24
Energieforschung kompakt Ein Service von FIZ Karlsruhe GmbH Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze

Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

  • Upload
    others

  • View
    7

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

Energieforschung kompakt

Ein Service von FIZ Karlsruhe GmbH

Themeninfo I /2018

Netzdienliche Gebäude und QuartiereGebäude entlasten Stromnetze

Page 2: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0 [email protected] www.bine.info

„“2

Autoren Doreen Kalz, Beuth Hochschule für Technik Berlin (ehem. Fraunhofer ISE)

Konstantin Klein, Fraunhofer ISE

Andreas Palzer, Fraunhofer ISE

Tim Schlösser, RWTH Aachen E.ON ERC

Patrick Schumacher, Fraunhofer IEE (ehem. Fraunhofer IBP)

Philip Sterchele, Fraunhofer ISE

Sebastian Stinner, RWTH Aachen E.ON ERC

Young Jae Yu, Fraunhofer IEE (ehem. Fraunhofer IBP)

Anna Marie Kallert, Fraunhofer IEE (ehem. Fraunhofer IBP)

Mitwirkung folgender Institutionen: Fraunhofer ISE, Fraunhofer IEE (ehem. Fraunhofer IBP), RWTH Aachen E.ON ERC

Redaktion Uwe Friedrich

UrheberrechtEine Verwendung von Text und Abbildungen aus dieser Publikation ist nur mit Zustimmung der BINE-Redaktion gestattet. Sprechen Sie uns an.

Alle Abbildungen stammen von den Autoren, soweit nichts Anderes vermerkt.Titelbild: Rolf Disch SolarArchitektur

Aufmacherbilder:S. 6: Rainer Sturm/pixelio.de S. 8: Ludmilla Wohnbau GmbH LandshutS. 12: Stadt Freiburg S. 14: Fraunhofer IWES, Harry Soremsky S. 16: Rolf Disch SolarArchitekturS. 20: Projektteam UBA S. 22: Hertener Stadtwerke GmbH

Inhalt 3 Das Energiesystem transformieren

6 Neue Herausforderungen

8 Netzdienlichkeit bewerten

12 Wie netzdienlich sind Gebäude heute?

14 Lastmanagement netzdienlich betreiben

16 Die Netzdienlichkeit von Quartieren steigern

18 Aus der Forschung: Lastmanagement für ein elektrisches Verteilnetz im Wohnquartier

19 Aus der Forschung: Hardware-in-the-Loop

20 Netzdienliche Gebäude in Europa

22 Wege zur Umsetzung

23 Aus der Praxis: Warm- und Kaltwasserspeicher für einen netzdienlichen Betrieb

23 Standpunkte

24 Ausblick

Zur SacheDa die deutsche Energieversorgung zukünftig zu großen Teilen auf Solar- und Windenergie beruhen wird, welche nicht auf Abruf zur Verfügung stehen, müssen neue Konzepte entwickelt werden, um die Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu gewährleisten. Zugleich spielt ein künftig klimaneutraler Gebäudebestand in den Konzepten der Bundesregierung für den Klimaschutz eine zentrale Rolle. Denn der Gebäudesektor als ein Hauptenergieverbraucher im deutschen Energiesystem kann einen wesentlichen Beitrag zu mehr Flexibilität und zu einem „netzdienlichen“ Verbrauchsverhalten leisten, indem Gebäude und Quartiere als regelbare Last, als Stromspeicher oder als dezentrale Erzeuger agieren. Durch die gezielte Veränderung des zeitlichen Strombezugs- und Einspeiseprofils unterstützen sie Lastglättung und Lastverschiebung. Gebäude verfügen über eine große thermische Speicherkapazität in Form von Warm- und Kaltwasserspeichern sowie der Gebäudemasse selbst. Daher kann durch die Kopplung mit strombasierten Technologien zur Wärme- und Kälteversorgung wie Wärmepumpen und Kältemaschinen überschüssiger Strom in thermische Energie gewandelt oder bei zusätzlichem Bedarf dezentrale Blockheiz-kraftwerke betrieben werden.

Netzdienlichkeit ist somit eine zusätzliche Anforderung an Gebäude und Quartiere der Zukunft – neben Energie- und Kosteneffizienz, Ökologie oder dem Komfort für die Nutzer. Das vorliegende Themeninfo definiert zunächst genauer, wie Netzdienlichkeit quantifiziert werden kann, wie sich Netzanforderungen in Führungsgrößen abbilden und in neuartigen netzreaktiven Regelkonzepten berücksichtigen lassen. Hintergrund dafür ist das Forschungsverbundprojekt „Netzreaktive Gebäude“, das im Rahmen der Forschungsinitiativen „EnOB – Forschung für Energieoptimiertes Bauen“ sowie „EnEff:Stadt – Forschung für die energieeffiziente Stadt“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wurde. Das Themeninfo gibt dazu Einblick in aktuelle Debatten und Forschungsarbeiten.

Ihre BINE-Redaktion wünscht Ihnen eine anregende Lektüre

„“BINE-Themeninfo I/2018

Page 3: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

3

Der Ausbau erneuerbarer Energien erfordert eine

zunehmend flexibel reagierende, komplementäre

Stromerzeugung ebenso wie eine Flexibilisierung der

Stromnachfrage durch die Verbraucher. Neben klassischen

Strom-zu-Strom-Speichern und flexiblen Kraft werken

können auch Gebäude eine wichtige Rolle bei der Ver-

schiebung der Stromnachfrage übernehmen.

Das Energiesystem transformieren

Bis zum Jahr 2050 sollen die Treibhausgasemissionen Deutschlands auf einen Wert abgesenkt werden, der um mindestens 80 Prozent, nach Möglichkeit aber 95 Prozent niedriger liegt als der Wert im Jahr 1990. Dabei machen die energiebedingten CO2-Emissionen mit 85 Prozent den größten Anteil aus. Um die Klimaschutzziele im Bereich der Energieversorgung zu erreichen, hat die Bundesregie-rung die Energiewende beschlossen. Dies bedeutet einen fundamentalen Umbau der heutigen Energieversorgung. Daraus ergibt sich die wichtige Frage, wie eine kosten-optimale Transformation des deutschen Energiesystems unter Einbeziehung aller Energieträger und aller Verbrauchs-sektoren aussehen wird.

Techno-ökonomische Energiesystemmodelle können dabei helfen, optimale Pfade für die Transformation des deut-schen Energiesystems aufzuzeigen und zu bewerten. Denn diese Modelle bilden die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Sektoren des Energiesystems wie „private Haushalte“, „Gewerbe-Handel-Dienstleistung“, „Industrie“, „Verkehr“ und „Landwirtschaft“ ab. Und daraus lassen sich wiederum Szenarien für den Ausbau und die Entwick-lung des zukünftigen Energiesystems ableiten. So wurde vom Fraunhofer ISE das Regenerative Energien-Modell Deutschland REMod-D entwickelt, um technisch und öko-nomisch sinnvolle Transformationspfade des deutschen Energiesystems von heute bis 2050 zu berechnen. Das Ziel: Die Klimaschutzziele der Bundesregierung einzu-halten, eine Versorgungssicherheit jederzeit zu gewähr-leisten und die Gesamtkosten für das Energiesystem zu minimieren.

REMod-D erlaubt die Modellierung der kompletten Energie-versorgung mit einer zeitlichen Auflösung von Stunden unter Einbezug aller Verbrauchssektoren, der Strom-erzeugung und der Speicherung. Das Modell bildet das komplette Energiesystem mit seinen Abhängigkeiten, Energieflüssen und den zeitlichen Schwankungen von Energieangebot und Energienachfrage ab. Die energie-bedingten CO2-Emissionen des gesamten Energie systems sollen dabei einen vorgegebenen Zielpfad nicht überschrei-ten (Abb. 1). Zur Bereitstellung von Strom und Wärme die-nen neben konventionellen Kraftwerken auch erneuer-

bare Energien. Die untersuchten Szenarien unterscheiden sich dabei hinsichtlich der in der Zukunft verwendeten Antriebskonzepte im Bereich der Mobilität, hinsichtlich des Umfangs der energetischen Sanierung von Gebäuden und hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem ein Ausstieg aus der Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung erfolgt.

Modellszenarien für die künftige Energieversorgung

Bei der übergreifenden Analyse verschiedener Szenarien zur Entwicklung des zukünftigen Energiesystems scheint folgendes Szenario besonders vielversprechend:

1.400

1.200

1.000

800

600

400

200

0

Trei

bhau

sgas

emis

sion

en [M

io. t

CO

2-Ä

quiv

.]

sonstige Treibhausgasemissionenenergiebedingte CO2-Emissionen

1990

– 20 %

– 40 %

– 55 %

– 70 % – 80 %

– 95 %

19952000

20052010

20152020

20252030

20352040

20452050

Abb. 1 Treibhausgasemissionen [Mio. t CO2-Äquiv. ] Deutschlands von 1990 bis 2013 und Zielwerte für die Jahre bis 2050 (blaue Punkte). Die Minderungswerte in Prozent beziehen sich auf den Bezugswert im Jahr 1990. [Ref. REMod-D Studie]

BINE-Themeninfo I/2018

Page 4: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

4

• Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen um 85 Prozent und damit oberhalb des politischen Minimalziels für das Jahr 2050,

• ambitionierte energetische Sanierung des Gebäude bestands mit einem Heizwärmebedarf von lediglich 40 bis 50 Prozent des heutigen Wertes,

• Ausstieg aus Kohle zur Stromerzeugung bis zum Jahr 2040 und

• ein Mix verschiedener Fahrzeugkonzepte, d. h. klassische Verbrennungsmotoren (flüssige Brennstoffe oder Gas), Batterie-, Brennstoffzellen- und hybride Fahrzeuge.

Dieses Szenario entspricht den klimapolitischen Zielen und verursacht möglichst geringe Gesamtkosten. Hinzu kommt: Die erforderlichen installierten Leistungen der wichtigsten Wandler erneuerbarer Energien (Sonne und Wind) liegen weit unterhalb der jeweiligen technischen Potenziale und in einem Bereich, der vermutlich weit-gehend gesellschaftlich akzeptanzfähig ist. Die instal-lierten Leistungswerte werden im Jahr 2050 bei 168 GW Wind an Land, 33 GW Wind auf See, 166 GW Photovoltaik (PV) und rund 159 GW Solarthermie für Niedertempera-turwärme prognostiziert. Die gesamten jährlichen Kosten für Erhalt und Betrieb des im Szenario skizzierten Energie-systems betragen rund 190 Mrd. Euro pro Jahr (2013). Sie liegen laut Ref. REMod-D Studie damit in der Größenord-nung der Kosten unserer heutigen Energieversorgung. [Ref. REMod-D]

Die zukünftige Wärmeversorgung im Gebäudesektor wird sich durch eine starke Elektrifizierung auszeichnen (Abb. 2), indem Verbrennungstechnologien wie Gas- und Ölheiz-kessel insbesondere durch elektrische Wärmepumpen ersetzt werden, die die Endenergie Strom effizienter in Nutzenergie wandeln. Insbesondere elektrische Wärme-pumpen können neben Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, in Zeiten von Überschussstrom bzw. in Zeiten geringer Erzeugung aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen zu einer Anpassung von Last bzw. Erzeugung beitragen. Die Er-gebnisse der Modellierung zeigen beispielsweise, dass im Jahr 2050 etwa 20 TWhel „überschüssiger“ Strom flexibel in thermische Energie zur Wärmeversorgung im Gebäude-sektor gewandelt werden müssen. Umgekehrt werden ca. 2,3 TWhth thermische Energie gespeichert zu Zeiten, in denen KWK-Anlagen zur Deckung der Stromnachfrage beitragen.

Die mit REMod-D entwickelten Szenarien gehen bei den herkömmlichen Technologien davon aus, dass bis 2020 zunächst Ölheizkessel auslaufen werden und im Weite-ren auch Gaskessel. Nach schwacher Zunahme in den 2020er Jahren nimmt die Anzahl der Biomassekessel ab 2040 deutlich ab. Aufgrund des begrenzt verfügbaren Potenzials wird die Biomasse vorzugsweise in anderen Anwendungen eingesetzt. Die Anzahl der Fernwärmean-schlüsse nimmt nur leicht zu und liegt bei knapp 20 Pro-zent aller Anschlüsse am Ende des betrachteten Zeitraums. Dies ermöglicht eine effiziente Wärmeversorgung auch in verdichteten innerstädtischen Gebieten. Solarthermie deckt anteilig den Bedarf an Niedertemperaturwärme in Gebäu-den und der Industrie.

Szenarien mit einer künftig deutlich erhöhten Sanierungs-rate von Gebäuden benötigen einen geringeren Ausbau-grad von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und führen insgesamt zu niedrigeren Gesamt-kosten als Szenarien mit moderater Sanierungsrate. Aller-dings wird in fast allen untersuchten Szenarien das Gros des Gebäudebestands auf den heutigen Neubaustandard, nicht jedoch auf einen Passivhausstandard saniert.

