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8. JANUAR I928 KLINISCHE WOCHENSC eine solche Auffassung zu, so wird durch sie auch ein thera- peutischer Standpunkt sanktioniert, zu dem sich seit v. LEUBE eine ganze Reihe yon Autoren bekannt hat, und den ich selbst schon seit langem mit Nachdruck vertrete, nAmlieh der Stand- punkt, dab man auch bei ,,ulcusAhnlichen" Erkrankungen zunAchst mit einer systematischen Ulcuskur beginnen soll nnd dab man im Falle des Einschlagens einer solchen diese legitim weiterffihren soil. Auf Grund einer solchen Anschau- ung habe ich u.a. schon seit mehr als 2 Jahrzehnte n die Auffassung geAui3ert, dab man FAlle yon HyperaciditAt oder yon digestiver Sekretion auch ohne klinische ]3efunde, welche die Diagnose eines Magengesehwfirs sicherstellen, im Sinne eines Magengeschwtirs behandeln soll, falls nur ein ,,Ulcus- verdacht" vorliegt. Wie schwierig gerade der Ausschlufl eines Magen- oder Duodenalgeschwfirs in zahlreichen FAllen yon ulcusAhnlichem Symptomenkomplex ist, weiB jeder, welcher sich mit dem vorliegenden Gebiet eingehender be- schAftigt hat. Ceteris paribus wird man jedenfalls weniger Schaden stiften, wenn man eine Ulcuskur auch in FAllen yon ,,Ulcusverdacht", also in solchen FAllen durchfiihrt, in welchen sie nicht strikte indiziert ist, als wenn man eine solche in derartigen F~llen unterlABt. Nach dem Vorstehenden ist durchaus zu erwAgen, ob die Schmerzrezidive bei Geschwfirs- kranken nicht zuweilen auch bloB durch eine entziindliche Reizung der Umgebung des Geschwfirs oder der Geschwfirs- narbe und nicht durch ein eigentliches Ulcusrezidiv zustande- kommen. Ebenso ist zu erwAgen, ob nicht der Effekt mancher Ulcuskur blofi durch die Beseitigung der hier besprochenen periulcer6sen Entzfindungszone zu erklAren ist. Lit e r a t u r : v. BERGMANN, ,,Magengeschwflr" in Mohr-Staehelins Handb. 2. Aufl. -- B6NNIGER, Berlin. klin. Wochenschr. 19o8, Nr. 8. -- HOHLWE~, Verhandl. d. V. I~ongr. d. Verdauungs- u. Stoffwechsel- krankh. Berlin 1926. -- KONJETZNY, Verhandl. d. V. Kongr. f. Verdauungs -~ u. Stoffwechselkrankh. Berlin I926; u. a. a. O. -- I~ORBSCH, Arch. f. Verdauungskrankh. 35. -- PALMER, Klin. Wochenschr. 1927, Nr. 44- -- SCmNDLE~, Lehrbuch und Atlas der Gastroskopie S. 77 und 78, sowie Tafel X, Bild 2 u. 3. -- H. S~rRAUSS, Jahresk. f. ~trztl. Fortbild. lO; Dtsch. Arch. I. klin. Med. 56; Dtsch. med. Wochenschr. 19o7, Nr. 15 u. a. a. O.; Therapie d. Gegenw. 192o (November). MUSKELARBEIT UND INSULINBEDARF BEIM DIABETES. Von Dr. A. GERL und Dr. A. HOFMANN. Aus der I. reed. Abteilung des Kaiserin Elisabeth-Spitals Wien (Vorstand: Prof. W. FALTA). In mehrfachen Mitteilungen hat W. FALTA 1 darauf hin- gewiesen, dab bei genau mit Insulin eingestellten Diabetikern der Insulinbedarf bei der Muskelarbeit nicht ansteigt, sondern abzusinken pflegt. Auch bei sehr schweren FAllen von Dia- betes, bei denen man naeh der Anamnese, nach der ganzen HRIFT. 7. JAHRGANG. Nr. 2 59 Stoffwechsellage und nach dem hohen Insulinbedarf annehmen mul3, dab das Inselorgan nut noch eine sehr geringe Leistungs- fAhigkeit hat, wurde bisher niemals ein Ansteigen des Insulin- bedarfs dutch Muskelarbeit beobachtet. Im Jahre 1926 wurden ferner mehrere FAlle yon Diabetes in der Wiener Ge- sellschaft der Jkrzte2 vorgestellt, bei denen unter Insulin im Laufe mehrerer Monate bzw. Jahre K6rpergewichtszunahmen yon 15--3o kg erzielt wurden. WAhrend bei diesen FAllen anfangs haupts~chlich eine Anbildung yon Fett erfolgte, kam es spAter unter systernatischer Muskelarbeit zu einer mAchtigen, in manchen F~llen sogar athletischen Entwieklung der Muskulatur. Auch in diesen FAllen nahm der Insulinbedarf bei der Muskelarbeit (selbstverstAndlich bei gleichbleibender Ern~hrung) etwas ab. Es wurde damals schon darauf Wert gelegt, dab man ebenso wie bei der MAstung nichtdiabetischer Individuen auch bei der MAstung yon Diabetikern nicht nut ffir den Ansatz yon Fett, sondern auch ffir die Entwicklung der Muskulatur dutch Training sorgen soll, um die Diabetiker zu k6rperlich leistungsfAhigen Individuen zu machen. In der Literatur finden wit sonst nur eine Angabe von R. D. LAWRENCE aus dem Jahre 19263 dahingehend, dab bei nornlalen und diabetischen Menschen die W4rkung des Insu- lins durch gleichzeitige Muskelarbeit unterstfitzt wird. Unter Muskelarbeit und Insulin fAllt der ]31utzucker rascher ab als unter Insulin allein. LAWRENCE teilt 2 FAlle mit, bei denen durch Gartenarbeit, bzw. durch Sport, der Insulinbedarf regelmABig vermindert wurde. Im folgenden teilen wir einige FAlle mit, welche den EinfluB der Muskelarbeit auf den Insulinbedarf beim Diabetes zeigen. Fall Ga.: Eintritt 7. IX. 1926. K.G. = 53 kg. 30 Jahre c~. Seit einem Monat starker Durst. Abmagerung. Mattigkeit. Hunger. Bei Standardkost ca. 3 1 Harn mit 138 g D. und bis 17,6 g G.A.K. Subkomat6se Erscheinungen. Appetitlosigkeit. Darauf am ix. IX. nur 5oo g Milch und im ganzen 155 E. Insulin. Zucker sinkt auf 9,7 g. Am 12. IX. nur Mehlfrfichte. Von da ab langsame Riickkehr zur Standardkost. Ergebnis Fall Ga.~: Schwerer Tall yon Diabetes, der stark abgemagert und mit subkomat6sen Erscheinungen eintritt. Sp~ter wird er bei unserer Standardkost mit 60 Insulineinheiten eingestellt. Dabei rasche Zunahme des K6rpergewichtes yon 53 kg beim Eintritt auf 59,9 kg am Ende der Periode I. In der Periode II (eine Woche) mit Muskelarbeit bei gleicher Insulindosis leichte hypoglykAmische Erscbeinungen. In der Periode III bei gleicher Insulindosis keine hypoglykAmi- schen Erscheinungen, dabei zeitweise Spuren Zucker im Harn. In der Periode IV mit Muskelarbeit traten sofort wieder hypo- glykAmische Erscheinungen auf, weshalb mit der Insulin- dosis erst auf 55, dann auf 5 ~ E herabgegangen werden muI3te. Der Insulinbedarf ist also wAhrend der Perioden I1 und IV (mit Muskelarbeit) geringer als wAhrend der Perioden I und 111 (ohne Muskelarbeit). Das K6rpergewicht steigt yon 53 kg beim Eintritt bis zum Ende der Periode In, d.h. in ca. Datum Kost ~ Insulin K6rpergewicht Zucker Bemerkungen Periode I a 29. IX. bis 4. X. Periode I b 4. X. bis 12. X. Periode 11 13 . X. bis 19. X. Periode 111 20. X bis 29. X. Periode IV 29. X. bis 17. XII. Standardkost: IOO g Fefit, 5~ g Speck. Zur frflheren Kost Zulage yon 5 ~ g Butter, welche yon nun an beibehalten wird. i do. do. do. 60 (20--20--20) 60 6o 60 6o sparer 55 sp~ter 5 ~ Von 56,7 auf 57,6 kg Von 57,6 auf 59,9 kg Von 59,9 auf 61,1 kg Von 6I,I auf 62,6 kg Von 62,6 anf 68, 4 kg Negativ Negativ Negativ Zeitweise Spuren Negativ Muskelarbeit vormittags u. nachmittags j e I Std. Fast t~gl. leicht hypoglyk~mi- sche Erscheinungen. Muskelarbeit vormittags u. nachmittags je I Std. Wegen hypoglyk~mischer Erscheinungen muBte In- sulin yon 6o auf 5 ~ E: herabgesetzt werden.

