese hervorragenden Leis-

tungen wurden die Musikerin-nen und Musiker mit dem Preisdes Deutschen Chorwettbewerbsbelohnt.

Der Bundespreis für Mu-sikpädagogik wurde verge-ben: Ulrich Rademacher, Bun-desvorsitzender des VdM, äußer-te sich zum Bundespreis für Mu-sikpädagogik folgendermaßen:„Der Wettbewerb dient der Ex-zellenz der musikpädagogischenStudiengänge, nicht nur wegenseiner öffentlichen Wirkung. Wirfreuen uns über die gewachseneUnterstützung der Bewerbungdurch ihre Hochschulen, diehoffentlich viele Nachahmerund Weiterentwickler finden.“Einen Bundespreis für ein mu-sikpädagogisches Projekt undzwei Förderpreise konnte die Ju-ry an drei Finalisten vergeben.Der Bundespreis für Musikpäda-gogik wurde für das Projekt„KleineStadtTheater“ von Chris-toph Scholtz und Kai Schweiger

(Hochschule für Musik undTheater „Felix Mendelssohn Bar-tholdy“ Leipzig) vergeben. Diebeiden Förderpreise erhieltenAnnika Boos (Hochschule fürMusik und Tanz Köln/Wupper-tal) für ihr Projekt „Vokale Inter-aktionsmusik für und mit Senio-ren“ und die Projektgruppe umPatrizia Birkenberg von der HfMStuttgart für das Musik-Theater-Projekt „Labyrinth: Umweg, Aus -weg, Sackgasse?“. Der Preis wirdseit fünf Jahren vom Verbanddeutscher Musikschulen, Fachver -band der Träger von rund 930öffentlichen Musikschulen, gestif -tet und gemeinsam mit der Rek-torenkonferenz der 24 deutschenMusikhochschulen veranstaltet.Der Wettbewerb wurde in die-sem Jahr von der Hochschule fürMusik Karlsruhe ausgerichtet.

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Einer der vielen glücklichen Preisträgerdes Wettbewerbs: der Mädchenchor derUlmer Spatzen

mit Demenz, Institut für Bildungund Kultur e.V., Remscheid(Nordrhein-Westfalen)

Ein Dorf im Widerstand – In-szenierung über den MössingerGeneralstreik 1933, Theater Lin-denhof, Melchingen (Baden-Württemberg)

Kunst im Interreligiösen Dia-log – Vertreter unterschiedlicherReligionsgemeinschaften begeg-nen sich zum Dialog über Kunst-werke aus religiöser Sicht, Ham-burger Kunsthalle, (Hamburg)

maligen Magnifizenzen. „VonHerzen gratuliere ich unserenAlt-Rektoren zur verdienten Eh-rung! Die musikalische KulturWeimars verdankt beiden un-endlich viel – es ist schön, dassder Freistaat Thüringen dies sofeierlich würdigt!“, sagt Präsi-dent Christoph Stölzl, der seinenbeiden Vorgängern bereits imJahr 2012 die Ehrensenatoren-würde der Hochschule verlieh.

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Der Verband unabhängigerMusikunternehmen e.V. (VUT)wundert sich als Interessenver-treter der kleinen und mittlerenMusikunternehmen in Deutsch-land über das Verhalten You -Tubes. YouTube hat unabhän -gigen Musikunternehmen dasUltimatum gesetzt, den neuenYouTube-Vertrag zu unterschrei-ben oder, wenn sie dem nichtnachkommen, ihre Inhalte zusperren. Dieses Vorgehen mitdem Ziel, unabhängige Unter-nehmen in Verträge zu drängen,stellt der Verband entschieden inFrage und unterstützt damit dieForderungen von WIN (World-wide Independent Network).YouTube plant laut verschiedenerQuellen noch in diesem Jahr denStart eines neuen Streamingser-vices. Im Gegensatz zu den Ver-einbarungen mit den drei MajorLabels (Sony, Warner und Uni-

versal) steht eine Einigung mitden unabhängigen Musikunter-nehmen noch aus. Da die unab-hängigen Musikunternehmenmit ihrem Marktanteil von 30Prozenteinen großen Teil der In-halte für Anbieter wie YouTubeliefern, erwartet der Verband,dass YouTube sich auf weitereVerhandlungen einlässt, um zueiner fairen Lösung zu kommen.Laut Angaben von WIN- undVUT-Mitgliedern sind die Ver-tragsbedingungen des neuenYouTube-Vertrags äußerst un-günstig und nicht verhandelbar.Gleichzeitig liegt die Vergütungunter den Preisen, die andereStreamingdienste wie beispiels-weise Spotify zahlen. Darum un-terstreicht der Verband unabhän-giger Musikunternehmen e.V.seine Forderung, dass Musikser-vices Independents nicht be-nachteiligen dürfen.

Das Kabinett des LandesNordrhein-Westfalen hat demvon Kulturministerin Ute Schäfervorgelegten Referentenentwurfzum Kulturfördergesetz (KFG)zugestimmt. Nach der Sommer-pause soll nach Abschluss derVerbändebeteiligung ein entspre-chender Gesetzesentwurf in denLandtag eingebracht werden.Nordrhein-Westfalen ist das ersteBundesland, das ein solches Ge-setzesvorhaben realisieren will.„Was eine Landeskulturförde-rung ausmacht, die zukunftsge-richtet ist und zugleich das kul-turelle Erbe sichert, was also ausSicht der Landesregierung kul-turpolitisch ‚state of the art‘ ist,das ist in diesem Gesetz nüch-tern, kompakt und klar zusam-mengefasst. Mit dem Kulturför-dergesetz wollen wir einen Rah-men schaffen, der den Kultur-schaffenden mehr Transparenzund mehr Planungssicherheitgibt“, erklärte Schäfer. Deshalbbeschreibe das Gesetz zweiwichtige neue Instrumente: DenKulturförderplan und den Lan-deskulturbericht.„Der Kulturförderplan soll dieZiele und Schwerpunkte der

Landesförderung jeweils für fünfJahre festlegen. Er sorgt nichtnur für mehr Zielgerichtetheitim Rahmen der Förderung, son-dern schafft auch mehr Pla-nungssicherheit“, sagte Schäfer.Der Landeskulturbericht wiede -rum werde zukünftig jeweils ge-gen Ende einer Legislaturperiodezur „Lage der Kultur in Nord-rhein-Westfalen“ Stellung bezie-hen. „Er soll mit seinen statisti-schen Daten, mit seinen For-schungsergebnissen und Evalua-tionen, die jeweils auf einemumfangreichen mehrjährigenArbeitsprozess beruhen werden,sowohl für die Kulturförderpoli-tik des Landes als auch für dieder Gemeinden von Nutzensein“, so die Ministerin. Die Kul-turförderung des Landes sei we-sentlich darauf ausgerichtet, dieKulturarbeit der Gemeinden undder freien Träger im Lande zuunterstützen. Das Kulturförder-gesetz stelle aber deutlich he-raus, dass das Land dabei aucheigene kulturpolitische, von ihmselbst zu definierende Ziele ver-folgt, und dass auch eigene Pro-jekte des Landes zu deren Um-setzung beitragen.

Kulturfördergesetz in Nordrhein-Westfalen

YouTube droht unabhängigen Musik -unternehmen mit dem Sperren ihrer Inhalte

Der Rundfunkrat des Bayeri-schen Rundfunks hat in seinervergangenen Sitzung beschlos-sen, den Jugendsender PULS ab2018 als öffentlich-rechtlichesJugendangebot über die UKW-Frequenzkette auszustrahlen.Zeitgleich soll BR-Klassik denUKW-Platz räumen und überDAB+ gesendet werden – vo-rausgesetzt die vom Rundfunkratgeforderten Bedingungen, wie z. B. unabhängige Gutachten zurNetzabdeckung von DAB+, sinderfüllt. Hierzu Martin Maria Krü-ger, Präsident des DeutschenMusikrats:

„Der Bayerische Rundfunk ist indie Offensive gegangen, um jün-gere Hörerschichten zu gewin-nen und den in seinem Sende -bereich besonders ausgeprägtenGenerationenabriss zu verhin-dern. Der Deutsche Musikrat bedauert,dass dies mit der absehbaren,frühestens 2018 vorgesehenenAbschaltung der UKW-Ausstrah-lung der deutschlandweit vor-bildlichen Welle BR-Klassik ver-bunden sein soll. Er begrüßt je-doch ausdrücklich, dass letztlichBR-Intendant Ulrich Wilhelmund der Bayerische Rundfunkrat

Das Ringen um BR-Klassik

auf die nachhaltigen Proteste derKultur- und Musikverbände, ins-besondere des Bayerischen Mu-sikrats unter seinem PräsidentenThomas Goppel, reagiert und ei-nen gemeinsam getragenen Kon-sens gefunden haben. Erst wennweitreichende, durch neutraleGutachter regelmäßig begleitete

Grundlagen auf der Senderseiteund der Empfänger-, sprich: Hö-rerseite geschaffen sein werden,wird die Verlagerung der BR-Klassik-Ausstrahlung auf die Di-gitalfrequenz DAB+ erfolgen.Der Deutsche Musikrat wird die-sen Prozess wachsam begleiten.“

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Man kann also davon ausgehen, dass ihm auch eine psy-chische Ich-Identität fehlte oder diese nur in Ansätzen entwi-ckelt war. Zwar kommt der Mensch nicht als „unbeschriebenesBlatt“ auf die Welt, sondern verfügt nach der Geburt bereitsüber einige Wahrnehmungs- und Handlungsschemata. Aber dasKonstrukt einer Ich-Identität, also die Fähigkeit, über alle Verän-derungen hinweg „eine Kontinuität des persönlichen Daseinsherzustellen“ im Sinne eines Man-selbst-bleibens, muss sich erst

noch entwickeln.1 Hierbei spielt das soziale und kulturelle Um-feld eines Menschen eine entscheidende Rolle. Maßgeblich überSprache kommuniziert das Individuum mit seinem Umfeld,lernt beispielsweise Religion, Wertvorstellungen und Verhaltens-kodizes kennen. Nach Ansicht des Philosophen Karl Popper istdas Bewusstsein des Menschen dementsprechend sprachlich ge-prägt und ermöglicht vor allem Sprache den Zugang des Indivi-duums zur Welt der „Inhalte des Denkens“ und der „Erzeugnissedes menschlichen Geistes“.2 Diese Welt ist facettenreich: Wis-senschaftliche Theorien gehören ihr ebenso an wie Religion,philosophische Gedankengebäude und Musik in ihrer nicht-ma-teriellen Form. Diese immateriellen Bereiche der Kultur einerGesellschaft werden ergänzt durch materielle Bereiche wie Tech-nologien oder Kunstwerke. Die Ich-Identität entwickelt sich also unter dem Einfluss von So-zialisationsprozessen und in Auseinandersetzung mit der Kultureiner Gesellschaft. Musik spielt in den Sozialisationsprozesseneine äußerst wichtige Rolle. Viele Untersuchungen haben ge-zeigt, dass gerade für Jugendliche Musik einen hohen Stellen-wert in der Lebensgestaltung und in der Kommunikation mitanderen Jugendlichen hat. Auch die Ausbildung eines Musikge-schmacks kann als Teil der Entwicklung einer Ich-Identität auf-gefasst werden. Die präferierte Musik wechselt hierbei im Laufe

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Die Identitätsbildung eines jeden Menschen ist ein lebens-langer wichtiger Prozess, der durch die Einflüsse der Gesell-schaft und die kulturellen Werte geprägt wird. Kaspar Hausergilt als prominentes Beispiel eines Menschen ohne Identität.Als er im Mai 1828 auf dem Unschlittplatz von Nürnbergauftauchte, hatte er keine behördlichen Papiere, die Auskunftüber seine Herkunft, seinen Namen und sein Alter gaben.Ihm fehlte also das, was man eine „verwaltungstechnische“Identität nennen könnte. Berichten zufolge konnte er sichnicht sprachlich verständlich machen und hatte keine schuli-schen Grundkenntnisse. Er schien über lange Zeit in völligerIsolation aufgewachsen zu sein.

Was ist kulturelleIdentität?Die Rolle der Musik bei der Identitätsbildung Wolfgang Auhagen

Aus ganz Europa kommen beim Eurotreff, dem internationalen Festival für junge Chöre, mehrerehundert Sängerinnen und Sänger in Wolfenbüttelzusammen. Im Vordergrund stehen vor allem das

gemeinsame Musizieren und der kulturelle Austausch der jungen Musiker.

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der Entwicklung. Mehrere empirische Studien belegen, dass vieleKinder bereits im Grundschulalter die populäre Mainstream-Musik deutlich gegenüber anderen Musikrichtungen bevorzu-gen. Um musikalische Vielfalt also im Bewusstsein von Kindernund Jugendlichen wach zu halten, sind besondere kulturelle An-gebote notwendig. In der vom Bundesministerium für Bildungund Forschung geförderten Studie SIGrun (Studie zum Instru-mentalunterricht in Grundschulen) der Universitäten Bremenund Hamburg wird derzeit beispielsweise untersucht, wie sichspezielle Musikangebote in Grundschulen auf das Musikverhal-ten, aber auch auf die kognitive Entwicklung von Kindern aus-wirken. Über das Beispiel Musik hinausgehend lässt sich mit Be-zug auf den zu Beginn erwähnten Kaspar Hauser zusammenfas-sen: Ohne kulturelle Teilhabe kann sich keine psychische Ich-Identität entwickeln.Der Begriff der kulturellen Identität kann aber auch im Hinblickauf die Identität einer Kultur interpretiert werden. In diesemSinne bezeichnet der Begriff eine kollektive Identität. Im 19.Jahrhundert kam der Idee einer kollektiven Identität im Zugeder Gründung von Nationalstaaten eine große Bedeutung zu. ImBereich der Musik wuchs das Bedürfnis nach nationalen Kom-positionsstilen, beispielsweise einer nationalen Oper, und nachnationalen Komponisten. Zu bemerken ist dieses Bedürfnis be-

reits in der Biografie Johann Sebastian Bachs, die der Musikge-lehrte Johann Nikolaus Forkel, Universitätsmusikdirektor inGöttingen, im Jahre 1802 veröffentlichte. Die Biografie endetmit den Worten: „Und dieser Mann – der größte musikalischeDichter und der größte musikalische Declamator, den es je ge-geben hat, und den es wahrscheinlich je geben wird – war einDeutscher. Sey stolz auf ihn, Vaterland; sey auf ihn stolz, aber, seyauch seiner werth!“3 Die nationale Zuschreibung von Kompo-nisten oder Kompositionen provoziert allerdings die Frage, wo-rin denn beispielsweise das spezifisch Deutsche, Französischeoder Italienische in der Musik bestehen kann. So hat die Verbin-dung von Nationalpolitik und kollektiver kultureller Identitätseit den 1980er-Jahren zu einer kritischen Sicht auf das Identi-tätskonstrukt geführt. Denn unter dem Vorzeichen einer identi-tätsstiftenden Vereinheitlichung von Kultur waren Bestrebungenunverkennbar, Minderheiten und ihre Kultur auszugrenzen oderzu unterdrücken. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiesder Musikethnologe Erich Moritz von Hornbostel auf die Gefahrder Verdrängung von Musikkulturen durch die westlichen In-dustrieländer hin: „Aber es ist höchste Zeit, daß die echten Er-zeugnisse fremder Kulturen auch auf musikalischem Gebiete ge-sammelt werden, bevor sie durch Europäismen unrettbar ver-dorben sind. [...] Die Gefahr ist groß, daß die rapide Ausbrei-

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tung der europäischen Kultur auch die letzten Spuren fremdenSingens und Sagens vertilgt. Wir müssen retten, was zu rettenist, noch ehe zum Automobil und zur elektrischen Schnellbahndas lenkbare Luftschiff hinzugekommen ist, und ehe wir inganz Afrika Tararabum-diäh und in der Südsee das schöne Liedvom kleinen Kohn hören.“4 Der Musikwissenschaftler PhilipBohlman spricht im Hinblick auf die Verdrängung oder Unter-drückung von Musikkulturen von „Identitätsraub“.5 Ein andererkritischer Aspekt des kollektiven Identitätskonzepts in Bezug aufKultur ist, dass Kultur als etwas Homogenes, Unveränderlichesangesehen wird bzw. angesehen werden könnte. Eine solcheSichtweise wird der Dynamik kultureller Prozesse nicht gerecht.Der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger meint hierzu:„Auch bei uns – ja gerade bei uns gibt es keine definierbare na-tionale Kultur, der alle verschrieben sind. Sie unterteilt sich inzahllose Subkulturen, subkulturelle Milieus und Gruppierungen,denen die einzelnen nicht pausenlos, sondern nur zu Teilen, inbestimmten Rollen angehören.“6 Begreift man Kultur dement-sprechend als ein offenes, sich innerhalb eines Rahmens von„Schemata der Weltauffassung und basalen Wertorientierun-gen“7 wandelndes System, so wird man modernen Gesellschaf-ten eher gerecht. Kulturelle Identität und Kulturelle Vielfalt stel-len also keine Gegensätze dar, ebenso wenig wie die Partizipa -tion eines Individuums an unterschiedlichen kulturellen Milieusdas Konstrukt der Ich-Identität in Frage stellt. Dies wird geradeam Beispiel der Musik deutlich. Von dem veränderlichen indivi-duellen Musikgeschmack war bereits die Rede. Aber auch Mu-sikszenen und Musikkulturen sind Wandlungen unterworfen,ohne dass dies zwangsweise zu Brüchen in der kollektiven Iden-tität führen muss. Die Bereiche der sogenannten „E-Musik“ und„U-Musik“ sind durch Künstler wie David Garrett und durchKulturangebote wie die Filmmusiktage Sachsen-Anhalt oder„Rock meets Classic 2014“ zusammengerückt. Es gibt viele Mu-sikgenres, die aus einer anfänglichen regionalen Begrenztheitheraus zu weltweiten Phänomenen geworden sind, wie bei-spielsweise HipHop oder Hardcore-Punk. Solche Phänomenekönnen mittels des Konzepts der Transkulturalität, das Kulturenweder örtlich noch zeitlich unveränderlich fixiert sieht, erfasstwerden. Es stellt sich die Frage, ob damit der Begriff der kultu-rellen Identität im Sinne kollektiver Identität ausgedient hat. Dasmuss nicht der Fall sein, sofern man sich vor Augen führt, dassKollektive zwar selbst dynamisch sind und auch nicht unbe-dingt einer lokalen Verankerung bedürfen, dennoch aber übereinen gemeinsamen Wissensvorrat verfügen, der üblicherweiseals kulturelles Gedächtnis bezeichnet wird. Nach Ansicht desÄgyptologen Jan Assmann ist die Gruppenbezogenheit oder„Identitätskonkretheit“ ein wesentliches Merkmal des kulturel-len Gedächtnisses: „Das kulturelle Gedächtnis bewahrt den Wis-sensvorrat einer Gruppe, die aus ihm ein Bewußtsein ihrer Ein-heit und Eigenart bezieht. Die Gegenstände des kulturellen Ge-

dächtnisses zeichnen sich aus durch eine Art identifikatorischerBesetztheit im positiven (‚das sind wir‘) oder im negativen Sin-ne (‚das ist unser Gegenteil‘).“8 Eine Vorbedingung für die Tra-dierung kollektiven Wissens ist nach Assmann dessen „Geformt-heit“ beispielsweise in Sprache, Bildern oder Riten. Musik erfülltdieses Kriterium und dies dürfte einer der Gründe dafür sein,dass Musik weltweit für die Ausbildung kollektiver Identitätenvon Bedeutung ist. In Musik findet die Kulturelle Vielfalt einerGesellschaft ebenso Ausdruck wie die Kontinuität der Inhalte ihres kulturellen Gedächtnisses.

1 Hermann Bausinger: „Kulturelle Identität – Schlagwort und Wirklichkeit“, in: Aus-

länder – Inländer. Arbeitsmigration und kulturelle Identität (Untersuchungen des

Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen im Auftrag der Tübinger Vereini-

gung für Volkskunde hg. von Hermann Bausinger, Utz Jeggle u.a., Bd. 67), Tübin-

gen 1986, S. 142.

2 Karl Popper, John C. Eccles: Das Ich und sein Gehirn, München 2002, S. 38 und

S. 64.

3 Johann Nikolaus Forkel: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und

Kunstwerke, Leipzig 1802.

4 Erich Moritz von Hornbostel: „Probleme der vergleichenden Musikwissenschaft“,

in: Erich Moritz von Hornbostel: Tonart und Ethos. Aufsätze zur Musikethnologie

und Musikpsychologie, Leipzig 1905/1986.

5 Philip Bohlman: „Verdrängung, Vertreibung, Verstummen. Thesen zum Identitäts-

diebstahl der heutigen Musikkulturen“, in: Detlef Altenburg und Rainer Bayreuther

(Hg.): Musik und kulturelle Identität. Bericht über den XIII. Internationalen Kongress

der Gesellschaft für Musikforschung, Bd. 1, Weimar 2004, S. 47-57.

6 Hermann Bausinger, a. a. O., S. 142.

7 Hans-Joachim Giegel: 2012. „Kultur – Identität und Differenz“, in: Detlef Alten-

burg und Rainer Bayreuther (Hg.), a. a. O., S. 78.

8 Jan Assmann: „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“, in: Jan Assmann

und Tonio Hölscher (Hg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt/Main 1988, S. 9-19.

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Wolfgang Auhagen war von 1994 bis 2003 Professor für Systematische Musik-

wissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2003 hat er eine entspre-

chende Professur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg inne. Seit

2009 ist er Präsident der Gesellschaft für Musikforschung.

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Identität kann als die aus der einmaligen Biografie einesMenschen resultierende reflexive Konstruktion des Selbstverstanden werden. Nicht nur der Grad der kognitiven Kom-plexität, sondern auch die Differenziertheit der Emotionenkennzeichnet Identität. Musik ist als identitätsstiftende Kom-ponente auch ins Blickfeld der musikpsychologischen For-

Einfluss und Prägung von Musik Rolf Oerter

Inwiefern trägt Musik zurIdentitätsbildung bei?

Auf Rock- und Popkonzerten werden Identitätsanliegen derJugendlichen und jungen Erwachsenen ausgedrückt wie Lebensgefühl, Weltsicht,Wertebewusstsein und Protest.

schung gerückt. Im Folgenden sollen musikalische Einflüsseauf die Identität in der Reihenfolge vom Allgemeinen hinzum Spezifischen behandelt werden: Musik als Komponentegenereller Enkulturation, als emotionale Formung von Identi -tät, als Passung, als „Prägung“, als Hauptkomponente von Sub -kulturen und als zentraler Lebensinhalt in Form des Berufs.

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Musikalische EnkulturationDen Rahmen für die Formung von Identität bildet die Kultur, inder das Individuum aufwächst. Den Prozess der Übernahmeund Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur nennt man En-kulturation. Die musikalische Enkulturation ist durch die Über-nahme der westlichen Dur-Moll-Tonalität gekennzeichnet. Sieführt zu Hörgewohnheiten, die uns andere Tonsysteme fremdund emotional wenig ansprechend erscheinen lassen. Im Laufeseines Lebens ist das Individuum unterschiedlichen musikali-schen Einflüssen ausgesetzt. Die Geschichte der Identität wird sopartiell auch zu einer Geschichte individueller Musikpräferen-zen in der eigenen Biografie.

Musik als emotionale Komponente der IdentitätDie Basis der Identität als Bewusstsein von sich wird durchEmotionen gebildet. Zu ihnen gehören einerseits aktuelle oderüberdauernde Grundbefindlichkeiten, andererseits emotionalgetönte Präferenzen von Umweltausschnitten. Musik kann so-wohl die Grundbefindlichkeit der Identität mitbestimmen, alsauch die spezifische Ausprägung des individuellen Geschmacksbeeinflussen. Dieser Aspekt der Präferenz musikalischer Um-weltausschnitte lässt sich durch die Phänomene der Passung undPrägung beschreiben.

PrägungDer Begriff der Prägung stammt aus der Biologie. Konrad Lo-renz verwendete ihn 1965 für das Verhalten von Jungtieren(Graugänsen), die nach dem Ausschlüpfen demjenigen Lebewe-sen folgten, das sie als erstes wahrnahmen (in dem ersten Nach-weis war dies Lorenz selbst). Die Tiere werden auf das betreffen-de Lebewesen „geprägt“.1 In einem erweiterten Sinne kann derMensch auf Umweltausschnitte oder -ereignisse geprägt wer-den, die er dann aufgrund einer relativ kurzen Erfahrung zeitle-bens präferiert. Auch in der Musik gibt es das Phänomen derPrägung. Wenn der Mensch in einem bestimmten Lebensalter

mit einer bestimmten Musik konfrontiert wird, kann es zur Prä-gung in dem Sinne kommen, dass diese Musik (manchmal auchganz bestimmte Musikstücke) zeitlebens bevorzugt und emotio-nal bedeutsam wird. Die Phasen, in denen solche Prägungenstattfinden, nennt man sensible Phasen. Eine erste Prägungs -phase dieser Art scheint in der frühen und vorschulischen Kind-heit zu liegen. Das Faktum, dass nur ein geringer Prozentsatzder Bevölkerung klassische bzw. Kunstmusik liebt, hängt damitzusammen, dass sie in dieser sensiblen Phase nur Unterhal-tungsmusik oder Rock- und Popmusik gehört hat. Eine weitere Prägungsphase liegt im Jugendalter und frühen Er-wachsenenalter. Musik, die man im Jugendalter hört, erhält einePräferenzposition, die meist das ganze Leben lang anhält. So fin-den wir, gestaffelt nach den dominierenden Musikrichtungen,die Präferenz von Big Bands heute bei den Ältesten, von denBeatles und The Who bei den etwas Jüngeren und so fort, derabsteigenden Altersreihe nach z. B. Rock’n’Roll, Pink Floyd undGenesis, Techno, Heavy Metal sowie HipHop und Rap. Im Laufeder letzten dreißig Jahre kam es zu einer explosionsartigen Ver-mehrung von Bands und Gruppen und damit auch von musika-lischen Stilrichtungen, sodass es auch zu individuell-einmaligenKombinationen musikalischer Präferenzen kommen konnte. DasIndividuum kann dann dennoch eine Reihe weiterer Vorliebenfür bestimmte Musikarten besitzen oder erwerben, also z. B. ne-ben der Jugendpräferenz von Rock- und Popmusik auch dieVorliebe für Klassik und Kunstmusik behalten. Holbrook undSchindler fanden, dass die Prägung, die auch andere Inhalte be-trifft, erst im späten Jugendalter stattfindet. Die individuell-ein-malige Kombination von Musikstücken und Stilrichtungen als„Passung“ gilt ebenso für die klassische Musik, mit der sich dasIndividuum „identifiziert“, und gilt auch für das Erwachsenen-alter.2

PassungIdentität definiert sich im westlichen Kulturkreis durch ihre Ein-maligkeit, während Angehörige anderer Kulturen stärker die Ge-meinsamkeit mit und Verbindung zu anderen aufrechterhalten(individualistische versus kollektivistische Kulturen). Die Einma-ligkeit von Identität beinhaltet unter anderem die Auswahl vonObjekten aus der Umwelt, die zur eigenen Identität passen oderdiese ausweiten, überhöhen und schließlich ändern. Solche Ob-jekte sind unter anderem materielle Waren, Personen, an dieman sich bindet, und Wissensbestände, die man sich aneignet.Zu diesen Objekten gehört auch die Musik in ihrem heute un-übersehbar großen Angebot. Im Lauf seiner Biografie erwirbtder Mensch ein spezifisches Repertoire an bestimmten bevor-zugten Musikstücken und Präferenzen für Musikrichtungen und-gattungen. Da diese Bindung an Musik auch und vor allememotional tief verankert ist, bildet sie eine bestimmende und

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Andere, die fühlen wie man selbst: Die Street Parade in Zürich fasziniert undvereint Fans der elektronischen Musik aus unterschiedlichen Kontinenten derWelt. Die House- und Techno-Parade ist in der Musikszene ein großes Ereignis.

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charakteristische Komponente von Identität. Diese Zusammen-gehörigkeit von Musik und Identität kann als Passung bezeich-net werden. Passung ist aber keine unveränderliche Größe immenschlichen Lebenslauf, sondern wandelt sich aufgrund neuerErfahrungen und damit neuer Identitätsdefinitionen. Die Musik-präferenzforschung zeigt, dass es in jeder Altersstufe und je nachBildungsgrad unterschiedliche Musikpräferenzen gibt. Die Ab-lehnung von Rock- und Popmusik hat nicht nur mit der Prä-gung im Jugendalter zu tun, sondern hängt auch mit der Verän-derung der auditiven Wahrnehmung zusammen (hohe Lautstär-ke wird als unangenehm empfunden, ebenso laute stereotypeRhythmen).Passung von Musik und Identität wird dann zum Problem,wenn die Bezugsgruppe bzw. einzelne Bezugspersonen andereMusikpräferenzen haben. Man fühlt sich gegenseitig unverstan-den, gestört und sogar provoziert. Passung führt in solchen Fäl-len zur Erfahrung einer isolierten, unverstandenen Identität.

Identität und musikalische SubkulturIm Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat sich das Phänomender jugendlichen Subkultur herausgebildet. Die Verlängerungdes Jugendalters und die sich dadurch herauskristallisierendeneue Zwischenstellung des Jugendlichen boten Gelegenheit,sich einen eigenen kulturellen Hintergrund zu geben, den manals Subkultur mit anderen Subkulturen ethnischer Gruppen ineiner Gesellschaft gleichstellen kann. Jugendliche Subkulturenexistieren also neben der Hauptkultur, enthalten neue Züge, diees in der Hauptkultur nicht gibt und sind häufig gegen denMainstream gerichtet. Von Anfang an waren jugendliche Subkul-turen durch neue Formen von Musik gekennzeichnet. Alle frü-heren und gegenwärtigen Musikrichtungen der Rock- und Pop-musik entspringen Thematiken, die von der Hauptkultur nichtwahrgenommen oder berücksichtigt werden. Diese „Jugend-musik“ drückt Identitätsanliegen der Jugendlichen und jungenErwachsenen aus, wie Lebensgefühl, Weltsicht, Wertebewusst-sein und Protest. Das im Jugendalter und frühen Erwachsenen -alter stattfindende Ringen um Identität erfolgt in Auseinander-setzung mit der Hauptkultur, die aber oft keine befriedigendenAntworten bereithält. Neue und unkonventionelle Musik bietetaußerhalb konventioneller Verständigung Kommunikations- undInterpretationsmöglichkeiten. Sie sind mit tiefen emotionalenErfahrungen verknüpft, die je nach Situation stützend, befreiendoder revolutionierend für die Identitätsbildung sein können. Hinzu kommt die Erfahrung der Gemeinsamkeit musikalischerErlebnisse in der Peergruppe. Sie teilt mit dem Einzelnen dessenAnliegen und Probleme. Die gemeinsame Begeisterung für Mu-sik vermittelt die Erfahrung, dass es andere gibt, die so fühlenwie man selbst oder – allgemeiner – so sind, wie man selbst. InRock- und Popkonzerten wird die im westlichen Kulturkreis

vorherrschende Einmaligkeit der eigenen Identität und die da-mit verbundene Erfahrung der Isolation und des Nicht-Verstan-den-Werdens aufgehoben und weicht einem zuweilen ekstati-sche Züge tragenden Gemeinschaftsgefühl.

Musik als BerufUntersuchungen zur beruflichen Karriere von Musikerinnenund Musikern belegen einen typischen Verlauf in der individu-ellen Biografie. Zunächst erfolgt eine spielerische Beschäftigungmit Musik sowie die Erprobung und Wahl von Instrumenten.Erreicht das Kind ein bestimmtes Niveau des Könnens, kommtes zur gezielten intensiven Übung (deliberate practice), dieschließlich zum Entschluss führt, Musik als Beruf zu ergreifen.Mit dieser Entscheidung definiert sich die Identität zentral undtiefgreifend durch Musik. Dabei ist es gleichgültig, ob es sichum Kunstmusik oder Rock- und Popmusik handelt. Romantisie-rend wird diese Identitätstransformation als „sein Leben derMusik weihen“ ausgedrückt. Musik bestimmt die gesamte Per-sönlichkeit und deren Lebensplanung. Die Identität von Musike-rinnen und Musikern strukturiert sich auch diachronisch: Musi-kalische Praxis erfordert permanentes, diszipliniertes Üben. Da-her gilt: Musiker definieren sich durch Musik.

1 Konrad Lorenz: Über tierisches und menschliches Verhalten, München 1965.

2 Morris B. Holbrook/ Robert M Schindler: „Echos of the dear departed past: So-

me work in progress on nostalgia”, in: Rebecca H. Holman and Michael R. Solo-

mon (Hg.): Advances in consumer research, 16/1991, S. 330-333.

Literatur:

Rolf Oerter/Eva Dreher: „Jugendalter“, in: Rolf Oerter, Leo Montada (Hg.): Entwick-

lungspsychologie, Weinheim 2008, S. 271-332.

Rolf Oerter war Lehrstuhlinhaber für Psychologie an der Universität Augsburg und

Dekan an der Fakultät für Psychologie und Pädagogik der Ludwigs-Maximilians-

Universität München und emeritierte 1999. Er erhielt 2003 das Bundesverdienst-

kreuz am Bande und 2010 den Preis der Margrit Egnér-Stiftung in Zürich. Oerter

ist Mitglied des Editorial Board der Zeitschrift Culture & Psychology und lehrt als

Dozent an der Ludwigs-Maximilians-Universität München.

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In der Länge dieses Wimpernschlags hatte ich Bilder von Re-servaten indigener Menschen in Nordamerika im Kopf, dachteblitzartig noch an Reservate von Kunstmusikliebhabern, Fleisch-und Gemüseessern, Wein- und Biertrinkern, Franken und Frie-sen ... Nachdenklich machte mich dann zuerst das Wort „Wie-derbelebung“. Tatsächlich ist der Identitätsbegriff mit Mead,Erikson, Habermas, Quante, Krappmann, Keupp, Kaiser und vie-len, ja zahllosen Autoren extensiv diskutiert, mit Studien zumSelbstkonzept oder zur Selbstkonstruktion, beispielsweise des Mu -siklehrers oder türkischer Jugendlicher, Gegenstand (musik-)pä-dagogischer Forschung und eigentlich durch Vorschläge zu alternativen Bezeichnungen relativiert, wie z. B. bei der Ethno-musikologin Diamond, die von „alliances“ spricht. Trotzdemsetzt sich eine reflektierte Begriffsverwendung in Alltagsdiskus-sionen nur mit Mühe durch. Hoch subjektive, normative Vor-stellungen sowohl eines Identitäts- als auch eines Kulturver-ständnisses scheinen fürwahr ein sicheres Rückzugsgebiet zu

sein, weil unter Umständen gar die Auffassung, meine Identitätsei fluide, gewaltig verunsichert.Dann schreibt Meskini vom „Druck des Identitätswahns“. Undwirklich: Ist denn die im Umfeld der Huntington-Debatte for-mulierte Kritik von Thomas Meyer unter dem Titel Identitäts-Wahn (1998) schon vergessen? Ganz zu schweigen von Adorno,Derrida, Butler u. a. Meyer wies seinerzeit darauf hin, Identitäts-suche würde zum Identitäts-Wahn. „Erst dort, wo sie ohne Dis-tanz zu den eigenen Rollen, ohne Empathie für die verschieden-artigen Rollen und Identitäten der Anderen, ohne den Willenund die Fähigkeit, Ambivalenzen zu ertragen, in jedem Hand-lungsfeld nur ganz als dieselbe aufzutreten vermag. Identitäts-Wahn will nichts als Identität, dieselbe in allen Lebensbezügenund bei allen Anderen.“2

Mit Blick auf (bildungs-)politische Diskussionen kann vor demHintergrund des obigen Zitats vorerst das simple Fazit gezogenwerden: Wiederbelebung ja, Identitätswahn ja. Denn der Begriff

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Musiker der Musikhochschule Stuttgart bei einer gemeinsamen Probe. Auf dem heutigenProgramm stehen: Bach, Mozart und Brahms, aber die Freude am gemeinsamen Musizieren und der kulturelle Austausch der Musiker stehen im Fokus.

Einen Wimpernschlag lang irritiert, las ich vor einiger Zeiteinen Textabschnitt in einem Aufsatz des tunesischen Philo-sophen Fethi Meskini: „Die Wiederbelebung der Identitätenund der Druck des Identitätswahns lassen die post-modernenGesellschaften wie Reservate für bedrohte Gattungen erscheinen. Oft gelingt es nicht mehr, dazwischen zu unter-scheiden, ob heimatlos gewordene Jugendliche auf der Iden-titätswelle surfen, oder ob es sich um das Verlangen nach einer Entwicklung zu positiver Freiheit handelt.“1

Eine kritische Betrachtung Bernd Clausen

Welchen Beitrag können MUSIKHOCHSCHULEN bei der persönlichen Entwicklung der Studierenden leisten?