Abb. 2 Berechneter Entwicklungspfad für die Zusammensetzung der Technologien zur Wärmebereitstellung in Gebäuden unter der Annahme eines kostenoptimierten Gesamtenergiesystems mit einer Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen um 85 Prozent im Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 1990. [Ref. REMod-D Studie]

Abb. 3 Berechneter Entwicklungspfad des Sanierungsstandes des Gebäudesektors unter der Annahme eines kostenoptimierten Gesamt-energiesystems mit einer Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen in Prozent im Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 1990. [Ref. REMod-D Studie]

Ante

il an

alle

n An

lage

n [%

]

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

Wärmenetz Biomasse ÖlkesselGaskessel Gas-WP el. WP-Erdreichel. WP-Außenluft Klein-KWK

Ante

il an

alle

n G

ebäu

den

[%]

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

1.400

1.200

1.000

800

600

400

200

0

Trei

bhau

sgse

mis

sion

en [M

io. t

CO

2-Äqu

.]

Ante

il an

alle

n An

lage

n [%

]

sonstigeenergiebedingte CO2-Emissionen

1990

– 20 %

– 30 %

– 55 %

– 70 % – 80 %

– 95 %

19952000

20052010

20152020

20252030

20352040

20452050

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

Wärmenetz Biomasse Ölkessel

unsaniert vollsaniert hocheffizient

Gaskessel Gas-WP el. WP-Erdreichel. WP-Außenluft Hybrid-WP Klein-KWK

BINE-Themeninfo I/2018

Page 5: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

5

Entwicklung der installierten Leistung erneuerbarer Energien in Deutschland

Anfang Mai 2016 wurde ein neuer Ökostrom-Rekord in Deutschland verzeichnet: Bei einer installierten Gesamtleistung von Photovoltaik- und Windenergieanlagen von etwa 85 GWp konnten etwa 88 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Hochrech-nungen zeigen, dass bei angenomme-nen installierten Leistungen von rund 66,3 GWp PV und 73,8 GWp Windkraft im Jahr 2030 die Stromproduktion von Wind- und PV-Anlagen an über 500 Stunden, d. h. für rund drei Wochen des Jahres, die Stromnach-frage überschreiten wird (Abb. 4).

Bereits unter heutigen Bedingungen schwanken sowohl die relative Verfügbarkeit als auch die relative Nachfrage nach Strom stark im Zeitverlauf. An wind- und sonnen armen Tagen muss nahezu die gesamte Stromnachfrage durch regelbare Kraftwerke gedeckt werden („typischer“ Tag aus dem Juni 2015, Abb. 5). Stehen Wind und Sonne jedoch zur Verfügung, können erneuerbare Energien über 50 Prozent der Tages-Höchstlast decken.

Dies führt dazu, dass Grund-lastkraftwerke (z. B. Braun- und Steinkohle) signifikant herunter -geregelt werden müssen. An den dargestellten Tagen (Abb. 6) wurden in der Mittagszeit über 10 GW in Deutschland produzierten Stroms in die Nachbarländer exportiert. Wäre dies nicht möglich, müssten weitere Braunkohle- oder Kernkraft-werke heruntergefahren werden. Thermische Großkraftwerke benötigen jedoch mehrere Tage zum Wiederan-fahren und werden darüber hinaus zur Bereitstellung von Sekundenregel-leistung – der sogenannten ‚spinning reserve‘ – benötigt. Daher wäre es kaum zu vermeiden, dass über-schüssige Wind- und Sonnenenergie ungenutzt abgeregelt werden müsste (Abb. 6).

Abb. 4 Installierte Netto-Leistung [GWp] von Photovoltaik- und Windenergieanlagen zur Stromerzeugung in Deutschland und Prognose für das Jahr 2030 sowie Leistungsangabe der typischen Grund- und Spitzenlast [GW] in Deutschland. Quelle: www.energy-charts.de

Abb. 6 Nettoerzeugung [GW] von Kraftwerken zur öffentlichen Stromversorgung in Deutschland im Juni 2015 und Stromexport ins Ausland. Quelle: www.energy-charts.de

160

140

120

100

80

60

40

20

0

Inst

allie

rte

Leis

tung

[GW

p ]

2011 2012 2013 2014 2015 2030*

* Netzentwicklungsplan, Szenariorahmen B 2030

Aug. 2016

Photovoltaik (PV)Spitzenlast DE

Wind onshore Wind offshoreGrundlast DE

70

60

50

40

30

20

10

Leis

tung

[GW

]

Wasserkraft

01.0600:00

„typischer“ Tag Tag mit hoher EE-Erzeugung

Biomasse Kernenergie Braunkohle SteinkohleGas Wind SolarPumpspeicherSaisonspeicher

001.0611:13

02.0601:06

02.0615:00

03.0604:53

03.0618:46

Wind + PV sorgenfür ca. 50 %

der Erzeugung

Braunkohle heruntergeregeltSteinkohle fast vollst. abgeschaltet

81,09

60,95

55504540353025201510

5

–5

-11,29

Leis

tung

[GW

]

Import Saldo Konventionell > 100 MW Wind Solar

01.0600:00

01.0611:13

02.0601:06

02.0615:00

03.0604:53

03.0618:46

< 10 GW Export ins Ausland0

BINE-Themeninfo I/2018

Abb. 5 Nettoerzeugung [GW] von Kraftwerken zur öffentlichen Stromversorgung in Deutschland im Juni 2015. Quelle: www.energy-charts.de

Page 6: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

6

Durch den steigenden Anteil erneuerbarer

Energien werden Netzengpässe häufiger auftreten

und die Notwendigkeit eines Engpassmanagements

zunehmen. Aus Sicht des Gesamtenergiesystems

wird es deshalb immer wichtiger, die Residuallast

durch regelbare Erzeuger, flexible Verbraucher und

ausreichende Speicher zu decken.

Neue Herausforderungen

Ursprünglich wurden die Stromnetze geplant und betrie-ben, um den erzeugten Strom von zentralen Kraftwerken zu den Endkunden zu verteilen. Eine Aufteilung des Stromnetzes nach Spannungsebenen, die durch Trans-formatoren gekoppelt sind, ergibt sich aus den unter-schiedlichen Aufgaben der jeweiligen Ebene (Abb. 7). Die größten Kraftwerke (z. B. Kohle- oder Atomkraftwerke) und auch große Windparks werden an die Höchstspan-nungsebene (HöS) angeschlossen. Dieses sogenannte Übertragungsnetz mit einer Spannung von 380 kV ist im Aufbau sehr stark vermascht und ermöglicht einen euro-paweiten Leistungsaustausch. Zusätzlich existiert ein historisch gewachsenes 220 kV-Netz in Deutschland und anderen europäischen Ländern, das ebenfalls der Höchstspannungsebene zugerechnet wird.

Ein unterlagertes 110 kV-Hochspannungs(HS)-Netz dient der großräumigen Verteilung elektrischer Energie. Die Mittel- und Niederspannungsnetze (MS, NS) werden mit 20 kV, 10 kV und 0,4 kV betrieben und sind lokale Ver-teilnetze. Sie zeichnen sich durch einen radialen Aufbau aus und sind im Gegensatz zu den Hoch- und Höchst-spannungsnetzen noch wenig automatisiert. Vor der star-ken Zunahme erneuerbarer Stromerzeuger, die heute größtenteils in den lokalen Verteilnetzen installiert sind, war der Leistungsfluss in diesen unteren Ebenen unidirek-tional und vorhersagbar. Investitionen in Automatisie-rungstechnik sowie ein Netzmonitoring waren nicht not-wendig.

Netzengpässe vermeiden

Die zeitliche Variabilität und die mit Unsicherheiten be-haftete Prognose der erneuerbaren Stromerzeugung stel-len die Verteilnetze und die Verteilnetzbetreiber aber vor neue Herausforderungen. Temporäre Netzengpässe auf-grund nicht ausreichender Netzkapazität folgen aus ei-nem lokalen Ungleichgewicht von Erzeugung und Ver-brauch in den Verteilnetzen. Zwei wichtige Faktoren schränken die zur Verfügung stehende Netzkapazität ein: Grenzen der zulässigen Spannungsabweichung und die Übertragungsfähigkeit von Kabeln, Freileitungen und Transformatoren.

Unterschiedliche Indikatoren machen Verfügbarkeit von Strom objektivierbar

Um zu analysieren, zu welchen Zeiten wie viel Strom im Energiesystem verfügbar ist und zu welchen Zeiten eine hohe relative Stromnachfrage herrscht, lassen sich für die unterschiedlichen Netz- und Bilanzebenen Netzsig-nale errechnen. Derartige Signale können netzreaktive Verbraucher als Führungsgröße in ihrer Regelung und Be-triebsführung berücksichtigen. Dieser Ansatz ist insbe-sondere dann zielführend, wenn einzelne flexible Ver-braucher nur eine geringe Rückwirkung auf das Netzsignal haben. Dies ist etwa der Fall, wenn das Netzsignal auf nationaler Ebene oder für große Regionen gebildet wird. Vier Kenngrößen können für das nationale Energiesystem berechnet und analysiert werden:• Der stündlich gebildete Day-ahead-Strompreis an der

European Energy Exchange (EEX) Strombörse in Leipzig ist eine marktbasierte Größe, welche die aktuellen Grenzkosten für Stromerzeugung und –vertrieb angibt.

• Die Residuallast beschreibt die Differenz zwischen der Stromlast und der Erzeugung aus Wind- und Sonnen-kraft. Sie entspricht somit der Leistung, die von konventionellen, regelbaren Kraftwerken gedeckt werden muss und ist ein technischer Indikator für die relative Nachfrage nach konventionellem Strom. Mit dem Fortschreiten der Energiewende wird es in Zukunft zu einer negativen Residuallast kommen, wenn die Erzeugung aus erneuerbaren Energien größer als die Stromlast ist.

• Der Kumulierte Energieverbrauch (KEV) ist ein primärenergetischer Indikator, der ausdrückt, wie viele Kilowattstunden nicht-erneuerbarer Primärenergie im aktuellen Strommix benötigt werden, um eine Kilowatt-stunde Strom zu erzeugen.

• Und: Der Anteil von Wind und Photovoltaik erzeugtem Strom im Strommix ist eine ökologische und energiepolitische Größe, die angibt, wieviel nicht regelbarer Strom aus erneuerbaren Energien (EE-Strom) im aktuellen Strommix enthalten ist.

Aus dem aggregierten Tagesverlauf der Netzsignale lässt sich ableiten, welche Tageszeiten besonders günstig bzw.

BINE-Themeninfo I/2018

Page 7: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

7

Abb. 8 Über ein Jahr gemittelter Tagesverlauf der vier netzbasierten Referenzgrößen für historische Daten der Jahre 2011 bis 2013 und für prognostizierte Daten der Jahre 2023 und 2033: EEX-Preis [Euro/MWh], Residuallast [GW], Kumulierter Energieverbrauch (KEV) [kWhprim/kWel ] und Anteil von Wind und Photovoltaik [%] erzeugtem Strom im Strommix.

Neue Herausforderungen

ungünstig für den Strombezug sind. Dabei werden je nach Kenngröße unterschiedliche Zeiträume priorisiert. So ist aus Sicht des EEX-Preises und der Residuallast – unter heutigen Bedingungen – ein Strombezug zum Bei-spiel für den Betrieb von Wärmepumpen in den Nacht-stunden anzustreben, da dann die Preise und die relative Stromnachfrage im Mittel am niedrigsten sind (Abb. 8). Aus primärenergetischer Sicht (KEV) sowie bezogen auf den Anteil von Wind und PV im Strommix ist hingegen die Mittagszeit für einen Strombezug zu bevorzugen. Alle

Netzsignale haben gemeinsam, dass die Morgen- und frühen Abendstunden die ungünstigsten Strombezugs-zeitpunkte darstellen. Hochrechnungen der Residuallast und des Anteils von Wind und PV im Strommix für die Jahre 2023 und 2033 machen deutlich, dass aufgrund des stär-keren Einflusses der Photovoltaik-Erzeugung der günstigs-te Zeitraum für den Strombezug um die Mittagszeit liegen wird. Abhängig vom Wetter und der Stromlast ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Betriebstagen und Jahreszeiten.