Muskelarbeit und Insulinbedarf beim Diabetes

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Page 1: Muskelarbeit und Insulinbedarf beim Diabetes

8. JANUAR I928 K L I N I S C H E W O C H E N S C

e ine solche Auf fa s sung zu, so wi rd d u r c h sie a u c h e in t h e r a - p e u t i s c h e r S t a n d p u n k t s ank t ion i e r t , zu d e m sich se i t v. LEUBE e ine ganze Re ihe y o n A u t o r e n b e k a n n t ha t , u n d den ich se lbs t s c h o n sei t l a n g e m m i t N a c h d r u c k v e r t r e t e , nAmlieh de r S t a n d - p u n k t , d a b m a n a u c h bei , ,u lcusAhnl ichen" E r k r a n k u n g e n zunAchs t m i t e iner s y s t e m a t i s c h e n U l c u s k u r b e g i n n e n soll n n d d a b m a n i m Fa l le des E i n s ch l agens e iner so lchen diese l eg i t im wei te r f f ih ren soil. Auf G r u n d e iner so lchen A n s c h a u - u n g h a b e ich u . a . s chon se i t m e h r als 2 J a h r z e h n t e n die Auf fa s sung geAui3ert, d a b m a n FAlle y o n H y p e r a c i d i t A t ode r y o n d iges t ive r Sek re t i on a u c h ohne k l in i sche ]3efunde, welche die Diagnose eines Magengesehwfi rs sicherstellen, i m S inne e ines Magengeschwt i r s b e h a n d e l n soll, falls n u r e in , ,Ulcus- v e r d a c h t " vor l ieg t . Wi e schwier ig ge rade de r Ausschlufl eines Magen- ode r Duodena lgeschwf i r s in zah l r e i chen FAllen y o n u lcusAhnl ichem S y m p t o m e n k o m p l e x ist, weiB jeder , we lche r sich m i t d e m vo r l i egenden G e b i e t e i n g e h e n d e r be- schAft igt ha t . Ceter is p a r i b u s wi rd m a n jedenfa l l s wen ige r S c h a d e n s t i f ten , w e n n m a n eine U l c u s k u r a u c h in FAllen y o n , , U l c u s v e r d a c h t " , also in so lchen FAllen du rch f i i h r t , in we lchen sie n i c h t s t r i k t e ind iz ie r t ist , als w e n n m a n eine solche in d e r a r t i g e n F~l len unterlABt. N a c h d e m V o r s t e h e n d e n i s t d u r c h a u s zu erwAgen, ob die Schmerz rez id ive bei Geschwfirs- k r a n k e n n i c h t zuwei len a u c h bloB d u r c h eine en tz i ind l i che R e i z u n g de r U m g e b u n g des Geschwfirs ode r de r Geschwfirs- n a r b e u n d n i c h t d u r c h ein e igent l iches Ulcus rez id iv zus t ande - k o m m e n . E b e n s o i s t zu erwAgen, ob n i c h t de r E f f e k t m a n c h e r U l c u s k u r blofi d u r c h die Bese i t i gung de r h ie r b e s p r o c h e n e n pe r iu lce r6sen E n t z f i n d u n g s z o n e zu erklAren ist.

L i t e r a t u r : v. BERGMANN, ,,Magengeschwflr" in Mohr-Staehelins Handb. 2. Aufl. -- B6NNIGER, Berlin. klin. Wochenschr. 19o8, Nr. 8. -- HOHLWE~, Verhandl. d. V. I~ongr. d. Verdauungs- u. Stoffwechsel- krankh. Berlin 1926. -- KONJETZNY, Verhandl. d. V. Kongr. f. Verdauungs -~ u. Stoffwechselkrankh. Berlin I926; u. a. a. O. -- I~ORBSCH, Arch. f. Verdauungskrankh. 35. -- PALMER, Klin. Wochenschr. 1927, Nr. 44- -- SCmNDLE~, Lehrbuch und Atlas der Gastroskopie S. 77 und 78, sowie Tafel X, Bild 2 u. 3. -- H. S~rRAUSS, Jahresk. f. ~trztl. Fortbild. lO; Dtsch. Arch. I. klin. Med. 56; Dtsch. med. Wochenschr. 19o7, Nr. 15 u. a. a. O.; Therapie d. Gegenw. 192o (November).

M U S K E L A R B E I T UND INSULINBEDARF BEIM DIABETES.

Von

Dr . A. GERL u n d Dr . A. HOFMANN. Aus der I. reed. Abteilung des Kaiserin Elisabeth-Spitals Wien

(Vorstand: Prof. W. FALTA).

I n m e h r f a c h e n Mi t t e i lungen h a t W. FALTA 1 d a r a u f h in - gewiesen, d a b bei genau m i t In su l in e inges te l l t en D i a b e t i k e r n d e r I n s u l i n b e d a r f bei der Mus ke l a r be i t n i c h t ans te ig t , s o n d e r n a b z u s i n k e n pf legt . A u c h bei sehr schweren FAllen v o n Dia- betes , bei denen m a n n a e h der A n a m n e s e , n a c h de r ganzen

H R I F T . 7. J A H R G A N G . N r . 2 59

Stoffwechse l lage u n d n a c h d e m h o h e n I n s u l i n b e d a r f a n n e h m e n mul3, d a b das Inse lo rgan n u t noch eine sehr ger inge Le i s tungs - fAhigkeit ha t , wurde b i she r n i ema l s ein A n s t e i g e n des In su l in - beda r f s d u t c h M u s k e l a r b e i t b e o b a c h t e t . I m J a h r e 1926 w u r d e n fe rne r meh re r e FAlle y o n D iabe t e s in de r W i e n e r Ge- se l l schaf t de r Jkrzte2 vorges te l l t , bei d e n e n u n t e r In su l in im Laufe m e h r e r e r M o n a t e bzw. J a h r e K 6 r p e r g e w i c h t s z u n a h m e n yon 1 5 - - 3 o kg erziel t wurden . WAhrend bei diesen FAllen an fangs h a u p t s ~ c h l i c h eine A n b i l d u n g y o n F e t t erfolgte, k a m es spAter u n t e r sys t e rna t i s che r M u s k e l a r b e i t zu e iner mAchtigen, in m a n c h e n F~l len sogar a t h l e t i s c h e n E n t w i e k l u n g der M u s k u l a t u r . A u c h in d iesen FAllen n a h m der I n s u l i n b e d a r f bei de r M u s k e l a r b e i t ( se lbs tvers tAndl ich bei g l e i chb le ibender E r n ~ h r u n g ) e twas ab. Es w u r d e d a m a l s schon d a r a u f W e r t gelegt, d a b m a n ebenso wie bei de r MAstung n i c h t d i a b e t i s c h e r I n d i v i d u e n a u c h bei de r MAstung yon D i a b e t i k e r n n i c h t n u t ffir den A n s a t z yon F e t t , s o n d e r n a u c h ffir die E n t w i c k l u n g de r M u s k u l a t u r d u t c h T r a i n i n g sorgen soll, u m die D i a b e t i k e r zu k6 rpe r l i ch le is tungsfAhigen I n d i v i d u e n zu machen .