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sitzt mit Wortnachbarn wie national, regional, kulturell,deutsch, europäisch, historisch, ethnisch und „Ich“ fest in vie-len Köpfen und trägt prinzipiell fundamentalistisches Potenzial.Der Politik, der Bildungspolitik sowie ihren Institutionen wieSchule und Hochschule wird offensichtlich die Möglichkeit,mithin die Aufgabe zugeschrieben, Identitäten zu schaffen, zukonturieren, zu konsolidieren, zu reflektieren oder zu modifi-zieren, in jedem Falle ihre Herausbildung irgendwie zu beein-flussen, gar zu unterstützen. Dahinter steht im schlimmsten Falleeine Defizitdiagnose (heimatlos, wurzellos usw.) mit einer dif-fusen Zielsetzung, im besten Falle eine gehörige Portion Respektvor dem Vorbefindlichen, gepaart mit einem ausgewogenen Zu-sammenspiel von kritischer (Selbst-)Reflexion und pädagogi-scher Verantwortung. Es war Kofi Annan, der Ende der 1990er-Jahre den Begriff„Iden titätspolitik“ (Identity politics) prominent und anhand derdama ligen politischen Lage kritisierte und bewusst oder un -bewusst an einen bis dahin schon über 20 Jahre alten Diskursanknüpfte. Denn Identität wird in dem Augenblick politisch, wosie über das Vertreten spezifischer politischer oder ökonomi-scher Interessen als kollektive Identität vereinnahmt wird. Sie seiin dieser Form, so Annan im UN-Jahresbericht 1997, verant-wortlich für die meisten der ungeheuerlichen Verletzungen internationalen humanitären Rechts. Diese negativen Formen einer Identitätspolitik seien wirkmächtig und besäßen explosiveSprengkraft.Angesichts dieses kursorischen Überblicks stimme ich in Hin-sicht auf das Sprechen über Identität der Auffassung MahmoudBassiounis also zu: „Die Identitätsfrage lässt sich losgelöst vonsozialpolitischen Machtstrukturen [...] nicht erläutern.“ Wiederbelebung der Identitäten und der Druck eines „Identi-tätswahns“ sind Dynamiken, die im Ergebnis – so verstehe ichMeskini – Identität zu einem nicht mehr klar voneinander un-terscheidbaren, d. h. beschreibbaren und gefährlichen Papier-versteck werden lässt.Um in den kommenden Ausführungen nicht missverstanden zuwerden: Ich verneine nicht die Tatsache Identität. Vielmehr stim-me ich Meskini ebenfalls in der Aussage zu: „Ein Faktum derIdentität ist von vornherein anzuerkennen.“ Die typische Struk-tur dieses „Homo identicus“, den der Autor in seinem Beitragcharakterisiert, sei jedoch nicht mehr durch „traditionelle For-men des Identischen, des Gleichartigen und des Subjektiven“,sondern sie sei (und hier knüpft er an Michel Foucault an)durch „die Erfahrung der Selbstsorge“ gekennzeichnet. Könnten wir in musikbezogenen Zusammenhängen bitte end-lich an diesen Diskurs anschließen? Das heißt auch: Sind wiruns bewusst darüber, dass wir bei einer Diskussion über Wech-selbeziehungen zwischen musikalischer Identität und der Insti-tution Musikhochschule massiv (musik-)kulturelle Identitätspo-litik betreiben? Ist es klar, dass dahinter Essentialisierung und

Ethnisierung stehen, Zuweisungen, die angesichts diverser mu-sikalischer Praxen gefährliche Nährböden für Ausgrenzung undAssimilation (wohlmöglich als Integration verkleidet) sind, alsoZüge von Fundamentalismus im oben genannten Sinne tragen? Aber bitte, bevor hier unzumutbare Parallelen zwischen Politikund Musikkultur gezogen werden, klären wir doch auch, wasmit Identität eigentlich gemeint ist! Wenn es nämlich in diesemBeitrag um eine Beantwortung der an mich gestellten Fragegeht, „Was tragen die Musikhochschulen zur kulturellen Identi-tät bei?“, dann wäre mindestens eine Vorannahme bereits durchdie Formulierung der Frage gesetzt: Musikhochschule soll etwasbeitragen oder trägt gar bei. Ein Lehrstück für die multiplen Ansichten auf Identität – undzwar sowohl in Hinsicht auf Menschen als auch auf Institutio-nen – ist die Lektüre des Magazins Spektrum der Stuttgarter Musikhochschule.3 Es widmete sich dem Thema Identität ausunterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln; hier folgt eine kleine Blütenlese:

Identität ist mit Blick auf die Institution Musikhochschule ge-wachsen, unverwechselbar und mit Emotionen verbunden;

Identität muss in Institutionen der Kultur „eine Besonderheitund Andersheit“ herstellen;

Identität wird im Erzählen nicht nur „als gegeben angenom-men“, sondern muss zugleich „in der Interaktion mit anderenimmer wieder hergestellt werden“;

„Künstlerische Identität der Persönlichkeiten und die indivi-duelle Kraft, die ihnen durch den Klang innewohnt, sind wohldie Maximen eines musischen Erlebnisses – egal ob im Sinfo-nieorchester, im Blasorchester, im Kammerensemble oder alsSolist“;

Identität kann einerseits über die „Identifikation mit einemüberragenden Vorbild“, anderseits über die „musikalische Ausei-nandersetzung mit dem Vorbild“ begründet werden.Facettenreich sind die Ansichten, zugleich zeigen sie beispiel-haft, dass durcheinandergeht, was Erikson in seiner Differenzie-rung zwischen Ich-Identität und personaler Identität zu trennenversuchte. Völlig wertfrei lässt sich daher resümieren, dass sichin weiten Teilen dieser Beiträge ein alltagstheoretisches Verständ-nis von Identität widerspiegelt. Die Musikhochschule mit ihrenunterschiedlichen Lern- und Erfahrungsräumen – darin schei-nen sich die Autorinnen und Autoren indes einig – handeltIdentitäten aus, begründet Identitäten mit Hilfe von Vorbildernusw. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Musik ereignetsich stets in sozialen Kontexten. Mit Blick auf den schulischenMusikunterricht hat Hermann Josef Kaiser konstatiert, kulturelleIdentität beinhalte zugleich Grenzziehung und Permeabilität.„Durchlässigkeit meint in diesem Zusammenhang jenes Aus-maß, mit dem eine Person ‚Andersartigkeit‘ akzeptiert ohne die-se als Angriff auf die eigene Identität oder gar als deren Infrage-stellung zu empfinden.“4

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Die auf eine Institution zugeschriebene Sollenszuschreibung je-doch lässt diesen andauernden Prozess in eine fragwürdigeRichtung kippen. Friedrich Uecker hat in seinem Beitrag im vorletzten Musikforum für unseren Zusammenhang min destens aneiner Stelle Unrecht.5 Es wird von ihm ein überholter Kulturbe-griff vertreten, wenn von fehlendem „Kulturtransfer“ gespro-chen wird: Was ist denn mit Blick auf die Studierenden aus an-deren Ländern mit „ihrer Kultur“ gemeint, die „bei uns in denHochschulen oder in der Region zu einer Vielfalt unser allerKultur würde, wenn sich die ausländischen Studierenden mitihrer Bach-Mozart-Brahms-Fixierung auch um den kulturellenAustausch bemühten“? (Abgesehen davon, dass diese Sicht be-stehendes Engagement einiger Musikhochschulen nicht wahr-nimmt.) Mit dem Erziehungswissenschaftler Paul Mecheril ge-sprochen, wird mit solchen Formulierungen der Begriff „Kul-tur“ zum Sprachversteck für Rassekonstruktionen, weil dem An-deren eine bestimmte zugeschrieben wird, sei sie nun migran-tisch und/oder ethnisch etikettiert. Das ist Ethnisierung, diezeigt, dass selbst in dieser von ihm – im Übrigen recht pauschal– vorgetragenen Institutionen-Kritik vermeintliche Rezepte einegefährliche Dosis verschreiben. Identität und Interkulturalitätkönnen nicht verordnet werden. Die diese Ausführungen losgetretene Fragestellung ist grundle-gend falsch und daher nicht zu beantworten. In ihr schwingtunartikuliert ein normativer Gedanke mit, weil die deutschenMusikhochschulen von vielen vornehmlich als ein Reservat füreine bedrohte Musiktradition wahrgenommen werden, imschlimmsten Falle darüber hinaus noch national etikettiert. Einesolche Musikpolitik erstickt die Bemühungen der Musikhoch-schulen, ihren Auftrag im Spannungsfeld zwischen Bewahrungund Neugestaltung zu bestimmen. Es ist z. B. noch nicht genugausgelotet worden, was (in vielen Fällen) der Wechsel von ei-nem Konservatorium zu einer Kunsthochschule, also einer drit-ten Hochschulform, in der deutschen Bildungslandschaft tat-sächlich bedeutet. Damit geht meines Erachtens ein Maß an Ver-antwortung einher, das nach wie vor zentral um die künstleri-

sche Tätigkeit, um Üben, Aufführen, Neuschaffen etc. kreist. Daist die Musikhochschule wie jeder andere soziale Verbund aufder Ebene der Subjekte identitätsbildend. Aber die Verantwor-tung reicht auch in die Mitte einer Gesellschaft hinein, die sichdiese Institution leistet. Und hier findet gegenwärtig eine Iden-titätssuche jeder einzelnen Einrichtung statt. Das ist anzuerken-nen. Identitätspolitik im oben genannten Sinne, wie mit dieserFrage suggeriert, wirkt hier störend und verstörend.

1 Ferthi Meskini: „Der letzte Kommunitarier oder: Nach der Identität“, in: Sarhan

Dhouib (Hg.): Kultur, Identität und Menschenrechte. Transkulturelle Perspektiven,

Weilerswist 2012, S. 115-133.

2 Thomas Meyer: Identitäts-Wahn. Die Politisierung des kulturellen Unterschieds,

Berlin 1997.

3 Regula Rapp (Hg.): Spektrum (Magazin der Staatlichen Hochschule für Musik

und Darstellende Kunst Stuttgart), 23/2014.

4 Hermann Josef Kaiser: „Kulturelle Identität als Grenzerfahrung“, in: Jürgen Vogt

(Hg.): Zeitschrift für Kritische Musikpädagogik, 2008: http://www.zfkm.org/08-kai-

ser.pdf (aufgerufen am 10.04.2014), zuerst erschienen 2005.

5 Friedrich Uecker: „Hochschulinfarkt“, in: Musikforum 1/2014: S. 12–13.

Literaturhinweis:

Bernd Clausen: „Responses to Diversity: Musikunterricht und -vermittlung im

Spannungsfeld globaler und lokaler Veränderungen“, in: Jens Knigge/ Hendrikje

Mautner-Obst (Hg.): Responses to Diversity: Musikunterricht und -vermittlung im

Spannungsfeld globaler und lokaler Veränderungen, Stuttgart 2013, S. 8-40. On-

line verfügbar unter: http://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=8175

(aufgerufen am 10.4.2014).

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Bernd Clausen war als Lektor in Muroran/Japan tätig und graduierte in Tozan-

Shakuhachi. Er promovierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover

und habilitierte mit einer Studie zum japanischen Musikunterricht an der Universi-

tät Potsdam. Derzeit hat er eine Professur für Musikpädagogik/Musikdidaktik an

der Hochschule für Musik Würzburg inne.

Das Ensemble Sinfonia Piccola der Musikhochschule Stuttgart ©

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Globalisierung und Modernisierung führen wirtschaftlichzum Erfolg, andererseits aber auch zur Rückbesinnung auf Wur-zeln und Identität, denn mit dem Tempo, mit dem sich die Le-bensverhältnisse und regionalen Bezüge ändern, verfremdensich die Herkunftswelten. Nicht mehr das überzeitlich Gültigeist normativ, sondern die Veränderlichkeit an sich. Die Erfah-rung, dass Lebenszeit und Weltzeit ungleich groß sind, generiertdas Gefühl, möglichst zeitökonomisch zu leben. Die unüber-windbare Differenz von Welt- und Lebenswissen – sämtlichesWissen ist im World Wide Web zu jeder Zeit und an jedemPunkt verfügbar – erzeugt eine ungeheure Verdichtung und Prä-senz von Information. Ereignisse, die früher lokal begrenzt undweit entfernt waren, lösen jetzt globale Panik aus. Die Menschenentwurzeln und haben den Wunsch, inne zu halten. In der Folgebilden sich Bürgerproteste gegen jede Form von Veränderungheraus: Initiativen, die um die Erhaltung ihres Bahnhofs kämp-fen oder gegen Brücken demonstrieren, Liedermacher, die sichin Mundart artikulieren, oder Menschen, die sich nach der„Landfluchtidylle“ sehnen, wie sie von zahlreichen Hochglanz-prospekten propagiert wird – sie alle sind auf der Suche nachHeimat.

Rüdiger Safranski weist darauf hin, dass wir zwar global kom-munizieren und agieren, aber nicht im Globalen wohnen kön-nen. Das Gleichgewicht von Mobilität und Weltoffenheit einer-seits und Ortsbeständigkeit andererseits ist eine anthropologi-sche Grundbedingung. Heimat ist nicht der Gegenbegriff zurGlobalisierung, sondern ihr notwendiger Ankerpunkt.Die Sehnsucht nach Heimat verschärft sich vor dem Hinter-grund der demografischen Entwicklung. Während die Zahl derüber 80-Jährigen in Deutschland ansteigt, geht die Zahl der unter 25-Jährigen zurück. Die Landbevölkerung schrumpft unddie Großstädte wachsen. Und da mehr Frauen als Männer dieländlichen Regionen verlassen, bildet sich dort ein bleibenderMännerüberhang. Wo keine Kinder geboren werden, stellt sichdie Frage der Lebensleistung der Älteren. Sie haben Sorge, mitden Problemen der Welt allein gelassen zu werden.Allgemein bezeichnet Heimat die Bilder und Mythen, mit denenman groß geworden ist, den Ort der Herkunft, in den man hineingeboren wurde und der einem existenzielle Vorgabe ist,was in Sprache, Riten und Verhaltensmustern zum Ausdruckkommt. Heimat ist zugleich aber auch der Ort der Vertrautheitund Sicherheit, den man versteht und in dem man verstandenwird. Das Heimatempfinden vermittelt einem das Gefühl vonGeborgenheit, Annahme und Sicherheit. Somit ist ein positiverHeimatbegriff Voraussetzung für Stabilität, Ordnung und Orien-tierung im Erleben und Handeln. Das „Heim“ ermöglicht esdem Menschen, Bindungen einzugehen und in sich zu wohnen.Aber bei seinem Weg durch die Zeit bleibt er bei keiner einge-nommenen Haltung stehen. So befindet er sich immer auf dem„Heim-weg“, wie die Philosophin Karen Joisten schreibt.In der Neuzeit besaß Heimat eher eine rein wirtschaftliche Be-deutung, was in Begriffen wie „Heimatrecht“ und „Heimatbe-sitz“ zum Ausdruck kam. Wenn „Heimat“ aber nur als Projek -tionsfläche von Sehnsüchten oder laut Eduard Spranger als

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Mit der Frage nach der Heimat scheint es sich so zu verhaltenwie mit der Frage nach der Zeit. Der Philosoph Augustinus(354-430) bekannte, dass er wisse, was sie sei, wenn ihn aberjemand danach frage, wisse er es nicht mehr. Heimat scheintbereits verloren gegangen zu sein, wenn danach gefragt wird;denn jemand, der beheimatet ist, reflektiert das Verhältnisvon innerer und äußerer Wirklichkeit nicht. Erst wenn esaufgrund äußerer Veränderungen oder individueller Ent-wicklungen gestört ist, wird Heimat zur Aufgabe.

Auf der Suche nach dem UrsprungHeimat und ihre Bedeutung für kulturelle Identität Joachim Klose

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„geistiges Wurzelgefühl“ betrachtet wird, würde man dem Be-dürfnis nach Orientierung und Sicherheit nicht gerecht. Heimatist vielmehr unser von innen heraus entworfenes Verhältnis zurWelt. Sie bedarf der aktiven Aneignung, des sich „Heimisch -machens“, und ist nicht nur Umgebung, an die man sich an-passt, sondern auch etwas, das es erst zu schaffen gilt. Heimatwiderfährt einem und wird durch die Ereignisse konstituiert, indenen man sich befindet. Das, was Heimat ist, wird einem erstim Verlust, im Erleben von Nicht-Heimat, und in der Begegnungmit dem Fremden bewusst. In der anthropologischen Analyse des Heimatbegriffs zeigt sich,dass drei Aspekte für die Beheimatung wesentlich sind. Diessind die Orte, die wir bewohnen, das Haus, die Straße, Stadtund Region. Als prägendstes Gebäude des Heimatortes wird anerster Stelle und ganz unabhängig davon, ob man religiös istoder nicht, immer die Kirche genannt. Die Kirche als Mittel-punkt des Orts drückt eine Grundordnung aus. Ihr folgen dieSchule, das Rathaus und das Elternhaus. Orte der Beheimatungsind immer auf den Einzelnen bezogen. So sind „meine Orte"andere als die meines Nachbarn. Und diejenigen, die den Hei-matort verlassen haben, wünschen, dass die alte Heimat sichnicht verändert, obwohl sich doch auch diese im Laufe der Zeitentwickelt.In einer mobilen Gesellschaft werden Sozialräume immer wich-tiger. Stabile Gemeinschaften und damit die Lebendigkeit derOrte spielen für die Beheimatung eine wesentliche Rolle. Sosind auch soziale Netzwerke Räume von Beheimatung undIdentität.Der dritte Heimataspekt ist die Zeitlichkeit. Alle in den Raumeingeschriebenen Relationen schreiben sich auch in die Zeit ein.In der Zeit findet die Synchronisation von innerer und äußererWirklichkeit statt. Die zivilisatorische Innovationsdynamik be-wirkt unvermeidlich einen „lebensweltlichen Vertrautheits-schwund“, wie Hermann Lübbe bemerkt. Man kann heimatloswerden, ohne seinen Wohnort zu verlassen, weil die Welt um ei-nen herum sich rasant entwickelt.Die archetypische Handlung, die die Beheimatung in der Zeitermöglicht, ist das Spiel. So wird in einem Fragment des Philo-sophen Heraklits auch die Zeit in ihrer ursprünglichen Eigen-schaft als ein Kind dargestellt, das mit Würfeln spielt. Im spiele-rischen Festhalten an der Ordnung wird diese unterbrochenund reflektiert. Die Verkleinerung und Verdichtung der Zeit imSpiel erlaubt es, sie überhaupt erst zu erfassen. Giorgio Agam-ben verweist darauf, dass sich der Mensch im Spiel von der hei-ligen Zeit löst und in der menschlichen vergisst. Kultur in ihren ursprünglichen Phasen wird gespielt. Sie ent-springt nicht aus dem Spiel, aber sie entfaltet sich im Spiel undals Spiel. So verleihen Kult und Kultur als zeitliche Unterbre-chungen und stellvertretende Handlungen dem Wirklichkeits-prozess und den eigentlichen Handlungen Bedeutung.

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Joachim Klose promovierte in Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität

München und war wissenschaftlicher Referent an der Katholischen Akademie in

Berlin. An der Humboldt-Universität zu Berlin lehrte er an der Fakultät für Philoso-

phie und ist Gründungsdirektor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-

Meißen. Seit 2007 ist er als Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für

den Freistaat Sachsen tätig.

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Dem Spieler verwandt ist der Sammler. Indem er den (Sammel-)Gegenstand aus der diachronen Entfernung oder synchronenNähe löst und ihn in der entfernten Nähe der Geschichte er-fasst, unterbricht er den Zeitfluss und ermöglicht so Beheima-tung in der Zeit. Spielstätten, Museen und Sammlungen verfol-gen im Grunde das gleiche Ziel: Sie ermöglichen dem Einzel-nen, Sinn zu erfahren. Beheimatet sein in der Zeit heißt, eine Narration für den eige-nen Lebensweg zu besitzen, die sich durch die verschiedenenHeimatschichten hindurchzieht und kreatives Handeln ermög-licht. Insbesondere nach großen gesellschaftlichen Umbrüchenwie Kriegen oder Revolutionen, wenn den Meta-Erzählungenkein Glauben mehr geschenkt wird, gewinnen die Erzählungen,die in Kunst und Kultur zum Ausdruck kommen, an Bedeutung.Durch die Erzählungen wird der Gemeinschaft Einblick ge-währt, wie der Einzelne sein Leben deutet und mit welcher lei-tenden Idee er es bewältigt. In der Erzählung werden die Faktenaus Perspektive des Erzählenden zu einer neuen sinnstiftendenEinheit zusammengefügt. So ist die Beziehung von Kultur und Heimat eine wechselseiti-ge: Kultur stiftet Heimat und Heimat stiftet Kultur. Ohne einübergeordnetes Interesse an der Gemeinschaft gäbe es keineKultur und umgekehrt: Ohne Kultur, d. h. ohne Interpretationder Geschichte, gäbe es keinen Gemeinsinn. Kultur macht diezugrunde liegende Einheit der Heimat sichtbar.Im Rückblick jedes Einzelnen setzt sich Heimat aus verschiede-nen Schichten zusammen: der Heimat der Kindheit und des El-ternhauses, der Schulzeit und der Ausbildung, der Familien-gründung und der Berufstätigkeit usw. Schicht für Schicht fügenwir aneinander. Dieser Prozess kommt bis zur letzten Heimatnicht zu seinem Abschluss. Jede Schicht aber steht auf drei Bei-nen: den individuellen Orten, der Zeitlichkeit und dem Sozial-raum. Wird ein Aspekt überbetont, wird Heimat verzerrt undbietet sich zum Missbrauch an. Das verbindende Element aber,das sie stabilisiert, ist die Kultur, die für den Einzelnen identi-tätsprägend ist.

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Mit den nebenstehenden Worten hob der Bundespräsident an-lässlich der Verleihung der „Zelter- und Pro-Musica-Plakette“ inDresden die Teilhabe aller an der Musik hervor und vermied dasWort „Volksmusik“, einen Begriff, der in den 1920er/-30er Jahrenmit völkischen Identitätskonzepten verbunden wurde. Als wis-senschaftlicher Fachterminus ist er heute obsolet, in der Alltags-sprache aber weithin präsent. Dem Genre kommen derzeit sogarneue Bedeutungsinhalte hinzu. Begriffe wie „Volkspoesie“,„Volksdichtung“ oder „Volksseele“ haben ab der zweiten Hälftedes 18. Jahrhunderts Konjunktur. Sich abzeichnenden Moderni-sierungsprozessen stellte man als Gegenentwurf volkskulturellstrukturierte Gesellschaften gegenüber, deren Mentalitäten undTraditionen bei den „Naturvölkern“, aber auch im eigenenLandvolk zu finden seien. Beim „Volkslied“, einem Begriff, denJohann Gottfried Herder 1773 prägte, ging es vordergründigum die Erneuerung der Dichtung durch Volkspoesie. Herders

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„Die Musik geht vom Volke aus“ pointierte die Freie Presse imFrühjahr 2014 einen Ausspruch des Bundespräsidenten Joa-chim Gauck. Der hatte gesagt: „Die Musik ist zuerst und zu-letzt keine Sache von Profis, so sehr wir uns daran freuen,wenn wir Zeugen glanzvoller oder gar kongenialer Interpre-tationen werden. Sie ist zuerst und zuletzt Sache der ‚Laien‘,das kommt aus dem Griechischen und meint das Volk.“

GESÄNGE in der Wirtshausstube Volksmusik als Mittel kultureller Identität Armin Griebel

Die Band Kellerkommandomischt Volksmusik mit Rap und

spannt damit einen Bogen zwischen traditioneller Volks -musik und Moderne. Damit begeistert sie besonders auch

ein junges Publikum.

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Idee, das Ganze des Volkes sei an der Entstehung dieser Liederbeteiligt und sie seien somit unmittelbar aus dem Wesen desdeutschen Volkes hervorgegangen, wurde für die Volksliedbe-geisterung der Romantik bestimmend. In der Akzentuierung„Deutsches Lied“ spielte es für die nationale Identitätsfindungim 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle und bestimmte die Aus-wahl der Lieder, die Volksliedsammler in den verschiedenen Re-gionen des Landes für sammelwürdig hielten. Anfang des 20.Jahrhunderts setzten Lebensreformbewegungen wie die Wan-dervogeljugend das Singen von Volksliedern den als dekadentempfundenen Entwicklungen in der bürgerlichen Musikkulturentgegen. Analog dazu kam die Vorstellung von „Volkstanz“ alsUrsprung und Gegenstück höfischer und bürgerlicher Tanzfor-men auf. Der Begriff „(Deutsche) Volksmusik“ ist erst in der NS-Zeit populär geworden. Geistesgeschichtlich stellt er den Kulmi-nationspunkt der Wortzusammensetzungen mit „Volk“ dar, dieim Kontext von Aufklärung und Romantik wirkmächtig wur-den. Konnotiert mit Gebrauchsmusik aus alter und wertvollerÜberlieferung, schien Volksmusik das programmatische Gegen-stück zur „entarteten Musik“ und geeignet zur Stärkung desDeutschtums zu sein. Unreflektiert wurde nach 1945 der Volks-musik-Begriff samt seinen ideologischen Implikationen in derVolksmusikpflege weitergetragen. Eine kritische Haltung zumdeutschen Volkslied nahm dagegen die Folkbewegung der1970er-Jahre ein, die sich auf das Liedgut der Jugendbewegung(Zupfgeigenhansel), aber auch auf unterdrückte Liedtraditionendes 19. und 20. Jahrhunderts und der Protestbewegung der1960er-Jahre (Waldeckfestival 1964-69) berief. Stilistisch orien-tierten sich die Protagonisten am angloamerikanischen Folkrevi-val und signalisierten so das gebrochene Verhältnis zu den eige-nen volkstümlichen Traditionen, die in diesen Kreisen verpöntoder unbekannt waren. Das Repertoire, weitgehend Büchernentnommen, wurde außerhalb der Folkszene kaum rezipiert.Heute ist die Folkbewegung Teil einer wachsenden Weltmusik-szene, in der auch die regionalen Traditionen Europas ihrenPlatz haben. Ihr wichtigstes Zusamentreffen ist alljährlich dasTFF, Tanz- und Folkfestival in Rudolstadt, wo an einem Wochen-ende 85 000 Besucher, Junge und Alte, ihre spezielle Musikrich-tung finden können und viele sich auf Unbekanntes einlassen. Bei aller Offenheit den unterschiedlichen Mischungen gegen-über, ist ethnische Authentizität für die Festivalmacher in Rudol-stadt ein bestimmendes Auswahlkriterium. Wie noch immerbiologistische Vorstellungen und ethnische Konzepte von ges-tern, die sich im Bildungsbewusstsein verfestigt haben, herein-spielen, wird deutlich, wenn 2011 ein Weltmusikexperte desFestivals in der Zeitschrift Folker zu Protokoll gibt: „Ein deut-scher Ire, Klezmorim oder Russe wird erst dann authentisch,wenn er das fremde Erbe – das er nicht zu hundert Prozent wie-dergeben kann, weil ihm dazu die genetischen Kodizes [ge-meint: Codes] fehlen, sodass es immer ein Nachspielen, ein Fa-

ke bleiben wird – mit seinem eigenen vermengt und ein neuesHybrid daraus entstehen lässt.“ Sieht man ab von den abwegigen Mutmaßungen zur Ethnizitätkulturell bedingter Erscheinungen, die ähnlich in Feuilletonbei-trägen wie in Moderationen zu Weltmusiksendungen artikuliertwerden, so bringt das Statement eine veränderte Einstellung imUmgang mit dem „Erbe“ zum Ausdruck. Vor allem in Bayern,auf dessen Volksmusikszenen ich mich im Folgenden beschrän-ke, gilt teilweise bis heute die pflegerische Maxime, die eigene„Volksmusik“ unvermischt und rein zu erhalten. Es entbehrtnicht der Ironie, dass die Tradition, die so vehement vor Neue-rungen bewahrt werden soll, keine hundert Jahre alt ist undselbst eine Innovation des popularen Singens und Musizierensin Bayern darstellt. Die satztechnische Annäherung an die Kunst-musik, sowie ein Stilwandel zur Ästhetik des Schönklangs berei-tete die Volksmusik für die Konzertbühne und das neue MediumRundfunk vor. Initiator war Emanuel Kiem (genannt: Kiem Pau-li), der nach dem Ersten Weltkrieg Ideen der von Josef Pommerbegründeten österreichischen Volksliedbewegung auf das Grup-pensingen in Bayern übertrug und die neue „alpenländische“Mehrstimmigkeit über Preissingen und Rundfunksendungenbekannt machte. Seitdem wurde die enge Dreistimmigkeit inder Volksliedpflege vorbildlich und bayernweit nachgeahmt. Nach 1945, und somit lange vor dem Folkrevival, gab es in Bayern wieder eine Volksmusikpflege, dazu eine Volksmusikab-teilung beim Bayerischen Rundfunk, welche die Bemühungenunterstützte. Zum einen war sie Teil staatlicher Initiativen derHeimatpflege zur Identitätsstiftung und Förderung regionalerKultur. Zum anderen, vor allem in Oberbayern, mit Kiem Paulials Leitfigur, gab es sie als Szene, deren Aktivitäten medial prä-sent waren. Kiems Nachfolger Wastl Fanderl inszenierte die „al-penländische“ Spielart der Hausmusik für das Fernsehen als„Stubenmusi“, dargeboten im familiären Rahmen einer Bauern-stube als Chiffre für eine intakte Welt. Seine Sendungen warenüberregional erfolgreich, bevor Karl Moik mit dem „Musikan-tenstadl“ die massentaugliche Variante als Unterhaltungsformatschuf und damit den Begriff „Volksmusik“ nachhaltig besetzte. „Volksmusik“, im von der Pflege ausgebildeten Verständnis, er-weckt die Vorstellung von einer stilistisch eigenständigen Gat-tung, die in Notenarrangement und Sound erkennbar ist. Mitder Praxis tradierten Musizierens, auf die sich die Volksmusik-pflege beruft, und ihrer Funktionalität als Tanzmusik hat das we-nig zu tun. Letztere sollte zum Tanz aufreizen und hatte eigeneLebensgesetze. Verbreitet war das Spiel aus dem Stegreif. Außer-halb der Volksmusikpflege, in Franken in der brauchmäßig ver-anlassten Musik bei Kirchweihfesten, kann man dieses Stegreif-spiel bis heute erleben. Bezeichnenderweise sind die Träger die-ser Musik gestandene Tanzmusikanten, selten Gruppen derVolksmusikpflege. Hier wird ohne Noten und ohne Proben ge-spielt, man muss jedoch die Gesetzmäßigkeiten dieser improvi-

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satorischen Aufführungspraxis beherrschen, um mitwirken zukönnen. In traditionellen Zusammenhängen sah und sieht manden Musikanten in erster Linie als musikalischen Dienstleister,nicht als Interpreten von Werken der „Volkskunst“. ModerneVeranstaltungsformen wie der jugendgemäße „Antistadl“, alsExperimentierfeld für alles, was sich im weitesten Sinn mit tra-ditioneller Musik auseinandersetzt, tragen dem Rechnung. ZumVolksmusik-Event „drumherum“ in Regen im BayerischenWald, das unterschiedlichen volksmusikalischen Kommunika -tionsformen den Rahmen bietet, treffen sich alle zwei Jahre einige hundert MusikantInnen und 50 000 Anhänger über -wiegend traditioneller Richtungen aus Bayern, Österreich undder Schweiz.Stand für die Volksmusikpflege bis in die 1970er-Jahre das vomUntergang bedrohte Repertoire im Vordergrund, so nahm dieseither einsetzende Feldforschung die improvisatorische Auffüh-rungspraxis, ihre Vermittlung in der oralen Tradition und dieUmsetzung unter den Bedingungen der Volksmusikpflege inden Blick. Von Österreich aus setzt sich der Musiker und Päda-goge Rudi Pietsch für das Lernen aus der lebendigen Überliefe-rung der Volks(tanz)musik ein. Seine Erkenntnisse, die er alsFeldforscher in der Begegnung mit alten Tanzmusikanten ge-wonnen hat, gibt er durch Workshops in Deutschland undÖsterreich und seine Lehrtätigkeit an der Universität für Musikund darstellende Kunst in Wien weiter. In Bayern wurde FranzSchötz vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege zumwichtigen Traditionsvermittler ernannt, der jungen MusikantenGelegenheit bot, mit semiprofessionellen Musikern zusammen-zuspielen und dabei zu erfahren, was die Qualität ihres Tanzmu-sikspiels ausmacht. Dieses Lernen funktioniert sogar mittelsSchellackaufnahmen, wie der fränkische VolksmusikberaterFranz Josef Schramm gezeigt hat. Auch die „Neue Volksmusik“ („Volxmusik“) in Bayern, Öster-reich und der Schweiz beruft sich auf volksmusikalische Tradi-tionen, stellt aber die Fähigkeit, Neues zu adaptieren und zu in-tegrieren, in den Vordergrund. Die Chiemgauer Band „La BrassBanda“, deren volksmusikalische Anmutung allein von Blech-blasinstrumenten, Tracht und Dialekt herrührt, wird deshalbgern mit dem Etikett „Volksmusik“ behängt und sieht sichselbst in dieser Tradition. Den Anspruch, Musik für alle zu sein,löst sie ein, indem sie für die dörfliche Jugend in der Provinzbeim Vereinsfest im Bierzelt live die Partymusik liefert. Die Bam-berger Band „Kellerkommando“, die ihre Popmusik mit Ele-menten fränkischer Kirchweihmusik verbindet, bewirkt mit ihrem Crossover aus HipHop, Ska und Punk, dass das Generations-und Szenenspezifische in einem neuen Ganzen aufgehobenwird und die entstehende Musik als generationenübergreifendePartymusik funktioniert. Es spricht vieles dafür, dass die Bandaus der fränkischen Provinz Teil eines neuen „Volkstons“ in derMusik ist. Mit ihren drastisch-deftigen Texten treffen sie auch

beim großstädtischen Publikum des Reeperbahnfestivals inHamburg auf offene Ohren. Wie aber steht es um die Teilhabe aller an der Musik? Vor allembeim Singen, welches von jeder Generation neu entdeckt wird,zeigt sich die Mitwirkung der Gesellschaft an der Musik. Ge-meint ist Singen ohne Anspruch auf Kunstmäßigkeit, bei demdie Lust am musikalischen Ausdruck, am gemeinsamen Singer-lebnis vorrangig ist. Es steht auch Ungeübten und „Unmusikali-schen“ offen, wie beim von England ausgehenden „Natural Voice Network“. In Bayern, besonders in Franken, erleben „Offene Singen“ als „Wirtshaussingen“ großen Zulauf. Wichtigscheint der gesellige Rahmen: die Wirtsstube, die für Nähe undGemeinschaft steht. Indiz für den Bedarf an Singgelegenheitenund Liedern mag das von der Forschungsstelle für fränkischeVolksmusik erarbeitete Taschenliederbuch „Wirtshauslieder“sein, das in kurzer Zeit 30 000 Abnehmer fand. Die Singrundenhegen die Vorstellung, dass ihre Lieder alt und wertvoll sind. Da-bei geht das Singrepertoire der „Wirtshaussänger“ weit über dashinaus, was die Liedpflege als Volkslied definierte. Wenn Urhe-berrechte bestehen, hat das für den Singgebrauch im Wirtshauskeine Konsequenzen: Das gemeinsame Singen stellt keine Veran-staltung im Sinne der GEMA dar, denn es gibt hier keine Tren-nung zwischen Darbietenden und Zuhörern, das Singen dientdem eigenen Werkgenuss.

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Armin Griebel studierte Volkskunde in Würzburg und promovierte im Bereich

Folklorismus und regionaler Volks- und Populärmusik. Seit 1984 arbeitet er bei der

Forschungsstelle für fränkische Volksmusik und leitet inzwischen das Informa -

tionszentrum für Gebrauchsmusik in Franken. Im Besonderen beschäftigt er sich

mit Folkrevival und regionaler Volksmusik, zudem ist er in der Volksmusikszene

Frankens als Kontrabassist der Klezmerband „Schmitts Katze“ tätig.

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Musik verbindet

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Wie definieren Sie Kulturelle Vielfalt?

Die Definition hängt sehr davon ab, wo man lebt und aufge-wachsen ist. Für mich bedeutet das Leben in Berlin KulturelleVielfalt. Ich nehme mit offenen Augen und offenem Herzen dieMenschen um mich herum wahr.

Welche Rolle spielt das Thema „Identität“ für Sie?

Jeder Mensch erlebt seine individuelle Lebensgeschichte – dasist für mich Identität. Die Lebensgeschichte meiner Eltern undnatürlich meine eigene haben mich geprägt: das Leben im Aus-land, Reisen, die Menschen, die mir begegnen. All das trägt zumeiner Identität bei.

Denken Sie, dass wir uns stärker mit der Frage auseinander-

setzen sollten, wer wir sind?

Wer mit offenen Augen durchs Leben geht und sich nicht ausder Gesellschaft ausschließt, muss sich mit dem Thema „Identi-tät“ auseinandersetzen. Im Iran werde ich anders wahrgenom-men als in Deutschland. Natürlich frage ich mich dann, wer icheigentlich bin. Irgendwann habe ich es mir sehr einfach gemacht und gesagt:Mein Blut ist 100 Prozent persisch und ich bin 100 Prozentdeutsch sozialisiert, weil ich hier geboren und aufgewachsenbin. Trotzdem ist das sehr vereinfacht, weil viele weitere Aspekteeine Rolle spielen. Ich habe Klassik und Jazz studiert, bin aufKonzertreisen fast in der ganzen Welt gewesen. Das alles beein-flusst und prägt mich, sodass meine Identität aus ganz vielenverschiedenen Facetten besteht.

Was bedeutet für Sie Heimat?

Als gläubiger Mensch ist Heimat für mich, bei Gott zu sein. AlsMusikerin kann ich sagen, Heimat ist für mich Berlin. Ich habehier diesen inneren Frieden, dass ich so sein darf, wie ich bin.Es ist hier z. B. auch selbstverständlich, dass meine Tochter zwei-sprachig aufwächst – das hat eine positive Selbstverständlich-keit.

Es heißt so oft, dass Musik Kulturen verbindet. Ist das auch

ihre Erfahrung?

In der Musik ist es völlig egal, was für einen Background manhat. Deswegen liebe ich auch den Jazz, weil es einfach um Im-provisation geht, man sich selbst in die Musik hinein gibt undetwas durch verschiedene Charaktere entsteht, die aufeinandertreffen. Das fasziniert mich an improvisierter Musik.

Fühlen Sie sich für musikpolitische Botschaften instrumentali-

siert, wenn es heißt, dass Musik Grenzen überwindet?

Wenn ich mit meinem persischen Hintergrund mit einer israeli-schen Sängerin und einem arabischen Sänger zusammen singe,dann spielen automatisch auch politische Aspekte mit hinein.Auch der Fakt, dass ich meine Musikerkarriere im Iran nichtmachen könnte, dass es verboten ist, spielt eine Rolle. Ich habeeine große Sehnsucht, mich als Musikerin auch im Iran zu prä-sentieren, doch das geht nicht. Aber diese politischen Hinter-gründe sind für mich letzten Endes nicht der Grund, warum ichmein Leben so lebe. Ich schaue einfach, welche Türen sich öff-nen, welche Menschen ich treffe. Dadurch entstehen Begeg-nung, Verschmelzung und Vermischung.

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Die iranische Sängerin Cymin Samawatie setzt sich als Musi -kerin stark mit dem Thema „Identität“ auseinander und be-schreibt ihren kulturellen Konflikt, den sie als Berlinerin mitiranischen Wurzeln empfindet. Ihre Kompositionen sind durchunterschiedliche Kulturkreise geprägt und bilden einen ganzeigenen Musikstil. Christian Höppner sprach mit der Sängerinüber ihr Verständnis von Heimat, Freiheit und die Rolle, dieMusik in unterschiedlichen Kulturkreisen einnehmen kann.

Christian Höppner im Gespräch mit Cymin Samawatie

Cymin SamawatieCymin Samawatie ist als Tochter iranischer Einwanderer 1976 in

Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie absolvierte ein Klas-

sikstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Es

folgte ein Jazzstudium an der Universität der Künste in Berlin. Sie

trat bereits gemeinsam mit Bobby McFerrin auf und arbeitet seit

2008 mit dem Musikproduzenten Manfred Eicher und mit Musikern

der Berliner Philharmoniker zusammen.

CyminologyDie vierköpfige multikulturelle Band Cyminology besteht seit 2002,

veröffentlichte bereits fünf Alben und wurde Preisträger von zahlrei-

chen Musikwettbewerben, u. a. dem Bundeswettbewerb Creole

Weltmusik 2011. Die Band konzertiert regelmäßig bei Jazzfestivals

und ist international bekannt. Im Rahmen ihrer Konzerttourneen tra-

ten sie u. a. bereits in den USA, im Kaukasus und in Südkorea auf.

Im Frühjahr 2015 erscheint das neue Album „Phönix“ bei ECM.

Informationen unter: www.cyminology.de

Kulturen

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Welche Rolle spielt Freiheit für Sie?

Freiheit ist für mich ein sehr wichtiges Thema – sowohl gesell-schaftlich, als auch musikalisch. Ich habe schon immer die Frei-heit in der Musik gesucht und fand es schade, wenn mir gesagtwurde: „Du musst das genauso spielen wie der Komponist essich gedacht hat. Hier steht ein Crescendo und dort steht einDecrescendo.“ Ich wollte eigentlich aus dem Schönen, wasmich an der Musik fasziniert, etwas Neues machen und trotz-dem den Komponisten ehren. Das ist es, was mich an Jazzmusikbegeistert. Gleichzeitig sehe ich die Musik wie eine Art Farbkasten, in demman mal Blau und Gold, Grün und Schwarz miteinander mi-schen kann. Bei meinem Projekt „Diwan der Kontinente“ habeich zum Beispiel vier Berliner Philharmoniker, vier Musiker ausder Berliner Jazzszene, vier Musiker mit Instrumenten aus ande-ren Kulturen und Sänger, die in verschiedenen Sprachen singen,eingeladen. Für dieses Projekt komponiere ich selbst – in allenFacetten und mit viel Freiheit zur Improvisation.

Wie schätzen Sie die Entwicklung von Berlin ein?

Berlin ist eine spannende Stadt und nach wie vor sehr im Wan-del. Das Potenzial sehe ich tatsächlich darin, dass so viele Men-schen mit ihren individuellen Lebensgeschichten kommen undgehen. Es gibt jedoch auch die Gefahr der Vereinsamung, wennMenschen immer mehr verlernen, in Gemeinschaft zu leben.Hier würde ich mir für Berlin eher ein Zusammenfinden undeinen Aufbau von Netzwerken wünschen.

Wie schätzen sie über Berlin hinaus die gesellschaftliche Wert-

schätzung von kreativen Leistungen ein? Steigt diese aus Ihrer

Wahrnehmung?

Leider nicht, sie nimmt eher ab. Aber ich glaube, dass dies ander Digitalisierung unserer Lebenswelten liegt. Viele Menschenagieren viel von zuhause aus, im Internet, am PC. Man mussnicht mehr unbedingt raus gehen, alles ist per Klick zu haben.Dies betrifft auch die Konzertbesucher. Die Menschen sind nichtmehr so risikobereit wie sie es früher waren, als sie gesagt ha-ben: „Ich liebe Bach, ich gehe hin und höre mir das Konzert an.Aber morgen wage ich es doch mal mit Arvo Pärt oder mit ir-gendwas ganz anderem.“ Es wäre schön, wenn noch mehrMenschen die Kunst aufwecken möchten und sich dies auch inder Vielfalt der Veranstaltungen widerspiegelt.

Wo könnte dafür die Quelle sein?

Ich denke, dass sich Künstler, die nicht den Mainstream bedie-nen, zu wenig Gedanken darüber machen, wie sie die Nähezum Publikum schaffen. Ich denke sehr viel darüber nach, wieich meine Musik zugänglich mache. Ich frage mich, ob das an-dere Musiker auch machen? Ich beobachte, dass die Masse ehermit sich selbst beschäftigt ist.