10 20 30 40 500

HÖS

HöS: Höchstspannungsebene HS: Hochspannungsnetz MS: Mittelspannungsnetz NS: Niederspannungsnetz

HS

MS

NS

Wind

Photovoltaik

Biomasse

Erzeugungskapazität [GW]

HS

HÖS

MS

NS

10

0

20

30

40

50

HÖS HÖS NS NW

Tagesverlauf [h]

EEX

Day

-ahe

ad P

reis

[Eur

o/M

Wh]

30

40

50

60

Tagesverlauf [h]

Resi

dual

last

[GW

]

20

40

60

Tagesverlauf [h]

KEV

[kW

h prim

/kW

el ]

2.0

2.22011 2012 2013 2023 2033 2011 2012 2013 2023 2033

2011 2012 2013 2023 20332011 2012 2013 2023 2033

Tagesverlauf [h]

Ante

il W

ind

+ PV

[%]

0

30

60

90

Residuallast

AnteilWind+PV

EEX-Preis

KEV

160

140

120

100

80

60

40

20

0

Inst

allie

rte

Leis

tung

[GW

p]

2012 2013 2014 2015 2030Aug. 2016

Photovoltaik (PV)Spitzenlast DE

Wind onshore Wind offshoreGrundlast DE

Nichtprädiziert

Nichtprädiziert

0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0

0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0

0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0

0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0 126 18 0

BINE-Themeninfo I/2018

Abb. 7 Prinzipieller Aufbau des elektrischen Netzes in Deutschland (links), installierte Erzeugungskapazität erneuerbarer Energien in [GW] für die jeweiligen Spannungsebenen (rechts) [aus EEG-Anlagenstammdaten der Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, (Stand: Dezember 2016)]

Page 8: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

8

Um Netzdienlichkeit zu bewerten, muss zunächst definiert

werden, welche Ziele verfolgt werden und welche Bilanz-

grenze im Fokus steht. Die Indikatoren für ein netzdienliches

Verhalten umfassen die Gleichzeitigkeit zwischen lokalen

Lasten und der Stromerzeugung, die Auslastung der

Netzanbindung, die Berücksichtigung von Netzsignalen

und die Quantifizierung der momentanen Flexibilität

zur Leistungserhöhung oder -absenkung.

Netzdienlichkeit bewerten

Um quantitativ und allgemein zu bewerten, wie gut ein Stromverbrauchs- oder Stromerzeugungsprofil mit der relativen Stromnachfrage harmonisiert, wurden die Kenn-zahlen GSCabs und GSCrel entwickelt: Der absolute und der relative Grid Support Coefficient. Deren Ansatz besteht darin, den zeitaufgelösten Strombezug mit einer netz-basierten Referenzgröße zu „gewichten“. Dies trifft bei-spielsweise auf den EEX-Preis, die Residuallast, den Anteil von Wind und PV im Strommix oder auf den kumulierten Energieverbrauch (KEV) zu. So bedeutet ein auf den EEX-Preis bezogener Wert GSCabs von 0,95, dass Strom im ge-wichteten Mittel zu 95 Prozent des durchschnittlichen EEX-Preises im Analysezeitraum verbraucht wird. Die Aus-wertung ist für beliebige Zeiträume von we nigen Stunden bis zu mehreren Betriebsjahren und für verschiedene Bilanzräume, wie ein Einzelgebäude oder ein ganzes Quartier, möglich (Abb. 9).

Die Kennzahl GSCabs ist für beliebige elektrische Last- und Erzeugungsprofile und Analysezeiträume anwendbar und einfach zu interpretieren. Es ist jedoch in der Regel nicht unmittelbar bekannt, ob es sich um einen Wert nahe dem Optimum handelt oder ob noch großes Verbesserungspo-tenzial besteht. Als Ergänzung dient daher die relative Netzdienlichkeit GSCrel, die den erreichten Wert von GSCabs auf einer Skala von –100 bis 100 einordnet: Ein GSCrel-Wert von 100 entspricht einem “netzoptimalen” Profil, bei dem der Strombezug in den aus Sicht des Energie-systems günstigsten Tagesstunden stattfindet. Hingegen wird dem aus Systemsicht ungünstigsten Profil ein GSCrel-Wert von –100 zugeordnet.

Primärenergiefaktoren bewerten Strom in Gebäudeenergiesystemen

Der Primärenergiefaktor (PEF) von elektrischem Strom be-inhaltet die Primärenergie, die benötigt wurde, um eine Kilowattstunde elektrische Energie zu erzeugen. In den letzten Jahren ist dieser Faktor kontinuierlich gesunken (heute PEF 1,8 kWhprim/kWhel ), als Folge des stärkeren Einsatzes erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeu-gung. Bisher wird in der energetischen Bewertung wie in

der Normung der Primärenergiefaktor zeitlich konstant gesetzt. Die Berechnung eines zeitlich aufgelösten Pri-märenergiefaktors berücksichtigt jedoch die fluktuieren-de Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und damit die zunehmend variable Zusammensetzung des künftigen elektrischen Strommixes.

Abb. 11 zeigt beispielhaft einen solchen Verlauf für eine Sommerwoche in einem stark von erneuerbaren Energien geprägten System. Gibt es einen Überschuss an erneuer-bar erzeugtem Strom im Gesamtsystem, d. h. ist die Resi-duallast negativ, so beträgt der Primärenergiefaktor Null. Darüber hinaus schwankt der Primärenergiefaktor in Ab-hängigkeit der Residuallast, womit auch der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtstromlast berück-sichtigt wird.

Bewertung auf Quartiersebene notwendig

Eine weitere Möglichkeit, um die Übereinstimmung von Stromangebot und Stromlast auf regionaler Ebene auszu-werten, besteht in der Unterscheidung zwischen regional (bzw. im Quartier) erzeugtem regenerativen Strom oder von höheren Netzebenen importiertem Strom aus dem Strommix. Wenn die lokale, regenerative Stromproduktion den lokalen Bedarf übersteigt, wird angenommen, dass ein zusätzlicher Verbraucher aus „überschüssiger“ erneuer-barer Stromerzeugung gespeist wird. Andernfalls müsste dieser abgeregelt oder in andere Regionen transportiert werden. Der verbrauchte erneuerbare Strom wird daher mit einem Primärenergiefaktor von Null bewertet. Übersteigt hingegen die Stromlast die lokale erneuerbare Produktion, wird für einen zusätzlichen Verbraucher konventioneller Strom aus dem vorgelagerten Energiesystem benötigt.

Lokale Verfügbarkeit erneuerbarer Energien im Netz berücksichtigen

Durch die eingeschränkte Kapazität des elektrischen Net-zes kann bei einer sehr hohen erneuerbaren Einspeisung eine Abregelung bzw. ein Einspeisemanagement für er-

BINE-Themeninfo I/2018

Page 9: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

BINE-Themeninfo I/2018 9

Abb. 11 Szenario für ein zukünftiges Energiesystem: Residuallast [GW] und korrespondierende, zeitlich aufgelöste Primärenergiefaktoren für Strom für eine Woche. Berechnung nach [Panitz 2015].

Abb. 9 Ziele und Indikatoren für einen netzdienlichen Betrieb können auf unterschiedliche Bilanzräume angewendet werden, zum Beispiel für die Bewertung eines einzelnen Gebäudes hinsicht lich seiner Wirkung auf das nationale Energiesystem oder sein Quartier. Legende: Wärmepumpe (WP), Kältemaschine (KM), Blockheizkraftwerk (BHKW), Stromspeicher (Bat.), Stromverbraucher wie Haushalts- oder Bürogeräte (Plugloads).

�Relative Netzdienlichkeit GSCrel[–]

WP, Einfamilienhaus(Warmwasser)

WP, Einfamilienhaus(Heizen)

BHKW,Mehrfamilienhaus

Kältemaschine,Bürogebäude

Wärmepumpe (WP),Bürogebäude

GSCrelRES GSCrelWPV

Netzadvers Netzdienlich

– 60 – 40 – 20 0 20 40 60

BHKW

0 Flexible Lasten

Speicher

WP KM

Bat.

Fixe Lasten/Erzeuger

Geb

äude

und

ther

mis

che

Last

PV Plugloads

1 Gebäude

2 Quartier/Teilnetz

Netz- oder regelungstechnischer Gebäudeverbund

Begr

enzt

e N

etzk

apaz

ität,

Phot

ovol

taik

4 Land

Gro

ßkra

ftwer

ke, O

ffsho

re -W

ind,

Gro

ßspe

iche

r, E

nerg

ieum

wan

dler

Nationaler Energiemarkt/Strommix, „vorgelagertes Energiesystem“

Gebiet eines regionalen EVU oder Netzbetreiber, politische Einheit

Regi

onal

er S

trom

mix

, Win

dkra

ft

3 Region

0 6 12 18 24

4045505560657075808590

Resi

dual

last

[GW

]

Residuallast [GW]

Mittelwert Residuallast [GW]

� �

0

0,25

0,5

0,75

1W

P Te

illas

t [P/

Pmax

]�

Tagesverlauf [h]

Tagesverlauf [h]

Netzdienlich: GSCabs = 0,8/GSCrel = 100�Netzadvers: GSCabs = 1,14/GSCrel = – 100�Ungeregelt: GSCabs = 1,03/GSCrel= – 36

0 6 12 18 24

1

2

3

50

0

– 50

0

PE-F

akto

rRe

sidu

alla

st in

GW

1Tage

Tage

2 3 4 5 6 7

10

0

2 3 4 5 6 7

zeitaufgelöst Durchschnitt

Abb. 10 „Netzdienliches“, „netzadverses“ und ungeregeltes Strombezugsprofil [GW] in Bezug auf die Residuallast, dargestellt für einen Betriebstag.

Page 10: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

10 BINE-Themeninfo I/2018

0Tagesverlauf [h]

5 10 15 20

0Tagesverlauf [h]

5 10 15 20

Net

zsig

nale

Betr

ieb

Wär

mep

umpe

0

0,5

1

1,5

Net

zeng

päss

e[1

=ja

, 0=

nein

]

Netzengpässe

0

1

2

3

PEF

regi

onal

[kW

h prim

/kW

h el ]

Regionaler Primärenergiefaktor

0

20

40

60

80Re

sidu

alla

st D

E[G

W]

Residuallast Deutschlands

Wär

mep

umpe

n-Ve

rdic

hter

-le

istu

ng [k

Wel

]

Pel _RES_DE Pel _RegionalerPEF Pel _Engpassregelung Pel _ref

0 5 10 15 20

0 5 10 15 20

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

Abb. 12 Vergleich von Führungsgrößen und Bewertungsansätzen für einen netzdienlichen Betrieb im Tagesverlauf am Beispiel einer Wärmepumpe: Netzsignale Residuallast [GW] (oben), regionaler Primärenergiefaktor für Strom (Mitte), Auftreten von Netzengpässen (unten) und auf die einzelnen Netzgrößen geregelter Betrieb der Wärmepumpe.

Abb. 13 Analyse des Wärmepumpenbetriebs nach Bewertungskriterien: Strombedarf sowie die definierten Kennzahlen für Netzdienlichkeit GSCrel, Bedarf an regionaler Primärenergie und vermiedene Engpassarbeit für vier unterschiedliche Betriebsweisen der Wärmepumpe (nach Residuallast Deutschlands, regionalem Primärenergiefaktor, Netzengpässen, Referenzbetrieb). Das Zahlenbeispiel ist angelehnt an Abb. 12.

Betriebsweisen Strombedarf GSCrel PE-Bedarf vermiedene [kWhel ] (Residuallast (regional) Engpassarbeit DE) [kWhprim ] [kWhel ]

Regelung nach Residuallast DE 17,7 97,9 33,0 11,8

Regelung nach PEF regional 19,1 25,2 12,0 2,4

Regelung nach Netzengpässen 17,6 90,5 38,0 12,2

Referenz-Betrieb (wärmegeführt) 16,0 25,7 33,0 4,1

Page 11: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

11

neuerbare Energien, speziell photovoltaisch erzeugten Stroms, notwendig werden. Um dem entgegenzuwirken, lässt sich das elektrische Netz durch den gezielten Ein-satz dezentraler Verbraucher wie z. B. Wärmepumpen entlasten. Jegliche Energie, die durch die Verschiebung des Betriebs von Wärmepumpen nicht abgeregelt werden muss, kann somit energetisch dem Wärmepumpensys-tem gutgeschrieben werden. Falls nun im nationalen Energiesystem zu diesem Zeitpunkt ein Primärenergie-faktor größer Null ermittelt wurde, wird dieser für den Zeitpunkt der Behebung des Engpasses auf Null gesetzt. Somit kann bei der Bewertung von Wärmepumpensyste-men sowohl die Interaktion mit dem Gesamtenergiesys-tem als auch mit dem lokalen elektrischen Netz bewertet werden. Damit ist die gesamte Verfügbarkeit erneuerba-rer Energien zeitlich und örtlich in der primärenergeti-schen Bewertung berücksichtigt.