In de r L i t e r a t u r f inden w i t sons t n u r e ine A n g a b e v o n R. D. LAWRENCE aus d e m J a h r e 19263 d a h i n g e h e n d , d a b bei n o r n l a l e n u n d d i a b e t i s c h e n Menschen die W4rkung des In su - l ins d u r c h gleichzei t ige M u s k e l a r b e i t u n t e r s t f i t z t wird. U n t e r M u s k e l a r b e i t u n d Insu l in fAllt de r ]31utzucker r a s che r a b als u n t e r I n su l i n allein. LAWRENCE te i l t 2 FAlle mi t , bei d e n e n d u r c h G a r t e n a r b e i t , bzw. d u r c h Sport , d e r I n s u l i n b e d a r f regelmABig v e r m i n d e r t wurde .

I m fo lgenden te i len wir einige FAlle mit , welche den Einf luB de r M u s k e l a r b e i t au f den I n s u l i n b e d a r f b e i m Diabe t e s zeigen.

Fall Ga.: Ein t r i t t 7. IX. 1926. K.G. = 53 kg. 30 Jahre c~. Seit einem Monat s tarker Durst. Abmagerung. Mattigkeit . Hunger. Bei Standardkost ca. 3 1 Harn mit 138 g D. und bis 17,6 g G.A.K. Subkomat6se Erscheinungen. Appetitlosigkeit. Darauf am ix. IX. nur 5oo g Milch und im ganzen 155 E. Insulin. Zucker s inkt auf 9,7 g. Am 12. IX. nur Mehlfrfichte. Von da ab langsame Riickkehr zur Standardkost .

Ergebnis Fall Ga.~: Schwere r Tal l yon Diabe tes , de r s t a r k a b g e m a g e r t u n d m i t s u b k o m a t 6 s e n E r s c h e i n u n g e n e in t r i t t . Sp~ te r wi rd er bei unse re r S t a n d a r d k o s t m i t 60 I n s u l i n e i n h e i t e n e ingeste l l t . D a b e i r a sche Z u n a h m e des K 6 r p e r g e w i c h t e s yon 53 kg b e i m E i n t r i t t au f 59,9 kg a m E n d e de r Pe r iode I. I n der Pe r iode I I (eine Woche) m i t M u s k e l a r b e i t bei g le icher Insu l indos i s le ichte hypog lykAmische E r s c b e i n u n g e n . I n de r Pe r iode I I I bei g le icher Insu l indos i s ke ine hypoglykAmi- schen E r sche inungen , dabe i zei tweise S p u r e n Zucke r im H a r n . In de r Per iode I V m i t M u s k e l a r b e i t t r a t e n sofor t wieder h y p o - glykAmische E r s c h e i n u n g e n auf, wesha lb m i t de r In su l in - dosis e rs t auf 55, d a n n auf 5 ~ E h e r a b g e g a n g e n werden muI3te. De r I n s u l i n b e d a r f i s t also wAhrend de r Pe r ioden I1 u n d I V (mi t Muske la rbe i t ) ger inger als wAhrend de r Pe r ioden I u n d 111 (ohne Muskela rbe i t ) . Das K 6 r p e r g e w i c h t s t e ig t yon 53 kg be im E i n t r i t t bis z u m E n d e de r Pe r iode In , d . h . in ca.

Datum Kost ~ Insulin K6rpergewicht Zucker Bemerkungen

Periode I a 29. IX. bis 4. X.

Periode I b 4. X. bis 12. X.

Periode 11 13 . X. bis 19. X.

Periode 111 20. X bis 29. X.

Periode IV 29. X. bis 17. XII .

S tandardkost : IOO g Fefit, 5 ~ g Speck.

Zur frflheren Kost Zulage yon 5 ~ g But ter , welche yon nun an beibehal ten wird. i

do.

do.

do .

60 (20--20--20)

60

6o

60

6o sparer

55 sp~ter

5 ~

Von 56,7 auf 57,6 kg

Von 57,6 auf 59,9 kg

Von 59,9 auf 61,1 kg

V o n 6 I , I auf 62,6 kg

Von 62,6 anf 68, 4 kg

Negat iv

Negat iv

Negat iv

Zeitweise Spuren

Negat iv

Muskelarbeit vormit tags u. nachmit tags j e I Std. Fas t t~gl. leicht hypoglyk~mi- sche Erscheinungen.

Muskelarbeit vormit tags u. nachmit tags je I Std. Wegen hypoglyk~mischer Erscheinungen muBte In- sulin yon 6o auf 5 ~ E: herabgesetzt werden.

Page 2: Muskelarbeit und Insulinbedarf beim Diabetes

60 KLINISCHE W O C H E N S C H

41/2 W o c h e n a u f 57,6 kg, in d e r Pe r iode I b bei w e i t e r e r Zu lage y o n F e t t in 9 T a g e n y o n 57,6 kg a u f 59,9 kg. I n der f o l g e n d e n Pe r iode I I (mi t 3 / [uskelarbei t - - e ine W o c h e ) y o n 59,9 a u I 61,1 kg. A b e r a u c h in de r Pe r i ode I V s t e ig t d a s K 6 r p e r g e w i c h t t r o t z M u s k e l a r b e i t n o c h b e d e u t e n d an, w o b e i s ich n a h e z u a t h l e t i s c h e M u s k e l n en tw icke ln . Die K 6 r p e r g e w i c h t s z u n a h m e e r fo lg t in de r e r s t e n Zei t o h n e M u s k e l a r b e i t n a c h w e i t e r e r Zu lage y o n F e t t r a s c h e r als s p a r e r u n t e r Muske l a r be i t . A u g e r - d e m is t w o h l a n z u n e h m e n , d a b in de r spAte ren Zeit e in g r o g e r Tel l de r K 6 r p e r g e w i c h t s z u n a h m e au f die E n t w i c k l u n g des M u s k e l s y s t e m s k o m m t .

Fall Dr. Fr.~: 48 Jahre. Vate r und mehrere Vet tern und Cousi- nen zuckerkrank. Pat . wog frfiher 90 kg. I m Jahre 192o wurde das ers temal Zucker getunden (I,5 %).

I. Beobachtung am 21. XI . 1924. Damals bei Grundkos t + 3 ~ g Semmel + 30 g Mehlfrfichte + 3 ~ g Semmel Insul inbedarf 3 • 20 E.

2. Beobachtung am 2o. I I I . 1925. Bei Grundkos t + 3 ~ g Semmel + 3 ~ g Mehlfrfichte + 3 ~ g Semmel Insul inbedarf 3 ~ + 2o + 3 o. (Tagesblutzuckerwerte nicht fiber 167 mg%.)

3. Beobachtung a m IO. V. 1925. Bei derselben Kos t Insul in- bedarf 3 ~ + 20 + 3 o. Dabei ]31utzuckerwerte:

8Uhr x~ ' - r [ I2Uhr 3Uhr 5Uhr x o n /3oMin" 9Uhr

Ruhe . . . . . . . . . . . I45 128 -- -- IOO --

9 Uhr 30 Min. bis I I Uhr 15 Min. 136 59 83 118 lO6 137 s tarker Marsch ]

4. Beobachtung a m 26. VI. i925. Dieselbe Kost. Insni inbedarf 20 + 20 + 3 o. Tagesblutzuckerwerte nicht fiber 175, meist wesent- lich tiefer.

5. Beobachtung am 18. VI. 1926. Grundkos t + 3 ~ g Sernmel + 4 ~ g Mehlfrfichte + 3 ~ g Semmel. Insul inbedarI 26 + 22 + 3 o. Bei einem s tarken Marsch vormi t t ags nach dem Frfihstfick Insul in- bedarf 21 @ 22 + 3 ~ .

I5 Uhr 8 Uhr ix Min. 2 Uhr 30 Min.

Ohne Marsch . . . . . . . -- I I 2

Nach dem Frfihstflck s ta rker 162 73 Leichte hypoglyk. Marsch -con Ia/a Std. Ersche iuung

Der Marsch vormi t t ags war s tarker als sonst, daher nicht nu r Absinken des Blutzuckers u m I I Uhr 15 Min. zu einem hypoglykAmi-

R I F T . 7. J A t t R G A N G . N r . 2 8. JANUARx928

schen "VVert, sondern u m 2 Uhr 3 ~ Min. noch hypoglykAmische Symptome.