Die Menschen, die zu den Konzerten meiner Band „Cyminolo-gy“ kommen, gehen mit strahlenden Augen nach Hause und ichsehe unheimlich viel Faszination. Aber diese Personen in unsereKonzerte zu bekommen – das ist wirklich nicht einfach. Ichkämpfe diesbezüglich tatsächlich für die Musik.

Welche Rolle spielt bei diesem Begeisterungsprozess das The-

ma „musikalische Bildung für die Kinder“? Halten Sie es für un-

abdingbar, dass man sich in den Künsten ausprobiert und konti-

nuierlich von Schule oder Familie gefördert wird? Oder ist es

eher eine Frage der Ansprache, die sie gerade erwähnten?

Beides. Wir lassen unsere Tochter Musik mitbringen, die sie hörenmöchte. Irgendwann hatte sie eine Mozartphase und es war füruns Eltern selbstverständlich, dass wir uns darum kümmern, dassAufnahmen von Mozart zu Hause sind. Trotzdem hört sie auchalles andere, von Jazz bis Klassik und Popmusik. Das kann natür-lich nicht jeder haben. Wir haben zu Hause auch einen Flügel,ein Schlagzeug und viele andere Instrumente, die unsere Tochternutzen kann. Ich finde es enorm wichtig, die Türen für die Kin-der aufzustoßen und zu sagen: „Bitte, einfach ausprobieren.“

Wie ordnen Sie den Begriff der „Weltmusik“ ein?

Die meisten Menschen, die das Wort „Weltmusik“ benutzen,meinen die traditionelle Musik aus den verschiedenen Ländern– die persische, türkische, afrikanische Musik. Mit dieser Be-trachtungsweise spielt meine Band „Cyminology“ eigentlich garkeine Weltmusik. Denn wir nutzen keine musikalischen Traditio-nen aus dem Iran, sondern verschiedene Aspekte aus verschie-denen Ländern. Den Klang der persischen Sprache verbindetman natürlich mit dem Iran. Aber wir haben teilweise auch sehrklassische Kompositionsansätze und Elemente aus dem Jazz. Wirsind alle studierte Jazzmusiker und beeinflusst von der traditio-nellen Jazzmusik aus Amerika. Trotzdem wird es einen Swingoder Bebop in unseren Programmen nicht geben. In den Impro-visationen bedienen wir uns bestimmter Klänge, die man ausdem Jazz kennt. Aber es gibt keine Kategorie für diese Musik.

Abschließend möchte ich Ihnen noch drei Fragen stellen. Be-

wegung ist für mich …?

Wachstum.

Wenn ich Kulturstaatsministerin wäre, dann würde ich als

Erstes …?

die Lebensgeschichten der Menschen kennenlernen, um dieKulturelle Vielfalt in Deutschland wirklich verstehen zu können.

Und letzte Frage: Wenn ich an den Iran denke, dann …?

habe ich eine große Sehnsucht und eine große Leidenschaft, fürVeränderung zu sorgen.

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Identitäten – Alteritäten – Gender Eine, oder vielleicht die wichtigste Grundfrage des Menschseinsist die nach einer eigenen, unverwechselbaren Identität. Diesekonstruiert sich – in lebenslangen Modifikationen – durch Kate-gorien, wie den sozialen Status, verschiedene Gruppenzugehö-rigkeiten und vieles mehr. Identitäten konstituieren sich außer-dem vielfach zumeist in Abgrenzung von Alteritäten, von demoder den „Anderen“: Wie ordne ich mich (auch hierarchisch)in Bezug auf meinen Gegenüber ein? Auf einer allgemeinerenkultur-sozialen Ebene haben hier – auch gesellschaftlich gene-rierte – Vorstellungen von Hetero- und Autostereotypen einewesentliche Bedeutung. Eingenommene Rollen sind die nachaußen wirkenden Teile, die Repräsentation der komplexen Iden-tität. Eine der wichtigsten Determinanten dieser Identität ist das Ge-schlecht in allen Variationen. Hier hat Judith Butler auf diegrundlegende Trennung zwischen Sex (dem biologischen Ge-schlecht) und Gender (dem sozial konnotierten Geschlecht)hingewiesen. Während die Kategorie Gender primär als soziohistorische ge-sehen wird, erscheint Sex zunächst als „überzeitlich“. Jedoch istauch die biologische Differenz zwischen männlich und weib-

Dass Musik eine wichtige Rolle in der individuellen Iden -titätskonstruktion spielt, zeigt sich im aktuellen Straßen bildbesonders deutlich: Nicht mehr kleine, unauffällige Ohr-Kopfhörer sind gefragt, sondern solche mit großen, oftbunten Ohrmuscheln, die stolz durch die U-Bahn getragenwerden: Ich höre, also bin ich?

Zur Entwicklung musikalischer Rollenbilder Corinna Herr

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Musik UND Gender

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lich kulturell bestimmt: Bereits antike medizinische Autoren un-terscheiden in der biologischen Definition von Geschlecht denweiblichen vom männlichen Körper und auch die beiden wich-tigsten antiken Theoretiker, Platon und Aristoteles, verorten dieFrau unterschiedlich: Platon vertritt die Gleichheit der Naturenvon Mann und Frau, so müsse die Frau in allen Ständen der an-tiken Gesellschaft zugelassen sein, „je nach Beschaffenheit ihrerindividuellen Natur“.1 Aristoteles behauptet im Gegenteil dieUnterlegenheit der weiblichen Lebewesen allgemein und derFrau im Besonderen. Die Frau gilt nach der antiken Säfte lehre,die auch noch in der frühen Neuzeit verbindlich war, als feuchtund kalt, der Mann dagegen wird als trocken und heiß definiert.Hieraus ergeben sich auch Verhaltensmuster; so wird die Fraudurch die ihr zugeschriebenen Säfte als phlegmatisch eingeord-net.2

Streit um die FrauenAn der sogenannten „Querelle des femmes“, dem Streit um dieÜberlegenheit oder Unterlegenheit der Frauen, der im Spät -mittelalter ausbricht und sich im 16. und 17. Jahrhundert inganz Europa, aber vornehmlich in Frankreich und Italien aus-breitet, sind sowohl Männer als auch Frauen beteiligt. Hier fin-den sich sowohl frauenfreundliche (gynophile) als auch frauen-feindliche (misogyne) Schriften. In der Aufklärung wird die An-thropologie der Geschlechter von Jean-Jacques Rousseau undanderen in eine Richtung entwickelt, bei der eine für die Mo-derne konstitutive, von Karin Hausen gezeigte „Polarisierungder Geschlechtscharaktere“ entsteht.3 Ein wichtiger Punkt indieser Entwicklung ist die Französische Revolution, durch diedie Ständeordnung zunächst vernichtet, aber die Geschlechter-hierarchie gefestigt wird. Die binären und hierarchischen Ge-schlechterrollen des 19. Jahrhunderts haben auch das 20. Jahr-hundert stark bestimmt. Wie sieht es nun im 21. Jahrhundertaus? Trägt Musik dazu bei, dass vorgefertigte Rollen sich öffnen,oder bestärkt sie primär die Geschlechter dichotomie und -hie-rarchie des 19. Jahrhunderts?

„Männliche“ und „weibliche“ InstrumenteDie Selbst-Präsentation der Musik-Hörenden im Straßenbildscheint mir weitgehend gender-neutral. Anders ist dies jedochfür den Gesang und das Spielen von Instrumenten zu sehen.Weiterhin existieren primär männlich und primär weiblichkonnotierte Instrumente. Auch aktuell noch spielen wenigerMädchen und Frauen die Tuba als die Blockflöte. Das bevorzugteRepertoire der Opernhäuser ist immer noch das des 19. Jahr-hunderts, in dem Protagonistinnen sich entweder in einer passi-ven, leidenden Rolle oder als negativ zu sehende Femme fatalefinden – man denke an Richard Wagners Paarungen Elisabethund Venus, Elsa und Ortrud oder an Giuseppe Verdis Aïda undAmneris, Elisabeth und Eboli.4

Findet man den Eintrag „Trumetterin“ in den Besoldungslistender Münchner Hofkapelle im 16. Jahrhundert, heißt das nicht,dass dort eine Frau als Trompeterin angestellt gewesen wäre –welch ein Fund wäre das! –, sondern dass die Witwe einesTrompeters eine Pension bezieht. Die Trompete als eigentlichesKriegsinstrument ist – wie die Schlaginstrumente – ein in dieserZeit für Frauen verbotenes Terrain. Im 18. und 19. Jahrhundertist vor allem das Klavier das bevorzugte Instrument für die „höhere Tochter“. Im späten 18. Jahrhundert werden vor allemHorn, Violoncello, Kontrabass, Fagott und Trompete als alleinden Männern „zustehende“ Instrumente deklariert; Frauen soll-ten primär Klavier, Laute, Zither und Harfe spielen.5 Auch heutefinden sich in den Orchestern nur selten männliche Harfenis-ten.

„Frau Huber bläst die Tuba“Im September 1819 berichtet die Allgemeine Musikalische Zeitungüber eine in der Schweiz reisende Trompeterin: „So eben ziehtein junges Frauenzimmer durch die Schweiz, das sich auf derTrompete hören lässt, und durch ihre Gewandheit Bewunde-rung erregt. Schade, dass sie ihre ungeheure Fertigkeit auf die-sem so schwierigen Instrumente nur in einigen Gassenhauernund Tänzen zutage fördert. Übrigens scheint sie ihre Kunst wohl

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Musizierende Frauen fand man im 19. Jahrhundert fast nur am Klavier, demInstrument der „höheren Töchter“ (George Goodwin Kilburne: The Recital)

Die Selbst-Präsentation der Musik-Hörenden imStraßenbild ist weitgehend gender-neutral

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zu würdigen zu wissen, denn sie nennt sich in ihren Ankündi-gungen die erste Virtuosin auf der Trompete.“6

Aktuell scheinen Instrumente, wie Trompete und im Extremfalldie Tuba, wenn sie von Frauen gespielt werden, immer nochauch Instrumente des „Othering“, einer Konstruktion „des An-deren“. Der Song Frau Nolte bläst die Tuba von VAN-Pop7 ist alsComedy gemeint und Vorarlberg online berichtet über musikali-sche Aktivitäten einer 25-jährigen aus dem Ort Lauterach undtitelt entsprechend: „Und Frau Huber spielt die Tuba!“8 Hätte„Herr Huber“ die Tuba gespielt, wäre dies kaum des Berichteswert gewesen. Sabrina Huber spielt übrigens auch Trompete,was im Bericht als durchaus weniger ungewöhnlich angesehenwird. Auch die Badische Zeitung untertitelt ein entsprechendesBild mit dem Kommentar „Das sieht man nicht alle Tage: EineFrau bläst die Tuba.“9

Engel und TeufelIn der Selbst-Präsentation von professionellen Musikerinnenund Musikern spielen Körper und Stimme weiterhin die ent-scheidende Rolle. Während diese Behauptung in der Popmusikkaum bestreitbar ist, scheint das Instrument auch bei den Prota-gonistinnen und Protagonisten der klassischen Musik vielfachnur Akzidenz, gerade wenn man auf DVD-Cover und Presse-Bil-der blickt. Vielfach gilt – gerade bei den Produzenten – primärdie Parole „Sex sells“, so auch für die Macher des Films Der Teu-felsgeiger (Original: Paganini: The Devil’s Violinist, Universum Film2013). Im Film steht der Star-Violinist David Garrett als Paganiniin einem schwarzen Anzug mit seiner Violine und mit für denFilm gefärbten, langen schwarzen Haaren auf der Bühne. Nebenihm eine junge Frau in einem hellen Kleid, vom Scheinwerferbeschienen: Der weibliche „Engel des Lichts“ neben demschwarzen „Teufelsgeiger“ ist offenbar ein Bild, das auch nochim Jahr 2013 seine interessierten Rezipienten findet. Parallelenin der Musikgeschichte sind nicht weit, sei es die Dichotomiezwischen dem „schwarzen“ Sklavenhalter Monostatos und derreinen, weißen, unschuldigen Pamina in Wolfgang Amadeus

Mozarts Zauberflöte oder in der Gesangsgeschichte beispielsweisedie Selbst-Stilisierung der „Tigerin“ Maria Callas gegen den„Engel“ Renata Tebaldi.

1 Sabine Doyé, Marion Heinz, Friederike Kuster (Hg.): Philosophische Geschlech-

tertheorien, Ditzingen 2002, S. 12 f.

2 Karl-Heinz Leven (Hg.): „Art. Humoralpathologie“, in: Ein Lexikon, München

2005, S. 436-441; „Art. Eunch“, in ebd., Sp. 281 f.

3 Karin Hausen: „Die Polarisierung der ‚Geschlechtscharaktere‘ – Eine Spiegelung

der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“, in: Werner Conze (Hg.): Sozial-

geschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen, Stuttgart 1976

(Industrielle Welt 21), S. 363-393.

4 Rebecca Grotjahn, Sabine Vogt (Hg.): Musik und Gender (= Kompendien Musik

5), Laaber 2010.

5 Gudrun Jalass „Von weiblichen und unweiblichen Instrumenten, in: Christa

Warkke, Berthild Lievenbrück (Hg.): Gender Studies: Dokumentation einer Annähe-

rung, Berlin 2004, S. 37-44.

6 Allgemeine Musikalische Zeitung (AMZ), September, 21/1819, Sp. 607, S. 328.

7 VAN-Pop: Frau Nolte bläst die Tuba, http://www.youtube.com/watch?v=mbXs

T8sl89s, (aufgerufen am 2.5.2014).

8 Andrea Fritz-Pinggera: „Und Frau Huber spielt die Tuba!“ in: Vorarlberg online,

11.06.2012, http://www.vol.at/lauterach/und-frau-huber-blaest-die-tuba/3276941,

(aufgerufen am 2.5.2014).

9 Christian Ringwald: „Ein bekömmliches Menü. Der Musikverein Malterdingen

und die Winzerkapelle Oberbergen begeisterten beim Konzert“, in: Badische Zei-

tung, 28.3.2013.

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Corinna Herr vertritt derzeit den Lehrstuhl für Musiksoziologie und Historische

Anthropologie der Musik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Aktuelle Veröffent-

lichung: Gesang gegen die „Ordnung der Natur“? Kastraten und Falsettisten in der

Musikgeschichte, 2. erv. A., Kassel 2013.

„Engel und Teufel“. Ausschnitt aus dem Film „Der Teufelsgeiger“mit David Garrett als Paganini in der Hauptrolle.

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MotivationstypenIn meiner langjährigen Erfahrung als Dirigent eines Zupforches-ters und des Landeszupforchesters Nordrhein-Westfalen sowieals Musikleiter des Bunds Deutscher Zupfmusiker e.V. (BDZ)sind mir drei Motivationstypen begegnet.

Typ 1: Der aus sich heraus agierende (intrinsisch) Motivierte,der vor allem an der Musikausübung interessiert ist.

Er ist der fachlich Ambitionierte, der die musikalische Auseinan-dersetzung und Herausforderung mit dem Werk und der Kom-position sucht. Er will spielen, er ist ehrgeizig, strebt stets nachvorn und ist bereit, auch im Wettbewerb mit anderen seine Er-fahrungen zu sammeln. Er spornt durch seine Leistungsbereit-schaft seine Mitspieler an, er setzt die musikalisch-technischenStandards.Das Spannungsverhältnis und sein Engagement definieren sichüberwiegend aus der Wechselwirkung zwischen eigenem An-spruch und der vereinsgebundenen Wirklichkeit. Er ist stolz aufgute Konzertergebnisse und will den Erfolg.

Typ 2: Der Vereinstyp, der sich für alle Belange des Vereins„mitnehmen“ und begeistern lässt.In jedem Verein gibt es die „Macher“. Sie sind immer ansprech-bar, sie kümmern sich. Oft sind sie es in Personalunion und inFunktion als Vorsitzender, Schriftführer, Schatzmeister oder No-tenwart eines Vereins. Administrative und soziale Kompetenzenvereinigen sich hier in oft kongenialer Weise. Sie haben dieÜbersicht über die Entwicklungen im Verein, pflegen die Inter-

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Für Laienmusiker spielt Musik eine prägende Rolle undwirkt sich sehr positiv auf die sozialen und kommunikativenFähigkeiten der Spieler aus. Die Ensemblemitglieder engagie-ren sich in allen Sparten und Genres der Musiklandschaft.Das Repertoire der Ensembles ist dabei sehr vielfältig undreicht von Jazz- und Popularmusik über Volksmusik bis hinzur Klassik. Welche unterschiedlichen musikalischen Typenin den einzelnen Orchestern aufeinander treffen und wieMusik auf die Identität der Laienmusiker wirken kann, be-schreibt Dieter Kreidler.

Welche Wirkung hat Musik bei Laienmusikern?Dieter Kreidler

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Prägend …

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aktion mit den Mitgliedern, sie bestimmen in Abstimmung mitdem musikalischen Leiter das Tempo und die Philosophie desVereins, sie treiben die Jugend- und Nachwuchsarbeit voran –kurzum, sie sind die „Kümmerer“, wenn nötig auch bis in diePrivatsphäre!Sie blicken gern über den vermeintlichen Vereinstellerrand hinaus, sie lesen Verbandsliteratur, sind informiert, mischen sichein und fühlen sich stets verantwortlich.

Typ 3: Der Vereinstyp, der im Miteinander des Vereinslebensseine soziale Heimat sucht. Er akzeptiert, fördert und bewundert die Aktivität der „Macher“im Verein. Er gehört selbst nicht unbedingt zu den erklärtenLeistungsträgern, aber er macht mit – so gut er kann. Für ihn istdie wöchentliche Vereinsprobe ein Stück soziale Nahrung. SeineIdentifikation mit dem Verein hat in der Regel tiefe Wurzeln ineinem Verständnis für die Sinnhaftigkeit eines vom Gemeinsinngetragenen Engagements für das Vereinsleben – für seinen Ver-ein.

Hohe Leistungsbereitschaft bei AmateurmusikernAllen drei Motivationstypen gemeinsam ist der Wille zur Pflegeeiner Vereinskultur und punktuell eine hohe Leistungsbereit-schaft. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich Tausende von Ama-teurmusikern ständig durch Leistungsvergleiche miteinandermessen und begegnen. Darüber hinaus haben einige verbands-spezifische Wettbewerbe, Festivals und Jugendprojekte derLaien musikverbände, auch auf internationaler Ebene, Kultcha-rakter. Diese „breite Spitze“ zeigt sich alle vier Jahre im Deutschen Or-chesterwettbewerb bzw. den vorgeschalteten Landeswettbewer-ben. Die Teilnahme gehört für viele Vereine seit Jahrzehnten zuden Identifikationsmerkmalen ihrer Vereinszugehörigkeit. Der Leistungs- und Fortbildungswille zeigt sich auch in den ver-eins- und verbandseigenen Lehrgangsangeboten. Unzählige Absol -venten von D-, C- und B-Lehrgängen haben in jahrzehntelangerTradition unsere Landes- und Bundesakademien besucht, dieNachfrage ist differenziert, aber ungebrochen. Mit neuen Motiva -tionen, Erfahrungen und Kompetenzen ausgestattet befruchtendiese Multiplikatoren dann wieder unsere Vereine. Sie sind imbesten Sinne Botschafter unserer einmaligen Laienmusikkultur.

Förderung der sozialen KompetenzenIm Verein treffen Erfahrene, weniger Erfahrene, Erwachsene,Kinder und Jugendliche im generationsübergreifenden Musizie-ren aufeinander. Sie sind nicht wie beim Sport in F- bis A-Ju-gend nach Altersgruppen getrennt. Die sogenannten Soft skills(soziale Kompetenzen wie Konzentrationsfähigkeit, Teamfähig-keit, Ausdauer/Disziplin, Frustrationstoleranz, Konfliktfähigkeit)werden im Verein wie selbstverständlich in der wöchentlichen

Probenarbeit gepflegt, gelebt, kultiviert und weiterentwickelt.Der Neurologe Gerald Hüter formuliert es treffend: „Was wirbrauchen sind Erfahrungsräume, in denen Kinder den Nutzenvon Selbstdisziplin erleben.“* Einer dieser Erfahrungsräume sindMusikvereine! Im Musikverein herrscht ein unausgesprochenes aber tief emp-fundenes Identifikations- und Solidaritätsgefühl für das „Ge-meinsame“, das was alle verbindet, in gegenseitiger Achtungund mit Respekt vor der vermeintlich musikalisch-handwerkli-chen „Leistung“ jedes Einzelnen.Die Identifikation aller mit dem Gegenstand „gemeinsames Mu-sizieren“ und die „Lernlust“ vor Konzerten, sorgen selbst beigelegentlichen Konflikten und bei sensiblen Menschen immerfür eine „weiche Landung“. Der Verein fängt sie auf! Der Vereinbietet dem Einzelnen Rückhalt und Sicherheit.

Laienmusik in der HochschulausbildungAn dieser Stelle sei mir aber auch ein Schwenk in die beruflicheAusbildung von Musikern erlaubt. Die von vielen Absolventenals problematisch empfundenen Rahmenbedingungen und Herausforderungen für Musikerberufe (Honorarverträge/Patch-worker) beinhalten aktuell auch interessante berufsergänzendeArbeits- und Wirkungsfelder im Bereich der Laienmusik, auchund gerade für Musikhochschulabsolventen.Viel zu spät werden angehende Musiker meines Erachtens überdie komplexen kultur- und sozialpolitischen Netzwerkstruktu-ren unseres deutschen Musiklebens aufgeklärt. Diese zentralenund berufsrelevanten Informationen gehören unbedingt in dieStoffpläne der Studiengänge.Im Bereich der Laienmusik bieten sich überdies neue Chancenfür eine sinnerfüllte Erweiterung des eigenen beruflichen Hori-zonts. Mehr noch: Eine Identifikation z. B. als Ausbilder oder Di-rigent in einem Musikverein gibt auch dem heutigen rastlosenMusiker über das fachliche Engagement hinaus eine neue sozia-le Heimat und Perspektive. Er trifft auf Menschen, die ihre Passi-on mit Begeisterung leben. Eine verstärkte Hinwendung zumEngagement in der Laienmusikszene wäre ein echter Gewinnvon innovativer Bedeutung für unsere Kulturgesellschaft. DerVerein würde zumindest sporadisch zum fruchtbaren „Ersatz“für das ursprünglich angestrebte Kollegium. Hier liegen unent-deckte und wertvolle Ressourcen verborgen.

* Gerald Hüter: „Leistung ist nicht dasselbe wie Begabung“, in: Die Welt, 28. Au-

gust 2013, S. 6.

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Dieter Kreidler ist Professor für Gitarre i. R., Vorsitzender des Projektbeirats

Deutscher Orchesterwettbewerb (DOW), Mitglied des Projektbeirats „Jugend mu-

siziert“ und des Bundesfachausschusses Musikalische Bildung des Deutschen

Musikrats. Er ist als Herausgeber zahlreicher Publikationen sowie als Komponist

tätig und hat sich jahrelang ehrenamtlich im Bund Deutscher Zupfmusiker e. V.

(BDZ) engagiert.

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Orchester haben oft eine lange und interessante Historie, diesich meist erst im Laufe der Jahre erschließt. Bei noch jungen Or-chestern ist es der Gründungsgedanke, die Idee, deren Initiatorenvielleicht noch im Orchester spielen und die darüber spre chenkönnen. Der Name des Orchesters von Sinfonieorchester oder Ka-pelle bis Philharmonie drückt aus, wofür ein Orchester steht undauch woher es kommt. Besondere Namen wie Concertgebouw-Orchester oder Gewandhausorchester stehen für die einzigartigeVerbindung mit einem Konzerthaus. Alle diese Namen geben Aus-kunft über die Herkunft und die Besonderheiten von Klangkör-pern, sie prägen diese Orchester und geben ihnen damit eine be-sondere Stellung. Gerade bei Orchestern mit einem eigenen Saalund einer damit verbundenen Geschichte, ist die Identität derKlangkörper besonders stark vorhanden. Diese wird also geprägtdurch die Geschichte und Herkunft des Orchesters, ob als Hof -kapelle oder bürgerliches Orchester, als kommunales oder Staats-orchester. Sie wird getragen von der Stellung vor Ort, der Verbin-dung mit dem Publikum, der sozialen Verankerung. Sie wird maßgeblich beeinflusst vom Haus, dem Saal, in dem es spielt. Allediese Faktoren tragen zum inneren Zusammenhalt eines Orches-ters bei. Als ich vor 37 Jahren ins Gewandhausorchester kam, waren mir die Zusammenhänge in diesen Dimensionen nicht bewusst. Die Geschichte des eigenen Orchesters erschließt sich

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Wenn man als junger Musiker ein Orchester „betritt“, in einOrchester aufgenommen wird, kommt man in einen Organis-mus, dessen Funktionieren zum einen vom technischen Kön-nen seiner Mitglieder, zum anderen von der Bereitschaft auf-einander zu hören, zu reagieren abhängt. Was macht diesenVorgang des gemeinsamen Musizierens so einmalig? Vielleichtist es unter anderem auch das Bewusstsein, an einem Prozessteilzuhaben, bei dem etwas Komplexes entsteht, was imnächsten Augenblick wieder vorüber ist. Für diesen Prozessdes Entstehens und Vergehens brauchen wir ein Gegenüber,einen Empfänger, unser Publikum. Schon in der Ruhe vordem ersten Ton spüren wir die Bereitschaft für die Aufnahmeder Musik und am Ende eines Werks im Beifall die Anerken-nung, Zustimmung und die Dankbarkeit der Menschen. Dasalles geschieht in einem sozialen Umfeld, in das das Orchesterund sein Publikum eingebettet sind. Dazu gehören die Ge-schichte und Tradition des Orchesters, sein Name, der Kon-zertsaal, die Bindung des Publikums durch ein Anrecht, bishin zur persönlichen Bekanntschaft mit einzelnen Musikern.

KLANGkörperDas Innenleben eines Orchesters Heiner Stolle

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erst im Laufe der Jahre, in denen man in das Orchester hineinwächst. Als Gewandhausmusiker bewegt man sich selbstverständ-lich zwischen Gewandhaus, Oper und Thomaskirche, den dreiSpielstätten des Orchesters. In diesen Augenblicken ist man Musi-ker der Stadt Leipzig und wird auch als solcher wahrgenommen.Dass wir als „Gewandhäusler“ damit in der Nachfolge der Stadt-pfeifer stehen, ist mir erst im Laufe der Jahre bewusst geworden.Die Identität eines Orchesters spiegelt sich auch in seiner Klang -ästhetik wider. Dazu tragen auch alle bisher genannten Umständebei. Heute hört man oft die Schlagworte vom „Kernrepertoire“eines Orchesters, einer Klangtradition, für die das Orchester steht.Blickt man in die Musikgeschichte, so findet sich bei vielen Or -ches tern eine ganze Reihe von Ur- und Erstaufführungen großerund kleiner Werke der Musikliteratur. Diese besonderen Auffüh-rungen sind im Gedächtnis der Klangkörper verankert. Gerade dieimmerwährende Beschäftigung mit einem bestimmten Reper-toire formt und stabilisiert die Klangkultur eines jeden Orches -ters. Dabei hat der jeweilige Chefdirigent, in unserem Fall der Ge-wandhauskapellmeister, die wichtige Aufgabe, durch die Beschäf-tigung mit der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten. So hat dasGewandhausorchester bereits zu Lebzeiten von Ludwig van Beet-hoven einen Zyklus seiner Sinfonien gespielt. Der erste Bruckner-zyklus wurde in Leipzig unter Arthur Nikisch aufgeführt. Im Ge-wandhaus ist Geschichte immer eine Verpflichtung für den jewei-ligen Kapellmeister, dieses Repertoire zu pflegen und neu zu erar-beiten. Gastdirigenten können in der Kürze ihrer Zusammen -arbeit mit einem Orchester oft nur Akzente im eigenen Programmsetzen, prägende Einflüsse oder gar Veränderungen liegen immerin der Hand des jeweiligen Chefdirigenten. Ein Chefdirigent siehtsich stets in der Verantwortung für sein Orchester und wird einegewachsene Klangtradition nicht komplett verändern wollen, aberauch nicht können. Gerade bei Orchestern, deren Klang durch ei-nen eigenen Saal geprägt ist und der damit auch historische Wur-zeln hat, sind Veränderungen schwerer durchsetzbar. Natürlich verändert sich jedes Orchester im Laufe seiner Ge-schichte. Im Gegensatz zum Publikum erscheint heute die Ver-jüngung in den Orchestern extrem, obwohl sie ein ganz norma-ler Vorgang ist. Interkulturelle Einflüsse erfährt ein Orchesterheute nicht mehr nur auf Tourneen, sie bestimmen auch denAlltag zu Hause, denn der Anteil von Musikern verschiedensterHerkunft ist im Laufe der letzten Jahre stark angestiegen. MitHerkunft ist nicht allein die Nationalität gemeint, es ist auch dieHerkunft aus anderen musikalischen Schulen. Allerdings habendie meisten ausländischen Musikerinnen und Musiker ihre ab-schließende Ausbildung an deutschen Hochschulen erhalten.Durch fast vierzig Jahre in einem geschlossenen musikalischenMikrokosmos war es scheinbar leicht, die musikalische Identitätdes Gewandhausorchesters zu erhalten.

So spielten zum Beispiel in meiner Instrumentengruppe derBratschen zeitweise zwölf Schüler meines ersten Lehrers, deslangjährigen Solobratschers Arnold Matz (Mitglied von 1925 bis1969) im Gewandhausorchester. Ähnlich war es bei den Gei-gen. Der langjährige erste Konzertmeister Gerhard Bosse (von1955 bis 1987 im Orchester), hat 23 Schüler ins Orchester hi-nein unterrichtet. Einer seiner Schüler, Dietmar Hallman (Solo-bratscher von 1957 bis 1994) unterrichtete elf Schüler erfolg-reich ins Gewandhausorchester. Diese enge Verbindung von Aus-bildung und Praxis war und ist auch heute ein wichtiger Be-standteil bei der Vermittlung von Klangtradition und der He-rausbildung von Identität. Viele Orchester pflegen diese Vermitt-lung heute in Form von Orchesterakademien. Jedes neue Orchestermitglied wird in die Orchesterfamilie inte-griert und jede Instrumentengruppe hat dafür ganz eigene For-men der Integration. Im Gewandhausorchester geht zum Beispielein geschichtserfahrener älterer Kollege mit den jungen Musi-kern nach deren bestandener Probezeit an die verschiedenenPlätze der Leipziger Musikgeschichte und macht die neuen Kol-legen an authentischen Orten so mit der eigenen Geschichte ver-traut. Dieses Wissen, nun auch ein Teil einer so langen und um-fangreichen Geschichte zu sein, prägt und befördert auch dieMusizierhaltung im Orchester. Darüber hinaus spielt das Mit -einander der Generationen in einem Orchester eine ganz ent-scheidende Rolle bei der Bewahrung von Tradition und Identität.Tourneen prägen den Zusammenhalt eines Orchesters, man istüber einen längeren Zeitraum intensiv zusammen und teilt Erfah-rungen in und um die Musik ganz unmittelbar. Auf einer fremdenBühne ist man immer Kulturbotschafter des eigenen Landes, derRegion, der Stadt, des eigenen Hauses. Jeder fremde Konzertsaal isteine Herausforderung für das Orchester, für jeden einzelnen Musi-ker. Neue, andere akustische Gegebenheiten sind zu bewältigenund bringen immer neue Hör- und Musiziererfahrungen. Auchentwickelt sich ein Selbstverständnis im Laufe der Jahre, wennman an vertraute Orte kommt, bestimmte Konzertsäle immer wie-der bespielt, sich auch an anderen Orten „zu Hause“ fühlt.Bei allen Veränderungen, denen die Orchester im Laufe ihrer Ent -wicklung unterworfen sind und die gerade heute in einer globa -lisierten Welt scheinbar den Weg für uniformierte Gleichheit öff-nen, sind Identität und Bindung mit all den beschriebenen Fak-toren wichtige Voraussetzungen für den Fortbestand der vielfäl-tigen Orchesterlandschaft in Deutschland, Europa und der Welt.

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Heiner Stolle studierte von 1969 bis 1974 Bratsche an der Hochschule für Musik

in Leipzig. Nach Engagements in Berlin und Leipzig ist er seit 1977 Bratscher im

Gewandhausorchester Leipzig und war davon mehrere Jahre im Orchestervor-

stand tätig. Von 1990 bis 2012 war er Mitglied im Gesamtvorstand der Deutschen

Orchestervereinigung. Stolle ist stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft der

Freunde des Gewandhauses zu Leipzig e. V.

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Transkultureller MUSIKUNTERRICHT

Verständnis und Methoden Birgit Jank

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Wenn man etwa 30 Schülerinnen und Schüler in einer Klassevor sich sitzen hat und als Lehrende mit einem guten Theorie-hintergrund ausgestattet aus der Ausbildung einer Hochschulekommt, wird man von seinen Schülern mit großen Erwartun-gen empfangen. Möglicherweise verfügt man noch über einesolide musizierpraktische Qualifikation, wie z. B. das Spiel derwestafrikanischen Djembé oder der russischen Balalaika undtritt nun mit bester Absicht, ein interkulturelles Musiklernen inGang bringen zu wollen, vor die Klasse. Jeder Schüler bringt eine eigene kulturelle Identität, ein Selbstverständnis und ein ei-genes Wertemuster mit. Vor allem wünschen sich die Schülerkeine Grundsatzreden, sondern vielmehr einen Musikunterricht,der nicht langweilig ist, viel praktisches Musizieren bereithältund vor allem für sie einen persönlichen Wert darstellt. Bedeutetdas also, dass gute methodische Konzepte für den Unterrichts-alltag das Rezept für einen gelungenen Unterricht sind?Spätestens an dieser Stelle wird die Angelegenheit komplizierter.Gilt es in diesem Zusammenhang doch, auf die noch junge Dis-ziplin einer Systematischen Musikpädagogik und auf derenDenkerträge zu verweisen, die sich einer wissenschaftlichen Tra-dition des kritischen Denkens verpflichtet fühlen. MusikalischeLernprozesse werden hier als eine umfassende ästhetische Bil-dungspraxis verstanden. Kulturelle Identität ist kein Wert ansich. Es ist auch mehr als eine soziale Abstraktion. Identität er-wächst aus Prozessen der Identifizierung, diese vollziehen sichallein in den Schülern und sind somit letztendlich Ausdruck eines leibhaftig stattfindenden individuellen Lebens. KulturelleIdentität ist, in pädagogischen Kontexten gedacht, also ein em-pirischer und letztlich auch ein persönlicher Wert.Allgemeiner formuliert der Musiksoziologe Christian KadenIdentifikation folgendermaßen: „Identifikation gehört zu denElementarbedürfnissen menschlichen Seins. Identifikation re-flektiert, von ihren Ursprüngen her, ein gelungenes Wechsel-spiel, eine optimale Balance zwischen Innen- und Außenwelt.Dieses Optimum ist weder in geglätteter Harmonie gegebennoch in Konflikten, die ein kritisches Maß menschlicher Belast-barkeit übersteigen. Die großen, köstlichen Momente des Le-bens stellen sich ein im dynamischen Hin und Her von Menschund Welt.“1

Dialektisch betrachtet stellt Schule durch ihren Status als Institu-tion und durch die allgemeine Schulpflicht in Deutschland dies

von den Rahmenbedingungen fast gesetzmäßig her: Kinder undJugendliche kommen heute in die Schule und in den Musikun-terricht mit sehr unterschiedlich geprägten Selbstverständnissenund Reflexionsgraden ihrer eigenen kulturellen Identität. Siekommen nicht, weil sie wollen, sondern auch, weil sie es müs-sen. Sie suchen Harmonie und zukunftsbeständige Orientierun-gen, zugleich aber auch die Auseinandersetzung und den Aus-tausch mit den eigenen Mitschülern, Lehrern und Eltern.Grundlegende Arbeiten einer wissenschaftlich orientierten Mu-sikpädagogik im Kontext transkulturellen Arbeitens in Schuleund Hochschule bemühen sich deshalb immer wieder darum,einen Dialog herzustellen, der Einstellungsänderungen beiSchülern und Lehrern in den Fokus nimmt und weniger hand-werkliche Optionen und methodische Rezepte thematisiert.Zu erwähnen ist z. B. der Ansatz von Wolfgang Martin Stroh, ei-ner Welt-Musik-Lehre, die konsequent davon ausgeht, dass jederMensch, der in einem Heute lebt, selbst vielfältig multikulturelleingebunden ist, und dass sich demzufolge der Identitätsbegriffauch ständig ändern muss. Einen anderen Weg geht IrmgardMerkt, eine Vorreiterin des Nachdenkens über interkulturellesMusiklernen im Fach Musikpädagogik. In ihren Arbeiten, wie z. B. zur Auseinandersetzung mit türkischer Musik, sucht sienach Schnittstellen zwischen verschiedenen Musikkulturen undgestaltet diese fantasievoll mit den Kindern. Die Musikpädago-gen Volker Schütz und Bernd Clausen stehen in Anlehnung anWolfgang Welschs Auffassung einer transkulturellen Verfasstheitder Gesellschaft mit ihren Arbeiten für den Gedanken derGleichwertigkeit aller Kulturen. Sie wollen mit ihren für Schulerecht praktikablen Ansätzen, z. B. zur Auseinandersetzung mitMusikkulturen aus Schwarzafrika oder Indien und aus dem asia-tischen Raum, zu Offenheit, Empathie, zur kognitiven wie glei-chermaßen affektiven Toleranz gegenüber fremden Kulturen an-regen. Das Eintauchen in eine andere Kultur wird bei ihnen alszentrales Moment transkulturellen Lernens benannt.

Zielsetzungen eines transkulturellen MusikunterrichtsAlso sei es erlaubt, auf den Schüler in seiner Individualität zu-rückzukommen, der da in der Klasse sitzt und einen wertvollenMusikunterricht erwartet auch in Hinblick auf transkulturellesMusiklernen. Und er hat recht mit dieser Erwartung. In einemtranskulturellen Musikunterricht sollen Schüler und Lehrer Ge-legenheit bekommen, sich zu ihrer eigenen Zugehörigkeit zuverschiedenen Musikkulturen auseinanderzusetzen. Bedingtdurch die unumgänglichen Planungsprozesse der Schulen, müs-sen wir uns von der Vorstellung eines Universalismus der Mu-sikkulturen verabschieden. Vielmehr ist es sinnvoll, Szenen ein-zelner Musikkulturen zu segmentieren und sich dann mit ihnenintensiver zu beschäftigen. Allgemein akzeptiert ist hierbei, dasstranskultureller Musikunterricht nach Möglichkeit mit dem Mu-sikmachen einsetzen sollte. Der aktiven Musikausübung kann

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Bildung und Schule stehen nicht jenseits von gesellschaft -lichen Realitäten, sondern das Nachdenken über Bildung unddie Gestaltung von Schule sind an reale gesellschaftliche Ent-wicklungen gebunden. Transkulturelles Musiklernen in derSchule ist ein wichtiges Thema, das eine große Herausforde-rung darstellt. Welchen wichtigen Stellenwert das Thema inZukunft an den Schulen einnehmen kann, stellt Birgit Jankdar.

Transkulturelles Lernen im Musikunterreicht

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sich das konzentrierte Hören ebenso anschließen, wie die Trans-formation vermeintlich fremder Musikkulturen in eigene musi-kalische Produkte der Schülerinnen und Schüler. Auf diese Weisekönnte ein Musikunterricht neben der Auseinandersetzung mitder eigenen möglicherweise den Blick auf fremde Musikkultu-ren öffnen.Eine Handlungsorientierung, die zu Schüleraktivitäten, Eigen-initiative und Möglichkeiten der Selbsterfahrung führt, sollteunabdingbare Grundlage eines solchen Unterrichts sein. Die Be-gegnung und die Auseinandersetzung mit fremder Musik sollenden Schülern demnach zu neuen musikalischen Erfahrungenverhelfen. Diese können dann wiederum als Unterrichtsgrund-lage für die Auseinandersetzung mit dem Fremden und dem In-dividuum bzw. mit der fremden Kultur herangezogen werden.Die Bereitschaft, sich auf Fremdes einzulassen und die Erzie-hung zur Toleranz gehören ebenso zu Lernzielen eines gutenMusikunterrichts wie die Erziehung zur Konfliktfähigkeit. Einsolcher Unterricht ist in erster Linie ein Begegnungsunterricht.Besonders die Einbeziehung von außerschulischen Experten bie-tet eine didaktische Chance zu mehr Authentizität. Dieses pro-jektorientierte Zusammenarbeiten, das durch die Etablierungder Ganztagsschule neue Möglichkeiten erfahren hat, könnte imKontext eines fächerübergreifenden Unterrichts zudem aus tra-dierten eindimensionalen Formen des Musiklernens und desMusikverstehens führen.