Vergleich der Führungsgrößen und Bewertungsansätze

Werden Verbraucher netzdienlich betrieben, erfolgt die Regelung und damit das Betriebsverhalten nicht nur nach den Anforderungen des Gebäudes und der Nutzer, son-dern auch unter Berücksichtigung von Netzsignalen. Ein Zahlenbeispiel verdeutlicht dies für den Betrieb einer elektrischen Kompressionswärmepumpe zur Heizwärme-versorgung eines Gebäudes. In dem angenommenen Bei-spiel ist die Residuallast von Deutschland in den frühen Morgenstunden und gegen Mittag am geringsten – auf-grund einer geringen Stromlast, einer Einspeisung von durch Windkraftanlagen erzeugtem Strom in den Nacht-stunden und einer hohen PV-Stromproduktion in der Mit-tagszeit. Auf regionaler Ebene mit einem hohen Anteil installierter Windkraft treten Erzeugungsüberschüsse in

den Nachtstunden und am späten Abend auf. Im Quartier mit beispielsweise hohem Anteil dachinstallierter PV-Anla-gen kommt es damit gegen Mittag zu Netzengpässen. Je nach gewähltem Bewertungsansatz sind folgende Betriebs-konzepte möglich (Abb. 12): • Mit einer wärmegeführten Regelung (Referenzfall) wird

die Wärmepumpe relativ gleichmäßig in Teillast betrieben und am Nachmittag aufgrund der höheren Außentemperatur und solarer Wärmegewinne zeit-weise abgeschaltet (gelbe Linie).

• Bei einer nach der Residuallast Deutschlands geführten Regelung erfolgen der Wärmepumpenbe-trieb und die Beladung des Wärmespeichers nachts sowie mittags (orangefarbene Linie).

• Die vorrangige Nutzung regional erzeugten, erneuer-baren Stroms führt zu einem Wärmepumpenbetrieb in den Nachtstunden sowie in einem Intervall am Nachmittag, um die Wärmeversorgung sicherzustellen (grüne Linie).

• Bei einer Regelung mit Netzengpassmanagement wird der Wärmespeicher des Gebäudes während des Netzengpasses voll beladen, um die vermiedene Engpassarbeit zu maximieren. Darüber hinaus erfolgt der Betrieb wie im Referenzfall (blaue Linie).

Ein Vergleich der unterschiedlichen Kennzahlen (Abb. 12 und Abb. 13) verdeutlicht, dass es möglich ist, mehrere Kenngrößen gleichzeitig zu verbessern. Dies hängt jedoch stark davon ab, inwiefern die bevorzugten Zeiträume für einen Strombezug auf den unterschiedlichen Systemebe-nen übereinstimmen. Um mehrere „netzdienliche“ Ziele zu vereinen, ist es möglich, ein kombiniertes Netzsignal, z. B. abhängig von Netzengpässen und der Stromverfüg-barkeit in der übergelagerter Ebene zu errechnen und als Führungsgröße in eine netzreaktive Regelung der Anlagen einzubeziehen.

BINE-Themeninfo I/2018

Herausforderungen und Ziele netzdienlicher Gebäude

Zur Bewertung der Netzdienlichkeit müssen das verfolgte Ziel sowie die vordergründig betrachtete BIlanzgrenze definiert werden.

I Lokale Mismatches zwischen erneuerbarer Erzeugung (z. B. PV-Dachanlagen) und Last

II Mismatch zwischen Dargebot und Nachfrage nach Strom und regionaler und nationaler Ebene

III Überlastung der Übertragungs- oder Verteilernetze („congestion“)

IV Kurzfristiger Bedarf an Ausgleichsenergie aufgrund von Prognosefehlern

I Maximiere die Deckung zwischen lokaler Erzeugung und Last

II Maximiere die (Markt-) Effizienz der Stromerzeugung

III Minimiere

Netzengpässe („congestion“)

IV Stelle Ausgleichsenergie

und -leistung bereit

Ziele eines netzreaktiven Gebäudebetriebs

I Eigenverbrauch und Autonomie

II Zeitliche Übereinstimmung von Stromangebot und Strombezug

III Engpassarbeit zur Beschreibung der Auslastung der Verteilnetze

IV Momentan mögliche Leistungserhöhung bzw. -absenkung sowie Maß der Flexi-bilität der Gebäude- und Anlagentechnik

BewertungHerausforderungen bei einem hohen Anteil fluktuierender erneuerbarer Erzeugung

Page 12: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

12

Anhand einer breit angelegten Auswertung zeitlich hoch-aufgelöster Messdaten von 52 Bestandsanlagen wurde gezeigt, dass sich das Betriebsverhalten einzelner Anlagen zum Teil deutlich unterscheidet. Die messtechnische Unter-suchung über mehrere Betriebsjahre umfasste unter an-derem acht Wärmepumpen und vier Kältemaschinen in Bürogebäuden, zwei BHKW in Mehrfamilienhäusern und 38 Wärmepumpen in Einfamilienhäusern. Eine tageszeit-liche Analyse des Strombezugs der Wärmepumpen in Büro-gebäuden ergab, dass einzelne Anlagen nahezu gleichmä-ßig über den Tag Strom beziehen („lastgeführter Betrieb“), was zu einem netzneutralen Verhalten führt. In anderen Anlagen hingegen („zeitgeführter Betrieb“) wird ein über-proportional hoher Anteil der Energie in begrenzten Zeit-räumen bezogen. Die Lage dieser Zeitfenster bestimmt weitgehend die Wirkung auf das vorgelagerte Energiesys-tem. So bezieht die Anlage W03 beinahe die Hälfte ihres Stroms in den Nachtstunden zwischen 0:00 und 6:00 Uhr, jedoch nur 19 Prozent während der Spitzenlastzeiten morgens und abends, und erreicht dadurch ein besonders netzdienliches Verhalten in Bezug auf den EEX-Preis und die Residuallast (Abb. 14).

Eine Analyse aller ausgewerteten Feldmessdaten hinsicht-lich ihrer zeitlichen Strombezugsprofile zeigt, dass sich der Großteil der heutigen Anlagen „netzadvers“ bis „netz-neutral“ verhält (Abb. 15). Dies lässt sich durch eine Reihe von Gründen erklären:

• Zeitinvariable Stromtarife: Derzeit gibt es keinen finan ziellen Anreiz, den Strombezug in bestimmte Tageszeiten zu verlegen. Stattdessen werden die Anlagen auf maximale Energieeffizienz ausgelegt und optimiert.

• Nutzerverhalten: Gerade bei Wohngebäuden wird im Mittel am meisten Heizwärme und Warmwasser morgens und abends benötigt. Dies entspricht den Tageszeiten mit der höchsten relativen Stromnachfrage.

• Saisonale Verbrauchscharakteristik: Fast der gesamte Heizwärmebedarf tritt im Winter auf, wenn die Stromnachfrage im Schnitt höher und das Angebot an Solarenergie niedriger ist als im Sommer.

• Sperrzeiten: Gegenwärtig sind für ein Lastmanagement beim Betrieb von Wärmepumpen ferngesteuerte

Um den möglichen Beitrag netzdienlicher Gebäude ein-zuschätzen, muss zunächst bewertet werden, wie gebäude-technische Anlagen unter heutigen Bedingungen betrie-ben werden. In welchen Zeiträumen beziehen Gebäude typischerweise Strom vom Netz bzw. speisen überschüs-sigen lokal erzeugten Strom ins Netz ein. Zudem müssen für einen effektiven netzdienlichen Betrieb von Gebäuden anlagentechnische Voraussetzungen geschaffen werden. Dies betrifft die Auslegung und Ankopplung thermischer Speicher, die Art und Dimensionierung von Wärmeerzeu-gern sowie den Einsatz notwendiger Mess-, Steuer- und Regeltechnik und Kommunikationssysteme.

Ein Großteil heutiger Gebäudeenergiesysteme

verhält sich aus einer Reihe von Gründen

„netzadvers“ bis „netzneutral“. Ihre Anlagen

werden zumeist ganztägig im Teillast- oder

Taktbetrieb betrieben. Für einen netzdienlichen

Betrieb sollten deshalb externe Führungsgrößen und

Steuersignale in die Regelung einbezogen werden.

Wie netzdienlich sind Gebäude heute?

Flexibilitätsoptionen Unter dem Oberbegriff Flexibilitätsoption werden unter-schiedliche technische Maßnahmen zusammengefasst, die es ermöglichen, kurzfristig auf Schwankungen in der Stromproduktion oder in der Stromnachfrage zu reagieren. Dazu zählen:• flexibilisierte und bedarfsorientiert betriebene

konventionelle Kraftwerke und KWK-Anlagen,• Energieumwandlungsprozesse wie power-to-gas

oder power-to-liquid,• bedarfsgerechte Erzeugung aus erneuerbaren

Energien (z. B. ein Einspeisemanagement von Windkraft- und PV-Anlagen oder stromgeführte Fahrweisen von Biomasseanlagen),

• Lastmanagement (z. B. abschaltbare Lasten in Haushalt, Gewerbe und Industrie),

• Stromspeicher.Die jeweiligen Flexibilitätsoptionen weisen unterschiedliche Eigenschaften auf, z. B. positive und negative bereitstellbare Ausgleichsleistung, Abrufgeschwindigkeit, saisonale Verfüg barkeit und Ausbaupotenzial. Heute nehmen Flexi-bilitätsoptionen z. B. über die Regelleistungsmärkte oder die Strombörse am Energiemarkt teil.

BINE-Themeninfo I/2018

Page 13: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

13

0 4 8 12 16 20 0 0 4 8 12 16 20 0 0 4 8 12 16 20 0 0 4 8 12 16 20 0

10

Ante

il am

tägl

iche

n St

rom

bezu

g [%

]

35 % 28 % 46 % 19 %12

8

6

4

2

0

G10 [BKT+RSE]

Lastgeführter Betrieb Zeitgeführter Betrieb

Tagesverlauf [h]

G12 [BKT+FBH] G09 [BKT+Rad+RSE] W03 [BKT+Rad+RSE]

günstig aus Sicht EEX-Preis und Residuallast ungünstig aus Sicht EEX-Preis und Residuallast

27 % 26 % 24 % 27 %

Abb. 14 Analyse der Betriebsführung für vier Wärmepumpen in Bürogebäuden im Heizfall mit einem lastgeführten versus zeitgeführten Betrieb: Stündlicher Strombezug ausgedrückt als prozentualer Anteil des Tagesstrombezugs. Die Wärmeübergabe in den dargestellten Gebäuden erfolgt mittels Flächenheizsystemen wie der Betonkerntemperierung (BKT), Randstreifenelementen (RSE) und Fußbodenheizung (FBH) sowie mittels Radiatoren (Rad). Gekennzeichnet ist der Strombezug in günstigen (hellgrün) und ungünstigen (dunkelgrün) Zeiten aus Sicht des EEX-Preises und der Residuallast.

Betriebsunterbrechungen mit den Netzbetreibern zu vereinbarten Zeiten erlaubt. Allerdings kann eine derartige bedarfsorientierte und passive Abschaltung von Wärmepumpen die maximale Nutzung von erneuerbarem Stromüberangebot in Regionen mit einer hohen Wind- und Solarstrom-Erzeugung begren-zen, wenn das Stromüberangebot in den festgelegten Sperrzeiten auftritt. Beispielsweise erfolgt dies häufig in Sommermonaten, insbesondere in den Mittags-stunden, da die Einspeisespitze zeitlich mit der Lastspitze der PV-Anlagen zusammenfällt.

Eine quantitative Bewertung der Netzdienlichkeit mit dem relativen Grid Support Coefficient GSCrel einerseits bezüg-lich der Residuallast und andererseits bezüglich des Anteils von Wind und PV im Strommix bestätigt diese Tendenz. Die untersuchten BHKW, die mit prädiktiven, auf den EEX-Preis optimierten Regelungen ausgestattet sind, machen deutlich, dass sich durch entsprechende Maßnahmen schon heute sehr hohe relative Netzdienlichkeiten (GSCrel(EEX) über 70) erreichen lassen (Abb. 15).

Strombasierte Wärme- und Kälteerzeuger können in Zu-kunft durch einen netzdienlichen Betrieb zur elektrischen Laststeuerung (Demand Response) genutzt werden. Daher sollte bereits heute bei der Auslegung neuer Gebäude das Flexibilitätspotenzial des gewählten Versorgungssys-tems berücksichtigt werden. Insbesondere sollten aus-reichend große thermische Speicherkapazitäten, z. B. in Form von Wasserspeichern, oder die thermische Akti-vierung der Gebäudemasse selbst vorgesehen werden, um Wärme oder Kälte im Gebäude zwischenspeichern zu können. Die Installation leistungsmäßig größer als not-wendig dimensionierter Wärmeerzeuger erlaubt es, diese Speicher zu aus Netzsicht günstigen Zeitpunkten zu laden. Sofern mehrere Wärmeerzeuger installiert werden, die Strom und eine andere Endenergieform nutzen, lässt sich das Verhältnis zwischen Stromlast und Wärmeproduktion verändern.