6. Beobach tung am 24 . V. 1927 . Grundkos t + 4 ~ g Semmel (V) + 4 ~ g Mehlfrtichte (M) + 2o g Semmel (N) + 4 ~ g Semmel (A), Insul inbedarf 26 + 26 + 3 ~ bei Ruhe.

U m I i l Jhr 3 ~ Min. Beginn der hypoglykAmischen Erscheinungen, SchweiB, HeiBhunger, die nach 12 Uhr 3 ~ Min. auf Genul3 von Semmel verschwinden.

I m Sommer 1926 war ]?at. mehrere SVochen im Hochgebirge. Die vorgeschriebene Kos t wurde auch dort auI das genaueste ein- gehalten. Pat , wa r angewiesen, bei gr6Beren MArschen entweder bei gleicher Kos t weniger Insul in zu nehmen oder bei gleicher Insu l inzufuhr mehr zu essen. An sch6nen Tagen pflegte der Pat . nach dem Frfihstfick einen 6stfindigen Marsch zu machen und erst zwischen I und 2 Uhr zu Mittag zu essen. An solchen Tagen brauchte er morgens f iberhaupt kein Insul in und blieb dabei v611ig zuckerfrei.

Der Pat. wog zur Zeit der ersten Beobachtung 71 kg, n a h m dann un te r Insul in rasch zu und hielt sich spAter bei ca. 78 kg.

Ergebnis Fa l l Dr. F t . : D e r Fa l l i s t b e m e r k e n s w e r t , well bei d e m p e d a n t i s c h g e n a u e n P a t i e n t e n d u r c h ca. 3 J a h r e h i n d u r c h d e r I n s u l i n b e d a r f g e n a u e s t e n s v e r f o l g t w e r d e n k o n n t e , w o b e i s ich zeigte, d a b de r se lbe in d e n e r s t e n J a h r e n n a h e z u k o n s t a n t bl ieb u n d sp~te r , als de r P a t i e n t a n g e w i e s e n w u r d e , m e h r B e w e g u n g zu m a c h e n , e t w a s a b n a h m . Die b e i g e g e b e n e n 3 B l u t z u c k e r k u r v e n zeigen m i t -c611iger K l a r h e i t , daB, je st/~rker die M u s k e l a r b e i t , de s to t ie fer die B l u t z u c k e r - w e r t e s ich e ins te l len u n d d a b bei s eh r s t a r k e r M u s k e l a r b e i t die I n s u l i n z u f u h r b e d e u t e n d h e r a b g e s e t z t w e r d e n mul3, w e n n hypog lyk~ tmische E r s c h e i n u n g e n v e r m i e d e n werde l t sollen.

Fall Kach.: Ein t r i t t am 27. V. 1927. K.G. ~ 46,3 . 16 jAhr. c~- Dezember 1926 Durs t (3 1 Wasser tAgl.). Seither Abmagerung n m 8 kg. Mfidigkeit. Trockenheit im Mund. Keine hereditAre Be- lastung. 6,2% D. Aceton + + . Leichte subkomat6se Erschei- nungen. Zuerst Mehlfrfichte -- Gemfisekost mi t 9o E. Insulin. Rasche Entzuckerung und Verschwinden des Acetons. Vom 2. I I . an Standardkost .

In der Periode IT (Muskelarbeit) wurde am 25. I I I . eine Tages- b lutzuckerkurve durchgeftihrt , und ebenso in der Periode I I I a m 9. IV. Un te r such t wurde urn 8, IO, I I , 1/21, 2, 4, 5 und 1/27 U h r . .

Ruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Muskelarbeit zwischen 8 Uhr 45 Min. und 9 Uhr 3 ~ Min. 400 �9 8 kg = 32oo kgm Muskelarbei t zwischen 9 Uhr 3 ~ Min. und IO Uhr 3 ~ Min. 300 �9 8 kg = 24oo kgm Muskelarbei t zwischen IO Uhr 3 ~ Min. und I I Uhr 3 ~ Min. 20o �9 IO kg = 2ooo kgm

760o kgm

9 Uhr IO Uhr ix Uhr x2 Uhr Uhr 8 Uhr 3 ~ Min. 30 Min. 30 Min. 30 Min. 34o Min. 7 Uhr

167

14o

m _ _

148 98 58

lO8 ioo

5 ~

Datum Kost Insulin K6rpergewicht Zucker Bemerkungen kg

Periode I 22. I I . bis 13. I I I .

Periode I I 14. I I I . bis 29. I I I .

Periode I I I 3 o. I I I . bis 8. V.

Perlode IV 9. V. bis I6. V.

Periode V 17. V. bis 21. V.

Periode VI 22. V. bis 25 . V.

Periode V I I 26. V. bis 29. V.

S tandardkos t : Ioo g Fett , 5og Speck, 50 g But ter .

do.

S tandardkos t : 80 g Fet t , 50 g Speck, 5og Butter , ab IO. IV. 5 ~ g Fett , 5o g Speck, 5o g But ter .

do.

do.

S tandardkos t : 80 g Fet t , 50 g Speck, 50 g Butter .

do.

65 (25--20--20)

65 spAter

50

5o

56

Won 52,2 auf 54,4

Von 54,4 auf 54,8

Von 54,8 auf 57,8

zwischen 56,5 und 57

Negat iv

Negat iv

I m m e r Spuren

Spuren

Muskelarbeit vorm. u n d nachm, je i Std. V o m 8. Tage der Arbeit an leichte hypoglykAmische Ersche inungen , daher Abbau des Insulins.

56 ca. 57 Negat iv

56

56

56,5

56

Spuren bis 8 g

Vom 3. "rage an negat iv

Muskelarbei t vorm. und nachm, je 1 Std.

Muskelarbei t -corm. und nachm, je I Std.

Page 3: Muskelarbeit und Insulinbedarf beim Diabetes

8. JANUAR 1928 K L I N I S C t - I E W O C H E N S C t - I

8 IO Uhr Ix ; 'h [12 Uhr Uhr Uhr . , 16 Uhr Uhr 4 5 unr 13oMin ' u r 130 Min. 12

"Werte bei Mus- ! kelarbeit . �9 1~38 146 116 116 89 126 lO 7 IiO

Werte ohneMus-I kelarbeit . . I23 146 138 i i o 1 5 6 175 16o I57

Die Muskelarbeit wurde zwischen IO- - I i Uhr vormittags und zwischen 4--5 Uhr nachmittags ausgefflhrt.

Weiter wurde verglichen eine Tagesblutzuckerkurve aus der Periode VII (mit Muskelarbeit) aus Stichproben am 28. und 29. V. und eine Tagesblutzuckerkurve aus der Periode IV vom 6. V.

8 Uhr Io UhrilIi Uhr ~o 2 Uhr 2 Uhr 4 Uhr 5 Uhr 7 Uhr Min.

~Verte bei Mus-ll i kelarbeit . �9 II I2o 148 lO8 lO8 16o 158 IOO 174

[i

Werte ohne Mus- I i kelarbeit . . i 164 187 154 135 223 [ 134 157 292

Am Tag der ]31utzuckerkurve ohne Arbeit wurden Spuren Zucker im t tarn gefunden.

]drgebnis ~'all Kach: Vergleich yon Per iode I und I I zeigt, d a b bei Muskelarbe i t hypoglykXmische Ersche inungen auf- t re ten , weshalb mi t der Insul indosis he rabgegangen werden mul3.

Vergleich yon Per iode II und I l I zeigt, dab bei der gleiehen Insul indosis der H a m bei Muskelarbei t zuckerfrei ist, w/ ihrend ohne Muskelarbe i t immer Spuren yon Zucker gefunden werden. Die Tagesb lu tzuckerkurve liegt in der Per iode I1 (mit Muskel- arbei t ) deut l ieh t iefer als in der Per iode I I I (ohne Muskel- arbei t) .