Probleme eines schulischen transkulturellen MusiklernensDer praktischen Durchführung transkulturellen Musikunter-richts stellt sich eine Vielzahl von Problemen entgegen. Einigeausgewählte Beispiele werden im Folgenden genannt:Es besteht die Gefahr der Vereinnahmung der Musikkulturendurch die Behandlung im Unterricht. Die Zielsetzung einestranskulturellen Musikunterrichts, musikkulturelle Erfahrungender Schüler in den Unterricht zu integrieren, stellt die Lehren-den und den Unterricht zunächst vor ein Paradoxon, denn einwesentlicher Bestandteil vieler Jugendkulturen ist die Abgren-zung von der Erwachsenenwelt und somit auch von Schule.Auch das oft gut gemeinte Aufnehmen von Musik der Migran-tenkinder erweist sich in der Praxis zuweilen als Gratwande-

rung: Ein Teil der Schüler reagiert positiv, da ihre Musik nun al-len vorgestellt werden kann, andere fühlen sich in eine Sonder-rolle gedrängt und sind enttäuscht, nun an eine unbekannteKultur einer Heimat gebunden zu werden. Einige machen sich,durch einen solchen Musikunterricht angeregt, bewusst auf dieSuche nach den eigenen kulturellen Wurzeln ihrer Eltern- undGroßelterngeneration, andere empfinden dies als Crossover.Musik fremder Kulturen ist von großer Vielfalt geprägt. Zudemist Musik teilweise so stark in ihren kulturellen und sozialenKontext eingebunden, dass die Musik ohne ihren außermusika-lischen Anlass (religiöse Riten, Feste etc.) den eigentlichen Sinn-zusammenhang verliert. Die persönliche Wahrnehmung be-schränkt sich in diesem Fall auf den musikalischen Gehalt undden eigenen Sinnzusammenhang des Rezipienten. Die Möglich-keiten, eine Musikkultur oder auch nur den Ausschnitt einerTeilkultur in der Schule angemessen zu vermitteln, sind äußerstbegrenzt. Das liegt nicht nur an der spezifischen Unterrichts -atmosphäre oder an der zeitlichen Begrenzung, sondern viel-leicht auch an eben dieser kulturellen und funktionalen Einge-bundenheit: Gibt es Techno ohne einen DJ? SchwarzafrikanischeRhythmen ohne einen kompetenten Solodrummer? TürkischeHochzeitsmusik ohne Fest? Musiklernen muss sich immer wie-der auf Kontexte zurückführen lassen und es sollte dabei auchberücksichtigt werden, dass ein großer Unterschied zur abend-ländischen Kulturtradition besteht. Gerade in Afrika oder Latein-amerika gibt es oft abgeschlossene Systeme, die eine direkteBindung an soziale Ereignisse haben. Ebenso wie bei der Gefahrder Vereinnahmung von Musikkulturen besteht die Herausforde-rung an den Lehrer darin, die Balance zwischen der unverant-wortlichen und der Ermöglichung musikalischer Fremderfah-rungen zu finden. Auch ein dialektisches Denken würde mögli-cherweise einigen Musiklehrern weiterhelfen: Es kann dochmöglicherweise im Bereich Musikpädagogik sinnvoll sein, dasNicht- Verstehen zu lehren oder das zu schnelle Verstehen zuverhindern. Prinzipiell und systematisch nach dem zu suchen,was nicht in musikpädagogischen Praxen verstanden wordenist, wäre demnach eine sinnvolle Perspektive, auch für interkul-turelles Musiklernen.

Methodische Versuche und Optionen eines transkulturellen MusiklernensEinige mögliche methodische Wege eines transkulturellen Mu-siklernens werden hier angedeutet. Entscheidend für die Umset-zung ist es, in sinnvoll strukturierten Lehr- und Lernabläufen zuagieren, die möglichst gleichzeitig auf ein dialogisches, verglei-chendes und kontrastierendes Prinzip abheben. So ist es mög-lich, dass ein musikalisch-pädagogisches Netz im Musikunter-richt entsteht, das zum einen die Bewusstmachung eigener kul-tureller Identitäten befördert und zum anderen die Schärfungvon Unterschieden, Kontrasten, ja Ablehnungen fremder kultu-

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Transkulturelles Lernen im Musikunterreicht. Das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ (kurz JeKi), bietet Grundschülern die Möglichkeit ein Musikinstrument zu erlernen, das sie sich selbst ausgesucht haben.

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reller Identitäten im Blick hat und dadurch klarer wird. Insge-samt sind fünf Grundansätze in der Schulpraxis zu finden:

1. Der interkulturelle VergleichEs können Unterschiede in der Klangästhetik und in den musi-kalischen Parametern zum Beispiel bei der Bearbeitung mensch-licher Grunderfahrungen (Liebe, Trauer, Abschied, Begrüßung,Natur, Konflikt, Versöhnung) herausgearbeitet werden. So kannein Austausch und ein Vergleich musikalischer (Alltags-)Erfah-rungen realisiert werden.

2. Handlungsorientierung als Weg zu persönlicher ErfahrungIm Musikunterricht kann musikalisches Wissen über musikali-sche Erfahrungen organisiert und erzeugt werden. Vielfältigehandlungs- und erfahrungsorientierte Methodiken stehen heutedazu zur Verfügung (Arbeit mit Körperausdruck, Gestik, Bewe-gung).

3. Ästhetisches Lernen als Weg zu neuen Erfahrungsmöglich-keitenDiese Wege dienen der Erweiterung der Wahrnehmungsfähig-keit der Kinder. Interdisziplinäres Lernen (Theater, Kunst, Tanz,Spiel, Literatur u. a.) spielt hierbei eine besondere Rolle undkann zudem zu einem didaktischen Perspektivenwechsel fürden Lehrenden führen.

4. Begegnungen mit anderen Musikkulturen innerhalb undaußerhalb von SchuleInterkulturelles Musiklernen sollte als Begegnungsunterricht begriffen werden. Genutzt werden können hier auch regionaleAngebote und eine Kooperation mit Szenen von Kinder- und Jugendkulturen.

5. Konfliktorientierung beim interkulturellen MusiklernenDie Arbeit mit dem Fremden sollte immer auch als Arbeit ansich selbst begriffen werden. Die Akzeptanz identitätsstiftenderBedeutung von Musik ist heute selbstverständlich und mannig-faltig belegt. Toleranz beinhaltet aber auch das Aushaltenkönnenverschiedener Musikkulturen und das offene Austragen vonKonflikten, wenn es um ästhetische Wertemuster geht.

AusblickDie angeführten Problemlagen beim transkulturellen Musikler-nen scheinen den Schluss nahe zu legen, dass dieser Ansatz inder Schule nur wenig Aussicht auf Erfolg hat und dass Musikpä-dagogen sich lieber in den Hintergrund zurückziehen sollten.Versteht sich jedoch Bildung so, dass man sich in der Bildungs-arbeit mit jungen Menschen engagiert und dies zugleich mitder realistischen Auffassung verbindet, dass der Mensch nur soviel versteht, wie er sich selbst versteht, kann man daraus

schlussfolgern, dass Kinder und Jugendliche ihre Identität unddamit ihre Herkunft und Geschichte kennen müssen, um sichselbst Fremdem gegenüber öffnen zu können. Zu der transkul-turellen Erziehung kommt heute eine immer wichtiger werden-de Aufgabe hinzu: Sie soll nicht nur den Grundstein für einfriedvolles Zusammenleben verschiedener Kulturen legen, son-dern generell die Bereitschaft zur Toleranz und zu vernünftigenKonfliktlösungen fördern. Aktuelle Entwicklungen in Konflikt-herden, z. B. in der Ukraine aber auch in Ungarn, zeigen es an.Die Zielgruppe beschränkt sich weder auf ethnische Minoritätennoch auf bestimmte Teilkulturen, denn diese Kompetenzenmüssen von jedem gelernt werden. Die transkulturelle Erzie-hung sollte sich bewusst dieser Überzeugungsaufgabe stellen:Sie muss Orientierungshilfe für das Zusammenleben mit demFremden geben. Dem Musikunterricht steht ein großes Reper-toire an Möglichkeiten offen, diese Zielsetzung aktiv zu unter-stützen. Besonders die Erkenntnis, dass Verhaltensänderungennicht allein über Willensanstrengungen oder Information zu er-reichen sind, sondern immer erst auf eine Selbsterfahrung fol-gen können, macht eine generelle Verbreitung der Konzeptionender transkulturellen Musikerziehung dringend erforderlich.Auch im Bildungswesen beginnt man langsam zu erkennen,dass eine in den ersten Jahren nach der Veröffentlichung der PISA-Studie praktizierte Engführung der Schule auf die Natur-wissenschaften und die Muttersprache, verbunden mit einerFlut immer neuer Evaluierungen und disziplinarischer Maßnah-men gegenüber Lehrern und Schülern, ein Irrweg war und ist.Zunehmend wird immer deutlicher, dass Schulen Orte des Ler-nens und des Lebens sein müssen, dass diejenigen Schulen diebesten sind, die über eine lebendige Schulkultur – eben auch ei-ne transkulturell geprägte – verfügen. Es sollte sowohl denSchulen als auch den Lehrenden eine größere Autonomie undVerantwortlichkeit für ihre Bildungsarbeit überlassen werden.Denn ein zentralistisches Modell der Steuerung von Bildungsar-beit gehört wohl zu demselben Irrweg.

1 Christian Kaden: Des Lebens wilder Kreis. Musik im Zivilisationsprozess, Kassel

1993.

Literaturhinweis:

Birgit Jank: „Grundsätzliche Strategien und methodische Wege des Umgangs mit

(sich bildenden) eigenen und fremden kulturellen Identitäten der Schülerinnen und

Schüler im Musikunterricht“, in: Detlev Altenburg und Rainer Bayreuther (Hg.): Ta-

gungspublikation zum XIII. Internationalen Kongress der Gesellschaft für Musikfor-

schung, Kassel 2012

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Birgit Jank promovierte und habilitierte an der Humboldt-Universität in Berlin.

2003 nahm sie den Lehrstuhl für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der Uni-

versität Potsdam an. Sie ist Präsidentin der Hoffbauer-Berufsakademie Potsdam

und Leiterin der Forschungsstelle Systematische Musikpädagogik sowie des Kom -

petenzzentrums Musikalische Bildung Brandenburg an der Universität Potsdam.

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Ein Leben für die Musik

Christian Höppner im Gespräch mit Peter Gülke

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Ende Mai wurden Sie für Ihr Lebenswerk mit dem Ernst von Sie-

mens Musikpreis ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat diese

Auszeichnung für Sie?

Der Preis bedeutet für mich Ehre und Verpflichtung – beides istinsofern kaum unterscheidbar, als dass man Preise genau ge-nommen nicht verdienen kann. Preise sind vor allem auch im-mer Zufälle oder, zumindest im weitesten Sinn, eine Leihgabe.Ich betrachte den Preis als willkommene Beachtung für meineAuseinandersetzung mit Musik und Wissenschaft, um deren Pu-blizität es aus verständlichen Gründen nicht gut bestellt ist. Zu-dem ist es für mich eine Anerkennung für den Spagat, den ichzwischen Praxis und Theorie zu praktizieren versuche. Manch-mal fällt es mir schwer, mich im Blick auf die Phalanx meinerVorgänger nicht eingeschüchtert zu fühlen.

Als Dirigent, Musikwissenschaftler und Musikschriftsteller verei-

nen Sie in Ihrer Person drei große Disziplinen. Welche Chancen

und Herausforderungen liegen in dieser Kombination?

Vielleicht sind es doch nur zwei Disziplinen, da ich den Wissen-schaftler und Schriftsteller nicht auseinanderhalte. Wenn theore-

tische Betrachtungen nahe ans Phänomen des Kunstwerks he-ranrücken, handelt es sich ohnehin eher um „Vermutungswis-senschaft“. Drei Disziplinen sind es, wenn Sie den Pädagogen alseigene Disziplin zählen. Zum Hintergrund Ihrer Frage gehörtwohl die alte Befürchtung, zu viel theoretischer Ballast könnedie Spontanität, Naivität praktischen Musizierens behindern. Sohabe ich es kaum erlebt und empfunden. Ich hüte mich immer,während der Probenarbeit theoretische Erkenntnisse aufzu -tischen. Sobald ich die Werke studiert und verinnerlicht hatte,wurde ich um viele musikalische Erlebnisse bereichert. Nichtzufällig habe ich über Musik geschrieben – auch über sehr alteMusik, die mir in meiner Praxis begegnet ist. Theoretisieren istalso tendenziell als Fortsetzung des Musizierens mit anderenMitteln zu begreifen.

Wie definieren Sie Kulturelle Vielfalt?

Kulturelle Vielfalt lässt sich in zweierliche Hinsicht definieren:Einerseits im Blick auf die Vielzahl kultureller Institutionen,durch die unser Land in der Welt stärker identifiziert wird alsdurch irgendetwas anderes. Andererseits durch das Zusammen-treffen und Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen undTraditionen. Deutschland bringt dank seiner Mittellage mehr Er-fahrungen mit und hat mehr Bereicherungen erfahren, alsmanchmal zugegeben wird. In dieser Hinsicht, definiere ichKulturelle Vielfalt gern dialektisch – als permanente Einladungzu Offenheit und Verständnis von Anderem, Fremdem. Ihr ge-nügt man am ehesten, wenn man der eigenen Identität – imweitesten Sinne und allemal „osmotisch“ verstanden – sicherist. So blöd das einseitige Gerede für und gegen „Multi-Kulti“war, so sicher ist, dass wir jene Vielfalt immer neu als eine sol-che Einladung zu verstehen haben. Was für eine Chance!

Sehen Sie diese Kulturelle Vielfalt gefährdet – wenn ja, wodurch?

In Bezug auf die unterschiedlichen Kulturkreise unserer Gesell-schaft sehe ich vor allem eine Gefährdung durch Borniertheitund deren populistische Bedienung sowie durch billige Abgren-zungen und die Unterschätzung gemeinschaftsbildender Wir-

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Peter Gülke setzt sich als Dirigent, Musikwissenschaftler undMusikschriftsteller seit mehreren Jahrzehnten mit der Ver-bindung von musikalischer Praxis und Theorie auseinander.Dabei schafft er immer wieder neue Verknüpfungen zwischenden beiden Disziplinen. Besonders wichtig ist ihm zudem dieNachwuchsförderung; als Dirigent arbeitete er bereits mitmehreren Jugendorchestern zusammen. Christian Höppnerspricht mit dem Musiker über sein Verständnis von Kulturel-ler Vielfalt, die Entwicklung der musikalischen Bildung undseine vielfältige Arbeit als Musiker.

Peter Gülke Peter Gülke wurde am 29. April 1934 geboren und studierte Mu-

sik- und Geisteswissenschaften in seiner Heimatstadt Weimar, in

Jena und in Leipzig. Seit Ende der 1950er-Jahre widmete er sich

neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn verstärkt dem Dirigie-

ren. Er war als Chefdirigent unter anderem in Stendal, Potsdam,

Wuppertal und als Kapellmeister an der Staatsoper Dresden tä-

tig. Eine Professur für Dirigieren übte er an der Hochschule für

Musik in Freiburg und an der Universität Basel aus. Seit 2011 ist

Peter Gülke Präsident der Sächsischen Akademie der Künste

und wurde im Mai 2014 für sein Lebenswerk mit dem „Ernst von

Siemens Musikpreis“ ausgezeichnet.

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kungen und Aufgaben. Warum z. B. gibt es Ausländerfeindlich-keit in unseren seit langem international besetzten Orchesternnicht?Die Vielzahl kultureller Institutionen sehe ich durch eine sträf-lich pragmatische Indolenz gefährdet, die unsere kulturelleIdentität für so selbstverständlich hält, dass man wichtige Bas-tionen immer weiter glaubt, schleifen zu können. Dahinter stehteine beängstigende Dissoziation unserer Gesellschaft, derSchwund an „Gemeinsinn“, die Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit,über den Tellerrand unserer Beliebigkeitskultur hinauszublicken.Dass wir fröhlich in den Tag hinein auf Kosten nachkommenderGenerationen leben; dass teilweise sagenhafter privater Reich-tum bettelarmen Kommunen gegenübersteht; dass etliche miteinem Salär nach Hause gehen, welches ausreichen würde, mitt-lere Theater oder Orchester eine Weile über die Runden zu brin-gen. Das alles verstehe ich nicht und weigere mich zu verstehen; esmacht mir Angst. Ich kann mir ein Leben ohne Bach, Mozart,Beethoven, Goethe, Hölderlin und vielen anderen nicht vorstel-len. Jedoch reicht das Argument gegenüber denen nicht aus, diees sich durchaus vorstellen können – und nicht nur vorstellen.Ich bin nicht pessimistisch, aber oft wütend.

Der seit langem beklagte desaströse Zustand in der musika -

lischen Bildung wird durch eine Vielzahl von Projekten und den

Einsatz von Quereinsteigern zu beheben versucht. Wie kann

diese Unwucht zugunsten einer kontinuierlichen und qualitäts -

gesicherten musikalischen Bildung behoben werden?

Es erscheint zu einfach, auf einen Gesinnungswandel der Verant-wortlichen zu hoffen und hinzuweisen. Als kompetent betrachteich mich am ehesten bei der Arbeit mit Jugendorchestern: Wie-viel soziale Schulung bringt gemeinsames Musizieren mit sich,wieviel Schulung in etwas, was unsere Zerstreuungskultur aufsSchlimmste gefährdet: Konzentration! Musik bringt nicht nurMenschen zusammen, sondern auch die Komponenten desMenschseins: Bei kaum einer anderen Tätigkeit werden wiebeim Musizieren Kopf, Herz und Physis auf gleichem Niveaugefordert und auf eine Linie gebracht.

Die geplante Zusammenlegung der beiden renommierten Klang-

körper des SWR ist kein Betriebsunfall. Was läuft in unserer Ge-

sellschaft schief, wenn Rechenschiebermentalität wertvolles

Kulturgut zerstört?

Wie lang ist inzwischen die Reihe der „Betriebsunfälle“, diekeine sind, sondern Symptome! Weil wir unsere Identität für si-cherer halten, als sie ist, feiert die Ideologie der AbwrackprämieTriumphe. Die Geschichte kennt manchen Niedergang einer Ge-sellschaft, der bestimmte Garantien ihres Zusammenhalts und

Überlebens so selbstverständlich geworden waren, dass sie de-ren Dahinschwinden nicht bemerkte.

Wächst die Tiefe musikalischer Interpretationsfähigkeit beim

musikalischen Nachwuchs in gleichem Maße wie die techni-

schen Fertigkeiten?

Ohne Zweifel hat die jüngere Generation bei spieltechnischenFähigkeiten mächtig zugelegt, und gewiss galt immer schon,dass man möglicherweise zu wenig fragt, wenn man etwas spie-lend rasch bewältigt. Bekanntlich gibt es eine spezifisch musika-lische Intelligenz, die mit herkömmlichen Begriffen von Bil-dung wenig zu tun hat – ein „unbewusstes Wissen“, welchesdurchaus in jene Tiefen dringt, nach denen Sie fragen. Freilichbegünstigen die mediale Allgegenwart von Musik und derenMissbrauch ein oberflächliches Verständnis. Mich beschäftigtzum Beispiel sehr, dass junge Musiker, gerade auch Dirigenten,Haydn uninteressant und leicht erreichbar finden, mit ihm aberwenig anfangen können.

Was macht Peter Gülke, wenn er nicht dirigiert, forscht, schreibt

oder musiziert?

Er liest, wandert, schwimmt, radelt und übt sich in Yoga.

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Informationen aus den Projekten und Mitgliedsverbänden des Deutschen Musikrats

August 2014DMR aktuell

DMR aktuell I

In seinem 25. Jubiläumsjahr bereiste dasBundesjazzorchester als KulturbotschafterDeutschlands vom 9. Mai bis 1. Juni 2013den Senegal und Guinea-Bissau. Dort trafendie jungen deutschen Jazzer unter der Lei-tung von Mike Herting auf afrikanische Pro-fimusiker, die sie einerseits als Dozenten,andererseits als Mitmusiker auf einer inten-siven Reise begleiteten. Darunter der he -rausragende Kora-Spieler und Sänger AblayeCissoko, der Balafonist Djiby Diabate, derPerkussionist Pape Samory Seck, die Sänge-

nach Deutschland zu holen. Das Konzertfand vor ausverkauftem Haus im Juli 2014im Forum der Bundeskunsthalle in Bonn imRahmen der Ausstellung „AfrikanischeMeister. Kunst der Elfenbeinküste“ statt.Das Programm bestand aus Kompositionender afrikanischen Gastmusiker, klassischenJazzkompositionen sowie Werken von Ini-tiator und Gastdirigent Mike Herting selbst.Alle Titel wurden eigens zuvor von ihm fürdiese deutsch-afrikanische Begegnung neuarrangiert.

Premiere: Bundesjazzorchester bringt Westafrika-Tourneenach Deutschland

■ Bundesjazzorchester

Bundesjazzorchester, Mike Herting, Cheikh Lebiadh und Goundo Cissokho

© Angelika Prox-Dampha, Goethe-Institut Dakar

rin Goundo Cissokho (alle Senegal) sowieder mauretanische Sänger Cheikh Lebiadh.Saint-Louis, Dakar, Kaolack, Ziguinchor, Bis-sau und die Ilha de Bubaque waren Statio-nen der Tournee.

Live-Aufnahmen der Tournee aus Saint-Louis und Dakar vom 17. und 22. Mai 2013wurden bereits auf der neuen BuJazzO-CDafropa veröffentlicht (GMO 046-2).

In Kooperation mit der Stiftung Partner-schaft mit Afrika e. V. gelang es im Rahmendes COMENGA-Programms, dieses Projekt

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Die Deutscher Musikrat gemein-nützige Projektgesellschaft mbHfreut sich, Irene Schwalb als neueProjektleiterin begrüßen zu kön-

■ Deutscher Musikwettbewerb

Irene Schwalb neue Projektleiterin des Deutschen Musik-wettbewerbs und der Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler

Thomas Rabbow und seine Nachfolgerin Irene Schwalb umrahmt von den beiden Geschäftsführern des DeutschenMusikrates Benedikt Holtbernd(hinten) und Norbert Pietrangeli(vorne) © Marcus Willems

Der DMW-Preisträger Tobias Feld-mann beim Abschlusskonzert des DMW 2012

© DMW/Barbara Frommann

Der DMW 2015 wird vom 16.bis 28. März 2015 erstmals inder Hansestadt Lübeck ausge-tragen in den Kategorien Vio-line, Viola, Kontrabass, Klari-nette, Saxofon, Fagott, Klavier-partner Instrumentalmusik, Kla-vierduo, Streichquartett und Ensembles für Alte Musik. Mu-sikerinnen und Musiker in undmit professioneller Ausbildungbis zum Alter von ca. 28 Jahren(Ausnahmen siehe Ausschrei-bung) können sich bis zum 20.November 2014 anmelden.

KompositionDeutscher Musikwettbewerb

Hier werden Sie gehört ! denwerHier gehörSieden !tgehör

Anmeldung zum Deutschen Musikwettbewerb 2015 bis 20. November 2014

Ausschreibung zum 6. DMW Komposition in Kooperation mitDeutschlandfunk/Werke für Trio Violine-Klarinette-Klavier gesucht!

Bis zum 20. November 2014sind junge Komponistinnen undKomponisten aufgerufen, Werkefür Trio Violine-Klarinette-Kla-vier zu schreiben.

Teilnahmeberechtigt sindKomponistinnen und Kompo-nisten, die zwischen 1979 und1996 geboren oder Jungstuden-ten im Fach Komposition sindund die deutsche Staatsbürger-schaft besitzen oder an einerMusikhochschule in Deutsch-land studieren oder seit mindes-tens fünf Jahren in Deutschlandleben.

Dotiert ist der Wettbewerbmit 2500 Euro (Preis desDeutschlandfunks).

Für das Orchesterfinale und dasAbschlusskonzert der Solistensteht das Philharmonische Or-chester der Hansestadt Lübeckzur Verfügung.

Ausschreibung zum Download:www.musikrat.de/dmw oder anzufordern bei [email protected] / Tel. 0228-2091160 oder an allen MusikhochschulenDeutschlands

nen. Am 1. Juni 2014 hat sie dieNachfolge von Thomas Rabbowangetreten, der als langjährigerProjektleiter in den Ruhestandgegangen ist. Irene Schwalb warals Bratschistin zwanzig Jahrelang Mitglied des Minguet Quar-tetts, bevor sie 2008 eine Kam-mermusikagentur gründete. AlsMitglied nationaler und interna-

tionaler Jurys hat sie umfangrei-che Wettbewerbserfahrung ge-sammelt. Schwalb unterliegt au-ßerdem die künstlerische Pla-nung des Streichquartettfestesbeim „Heidelberger Frühling“.Wir freuen uns auf ihr Wirkenbeim Deutschen Musikwettbe-werb und bei der BundesauswahlKonzerte Junger Künstler.

Die Ausschreibung mit denWettbewerbsregularien stehtunter www.musikrat.de/dmwzum Download bereit oderkann im Projektbüro DMW/BAKJK angefordert werden.

In der Konzertsaison 2015/2016 sollen die prämiertenWerke dann in die Programmeder 59. Bundesauswahl Kon-zerte Junger Künstler integriertwerden, um zahlreiche Wieder-aufführungen zu ermöglichen.

Für die Fachjury stehen er-neut die Komponisten IsabelMundry, Enno Poppe und JörgWidmann sowie der Deutsch-landfunk-Fachredakteur FrankKämpfer und der Pianist und

Musikwissenschaftler SiegfriedMauser zur Verfügung. Das Fi-nale findet vor der ca. 30-köp-

figen Gesamtjury des DeutschenMusikwettbewerbs 2015 in Lü-beck statt.

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■ Deutscher Chorwettbewerb

Der 9. Deutsche Chorwettbe-werb verabschiedete sich am 31.Mai mit zwei ausverkauften Ab-schlusskonzerten der im zweiten

Wettbewerbsteil erfolgreichenPreisträgerchöre in Weimar.

Für eine Woche war die thü-ringische Kulturmetropole Heim-

Berauschendes Chorfest zum Abschluss des DCWZahlreiche Sonderpreise für hervorragende Leistungen vergeben

Ergebnisbekanntgabe mit Goethe und Schiller © Jan Karow

statt der besten Chöre und Vo-kalensembles im Land. 4500hoch motivierte Sängerinnenund Sänger aus 14 Kategorienerklangen, groovten und sangenin allen Ecken der Stadt. Geradedie kurzen Wege von einemWertungsort zum anderen sowiedie Einrichtung von Public View -ings vermittelten den Eindruckeines wahrhaftigen Chorfests.

Aber auch musikalisch warder Chorwettbewerb ein DCWder Superlative: Insgesamt 54Preise, davon 15 erste, 17 zweiteund 22 dritte Preise, vergabendie Juroren im Verlauf der bei-den Wettbewerbsteile. Jederzweite der 110 teilnehmendenChöre und Ensembles wurde

schließlich für seine musikali-schen Leistungen mit einemPreis ausgezeichnet.

Neben der offiziellen Preis-vergabe im Rahmen der vierPreisträgerkonzerte erfolgteauch die Verleihung zahlreicherSonderpreise. So wurden zehnChöre mit einem Sonderpreis fürdie hervorragende Interpreta-tion eines deutschen Volksliedesbedacht. Zwei Ensembles erhiel-ten darüber hinaus den „Son-derpreis Zeitgenössische Musik“für die Interpretation eines zeit-genössischen Werkes.

Die Walter und CharlotteHamel Stiftung vergab einenSonderpreis in der Kategorie H1Vokalensembles zur Förderungdes klassischen Gesangs. Auchdas Label Rondeau überreichteeinem Vokalensemble den „Son-derpreis Rondeau Production“;dieser beinhaltet eine 3-tägigeCD-Aufnahme a cappella inklu-sive Postproduktion.

Die deutschen Volksbankenund Raiffeisenbanken, seit 2011Hauptsponsor des Wettbewerbs,lobten in jedem Wettbewerbs-teil je einen Sonderpreis für diebeste Performance von Kinder-und Jugendchören aus.

Dr. Andreas Martin, Vor-standsmitglied des Bundesver-bandes der Volksbanken undRaiffeisenbanken, brachte esbeim Preisträgerkonzert zum Ab-schluss des Wettbewerbs aufden Punkt: „Der Chorwettbe-werb zeigt, wie viel die rund 1,8Millionen aktiven Chormitglie-der für die kulturelle Vielfalt unddas soziale Miteinander in allenTeilen Deutschlands leisten. Dieregional verwurzelten Genossen-schaftsbanken unterstützen die-ses ehrenamtliche Engagementsehr gern“.

1. Preisträger des 9. Deutschen Chorwettbewerbs 2014 in Weimar

Chorname Leitung ErgebnisA1 Gemischte Kammerchöre – 16 bis 36 MitwirkendeClaritasVocalis Uwe Heller 24A2 Gemischte Chöre – ab 32 MitwirkendeMadrigalchor der Hochschule für Musik und Theater München Martin Steidler 24,4Kammerchor der HfM Detmold Anne Kohler 24,2B Frauenchöre4 x 4 Frauenchor der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Heike Kiefner-Jesatko 23,6C1 Männerchöre – 16 bis 36 MitwirkendeEnsemble Vocapella Limburg Tristan Meister 23,6ensemble rossignol Matthias Schmidt 23,4C2 Männerchöre – ab 32 MitwirkendeMonteverdiMännerchor Matthias Beckert 23,2D1 Jugendchöre – gemischte StimmenRundfunk-Jugendchor Wernigerode Peter Habermann 24F1 Kinderchöre – gleiche Stimmen, bis 16 JahreVorchor des Mädchenchors Hannover Claudia Jennings 24,4Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden Vinzenz Weissenburger 24,2F2 Kinderchöre – gleiche Stimmen, bis 13 JahreKinderchor des ULMER SPATZEN CHORs e.V. Hans de Gilde 23G1 Populäre Chormusik – a cappellaVivid Voices Claudia Burghard 24G2 Populäre Chormusik – mit TrioSingin’ Off Beats Klaus Gramß 23H1 VokalensemblesEnsemble Nobiles 23,4H2 Vokalensembles – Populäre Musikstr8voices 23

Aus Platzgründen wurde auf dieAuflistung der 2. und 3. Preise ver-zichtet; vollständige Ergebnislistenunter www.musikrat.de/dcw

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hen Altersgruppen deutlich nachunten. Die massive Beanspru-chung durch den Schulalltagund die achtjährige Gymnasial-zeit erschweren es Jugendlichenihr eigenes Profil zu entwickeln.Das gilt nicht allein für dieMusik, sondern auch für anderemusische Bereiche. In der Al-tersgruppe der 18- und 19-Jäh-

2500 Musikerinnen und Musi-ker aus den 16 Bundesländernund 34 Deutschen Schulen imeuropäischen Ausland hattensich für den traditionsreichenund renommiertesten Musik-wettbewerb Deutschlands übervorausgehende Landeswettbe-werbe qualifiziert und spieltenin mehr als 1300 Wertungsspie-len an 22 Orten der beiden Gast -geberstädte in 17 Instrumental-und Vokalkategorien um Punkteund Bundespreise. Am Ende des51. Bundeswettbewerbs „Jugendmusiziert“ hatten die 20 Jury-gremien entschieden: 412 Teil-nehmer erhielten einen 1. Bun-despreis, 661 Mal wurde ein 2. Bundespreis vergeben, 736Teilnehmer wurden mit einem3. Bundespreis ausgezeichnet.

Nicht nur das gastgebendeBundesland Niedersachsen unddie beiden Gastgeberstädte freu -ten sich über diesen teilnehmer-starken Bundeswettbewerb.Auch die Veranstalter selbst

zeigten sich von der Menge,aber auch von der Qualität dermusikalischen Leistungen in denWertungsspielen und auf denKonzertbühnen beeindruckt.

Hohe Teilnehmerzahlen

Für Prof. Reinhart von Gutzeit,den Vorsitzenden von „Jugendmusiziert“ lag die Rekordzahl anTeilnahmen einerseits in den indiesem Jahr angebotenen En-semble-Kategorien begründet.Sie nahmen im Vergleich zu frü-heren Jahren an Umfang undAnzahl stetig zu. Zudem gewan-nen einzelne Kategorien wie„Klavier solo“ jedes Jahr mehran Attraktivität und verzeichne-ten einen steilen Teilnehmer-zuwachs. Insbesondere bei den13- bis 14-jährigen Pianistenwar das Niveau sensationellhoch.

„Aber“, so von Gutzeit, „eslohnt sich doch genauer hinzu-sehen, denn die Kurve der Teil-nehmerzahlen zeigt in den ho -

■ Jugend musiziert

rigen spüren wir dieseBelas tung besondersdeutlich an einer nied -rigeren Leistungsdich -te.“

Der Reichtum kultureller Vielfalt

Da die Staatsbürger-schaft bei „Jugendmu siziert“ keine Rollespielt, nehmen auchviele Jugendliche teil,die ihre ersten musi-kalischen Schritte inanderen Ländern un-ternommen hatten.Bei „Jugend musi-

ziert“ sind sie stärker vertretenals im Bevölkerungsdurch-schnitt, vollständig integriertund herausragende Musiker, dieauch in diesem Jahr überdurch-schnittlich oft mit Bundesprei-sen ausgezeichnet wurden.

Acht Tage standen die Städte Braunschweig und Wolfenbüttel im Zentrum des bundesdeutschen musikalischen

Interesses, denn hier fand vom 5. bis 12. Juni 2014 der 51. Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ statt.

Steiler Anstieg – bedenklicher Einbruch. Der teilnehmerstärkste Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ endete am 12. Juni 2014

■ Bundesbegegnung Jugend jazzt

Preisträger der 12. Bundesbegegnung Jugend jazzt mit dem ŠKODA JazzpreisDie Big FrashBand aus Schleswig-Holstein gewann den ŠKODA Jazzpreis 2014

Am Sonntag, dem 1. Juni 2014, hat der Deutsche Musikrat im Thea-terhaus Stuttgart die Preisträger der 12. Bundesbegegnung Jugendjazzt mit dem ŠKODA Jazzpreis bekanntgegeben. Die Big FrashBandaus Schleswig-Holstein unter der Leitung von Eric Staiger gewannden begehrten ŠKODA Jazzpreis 2014, einen Workshop und ge-meinsamen Auftritt mit der Jazzpianistin Julia Hülsmann.

Zur Entscheidung sagte Prof. Marko Lackner, Vorsitzender derfünfköpfigen Jury: „Wir waren von den teilnehmenden Bigbands be-geistert, da das Niveau bei der diesjährigen Bundesbegegnung durch-weg exzellent war. Die Entscheidung, den ŠKODA Jazzpreis an dieBigband aus Schleswig-Holstein zu vergeben, begründet sich auf demhomogenen Zusammenspiel des kompakten Bandgefüges, äußerstüberzeugenden Solostrecken und einer authentischen, bandmoti-

vierten Programmgestaltung unter Einbeziehung von Eigenkompo-sitionen.“

Weitere Preisträger

Den mit 1000 Euro dotierten Förderpreis des Ministeriums für Wis-senschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg ge-wann das Berlin Jazz Composers Orchestra – JayJayBeCe unter derLeitung von Chris tof Griese.

Den Konzertpreis der Moritzbastei Betriebs GmbH – einen Kon-zertauftritt im Rahmen des Jazznachwuchsfestivals Leipzig 2015 in-klusive Fahrtkostenübernahme, Übernachtung und Verpflegung –gewann die von Bodo Schmidt geleitete Bigband des GymnasiumsBerenbostel aus Niedersachsen. Alle Preisträger auf www.jugend-jazzt.de

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Mit einem abwechslungsrei-chen Veranstaltungsprogrammin der zweiten Jahreshälfte2014 bietet das DIRIGENTEN-FORUM seinen Stipendiatenweitreichende Möglichkeitenzur künstlerischen Weiterent-wicklung.

Bei einer Dirigierwerkstattmit dem Schwerpunkt zeitge-nössische Musik arbeiten diejungen Dirigenten mit demoenm . österreichisches ensem-ble für neue musik zusammen.Der Meisterkurs findet im Rah-men der Internationalen Som-merakademie Mozarteum inSalzburg statt und steht unterder künstlerischen Leitung desDirigenten und KomponistenJohannes Kalitzke, der sich u.a.als Mitbegründer und Leiter derMusikfabrik einen Namen alsExperte für zeitgenössischeMusik gemacht hat. Insgesamtsechs Tage stehen den Teilneh-mern zur Verfügung, um sichmit einem in der Ausbildungoftmals vernachlässigten Reper-toire auseinanderzusetzen undein Konzertprogramm vorzube-reiten, das am 9. August 2014im Mozarteum Salzburg zurAufführung gebracht wird.

Klangkörper und werden dabeivon dem internationalen Spit-zendirigenten Iván Fischer zuThemen wie Werkinterpreta-tion, Dirigiertechnik und Pro-benarbeit unterrichtet.

Auch den Chordirigentendes Förderprogramms wird inder zweiten Jahreshälfte ein brei-tes Spektrum an Veranstaltungengeboten. Zum zweiten Mal gibtes eine Zusammenarbeit zwi-schen DIRIGENTENFORUM undder Internationalen Bachakade-mie Stuttgart. Vier Stipendiatenerhalten in einem von Hans-Christoph Rademann und Josvan Veldhoven geleiteten Meis -terkurs die Gelegenheit, mit denrenommierten Ensembles Gä-chinger Kantorei, Bach-Colle-gium Stuttgart und FreiburgerBarockorchester zu proben undim Rahmen des MUSIKFESTUTT-GART zu konzertieren.

Darüber hinaus findet imNovember erstmals ein Meister-kurs mit einem der größten undhöchst prämierten Theaterchöreder Welt, dem Chor der Deut-schen Oper Berlin, unter derkünstlerischen Gesamtleitungdes Ersten Chordirektors William

Spaulding statt. Die Dirigier-werkstatt ermöglicht den Stipen-diaten eine intensive Auseinan-dersetzung mit den besonderenHerausforderungen bei der Ar-beit mit einem Opernchor undgewährt ihnen Einblicke in dasBerufsbild des Chordirektors.

Für einen sicheren und takt-vollen Auftritt auf den Bühnendes Musikmarkts sorgt erneutdie diesjährige DIRIGENTENFO-RUM-Akademie. Da die beruf -lichen Anforderungen für jungeDirigenten im schnelllebigenMusikleben einem ständigenWandel unterliegen, hat das DI-RIGENTENFORUM vor einigenJahren die Veranstaltungsreiheins Leben gerufen, die die Sti-pendiaten auch im nicht-diri-gentischen Bereich mit dem nö-tigen Handwerkszeug ausstat-ten soll. Ein dreitägiger Work-shop bringt die jungen Dirigen-ten mit wichtigen Gesprächs-partnern der Musikbranche zu-sammen und widmet sich The-men wie und Karriereplanung.Im November findet erstmalig ein Meisterkurs mit dem Chor derDeutschen Oper Berlin unter Lei-tung von William Spaulding statt.© Marcus Lieberenz

Der Dirigent und Komponist Johan-nes Kalitzke übernimmt die künstle-rische Leitung eines Meisterkurseszu zeitgenössischer Musik in Salz-burg. © Anja Koehler

Facettenreiche Impulse für die nachwachsende Dirigentengeneration

■ Dirigentenforum

Ein Dirigierkurs mit denDortmunder Philharmonikernverspricht ebenfalls künstleri-sche Impulse auf hohem Ni-veau. Der Kurs steht unter Lei-tung des GeneralmusikdirektorsGabriel Feltz, der selbst Stipen-diat im DIRIGENTENFORUMwar und 1999 als Preisträgerdes Förderprogramms hervor-ging. Gabriel Feltz weiß aus ei-gener Erfahrung, wie wichtig esfür junge Dirigenten ist, miteinem großen und renommier-ten Orchester Erfahrungen zusammeln und sich im Rahmeneines Konzerts der Öffentlich-keit zu präsentieren.