Verfügt ein Gebäude über eine lokale Stromproduktion (z. B. durch eine Solarstromanlage), so muss diese in die Optimierung der Netzdienlichkeit mit einbezogen werden. Zum einen ist eine bevorzugte Nutzung erneuerbarer Energien eines der wichtigsten Ziele netzdienlicher Gebäu-detechnik. Zum anderen entsteht durch eine Maximierung der Eigenstromnutzung nicht nur ein technischer Mehrwert in Form einer Netzentlastung, sondern durch unterschied-liche Vergütungen für selbst genutzten und eingespeisten Strom bereits heute ein wirtschaftlicher Anreiz. In jedem Fall sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, um externe Führungsgrößen und Steuersignale in die Regelung der Gebäudeversorgung mit einzubeziehen.

Wie netzdienlich sind Gebäude heute?

Abb. 15 Bewertung der Netzdienlichkeit von 52 Bestandsanlagen in Bezug auf die Residuallast (RES) und den Anteil erneuerbarer Energien (WPV) im Strommix, ausgedrückt als Grid-Support-Coefficient GSC. Die Anlagen wurden über mehrere Betriebsjahre in hoher zeitlicher Auflösung vermessen: Messgrößen waren Strombezug, Stromeinspeisung, bereitgestellte Wärme- und Kälteleistung sowie –energie.

�Relative Netzdienlichkeit GSCrel[–]

WP, Einfamilienhaus(Warmwasser)

WP, Einfamilienhaus(Heizen)

BHKW,Mehrfamilienhaus

Kältemaschine,Bürogebäude

Wärmepumpe (WP),Bürogebäude

GSCrelRES GSCrelWPV

Netzadvers Netzdienlich

– 60 – 40 – 20 0 20 40 60

BINE-Themeninfo I/2018

Page 14: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

14

Das Lastmanagement von gebäudetechnischen Anlagen trägt zur Flexibilisierung des Energiesystems bei. Dabei ergeben sich unterschiedliche Flexibilitätsoptionen inner-halb des Gebäudes: Das Umschalten zwischen Energie-trägern (sogenanntes Fuel-Switch), die Nutzung techni-scher Speicher sowie der thermischen Gebäudemasse als Wärmespeicher (Abb. 16).

Die folgenden vier Ansätze werden jeweils anhand eines Beispiels aus der Praxis erläutert, das sich auf konkrete Gebäude bzw. Liegenschaften bezieht. Die Ergebnisse wurden per Simulation ermittelt.

Ansatz 1: Umschalten zwischen unterschiedlichen Energieträgern

Ein Ansatz besteht in dem gezielten Wechsel zwischen elektrischen und nicht elektrischen Wärme- und Kälte-erzeugern. Beispielsweise kann eine Wärmepumpe gerade dann betrieben werden, wenn viel erneuerbarer Strom im Netz vorhanden ist, während ein Gaskessel in Zeiten mit zu wenig erneuerbarem Strom zum Einsatz kommt. Für die-ses Konzept ist ein multivalentes Versorgungssystem not-wendig, das bei Neubauten zu höheren Investitionen in Erwartung günstigerer Energiebezugskosten führt. Im Be-stand gewerblicher Liegenschaften sind oft bereits mehre-re unterschiedliche Wärme- und Kälteerzeuger vorhan-den, deren Einsatzreihenfolge lediglich abhängig von der aktuellen Situation im Netz angepasst werden muss.

Beispiel: Für eine Liegenschaft mit ca. 60.000 m² Nutz-fläche und einer Versorgung per Kraft-Wärme-Kälte-Kopp-lung wurden verschiedene Betriebskonzepte mit einer Umschaltung zwischen unterschiedlichen Energieträgern entwickelt und in dynamischen thermo-hydraulischen Simulationen getestet. Bei durchschnittlichen Anteilen erneuerbarer Energien im Netz werden die vier BHKW so betrieben, dass sie den lokalen Stromverbrauch der Liegen-schaft decken. Wenn besonders wenig bzw. viel erneuer-barer Strom verfügbar ist, wird die Betriebsfolgeschaltung so angepasst, dass die Netzeinspeisung bzw. der Netzbe-zug maximiert wird. Gleichzeitig kann die Kältelast ent-weder durch Kompressionskältemaschinen aus Strom oder durch eine Absorptionskältemaschine aus BHKW-Abwär-me erzeugt werden. Simulationen zeigen, dass die Liegen-schaft im netzdienlichen Betrieb bis zu 600 kWel zusätz-lich vom Netz beziehen bzw. 400 kWel zusätzlich ins Netz einspeisen kann; dies entspricht rund der Hälfte bzw. ei-nem Drittel der maximalen Stromlast der Liegenschaft (Abb. 17).

Ansatz 2: Nutzung technischer Speicher

Um die Wärme- und Kälteerzeugung in netzgünstige Stun-den zu verlagern, aber weiterhin jederzeit die thermischen Lastanforderungen des Gebäudes zu decken, ist der Ein-satz von Speichern erforderlich. Grundsätzlich können Warm- und Kaltwasserspeicher oder Phasenwechsel- bzw. Latentwärmespeicher dazu genutzt werden.

Ein Gebäude wirkt auf das vorgelagerte Energiesystem

über seinen Strombezug oder durch die lokale Einspeisung

am Gebäudestandort. Das Ziel einer netzdienlichen

Regelung ist es daher, durch Lastmanagement den

zeit lichen Verlauf des Strombezugs oder die Stromein-

speisung an die Verfügbarkeit von Strom im Energiesystem

anzu passen. Vier verschiedene Ansätze bieten sich an.

Lastmanagement netzdienlich betreiben

BINE-Themeninfo I/2018

Abb. 16 Ansätze zur Steigerung der

Netzdienlichkeit von Gebäuden

mit den jeweiligen Vorteilen und

Herausforderungen.

ChancenBatterie Wiederverstromung, Nutzung unabh. von therm. Last ganzjährig möglich FuelSwitch Praktisch unbegrenzte Speicherkapazität (Gasnetz) Wasserspeicher Regelung unproblematisch, Speicher im Bestand vorhandenGebäudemasse Hohe Kapazität bei kleinem ΔT

HerausforderungenHohe Kosten, begrenzte technische Lebensdauer Überinstallation notwendig, ggf. schwierige Refinanzierung Speicherung verschlechtert Wirkungsgrad von WP/KMRegelung: Gewährleistung des therm. Komfort

Page 15: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

15

Resi

dual

last

[GW

]

40

50

60

70

Residuallast UmschaltwertTagesverlauf [h]

Tagesverlauf [h]0 6 12 18 24

0 6 12 18 24

Ther

mis

che

Leis

tung

[kW

]

0

0

10

20

30

40

Wärmepumpe Kessel

–50

0

50

100

netz

dien

lich

Ist-Zustand Speicher

mit 2h Speicher

Rela

tive

Net

zdie

nlic

hkei

t GSC

rel [W

PV]

Thermische Speicherkapazität [Volllaststunden]0 1 2 3 4

adve

rs

Optimum

–50

0

50

100

netz

dien

lich

mit 2h-Speicher

Rela

tive

Net

zdie

nlic

hkei

t GSC

rel [W

PV]

Thermische Speicherkapazität [Volllaststunden]0 1 2 3 4

adve

rs

Optimum

Ist-Zustand ohne Speicher

Abb. 17 Beispiel für das Umschalten zwischen strom- und gasgeführter Wärmeerzeugung bei „Fuel Switch“-Betriebskonzepten mittels elektrischer Wärme pumpe und Gaskessel für die Wärme- versorgung einer gewerblichen Liegenschaft.

Abb. 18 Erreichbare relative Netzdienlichkeit von 38 Wärmepumpen in Einfamilienhäusern (Nennleistungen zwischen 5,9 und 18,5 kWth ) in Abhängigkeit der thermischen Speicherkapazität.

BINE-Themeninfo I/2018

Damit weisen sie gegenüber den zuvor dargestellten An-sätzen zahlreiche Vorteile auf: Sie können unabhängig vom restlichen Wärme- und Kälteversorgungssystem betrie-ben und ganzjährig genutzt werden. Und sie lassen sich relativ schnell be- und entladen. Hingegen sind sie, bezo-gen auf die Speicherkapazität, deutlich teurer als thermi-sche Speicher und haben eine begrenzte Lebensdauer.

Heutzutage werden Batterien vorwiegend eingesetzt, um die Eigennutzung lokal produzierten Solarstroms zu erhö-hen. Ob sie in Zukunft für die Bereitstellung von Flexibilitä-ten eingesetzt werden, hängt stark davon ab, inwiefern die Herstellungskosten für Batterien sinken, ob die Preisschwan-kungen an den Energiemärkten zunehmen und ob sie an den Endverbraucher weitergegeben werden können.

Beispiel: Ein Vergleich der gemessenen und der aus Netz-sicht optimalen Strombezugsprofile von 38 Wärmepum-pen in Wohngebäuden zeigt, dass mindestens fünf Voll-laststunden Speicherkapazität notwendig sind, um ganzjährig einen netzoptimalen Betrieb zu erreichen und gleichzeitig die thermische Lastanforderung des Gebäu-des zu decken. Dies entspricht gut 430 Litern Speichervo-lumen pro Kilowatt thermischer Nennleistung des Wär-me- bzw. Kälteerzeugers bei einer Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf von 10 Kelvin. Etwa zwei Voll-laststunden Speicherkapazität (ca. 170 l/kWth bei einer Temperaturspreizung von 10 Kelvin) reichen aus, um die Wärme- und Kälteerzeugung an rund der Hälfte der Be-triebstage „netzoptimal“ zu betreiben und den Großteil der möglichen Steigerung der Netzdienlichkeit zu reali-sieren. Diese Werte übersteigen die heute typischerweise in Wohn- und Nichtwohngebäuden installierten Speicher im Bereich von 25 l/kWth bis 50 l/kWth um ein Vielfaches. Um Gebäude in Zukunft netzdienlich auszulegen, sind daher neue Dimensionierungsvorschriften für Wärme-speicher und ggf. neue Speichermaterialien erforderlich. Dafür müssen jedoch die zusätzlichen Wärme- und Mi-schungsverluste durch größere Speicher und neuartige Betriebsstrategien genauer bewertet werden (Abb. 18).

Ansatz 3: Nutzung der Gebäudemasse als Speicher

Auch Anlagen mit vergleichsweise kleinen Wasserspei-chern können netzdienlich betrieben werden, wenn das zeitliche Profil der Wärme- und Kälteübergabe an die Räume entsprechend angepasst wird. Dabei wird die Gebäudemasse als thermischer Speicher genutzt. Vor-aussetzung sind Wärmeübergabesysteme, die über eine hohe thermische Trägheit und somit eine große Speicher-kapazität verfügen, wie beispielsweise Thermoaktive Bauteilsysteme (TABS). Die Einhaltung thermischer Kom-fortanforderungen stellt aufgrund des hohen Zeitverzugs zwischen Beladung und Übergabe der Wärme und Kälte an die Räume eine regelungstechnische Herausforderung dar. Um die Gebäudemasse als Wärme- und Kältespeicher aktivieren zu können, sind genaue Prognosen des Wärme- und Kältebedarfs, d. h. des Wetters, der Belegung und des Nutzerverhaltens erforderlich.

Beispiel: Mit thermischen Simulationsrechnungen wurde untersucht, wie sich unterschiedliche Beladungsstrate-gien von TABS auf den thermischen Raumkomfort eines Bürogebäudes auswirken. Während der Heizperiode konn-te das TABS während der Mehrzahl der Tage „netz optimal“ beladen werden, ohne dass höhere Abwei chungen der Raumtemperatur vom Komfortbereich auftreten als bei einer konventionellen Regelung. Während der Übergangs-zeit und im Sommer treten jedoch höhere Schwankungen der Raumtemperatur im Tagesverlauf auf, wodurch die Nutzung der Gebäudemasse als Speicher nur eingeschränkt möglich ist.

Ansatz 4: Nutzung von Stromspeichern

Batteriespeicher sind zur Erhöhung der Netzdienlichkeit gut geeignet, da sie den Strombezug eines Gebäudes auf Abruf für kurze Zeiträume erhöhen und absenken können.

Page 16: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

BINE-Themeninfo I/201816

Intelligentes Lastmanagement kann die zeitliche Verschie-bung bzw. Anpassung der Verbraucherlast an die Erzeu-gung bewirken, so dass regional produzierter Strom aus erneuerbaren Energien auch regional verbraucht wird. Da-bei stellt die Einbindung vorhandener dezentraler Anlagen wie Haushaltsgeräte oder elektrisch angetriebener Wärme-versorgungssysteme eine sinnvolle „Verschiebe“-Option dar. Erneuerbaren Strom für die Wärmebereitstellung zu nutzen, ist dabei zentral. Denn Wärme ist im Gegensatz zu Strom kostengünstig und mit vergleichsweise geringem Aufwand speicherbar. Die Energiespeicherung bleibt somit nicht nur auf elektrische Speicher beschränkt, sondern umfasst auch die Nutzung thermischer Speichersysteme, beispielsweise die Aktivierung der Gebäudemasse sowie Warmwasserspeicher – bis hin zur Nutzung großer Quar-tiers speicher in Verbindung mit zentralen und dezentralen Wärmeerzeugungsanlagen. Das entsprechende Lastma-nagement erfordert einen integrierten Planungsansatz, der alle Einflussfaktoren wie die vorhandene Siedlungs-struktur, die Qualität der Bebauung, Energieerzeuger für Strom, Wärme- sowie Kältebedarf, Speichermöglichkeiten und Verbraucher berücksichtigt.