Vergleich der Per iode IV und V und VI und V I I zeigt, dab bei gleicher Insul indosis der H a r n bei Muskelarbei t zuckerfrei ist, w/ ihrend er ohne Muskelarbei t Zucker enth~l t .

Was das IK6rpergewicht anbe langt , so sehen wir, dab dieses v o m Tage des E i n t r i t t e s (27. I.) bis zum ]3eginn der Muskel- a rbe i t (14. I I I . ) , d. h. in 61/, Wochen yon 46,3 kg auf 54,4 kg ans te ig t . In der e r s ten Per iode der Muskelarbei t (Periode II) s te ig t es innerha lb yon 2 Wochen nu r um 400 g. In der nach- folgenden Per iode ohne Muskelarbei t (Periode I I I , 51/.o Wochen) s te ig t es wieder um 3 kg, b le ib t in der Per iode IV stat ionfir und n i m m t yon da an in den Per ioden mi t Muskelarbei t ca. I kg ab. Das en t sp r i ch t vo l lkommen der kl inischen ]3eobachtung, dab bis zum Beginn der Muskelarbei t der P a t i e n t d au e rn d F e t t an se t z t (und Wasser) - - er wurde ein Fe t t l ing , - - w~ihrend spare r der a b n o r m e F e t t g e h a l t ve r schwand und sich das Muske lsys tem kr~ft ig entwickel te .

Fall Wa. L.: ts am 2. VI. 1927. K.G. = 56 kg. ~. Mutter zuckerkrank, gestorben an t-lJrntumor. Kinderkrankheiten:

R I F T . 7. J A H R G A N G . Nr . 2 6 1

Diphtherie, Keuchhusten. 4 Partus, 4 Abortus. WaR. neg. M~rz 1926 Durst, Harndraug, Abmagerung, Hunger. 13ei kohlehydrat- armer Kost Zunahme des IK.G. um 7 kg. Neuerliche Verschlechte- rung im Winter 1926. Abmagerung, Mfidigkeit, ischias~thnliche Schmerzen in den ]3einen. ]3ei Standardkost 69,7 g D. Aceton + + .

E, rgebnis Pa l l Wa. L . : Bei i m m e r g le ichble ibender K o s t (Zuckerwer t = 189) wurde die P a t i e n t i n u n t e r 9o, spXter 8o, d a n n 75 E inhe i t en Insul in rasch zucker- und ace tonf re i und wurde d a n n bei 75 E inhe i t en zuckerfre i gehal ten . Ab 25.VI. le is tete die P a t i e n t i n t~iglich bis zum 13. VI I . Muskel- a rbe i t (2 S t u n d e n tgglich). In der I. Per iode ohne Muskel- a rbe i t wurde am 24. VI. eine B lu tzuckerkurve yon 6 U h r frfih

7 8 g T0 57

z~0 - \ - /j / ' X X\ 220 X k \ J "

\2"I " x. 200 -~ , x~

r ~,\ ,,

760 ~" t { u r v e I . Kurye 2.

Kurve bei Ruhe. . Nfiehternkurve bej Ruhe. - - - - - - Kurve bei Muskelarbeit. - - - - Nfichternkurve bei Muskel-

arbeit.

qg 8 g "I0 "M r

bis I2 U h r mi t t ags durchgef t ih r t und ebenso am ers ten Tage der Muskelarbei t (25. VI.). Der Vergleich beider K u r v e n ergibt , dab der /31utzucker an be iden Tagen zuers t gleich- nl~Big abf/illt, dann abe t an dem Tage mi t Muskelarbei t u n t e r dem EinfluB des Frf ihstf icks viel l angsamer und viel weniger hoch anste igt . Schon i~m zwei ten Tag nach Beginn der Muskel- a rbe i t mul3te wegen Auf t r e t ens yon hypoglyk~tmischen Er- sche inungen die Insul indosis von 75 auf 65 kl. E. he r abgese t z t werden . Nach wei teren 5 Tagen t r a t e n wieder hypog lyk~mische Er sche inungen auf, so dab sich eine H e r a b s e t z u n g der Insul in- dosis auf 55 E. als no twend ig erwies. ]3el dieser Dosis blieb die Pa t i en t i n bis zum 13. VII . zuckerfrei , ohne daf3 hypog lyk- ~tmische Ersche inungen auf t ra ten . W~ihrend dieser Zeit wur- den wieder 2 B lu t zucke rku rven durehgef i ihr t , und zwar bl ieb die Pa t i en t i n diesmal bis m i t t a g nf ich tern und ohne Insul in. Am 9- VII . wurde auBerdem die Muskelarbei t frfih ausgesetz t . An d iesem Tage fiel der Blu tzucker yon 221 mg % (8 U h r Irfih) allm~ihlich auf 19o mg % (12 Uhr mit tags) , also n u t um 31 m g % ab, w~hrend am I3 .VI I . , an dem die P a t i e n t i n yon 8 - - 9 U h r

Datum Kost Insul in Kbrpergewicht Zucker Bemerkungen kg

Periode I a 2. VI. bis 19. VI.

Periode I b 20. VI. bis 24. VI.

Periode 11 25. VI. bis 14. VII.

Periode 111 15. VII. bis 19. VII.

9 ~ sp~ter

80 sp~iter

75

75

Standardkost: 2og Semmel, ioo g Fett , 50 g Speck.

75

Posit iv

do.

do.

do.

Von 56 auf 59,7

Von 59,7 spXter auf 64,8

65 sp~tter

55

55 r 65, 2

Negativ

Negativ

Negativ

Muskelarbeit vorm. und nachm, je eine Std. Am 2. Tage abend hypoglyk- ~mische Erscheinungen, daher Abbau des Insulins auf 65 E. Am I. u neuerlich hypoglyk~tmi- sche Erscheinungen, da- her weiterer Abbau des Insulins auf 55 E. Deut- lich sichtbare Ausbildung des Muskelsystems.

Page 4: Muskelarbeit und Insulinbedarf beim Diabetes

62 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 7. J A H R G A N G . N r . 2 8. JANUAR 1928

M u s k e l a r b e i t le is tete , der t31utzucker yon 233 (8 U h r frfih) au f 162 (i2 U h r mi t t ag s ) , also u m 71 m g % abfiel. I n der k u r z e n Zei t der 3. Per iode, als die Muske l a rbe i t ausse tz te , w u r d e ein A n s t e i g e n des I n s u l i n b e d a r f e s n i c h t be oba c h t e t .

I n der I. Per iode ohne M u s k e l a r b e i t s t ieg das K 6rpe r - gewich t y o n 56 kg auf 59,7 kg an, in der 2. Per iode m i t Muske l - a rbe i t y o n 59,7 kg au f 64,8 kg. I n dieser Zei t k a m es dabe i zu e in em s i c h t b a r e n A n s a t z y o n M u s k e l s u b s t a n z .

Z u s a m m e n f a s s e n d k 6 n n e n wir also sagen, dab bei d ieser P a t i e n t i n u n t e r d e m Einflul3 der M u s k e l a r b e i t der Tages - i n s u l i n b e d a r f deu t l i ch a b n a h m . A u c h die be iden K u r v e n - p aa r e m i t u n d o hne N a h r u n g s z u f u h r zeigen u n t e r Muske l a rbe i t eine t iefere E i n s t e l l u n g des B lu tzucke r s .

W e n n wir das E rgebn i s der U n t e r s u c h u n g e n bei den a n - gef i ih r ten FXllen t iberbl icken, so k a n n ke in Zweifel sein, da b bei den u n t e r s u c h t e n D i a b e t i k e r n de r I n s u l i n b e d a r f d u r c h die M u s k e l a r b e i t n i c h t ans t e ig t , s o n d e r n sogar e tw a s he r a bge - se t z t wird, eine T a t s a c h e , die y o n p r a k t i s c h e r B e d e u t u n g ist, d e n n es e r s ch e in t d a d u r c h die M u s k e l a r b e i t b e i m insul in i - s i e r ten D iab e t i k e r n i c h t n u r e r l aub t , s o n d e r n sogar illdiziert. F e rn e r is t bei e inges te l l t en D iabe t ike rn , de ren t3eruf Muske l - a rbe i t e r forder t , bei R t i ckkeh r au s der R u h e des Spirals zu r Arbe i t im v o r h i n e i n bei g le ichble ibender K o s t ein gewisses A b s i n k e n des I n s u l i n b e d a r f e s zu e rwar t en . Desg le ichen mf i ssen insu l in i s ie r te Diabe t ike r , die vo r spo r t l i chen oder ~hn l ichen L e i s t u n g e n s t ehen , eine ger ingere In su l indos i s als die gew6hn- l i the b e k o m m en, u m vor s t t t rkeren H y p o g l y k ~ m i e n b e w a h r t zu bleiben.