Ein weiterer musikalischerHöhepunkt ist ein Meisterkursmit dem KonzerthausorchesterBerlin unter Leitung von Iván Fischer, der im Rahmen der„Hommage an Nikolaus Har-noncourt“ in Kooperation mitdem Konzerthaus Berlin im No-vember stattfindet. Bei der Ar-beit an zwei Werken Mozarts –die Ouvertüre zur Zauberflötesowie die „Jupiter“-Sinfonie –erleben die Stipendiaten desDIRIGENTENFORUMs die Ar-beit mit einem erstklassigen

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Alle fünf Bands überzeugten miteiner herausragenden Bühnen-präsenz. Bereits nach dem er-sten Auftritt hörte man Stim-men im Team, die feststellten,„wie fett“ das war… Nun gehtes daran, gemeinsam mit den

■ PopCamp

„Das war fett!“ – Geballte energetische Kräfte mit großer Wirkung

Am 9. und 10. Mai fand in derCD-Kaserne Celle das PopCampLive-Audit statt. Das Juryteamunter Leitung von Prof. UdoDahmen (Vizepräsident Deut-scher Musikrat/Direktor Pop-akademie Baden-Württemberg)stand vor der Aufgabe, fünf Bandszur Teilnahme am PopCamp2014 auszuwählen. Nach je 20Minuten Live-Performance und30 Minuten Jurygespräch hat-ten folgende Bands das Ticketzum PopCamp in der Tasche:

Amsterdamn!, Mannheimhttp://popcamp.de/bands/2014/amsterdamn.html

Goldmouth, Heidehttp://popcamp.de/bands/2014/goldmouth.html

Jacobus&Jeremyr, Lüneburghttp://popcamp.de/bands/2014/jacobusjeremyr.html

Passé, Mannheimhttp://popcamp.de/bands/2014/passe.html

Scene Writers, Lahnsteinhttp://popcamp.de/bands/2014/scene-writers.html

Juryteam PopCamp Live Audit 2014

Udo Dahmen, Vorsitz Deutscher Musikrat/Popakademie Baden-WürttembergAxel Erler, Musikmanagement – Mec Early EntertainmentPatricia Hölscher, Journalistin – DAS DING SWRHenning Rümenapp, Musiker und Produzent – Guano Apes/ Künstl. Leitung PopCampDieter Schubert, Geschäftsführender Gesellschafter – A.S.S. ConcertsSandra Kloska, PopCamp Dozentin, Kommunikations- und MedientrainingKai Thomsen, PopCamp Dozent Management, Marketing, Controlling

Termine PopCamp 2014:26.4., PopCamp Jurysitzung, SAE Institut Berlin9. – 10.5., PopCamp Live-Audit, CD-Kaserne Celle29. – 30.8., PopCamp Sommerkonzert, Bonn „Alter Zoll“21. – 26.9., PopCamp Arbeitsphase 1, Hammelburg (Musikakademie)30.11 – 06.12., PopCamp Arbeitsphase 2, Wolfenbüttel (Musikakademie)05.12.14, PopCamp live im Frannz Club der Kulturbrauerei Berlin präsentiert von Fritz (rbb)

Scene Writers © Sandra Ludewig

Bands das Dozententeam zu-sammenzustellen und die ge-meinsamen Arbeitsphasen imSeptember in Hammelburg undNovember in Wolfenbüttel vor-zubereiten.

■ Bundesjugendorchester

Gipfeltreffen erfolgreich, Fußballmatch Blamage

Die Idee, zwei Spitzenensem-bles, das Bundesjugendorches -ter und das vor drei Jahren ge-gründete Bundesjugendballettgemeinsam auf Tournee zuschicken, entwickelten die bei-den Ensembleorganisatoren,Sönke Lentz und Lukas Onken,seit Gründung des Balletts. Dasssich das Vorhaben als so erfolg-reich erweisen würde, hatteman nur zu hoffen gewagt:mehr als 7500 Zuschauer in fünfKonzerten (Baden-Baden, Essen,Köln, Hamburg, Berlin), knapp

2000 Menschen live im Internetin der Digital Concert Hall undunzählige Fans verfolgten dieLiveübertragung auf WDR3.Eine Neuauflage ist in Planung.

Nicht nur das HamburgerAbendblatt bemerkte bei dieserTournee den Anstieg von jun-gem Publikum im Haus. Ein

Gleichberechtigung: Die Tänzerdes Bundesjugendballetts und die Musiker des Bundesjugend -orchesters gemeinsam auf derBühne. © Peter Adamik

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Hinweis darauf, dass auch mitungewöhnlicher Programmwahlund den richtigen ProtagonistenNachwuchszuschauer zum Kon-zertbesuch gelockt werden kön-nen. Der englische Dirigent Ale-xander Shelley, Chefdirigent derNürnberger Symphoniker, derdiese Tournee leitete, bietet mitseinem Orchester in Nürnbergund in Bremen schon länger mitgroßem Erfolg Konzertreihen fürein junges Zielpublikum an. Sowerden nicht nur die jungen Or-chestermusiker und Tänzer ge-fördert, sondern sie bringen ih-rerseits eine neue Generationvon Konzert- und Tanzbesu-chern hervor.

Zu einer besonderen Inten-sivierung der Patenschaft zwi-schen dem Bundesjugendor-chester und den Berliner Phil-harmonikern kam es bei dendiesjährigen Osterfestspielen inBaden-Baden. Die Spannungstieg nicht nur im Festspielhaus,sondern auch auf dem Rasen.Im Vorfeld des Konzerts kam esim Aumattstadion zu einemfreundschaftlichen Fußallmatchzwischen Profis und Nach-wuchs. Die eingespielte Mann-schaft aus Berlin gewann haus-hoch. Das konnten die jungenMusiker nur bei der gemeinsa-men Tuttiprobe von WagnersVorspiel und Liebestod aus Tris-tan und Isolde unter der musika-lischen Leitung von Sir SimonRattle mit 15 Berliner Philhar-monikern wieder wettmachen.Am 20. April im Festspielhausdann die Verbrüderung: SirSimon Rattle und AlexanderShelley dirigierten abwechselnddas Bundesjugendorchester unddie Berliner Philharmoniker vornahezu ausverkauftem Haus.

■ Förderprojekte Zeitgenössische Musik

Optisch-visuelle Phänomene undphysikalische Aggregatzuständegeben der Kölner KomponistinMalika Kishino Inspiration fürStruktur und Wesen ihrer Wer -ke, die sie selbst als „Klangorga-nismen“ beschreibt. Außerdemorientiert sich die sensible undspannungsvolle Klangästhetikder Künstlerin an der japani-schen Kultur und deren Ästhe-tik, obgleich man Anklänge andie traditionelle Musik ihresHerkunftslandes vergeblich su-chen wird. Damit sind Schön-heit und Natur die wesentlichenBezugspunkte für die Werke derneuesten Veröffentlichung derEDITION ZEITGENÖSSISCHEMUSIK, mit der Malika Kishinonun porträtiert wird.

So bezieht sich beispiels-weise die Komposition Rayons

Crépusculaires auf ein strahlen-förmiges Lichtphänomen, dassich vor allem in deren Raum-Klang-Konzept wiederfindet.Drei Musikergruppen stehendabei Lautsprechern gegenüber,die die live-elektronisch verän-derten Klänge zurück in denRaum strahlen. Das eigens fürdiese CD vom Ensemble Musik-fabrik eingespielte Werk ist ein„komplexes akustisches Erleb-nis, das nicht nur den Raum inBewegung versetzt, sondernauch die Ohren für besondereKlangqualitäten schärft“, wieMichael Struck-Schloen im Book -let zur CD bemerkt. Die Strö-mungen des Wassers und seinewechselnden Aggregatzuständesind indessen Ausgangspunktfür Sensitive Chaos, interpretiertvom Ensemble ascolta. Hörbar

Schönheit und Natur: Musik von Malika Kishino in der Edition ZeitgenössischeMusik

Jetzt online bei Abenteuer Neue Musik: Annesley Black für Grundschule und Gymnasium!

wird diese Auseinandersetzungetwa in Form von Tropfenklän-gen, die später in fließendeStrukturen übergehen. Auch dieBedrohung von Natur wird zumThema: Dem Gedenken an dieKatastrophe von Fukushimawidmete Malika Kishino imAuftrag des Tokyo PhilharmonicChorus das Chorstück Prayer/Inori, das ebenfalls auf der CDzu hören ist. Eingespielt wurdendie Titel des Porträts überwie-gend beim Deutschlandfunk inKöln.

VÖ: Juni 2014Erhältlich bei WERGO (WER 6411 2)www.musikrat.de/editionwww.malika-kishino.com

Premiere bei ABENTEUER NEUEMUSIK: Erstmals wurde im Rah-men der Vermittlungsreihe eineDoppelfolge mit Material zuzwei verschiedenen Werkeneiner Komponistin produziert,die nun im Internet verfügbar

ist. Grundlage sind Workshops,die ab Sommer 2013 zudem inzwei verschiedenen Schulfor-men stattfanden. Anlass war dieVeröffentlichung der Porträt-CDvon Annesley Black in der EDI-TION ZEITGENÖSSISCHE MUSIK

im vergangenen Herbst. In einerersten Projektreihe befasste sichder Musikpädagoge BernhardRißmann zusammen mit derdritten Klasse der Friedens-Grundschule in Trossingen mitBlacks Komposition Smooche dela Rooche II. Während hier einReferenzwerk als Ausgangs-punkt und Folie für eine Annä-herung an Neue Musik diente,waren die Schüler des LeiningerGymnasiums in Grünstadt an derEntstehung von Annesley BlacksMusiktheaterstück Flow ers ofCarnage unmittelbar beteiligt.Die Federführung dieses Pro-jekts, das sich mit dem ThemaGewaltdarstellung in Martial-Arts-Filmen auseinandersetzt,lag in den Händen der Musik-lehrerin Silke Egeler-Wittmann.Die Dokumentation der Work-shops bietet damit nicht nur in-

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teressante Einblicke in die Erar-beitung Neuer Musik mithöchst unterschiedlichen Ziel-gruppen, sie stellt auch ver-schiedene Zugangsmöglichkei-ten zu zeitgenössischen Kompo-sitionen einander gegenüber.

Das Material der Projekt-tage wurde nun für die Präsen-

tation im Internet aufbereitetund im Rahmen von Lehrerfort-bildungen vorgestellt. BeideVermittlungskonzepte könnenentweder übernommen oder alsAnregung für eigene Projektemit zeitgenössischer Musik ge-nutzt werden. Per Downloadverfügbar sind u.a. Vorschläge

thetik Annesley Blacks wurdenzusammengestellt durch dieMusikwissenschaftlerin MarionSaxer. Ein reichhaltiges und ein-maliges Materiallager für Mu-sikpädagogen und alle an NeuerMusik Interessierten.

www.abenteuer-neue-musik.dewww.musikrat.de/edition

für Unterrichtskonzepte, Film-clips mit Übungen zu den bei-den Stücken und mit State-ments der Komponistin zuIhrem Werk und Musikver-ständnis. Verständliche Analy-sen der besprochenen Kompo-sitionen neben Einführung indas Gesamtwerk und in die Äs-

Der EUROPEAN WORK SHOPFOR CONTEMPORARY MUSIC(EWCM) fand 2014 erstmals re-gulär in Deutschland währendder 47. Internationalen Ferien-kurse für Neue Musik in Darm-stadt statt.

Die Einbindung des Koope-rationsprojektes, das jähr lichvom Deutschen Musikrat unddem Festival „WarschauerHerbst“ organisiert wird, in diediesjährigen Ferienkurse botideale Möglichkeiten, den kul-turellen Austausch durch dieRückbindung der Workshop-Aktivitäten nach Deutschland

Zwischen Zitherklängen und SpektralmusikDer European Workshop zu Gast in Darmstadt

zu intensivieren, und wurde eingroßer Erfolg.

Die 21 jungen Musikerinnenund Musiker aus Deutschland,Polen und weiteren europäi-schen Ländern studierten vom 9.bis zum 15. August unter der

Vom 16. bis 19. Oktober 2014findet in der Reihe „Musik aktu-ell“ der Bundesakademie fürmusikalische Jugendbildung inTrossingen eine Lehrerfortbil-dung zum Werk von MarkusHechtle statt, der als Auswahl-komponist auch in der EDITIONZEITGENÖSSISCHE MUSIK por-trätiert wurde.. Vorgestellt wer-den zum einen Konzepte undMaterialien zu Hecht les Kompo-sition screen für den Unterrichtmit Schülern und Schülerinnender Klassen 8 und 9, die füreines der ersten ABENTEUERNEUE MUSIK-Projekte erarbei-tet wurden. Außerdem werdenVermittlungsideen aus dem Edu-cation-Projekt „face to face“ prä-

© Niels Rohenkohl

Leitung von Prof. Rüdiger Bohnein Konzertprogramm ein, dasdiesmal mit Werken von GérardGrisey und Rapahel Cendo diefranzösische Neue-Musik-Szenein den Blick nahm. Die in diesemJahr eigens für den EWCM inAuftrag gegebenen Werke vonLeopold Hurt (Foto) (EDITIONZEITGENÖSSISCHE MUSIK) mitdem Komponisten als Solisten

an der Zither und Cezary Duch-nowski präsentierten Beispieleunterschiedlicher Ansätze ge-genwärtigen Komponierens. DasAbschlusskonzert fand am 16.August in der LichtenbergschuleDarmstadt statt. Am 23. Sep-tember wird das Programm imRahmen des Warschauer Herbs-tes präsentiert. www.musikrat.de/ewcm

sentiert, bei dem Jugendliche ge-meinsam mit Profimusikern zeit-genössische Musik erarbeitenund performen. Dozenten derWorkshops sind die Musikpäd-agogen Silke Egeler-Wittmannund Bernhard Rißmann, MarkusHechtle wird ebenfalls vor Ortsein. Bestandteil der Fortbildungsind auch Besuche der Konzerteund des Off-Programms der Do-naueschinger Musiktage. Anmel-dungen sind bis zum 5. Septem-ber 2014 möglich. „Musik ak -tuell“ und ABENTEUER NEUEMUSIK sind Partner in der musicacademy Donaueschingen (maD).

www.abenteuer-neue-musik.dewww.bundesakademie-trossingen.de

Im Juni begrüßte die Projektge-sellschaft des Deutschen Musik-rats zusammen mit den im Hausder Kultur ansässigen Verbän-den und Organisationen die seiteinem halben Jahr amtierendeBeauftragte für Kultur und Medien, KulturstaatsministerinProf. Monika Grütters MdB, zueinem mehrstündigen Kennen-lernen in Bonn.

Nach begrüßenden Wortendurch den Vorstand des Träger-

Lehrerfortbildung zu Abenteuer NeueMusik mit Markus Hechtle

Antrittsbesuch der Kulturstaatsministerinim Bonner Haus der Kultur

vereins (Norbert Pietrangeli,Geschäftsführer Deutscher Mu-sikrat; Urban Pappi, Geschäfts-führer VG Bild-Kunst; NorbertSievers, Geschäftsführer Kultur-politische Gesellschaft) erfolgtedie individuelle Vorstellung dereinzelnen Institutionen. In demanschließenden Gedankenaus-tausch mit StaatsministerinGrütters wurde u.a. besprochen,diesen im Jahresturnus fortzu-setzen.

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■ Deutsches Musikinformationszentrum

Quelle: Künstlersozialkasse

Abbildung 2

Freiberuflich Tätige in Musikberufen nach Tätigkeitsbereichen 2013

Insgesamt:50.083

Sonstige künstlerisch-musische TätigkeitDisc-Jockey, Alleinunterhalter

Pädagoge, Ausbilder im Bereich Musik

KomponistTexter, Librettist

Musikbearbeiter, ArrangeurKapellmeister, Dirigent

ChorleiterInstrumentalsolist ‚Ernste Musik‘Orchestermusiker ‚Ernste Musik‘

Oper-, Operetten-, MusicalsängerLied- und OratoriensängerChorsänger ‚Ernste Musik‘

Sänger für Unterhaltung, Show, Folklore

Tanz- und Popmusiker

Unterhaltungs- und Kurmusiker

Jazz-und RockmusikerKünstlerisch-technischer

Mitarbeiter im Bereich Musik

MIZ veröffentlicht statistische Daten zu Musikberufen

Vor dem Hintergrund des anhal-tenden Strukturwandels im Ar-beitsmarkt für Musikberufe hatdas Deutsche Musikinforma -tionszentrum (MIZ) in neuenZeitreihen und Überblicksgrafi-ken Daten zur Beschäftigungund zur freiberuflichen Tätigkeitin Musikberufen zusammenge-stellt. Die Statistiken basierenauf regelmäßig erscheinendenQuellen der Bundesagentur fürArbeit, des Statistischen Bun-desamts und der Künstlersozial-kasse, die hinsichtlich musik -relevanter Aussagen ausgewer-tet und aufbereitet wurden.

Nach Angaben der Beschäf-tigungsstatistik der Bundesagen-tur für Arbeit konnten für dasJahr 2013 insgesamt rund47000 sozialversicherungspflich-tig Beschäftigte in Musikberufennachgewiesen werden, über dieHälfte davon in den BereichenInstrumental- und Orchestermu-sik, Gesang, Dirigieren und Kom-position (vgl. Abb. 1). Musikpä-dagogen an Musikschulen undanderen außerschulischen Ein-richtungen stellten mit rundeinem Drittel die zweitgrößteGruppe der sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigten, mit wei-tem Abstand folgten Berufe inanderen Tätigkeitsfeldern wiedem Musikinstrumentenbau unddem Musikfachhandel.

Allerdings ist in den Datennur ein Teil der Musikberufe ab-gebildet. Musiklehrer an allge-mein bildenden Schulen, Musik-dozenten an Hochschulen, Mu-sikverleger und andere Musik-berufe fließen in übergeordne-ten Kategorien in die Beschäfti-gungsstatistik ein und könnennicht gesondert ausgewiesenwerden. Sie fehlen daher bei derBetrachtung ebenso wie Beamteund freiberuflich Tätige.

Über freiberuflich Tätige inMusikberufen informiert die

Versichertenstatistik der Künst-lersozialkasse (KSK), deren Da -ten das MIZ ebenfalls doku-mentiert hat (vgl. Abb. 2). Ins-gesamt sind in der KSK derzeitrund 50000 Musikerinnen undMusiker, Komponisten und Mu-sikpädagogen versichert.

Anders als in der Beschäfti-gungsstatistik der Bundesagen-tur für Arbeit stellen unter denfreiberuflich Tätigen die Musik-pädagogen die größte Gruppemit rund der Hälfte der Versi-cherten in der Sparte Musik.Über die Anzahl der Versicher-ten hinaus veröffentlicht die

Künstlersozialkasse auch Anga-ben zum durchschnittlichenJahreseinkommen (vor Steuern)pro Versichertem, das im Jahr2013 je nach Berufsgruppe zwi-schen 8500 (Chorsänger) und20100 Euro (Texter, Librettis-ten) ausmachte. Das Durch-schnittseinkommen eines Kom-ponisten lag nach Angaben derKSK bei 16700 Euro, das einesJazz-/Rockmusikers bei 11500Euro pro Jahr (vgl. Abb. 3).

Auskunft über das Einkom-men von Musikerinnen und Mu-sikern gibt auch der Mikrozen-sus des Statistischen Bundes-

amts. Der Mikrozensus ist aller-dings im Gegensatz zur Versi-chertenstatistik der Künstler -sozialkasse und der Beschäfti-gungsstatistik der Bundesagen-tur für Arbeit, die beide aufeiner Vollerhebung beruhen,eine repräsentative Stichprobe.Er unterscheidet sich darüber hi-naus auch hinsichtlich des Krei-ses der erfassten Erwerbstätigen(Angestellte, Arbeiter, geringfü-gig Beschäftigte und Auszubil-dende ebenso wie Selbststän-dige und Beamte). Die Ergeb-nisse des Mikrozensus, der aufSelbstauskünften der Befragten

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75000 Erwerbstätige mit mo-natlichen Nettoeinkommen in10 Klassen zwischen unter 300Euro und über 3200 Euro aus,wobei einzelne Einkommens-klassen aufgrund zu geringer

beruht, sind infolgedessen nichtoder nur bedingt mit den vorge-nannten Quellen vergleichbar.

Der Mikrozensus weist fürdie Kategorie „Musik-, Gesang-und Dirigententätigkeiten“ rund

Auf einen Blick: Daten zum Thema Beschäftigung und Erwerbstätigkeit in Musikberufen

• Erwerbstätige Musikerinnen und Musiker nach Altersgruppen und monatlichem Nettoeinkommen• Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Arbeitslose in Musikberufen• Freiberuflich Tätige in der Sparte Musik nach Versichertenbestand der Künstlersozialkasse• Freiberuflich Tätige in der Sparte Musik nach Tätigkeitsbereich und Durchschnittseinkommen• Planstellen der öffentlich finanzierten Orchester• Personal der öffentlichen Musiktheater• Lehrkräfte mit Lehrbefähigungen Musik an allgemein bildenden Schulen• Schüler, Lehrkräfte und Finanzierung der Musikschulen im VdM• Jahreshonorare und Beschäftigungsstatus von Musikschullehrkräften und Privatmusiklehrern• Wissenschaftliches und künstlerisches Personal in Studiengängen für Musikberufe• Erwerbstätigkeit in der Musikwirtschaft

Veröffentlicht sind die Statistiken des MIZ unter:http://www.miz.org/statistiken/bildung-ausbildung-s1502#6

Die Statistiken geben ebenfalls Auskunft über den Frauen- und Ausländeranteil in den einzelnenBerufen, über Berufsabschlüsse der Beschäftigten, über Altersgruppen und Beschäftigungsumfang(Teil-/Vollzeit).

Hinweis: Die Daten und Berechnungsgrundlagen beruhen auf Angaben der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktstatis -tiken der Bundesagentur für Arbeit, dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts sowie auf Versichertendatender Künstlersozialkasse. Detaillierte Hinweise zur Methodik der Erhebungen finden sich im Internetportal des MIZ.Copyright: Deutscher Musikrat gGmbH/MIZ

Quelle: Künstlersozialkasse

Abbildung 3

0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000

Sonstige künstlerisch-musische Tätigkeit

Künstlerisch-technischer Mitarbeiter im Bereich Musik

Pädagoge, Ausbilder im Bereich Musik

Disc-Jockey, Alleinunterhalter

Sänger für Unterhaltung, Show, Folklore

Unterhaltungs- und Kurmusiker

Tanz- und Popmusiker

Jazz-und Rockmusiker

Chorsänger ‚Ernste Musik‘

Lied- und Oratoriensänger

Oper-, Operetten-, Musicalsänger

Orchestermusiker ‚Ernste Musik‘

Instrumentalsolist ‚Ernste Musik‘

Chorleiter

Kapellmeister, Dirigent

Musikbearbeiter, Arrangeur

Texter, Librettist

Komponist

Freiberuflich Tätige in Musikberufen nach durchschnittlichem Jahreseinkommen (vor Steuern) 2013

Euro

Fallzahlen nicht detailliert dar-gestellt werden. Dokumentiertsind 18000 Musikerinnen undMusiker in den Einkommens-klassen zwischen 500 und 1100Euro sowie 29000 Musikerin-

nen und Musiker, die zwischen1500 und über 3200 Euro proMonat verdienen.

In einer Stellungnahme hatder Generalsekretär des Deut-schen Musikrats, Prof. ChristianHöppner, Position zu den Er-gebnissen bezogen. Die Datenmachten die bedenkliche bisdramatische soziale Situationvon Musikerinnen und Musi-kern deutlich und zeigten gleich -zeitig die dringende Notwen-digkeit der gesellschaftlichenBewusstseinsschärfung für denWert kreativen Schaffens auf.„Der Zunahme prekärer Arbeits-verhältnisse insbesondere inden kulturvermittelnden Beru-fen muss entgegengewirkt wer-den“, forderte Höppner. „Diegesellschaftliche Wertschätzungfür Musik und Kultur muss sichauch in den sozialen Rahmen-bedingungen unserer Künstlerwiderspiegeln – nur so wird esweiterhin Nachwuchs geben,der sich im Bereich der Musikprofessionalisieren wird.“

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Der LMR Baden-Württembergbegrüßt sein 11. Ensemble: dasLandesjugendensemble fürNeue Musik. Mit der Unterstüt-zung des Netzwerks NeueMusik Baden-Württemberg e.V.wird dieses Projekt im Herbstmit der ersten Arbeitsphase in

Freiburg und Stuttgart aus derTaufe gehoben. Mitmachenkönnen alle Instrumentalistenab 13 Jahren mit Wohnsitz inBaden-Württemberg.

Alle Infos unter www.neuemu-sikbw.com/lje

Der Innovationsfonds Kunstmachts möglich: Seit Frühjahr2014 entstehen die Jazz JuniorsBW. Das neue Band-Projekt unterder Leitung des SaxofonistenPeter Lehel soll junge Jazzta-lente im Alter zwischen 13 und16 Jahren an das Combospielheranführen und wichtige Jazz-

kenntnisse vermitteln. Im Juliwerden Probespiele in Karlsruheund Stuttgart abgehalten, dieerste Arbeitsphase findet in denHerbstferien in Weikersheimstatt.

www.landesjugendjazzorchester.de/jazzjuniors

■ Landesmusikrat Baden-Württemberg

Jazz Juniors Baden-Württemberg

Der Workshop „Jugend kompo-niert“ ist ein gemeinsames Pro-jekt des Landesmusikrates Thü-ringen, des LandesmusikratesHessen und der Sparkassen-Kul-turstiftung Hessen-Thüringenund findet vom 2.-5. Oktober inder Thüringer Landesmusikaka-demie Sondershausen statt. Errichtet sich an Kinder und Ju-gendliche, die eigene Stückekomponiert haben. Der Work-shop dient dazu, sich von erfah-renen Komponisten beraten zulassen, verschiedene Instru-mente und deren Möglichkeitenkennen zu lernen.

Die künstlerische Kursleitunghaben Johannes K. Hildebrandt,Peter Helmut Lang, WolfgangWollschläger und Prof. GerhardMüller Hornbach.Zum Workshop sollten bereitseigene Kompositionen mitge-bracht werden. Für die Erarbei-tung und eventuelle Aufführungeigener Kompositionen stehtdas Landesjugendensemble fürNeue Musik zur Verfügung. Ei-gene Instrumente können eben-falls mitgebracht werden.Anmeldeschluss ist der 5. Sep-tember, das Anmeldeformularsteht unter www.lmrthuerin-gen.de zum Download bereit.

Jugend komponiert 2014

Landesensemble für neue Musik

In der Mitgliederversammlungdes LMR wurde am 3. Juni einneues Präsidium gewählt. Derbisherige Präsident, Prof. Dr.Hermann Wilske, wurde mitüber 95% der Stimmen für dreiweitere Jahre im Amt bestätigt.Auch die bisherigen Vizepräsi-denten, LKMD Kord Michaelisund Prof. Mini Schulz, werdenihr Amt in der nächsten Legisla-turperiode weiterführen.

Das Präsidium wird kom-plettiert durch Eckhart Fischer(Jazzverband Baden-Württem-berg und Deutscher Tonkünst-lerverband Baden-Württem-berg), Prof. Elisabeth Gutjahr(Rektorin der Musikhochschule

Trossingen), Cornelius Haupt-mann (Deutscher Tonkünstler-verband), Maria Löhlein-Mader(Badischer Chorverband), CarolaOldenkott (SWR), Bruno Seitz(Blasmusikverband Baden-Würt-temberg) und Dr. Klaus Weigele(Direktor der LandesakademieOchsenhausen).

Fritz Hörter, langjährigesverdientes Präsidiumsmitglied,wurde einstimmig zum Ehren-mitglied des Landesmusikratsernannt.

Als 78. Mitglied wurde dieHändel-Gesellschaft Karlsruhee.V. in den LandesmusikratBaden-Württemberg aufgenom-men.

■ Landesmusikrat Hessen

Neues LMR-Präsidium

Der Landesmusikrat Hessen ver-anstaltete zum 3. Mal einen Pop& Rock Förderkurs vom 19. bis22. Juni im Schloss Hallenburgin Schlitz. Dieser Kurs ist eineFördermaßnahme im Anschlussan den Wettbewerb “Jugendmusiziert“ für Sänger, Gitarris -ten, Bassisten, Schlagzeuger und

Keyboarder. Der Förderkurswandte sich an Instrumentali-stinnen und Instrumentalistenzwischen 13 und 21 Jahren. DieDozenten waren Janis Heftrich(Drum-Set), Jan Masuhr (Gi-tarre) und Claudio Zanghieri(Bass). Der Kurs soll den Teil-nehmern Motivation für selbst-ständige musikalische Arbeit ineiner Band geben. Aber auch

Body-Percussion, Schlagzeug-Ensemble, Arrangement undSongwriting waren Themen.Neben bekannten Cover-Songskonnten auch eigene Songs er-arbeitet wurden. Die Arbeitser-gebnisse werden in einem öf-fentlichen Konzert in der Lan-desmusikakademie Hessen,

Schloss Hallenburg in Schlitz am22. Juni 2014.

Gefördert wurde der Kursvom Hessischen Ministerium fürWissenschaft und Kunst undvon der Sparkassen-Kulturstif-tung Hessen-Thüringen.

www.landesmusikrat-hessen.de

„Jugend musiziert“ rockt

(v.l.n.r.): Maria Löhlein-Mader, Kord Michaelis, Prof. Dr. Hermann Wilske, Prof.Elisabeth Gutjahr, Eckhart Fischer, Cornelius Hauptmann, Dr. Klaus Wei-gele, Bruno Seitz, Carola Oldenkott (nicht im Bild: Prof. Mini Schulz). © LMR

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DE ■ Deutscher Komponistenverband

Kompositions- und Autorenstipendium

Vom 24. bis 27. April kamen 18Teilnehmer, darunter auch ausPolen, in das Schloss Trebnitz,um von den Dozenten MarkusRex, Waldemar Schwiertz, Jo-anna Krempec-Kaczor und Ro-bert Starke – unter der künstle-rischen Leitung von ChristophStaemmler – neue Impulse fürihr Kontrabass-Spiel zu erhalten.

Gearbeitet wurde an ver-schiedenen Ensemble- und So-lostücken, in Einzelstunden,Kammermusik- und Bassorches-terproben. Höhepunkt war dasöffentliche Abschlusskonzert am

Sonntag, in dem alle Teilnehmerihre Fortschritte präsentierten,und der Auftritt des Bassorches-ters mit 20 Kontrabässen.

„Bassini“ ist ein Projekt desLandesmusikrates in Koopera-tion mit dem Ministerium fürWissenschaft, Forschung undKultur des Landes Brandenburg.

■ Landesmusikrat Brandenburg

4. Berlin-Brandenburgisches DirigentenseminarDas Brandenburgische Dirigen-tenseminar fand vom 4.-6. Aprilstatt und lockte 23 Kinder- undJugendchorleiter/innen nachGnewikow. Darunter auch erst-mals Teilnehmer/innen aus

Mecklenburg-Vorpommern.Neben Probenmethodik und al-tersgerechter Stimmbildungstand das Thema Dirigiertechnikim Mittelpunkt. Als Dozentenwirkten Prof. Hans-Peter Schurz,Steffen Klaumünzner und Clau-dia Jennings. Für die praktischeArbeit standen den Seminaris -ten der Kinderchor der Ge-schwister-Scholl-GrundschuleFalkensee und der MärkischeJugendchor Neuruppin zur Ver-fügung.

In einer abschließenden Prä-sentation wurden das Gelernteöffentlich vorgeführt. Mit dabeiauch Gerrit Große, die Vizeprä-sidentin des Landtages Bran-denburg.

Landesbegegnung „Jugend jazzt“Die Landesbegegnung „Jugendjazzt“ für Jazzensembles wirdam 13. September unter dem

Motto „Jazz auf dem Kutsch-stallhof“ in Potsdam veranstal-tet. Brandenburger Jazzensemb -les und Combos können sichpräsentieren, vergleichen undKontakte knüpfen bewerten las-

Bassini 2014

Das Bundesland Hessen pflegtseit vielen Jahren mit seinen eu-ropäischen Partnerregionen kul-turelle Kontakte. 2011 wurdedas Paul-Hindemith- und Hein-rich-Mann-Stipendium für Kom -ponisten und Autoren aus Hes-sen und dem DepartementAquitanien ins Leben gerufen.

Als Gast aus Frankreich warvom 12. Februar bis 12. Aprildie 36-jährige Komponistin Na-talie Biarnés aus Pau-Aquitainezu Gast im Schloss Hallenburg.Sie arbeitete an ihren Auftrags-werken für Chor, Soli und Or-chester, besonders an einerPsalm-Vertonung zum 150.Psalm „Hör mein Bitten“.

Sie besuchte die FrankfurterMusikmesse und Konzerte inFrankfurt, Kassel, Obertshausenund in der Landesmusikakade-mie in Schlitz. Der Besuch imBärenreiter-Verlag wird für siefür zukünftige Veröffentlichun-gen nützlich sein. Anfang Aprilhielt sie vor zahlreichem Publi-kum einen Vortrag über ihreWerke und Arrangements undkonnte anhand von Musikbei-spielen, Fotos und Videos dieAnwesenden mit ihrer Musikbegeistern.

Dokumentarfilmmusikpreis an Ulrike Haage

Zum zweiten Mal wurde derDeutsche Dokumentarfilmmu-sikpreis im Rahmen des DOK.fo-rums vergeben. Der Preis ist mit2500 Euro dotiert, Preisstifter istder Förder- und Hilfsfonds desDKV zusammen mit der DEF-KOM Deutsche Filmkomponis -tenunion.

Diesjährige Preisträgerin istdie Komponistin Ulrike Haageund ihre Filmmusik für MeretOppenheim – Eine Surrealistinauf eigenen Wegen. In dem Do-kumentarfilm zeigt die Regis-seurin Daniela Schmidt-Langelsdas facettenreiche Werk undbunt schillernde Leben einer derbedeutendsten Künstlerinnen

des 20. Jahrhunderts. Die Preis-verleihung fand am 10. Mai2014 im Rahmen des DOK.fo-rums 2014 statt. Die Mitglieder der Jury:Rainer Fabich (Komponist Mün-chen), Christoph Rinnert (Kom-ponist Berlin), Sebastian Fischer(Komponist München, Preisträ-ger 2013), Ingo Fliess (Produ-zent München), Sebastian Sorg(DOK.forum München)

Das DOK.forum ist Bran-chen- und Nachwuchsplattformdes 29. Internationalen Doku-mentarfilmfestivals München.Vom 8.-14. Mai fand es in derHochschule für Film und Fern-sehen München statt.

sen. Die beste Band erhält eineDelegierung zur Bundesbegeg-nung „Jugend jazzt“. Die Teil-nahme ist kostenlos.

Ausschreibung unter: www.landes-musikrat-brandenburg.de

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Eine Chance für mehr Musik in der Schule

Niedersachsen führt im Septem-ber 2014 einen neuen Ganz-tagserlass ein, der von einemganzheitlichen Bildungsangebotausgeht. Solche Angebote sinddann nicht mehr als zusätzliches„Betreuungsangebot“ herunter-gestuft, sondern sind elementa-rer Bestandteil des Bildungsauf-trags. Mit diesem Begriff kannein Fundament gelegt werden,die Ganztagsschule zu einemOrt der musikalischen Bildungweiterzuentwickeln. Danebenbietet ein neues Berechnungs-modell die Chance, bedarfsge-rechte und qualitativ hochwer-tige Kooperationsangebote inden Schulalltag einbinden zukönnen.

Leider nur unzureichendwird der Aspekt des individuel-len und selbstständigen Lernensunterstützt. Ein elementarer Be-standteil der musikalischen Bil-dung, gerade im fortgeschritte-nen Stadium, ist das individuelleÜben und Musizieren. Der Indi-

vidualunterricht und das indivi-duelle Üben müssen in derGanztagsschule (vor allem in dervollgebundenen Ganztagsschu -le) möglich sein und besser ver-zahnt werden.

Der Landesmusikrat begrüßtdie Neuerungen des nieder-sächsischen Ganztagserlassesausdrücklich und schlägt paral-lel zur Einführung des neuenGanztagserlasses vor, ein Pilot-projekt des musikalischen Dreh-türmodells an einigen ausge-wählten Ganztagsschulen in Ko-operationen mit geeignetenMusikschulen über drei Jahredurchzuführen.

Gemeinsam soll eine Hand-reichung für Schulleitungen undaußerschulische musikalischeBildungsträger zum neuenGanztagserlass erarbeitet wer-den, um Informationsdefizite zuminimieren und für die Chancendes Ganztags als Ort der musi-kalischen Bildung zu begeistern.

Mit einer Resolution fordert derLandesmusikrat NRW von derSchulpolitik in NRW, dassSchule im Vormittags- und imNachmittagsbereich Freiräumefür die Entwicklung von musika-lischer Begabung und für dasÜben lässt und dass Schule dieWertschätzung der musikali-schen Arbeit von Begabten miteiner vereinfachten Anerken-

nung von Wettbewerbsleistun-gen als besondere Lernleistungin den Schulzeugnissen aus-drückt. Dahinter steht dieSorge, dass die verändertenStrukturen schulischer Bildungden Raum von Kindern und Ju-gendlichen für die Entwicklungmusikalischen Talents zuneh-mend verengen (vollständigerText unter www.lmr-nrw.de).

Alle 90 Minuten wird in Deutsch -land ein Kind geboren, das miteiner geistigen Behinderungleben wird. Dass diese Kinderund deren Familien am gesell-schaftlichen Leben teilhaben, istseit Jahrzehnten das große Zielvielfältiger gesellschaftlicher An-strengungen. Daher ist auch diediesjährige Spendenaktion von

OrchesterwerkstattKulturradio WDR 3, der Landes-musikrat NRW und die Hoch-schule für Musik und Tanz Kölnschreiben erneut eine Orches -terwerkstatt aus. Bis zum 1. No-vember können junge Kompo-nisten ihre Partituren einrei-chen. Bis zu vier Partituren wer-den am 11. März 2015 vomWDR Sinfonieorchester Köln zurUraufführung gebracht. Den

Newcomern stehen währendder Probenphase am 9. und 10.März die Orchesterprofis undder junge Dirigent FrancescoAngelico mit Rat und Tat zurSeite. Zu hören sind die Ergeb-nisse live in der Kölner Musik-hochschule und im KulturradioWDR 3.

Ausschreibung zum Downloadunter www.lmr-nrw.de

Kultour³ am 13. September

Musikalische Talente brauchen schulischeFreiräume

Die Landesmusikakademie NRWim münsterländischen Heek fei-ert in diesem Herbst ihr 25-jäh-riges Bestehen, und da auch fürdas nahegelegene KünstlerdorfSchöppingen und das rock’n’popmuseum Gronau Jubiläen

anstehen, wird eine Kultour³daraus.

www.landesmusikakademie-nrw.de

Tag der Musik 2014 – GillespieZum Tag der Musik 2014 lädtder LMR im Rahmen der Euro-päischen Musikbörse die koso-varische UndergroundRock’n’Roll Band "Gillespie" zuvier Konzerten vom 11. bis zum14. Juli nach Rheinland-Pfalz ein. Gillespie ist eine 2005 gegrün-

dete Underground Rock'n'RollBand aus dem Kosovo. Bei denKonzerten in Koblenz und Trierwird die Band auf eine rhein-land-pfälzische Band treffen. Dereuropäische Gedanke wird beidem Konzert in Mainz zudemverstärkt, indem dort in Koope-

Spenden-Sammelaktion von Lotto Rheinland-Pfalz 2014

■ Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen

■ Landesmusikrat Niedersachsen

■ Landesmusikrat Rheinland-Pfalz

Lotto Rheinland-Pfalz undLotto-Stiftung Kindern mit geis -tiger Behinderung gewidmet.Gemeinsam mit dem Landes-verband der „Lebenshilfe“,„Special Olympics e.V.“ wird derLandesmusikrat ein ganzes JahrGeld sammeln, damit viele Pro-jekte und Maßnahmen finanziellunterstützt werden können.