Netzdienlicher Wärmepumpenbetrieb im Quartier

Elektrisch angetriebene Wärmepumpen werden bereits heute in begrenztem Umfang auf der Verteilnetzebene über fest-gelegte Sperrzeiten zur Lastverlagerung und zur Spitzen-lastreduktion eingesetzt. Allerdings begrenzt eine derartige bedarfsorientierte und passive Abschaltung der Wärme-pumpen die maximale Nutzung des Stromüberangebots aus erneuerbaren Energien. Die Wärmepumpen können so nicht aktiv in das Lastmanagement eingebunden werden. Eine netzdienliche Betriebsführung soll sowohl die Netz-situation als auch das dynamische Verhalten thermischer Speicher in Gebäuden berücksichtigen. Damit können regionale Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energien optimal zur Wärmebereitstellung eingesetzt werden. Der Betrieb dezentraler Wärmepumpen durch beispielsweise zeitvariable Stromtarife orientiert sich stärker und flexibler an der Erzeugung des Stroms und trägt damit zu einer Mini-mierung des Ausgleichsbedarfs von Netzschwankungen

bei. Die große Herausforderung besteht hierbei in der Um-setzung einer neuen Kommunikationsinfrastruktur zwi-schen dezentralen Verbrauchern und Netzbetreibern. Sie sorgt dafür, dass dezentrale Anlagen Anreizsignale (z. B. Stromtarifsignale) erhalten, um eine optimale Schaltent-scheidung für die Wärmepumpe zu treffen. Erste Schritte in diese Richtung, wie die Etablierung von Smart-Grid-Ready Schnittstellen zur Integration von Wärmepumpen in Smart Grids, sind bereits erfolgt.

Primärenergetische Effizienz der Wärmepumpe ist höher

Die Temperaturerhöhung im thermischen Speicher um zwei Kelvin hat einen direkten Einfluss auf die Effizienz der Wär-mepumpe. Durch die erhöhte Temperatur auf der Wärme-abgabeseite reduzieren sich die Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpen um eine vernachlässigbare Größenordnung von ca. 0,4 bis 1,0 Prozent. Im Vergleich zu einer Stan-dardregelung führt die netzdienliche Regelung aufgrund der verstärkten Nutzung von erneuerbaren Stromüber-schüssen zu einer deutlichen Verbesserung der Primär-energie-Nutzungszahl. Sie beschreibt das Verhältnis der bereitgestellten thermischen zur aufgewendeten Primär-energie und damit den Grad der primärenergetischen Effizienz der Anlagen. Dies führt zur Verringerung des jährlichen Primärenergiebedarfs zwischen 12 und 20 Pro-zent. Die Ergebnisse zeigen, dass die netzdienliche Re-gelung der Wärmepumpe in Verbindung mit thermischen Speichern in hohem Maß zur Reduzierung des Primär-energiebedarfs durch fossile Energien für die Wärmebe-reitstellung sowie zur Stabilisierung des regionalen Strom-netzes beitragen kann.

Parallel zu solchen technischen Ansätzen zur Netzdienlich-keit ist es notwendig, ein neues Marktmodell zu etablieren. Es soll eine wirtschaftliche Vermarktung des erneuerbaren Stromüberangebots mittels variabler Stromtarife ermög-lichen. So lassen sich Flexibilitätspotenziale durch unter-schiedlichste Akteure, von den Kommunen, über Energie-versorger, Netzbetreiber, Contractoren und Wohnungsbau - gesellschaften bis hin zum Verbraucher erschließen.

Kommunen sind zentrale Treiber der Umstellung des

Energiesystems. Mit zunehmend fluktuierender Strom-

einspeisung treten kurzfristige Abweichungen zwischen

Erzeugung und Bedarf immer häufiger auf. Deshalb

müssen Lösungen auf der Quartiersebene entwickelt

werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten

und übergeordnete Stromnetze zu entlasten.

Die Netzdienlichkeit von Quartieren steigern

Page 17: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

17

Aus der Praxis

Für das lokale Stromnetz in der Kleinstadt Wolfhagen (Landkreis Kassel) wurde untersucht, inwieweit auftretende lokale Stromüberschüsse sinnvoll zur Wärmebereitstellung mit dezentralen Wärmepumpen genutzt werden können. Eine entsprechende Simulationsstudie des Fraunhofer IEE wurde im Rahmen des EnoB/EnEff:Stadt Verbundprojekts „Netzreaktive Gebäude“ durchgeführt. Sie basiert auf einer einjährigen, gemessenen Zeitreihe von Stromangebot und -nachfrage aus dem lokalen Stromnetz. Berücksichtigt werden der gegenwärtige Stand des Ausbaus privater Photovoltaik-Anlagen, eines PV-Parks mit einer Leistung von 10 MWp und eines Windparks mit einer Leistung von 12 MWp – erste Anlagen sind seit 2014 in Betrieb. Die jährlich erzeugte Strommenge durch erneuerbare Energien betrug im Jahr 2013 rund 54 GWh. Der jährliche Stromertrag des Windparks wurde abgeschätzt, da zum Zeitpunkt der Untersuchung noch keine Betriebsdaten vorlagen. Bei einem jährlichen Strombedarf in Höhe von 49 GWh/a überstieg die regenerative Stromerzeugung bilanziell die Nachfrage.

Die Untersuchung des Lastmanagementpotenzials anhand der lokal verfügbaren Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energien wurde am Beispiel eines typischen Einfamilienhauses durchgeführt. Zur Abbildung des Lastprofils auf der Gebäudeseite wurde in der Simulationsstudie eine erdgekoppelte, elektrische Sole-Wasser-Wärmepumpe als Wärmeerzeuger eingesetzt. Die Flexibilität des Wärmepumpenbetriebs wird über die variable Einbindung eines zusätzlichen Warmwasserspeichers sowie über thermoaktive Bauteilsysteme und Niedertemperaturradiatoren als Wärmeübergabesysteme ermöglicht. Für die Einbindung der Wärmepumpe ins Lastmanagement des Quartiers wird auf zeitvariable Stromtarife zurückgegriffen, die von der lokalen Residuallast bestimmt sind.

Um die tatsächlichen Auswirkungen einer Lastverschiebung zu bewerten, muss sorgfältig überprüft werden, wie hoch der energetische Mehraufwand während der netzdienlichen Betriebsführung ausfällt und inwieweit die verschobene Last tatsächlich zeitlich verzögert genutzt werden kann – oder zu überproportionalen Wärmeverlusten führt. Hierfür wurde der Strombedarf der Wärmepumpe zunächst nach dem Strombezug („Graustrom“ aus dem Netz versus lokalem EE-Überschussstrom) diffe-renziert betrachtet (Abb. 19 oben). Darauf aufbauend erfolgt die quanti-tative Bewertung und Unterscheidung des Anteils an eingesetztem EE-Überschussstrom im Lastmanagement, nach tatsächlich abrufbarer Energie (verschiebbare Energie) und Verlusten (nicht verschiebbare Energie) (Abb. 19, unten). Der verschiebbare Anteil von erneuerbarem Überschussstrom trägt zur Reduzierung des Bedarfs an Graustrom zu Zeiten geringer EE-Einspeisung bei. In der Regel können aufgrund von Speicherverlusten sowie Effizienzverlusten der Wärmepumpe nicht 100 Prozent der elektrischen Lastverschiebung zeitverzögert thermisch genutzt werden. Hierbei wird der Mehraufwand als Verlust bezeichnet.

Die Referenzvariante in der Simulationsstudie entspricht einer typischen Wärmepumpenregelung mit Sperrzeiten. Im Vergleich dazu erhöht die Wärmepumpenregelung im Lastmanagement die Solltemperatur von Warmwasserspeichern (1.000 Liter) für die Heizwärmeversorgung sowie die Soll-Raumtemperatur um zwei Kelvin (ohne Komforteinbußen) in Abhängigkeit von zeitvariablen Stromtarifen. Die Ergebnisse zeigen, dass durch den Einsatz der Wärmepumpen im Lastmanagement der Bedarf an erneuerbarem Strom um 400 bis 600 kWh/a erhöht werden kann. Davon werden 50 bis 60 Prozent zu Zeiten ohne Stromüberschuss tatsächlich zur Beheizung des Gebäudes abgerufen. Demgegenüber betragen die Verluste zwischen 40 und 50 Prozent der genutzten erneuer-baren Strommenge. Man kann hier davon ausgehen, dass die Verluste aufgrund der deutlich geringeren Strompreise zu Zeiten von Stromüberan-geboten aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine vertretbare Begleiterscheinung für den Nutzer sein werden. Zudem zeigt der Vergleich der verschiedenen Wärmeübergabesysteme, dass die direkte Nutzung der Gebäudemasse als thermischer Speicher ein höheres Lastverschiebungs-potenzial als der Niedertemperatur-Radiator darstellt (Abb. 20).

Wärmepumpenbetrieb bei Überangebot erneuerbaren Stroms

500

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

Stro

mbe

darf

[kW

h/a]

RV LM RV LM RV LM RV LM

0

2.000

1.500

1.000

Ände

rung

des

Str

ombe

darf

s [k

Wh/

a]

–500

Fußb

oden

heiz

ung

Wan

dhei

zung

Beto

nker

nakt

ivie

rung

Nie

dert

empe

ratu

r-Ra

diat

or

Fußb

oden

heiz

ung

Wan

dhei

zung

Beto

nker

nakt

ivie

rung

Nie

dert

empe

ratu

r-Ra

diat

or

0

EE-Strom (nicht verschiebbar)

RV: Referenzvariante, LM: Lastmanagement

EE-Strom (verschiebbar) Graustrom

EE-Strom Graustrom

4.000

3.000

2.000

1.000

Prim

ären

ergi

ebed

arf [

kWh/

a]

Referenzvariante

Fußb

oden

heiz

ung

Wan

dhei

zung

Beto

nker

nakt

ivie

rung

Nie

dert

empe

ratu

r-Ra

diat

or

Lastmanagement

8

6

4

2

JAZ

bzw

. PN

Z

JAZ_Referenzvariante

Fußb

oden

heiz

ung

Wan

dhei

zung

Beto

nker

nakt

ivie

rung

Nie

dert

empe

ratu

r-Ra

diat

or

JAZ_LastmanagementPNZ_ReferenzvariantePNZ_Lastmanagement

0

0

Abb. 20 Vergleich des jährlichen Primärenergiebedarfs [kWhprim/a] der Wärmepumpe mit unterschiedlichen Wärmeübergabesystemen sowie Jahresarbeitszahl (JAZ) und Primärenergie-Nutzungszahl (PNZ).

Abb. 19 Vergleich des jährlichen Strombedarfs [kWh/a] einer Wärmepumpe für die Versorgung eines Einfamilienhauses mit unterschiedlichen Wärmeübergabesystemen – aufgeteilt nach Strombedarf an EE-Strom und Graustrom sowie Verschiebbarkeit der Wärme-pumpenleistung im Lastmanagement.

BINE-Themeninfo I/2018

Page 18: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

18

Abb. 21 Aufbau im ServiceLab Smart Energy des Fraunhofer ISE

Durch die eingeschränkte Kapazität des elektrischen Netzes kann bei sehr hoher Einspeisung erneuerbarer Energien eine Abregelung oder ein Einspeisemanagement notwendig werden. Mittels Lastflussberechnung lassen sich Zeiträume von Netzengpässen ermitteln, in denen einzelne Elemente des elektrischen Netzes überlastet sind bzw. die Spannung nicht mehr im erforderlichen Bereich liegt.

Neben der generellen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien im Energiesystem spielt auch die lokale Erzeugung im elektrischen Netz eine wichtige Rolle. Die dort benötigte Leistung (Engpass-leistung) muss ermittelt werden, um Überlastungen zu beheben. Im Falle von Übereinspeisung durch EE-Anlagen wird die Engpassleistung auch Ausfallleistung genannt, die dann als Eingangssignal für die Steuerung der Gebäudeenergiesysteme dienen kann. In einer gekoppelten thermisch-elektrischen Simulation wurde das elektrische Netz mit einer entsprechenden Charakteristik wie Kabeldurchmesser, Kabellängen und Trans-formatorleistungen für die Versorgung eines Quartiers modelliert. Dazu wurden 57 Einfamilienhäuser mit typischen Bedarfs-profilen für Heizwärme und Trinkwarmwasser abgebildet und diese Lastprofile in einem Optimierungstool als Eingangsdaten genutzt. Darüber hinaus wurden auch elektrische Lastprofile für die Versorgung der Gebäude durch elektrische Wärme-pumpen sowie Einspeiseprofile für die lokale Stromerzeugung durch PV-Aufdachanlagen in das Modell integriert. Eine weitere Eingangsgröße war die Ausfallarbeit durch forcierte Abschaltung von EE-Anlagen in netzkritischen Situationen.