Zur Frage, warum~es eigentlich beim Diabetes zu einer Ver- minderung des Insulinbedarfes durch Muskelarbeit kommt, m6ch- ten wir folgendes bemerken"

Wenn wir den Einflul3 der Muskelarbeit auf den 131utzucker des Normalen betrachten, so sehen wir, wie M. t~ORGER U. a. ge- zeigt haben, in vielen Fallen mater und unmit te lbar nach der Arbeit ein Ansteigen, in alien aber ca. 3 Stunden nachher ein Absinken des 131utzuckerniveaus (mit einer spAterhin erwAhnten Einschrttn- kung). Der Auffassung BttRGERS 6, dab es ' s ich bei der erw~hnten initialen ArbeitshyperglykAmie u m den Ausdruck der Mobilisierung des Leberzuckers handelt , s teht wohl nichts im Wege, zumal die Leber nach Muskelarbeit eine Verarmung an Glykogen zeigt. Es wird also bei der Arbeit den Muskelzellen mehr Zueker zugefflhrt und yon ihnen aufgenommen. Wenn man nun auI dem Standpunkte steht, dab eine Aufnahme von Zucker durch die Zellen ohne Insulin nicht m6glich ist (AviditAtstheorie W. FALTAS), SO mug man er- warten, dab bei der Muskelarbeit metlr Insulin produziert wird. Als Ausdruck dieser Insulinproduktion, und zwar einer leicht fiber- schiel3enden Produktion des einmM in Gang gesetzten Inselorganes, fassen wir den zweiten, negativen, hypoglykAmischen Teil der Arbeits- blutzuckerkurve auf -- in Analogie zur Auffassung des hypo- glykAmischen Teiles der 131utzuckerkurve nach Zuekerbelastung durch H. STAUB ? und DEPISCH und HASENOHRL 8. E8 wiirde also dutch die Muskelarbeit zu einer Mehrproduktion von Insul in kommen. Eine Stfltze findet diese Auffassung in der yon M. BLIRGER entgegen seinen Erwar tungen gefundenen Tatsache, dab die initiale (,,pri- m~re") ArbeitshyperglykAmie gesteigert werden kann, wenn an den Vortagen kohlehydratarme Kost verabreicht wird. Es handel t sich dabei naeh unserer Ansicht wahrscheinlich, wie bei den Ver- suchen yon H. STAUB 9, der nach Kohlehydratkarenz h6here Werte der HyperglykAmie Iand, um einen Mangel an , ,Bahnung im Zuckerstoffwechsel". Das dutch die Kohlehydratkarenz ill relative Ruhe versetzte Inselorgan spricht in dem einen wie in dem anderen Falle auf den durch alimenti~re Kohlehydra tzufuhr bzw. durch Muskelarbeit gesetzten Reiz sparer und trAger an, was zu einer gr6Beren alimentAren HyperglykAmie bzw. zu einer gr6geren ,,prim~ren Arbei tshyperglyk~mie" fflhrt.

Was nun die oben erwAhnte Einschr~nkung bei den Befunden einer typischen Arbeitsblutzuckerkurve am Normalen betrifft, so scheint, wie aus sparer zu ver6ffentlichenden Untersuchungen hervorgeht, durch Obung und l~nger dauerndes Training insoferne eine &nderung einzutreten, Ms die Schwankungen der 131utzucker- kurve immer kleiner werden. ~Vir liel3en 4 nichtdiabetische In- dividuen, welehe als Rekonvaleszenten bis kurz vorher bettlAgrig waren, zweimal tAglich innerhalb je I Stunde eine Arbeit yon ca. 800o kgm leisten. Wahrend der ersten Arbeitsleistung und dann in mehrtAgigen Intervallen wurde immer wieder die Arbeitsblut- zuckerkurve bes t immt . Es ergab sich nun bei tortschrei tendem Training eine immer deutlicher werdende Verflachung der Arbeits- blutzuckerkurve. Und zwar verschwand zuerst in den Fallen, in denen eine solche vorhanden war, die initiale Arbeitshyperglyk~mie,

was wir ffir das Zeichen einer frfiher einsetzenden Insul inprodukt ion hal ten und Ms eine dureh das Training bewirkte 1Jbung des Insel- organes, auf den gleichen Reiz immer rascher und prompter reagieren zu k6nnen. Abet es wurde auch der hypoglykAmische Teil der Kurve immer flaeher, was wir Itir den Ausdruck der Tatsache ansehen, dab die Insul inproduktion immer weniger flberschiel3end wird und sich immer genauer den gegebenen Anforderungen anpagt . Es scheint also auch hier eine , ,Bahnung ifn Zuckerstoffwechsel", n~mlich durch Muskeltraining eine Ieinere, prAzisere Einstel lung des Regu- la t ionsmechanismus zu erfolgen.

Auch diese Uberlegungen sprechen zugunsten einer durch Muskelarbeit bedingten Insul inmehrproduktion, die unseres t~r- achtens der Grund der unter Muskelarbeit eintretenden Verringerung des Insulinbedarfes beim Diabetiker ist. Diese durch Muskelarbeit veranlal3te und bedingte Mehrproduktion von Insulin wird be im Diabetiker geleistet durch die je nach der Schwere des FaMes schwan- kende Reservekraft des Inselorganes und ffihrt dadurch zu einer Verminderung des ]3edarfes an exogenem Insulin. DaB das Insel- organ beim Diabetiker fiber eine solche Reservekraft verffigt, zeigt UllS die tAgliche Erfahrung. Denn wenn ein Diabetiker seine Toleranz flberschreitet, so t r i t t zwar eine gewisse Menge yon Zucker im H a m auf, diese bleibt aber gewOhnlich weit hinter dem die Toleranz fibersteigendem Plus an Zuckerbildnern zurtick. Je schwerer der Diabetes, um so geringer die Reservekraft des Insel- organes, was ganz dem differenten Verhalten leiehterer und schwere- rer nichtinsulinisierter Diabetiker gegen Muskelarbeit entspricht. Wir verweisen aut die Untersuchungen yon M. 130RG~R, E. GRA•E und H. SALO2CION TM U. a., welche ergaben, dab bei leiehten und mittel- schweren Diabetikern bei genauer di~tetischer Einstel lung die Zuckerausscheidung durch Muskelarbeit absinkt. 13ei sehweren Fallen yon Diabetes wurde hingegen meist ein Ansteigen des Zuckers im Harn beobachtet.

Bei leichten FMlen von Diabetes verlAuft der physiologische Vorgang anscheinend ganz Ahnlieh wie beim Normalen. Das Inselorgan vermag noch der vermehr ten Anforderung nachzu- kommen, wit Iinden daher Absinken der Zuckerausscheidung. ]3ei den schweren Fallen kann, wofern noch Glykogenreserven in der Leber vorhanden sind, unter Muskelarbeit noch Zueker mobilisiert werden. Falls aber das Inselorgan nicht mehr oder nu t minimal zu reagieren vermag, so kommt es jetzt zur Steigerung des Blut- zuckers und der Zuckerausscheidung (wahrscheinlich greifen je tzt noch andersartige Faktoren wie nerv6se l~lbererregbarkeit ein),

Wenn wir nun Diabetiker bei einer an Zuckerwert nicht zu armen Kost insulinisieren, so geben wir dem Organismus vor allem die Ifir den normalen Ablauf der MuskeltAtigkeit n6tigen Kohle- hydratreserven. Solange das Inselorgan noch auf den Reiz der Muskelarbeit mit einer Mehrproduktion yon Insulin anzusprechen vermag, wird der Bedarf an exogenem Insulin mehr oder weniger absinken, wie wir dies bei den mitgeteil ten FMlen beobachtet haben. In ganz schweren Fallen, bei denen das Inselorgan fiber- haup t nicht oder ka um mehr anspricht, wird allerdings die Ersparnis durch Muskelarbeit minimal sein oder fehlen.