Landesmusikrats-Präsident Peter Stieber mit Lottorepräsentanten und Projekt-partnern bei der „Lottospendenaktion“

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ration mit dem Haus Burgundeine französische Band mit imKulturclub SchonSchön auftretenwird. Die Einladung der Band er-

folgte in Kooperation mit derLAG Rock und Pop sowie der Eu-ropäischen Musikbörse und wirdvom Goethe-Institut gefördert.

arbeit und Stilistik. Möglich isteine Teilnahme mit Master-Ab-schluss, mit Zertifikat über eineFortbildung oder als Gasthörer.Zugangsvoraussetzung für Mas -terstudierende ist ein abge-schlossenes Musikstudium undeine mindestens einjährige Pra-xis als Chordirigent. Bewer-bungsschluss ist der 30. Sep-tember 2014.

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Chordirigenten können sich absofort für den Studiengang Wei-terbildungsmaster Chorleitungan der Hochschule für MusikHanns Eisler Berlin bewerben.Der Weiterbildungsmaster beiProf. Jörg-Peter Weigle umfasstvier Arbeitsphasen mit jeweilsvier Tagen zwischen Januar undSeptember 2015 in Berlin. Un-terrichtet werden Dirigiertech-nik, Probenpraxis, Intonations-

Jetzt für Weiterbildungsmaster Chorleitungbewerben

shops, Symposien, Coachings,Konzerte, Meister- und Inten-sivkurse.

Ab September finden sich auch dasProgramm 2015 sowie alle Informa-tionen zur Anmeldung aufwww.chor.com.

Vom 1. bis zum 4. Oktober2015 trifft sich die deutscheund internationale Chorszenenach 2011 und 2013 bereitszum dritten Mal in Dortmund.Die chor.com bietet für Chorlei-ter, Musikpädagogen, Kantorenund Sänger mehr als 150 Work-

Ab September für chor.com 2015 anmelden

Bruckner beim LandesjugendorchesterAuf dem Programm der diesjäh-rigen Osterarbeitsphase desLandesjugendorchesters Rhein-land-Pfalz standen AntonBruckners 7. Sinfonie in E-Dursowie Robert Schumanns Cello-konzert in a-Moll op. 129.Unter der musikalischen Leitungvon Daniel Raiskin schlossen

drei Konzerte in Bingen, Neu-stadt und Kusel die Arbeits-phase ab. Das Publikum be-lohnte die jungen Musiker mitviel Applaus und auch diePresse lobte die Jugendlichenim Alter von 12 bis 19 Jahrenfür ihre Professionalität, ihrKönnen und Engagement.

■ Deutscher Chorverband

Der Vertrag hat zunächst eineLaufzeit bis 2019. Ihm zur Seitesteht ein bewährtes Team mitWettbewerbs-GeschäftsführerSebastian Pflüger an der Spitze,das Budday die Einarbeitung inMarktoberdorf erleichtern wird.Die Ausschreibung für dennächsten Wettbewerb (2015)läuft bereits.

www.modfestivals.org bzw.www.chorverbaende.de

Mit Jürgen Budday übernahmeiner der profiliertesten und an-gesehensten deutschen Chorex-perten zum 1. Juni die künstle-rische Leitung des Internationa-len Kammerchor-WettbewerbsMarktoberdorf. Die BDC beriefBudday als Nachfolger vonWettbewerbsgründer Dolf Ra -bus, der im vergangenen Winternach langer Krankheit und fast25- jährigem Wirken in Markt-oberdorf verstorben war.

Neuer Künstlerischer Leiter für Internatio-nalen Kammerchor-Wettbewerb

Für bessere Auftrittsbedingungen im Jazz

■ Bundesvereinigung Deutscher Chor-verbände

■ Union Deutscher Jazzmusiker

zu Forschungsschwerpunktendes Greifswalder Instituts fürKirchenmusik und Musikwis-senschaft. Weitere inhaltlicheAkzente setzen Symposien undPräsentationen der jeweiligenFachgruppen, der ViFa Musiksowie von RILM.

Die nächste Jahrestagung derGesellschaft für Musikforschungfindet vom 17. bis zum 20. Sep-tember an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswaldstatt. Den inhaltlichen Rahmenbilden mit der Musikkultur desOstseeraums und der Musik vonRichard Strauss zwei Symposien

Jahrestagung 2014

■ Gesellschaft für Musikforschung

■ Deutsche Orchestervereinigung

DOV erhält „Leo-Kestenberg-Medaille 2014“

Die DOV wird für ihr nachhaltigesEngagement in der Musikver-mittlung mit der Leo-Kestenberg-Medaille 2014 ausgezeichnet.Mit dem alle zwei Jahre verliehe-nen Preis würdigt der VerbandDeutscher Schulmusiker (VDS)besondere Verdienste um dieMusikerziehung in Deutschland.

In der Verlautbarung desVDS heißt es: „Mit der Leo-Kes -tenberg-Medaille würdigt derVDS die DOV für ihre herausra-genden musikalischen Bildungs-und Vernetzungsprojekte, diesie in Kooperation mit verschie-denen Partnern im Besonderenfür die Förderung des musikali-schen Nachwuchses an Schulenin den vergangenen Jahren un-terstützt oder entwickelt hat.Dazu zählen u.a. die Internet-

plattform „Abenteuer Klassik“,der Wettbewerb, „Kinder zumOlymp“, das „Netzwerk Orches -ter und Schulen“ sowie die„tutti pro“-Patenschaften zwi-schen Berufsorchestern und Ju-gendorchestern in Schulen undMusikschulen. Zudem ist dieDOV Gründungsmitglied des„netzwerk junge ohren“ – dieMusikvermittlungsplattform fürDeutschland, Österreich unddie Schweiz.“

Die Verleihung der Leo-Kes -tenberg-Medaille 2014 findetam 18. September 2014 imRahmen des 2. Bundeskongres-ses Musikunterricht in derHochschule für Musik undTheater Leipzig statt.

www.dov.org

Deutschland verfügt über eineder künstlerisch kreativsten, vi-talsten und produktivsten Sze-nen im Bereich des Jazz und deraktuellen improvisierten Musik

in Europa. Damit diese zur Gel-tung kommen kann, bedarf siejedoch einer Jazz-Live-Kultur, zuderen existentiellen Bedingun-gen eine aktive Partnerschaft

Union Deutscher Jazzmusiker legt gemeinsam mit über 60 Veranstaltern Willenserklärung vor

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Die JMD-Jugend-Initiative„mu:v – Musik verbindet“ stehtfür Bewegung, Begeisterungund Musik aller Stilrichtungen.Bundesweiter Treffpunkt ist allezwei Jahre das Weikersheimer

Profils – unabdingbar, um imheutigen Musikbetrieb kompe-tent, selbstbewusst und (wie-der)erkennbar auftreten zu kön-nen. Gefördert wird der Meis -

terkurs durch die DeutscheBank Stiftung und die Feundejunger Musiker Frankfurt.

www.gesangslabor.de

3. Musikalisches Sommercamp

zwischen Spielstätten, Festival-veranstaltern und Musikern ge-hört. Die ausführenden Künstlermüssen für ihre Arbeit ange-messen bezahlt werden. Gleich-zeitig verdient eine gesunde na-tionale Clublandschaft, als un-verzichtbarer Nährboden, aufdem eine Szene wächst und ge-deiht, ihrerseits angemesseneFörderung. Hier ist die öffentli-che Hand genauso in der Ver-antwortung wie bei Opernhäu-sern, Theatern und Symphonie-orchestern. Zu den über 60 Un-terzeichnern gehören nebengroßen Clubs auch kleine Kon-zertreihen ehrenamtlich arbei-tender Vereine, Festivals, Kul-turhäuser und öffentliche Kul-tureinrichtungen. Die Willens-

erklärung ist keine einseitigeForderung der Musiker, sondernein starkes kulturpolitisches Sig -nal und Ausdruck eines neuenSelbstbewusstseins und einerneuen Solidarität innerhalb dergesamten deutschen Jazzszene.Der Text schreibt erstmals Ein-stiegsgagen in Höhe von 250Euro bei Clubkonzerten sowie500 Euro bei Festivalkonzertenfest. Entscheidend ist, dassdiese Regelung für Spielstättenbzw. Veranstaltungen dann gilt,wenn sie zu mindestens einemDrittel öffentlich gefördert wer-den.

Volltext der Willenserklärung unterwww.u-d-j.de/willenserklaerung

mu:v-Camp. Vom 28. Juli bis 1.August konnten musikbegeis -terte Jugendliche von 16 bis 26Jahren aus über 30 verschiede-nen Kursen und Workshops ihrindividuelles Programm zusam-menstellen, Konzerte erleben

und gemeinsam eine gute Zeithaben. Die Organisatoren und Pro-gramm-Macher des mu:v-Camps, alle selbst zwischen 18und 24 Jahren jung, folgtenauch in diesem Jahr nicht denbekannten Pfaden der Musik-tradition und -theorie. Mit dereigenen Neugier als Kompassging ihr Programm konsequentquerfeldein – vom Guerilla-Marketing, über Ukulele, NeueMusik, Songwriting oder Salon-orchester ist alles dabei. Teil-nehmer konnten tanzen, kom-ponieren und sich mit ihrem In-strument in neuen Formationenund Musikstilen ausprobieren.Das mu:v-Camp bleibt ein au-ßergewöhnliches Format, unddie JMD bleibt dabei: Es lohntsich, Jugendliche einzuladenund dazu herauszufordern, dieGrenzen des ihnen Bekanntenzu überschreiten und ihren Ho-rizont zu erweitern. Neben derneuen musikzeitung, die aucheinen Journalismusworkshopanbot, ist die GVL einer derHauptförderer des Camps.

Informationen unterwww.muv.jmd.info

Auf der Bremer Musikmesse jazzahead! wurde die Willenserklärung im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt.

Meisterkurs für Sänger und KorrepetitorenMit dem „Exzellenz-Labor Ge-sang“ macht die JMD jungenOpernsängerinnen und -sän-gern ein hochwertiges Angebotauf dem Weg zum Berufserfolg.

Die Mezzosopranistin Hed-wig Fassbender und der italieni-sche Dirigent Fausto Nardi ent-wickelten Idee und Konzept zudiesem Intensivkurs für Sängerund Korrepetitoren.

Der Arbeitsalltag an einemOpernhaus ist insbesondere fürBerufsanfänger nicht immer ein-

fach und erfordert ein hohesMaß an Selbstdisziplin und -or-ganisation. Korrepetitoren sindfür dieses kontinuierliche per-sönliche „Training“ wichtigePartner. Das Exzellenz-LaborGesang vermittelt unterschied-liche Herangehensweisen derZusammenarbeit und befähigtjunge Sänger und Korrepetito-ren zu einer qualitätvollen undeffektiven Arbeit an diesem„letzten Schliff“. Ziel ist die Ent-wicklung eines künstlerischen

■ Jeunesses Musicales Deutschland

„Best of“ Musikvermittlung in Europa

■ Young EARopean Award

Mit seinem Motto „Ausgezeich-netes für junge Ohren“ suchtder junge ohren preis auch2014 wieder nach exzellentenKonzertformaten und Musik-projekten für Kinder und Ju-gendliche im deutschsprachigenRaum. Neu in diesem Jahr istder Konzept- und Ideenpreis

„LabOhr“, der die Hauptkatego-rien „Best Practice: Konzert“und „Best Practice: Partizipativ“erweitert. Damit regt das netz-werk junge ohren die Umset-zung experimenteller Ideen imRandbereich von Musik an, ex-plizit an der Schnittstelle zu an-deren Kunstsparten. Die Aus-

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schreibung läuft noch bis zum20. September. Die Gewinnerwerden am 27. November inStuttgart in einer feierlichenGala bekanntgegeben.

Als Biennale weitet derYoung EARopean Award YEAH!die Suche nach Impulsen für diemusikalische Gegenwart undZukunft auf ganz Europa aus.Die dritte Ausschreibung desersten europäischen Wettbe-werbs für Musikvermittlung en-dete am 30. Juni. Damit begin-

Viele Chöre spüren die Auswir-kungen der demografischenEntwicklung unmittelbar. Lang-jährige und erfahrene Sängerverlassen ihren Chor, weil siespüren, dass sie den eigenenAnsprüchen nicht mehr genü-gen. Nicht selten altert auch dergesamte Chor miteinander undes ergeben sich neue Anforde-

rungen – aber auch Möglichkei-ten! Der passionierte ChorleiterAlfons Scheirle gibt in seinemKurs Tipps für die erfolgreicheProbenarbeit mit älteren Chor-sänger, damit das Singen imChor weitergeht.

Anmeldeschluss ist der 25. August.

Chorsingen ohne Altersbeschränkung

Jugendkammerchor-Begegnung

Vom 17.-21. September findetin Leipzig der 2. Bundeskon-gress Musikunterricht der bei-den großen musikpädagogi-schen Verbände Arbeitskreis fürSchulmusik und Verband Deut-scher Schulmusiker statt.

Genau 416 Kurse an fünfKongresstagen warten auf dieaus dem gesamten Bundesge-biet anreisenden Teilnehmer.Anmeldeschluss ist der 1. Sep-tember 2014. Das diesjährigeKongressmotto „Horizonte öff-

■ Arbeitskreis Musik in der Jugend

Bundeskongress Musikunterricht

nen nicht nur die spannendePhase der Juryarbeit, sondernauch die Vorbereitungen für dasYEAH! Festival im Juni 2015 inOsnabrück. Das Festival ergänztden Wettbewerb um ein wert-volles Podium und machtYEAH! zu einer lebendigenPlattform zum fachlichen Aus-tausch der europäischen Educa-tion & Outreach Szene.

Informationen unterwww.yeah-award.com

Professor Ekkehard Klemm undder Dresdner Singakademie. Vor der Kulisse von Zwinger,Semperoper und Hofkirche mu-sizierten die Chöre – Freude amSingen und sängerische Qualitäteines Zufallschores waren zu er-leben. Auch das Publikumstimmte mit ein.

www.vdkc.de

Zum Dresdner Treppensingen„Dresden singt und musiziert"lud der VDKC Sänger aus seinenMitgliedschören zum gemeinsa-men Musizieren mit DresdnerChören und der Elbland Philhar-monie Sachsen. Die Traditions-veranstaltung der Dresdner Mu-sikfestspiele stand am 24. Maiin der künstlerischen Verant-wortung von VDKC-Präsident

Dresdner Treppensingen 2014

■ Verband Deutscher Konzertchöre

■ Verband Deutscher Schulmusiker

Vom 4. bis 13. Juli fand die in-ternationale Jugendkammer-chor-Begegnung auf Usedomstatt. Chöre aus Spanien, Russ-

land, Dänemark, Polen undDeutschland studierten in denKirchen in Karlshagen, Zinno-witz und Krummin gemeinsamneue Literatur ein. Der Höhe-punkt war das Abschlusskonzertin der St. Petri-Kirche Wolgastam 12. Juli. Acht weitere Kon-zerte gab es auf der Insel Use-dom.

In diesem Jahr wurden dieAteliers von den internationalrenommierten Chorleiter-ProfisUrša Lah (Slowenien), Bo Jo-

hansson (Schweden) und KjetilAamann (Norwegen) geleitet.Das Festival bringt Jugendlicheaus ganz Europa zusammen undfördert so den kulturellen Aus-tausch und das gelebte europäi-sche Miteinander.

www.amj-musik.de/module.php5?fid=7&ident=388&mod=vorlagen

nen“ zielt im fachlichen Sinneauf die vielen unterschiedlichenDimensionen musikpädagogi-schen Handelns sowie eine not-wendige, wachsende Zusam-menarbeit der verschiedenenBildungsträger im Bereich musi-kalischer Bildung.

Kongresszentrum und Mit-veranstalter ist die UniversitätLeipzig am Augustusplatz. Ko-operationspartner und zweiter

Haupttagungsort ist die Hoch-schule für Musik und TheaterLeipzig. Um diese beiden Zent -ren gruppieren sich weitere Tagungsorte in der Innenstadt.Finanziell gefördert wird der 2. Bundeskongress Musikunter-richt vom Sächsischen Kultusmi-nisterium und dem SächsischenBildungsinstitut. www.bk-mu.de

©Dejan Patic

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Ich danke – mit ebenso viel Freude wie Betroffenheit. Die Be-troffenheit hat im Blick auf meine Vorgänger mit dem zu tun,was Philologen „Einschüchterung durch Klassizität“ nennen.Damit freilich darf ich nicht hausieren gehen – ich wäre koket-ter Bescheidenheit verdächtig, und es liefe auf Zweifel an derUrteilsfähigkeit des Kuratoriums hinaus.Preise kann man nicht verdienen, sie sind immer auch Zufälle.Der Delinquent tut gut daran, sie im Blick auf die Sache, die ervertritt, als Leihgabe zu betrachten. In diesem Jahr gilt der Preiswohl zweierlei: der Musikwissenschaft, um deren Publizität esim Vergleich zu anderen mit Kunst befassten Wissenschaftennicht gut steht, und dem Spagat zwischen musikalischer Praxisund Theorie.Mit diesem, dem Sitzen auf oder zwischen zwei Stühlen, bin ichso oft in Verbindung gebracht worden, dass mir nichts anderesübrigbleibt, als hiervon zu reden. Dabei geht mir schon die pau-schale Trennung schwer über die Lippen, weil ich immer neuentdecke, wieviel wechselseitige Osmose stattfindet, wie sehrbeide einander brauchen. „So geht es dir, Zergliedrer deinerFreuden“ – diese Erfahrung habe ich nicht gemacht, Pascals„pour comprendre il faut aimer“ steht mir näher, auch die Um-kehrung: dass man, um zu lieben, erkennen sollte, wenngleichLiebe auch ein Vor-Vertrauen in Nichterkennbares einschließt. Zur bissigen Dialektik zwischen musikalischer Praxis und Theo-rie gehört freilich auch, dass beide hiervon oft nichts wissenwollen. „Musicorum et cantorum magna est distantia: / Isti di-cunt, ille sciunt, quae componit musica. / Nam qui facit, quodnon sapit, diffinitur bestia“ – so reimte Guido von Arezzo, einerder Säulenheiligen der Musik des Mittelalters. Auch wenn wirabziehen, dass er am ehesten als pädagogischer Praktiker in Er-innerung geblieben ist, und Musik, wie er sie verstand, tatsäch-lich Wissenschaft war, klingt in unseren Ohren anmaßend, dass„der, der macht, ohne zu wissen, ein Vieh“ sein soll. So dass ichsofort eine Huldigung an das unbewusste Wissen, eine intiutive,gänzlich musikbezogene Intelligenz etlicher großer Musiker

nachschieben muss, die im Normalsinn nicht sonderlich gebil-det erscheinen.Die atemberaubende Entwicklung der europäischen Mehrstim-migkeit wäre ohne jene Osmose ebenso wenig vorstellbar wieu. a. die Experimente, die zur Entstehung der Oper führten.Noch im Februar 1785, da Haydn gegenüber Vater Mozart seineBewunderung des Sohnes formulierte, hat er von „Komposi -tionswissenschaft“ gesprochen – gegen Ende einer Zeit, da Pra-xis und Theorie freundlich zueinander standen: Die Autoren derklassischen Lehrschriften waren ebenso Komponisten und prak-tische Musiker wie Theoretiker.Das freilich hat einen strukturell bedingten Antagonismus nichtbeschwichtigen können – zwischen denen, die Musik machen,i. e. in ihr stehen, und denen, die über sie nachdenken und halbneben ihr stehen. Der Arroganz der Theorie antwortet eine Ge-gen-Arroganz der Praxis, die sich viel auf Musik als „aus demBauch“ kommend, als „Sprache des Gefühls“ zugutetut, und alles Nachdenken, Schreiben und Analysieren als Bemäntelungvon Defiziten verdächtigt. „Musicus doctus“ hört man sich mitgemischten Gefühlen nennen.Dass Hochgebildete wie Mendelssohn, Brahms oder Bartók sichauf ästhetisch-philosophische Aussagen kaum eingelassen ha-ben, erscheint ebenso aufschlussreich wie, dass man allzu ge-sprächigen Musikern nicht traut. Musik ist allemal und für jedeneine andere; „was sie sagt“, so Mendelssohn, „ist nicht zu unbe-stimmt, um in Worte gefasst zu werden, sondern zu bestimmt“.Distanz zum Gerede spielt, oft unterschwellig, bei Brucknersstimmungsabhängigen Kommentierungen eigener Werke oderSchönbergs Allergie gegenüber Adorno ebenso mit wie bei Wag-ners Herablassung gegenüber verblasenen Huldigungen. Musiker, Komponisten ausgenommen, sind vorab und radikalerals die Kollegen der anderen Künste Praktiker. Wohl verhelfenerst sie der Musik zu deren eigener, der klingenden Realität,sind jedoch auf eine Vorlage fixiert und müssen alles daranset-zen, ihr gerecht zu werden. Virtuell ist die Musik schon da und

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Res severa verum gaudium über das Verhältnis von musikalischer Praxisund Theorie – Rede zur Verleihung des „Ernst von Siemens Musikpreises“

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verpflichtet sie, sich als Dolmetsch, als Instrument, im genauenSinn als Ausführende zu betrachten. Ohne tiefreichende Identifi-kation und, wenn sie nicht gelingt, ohne Leiden geht das nichtab, zu sehr sind alle Wesenskräfte – Herz, Hirn und Physis – be-teiligt. Deshalb sollte man mit der Schelte der sogenannten„Konservativität“ von Musikern vorsichtig sein; dem, was sietun, sind sie auf eine Weise ausgesetzt, die sich von außen kaumnachvollziehen lässt.Die Verpflichtung auf den Notentext legt dem kreativ-spontanenMusizieren zugleich Zügel an und inspiriert, öffnet freie Bah-nen. Die Unterscheidung von schöpferischem und nachschöp-ferischem Tun behält ihr Recht, sie rumort hinter konträren Po-sitionen wie derjenigen Strawinskys, der den Interpreten in derRolle des Erfüllungsgehilfen sieht, welcher lediglich den Klöp-pel der Glocke des Werks schwingen soll, und Furtwänglers, derden klingenden Vollzug als Re-Komposition denkt. Gute Inter-pretation enthält von beidem etwas.Das Misstrauen von Musikanten gegenüber denen, die eher mitgeschriebenen Noten als mit dem umgehen, was da tönt unduns nicht aus den Klauen lässt, gründet in der Verpflichtung aufjene existentiell erlebte und vollzogene Vergegenwärtigung.Wenn selbst Hochkompetente meinen, sie hörten die schönsteMusik, wenn sie auf dem Sofa lägen und Partitur läsen, ist daspures Wishful thinking. Nur wenige sind imstande, gelesenePartituren sich konkret klingend vorzustellen, und selbst wennes gelingt, bleibt zwischen virtuellem und realem Hören, vonder taktilen, psycho-physischen Berührung abgesehen, immernoch der Unterschied, dass man bei diesem im klingenden Voll-zug gefangen, ihm ausgesetzt ist und nicht, wie der Lesende,aussteigen, zurückblättern kann. Diese schöne Gefangenschaft schreit nach der direkten Liniezwischen mir und der Musik, sie widersetzt sich jeder noch soklug zwischengeschalteten Relativierung. Das hilft u. a. zu ver-stehen, weshalb große Musiker früherer Generationen seltenoder gar nicht mit den Lehrschriften des 18. Jahrhunderts um-gegangen sind. Karajan und Geminiani oder Mattheson? – wohlkaum, und unnötig.Es hilft zugleich, Langzeitwirkungen zu akzeptieren, die dieWissenschaft in Kauf nehmen muss. Ohne ihre Vorarbeiten wäredie historische Aufführungspraxis nicht vorstellbar, die spätereinmal neben Anforderungen zeitgenössischer Komponisten alswichtigste Prägung der musikalischen Interpretation unserer Ta-ge gelten wird. Auf „Urtext“ als Werbeslogan verzichtet heutekaum ein Verlag; vor hundert Jahren, da die Wissenschaft schonviel vorgelegt hatte, war er ein akademisch verdächtigesSchreckgespenst. Mittlerweile lädt der inflationäre Gebrauch zufragen ein, wie „ur“ ein Notentext und Musik überhaupt seinkann.Osmose von Praxis und Theorie auch anderswo: Wie die Be-schreibung von Musik und ihrer Wirkungen einerseits seit Au-

gustinus über Dante, Madrigaltexte des 16. Jahrhunderts undShakespeare bis hin zu frühen Romantikern, Nietzsche, ThomasMann, Adorno usw. als besondere belletristische Herausforde-rung wahrgenommen wurde, so hat andererseits die Weise, inder man über Musik geschrieben hat, auf sie zurückgewirkt.Dies zu bestätigen bedarf es keiner positiven Belege, etwa dassTieck, Wackenroder oder Jean Paul im Schubertkreis gelesenworden wären – derlei liegt „in der Luft“.

„Musik von oben“ als hörbarer Vorposten der unhörbaren„musica mundana“, in Dantes Vision der neun, um Gott alsLichtkreise versammelten Engelschöre befestigt und u. a. durchBeschreibungen der Domweihe in Florenz bestätigt, ist sicher-lich schon bei den Organa in Notre-Dame erlebt worden; dieEntwicklungen der europäischen Mehrstimmigkeit erscheinenohne den stimulierenden Hintergrund solcher Projektionennicht vorstellbar.

Musiker haben, wenige Ausnahmen nicht gerechnet, andert-halb Jahrhunderte gebraucht, um Petrarca als Inspirator einerimmer feiner differenzierten Wortwahrnehmung zu entdecken;dann aber wurden sie zu seinen besten Multiplikatoren.

Auch wenn wir das Privileg des historischen Rückblicks bei-seitelassen, dürfen wir die prophetische Kompetenz frühroman-tischer Beschreibungen von Musik und ihrer Wirkungen da-durch belegt finden, dass wir sie eher mit Schubert, Chopinoder Schumann zusammendenken als mit Johann Gottfried Rei-chardt. Waren ihre Erwartungen auf die „falsche“ Musik fixiert,weil sie die gemäßere nicht kannten oder es sie noch nicht gab?

Gleichgültig, wie sehr Schopenhauer verstanden oder miss-verstanden wurde – am „Tristan“ hat er teil.

Debussy wäre schwerlich so rasch zu dem geworden, denwir kennen, hätte er nicht zu Füßen Mallarmés gesessen und dieÄsthetik der „poésie pure“ eingesogen.Musiker konnten also von Dichtern und Philosophen viel übersich und ihre Kunst erfahren, was sie anders nicht erfahren hät-ten.Dazu bedurfte es des von außen herantretenden, seiner definito-rischen Festlegungen wegen zu besonderer Schmiegsamkeit ver-anlassten Wortes, das die Musik nie direkt und ganz treffen, siejedoch einkreisen, mit dem Nichttreffbaren Tuchfühlung her-stellen kann. Bekanntlich ist der Erkenntnis einer Sache schongedient, wenn man zu bestimmen vermag, was sie nicht ist. Jemehr die Reflexion sich den Herzkammern der Musik nähert,desto mehr entzieht sie sich der Nachprüfung und wird zur Ver-mutungswissenschaft. Der Rang der Beschreibungen bemisstsich auch nach der Sensibilität, mit der sie reflektieren, dass undauf welche Weise sie danebentreffen.Dieser das „Was“ der Musik betreffenden Problematik steht diedie Machart, das „Wie“ betreffende, gegenüber. Jede relevanteBehandlung ist dazu verurteilt, zwischen beidem und samt di-vergierenden Blickrichtungen und Terminologien zu vermitteln

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– hie Inhalt, da Technologie. Deshalb meinte Alfred Einstein, werdie jeweilige Musik kenne, brauche die Analyse nicht, und wersie nicht kenne, dem nütze sie nicht. Daran hat er sich selbstnicht gehalten; mag wohl bemerkt haben, dass sich die senten-ziöse Formulierung an Fragen vorbeimogelt wie, auf welcheWeise Musik gekannt werde, ob nicht jedes, auch das naivste Er-lebnis zugleich Erkenntnis enthalte und ob man Kunstwerke jeganz kennen könne.Freilich – wenn man in kompositorische Details hineinleuchtet,kommt man ohne Fachterminologie nicht aus und mutet demLeser mindestens eine Übersetzung in ein anderes Medium zu –vom Wort in musikalische Vorstellungen, gegebenenfalls aufdem Umweg über Notenbeispiele eine zweite. MusikalischeAnalysen zu schreiben und zu lesen ist selten ein Vergnügen.Eben deshalb kann die Musikwissenschaft mit der Publizität deranderen Kunstwissenschaften nicht mithalten.Diese Beschwerlichkeit hat jedoch eine ganz andere Seite. Gibtes nicht Gründe, deretwegen wir es uns schwer machen sollten,haben wir uns nicht sehr bequem mit jederzeit leicht abrufba-ren Kulturgütern eingerichtet, brauchen also lästige Kommenta-re, um über neue Zugänge neu zu erwerben, was wir zu besit-zen meinen? Wie sehr haftet an jenen Gütern auch, dass sie zurZeit ihrer Entstehung weniger verfügbar waren, dass man oftnicht wusste, wann diese Sinfonie, jenes Konzert wieder zu hö-ren sein würden? Ersatzweise und nicht ohne Mühe machteman sie sich als Klaviertrio oder vierhändig am Klavier zu eigen,immerhin selbst musizierend. Auch ließ die Probenarbeit früherzuallermeist mehr Zeit, mit der Musik vertraut zu werden. Heu-te sieht die Planung z. B. für eine Mahler-Sinfonie oft kaummehr als drei Proben vor, und sie wird technisch besser gespieltals vor 100 Jahren nach zehn Proben; indes – haben die Musikergenug Zeit, in die Musik hineinzufühlen, in ihr sich einzuleben,zuhause zu sein?Damit frage ich in eine Richtung, in der Reflexion und Emotio-nales sich unscheidbar mischen, wir also kaum erfahren kön-nen, ob pragmatische Momente sich im Musizieren und unsererWahrnehmung schon tiefer eingenistet haben, als uns bewusstist, ob wir Musik stärker von außen, auf kulinarische Verwöh-nungen hin, als Reihung schöner Stellen, weniger von innen herund in der so wunderbaren wie bedrängenden Zwangsläufigkeitdes Geschehens, hören; ob Sensibilitäten absterben, weil wir, imlauwarmen Wasser einer Beliebigkeitskultur paddelnd, uns nichtmehr mühen müssen. In Bezug auf Dringlichkeit und Intensitätder Auseinandersetzung mit Kunst waren Notzeiten oft die bes-seren Zeiten. „Nur wenn sie Mühe machen, dauern die Werke“(Brecht), „nur was wehtut, bleibt im Gedächtnis“ (Nietzsche). Gewiss kommen Theorie und Kritik angesichts des Privilegs vonKunst, des Beieinanders von Ernst und Unterhaltung, Belehrungund Genuss, Ratio und Emotio allemal von außen. Indessen hel-fen sie, schrumpfende Selbstverständlichkeiten bewusst zu ma-

chen, den ins Kunstverständnis einsickernden Pragmatismus zuerkennen. Neben dem direkten Erlebnis betrifft das auch die Selbstver-ständlichkeit, mit der wir uns als Kulturnation begreifen undgefährliche Erosionen im Verhältnis zu einer nicht erschütterba-ren Identität als marginal betrachten: das Abwracken von Or-chestern in Baden-Württemberg; der einzigen musikalisch an-spruchsvollen Radiowelle in Bayern, einer ganzen Ausbildungs-richtung und von mehr als 500 Orchesterstellen in Sachsen; dieöffentliche Geschwätzigkeit von Halbzuständigen, die schwieri-gen Lösungen wie in Wuppertal schon schadet, bevor sie in denPrüfstand kommen; den Siegeszug der Einschaltquote nicht nurin den Medien, sondern in den Hirnen. Die Geschichte kenntden Kollaps von Kulturen, denen bestimmte Essentials so selbst-verständlich geworden waren, dass sie als existenzielle Garan-tien aus dem Blick gerieten und sich entsprechend rächten.Mir liegt wenig an einer pessimistisch verdüsterten Coda –schon, weil jede Begegnung mit Kunst, jede Arbeit gerade auchmit jungen Musikern sie widerlegt. Dennoch bleibt mir im Ohr,was ich Thomas Mann bei der Weimarer Schiller-Rede im Jahr1955 vom „Kulturschwund der unheimlichsten Art“, über eine„von Verdummung trunkene, verwahrloste Menschheit“ habesagen hören. Gemessen an dem, was uns an Reichtümern undMöglichkeiten der Aneignung zur Verfügung steht, betreibenwir „selbstverschuldete Unmündigkeit“, „amüsieren uns“ viel-leicht „zu Tode“. Der heute verliehene Preis möge bitte nie inden Geruch eines Alibis kommen. Nunmehr verdächtig als einer, der es besser zu wissen meint,lenke ich abschließend zum persönlichen, direktesten Verhältniszu Kunst und zum Schreiben über sie zurück. Welcher Interes-sierte hätte nicht erfahren, dass Betrachtungen eines Bildes, Ge-dichts oder Musikwerks Aug und Ohr schon bei simplen Detailsaus der Selbstverständlichkeit des zwar Bekannten, jedoch nichtErkannten, des Gesehenen oder Gehörten, jedoch nicht eigent-lich Wahrgenommenen herausgerissen, ihn hätten erschreckenlassen darob, wie blind die Augen, stumpf die Ohren, wie denk-und gefühlsfaul wir sein können. Allemal werden Worte, wennsie in schwieriges Gelände vordringen, zu Sonden, sie erlegenuns Denkrichtungen, Denkzwänge auf, führen auf Erkenntnisse,die im Gegenüber mit der puren Phänomenalität der Werkekaum aufgeschienen wären. Wie ich beim Musizieren Dingewahrnehme, die der theoretischen Beschäftigung entwischtsind, bin ich schreibend auf Dinge gekommen, die mir trotzoftmaligen praktischen Umgangs entgangen waren, habe Musikam Ende begründeter schön, noch schöner finden können, alsich sie ohnehin schon fand. Entgegen der immer neu aufschei-nenden Divergenz von Wort und Ton blieb und bleibt es verlo-ckend, das Schreiben über Musik als Fortsetzung des Musizie-rens mit anderen Mitteln zu erproben.

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durch seine extravagante Brille blickend,seitlich über das Flügeleck gebeugt – ha-ben sich mir bereits in der Jugend einge-prägt, wie so vielen anderen Menschenauch, die sich für klassische Musik inte-ressieren. Jetzt also kam er an, mit seinerAgentin – optisch unscheinbar, abgese-hen von der prägnanten Brille, aber mitder Wucht einer weit ausladenden Aura.Wir verstanden uns spontan gut und soverging ein ganzer Nachmittag voll mitGeschichten, Informationen und Anekdo-ten aus dem Leben der bedeutendstenMusiker des 20. Jahrhunderts.Bruno (so nenne ich ihn hier der Ein-fachheit halber) war auf Werbetour. Vieleseiner Filme sind nur im französischenFernsehen zu sehen gewesen und deshalbin Deutschland weitgehend unbekannt.Da war schnell die Idee geboren, entspre-

einige zu nennen. Allen diesen großenKünstlern ist der französische Filme -macher auf Augenhöhe begegnet, weil sieihn auch als Musiker Ernst genommenhaben. Sie haben ihn in ihrer Privatsphäreempfangen, ihm ihr Vertrauen geschenktund sich ein ganzes Stück weit vor derKamera geöffnet. Das Ergebnis warenempfindsame Porträts bedeutender, abermanchmal auch rätselhafter, nachdenk -licher und einsamer Künstlerpersönlich-keiten.Die Begegnung mit Bruno Monsaingeonmuss natürlich wieder mal an einemSamstag sein. Auch jetzt, mit 70 Jahren,ist sein Terminkalender immer noch sehrvoll. Nur ein Zufall spülte mir diesen Mannvor mein Mikrofon. Ich habe spontan zu-gesagt. Denn diese Filme über GlennGould am Klavier und Monsain geon –

Ohne ihn hätten wir Glenn Gouldwahrscheinlich nie näher kennengelernt;auch nicht erfahren, dass der kanadischeExzentriker mindestens genauso viel überMusik nachgedacht, als er Zeit am Klavierverbracht hatte. Wir wüssten wenigerüber die inneren Zusammenhänge vonBachs Fugen und auch weniger über dasAbenteuer, Wagners Opernmusik auf demKlavier zu spielen. Bruno Monsaingeon,der Geiger und Filmemacher, hat uns dasalles näher gebracht. Die Filme überGlenn Gould haben aber auch ihn be-rühmt gemacht, obwohl er das in seinerBescheidenheit nicht gerne hört. Zu Hau-se war der 1943 in Paris geborene Mon-saingeon nicht nur bei Glenn Gould, son-dern auch bei Swjatoslaw Richter, YehudiMenuhin, David Oistrach, Grigory Soko-lov und Dietrich Fischer-Dieskau, um nur

Musik, Gespräche UND EIN KlappstuhlBegegnung mit dem Filmemacher Bruno Monsaingeon Stephan Mayer

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Jahrhunderts. Ganz besonders für die In-terpretation des deutschen Lieds. Abereben auch für Oratorien und Opern, un-abhängig davon, ob in deutscher, franzö-sischer, russischer oder italienischer Spra-che. Fischer-Dieskau hatte die Musik zu-dem familiär im Blut, schon Johann Se-bastian Bach widmete 1742 seinem Vor-fahren, dem kurfürstlich-sächsischen

sich im wörtlichen Sinn als Diener derMusik.“Es hat tatsächlich wenige Künstler in derklassischen Musikszene gegeben, die soumfassend in ihrem Fach unterwegs wa-ren. In der Tat existieren von diesem Sän-ger mehr als 400 Schallplattenaufnah-men. Fischer-Dieskau war unbestritteneiner der wichtigsten Sänger des 20.

chende DVD-Editionen herauszubringen.An jenem Samstagnachmittag brachte mirBruno die druckfrische Dietrich-Fischer-Dieskau-Edition mit. Sechs DVDs mit Be-gleitbuch in einer aufwendig gestaltetenBox. „Die Dimension der musikalischen Hin-terlassenschaft“, sagte Bruno mit wachenAugen, „ist bei Dietrich (er nennt sieauch alle beim Vornamen) absolut einzig-artig.“ Zwei Stunden lang sprudelte esaus diesem unterhaltsamen Mann heraus;was alles an diesem großen Sänger be-wegte und wie er sich ihm näherte. „Die-trich war der ideale Künstler. Er schertesich nicht um die Eigenvermarktung,nicht um den Applaus. Er wollte auchnicht nur die Zuhörer zufriedenstellen.Eitelkeit kannte er nicht. Er war völlig aufseine Arbeit konzentriert und verstand

Bruno MonsaingeonBruno Monsaingeon wurde am 5. Dezember 1943 in Paris geboren. Bekannt wurde

der Konzertviolinist und Schriftsteller vor allem durch seine vielfältige und preisge-

krönte Arbeit als Filmregisseur. Seine Dokumentationen über die Pianisten Glenn

Gould (Glenn Gould – L’Alchimiste) und Swjatoslaw Richter (Richter – L’Insoumis)

sind Meisterwerke der Musikerbiografie. Zusammen mit dem Ural Philharmonic Or-

chestra gab Monsaingeon zudem 2004 sein Dirigentendebut im russischen Jekateri-

nenburg. Bis heute lebt Monsaigeon in Paris.