Um die Einbindung erneuerbarer Energien aus dem Stromnetz in die Versorgung von Wohngebäuden zu unte r-suchen, wird ein Szenario angenommen, in dem der Anteil erneuerbarer Energien höher als aktuell ist. Die Daten zur Einspeisung erneuerbarer Energien (Wind und PV) sowie die elektrischen Lasten wurden aus den veröffentlichten Profilen der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber entnommen. Anschließend wurden die Profile für erneuerbare Einspeisung so skaliert, dass der durch erneuerbare Energien bereitgestell-te Strom den Bedarf an elektrischer Energie genau decken würde. Da die erneuerbaren Energien zeitlich variabel in ihrer Einspeisung sind, ergibt sich über das ganze Jahr dennoch ein Primärenergiefaktor von 0,93. Das elektrische Energiesystem wurde hierbei ohne den Einsatz elektrischer Energiespeicher betrachtet. Für die genannten Parameter des Energiesystems

wurden die in [Stinner 2017] vorgestellten Ansätze verwendet. Die Methodik der primärenergetischen Bewertung wurde dann auf das Quartier mit 57 Gebäuden angewendet.

Die Wärmepumpen zur Bereitstellung von Heizwärme und Trinkwarmwasser sollten so betrieben werden, dass der Primärenergiebedarf minimiert wird – bevorzugt in Zeiten von Engpässen im Stromnetz. Zur Vergleichbarkeit wurde ein wärmegeführter Referenzbetrieb mit einem konstanten Primärenergiefaktor ermittelt.

Spielraum für netzdienliche Betriebsweisen erhöhen

Für die Bewertung der Wärmepumpensysteme sind drei Zielgrößen wichtig:• der absolute Strombedarf der Wärmepumpen,• der Primärenergiebedarf für den Strombezug• sowie der Anteil an Engpassarbeit, der durch den

Betrieb der Wärmepumpen vermieden werden kann.

In Abb. 22 ist die elektrische Energie für den wärmegeführten Fall, d. h. den Referenzfall, sowie drei stromgeführte Alternativen zu sehen. Die stromgeführten Alternativen unterscheiden sich durch die gewählte Größe der thermischen Speicher. Der kleinste Speicher entspricht dem im wärmegeführten Betrieb gewählten. Zusätz-lich wurden ein mittlerer und ein großer Speicher untersucht.

Die im vorherigen Absatz vorgestellte Untersuchung kommt auf der Basis thermisch-dynamischer Simulationen zu folgen-den Ergebnissen:• Absoluter Strombedarf: Durch die Umstellung auf einen

stromgeführten Betrieb steigt der elektrische Energiebezug der Gebäude. Dies ist zum einen auf die steigenden thermischen Verluste durch im Mittel höhere Temperaturen im Wärmespeicher zurückzuführen. Zum anderen wird die Wärmepumpe bei ungünstigeren Bedingungen betrieben, d. h. bei geringeren Quellentemperaturen und höheren Senkentemperaturen. Bei der Verwendung größerer thermischer Speicher verstärkt sich dieser Effekt noch, sodass der elektrische Strombedarf weiter ansteigt.

• Primärenergiebedarf: Gleichzeitig sinkt der Primär-energiebedarf des gesamten Quartiers durch den Betrieb in primärenergetisch günstigen Zeiten. Bereits durch einen rein

BINE-Themeninfo I/2018

Aus der Forschung Lastmanagement für ein elektrisches Verteilnetz im Wohnquartier

Page 19: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

19

stromgeführten Betrieb kann der Primärenergiebedarf um 35 Prozent gesenkt werden. Durch die Vergrößerung des thermischen Speichers ergibt sich die Möglichkeit, weitere Zeiten mit geringen Primärenergiefaktoren zu nutzen und somit einen geringeren Gesamtprimärenergiebedarf aufzuweisen. Dies zeigt sich in einer Primärenergie-Bedarfsreduktion von 60 Prozent für den mittleren Speicher und 65 Prozent für den großen Speicher.

• Engpassarbeit: Der Anteil an Engpassarbeit kann durch den Wärmepumpenbetrieb deutlich reduziert werden (Abb. 23). Der wärmegeführte Betrieb der Anlagen liegt zufällig bereits teilweise in Zeiten, in denen Engpässe vorliegen. Somit kann dieser Betrieb die Engpassarbeit um 13 Prozent reduzieren. Beim stromgeführten Einsatz erhöht sich der Anteil an der Engpassarbeit bereits auf 76 Prozent. Durch den Einsatz größerer thermischer Speicher wird der Anteil dann auf 92 Prozent (mittlerer Speicher) bzw. 95 Prozent (großer Speicher) erhöht.

Die Berechnungen machen deutlich, dass speziell der Einsatz größerer als momentan üblicher Speicher einen großen Beitrag zur Integration erneuerbarer Energien leisten kann. Hierzu ist es notwendig, die primärenergetische Bewertung nicht mehr mit konstanten, sondern mit zeitaufgelösten Primärenergiefaktoren durchzuführen. Unter herkömm-lichen Bewertungsbedingungen mit konstanten Bewertungsfaktoren werden Systeme mit Speichern bzw. einem netzdienlichen Betrieb immer schlechter abschneiden, da der reine Strombedarf durch den netzdienlichen Betrieb zunimmt.

350

300

250

200

150

100

50

0

Ener

gie

[MW

h]

Strombezug Primärenergie

Wärmegeführter Speicher kleinStromgeführter Speicher klein

Stromgeführter Speicher mittelStromgeführter Speicher groß

100

80

60

40

20

0

Redu

zier

te E

ngpa

ssar

beit

[%]

WG klein SG klein SG mittel SG groß

Abb. 23 Anteil an Engpassarbeit, der durch den Wärmepumpenbetrieb reduziert werden kann. Legende: Wärmegeführter (WG) und stromgeführter (SG) Betrieb mit Einsatz von kleinen, mittelgroßen und großen Warmwasserspeichern.

Mit Hilfe von Hardware-in-the-Loop(HiL)- Verfahren ist es möglich, reale Hardware wie z. B. Wärme- und Kälteerzeuger unter dynamischen, aber gleichzeitig reprodu-zierbaren Randbedingungen zu testen. Dies betrifft zum einen die Effizienz des jeweiligen Systems und zum anderen die Fähigkeit, auf schnelle Anforderungs-änderungen zu reagieren.

Die Randbedingungen werden den Wärme erzeugern durch ein Feedback mit einer dynamischen Simulation aufgeprägt. Das Verfahren eignet sich zum Testen des instationären Verhaltens von Wärmeerzeu-gern, d. h. wenn diese im Zeitablauf keinem konstanten Sollwert folgen. Dies betrifft aktuell eingesetzte wärmegeführte Regler, aber auch die Untersuchung von Wärme-erzeugern bei zukünftigem netzdienlichem Betrieb mit dynamischeren Anforderungen. Diese Anforderungen können aus einer Eigenverbrauchsoptimierung oder aus den in diesem Themeninfo genannten Kenngrößen bestehen. Thermische Speicher können sowohl hardwareseitig als auch in der Simulation eingebunden werden.

Abb. 24 Hardware-in-the-Loop-Prüfstand an der RWTH Aachen E.ON ERC

BINE-Themeninfo I/2018

Aus der Forschung Hardware-in-the-Loop

Abb. 22 Elektrischer Strombezug [MWh/a] sowie resultierende Primärenergie [MWh/a] für verschiedene Anlagen- und Betriebsvarianten.

Page 20: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

20

10

20

30

40

50

60

70

80

0 4 8 12 16 20 24 0 4 8 12 16 20 24 0 4 8 12 16 20 24Tagesverlauf [h]

Nordeuropa Mitteleuropa Südeuropa

0

Ther

mis

che

Leis

tung

[kW

]

NO SE DK GB NE BE DE FR AT CH IT EL PO ES

Abb. 25 Auf Basis von Simulationen ermitteltes netzoptimales Betriebsverhalten von Wärmepumpen im Tagesverlauf in Nord- und Mitteleuropa und von Kältemaschinen in Südeuropa im Jahr 2030.

Weil der Mix aus Wind- und Solarenergie, die Stromnach-frage und die Wetterverhältnisse in jedem europäischen Land unterschiedlich sind, wurde im Rahmen des IEA EBC Annex 67 „Energie-flexible Gebäude“ analysiert, welche Anforderungen an einen netzdienlichen Betrieb sich jeweils ergeben. Szenarien des Verbands Europäischer Übertra-gungsnetzbetreiber ENTSO-E zeigen, dass die Hälfte der betrachteten Länder im Jahr 2030 über installierte Leistun-gen an Wind- und Solarenergie verfügen, die die höchste Stromnachfrage im jeweiligen Land übersteigen (Abb. 26). Basierend auf den definierten Ausbauzielen für die Strom-erzeugung aus erneuerbaren Energien, den heutigen Strom-lasten in allen Verbrauchssektoren sowie Strahlungs- und Winddaten aus dem numerischen Wettermodell COSMO-EU wurde vom Fraunhofer ISE die zukünftige, länderspezi-fische Residuallast simuliert.

Obwohl die Ergebnisse für jedes Land unterschiedlich ausfallen, lassen sich einige Gemeinsamkeiten identi-

fizieren: So sind in allen Ländern die Residuallasten im Sommer niedriger und schwanken zeitlich stärker als im Winter. Während morgens und abends Nachfragespitzen auftreten – Zeiten, zu denen ein Strombezug vermieden werden sollte – übersteigt gegen Mittag oftmals die Erzeugung das Angebot, insbesondere in den Sommer- monaten (Abb. 27). Dies bedeutet, dass Kältemaschinen vorrangig mittags betrieben werden sollten. Dies stimmt gut mit dem Kühllastprofil eines typischen Ge bäudes überein und lässt sich daher mit relativ kleinen Speicher-kapazitäten realisieren. Netzdienliche Kühl strategien sind vor allem für Südeuropa von Interesse, da in Nord- und Zentraleuropa grundsätzlich nur wenig Klima kälte bedarf besteht.

Im Winter treten die niedrigsten Residuallasten entweder nachts oder mittags auf, abhängig vom Anteil erneuerba-rer Energien und deren Aufteilung auf Wind- und Solar-kraft. Dies entspricht den Zeiträumen, in denen netzdien-

Eine Analyse der energiepolitischen Ziele

vierzehn europäischer Länder zeigt, dass die Energie-

wende und die Relevanz netzdienlicher Gebäude und

Quartiere keineswegs rein deutsche Themen sind.

Netzdienliche Gebäude können dazu beitragen,

dass die erneuerbaren Energien auch im europäischen

Rahmen effizient und sinnvoll genutzt werden.

Netzdienliche Gebäude in Europa

BINE-Themeninfo I/2018

Page 21: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

21

60

50

40

30

20

10

0

Deutschland

Dänemark

Resi

dual

last

[GW

]Re

sidu

alla

st [G

W]

Resi

dual

last

[GW

]

STD/Mean=0,721

STD/Mean=2,567

STD/Mean=0,691

STD/Mean=2,366

40

35

30

25

20

10

15

0

Großbritannien

30

20

10

0

–10

–20

–30

Spanien

Januar JuliApril Oktober

Resi

dual

last

[GW

] 3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0

–0,5

Nor

ther

n La

titud

e [°

] 70

60

50

40

0

1.300

1.100

900

[h]

Eastern Longitude [°]–10 0 10 20 30

liche Wärmepumpen betrieben werden sollten, um vor - rangig Wind- und Sonnenstrom zu nutzen. Dies stimmt jedoch nicht mit dem typischen Heizlastprofil von Gebäu-den überein und erfordert den Einsatz entsprechender Wärmespeicher. Für Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen wie BHKW, die im Gegensatz zu Wärmepumpen Strom produ-zieren anstatt ihn zu verbrauchen, gelten andere Regeln: Sie sollten vorwiegend morgens und abends betrieben werden, um das Energiesystem zu entlasten (Abb. 25).

Verteilnetze werden Anbieter von Flexibilität im Übertragungsnetz

Aufgrund der steigenden volatilen Einspeisung erneuer-barer Energiequellen, die größtenteils in Verteilnetzen installiert sind, treten signifikante Leistungsflüsse in höheren Netzebenen auf. Dies erhöht überregionale elek-trische Lastflüsse zwischen Regionen und verschiedenen Ländern, die das Übertragungs- oder Transportnetz der Höchstspannungsebene belasten. Engpässe mit gefähr-detem Netzbetrieb werden vermehrt auftreten. Ausrei-chende Transportkapazitäten und ein steigendes Maß an Flexibilität im gesamten Stromsystem sind deshalb ent-scheidende Voraussetzungen für die Integration erneuer-barer Energien innerhalb Europas.