Die bisherigen Ausffihrungen haben uns gezeigt, dab es Iflr die Muskelarbeit sehr wichtig ist, dab dem Organismus Zucker zur Verfflgung steht. Das sehen wir beim Normalen schon an der belebenden Wirkung des Zuekers bei der Ermfldung, und beim schweren Diabetiker an der leichten Ermfidbarkeit , die eines der sinnfMligsten Symptome des Diabetes ist. Aber schon die tAgliche Erfahrung weist darauf hin, dab neben Zucker auch Fet t zur Be- s trei tung der Muskelarbeit herangezogen wird (Abmagerung nach groBen 13ergtouren oder anderen langdauernden Anstrengungen). Aueh bei 1Angere Zeit mit Gemiise und Fet t (Petr6nscher Kost) ernAhrten Individuen muB zweifellos das Fet t zur 13estreitung der Muskelenergie verwendet werden. ]3el normalen Individuen be- dingt starke Muskelarbeit zuerst eine Mehrverbrennung yon Zucker. Je 1Anger die Muskelarbeit andauert , je intensiver sie ist und je geringer die Glykogendepots, desto mehr t r i t t Fet t an Stelle des Zuckers, daher zuerst ein Anstieg des R.Q. (evtl. bis I,O) und dann mit steigender Fe t tverbrennung wieder ein Absinken des- selben (FURUSAWAll). 13ei Diabetikern mug das Fet t als Quelle der Muskelkraft eine noch gr6Bere Rolle spielen als beim Normalen. Die Untersuchung des R.Q. bei Muskelarbeit durch GRAI~E und SALOMON ergab bei leichteren Fallen yon D.m. ein geringes und in schwereren F~llen ein deutliches Absinken. Auch neuere Unter- suchungen yon H. t3. t{ICHARDSON und S. Z. LEVINE x2 ffihrten zu einem Ahnlichen Resultat . Zwei Nichtdiabetiker zeigten bei einer bes t immten Muskelarbeit einen Zuckerverbraueh yon durchschni t t - lich 44 g, leichte F~lle Yon Diabetes durchschnit t l ich einen Zucker- verbrauch yon lO,5 g, ein schwerer Fall yon Diabetes nur einen solchen yon 5 g. "vV~hrend der R.Q. bei den NichtdiabetikerI1 in der Zeit der Muskelarbeit sich eher etwas hSher einstellte, lag er bei den leichten F~llen Yon Diabetes tier und noch tiefer bei dem schweren Fall. Es wird also infolge Mangels an deponiertem Glyko-

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8. JANUAR 1928

gen das Fe t t zur Bestrei tung der Muskelarbeit beim Diabetiker frfiher und in gr6~erem Ausmai3e herangezogen als beiln Nornlalen. ldnd um so frfiher, je geringer die noch vorhandene Assimilations- fAhigkeit ifir Zucker und je welter die Verarmung an Glykogen vor- geschrit ten ist.

Was nun die Verwertung des Fet tes bei der Muskelarbeit be- trifft, so wird heute yon den meisten Physiologen (HILL, MEYER- HOF) die Ansicht vertreten, dab das Fe t t erst in Zucker umgewandel t werden mul3, um yore Muskel verwertet werden zu k6nneil. Wi t kommen damit zur heil3umstrittenen Frage der Zuckerbildung aus Fett . Wi t wollen es unterlassen, die vielen Grfinde aufzuzi~hlen, welche die klinische ]3eobachtung beim Diabetes gegen diese Theorie liefert uild m6chten auf diese Frage nur soweit eingehen, als sie durch unsere eigenen Untersuchuilgen beleuchtet wird. W, FALTA 13 ha t schon frfiher daraui hingewiesen, dal3 man (immer vonl Standpunkte der AviditAtstheorie) fiir den Tall, dab das zur Be- s trei tung der Muskelkraft dienende Fe t t erst in Zucker umgewandelt wird, beiin Diabetiker unter Muskelarbeit ein Ansteigen desInsul in- bedarfes zu erwarten hiitte. Es ist schwer vorstellbar, dal3 bei einem schweren Diabetiker bei einer gr613eren Arbeitsleistung die Reserve- kraf t des Inselorganes hinreichen sollte, UlI1 den mobilisierten und aus Fe t t ents tandenen Zucker zu assimilieren. Desgleichen ist n icht einzusehen, dab bei acidotischen Diabetikern -- wie NOORDEN 14 be ton t und BORGER best~t igt -- eine Steigerung der Ketonk6rper- bildung durch Muskelarbeit hervorgerufen wird, wenn das Fe t t dem arbeitenden Muskel in Zucker umgewandelt zur Verffiguilg stiinde, denn die Verbrennung dieses Zuckers mfil3te ja die restlose und schlackenlose Verwertung des Fet tes garantieren. Die angefflhrte Beobachtung, die wir selbst h~iufig bestlitigen konnten, spricht ffir die Vorstellung einer direkten Verwertung des Fet tes ffir die Muskelarbeit ohne den Umweg fiber die l~ohlehydrate und be- st~itigt neuerlich, dab zur schlackenlosen Verbrennung des Fet tes eine gewisse Menge yon Kohlehydraten notwendig ist, die eben im Bedarisfalle mobilisiert und durch die bei der Muskelarbeit ein- setzende Insul inproduktion von den Muskelzellen assimiliert werden kann.

L i t e r a t u r : ~ W. FALTA, ~ b e r die spezifisch ketogene Wirkung des Eiwei~es. Mfinch. reed. Wochenschr. 1924, Nr. 49, S. 1716; Bemerkungen zu der Arbeit von G~AHAM LUSK: Die Energiequelle bei der Muskelarbeit. Diochem. Zeitschr. I59, H. 3/4. 1925; Uber Insulinbehandlung. Aus den Fortbi ldungskursen d. Wien. med. Fakult , I925, H. 59. -- 2 Wien. klin. Wochenschr. 1926 (M~rz). -- 3 Brit. reed. journ. 1926, S. 648. -- 4 Demonstr ier t in des Ges. d. ~-rzte yon Prof. W. FALTA am 26. M~rz 1926. -- 5 Aus der Pr iva t - praxis Prof. W. FALTAS. -- 6 M. ]30RGER, Wirkung der Arbeit auf den Zuckergehalt des Blutes. Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 5, 125. I916; Die experimeiltellen Grundlagen einer Arbeits therapie des Diabetes. Verhandl. d. dtsch. Ges. f. inn. Med. 1921 ; Die Wirkung der Muskelarbeit ailf ]31ut- und Harazucker beim Diabetiker. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 87, 233. I92O. -- 7 H. STAgs, Insulin. Berlin, Springer I925. -- s DEP~SCH und HASEN6HRL, ]3eitrag zur Blutzuckerregulation, KIin.Wochenschr. I926, Nr. 43 ; Die aliment~ire t typoglykamie als Funktionsprt ifung des Inselorganes. Verhaildl. d. dtsch. Kongr. f. inn. Med. Wiesbaden I927; DEPISCH, ~ b e r die Verwendung des Zuckerfrfihstfickes usw. Wien. Arch. f. inn. Med. 1927, S. 685. -- 9 H. S~AUB, ]3ahnung im intermedi~ren Zucker- stoffwechsel. Biochem. Zeitschr. II8, 93. 1921. -- ~0 GRAFE und SALOMON, Dtsch. Arch. f. klin. Med. I39, 369. I922. -- 11 FURU- SAWA, Froc. of the roy. soc. 98, 65. 1925. -- 1~ RICHARDSON und LEVlNE, Journ. of biol. chem. 66, 161. I925 . -- ~ W. FALTA, Be- merkungen zu der Arbeit yon GRAHAM LUSK USW. Biochem. Zeitsehr. x59, H. 3/4- 1925. -- ~ C. v. :NOORDEN und ISAAC, Die Zuckerkrankheit . Berlin, Springer 1927.