(siehe auch www.brunomonsaingeon.com)

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von Bruno wissen, ist er ihm so nahe ge-kommen? „Das hat geklappt, weil icheben beides bin: Musiker und Filmema-cher. Irgendwie teilten wir da doch somanche Gedanken und Ansichten. Außer-dem war Glenn damals für mich wie einväterlicher Pädagoge. Wir haben sehr vielgesprochen und Goulds Energie ging aufmich über. Wie eine Stimulation wirktedas, ich war ganz einfach im siebtenHimmel.“ Als ab 1981 die Bach-Filmeentstanden, fuhr Bruno einmal im Monatnach Toronto und verbrachte einige Tagemit Glenn Gould. Statt gleich zu filmen,näherten sich die beiden Musiker ersteinmal der Musik von Bach. Erst dann ar-beiteten sie am filmischen Konzept. Sopräzise und kompakt, dass man am Endekeine Sekunde mehr weglassen konnte.„Das ist wie bei Bach oder Schönberg“,lacht Bruno, „da können sie auch keineNote weglassen. Sonst stimmt die ganzeStruktur nicht mehr.“ Glenn Gould hattebeim jungen Bruno Monsaingeon denEindruck hinterlassen, dass er ein Genieist, aber nicht nur beim Spielen, sonderngrundsätzlich. Seine Worte, seine Art zuLeben, seine Musik: Das alles sei wie auseinem Guss gewesen.Eine der interessantesten AufnahmenGlenn Goulds stammt aus seinen jungenJahren und entstand 1957 in Leningradmit dem dortigen akademischen Sym-phonieorchester unter Ladislav Slovák:das Klavierkonzert in d-Moll BWV 1052von Johann Sebastian Bach. „Die Umstän-de waren eine Katastrophe“, erzählt Bru-

ganze Weile bis ich so richtig gewahrwurde, dass er nicht mehr ist. Und dassich diesem universellen Phänomen niemehr wieder begegnen würde.“Was den Filmemacher, Schriftsteller undGeiger Bruno Monsaingeon so sympa-thisch macht, ist seine Bescheidenheit.Über sich selbst reden, das mag er garnicht. Und auch im Begleitbuch zur Edi-tion mit mehr als 200 Seiten voller Bilderwürde man ihn beinahe vergebens su-chen. Aber da kommt ganz hinten danndoch ein einziges Foto, auf dem die bei-den Freunde Bruno und Dietrich zu se-hen sind. Diese zurückgenommene Arteines Filmemachers, die dem Protagonis-ten die ganze Bühne lässt, ist alte journa-listische Schule, von der junge Filme -macher sich auch heute noch eine Scheibeabschneiden könnten.Als unsere Zeit fast schon vorbei ist, willich dann doch noch etwas über GlennGould wissen. Und bei aller zuvor wahr-genommenen Begeisterung für Fischer-Dieskau legt Bruno jetzt noch eine ganzeEcke zu: „Diese Filme über Glenn Gouldwaren so erfolgreich, weil man darin eineinzigartiges Genie sieht, das über Dingein der Musik spricht, die möglicherweiseder Zuschauer gar nicht versteht, aber dastolle ist, dass er so selbstverständlich da-rüber spricht. Das reicht, um eine Ah-nung zu bekommen und damit auch ei-nen Zugang zur Musik.“ Glenn Gouldwar scheu, nie besonders dem Publikumzugeneigt und lebte in seiner eigenenmusikalischen Welt. Wie also, will ich

Kammerherrn Carl Heinrich von Dies-kau, die Bauernkantate BWV 212.Das alles lernen wir in dieser Edition mitteilweise bisher unveröffentlichtem Bild-und Tonmaterial: Fischer-Dieskau beimProben, Konzertmitschnitte, Meisterkurseund der in die Jahre gekommene Künst-ler beim Nachdenken über die Musikund sein Leben, zu Hause auf dem Sofa.Dort hat er dann am Ende seines Lebens,nachdem er sich 1992 in München mitder Schlussfuge aus Giuseppe Verdis Falstaff von der Bühne verabschiedet hat-te, immer öfter auch vom Tod gespro-chen. „Wissen Sie“, sagt Bruno plötzlichganz leise und gerührt, „ein Sänger stirbtzweimal: wenn er aufhört zu singen unddann wenn sein Leben endet. Dietrichserster Tod war 20 Jahre vor seinem zwei-ten Tod. Und davor in seinem Sänger -leben ist er unzählige Male auf der Bühnein den Opern gestorben und hat in denLiedern vom Tod gesungen. Das alles hat-te seine Spuren hinterlassen.“ Man spürt,dass er mit diesem Sänger eng verbundenwar und auch als Musiker mehr davonnachempfinden kann, als ein Außenste-hender. „Fischer-Dieskau hat bei unserenGesprächen sehr oft gesagt, er habe um-sonst gelebt“, sagt Bruno. „Wissen sie,das sagt viel über seine Verfassung in denletzten Lebensjahren aus, aber gemessenan seinem Vermächtnis ist das natürlichUnsinn. Trotzdem: Als ich dann mit sei-ner Frau Julia Varady, einer großartigenSängerin, vor seinem Grab in Berg amStarnberger See stand, da dauerte es eine

Monsaingeon mit Dietrich Fischer-Dieskau Monsaingeon mit Sir Yehudi Menuhin

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kenne Menschen, die in Tränen ausgebro-chen sind, als sie solche Filme gesehenhaben“, sagt Bruno. Aber bei den Fern-sehanstalten befinde sich die Musik quasiim Ghetto. Von einigen Ausnahmen abge-sehen. „Ich finde, ein Film über einengroßen Künstler kann so bewegend sein,so beeindruckend, so aufrüttelnd und solehrreich wie kaum ein anderer Film.“Jetzt nimmt Bruno den Kopf zwischenseine Hände, schaut nach oben, die Au-gen hinter der runden Brille verschlos-sen, ringt um die passenden Worte: „Wasmich an meinen Filmen gereizt hat“, sagter langsam und leise, „das ist, hinter dieKulissen einer ganz speziellen Begren-zung blicken zu dürfen, um das, was ichgesehen habe, dann in einen universellenZusammenhang zu stellen. Aber eskommt immer darauf an, wie viel dieMusiker von sich nach außen hin preis-geben. Der Maßstab dafür ist das zuvoraufgebaute Vertrauen.“

tisch, weil er ständig quietschte. Ich habeeine originalgetreue Kopie davon. Mankann sie kaufen. Aber dieser Stuhl gabGould die Möglichkeit, sich rundherumzu bewegen, immer der Musik folgend.Das gab allem eine so flüssige Bewegung.Und da war eben der ideale Abstand zurKlaviatur. Da war er ganz nah dran an denTönen. Warum? Versuchen sie es mal.“Bruno beginnt jetzt kreisende Bewegun-gen, senkt vor mir den Kopf auf und abund hebt die Hände auf eine imaginäreTastatur. Auf unseren industriell gefertig-ten Bürostühlen wirkt das alles ziemlichwitzig. „Erkennen Sie es“, fragt michBruno nach vorne gebeugt mit ausge-streckten Armen und seitlich geneigtemKopf, „da haben sie ein völlig anderesKlangerlebnis. Das macht enorm was aus,denn es liegen gegenüber einem norma-len Stuhl 50 Zentimeter dazwischen. Dahören sie die Musik völlig anders, zehn-mal genauer. Nur so konnte Glenn dieMusik, die er spielte, kontrollieren. Ton-kontrolle während des Spiels bis zu ei-nem fast unvorstellbaren Grad. “Was es nicht alles gibt, denke ich mir indiesem Moment und muss schmunzeln.Und irgendwie leuchtet mir das mit derNähe zu den Tönen auch ein. Jedenfallsbleibt dieser Stuhl fast so sehr im Ge-dächtnis, wie die 1955 eingespielte Auf-nahme der Goldberg-Variationen, dieGlenn Gould über Nacht berühmt ge-macht hatte.Die Begeisterung des Filmemachersweicht einer leichten Melancholie. „Ich

no, der das alles Jahre später in Sankt Pe-tersburg recherchiert und rekonstruierthatte. „Der Dirigent war krank geworden,Gould musste spontan das Orchesterselbst dirigieren. Und sah dann irgend-wann die Mikrofone an der Decke hän-gen. Gould bestand darauf, dass man die-se sofort abbaut. Sonst würde er nichtspielen. Aber klar doch, versicherten ihmdie Saaltechniker und bauten die Mikrosab. Wenig später kamen dann dicke russi-sche Frauen mit riesigen Blumensträu-ßen, um den Saal für das Konzert amAbend zu schmücken. Gould war ahnungslos und die Sträuße voll mit Mi-krofonen.“ Bruno lacht jetzt ausgiebig.„Da konnte man ausnahmsweise malfroh sein über die Gepflogenheiten in derehemaligen Sowjetunion. Sonst wäre die-se Aufnahme des jungen Glenn Gouldlängst vergessen.“ Jahre später hat Goulddiese Aufnahme sogar autorisiert und derFirma Sony so die Veröffentlichung er-möglicht.Bruno ist jetzt nicht mehr zu halten. Wirkommen auf Glenn Goulds Klappstuhl zusprechen, auf dem er stets und aus-schließlich Klavier gespielt hat und derheute in einem Museum in Toronto steht.Diesen Stuhl hatte ihm sein Vater gebaut.Mit ihm konnte Gould nur 30 cm überdem Boden sitzen. Es gab stets Diskussio-nen darüber, ob es sich dabei nicht nurum den Fetisch eines exzentrischen Mu-sikers handelte. Bruno widerspricht hef-tig: „Dieser Stuhl war ein liebenswürdi-ges Phänomen und durchaus problema-

Stephan Mayer, studierter Geschichts-, Kunstge-

schichts- und Musikwissenschaftler, ist Studioleiter

des Bayerischen Fernsehens in Berlin. Er gehört dem

Bundesfachausschuss „Musik und Medien“ des

Deutschen Musikrats an. In der Serie „Begegnung“

berichtet Stephan Mayer im Musikforum über Per-

sönlichkeiten aus dem nationalen und internationalen

Musikleben.

Der legendäre Klappstuhl von Glenn Gouldsteht heute im Museum in Toronto.

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Identitäten irgendwo dazwischen angesie-delt; eine romantische Verklärung der Hei-mat ist damit genauso schwierig wie derRekurs auf nationale Muster. Wenn dieGruppe „Rohrfrei“ aktuell mit dem Slogan„Musik aus Franken und anderen schönenLändern“ wirbt, sind damit auch inklusiveMomente verknüpft. Die neue „Heimatmusik“ wendet sichnicht nur gegen Tümeleien in aller Form,sondern hat einen erfrischenden Zug zur(Selbst-)Ironie und verfügt über eine gutePortion Humor. Beides macht die „Hei-matmusik“ sympathisch. Sie hebt sich da-durch von der „volkstümlichen“ Musikgenauso ab wie von den Akteuren einermusikalischen Brauchtumspflege, die ge-rade wegen ihrer affirmativen und iro-niefreien Haltung oft so unerträglich ab-gestanden erscheinen. Einen zusätzlichenSchub bekam die Auseinandersetzung mit

Pop- und Rockmusik angesiedelt, bildet„Heimatmusik“ damit die Facetten mo-derner Identität(en) ab. Im Gegensatz zuder Vorstellung einer national verhafteten„Volksmusik“ und einem engen Authen-tizitätsverständnis (das „echte“ Volkslied)sind diese Identitäten politisch, sozialund kulturell plural aufgefächert. Zu-gleich spricht die „Heimatmusik“ vor-nehmlich junge, urbane Schichten an,denen die internationalen Formen derpopulären Musik genauso geläufig sindwie verschiedene subkulturelle Szenen.Auffallend ist, dass sich die „Heimat mu -sik“ genauso global und weltläufig gibtwie sie ihre Lokalität und Bodenständigkeitherausstellt. Die Wissenschaft hat hierfürdas Kunstwort „Glokalität“ ausgebildet; die„Heimatmusik“ ist damit zu einem Stücklokal verorteter Weltmusik geworden. Ent-sprechend sind die damit verbundenen

Der Stil dieser „Heimatmusik“, dieFormen der visuellen und auditiven In-szenierungen wie die performativen Stra-tegien sind hybrid. Irgendwo zwischentraditionellen Mustern und moderner

Dialekt battelt sichmit Deutsch-RapHeimatmusik als regionale Weltmusik Michael Fischer

Seit es die Idee gibt, es müsse so etwaswie die Volksmusik oder das Volksliedgeben, sind diese Vorstellungen mit Ver-lustängsten verbunden. In Zeiten vonVerunsicherungen – der Industrialisie-rung, der Verstädterung, der Mobilisie-rung der Gesellschaft – sehnen sichMenschen offenbar nach Beständigkeitund wollen sich ihrer Identität neuversichern. Der Rückgriff auf Vertrau-tes, auf das Alte und Echte, mag auch inZeiten der Digitalisierung und Globali-sierung dazu beitragen, die populäreMusik um die Spielart einer „Heimat-musik“ zu bereichern.

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Menschen an, auch innerhalb oder amRande der volkstümlichen Musikszene.Gabalier ist von den bekannten „Heimat-musikern“ wohl am meisten mit dem„Musikantenstadl-Markt“ verbandelt, soist er auch bei Florian Silbereisen aufge-treten. Der zuletzt genannte Entertainerzeigt umgekehrt, wie sich die „volkstüm-liche“ Musik modernisiert und ihrerseitsdem Schlager und der Popmusik annä-hert. Die Produktions- und Verwertungs-logiken sind ohnehin dieselben. Umsointeressanter ist es, dass Gabalier in be-sonderer Weise mit Authentizitätsverspre-chen beworben wird: „Bei ihm sindSchein und Wirklichkeit eines. Er hat das,was Musik haben soll: Eigenständigkeit,Authentizität, durch die jene Empfindun-gen wachsen, die wir alle in uns tragen.Es ist gut, dass er sich nicht vereinnahmenlässt, es ist gut, dass er so ist, wie er istund seine Musik macht. Ein Hiesiger, einUnsriger oder wie heißt es so komp liziertauf altgriechisch: ein Autoch thoner!“Die „Heimatmusik“ ist allerdings nichtso neu, wie es scheint. Der Begriff selbstwird erst seit einigen Jahren verwendet;die Protagonisten meiden ihn zumeist.Ähnlich wie die gleichbedeutenden Be-griffe „Volxsmusik“ oder „Neue Volks-musik“ ist die „Heimatmusik“ von älte-ren Konzepten abhängig, welche traditio-nelle Formen des Musizierens mit neue-ren Formen populärer Musik (Jazz, Rock,Pop, etc.) verbunden hat. Hubert vonGoisern oder die „Biermösl Blosn“ gabendamals die Richtung vor. Allerdings hatdie aktuelle „Heimatmusik“ den politi-schen Anspruch der frühen Protagonistenweitgehend verloren; eine „oppositionelle“Haltung gehört nicht mehr zwingendzum Repertoire einer alternativen Identi-tätskonstruktion, wie sie in vergangenenJahrzehnten bei den linken Intellektuellenvorherrschend war – gerade dann, wennsie sich für Folk, Liedermacher oderWeltmusik interessierten.

viduellem zu positionieren, und das Öff-nen für die Verschmelzung kulturellerGegensätzlichkeiten andererseits.“ Warum ist die „Heimatmusik“ gerade beijungen Menschen erfolgreich? Eine derFaktoren stellt sicherlich die bereits ange-sprochene Ebene der Ironie dar, die zu-gleich eine Affirmation und Negation desLokalen und Regionalen bedeutet. DieIdentitäten in der Postmoderne sind Le -gion – die Musik spiegelt das Selbstver-ständnis junger Menschen wider. Dazusind die Musik, die Interpreten und dasgesamte Setting nicht spießig, sonderncool, trendig und von einer Körperlich-keit dominiert, die über kollektivesSchunkeln und Mitklatschen hinausgeht.Die „Heimatmusik“ ist rhythmisch undlädt zum Tanzen ein; sie vermittelt einePartystimmung und erinnert nicht an be-tuliche Sonntagsnachmittagskonzerte.Möglicherweise artikuliert sich in dieserForm der populären Musik auch ein Pro-test gegen die Elterngeneration: Währenddiese mit der Popmusik der 70er- bis90er-Jahre großgeworden sind und sichdamals von ihren Blauen-Bock-schauen-den Eltern absetzen konnten, dürfen nunjunge Erwachsene ihre verständnislosenMütter und Väter mit Blasmusik, Dirndlund Zwiefachen provozieren. Internationalen Erfolg feiert die seit 2007bestehende Blasmusik-Formation „La-BrassBanda“. Beim deutschen Vorent-scheid zum Eurovision Song Contest ge-wann sie im Jahr 2013 mit dem Titel Na-ckert den zweiten Platz. Aber auch hierzeigt bereits das Plattenlabel Sony MusicEntertainment an, dass die Musik derBand in einen kommerziell erfolgreichen„Mainstream der Minderheiten“ einge-schrieben ist. Einer der populärsten Künstler im inzwi-schen weitgesteckten Feld der „Heimat-musik“ ist momentan Andreas Gabalier,der 2011 – ausgerechnet – bei CarmenNebel seinen Durchbruch schaffte.700 000 Tonträger soll er verkauft haben,dazu wurden ihm in den letzten drei Jah-ren verschiedene Preise – Bambi, Echo,Amadeus Award – verliehen. Sein persön-licher und musikalischer Stil spricht viele

der „Heimatmusik“ durch den FilmSound of Heimat (2012), der Elemente eines traditionellen Heimatfilms auf-greift, aber genauso die Vielgestaltigkeitund auch Brüchigkeit musikalischer Pra-xen in Deutschland mit einer gewissenWehmut aufzeigt.In der Selbstbeschreibung der Akteureder „Heimatmusik“ spiegeln sich diesevielfältigen Elemente wider. So preist sichder seit 2003 existierende Antistadl mitfolgenden Worten auf seiner Website an: „Einmal im Jahr laden Marihuanne&Kif-fael die alternative, progressive Szene tra-ditioneller Musik zur großen Volxmusik-party mit X in den Bamberger Morph -club. Hier treffen sich die MusikantInnen,um den Hampelmännern und -frauenaus dem Fernsehen gehörig den Marschzu blasen und Jung und Alt zu beweisen:Volxmusik ist Rock’n’Roll!“Die Abgrenzung zur volkstümlichen Mu-sik, wie sie hauptsächlich in Fernsehun-terhaltungsshows präsentiert wird, ist inder „Heimatmusik“-Szene weit verbrei-tet. Freilich bedeutet das nicht, dass die„Heimatmusik“ nicht an musikalischemund wirtschaftlichem Erfolg interessiertwäre. So wird die 2009 gegründete Band„Kellerkommando“ bei Warner Music als„eigensinnigste und ungewöhnlichsteNew comersensation des Jahres“ vermark-tet, welche „nackenbrecherischen Abgeh-Mix aus fränkischer Volksmusik, Rap undBreakbeat“ präsentiere. Die Band selbstverortet sich zwischen traditionellerVolksmusik und urbaner Modernität:„Dialekt battelt sich mit Deutsch-Rap,Humpta-Humpta wird zu einem rotzigrockenden Polka-Fest“, heißt es selbstbe-wusst. Der Musiker und Ethnologe DadaWindschi, ein Gründer von „Kellerkom-mando“, erläutert: „Die Menschen inte-ressieren sich wieder für Heimat, eigeneWurzeln, bis hin zur Regionaltheke imSupermarkt. Demgegenüber steht das all-seits Globale, die Verfügbarkeit aller In-formationen der Welt. Darin verkörpernwir die Realität ziemlich gut: das erneuteHervorholen der regionalen Eigenheiteneinerseits, um sich irgendwo in dieserglobalisierten Welt noch mit etwas Indi-

Michael Fischer, geboren 1968 in Heidelberg, arbei-

tet in Freiburg. Er ist Geschäftsführer und Direktor

des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der

dortigen Universität.

Andreas Gabalier ist der Star der neuen Heimatmusik. Der musikalische Durchbruch gelang ihm 2012 mit dem Hit: „I sing a Liad für di“. Gabalier gewann bis heute einmal Gold, 16 mal Platin und verkaufte 700 000 Tonträger.

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Von der Bioakustik zur Wege zur künftigen Soundscape Ecology – „80 Natural Sounds“ zum 80sten Geburtstag des Hörbild-Komponisten Walter Tilgner Hans-Ulrich Werner

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se, das stille Konzert, nun für ein breitesPublikum mit Hilfe der modernen Tech-nik nahe zu bringen. Er hat hier ganzAusgezeichnetes geleistet.“Walter Tilgner ist Biologe, Fotograf, Na-turklangforscher und Tonmeister – besteVoraussetzungen für die Komposition mitNaturlauten. Seine Methoden des Hörensheute zeigen sich schon in der Kindheitals ausgeprägte akustische Sensibilitätund Begeisterung für die Atmosphäre desWaldes. Das berühmte Waldkonzert, dieerste digitale Naturklang-CD überhaupt,entfaltet sich entlang der Jahreszeiten amBodanrück, vom Klangfahnder Tilgnerimmer wieder erlebt und dokumentiert,zuletzt 2006 als Längsschnitt unter demTitel Bezaubernder Frühling mit akustischenStichproben zwischen 1984 und 2003.Diese wellige Landschaft zwischen Waldund Hügeln, von See und Sumpf habendie Heiwatils immer wieder umrundetund dokumentiert, als Spaziergänger,Tonmeister und Fotografen, als Klangfor-scher und als Komponisten von Hörbil-dern – eine Klanggattung, von WalterTilgner selbst entwickelt.„Der Wunsch, ein morgendliches Vogel-konzert natürlich aufzunehmen, gingsehr spät in meinem Leben in Erfüllung.Erst ab 1983 war es mir vergönnt, mit ei-nem tragbaren digitalen Tonbandgerät(SONY PCM F1 + SL F1) und einemNeumann-Kunstkopfmikrofon das Klang-bild des Waldes, Vogel- und Tierstimmen soaufzunehmen, dass ich mit dem Klangbildzufrieden war. Meine Freude und Begeis-terung war groß, als 1985 meine ersteCD mit digital aufgenommenen Natur-lauten, das Waldkonzert erschien und imBodensee-Naturmuseum in Kon s tanz vor-

tiv, mit hochwertigen Mikrofonkapselnim modellierten Ohr registriert auch fei-ne Luftbewegungen wie das Blätterrau-schen im Wald, die Geräusche von Insek-ten, die leisen Klänge, die als Tonalitätden Raum prägen. Im Rauschen des Wal-des, bei dem einzelne Vogelrufe sogar inden Hintergrund geraten können, wirddie Stimmung, die Atmosphäre zwischenden Bäumen oder in einer Au hörbar undspürbar. Manchmal, sagt Tilgner, sei er sofasziniert von der Natursinfonie um ihnherum, dass er alles andere vergisst, dasJagdfieber nach dem Klang und auch dietechnische Perfektion, und einfach nurlauscht.1985 hat der Pionier Tilgner die erstenNaturlandschaften vollständig digital auf-genommen und bei WERGO mit dem La-bel „Natural Sound“ als CD publiziert.Das führte dazu, dass die Archivare in ei-nem großem Rundfunkarchiv die Natur-atmosphären des „Grünen Ohrs am Bo-densee“ in ihre Bestände integrierten, alsKlangschicht der Radiofonie vom Audio-clip zum Hörspiel, für Programme mit„Special Interest“, als Originalton-Doku-ment für die Nachwelt und als wertvollerRohstoff für Klangkomposition und akus-tische Kunst.Dazu ein Zitat von Hannes Mayer vomInstitut für Waldbau, Universität für Bo-denkultur in Wien 1986 im ORF: „WalterTilgner ist, glaube ich, der beste Wald -fotograf Mitteleuropas. Schon in seinenWaldbildern hat er nicht nur das Äußere,das sofort Sichtbare, sondern das ganzeWesen des Waldes erfasst. Er ist dem Wal-de gegenüber von der Empfindungsseiteher mit seinen Hörbildern noch viel wei-ter gegangen, um die stillen Geheimnis-

Die Kunstkopf-Hörbilder des Ton-meisters und Naturklangkünstlers WalterTilgner sind dafür ein deutlicher Beleg:ästhetisch wie wissenschaftlich, techno-logisch und medial avanciert, didaktischund sogar therapeutisch für eine Schuledes Hörens. Die bei WERGO publizierteCD-Reihe „Natural Sound“ macht unsmit europäischen Lautlandschaften ver-traut, als Reise der Ohren von der Nord-see bis in die Donauauen, vom Bodenseezum Rhein und in die Schweiz. Mit dembinauralen Kunstkopfverfahren zeichnetder Naturbeobachter nicht nur einzelnetierische und vogelartige Laute auf, wiedie klassische Tierstimmenanalyse in derOrnithologie. Tilgner geht es um dasNetzwerk von Klang, Naturzeit und Le-bensraum, was die hörenden, auch kon-templativen Menschen mit dem Aufnah-mewerkzeug einschließt. Die „Heiwatils“, Heidrun und WalterTilgner, forschen als engagierte Klang-ökologen im dunklen Tann und im dunk-len Lodenmantel, bewaffnet mit der sanf-ten Technologie des Kunstkopfmikrofonsund dem digitalen Aufnahmegerät. Derkünstliche Kopf ohne Augen auf dem Sta-

BIOFONIE

Bioakustik, oder die Biofonie, wie derForscher-Künstler Bernie Krause sagt,ist ein interdisziplinäres Gebiet zwi-schen Naturforschung und Musik,Soundscape und Design. Jede Hörsitua-tion, ob in der Natur und in den Städ-ten, hat ihre eigene Qualität und Iden-tität, so seine These der akustischen Ni-sche. Sie ist das Zusammenspiel allerTöne und Geräusche am Klangort.

Walter Tilgner mit seinem„Kunstkopfmikrofon“

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aber dafür ganzheitliche Situationen. DerGesang der Nachtigall ist eingebettet indas Vogelkonzert der Morgenröte. Derganze Uferraum wird hörbar, Wind, Was-ser, entfernte Glocken und ein früh auf-gestandener Motorfischer: „Man kannaufgrund des Hörbilds zeigen, dass einWald zu verschiedenen Tages- und Jahres-zeiten anders klingt, ebenso wie in denunterschiedlichen Waldtypen. Das Zu-sammenspiel der Vögel – sagen wir ein-mal das Singen, das erste Schlagen desRotkehlchens, das Zetern der Amseln,dann kommen die Meisen dazu – daskann man nicht künstlich zusammenmi-schen.“So werden die HD-Klangaufnahmen derNatur für die Heiwatils, für Bernie Krauseund deren hörbegeisterte Kollegen zu ei-ner ökologischen und existenziellen Bot-schaft, in der alle Klangschichten wie ineinem Orchester verwoben sind. BiofoneSolisten und Instrumente besetzen ihrenHörplatz durch Töne und Rhythmen, undMomente der Stille – was auch Wohlbe-finden und Entspannung bei den Men-schen bewirken kann. Die Heiwatils ha-ben dieses Erkunden der Natur als Lebensklang zu ihrem Thema gemacht, ja als Lebensthema erfahren. Sie sind Hörende in einer lauten Umwelt, For-scher, Künstler und Vermittler, vor allemdurch Vorträge, Präsentationen wie an derHochschule Offenburg und durch vieleRadio- und TV-Sendungen in den deutsch -sprachigen Medien. Für eine Radiosendung trafen die Heiwa-tils und der berühmte amerikanische

Die Heiwatils kennen – wie der Regisseureines Films – verschiedene Orte: Wälder,Lichtungen, Übergänge, Ufer, Strände,Bergwelten, Auen, besondere Baumbe-stände, dort, wo sich komplexe Natur-konzerte ereignen. Die Aufnahme wirdzum „Orchestrieren mit der Landschaft“,ein Einstimmen in den weiten Raum undein Erfahren des besonderen Orts. Auchzeitlich werden oft mehrere Formenkombiniert: von der Echtzeitaufnahme,bei der die erlebte und aufgenommeneHörwelt in realer Dauer läuft, bis zurMontage im Sommer-Waldkonzert, beider aktionsreiche Stellen zum idealtypi-schen Erlebnis zusammen fließen – mitVogelrufen aus allen Richtungen, Hum-meln, die den Kunstkopf ganz nah passie-ren, durch die Bewegungen einzelnerTiere. Standort, Perspektive, der Fokus, die Nä-he zu den Klängen variieren in den ein-zelnen Produktionen, von der makrosko-pischen Aufnahme eines Vogels bis zurWeite des Waldrauschens, wo die Rufe inden Hintergrund geraten und das Klang-feld selbst plastisch hörbar wird. Figurund Grund kehren sich um. Andere Auf-nahmen liegen dazwischen, als akusti-scher Mittelgrund betonen sie das Aktive,die Übergänge vom Tier zum noch deut-lich gezeichneten Gesamtklang. MancheAufnahmen sind Mikrostudien einer ein-zigen Klangfarbe. Blaukehlchen undNachtigall hat Tilgner wegen der Vielfaltihres Gesangs immer wieder aufgezeich-net. Anders als der analytisch vorgehendeVogelwissenschaftler sucht Walter Tilgner

gestellt wurde. Ich konnte so nicht nurmir, sondern auch vielen anderen Men-schen mit den Naturhörbildern eine gro-ße Freude bereiten. Man konnte sich nunden Klang des Waldes, das morgendlicheVogelkonzert ins Wohnzimmer holen –oder glauben, in den Wald versetzt zusein. Mit meinen bis dahin gegebenenMöglichkeiten, analogem Spulentonband,Parabolspiegel und Richtmikrofon, be-friedigte mich die Klangwiedergabenicht. Sie halfen mir aber, wertvolle Er-kenntnisse über die Sprache unserer hei-mischen Spechte zu gewinnen, ihre Laut-äußerungen zu erforschen und ihr Ver-halten zu verstehen. Mit Hilfe von Sona-grammen und Oszillogrammen der ana-logen Aufnahmen gelang mir ein tieferEinblick in die feine Struktur der Lautäu-ßerungen und Trommelwirbel unsererSpechte.“Walter Tilgner verzichtet mit seinen Hör-bildern auf technische Manipulation, Mi-schung und spezielle Bearbeitung derAufnahmen im Tonstudio. Material, Zeitund Raum orientiert er in seiner Monta-ge an authentischen Hörsituationen, wo-bei ihm bewusst ist, dass eine objektiveWiedergabe bei medialen Situationen un-möglich ist. Mit dem Kopfhörer, aberauch mit seinen hochwertigen Monito-ren, den Manger Schallwandlern, wirddie dichte‚ immersive Illusion der Naturin der Tiefe der Kunstkopfaufnahmedeutlich, im Gesang der Nachtigallen amBodensee wie bei den Weißstörchen inden Auwald-Biotopen bei Wien oder denKranichen auf Rügen.

Eine Landschaft, die nicht nur gesehen, sondern auch gehört werden kann:

links: Frühlings-Hochwasser im Naturreservat Marchauen

Mitte: der Gesang des Totenkopfschwärmersrechts: der Gesang der Nachtigall

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* Bernie Krause: Das grosse Orchester der Tiere.

Vom Ursprung der Musik in der Natur, München 2013

Ort mit seinen gewaltigen Populationenan Pflanzen und Tieren wird zur Konzert-halle, und überall führt ein einzigartigesOrchester eine unvergleichliche Sympho-nie auf, wobei sich die Töne einer jedenSpezies harmonisch in die Partitur einfü-gen. Es ist ein hoch entwickeltes von derNatur geschaffenes Meisterwerk.“*

Kollege Bernie Krause zum ersten Mal inDeutschland zusammen und tauschtenihre Erfahrungen aus fünf Jahrzehntenaus. Ein historischer Moment und einFest des Hörens. Krause schreibt in sei-nem aktuellen Buch: „Der ganze Planetist erfüllt von einem kraftvollen Wider-hall, der ebenso umfassend und weitrei-chend wie fein ausbalanciert ist. Jeder

Hans-Ulrich Werner ist Professor für Audioproduk -

tion & Sound Design. Neben seiner Lehrtätigkeit an

der Hochschule Offenburg arbeitet er unter anderem

als Toningenieur und Sound Designer bei Film, TV

und Radio sowie als Musik- und Kulturautor für alle

deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Sender. Er

ist Mitglied im Verband Deutscher Tonmeister VDT.

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schen sind dort musikethnologische bzw.popularmusikwissenschaftliche Themenstark vertreten. So erschienen in besagterReihe beispielsweise der SammelbandFestivals populärer Musik (2012) sowie dieMonografien … und sie singen, tanzen undmusizieren noch … Eine musikethnologischeStudie über die deutsche Minderheit in Polen(2013) und Circusmusik in Deutschland(2014). Weitere Publikationen werden innächster Zeit folgen. Die enge Bindung der Institute für Mu-sikpädagogik und Europäische Musiketh-nologie verdinglicht sich auch im Verfas-sen schriftlicher Abschlussarbeiten mitmusikethnologischen Thematiken seitensStudierender der Musikpädagogik bzw.neuerlich des Studiengangs Musikver-mittlung. Auf musikethnologischen Feld-forschungen basierend bearbeiten Studie-

einmal unterschiedlicher Disziplinen,Musikethnologie und Musikpädagogik,bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten undPerspektiven mit wechselseitiger Impuls-gabe. Sie ermöglicht neben gemeinsamenProjekten auch Publikationen, die sichseit Kurzem etwa in der Reihe „Musik –Kontexte – Perspektiven“ manifestieren,eine gemeinschaftliche Schriftenreihe derInstitute für Musikpädagogik und Euro-päische Musikethnologie, erschienen imAllitera-Verlag. Neben musikpädagogi-

Ein besonderes Merkmal der For-schungseinrichtung ist die Einbindung indie Lehrerausbildung. Schon seit Zeitendes Gründers Ernst Klusen (1909-1988),als das Institut noch in Neuss angesiedeltwar, bis zur Gegenwart an der Human-wissenschaftlichen Fakultät der Universi-tät zu Köln existiert diese enge Koopera-tion zwischen Europäischer Musikethno-logie und Musikpädagogik, die so in derBundesrepublik einmalig ist. Die institu-tionelle Verwobenheit zweier zunächst

Fundgrube der Musikethnologie50 Jahre musikethnologische Forschung am Institut für Europäische Musikethnologie Klaus Näumann, Günther Noll, Astrid Reimers

Ein halbes Jahrhundert musikethnologische Forschung umfasst die geschichtlicheBilanz des „Instituts für Europäische Musikethnologie“. Gegründet wurde es 1964unter der damals noch höchst zeitgemäßen Bezeichnung „Institut für MusikalischeVolkskunde“. Doch aufgrund der kontinuierlichen Ausweitung der Forschungs -gegenstände erhielt es im Jahr 2010 schließlich die nunmehr deutlich modernereBenennung: „Institut für Europäische Musikethnologie“.

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oder nationale Abgrenzung kaum mehrmöglich bzw. sinnvoll. Als Paradigmahierfür mag insbesondere das Thema„Der Jazz der Sinti“ dienen, das ebenfallsverstärkt in den Fokus des Interesses ge-rückt ist. Darüber hinaus beinhalten dieThemen der Arbeitstagungen der „Kom-mission zur Erforschung musikalischerVolkskulturen in der Deutschen Gesell-schaft für Volkskunde e. V.“, zumeist vonInstitutsmitgliedern konzipiert und gelei-tet, spätestens seit 1980 in den Referateninternationale Bezüge oder sogar Schwer-punkte in spezifischen europäischen so-wie außereuropäischen Musikkulturen. Inbesonderem Maße wird dies bei der imOktober 2014 an der Universität zu Kölnanberaumten Tagung „Musik und Wettbe-werb. Europäische und außereuropäischePerspektiven“ zum Tragen kommen. Dortwerden neben historischen, popularmu-sikwissenschaftlichen und deutschland-spezifischen Thematiken (Thüringen, Erz-gebirge, Norddeutschland, Oberbayern)auch europäische Regionen (Türkei, Un-garn, Albanien, Russland, Belarus) undaußereuropäische (Brasilien, Jamaika,Südafrika, Kirgisistan, Aserbaidschan, In-dien, Nepal) im Mittelpunkt stehen.

Im Verlauf der Institutsgeschichte entwi-ckelten sich ausgedehnte Forschungsfel-der mit einem jeweils eigenen, umfang-reichen Publikationsspektrum. Schwer-punkte dabei bilden die Bereiche: Refle-xion der Disziplin (Geschichte, Methodi-ken, Wissenschaftlichkeit); Konstanz undWandel im Repertoire der so genannten„Musikalischen Volkskultur“; Regional-forschung; Laienmusizieren; Musikkultu-ren von Minderheiten und in Folge vonMigration; Musik und die politischeMacht; musikalische Volkskunde bzw. eu-ropäische Musikethnologie und Musikpä-dagogik; Lied- und Singforschung; Lied-monografie; Lied, Musik und Tanz imBrauch; volkskundliche Biografik. Jedesder genannten Felder wiederum weistdifferenzierte Themenschwerpunkte auf.Wenngleich das erklärte Ziel die „Gegen-wartsforschung“ ist, so umfasst diesgleichwohl auch historische Aspekte. Sobildete sich beispielsweise in dem For-schungsfeld „Missbrauch der Musikali-schen Volkskultur durch die politischenMachtsysteme“ ein eigener Schwerpunktmit starker historischer Gewichtung he-raus. Das Publikationsverzeichnis vonMitarbeitern des Instituts umfasst derzeitüber 600 Titel, ergänzt durch die Insti-tutszeitschrift ad marginem mit bisher 85Ausgaben, die mittlerweile auch onlineverfügbar ist. Von Anbeginn an richteten sich die Per-spektiven der Institutsforschung über regionale Thematiken hinaus gleicher -maßen auf andere europäische und mitEinschränkung auch außereuropäischeLänder. Dazu zählen aufgrund dersprachlichen und räumlichen Nähe dieNiederlande. Seit der Institutsumbenen-nung 2010 wurde dies weiter verstärkt.So rückten osteuropäische Länder wiePolen, Litauen (jeweils die Musik derdeutschen Minderheiten) sowie Belarus(die dortige populäre Musik) in den Fo-kus der Untersuchungen. Auch ist in For-schungsfeldern, die sich mit Gegenwarts-phänomenen wie Jazz, Popmusik, Rock,Folk, Rap, Techno befassen, eine regionale

rende höchst spannende Themen wie u. a. jüngst die Gesänge von Fußballfansin Stadien, Rezeption von Punkmusik inKöln oder etwa polnische Chöre imRaum Nordrhein-Westfalen. Förderlichfür diese fruchtbare Zusammenarbeit istebenso, dass musikethnologische bzw.popularmusikwissenschaftliche Lehrin-halte mittlerweile ein fester Bestandteil inder Lehre sind, die in dem 2012 neu ein-gerichteten Studiengang „Musikvermitt-lung“ in den Modulplänen verankertsind. Ein weiterer Schwerpunkt des Instituts istdie Archivierung bei gleichzeitig öffentli-cher Zugänglichkeit der Materialien. Mitder Übernahme des 1938 von Ernst Klusen gegründeten NiederrheinischenVolksliedarchivs der Stadt Viersen verfüg-te das Institut 1964 bereits über eine so-lide materiale Ausgangsbasis. Heute be-sitzt das Institut eine Bibliothek mit ca.31 000 Bänden, gegliedert nach 27 Spe-zialbereichen. Ein Kernbereich des Insti-tuts ist zweifellos die musikethnologische(Feld-)Forschung. Schon Ernst Klusenhatte bei der Gründung des Instituts alsPrinzipien seines Forschungsauftrags eine„Konzentration auf Gegenwartsforschung“formuliert. Das Institut verstand sich da-bei von Anfang an als integrative und in-terdisziplinäre Einrichtung. Dies zeigt dieständige Ausweitung ihres Gegenstands:von der „reinen“ Textforschung, der Objektforschung, zur Objekt-Subjektfor-schung durch Einbezug von Kontextfor-schung und sozialwissenschaftliche Me-thoden; von der Liedforschung zur Sing-forschung und schließlich von der Volks-musikforschung zur musikethnologi-schen Grundlagenforschung. Das For-schungsspektrum reicht daher von denüberlieferten Volksmusiktraditionen biszu neuen Feldern, Genres und Formen, z. B. aus der Folk-, Rock- und Jazzmusikkommend, den komplexen Bereich tra-dierter und innovativer Formen des Lai-en- bzw. Amateurmusizierens einschließ-lich ihrer Grenzüberschreitungen zu pro-fessionell ausgeübter Musik umfassend.

Klaus Näumann ist seit 2011 als Junior-Professor

am Institut für Europäische Musikethnologie tätig.

Seit 2010 ist er Vorsitzender der „Kommission zur Er-

forschung musikalischer Volkskulturen“ in der DGV.

Seine musikethnologischen Feldforschungen, aus

denen auch Publikationen erwachsen sind, führten

ihn u. a. nach Trinidad, Polen und Weißrussland.

Günther Noll ist emeritierter Professor für Musik -

pädagogik und ehemaliger Direktor des Instituts für

Europäische Musikethnologie an der Universität zu

Köln. Seine Publikationen in dem Bereich Musikali-

sche Volkskunde/Europäische Musikethnologie ha-

ben die Schwerpunkte Laienmusizieren, Lied,

Brauch, DDR. Er war ebenso als Schulbuch-Autor

und -Herausgeber tätig.

Astrid Reimers ist seit 1988 Mitarbeiterin am Institut

für Europäische Musikethnologie. Ihr Forschungs-

schwerpunkt Laienmusizieren umfasst Bereiche wie

offenes Singen, Klingeltöne, Frauenmusikfestivals und

Musizieren in religiösen Gemeinden von Migranten.

Niederschlesische Musik und Kultur ist einer der wichtigen Forschungs gegenstände des Instituts für europäische Musikethnologie. Hier: „Vokalgruppe Heimatsänger“ der deutschen Minderheit aus Breslau.