0BER DIE PERMEABILIT~T DER BLUT-KAMMER- WASSER-SCHEIDE. EXPERIMENTELLE UNTER- SUCHUNGEN 0BER DEN STOFFTRANSPORT VOM

BLUT INS KAMMERWASSER. Von

ALMA G A E D E R T Z ' u n d ANNELIESE WITTGENSTEIN. Aus der Universitttts-Augenklinik Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. KROCK- MANN) und der IIL Medizinischen Klinik der Universit~t Berlin (Direktor: Geh.

Med.-Rat Prof. Dr. GOLDSCHEIDER).

Der S t o f f a u s t a u s c h zwischen B l u r u n d K a m m e r w a s s e r (K.W.) is t in den l e t z t en J a h r z e h n t e n v o m S t a n d p u n k t des i n t r a o k u l a r e n Flf iss igkei tswechsels aus v ie l fach G e g e n s t a n d expe r imen t e l l e r F o r s c h u n g gewesen.

KLIIqlSCHE WOCHEI~SCHRIFT. 7. JAHRGAbIG. Nr. 2 63 Dagegen s ind s y s t e m a t i s c h ve rg le i chende U n t e r s u c h u n g e n

v o m S t a n d p u n k t dee Permeabi l i t~ i t sprob lems , de r F rage de r m e h r phys io logisch oder m e h r phys ika l i s ch b e s t i m m t e n D u r c h - l~ss igkei t l ebender M e m b r a n e n , ffir den Sonder fa l l der B l u t - K .W. -Sche ide in gr6Berem U m f a n g e n o c h n i c h t g e m a c h t worden .

N u n is t abe r d u t c h A r b e i t e n der l e t z t en J a h r e u n t e r Be- r f i cks ich t igung neue re r p h y s i k o - c h e m i s c h e r K e n n t n i s s e die Z u s a m m e n s e t z u n g des K . W . w e i t g e h e n d gekl~irt w o r d e n u n d die N a t u r des K .W. im Sinne eines D ia ly sa t s des B l u t p l a s m a s d e m Versf i tndnis n~iher geb rach t .

Der modi f iz ie rende EinfluI3 v i t a l e r F a k t o r e n i s t d a d u r c h n u r k la re r u n d f aBbare r geworden, m a n verg le iche z. 13. dies- bezfigl ich die E rgebn i s se de r U n t e r s u c h u n g e n fiber den Milch- s~uregeha l t des K .W. u n d des L iquor ce rebrosp ina l i s 1, 2

Der L iquor verh~ilt s ieh in bezug au f die Milchs~iure wie ein D i a l y s a t des B l u t p l a s m a s .

Das K.W. , das h in s i ch t l i ch der d i f fus ib len S u b s t a n z e n so- wohl a b s o l u t wie vo r a l len D i n g e n in de r R e l a t i o n z u m B l u t e sons t d iese lben Verh~iltnisse aufweis t wie de r Liquor , h a t eiue Mi lchs , iu rekonzen t r a t ion , die f iber de r des L i q u o r u n d d a m i t a u c h de r des P l a s m a d i a l y s a t s liegt. ,Diese q u a n t i t a t i v be- s t i m m b a r e Dif ferenz k o m m t also au f e inen b io logischen F a k t o r . H ie rbe i i s t es zun~ichst gleichgfilt ig, ob dieser An te i l aus de r R e t i n a oder aus den M u s k e l b e w e g u n g e n des Augen- i n n e r e n s t a m m t .

Es k a n n jedenfa l l s ke in Zweifel da r f ibe r bes teheo , d a b das F e h l e n de r E iweiBk6rper im K,W. , d a b die H / O H - I o n e n - k o n z e n t r a t i o n , d a b de r Anionenf ibe r schuB u n d das K a t i o n e n - def iz i t gegenfiber d e m B t u t p l a s m a in e r s t e r Linie d u r c h p h y - s iko-chemische F a k t o r e n b e d i n g t sind. Diese l iegen e i n m a l in de r N a t u r der t r e n n e n d e n M e m b r a n e n : Cap i l l a rwand , Ciliar- k6rper , die als s e m i p e r m e a b e l a n g e s p r o c h e n w e r d e n k6nnen , undurch l~ss ig (besser besch rAnk t durchlAssig) also ffir Kol lo ide s ind ; d a n n a b e t in den B e d i n g u n g e n des d u t c h diese Mem- b r a n e n geschaf fenen Milieus, das au f de r B lu t s e i t e eiwefl3- reich, dagegen auf de r K a m m e r w a s s e r s e i t e e iweiBarm ist .

Bei e iner so lehen Differenz a n EiweiB-, a n kol lo iden I o n e n - u n d e iner H - I o n e n k o n z e n t r a t i o n , die au f de r a l ka l i s chen Sei te des i soe lek t r i schen P u n k t e s liegt, ve r t e i l en sich die I o n e n de r E l e k t r o l y t l 6 s u n g zu be iden Se i ten de r Capi l l a rwand , wie es d e m sog. D o n n a n t h e o r e m en t sp r i ch t . Dieses V e r h a l t e n b r a u c h t abe r keineswegs d u r c h die D o n n a n s c h e n M e m b r a n - g le ichgewichte b e d i n g t zu sein, sonde rn es k a n n die A d s o r p t i o n de r pos i t iv ge ladenen I o n e n d u r c h die n e g a t i v g e l a d e n e n K o m p l e x e der P l a smae iwe iBk6rpe r d a b e i die gr6Bere Rol le spielen.

D a z u k o m m t , d a b n a c h n e u e r e n U n t e r s u c h u n g e n de r Stoff- a u s t a u s c h zwischen B l u r u n d L i q u o r in bezug au f b l u t f r e m d e S u b s t a n z e n d u r c h d iese lben p h y s i k o - c h e m i s c h e n F a k t o r e n gerege l t wird, d u t c h die im wesen t l i chen die Z u s a m m e n - s e t zung des L iquor ebenso wie die des K . W . b e s t i m m t wird . E s wird, wie WITTG]~NSTEIN u n d I~REBS zeigen k o n n t e n , de r ~ b e r g a n g yore B l u r in den L i q u o r d u t c h die Dispersi t~it de r Stoffe u n d die A d s o r b i e r b a r k e i t a m P r o t o p l a s m a wesen t l i ch beeinf luBt .

Vom Standpunkt dea Permeabilitdtsproblems galt es also ]i~r uns zu prii]en, ob auch ]i~r den Transport blut]remder Sub- stanzen ins K.W. die Gesetze der Dialyse und der Membran- gleichgewiehte Bedeutung haben, zu pri~]en also, ob einerseits Anionen leichter die Blut-K. W.-Scheide passierer~ als Kationen und ob anderersei~s kolloid gel6ste Substanzen schwerer ins K.W. i~bergehen als krystalloid gel6ste.

W i r h a b e n im T i e r e x p e r i m e n t (an H u n d e n ) z u n ~ c h s t sys te - m a t i s c h ve rg le i chende U n t e r s u c h u n g e n anges te l l t , ob yore B l u r aus A n i o n e n besser in das K . W . f ibergehen als K a t i o n e n .

Als T y p u s a n o d i s c h e r S u b s t a n z e n w u r d e n zue r s t s au re Tee r fa rbs to f fe v e r w a n d t , da diese das F a r b s t o f f p r i n z i p i m A n i o n e n t h a l t e n . Die V e r s u c h s b e d i n g u n g e n w u r d e n m6gI i chs t e inhe i t l i ch ges ta l t e t . E s w u r d e n gleiche M e n g e n F a r b s u b s t a n z gegeben, bezogen auf das Mo leku l a rgewich t des F a r b s t o f f e s u n d das K 6 r p e r g e w i c h t de r Tiere (dieses als ungef i ihres MaB ih re r 131utmenge). I n j i z i e r t wurde i n t r aven6s , u m w e n i g s t e n s im M o m e n t de r V e r a b f o l g u n g eine Gle ichhe i t de r F a r b s t o f f -