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Dauer der Schulzeit an den Gymnasienfachlich zu diskutieren und möglicheAuswirkungen von Veränderungen darzu-legen.Ausgehend vom ersten Dialogforum hatdie Expertenrunde drei Varianten zurDauer der Schulzeit – die Rückkehr zu „G9“, das „Abitur im eigenen Takt“ und„G8“ unter veränderten Rahmenbedin-gungen – genau untersucht. Sowohl derinhaltliche Änderungsbedarf bei denRechtsvorschriften, zeitliche Umset-zungsmöglichkeiten, der zu erfassendeSchülerpersonenkreis als auch die mit einer Umstellung verbundenen Kostenwaren dabei zu beachten. Darüber hinauswurden die Rahmenbedingungen, dieunabhängig von der Frage der Schulzeit-dauer verändert werden können, unter-sucht: die Zahl der Wochenstunden inden Fächern der gymnasialen Oberstufe,die Anzahl der Klausuren und der Ein-bringungsverpflichtungen, die Zahl derAbiturprüfungsfächer und vieles mehr.Ziel war es dabei, eine fundierte Basis zuschaffen, auf der Entscheidungen getrof-fen werden können, ohne jedoch selbstein politisches Votum abzugeben.

rückläufiges Engagement der Schülerin-nen und Schüler aus den Gymnasien, z. B. beim Wettbewerb „Jugend musi-ziert“. Stimmen aus den Hochschulenund der Wirtschaft problematisierten diemangelnde Reife von Abiturientinnenund Abiturienten. Die rot-grüne Koalition in Niedersachsenhat diese Sorgen sehr Ernst genommen.Bereits in der Koalitionsvereinbarungvom Februar 2013 wurde deshalb be-schlossen, Lösungsmöglichkeiten zu prü-fen und umzusetzen, mit denen Stressund Druck aus den Gymnasien genom-men werden können.Mit dem Dialogforum „Gymnasien ge-meinsam stärken“ im Juni 2013 wurdeein Diskussionsprozess um die Dauer derSchulzeit bis zum Abitur in Niedersach-sen initiiert. Der Landeselternrat, Landes-schülerrat, Lehrerverbände, Vertretungender Kirchen, die im Landtag vertretenenpolitischen Parteien und kommunaleSpitzenverbände sowie viele andere Insti-tutionen, haben auf der Tagung zu demThema Stellung genommen. Im An-schluss daran wurde eine Expertengrup-pe beauftragt, verschiedene Szenarien der

Sowohl Eltern als auch Schülerinnenund Schüler kritisierten, dass der Unter-richtsstoff zu schnell bearbeitet werdeund es zu wenig Zeit zum Lernen undÜben gäbe. Freizeitaktivitäten, wie dasEngagement in Vereinen, Treffen mitFreundinnen und Freunden, sowie Ent-spannung im Leben der Schülerinnenund Schüler komme dadurch viel zukurz. Vertreterinnen und Vertreter derSportverbände, aus kulturellen und sozia-len Organisationen, verzeichneten ein

Niedersachsen hat sich entschieden: für ein modernes, zeitgemäßes Abitur nach 13 JahrenLernstress, hohe Belastung, wenig Zeit – die Diskussion um „G 8“ Frauke Heiligenstadt

Jahrelang stand das Abitur nach achtJahren („G8“) im Mittelpunkt der bil-dungspolitischen Diskussion in Nieder-sachsen. Lehrkräfte, Eltern, Schülerin-nen und Schüler haben immer wiederdarauf hingewiesen, dass der Stress ins-besondere an der gymnasialen Ober-stufe zugenommen habe. VerdichteteLernzeit, umfangreiche Curricula, hoheSchülerpflichtstundenzahlen im Se-kundarbereich I sowie starke Fach- undKlausurbelastungen wurden regelmä-ßig beklagt.

In den letzten Jahren gingen die Teilnehmerzahlen im Ensemblebereich von „Jugend musiziert“ stark zurück. Mit der Rückkehr zu „G9“ haben die Schüler wieder

mehr Zeit, sich ihrer Musik zu widmen.

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von Profilunterricht wahr, kann dieseStundenzahl auch höher sein.

Der zehnte Schuljahrgang wird damitwieder zum abschließenden Jahrgang desSekundarbereichs I, Jahrgang 11 über-nimmt wieder die Funktion der Einfüh-rungsphase der gymnasialen Oberstufe.

Die Möglichkeit zur Verkürzung derSchulzeit auf acht Jahre bleibt individuellfür die Schülerinnen und Schüler durchdas Überspringen eines Schuljahrs erhal-ten. Für diese Schülerinnen und Schüler,die besonders leistungsstark sind und be-sondere Begabungen haben, werden wirzusätzliche Förderstunden zur Verfügungstellen.

Für die Schülerinnen und Schüler, dienoch die Abiturprüfung nach zwölf Jah-ren ablegen, sehen wir besondere Unter-stützungs- und Entlastungsmaßnahmenvor.

Die von der Vorgängerregierung vorge-nommene Verschärfung der quantitativenAnforderungen in der gymnasialen Ober-stufe und in der Abiturprüfung wird soschnell wie möglich korrigiert. Die An-zahl der Klausuren in der Qualifikations-phase soll deutlich reduziert werden, die

rung des Niedersächsischen Schulgeset-zes generell zum Abitur nach dreizehnSchuljahren („G9“) zurück. Diese Um-stellung auf die dreizehnjährige Schul-zeitdauer bis zum Abitur beginnt mitdem Schuljahr 2015/2016. Wir möchten,anders als beim Wechsel zu „G8“, keineübereilte Umstellung herbeiführen, son-dern stattdessen genügend Zeit einräu-men. Damit können Schulen und Schulverwal-tungen die notwendigen päda gogischenEntscheidungen treffen, neue curriculareVorgaben umsetzen, schulische Konzepteauf das „G9“ abstimmen und die not-wendigen rechtlichen Voraussetzungenschaffen.

Einbezogen werden die Jahrgänge 5, 6,7 und 8. Der erste Schuljahrgang wirddann im Frühjahr 2021 das Abitur nachneun Jahren ablegen können.

In allen Jahrgängen des Gymnasiumssoll die Zahl der Schülerpflichtstundenvon 30 Wochenstunden nicht überschrit-ten werden. Nehmen Schülerinnen undSchüler freiwillig besondere Angebote, z. B. am Gymnasium mit besonderemSchwerpunkt in Musik oder im Rahmen

Zu dieser Zeit entwickelte sich das öffent -liche Interesse an diesem Thema inNieder sachsen immer stärker. Die großenLehrer verbände und Gewerkschaften, dienieder sächsische Direktorenvereinigung,viele E l ternvertretungen und anderegesellschaft liche Gruppen, Parteien undVerbände forderten eine Abkehr vom„G8“. Die rot-grüne Koalition wurde da-rin bestätigt, dem öffentlichen Diskursdurch das Dialogforum und die Arbeitder Expertengruppe wichtige Impulsegegeben zu haben. Im März legte die Expertengruppe demDialogforum ihren Abschlussbericht vor.Ausgehend von den formulierten Ergeb-nissen stellte ich als Kultusministerin einKonzept vor, dass die Umstellung desAbiturs nach acht Jahren hin zu einemneuen modernen Abitur nach neun Jah-ren an den Gymnasien darlegt.

Kernpunkte des neuen niedersächsischen Konzepts für ein modernes Abitur

Die Gymnasien und die nach Schul-jahrgängen gegliederten KooperativenGesamtschulen kehren nach einer Ände-

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gagieren. Die Familien gewinnen wiedermehr gemeinsame Zeit, Lehrkräfte erhal-ten zusätzliche Zeit für eine intensivereFörderung einzelner Schülerinnen undSchüler.

Musikalische Bildung und „G9“Der Erziehungs- und Bildungsauftrag vonSchule besteht über die kognitive Bildunghinaus darin, Schülerinnen und Schülerneine ganzheitliche Persönlichkeitsbildungzu ermöglichen. Auch künstlerisch-ästhe-tische Aspekte sollen ihren Platz finden.Durch das neue moderne Abitur nachneun Jahren kann dem Musizieren mehrRaum gegeben werden und dadurch dieSchulkultur gestärkt werden – zum Bei-spiel durch die Teilnahme an freiwilligenkulturellen Angeboten in Arbeitsgemein-schaften und Projekten. Die Reduzierungder Schülerpflichtstundenzahl in Verbin-dung mit einer Rhythmisierung desGanztags entspannt den Schulalltag er-heblich und schafft mehr Möglichkeitenfür eine aktive musikalische Betätigungin Orchestern, Chören und Musikprojek-ten. Das schulische Musizieren ermög-licht allen Kindern den Zugang zu Musikund leistet damit insgesamt einen Beitragzu aktiver Teilhabe am kulturellen Leben.Die Entscheidung für „G9“ hat aber auchAuswirkungen im außerschulischen Be-reich. Kindertageseinrichtungen undGrundschulen in Niedersachsen führenin Zusammenarbeit mit öffentlichen Mu-sikschulen immer mehr Kinder erfolg-

stützung geben können. Dabei könneninteressante und herausfordernde außer-unterrichtliche Angebote, z. B. im mu-sisch-künstlerischen Bereich liegen unddie Wettbewerbsteilnahmen oder die Ar-beit an Projekten fördern.

Reaktionen und WirkungenDie Entscheidung, als erstes Bundeslandzu „G9“ zurückzukehren, hat in Nieder-sachsen viel Zustimmung gefunden. Wirnutzen die Möglichkeit, in einem breitenKonsens Schülerinnen und Schüler, Elternund Lehrkräfte deutlich zu entlasten. DieOrientierung an den nationalen Bil-dungsstandards und die Teilnahme anden länderübergreifenden Abiturprüfun-gen garantieren dabei, dass die hoheQualität des niedersächsischen Abitursauch künftig gesichert bleibt.Für Schülerinnen und Schüler bedeutetdas weniger Stress durch einen kürzerenStundenplan, nachhaltigeres Lernen durchdie längere Lernzeit und die Chance, einhöheres Maß an Reife, Selbst- und Sozial-kompetenzen zu entwickeln. Schülerin-nen und Schülern mit höherem Förder-bedarf bietet die längere Lernzeit mehrBildungschancen, entwicklungsbedingteLeistungsschwankungen lassen sich durchden längeren Lernzeitraum besser aus-gleichen. Alle Schülerinnen und Schülererhalten wieder mehr Möglichkeiten,künstlerische, musische, sportliche undandere kulturelle Angebote wahrzuneh-men und sich sozial oder politisch zu en-

Anzahl der Kurse, die für die Zulassungzur Abiturprüfung verpflichtend sind,wird von 36 Kursen auf die von der Kul-tusministerkonferenz vorgegebene Zahlvon 32 Kursen zurückgeführt. Um dieAnforderungen in Kursen auf erhöhtemund auf grundlegendem Anforderungs -niveau wieder klarer zu unterscheiden,werden die Kurse auf erhöhtem Anforde-rungsniveau künftig mit fünf Wochen-stunden unterrichtet, Kurse auf grundle-gendem Anforderungsniveau mit dreiWochenstunden.

Die Kerncurricula werden auf die neueSchulzeitdauer angepasst, ohne den Fach-lernstoff quantitativ auszuweiten. Insbe-sondere in der Einführungsphase soll inden überarbeiteten Curricula dem wich-tigen Thema „Studien- und Berufswahl-orientierung“ mehr Raum als bisher ge-geben werden.

Die rot-grüne Landesregierung stellt fürden Bildungsbereich erheblich mehr Mit-tel als bisher zur Verfügung und hat ins-besondere die Finanzierung des Ganz-tagsangebots an den Schulen des Landesdeutlich verbessert. Damit können alleniedersächsischen Schulen auf einer gesi-cherten Basis ihre Angebote weiterentwi-ckeln und ausbauen. Wie alle anderenSchulformen können auch die Gymna-sien, eng verzahnt mit dem neuen Kon-zept für „G9“, umfassende Ganztags -angebote entwickeln, die den Schülerin-nen und Schülern Förderung und Unter-

Frauke Heiligenstadt bei einemBesuch in der Schule: „Wir wollenunseren Schülerinnen und SchülernGelegenheit geben, nachhaltiger zulernen und ihr Persönlichkeitsbil-

dung optimal zu unterstützen.“

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und Leben. Wir wollen unseren Schüle-rinnen und Schülern Gelegenheit geben,nachhaltiger zu lernen und ihre Persön-lichkeitsbildung optimal zu unterstützen.Ich bin davon überzeugt, dass wir dieseZiele mit dem neuen modernen Abiturnach neun Jahren erreichen werden.

gruppe IV (15 Jahre und älter) kurzfristi-ge Abmeldungen vor dem Wettbewerb,allein in Niedersachsen in diesem Jahrüber 20 Prozent. Als Grund hierfür wur-de eine zu hohe schulische Belastung an-geführt. In dieser Altersgruppe nehmenüberwiegend Schülerinnen und Schülerteil, die Musik als (Lehr-)Beruf anstreben. Besonders in dieser Altersgruppe erwar-ten wir unter den Bedingungen von „G9“wieder einen Anstieg der Teilnehmenden.

FazitNach einem intensiv geführten und fach-lich abgesicherten Dialog mit allen Betei-ligten haben wir uns in Niedersachsenfür die Rückkehr zur neunjährigen Schul-zeit am Gymnasium entschieden. Damitermöglichen wir mehr Zeit zum Lernen

reich an Musik heran („Wir machen dieMusik“ / MWK-Aktionsprogramm sowiedie Musikalische Grundschule – ein MK-Projekt in Kooperation mit der Bertels-mann-Stiftung). Entgegen diesen erfreuli-chen Entwicklungen in der musikali-schen Breitenarbeit wurden in den letz-ten Jahren rückläufige Zahlen Teilneh-mender in der instrumentalen und voka-len Mittel- und Oberstufe, im Bereich desOrchester- und Ensemblemusizierens so-wie in den studien- und berufsvorberei-tenden Ausbildungsgängen beobachtet.Mit „G9“ ist eine konsequente Fortfüh-rung der musikalischen Aktionsprogram-me in der weiterführenden Schule wie-der möglich.In den letzten Jahren gab es beim Wettbe-werb „Jugend musiziert“ in der Alters-

Frauke Heiligenstadt ist seit Februar 2013 Kultusmi-

nisterin des Landes Niedersachsen sowie Mitglied

des Bundesrats. Sie absolvierte ein Fachhochschul-

studium in Hannover zur Diplomverwaltungswirtin,

trat 1982 der SPD bei und ist seit 2003 Mitglied des

Niedersächsischen Landtages.

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che Techniken nutzt, um die widerstre-benden Gefühle auszudrücken. Bob Dylans Song, bereits im Dezember1967 aufgenommen, handelt von einemphilosophischen Gespräch zwischen zweimythischen Figuren, dem „Joker“ unddem „Thief“, dem Narren und dem Dieb,die in Metaphern sprechen. Beide Figu-ren stehen für eine bestimmte Geisteshal-tung: der naive Narr, der das Weltgesche-hen nicht mehr versteht (z. B. Vietnam-krieg) und der Dieb, der alle Niederun-gen und Höhen menschlicher Gedankenund Taten kennt. Der Joker sucht im ers-ten Vers einen Ausweg aus der für ihnverrückten Welt, in der er in ihrer kom-plexen Struktur keine Ruhe finden kann.Im zweiten Vers spricht der Dieb, davon,

All along the watchtower wurde sowohl inLondon als auch in New York aufgenom-men und gemeinsam mit seinem Tonin-genieur Eddie Kramer gelang ihm eineSoundlandschaft, die in ihrer Vielschich-tigkeit, in der Nutzung von räumlicherAnordnung und von verschiedenen fürihn entwickelten Effekten bis zu diesemZeitpunkt in dieser Form und Kombina -tion nicht verwendet wurde. In seiner Einfachheit ist der Song inStruktur, Harmonik und Text bestechend:drei Akkorde, drei Verse, drei Gitarrensoli,die dem Inhalte der Verse folgen, kom-mentieren und illustrieren. Das Gitarren-solo nach dem zweiten Vers gliedert sichwiederum in vier jeweils achttaktige Teile,in denen Hendrix jeweils unterschiedli-

Das Album „Electric Ladyland“, aufdem Bob Dylans Song All along the Watch-tower im Oktober 1968 erschien, gilt alsdie interessanteste und gleichermaßen er-folgreichste Veröffentlichung von JimiHendrix (Rolling Stone, Platz 54 der 500besten Alben der Popmusikgeschichte). Jimi Hendrix, 1942 in Seattle geboren,verließ 1966 die USA, um in England ge-meinsam mit dem Bassisten der Animals,Chas Chandler, sein erstes Album und dieSingle Hey Joe aufzunehmen. Hey Joe, Pur-ple Haze und The Wind cries Mary fandensich in den englischen Top Ten und ernahm neben den Gitarristen der damali-gen englischen Bluesrock-Szene EricClapton, Jeff Beck und Jimmy Page sehrschnell seinen Platz in London ein.

Erklär mir Pop:

Udo DahmenUdo Dahmen studierte klassisches

Schlagzeug an der Musikhochschule für

Musik und Tanz in Köln. Bevor er von

1983 bis 2003 Dozent an der Hoch-

schule für Musik und Theater in Ham-

burg war, arbeitete er als Musikpädago-

ge und freiberuflicher Musiker. Seit

2003 ist er künstlerischer Direktor, Ge-

schäftsführer und Professor der Pop-

akademie Baden-Württemberg.

Viele Popsongs werden über Generationen hinweg gehört und geliebt – sie haben Popgeschichte geschrieben. Doch kennen wirjeweils die Hintergründe der Entstehung, den musikalischen Auf-bau oder die Rezeptionsgeschichte? Udo Dahmen stellt in seinerKolumne „Erklär mir Pop“ jeweils einen Song und Künstler aus derPopmusikszene vor – mit freundlicher Unterstützung des SWR, derdie gleichnamige Hörrubrik seit Anfang des Jahres 2013 ausstrahlt.

ALL ALONG THEWATCHTOWER Der Song von Bob Dylan aufgenommen von Jimi Hendrix

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kalischen und textlichen zentralen Aussa-gen sind im Song hervorragend gelöst:Die Dichotomie des menschlichen Cha-rakters aufgespalten in zwei mythischenPersonifizierungen: „Joker“ und „Thief“,darüber hinaus die Gegensätzlichkeitmenschlichen Schaffens und der Natur.Die Verwendung des Gitarrensolos als illustrierende und überhöhende emotio-nale Aussage des gesungenen Wortes,stellt in dieser Form eine wesentlicheNeuerung und Erweiterung des popmu-sikalischen Vokabulars dar und ist nebendem kompositorischen Schaffen eine derwichtigen Innovationen, die Jimi Hen-drix uns hinterlassen hat. Er ist in seinervirtuosen Kompromisslosigkeit der Weg-bereiter für alle gitarrenlastigen späteren

dass beide Erfahrungen mit der Welt undihrem Getriebe gemacht haben und diesnicht ihr Schicksal darstellt, sondern siesich aufmachen, um im dritten Vers einermythischen Welt, die sich in einer Burgverschanzt und für das Traditionelle steht,mit Menschlichkeit und mit Hilfe derNatur entgegenzutreten („Two riders were approaching, and the wind beganto howl.“). Die letzte Zeile wird durchdas erstmals auf dem dreigestrichenen Ceinsetzende Gitarrensolo illustriert und inder nachfolgenden wilden, chaotischenGitarren-/Kollektivimprovisation wirddie Unmöglichkeit dargestellt, letztend-lich der Natur Einhalt zu gebieten. Die verdichtete, heruntergebrocheneForm und die Komprimierung der musi-

Genres in der Rockmusik und wurde stil-bildend für alle nachfolgenden Genera-tionen von Gitarristen.

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Alme Ingrate –Kaiserliche Arien

Werke von Kaiser Joseph I., Marc’ Antonio Ziani, Johann Jo-seph Fux und Antonio CaldaraLydia Teuscher (Sopran), Capri-cornus Ensemble Stuttgart,Henning Wiegräbe (Posauneund Ltg.)Coviello Classics COV 21311

Komponierende und musizie-rende Magnaten – da fällt einemin der Regel zuerst Friedrich derGroße mit seiner Querflöte ein.Dass die Herrscher am WienerHof des 17. und 18. Jahrhun-derts aber auch hervorragend zukomponieren wussten, isthöchstens Fachleuten bekannt.Vor allem Kaiser Leopold I.(1660-1705), Joseph I. (1705-1711) und Karl VI. (1711-1740)begründeten eine Glanzzeit inder habsburgischen Metro-pole, die sich durch eine starkeitalienische Komponente aus-zeichnete – „im Zeichen vonpolitischem Katholizismus undtraditionsbewusster Satzkunst“,wie das Booklet der vorliegen-den CD in kleiner Schrift kennt-nisreich verrät.Dies ist jedoch nicht die eigent-liche Besonderheit der CD, dennnur ein Stück stammt tatsächlichvon einem Kaiser, der Rest vonden ordentlichen Berufsmusi-kern Marc’ Antonio Ziani, Jo-hann Joseph Fux und AntonioCaldara. Außergewöhnlich istvielmehr die solistische Exposi -tion der Posaune in den Sonatenund Vokalwerken des WienerHofs. Sie war dort nicht nur eineKlangfarbe inmitten des Stadt-pfeifer-Instrumentariums, son-dern hatte eine hervorgehobeneRolle in geistlichen wie weltli-chen Bühnenwerken und Instru-mentalstücken: eine Aufgabe,wie geschaffen für den Allroun-

während Fanning das Stück qua-si als Handgelenksübung für dasbedeutendere Cellokonzert ab-tut. Die insistierende RhythmikKremers und seiner Getreuenwürde ihn womöglich umstim-men. Waren damals in Russlanddoch die Höllenmächte los. Die noch in der Symphonie Nr.10 von 1968 rumoren – zu derZeit, als sowjetische Panzer den„Prager Frühling“ niederwalz-ten. In der aleatorisch „losgelas-senen“ Burlesque glaubt manBulgakows Teufel samt Gehilfenzu vernehmen, die Moskau mitSpuk und Satansball heimsu-chen. Im „Pastorale“ (2. Satz)arbeitet er mit Zwölftonreihenähnlich wie Alban Berg im Vio-linkonzert. Wer die kühnenKlangballungen und dynami-schen Aufwallungen, die „Glis-sando-Orgien“, besessenen Osti-nati und vertrackten Rhythmenerlebt, begreift die Bewunde-rung, die Schostakowitsch demWerk entgegenbrachte.Von den drei Kammermusiken,die Kremer & Friends ergänzenddarbieten, ist die Sonate Nr. 3für Violine solo op. 126 von1978 zweifellos die bedeutends -te. Kremer zögert nicht, sie Bar-tóks Solosonate an die Seite zustellen. Aus dem durchkompo-nierten, fahl ausklingenden Stückhört er gar ein lebensgeschichtli-ches „Programm“ heraus. EinemDoppelporträt der (im Arbeitsla-ger umgekommenen) Eltern –ruheloser Vater, besinnliche Mut-ter – folgt ein fünfteiliges Selbst-porträt: beschwingte Kindheit,„Übergangskadenz“ mit heiklenDoppelgriffen, panische Flucht(von Warschau über Minsk bisTaschkent), Erinnerungen desEinsamen, „Fantastischer Tanz /Dialog mit der Ewigkeit“.

Lutz Lesle

der Henning Wiegräbe, der zu-letzt noch eine Jazz-CD unterdem Titel Bone Talks vorgelegthatte, hier jedoch mit eng men-surierter Posaune und trotzdemvolltönend, historisches Terrainbetritt.Nicht zum ersten Mal freilich,denn der Professor an der Mu-sikhochschule Stuttgart hat AlteMusik studiert und ist Begründerdes Stuttgarter Ensembles „Ca-pricornus“, das auch auf dieserCD zu hören ist. Besetzt ist esmit Geigen, Cello, Laute, Orgelund – man höre und staune –dem Klarinettenvorläufer Chalu-meau, das hier gar nicht unähn-lich einem Zink klingt und wun-derbar mit dem leicht geführtenund virtuos strahlenden Sopranvon Lydia Teuscher verschmilzt.Die Musik selbst verhandelt inden textgebundenen Stückenglü hende Emotionen, die zwarmehr heitlich geistlichen Hinter-grund haben, sich in ihrem Aus-druck jedoch nicht von weltli-chen Arien und Rezitativen un-terscheiden – so ist das Barock.Höchstens vermeint man diesenWiener Werken eine größereStrenge und sittliche Zurückhal-tung anzuhören, als das bei den„richtigen“ Italienern der Fallwar. Ungeachtet dessen ist hiergroßartige Musik zu hören, vomKaiser Joseph I. ebenso wie vombegnadeten Stilistiker Johann Jo-seph Fux (1660-1741), der nichtzuletzt durch sein TheoriewerkGradus ad Parnassum berühmt ge-worden ist. Die Arie „In un bivioè il mio volere“ aus dem Orato-rium Maddalena ai piedi di Cristo(1713) von Antonio Caldara(1670-1736) ist gar von Hän-del’scher Eleganz. Eine CD fürFans der Alten Musik, aberdurchaus auch für interessierteEinsteiger. Johannes Killyen

Mieczysław Weinberg

KammermusikKremerata Baltica, Gidon Kremer2 CDs, ECM New Series2368/69

Während die großen Tonkünstlerseiner Generation in der UdSSRseine Meisterschaft beizeiten er-kannten, nahm ihn die übrigeWelt eigentlich erst nach seinemTod im Jahr 1996 wahr. Nebeneinzelnen CD-Veröffentlichun-gen ist die wachsende Reputa -tion des polnisch-jüdischen Emi - granten Mieczysław Weinbergvor allem der Monografie Auf derSuche nach Freiheit des EngländersDavid Fanning zu danken. Die vorliegende Edition um-spannt dreißig Schaffensjahre:vom „annus horribilis“ 1948, indem Weinbergs Schwiegervaterermordet wurde und die Ver-bandszeitschrift Sowjetskaja mu sikaihm trockene Linearität, harmo-nische Schroffheit und strangu-lierte Melodik vorwarf, bis 1979,als der Konflikt zwischen offi-zieller Kunstdoktrin und ei generkünstlerischer Notwendigkeitausgestanden war und Weinbergin seinem Gastland Anerkennunggefunden hatte. Um als Kompo-nist zu überleben, musste er sich– noch in Stalins Todesjahr in-haftiert – der Forderung nach„hörerfreundlicher Me lodik“beugen. Wo bei er allerdings, wieDavid Fanning im genanntenBuch und Wolfgang Sandner imBooklet gleichlautend beteuern,nicht in Trivialität verfiel. Wer Weinbergs Concertino op.42 von 1948 vorurteilsfrei hört,wird Sandner Recht geben,wenn er auf den „nahezu ge-spenstischen Charakter“ desdritten Satzes hinweist (der ihnan Sibelius’ Valse triste erinnert),

62 rezensionen

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Musik lernen – Musik unterrichten

Eine Einführung in die MusikpädagogikMichael DartschBreitkopf & Härtel 2014, 248 S.,26,90 Euro

Die Publikation gibt einen ganz-heitlichen und detailliertenÜberblick über die musikpäda-gogische Praxis und deren Ein-flussfaktoren. Neben einer Ein-führung in die Instrumentaldi-daktik und allgemeinen Musik-pädagogik werden auch grundle-gende Fragen des Musiklernensund der Elementaren Musikerzie-hung beleuchtet. Zahlreiche Lite-raturhinweise geben dem Leserdarüber hinaus die Möglichkeit,sich einzelnen Themenfeldernvertieft zu widmen. Als wissen-schaftliches Grundlagenwerkrichtet sich die Publikation vorallem an Studierende der Musik-pädagogik und Musiklehrkräfte.Dartsch erläutert einführend denkompletten „Unterbau“ der Mu-sik-Praxis, wie z. B. soziologi-sche Einflüsse sowie die Rollevon Begabung, Intelligenz, Übe-einsatz und Motivation. Auch an-thropologische Grundsätze undFragestellungen wie „Warum istMusik unverzichtbar?“ werdendabei behandelt. Den Hauptteilder Publikation nehmen Inhalte,Methoden, Zielgruppen und Un-terrichtsformen ein. Auch hierspannt Dartsch einen weiten Bo-gen von elementarer Musikpra-xis bis hin zur Interpretation vonWerken. Ausführlich widmet ersich u. a. der Improvisation, derSolmisation und der Verbindungzwischen Musik und Bewegungund vermittelt dabei einen ganz-

Cloud Computing und TPMChips geistiges Eigentum ge-schützt werden könne. Für Wis-senschaftler auf dem Gebiet derMedien kann die Darstellungund Bewertung der verschiede-nen Vorschläge und Theorien eine interessante Lektüre sein.Andere Leser werden sich mitvielen theoretischen Begriffenschwer tun, etwa hinsichtlichder Klarstellung, dass Öffentlich-keit nicht von selbst entsteht:„Vielmehr sind dafür Mechanis-men nötig, die es ermöglichen,den Input der zahllosen Teilneh-mer zu clustern, seine unter-schiedliche Relevanz zu bewer-ten und repräsentative von reinindividuellen Stimmen zu unter-scheiden. Eine Öffentlichkeit be-darf also kuratorischer Instan-zen, es muss Aggregatoren ge-ben, die ihre Vielfalt redaktionellsichten und strukturieren.“Dem öffentlich-rechtlichen Rund -funk könne zukünftig die Auf -gabe im Netz zuwachsen, nichtnur Inhalte zu produzieren, son-dern Angebote zu machen, diedem Charakter einer neuen, dia-logischen Öffentlichkeit Rech-nung tragen. Das Internet sei dasbeste Medium für eine solchedialogische Öffentlichkeit.

Wolfgang Spautz

heitlichen Blick auf die musikpä-dagogische Praxis. Die wissen-schaftliche Analyse des Übens, z.B. durch den Vergleich zumSport-Training, verhilft dem Le-ser zu einem besseren Verständ-nis – und damit ggf. zu einerbesseren Vermittlung – des Phä-nomens Üben und wird durchdie von Dartsch dargestelltenUnterrichtsmethoden ergänzt.Im anschließenden Kapitel wer-den die Zielgruppen und ent-sprechende Unterrichtsformenmit den jeweiligen Herausforde-rungen und Umsetzungsvor-schlägen näher behandelt.Der ganzheitliche Ansatz vonDartsch wird abgerundet durchdie Darstellung der in der Mu-sikpädagogik tätigen (außer-schulischen) Institutionen. Die-ser Teil der Publikation ist bereitsin leicht abgeänderter Fassungbeim Deutschen Musikinforma-tionszentrum (MIZ) erschienen.Er vermittelt dem Leser einenkompakten Überblick über diemusikpädagogischen Strukturenin Deutschland sowie eine Ein-schätzung der kulturpolitischenSituation mit Nennung der ein-schlägigen Grundlagenpapiereauf Bundes- und Landesebene.Dartsch selbst möchte mit dieserPublikation – wie er in der Ein-leitung erwähnt – eine Diskussi-onsgrundlage für Studierendeund in der Musikpädagogik Täti-ge schaffen sowie zur Reflexionder jeweils eigenen Lehrpraxisanstoßen. Wer die vielschichti-gen Inhalte des Buchs durch-drungen hat, wird mit Sicherheiteinen umfassenderen Blick aufdie eigene Vermittlungspraxisund deren Einflussfaktoren er-halten – ein Muss für alle Musik-pädagoginnen und Musikpäda-gogen.

Katja Sandschneider

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt Ilja BraunTranscript, Bielefeld 2014, 188 S., 21,99 Euro

Die Antwort auf die Frage„Grundeinkommen statt Urhe -ber recht?“ gibt der Verfasser in seinem Buch etwas verstecktauf Seite 148: BedingungslosesGrund einkommen ist nicht alsAlternative zum Urheberrechtgedacht. Es geht auch nicht umein Grundeinkommen nur fürKünstler. Alle Mitglieder der Ge-sellschaft sollen die Möglichkeiteiner freien, selbstbestimmtenTätigkeit haben. Das bedin-gungslose Grundeinkommenwerde unabhängig davon ge-zahlt, ob die Betroffenen arbei-ten oder nicht. Das soll aus Steu-ergeldern finanziert werden.Man bräuchte 863 MilliardenEuro im Jahr, um jedem Bürger1000 Euro Grundeinkommenim Monat zu zahlen. Die Steuer-sätze müssten dafür deutlichsteigen. Der Verfasser sagt selbstam Ende, dass ein bedingungs -loses Grundeinkommen derzeitrealpolitisch völlig utopisch ist.Allerdings müsste die Situationder Urheber verbessert werden.Ein richtiger Schritt wäre es, dievertragsrechtliche Position derUrheber gesetzlich zu stärken,weil die gewünschte Stärkungdurch die Urheberrechtsnovellevon 2002 in der Praxis nichtausreichend verwirklicht werde.Wie der Untertitel des Buchssagt, handelt es besonders vomkreativen Schaffen in der digita-len Welt. Hier zeigt der Verfasserumfangreiche Insiderkenntnisse.So beschreibt er etwa, wie durch

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komplette Privatisierung aller gemein-wohlorientierten Aufgaben. Darunter fälltnicht nur die Wasserversorgung, sondernauch unser Kulturleben. Faktisch werdeninternationale Konzerne via Schiedsge-richten darüber bestimmen, was wir se-hen, hören, essen … Aktivieren wir unsereBundestagsabgeordneten, die mit euro-vernebeltem Blick in die parlamentari-sche Bedeutungslosigkeit wanken. DasEuropäische Parlament ist zu schwach ge-gen – eine skandalös handelnde EU-Kommission. Zivilcourage und Zivilge-sellschaft sind mehr denn je gefragt. Kul-turelle Vielfalt im Jahr 2020? Bullshit auseiner längst vergangenen Zeit. Ein Musik-forum zum Thema „Musik und Identität“?Überflüssig. Denke ich an Deutschland …

Karl Senftenhuber

Lieben Sie Abkürzungen? Ich nicht. FallsSie Abkürzungen mögen, wissen Sie wasTISA bedeutet? Ein Mädchenname, einVerschreiber – E statt I – oder? Allesfalsch. Nachdem manche Kulturmen-schen mühsam gelernt haben, was TTIPheißt und immer noch nicht so richtigverstehen, was das für unser Kulturlebenbedeutet bzw. bedeuten könnte, sollenwir schon wieder eine neue Abkürzunglernen: TISA steht für Trade in ServicesAgreement, also ein völkerrechtlicherVertrag zwischen der Europäischen Union,den USA und 21 weiteren Staaten mitdem Ziel der Beseitigung von Handels-hemmnissen im Dienstleistungssektor.Klasse – oder? Nein! Es ist zum Haareraufen! Im Verbund mit den Geheimver-handlungen zum Freihandelsabkommenzwischen der EU und den USA droht die

Vorschau

Musik, Geld und Identität

Die Eventisierung und das gesellschaftli-che Bedürfnis, an außergewöhnlichenkulturellen Ereignissen teilzuhaben, neh-men immer stärker zu. Dem Eventbegriffgegenüber steht jedoch die Frage nachder Nachhaltigkeit, die nicht nur im Kul-turbereich einen kontroversen Diskursaufmacht. Das Thema der Nachhaltigkeitspielt auch im Bildungswesen eine zen-trale Rolle. Besonders in der Bildungrückt das Fach Musik immer stärker inden Hintergrund des Schulalltags. In dernächsten Ausgabe setzt sich das Musikfo-rum mit dem Thema „Nachhaltigkeit ver-sus Event“ auseinander. Wie viel Event-kultur braucht unsere Gesellschaft? Benö-tigt die Kulturlandschaft nicht vielmehr

eine kontinuierliche Kulturversorgung?Welche Rolle spielt Kultur bei der Identi-tätsbildung? Findet musikalische Bildungnur noch im Schnellverfahren statt? Sindwir mit den Fördersystemen auf demrichtigen Weg?

Musikforum 4/2014

Nachhaltigkeit versus Event

Musikleben im Diskurs

Herausgeber:Deutscher MusikratGemeinnützige Projektgesellschaft mbHWeberstr. 59, 53113 [email protected]

in Zusammenarbeit mit Schott Music:Rolf W. Stoll

Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes:Prof. Christian Höppner

Redaktion:Chefredakteur: Prof. Christian HöppnerSchumannstr. 17, 10117 [email protected] 030-308810-10, Fax 030-308810-11

Prof. Dr. Hans BäßlerDr. Alenka Barber-KersovanAndreas BausdorfSusanne FließRüdiger GrambowDr. Benedikt HoltberndProf. Dr. Birgit JankDr. Ulrike LiedtkeProf. Dr. Helmut SchererAriane SimonsRolf W. StollMargot Wallscheid

Berater der Redaktion: Stephan Mayer

Chefin vom Dienst: Susann Eichstädt

Redaktionsassistenz:Johanna Weigmann

Produktion und Schlussredaktion:Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Design: Nele EnglerLayout: Kerstin SiegristTitelbild: Delia Baum

Anzeigen:Leitung: Dieter SchwarzService: Almuth WillingSchott Music, Postfach 3640, 55026 MainzFon 06131-246852, Fax [email protected]

Leserservice: Nicolas Toporski, Susanne MehnertSchott Music, Postfach 3640, 55026 MainzFon 06131-246857, Fax [email protected]

Erscheinungsweise:vierteljährlich: Januar, April, Juli, OktoberEinzelheftpreis: 8,50 Euro

Die in den namentlich gezeichneten Beiträgenvertretenen Meinungen decken sich nicht not-wendigerweise mit der Auffassung des Heraus-gebers und der Redaktion.Für unverlangt eingesandte Manuskripte undUnterlagen wird keine Haftung übernommen.Nachdruck oder fotomechanische Wiedergabe,auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Zu-stimmung des Herausgebers. An der Finanzierung des Unternehmens wirt-schaftlich beteiligt ist der Deutsche Musikrat,gemeinnützige Projektgesellschaft mbH.Gefördert von der Beauftragten der Bundesre-gierung für Kultur und Medien.

ISSN 0935-2562

© 2014 Schott Music GmbH & Co. KG, MainzPrinted Germany

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10 Classical Masterpieces for Beginners and Enthusiasts 10 klassische Meisterwerke für Studienanfänger und Liebhaber

Beethoven: Sinfonien Nr. 5 + 9 · Brahms: Sinfonie Nr. 4 · Chopin:Klavierkonzert Nr. 1 · Dvorák: Sinfonie Nr. 9 „Aus der neuen Welt“ · Händel: Wassermusik · Mozart: Sinfonie Nr. 41 „Jupiter“ · Schubert: Sinfonie Nr. 7 „Unvollendete“ · Schumann: Klavierkonzert · Vivaldi: Die vier Jahreszeiten

ISBN 978-3-7957-7259-8EAS 10 · € 98,00

The 10 greatest Piano Concerts Die 10 schönsten Klavierkonzerte

Beethoven: Konzerte Nr. 3 + 4 · Brahms: Konzert Nr. 2 · Chopin: Konzerte Nr. 1 + 2 · Grieg: Konzert in a-Moll · Liszt: Konzert Nr. 1 · Mozart: Konzert Nr. 23 · Schumann: Konzert in a-Moll · Tschaikowsky: Konzert Nr. 1

ISBN 978-3-7957-7260-4EAS 11 · € 98,00

The 10 greatest Violin Concerts Die 10 schönsten Violinkonzerte

Bach: Konzerte in a-Moll + E-Dur · Doppelkonzert · Beethoven: Konzert in D-Dur · Brahms: Konzert in D-Dur · Doppelkonzert · Bruch: Konzert Nr. 1 · Mendelssohn: Konzert in e-Moll · Tschaikowsky: Konzert in D-Dur · Vivaldi: Die vier Jahreszeiten

ISBN 978-3-7957-7261-1EAS 12 · € 78,00

10 Symphonic Masterworks 10 Meisterwerke der Sinfonik

Beethoven: Sinfonien Nr. 5, 6 + 9 · Dvorák: Sinfonie Nr. 9 „Aus der neuen Welt“ · Grieg: Peer Gynt Suiten Nr. 1+2 · Mendelssohn: Sinfonie Nr. 3 „Schottische“ · Mozart: Sinfonien Nr. 40 + 41 „Jupiter“ · Smetana: Die Moldau · Schumann: Sinfonie Nr. 3 „Rheinische“

ISBN 978-3-7957-7262-8EAS 13 · € 98,00

Die Studienpartiturreihe mit CD

EAS 10 · € 98 (statt € 145,90)

EAS 11 · € 98 (statt € 147,90)

EAS 12 · € 78 (statt € 111,92)

EAS 13 · € 98 (statt €142,90 )