Neben dem Ausbau der Übertragungsnetze als eine Mög-lichkeit, die Transportkapazität zu erhöhen, treten aktive Verteilnetze als Anbieter von Flexibilität zukünftig ver-mehrt in den Fokus. Die regionale Verteilung der Erzeu-gung und Lasten ermöglicht es, die Schwankungen der Erzeugung lokal auszugleichen und netzdienliche Flexi-bilitätsmaßnahmen bei fehlender Transportkapazität im Übertragungsnetz bereitzustellen. Zu den konkreten Maßnahmen zählen Einspeisemanagement, Demand- Side-Management und der Einsatz von Speichertechno-logien wie Batterien und thermische Speicher in Ge-bäuden. Um das Flexibilitätsangebot der Verteilnetze künftig nutzen zu können, ist eine zunehmende Kommu-nikation und Koordination des Netzbetriebs zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern von entscheiden-der Bedeutung.

Abb. 27 Aggregierte Tagesverläufe der prognostizierten Residual-last [GW] in 2030 für 4 europäische Länder in den Monaten Januar, April, Juli und Oktober.

Abb. 26 Simulation der Solarstromproduktion in 14 europäischen Ländern auf NUTS3-Ebene (Siedlungsstrukturelle Regionen).

BINE-Themeninfo I/2018

Page 22: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

BINE-Themeninfo I/201822

preises, vorgeschlagen. Dadurch könnten vermehrt flexi-ble Verbraucher genutzt werden. Überschussstrom wird in Zeiten mit hoher Einspeisung erneuerbarer Energien zu Heizzwecken konkurrenzfähig gegenüber Erdgas. Weiter-hin kann durch eine dynamische EEG-Umlage die Eigen-stromerzeugung mit dem Fremdstrombezug besser in Einklang gebracht werden. Um der Funktion thermischer Speicher und netzdienlicher gebäudetechnischer Kompo-nenten gerecht zu werden, sollten auch thermische Spei-chertechnologien von Netzentgelten befreit werden. Die wachsende Volatilität auf der Erzeugungsseite wird sich zunehmend in größeren Schwankungen der Marktpreise widerspiegeln. Erst eine solche Preisvariabilität mittels dynamischer EEG-Umlage bietet genügend Anreize für In-vestitionen in Netze, Speicher oder Energieeffizienz und Verbrauchsflexibilität. Zusätzlich entsteht mehr Transpa-renz für die Marktteilnehmer.

Dienstleistungs- und Finanzierungsmodelle

Die Regelungen der Netzentgeltverordnung richten sich nach der maximalen Stromstärke des Netzstrombezuges und begünstigen somit eine Vergleichmäßigung des Strombezugs aus dem Netz. Ein netzdienlicher Betrieb würde ggf. zu einer deutlichen Erhöhung der Netzentgelte führen und damit mögliche Erlöse um ein Vielfaches stei-gern. Doch Betreibern kleiner Anlagen ist es derzeit oft unmöglich, an den Strom- und den Regelleistungsmärk-ten teilzunehmen. Neue Dienstleistungsmodelle könnten das Problem lösen, ein Dienstleister oder Contractor die Vermarktung netzdienlicher Verbraucher und Erzeuger an der Strombörse übernehmen. Dem Gebäudebetreiber entstünden damit zusätzlich zu den Erlösen aus der an-gebotenen Flexibilität weitere finanzielle Anreize: Opti-mierte Regler erhöhen die Effizienz der Wärme- und Kälte-erzeugung und senken die laufenden Betriebskosten. Die Zusammenfassung mehrerer Anlagen durch den Dienst-leister erschließt dem Gebäudebetreiber weitere Geschäfts-modelle. Gebäude und Quartiere könnten als virtuelle Kraftwerke bzw. Stromspeicher direkt als Akteure am Energiemarkt auftreten – und zum Bilanzkreisausgleich bei Prognosefehlern genutzt werden.

Eine auf effizienten Marktmechanismen basierende Hand-lungsoption ist die maximale Reduktion der Stromsteuer sowie eine gleichzeitige Erhöhung der Energiesteuer für fossile Energieträger im Wärmebereich als aufkommens-neutrale Maßnahme. Dies könnte den Strompreis von durchschnittlich 28,9 ct/kWh auf 26,4 ct/kWh verringern. Gleichzeitig würde eine erhöhte Energiesteuer auf Öl und Gas zu einer Verbesserung der Kostenstruktur für effiziente Technologien wie Wärmepumpen führen, die die Sektoren Wärme und Strom koppeln. Eine weitere Maßnahme ist die Bepreisung von CO2 im Bereich der dezentralen fossilen Wärmetechnologien. Der Emissionshandel betrifft derzeit nur Kraftwerke und Teile der Industrie; eine Erweiterung für dezentrale Verbraucher wäre folgerichtig.

Dynamische EEG-Umlage und unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen

Als effizienten Anreiz für variable Preise wird die Einfüh-rung einer dynamischen EEG-Umlage, also eine stündlich variable EEG-Umlage in Abhängigkeit des Börsen-Spotmarkt-

Wege zur UmsetzungFür einen flächendeckenden Einsatz netzdienlicher

Gebäudetechnik fehlen ausreichend finanzielle Anreize

für Gebäudebetreiber, z. B. zeitvariable Stromtarife

für Endkunden. Selbst bei einer direkten Weitergabe

von Börsenstrompreisen an den Endverbraucher machen

Abgaben, Umlagen und Steuern mehr als 75 Prozent

des Strompreises aus.

Strom-erzeugung

PV-Anlagen BHKWsdezentral

Regionale Stromnetze

Überregionale Stromnetze

Nah- und Fernwärmenetze

zentralPV-Park

Wind-Park

Wärme- und Kälteerzeugung

ThermischeSpeicher

Wärmepumpen

Wasserspeicher

Gebäudemasse

Wasserspeicher

Gebäudemasse

Quartiersspeicher

Nachtspeicherheizungen

Abb. 28 Beispiele für das Lastmanagement auf regionaler Ebene

Page 23: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

23BINE-Themeninfo I/2018

Standpunkte

Der netzdienliche Betrieb verlangt, dass elektrische Endenergie- bedarfe von Gebäuden und Quartieren und damit der Strombezug aus dem Netz oder die Netzeinspeisung von Überschüssen flexibel und zielgerichtet organisiert werden, ohne die eigentlichen Versorgungs-aufgaben zu vernachlässigen. Der Einsatz elektrischer Energiespeicher in Kombination mit regelbaren Verbrauchern liegt nahe. Relevante Flexibilitätsoptionen lassen sich aber nur erschließen, wenn auch die Wärme- und Kälteversorgung in Betracht gezogen wird.

Bei zentralen Versorgungssystemen lassen sich nicht nur Skaleneffekte nutzen, sondern auch Koordinierungsaufwände für das Erzeugermanagement minimieren. Wesentliches Hemmnis ist die informationstechnische Umsetzung des flexiblen Anlagen- und Gebäudebetriebs. Denn für das Erzeuger-, Speicher- und Lastmanage-ment müssen prognosebasierte Betriebsstrategien umgesetzt werden, die die Versorgungssicherheit gewährleisten, Rebound-Effekte vermeiden und einen maximalen Nutzen für Gebäude- und Netz-betreiber gewährleisten. Der netzdienliche Betrieb wird ganz sicher Teil des künftigen Energiemarktes sein; dazu bedarf es meiner Ansicht nach jedoch nur einer begrenzten Anzahl signifikanter Gebäude und Quartiere.

Prof. Dr.-Ing. Clemens Felsmann, Leiter der Professur für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung an der TU Dresden

Mit unserem Forschungsprojekt „Die Stadt als Speicher“ ist eine energietechnische und wirtschaftliche Bündelung vielfältiger lokaler Speicherkapazitäten innerhalb städtischer Lastzentren verbunden – zum Ausgleich der Fluktuation erneuerbarer Energien. Dazu haben wir in Herten und Wunsiedel in einem einjährigen Feldtest Flexibilitätspotenziale von virtuellen Speichern untersucht. Es zeigte sich, dass Optimierung und Lastverschiebungsmanagement für einen virtuellen Energiespeicher in einer Stadt funktionieren kann. Dabei wurden viele Verbraucher, Speicher und Erzeuger informations-technisch ertüchtigt, zusammengeschaltet und nach dem Börsenpreis geregelt und gesteuert.

Für uns war es wichtig, in solchen Projekten als Proband bzw. Netz- und Anlagenbetreiber mit dabei zu sein. Denn aus meiner Sicht werden in den nächsten Jahren gravierende Veränderungen auf die Stadtwerke zukommen: Die Versorgung wird dezentraler und digitaler werden. Deshalb müssen Stadtwerke mehr in Quartiers-und Systemlösungen denken und solche auch umsetzen. Dabei können sie die Schnittstelle zwischen dezentralen strom-und wärmeerzeugenden Anlagen hin zum Börsengeschäft wie keine andere Institution besetzen.

Detlef Großjohann, Bereichsleiter Technischer Service der Hertener Stadtwerke GmbH

Zukunftsmarkt Netzdienlicher Betrieb: Welche Lösungen, welche Hemmnisse erwarten Sie?

Warm- und Kaltwasserspeicher für einen netzdienlichen Betrieb

Im vom BMWi geförderten Forschungsprojekt „FlexControl“ werden neuartige Strategien zur energetischen Betriebsführung von Nicht-wohngebäuden entwickelt und getestet. Die Wärme- und Kälteversorgung von Gebäuden im Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistun-gen soll dadurch energieeffizient und zudem auch netzdienlich gestaltet werden. Der Test erfolgt im Labor auf Basis von Hardware-in-the-Loop-Versuchen und anschließend werden die Betriebsführungskonzepte in mehreren realen Gebäuden erprobt. Um den hohen Bedarf an Prozesskälte für Versuchs- und Produktionsanlagen in einem Laborgebäude zu decken, Lastschwankungen auszugleichen und damit die Versorgung zu sichern, wurde ein 500 m³ großer, unterirdischer Kaltwasser-Schichtenspeicher in das Laborgebäude des Fraunhofer ISE integriert. Die kurzzeitige Kaltwasserspeicherung reduziert die not-wendige Kälteleistung, nutzt freie Kühlung über Außenluft und ermöglicht einen energe-tisch und wirtschaftlich effizienten Betrieb der reversiblen 500 kWtherm Wärmepumpe. Im Projekt FlexControl dient die Liegenschaft als Demonstrator für die Entwicklung und den Test praxistauglicher, regelbasierter Betriebs-führungsstrategien, um die Wärmepumpe in Kombination mit dem Speicher und die einzelnen Wärme- und Kälteverbraucher sowohl mit maximaler Energieeffizienz als auch netzdienlich zu betreiben. Der groß-volumige Speicher bietet dabei beste Voraus-setzungen für ein auf das Versorgungsnetz abgestimmtes Energie- und Lastmanagement. Erste Ergebnisse auf Basis einer thermisch-dynamischen Simulation zeigen, dass unter Berücksichtigung der netzbasierten Referenz-größe „Residuallast“ in der Betriebsführung der Anlage der Strombezug der Wärmepumpe mittels Kopplung an den Kaltwasserspeicher zu 70 Prozent der Betriebszeit in aus Sicht des Energiesystems günstigste Tagesstunden mit niedrigen Residuallasten verschoben werden kann.

Aus der Praxis

Abb. 29 Gebäudeintegrierter Kaltwasserspeicher mit einem Fassungsvermögen von 500 m³ im Laborgebäude des Fraunhofer ISE in Freiburg

Page 24: Netzdienliche Gebäude und Quartiere · Themeninfo I /2018 Netzdienliche Gebäude und Quartiere Gebäude entlasten Stromnetze. Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0

ImpressumProjektorganisation Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)11019 Berlin

Projektträger Jülich Forschungszentrum Jülich GmbH 10969 Berlin

Förderkennzeichen 03ET1111A-B

ISSN 1610-8302

Herausgeber FIZ Karlsruhe · Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur GmbH Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 76344 Eggenstein-Leopoldshafen

BINE-Themeninfo I/2018

Links und Literatur>> Voss, K. u. a.: Performance von Gebäuden. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verl., 2016.>> Henning, H.-M.; Palzer, A.: Was kostet die Energiewende?

Wege zur Transformation des deutschen Energie systems bis 2050. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg (Hrsg.). 2015. https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/ studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Was-kostet-die-Energiewende.pdf

>> Fraunhofer-Institute for Wind Energy and Energy System Technology (IWES), Kassel (Ed.): The European Power System in 2030: Flexibility Challenges and Integration Benefits. An Analysis with a Focus on the Pentalateral Energy Forum Region. Analysis on behalf of Agora Energiewende. June 2015.

>> Stinner, S., Schlösser, T., Huchtemann, K., Müller, D. u. a.: Primary energy evaluation of heat pumps considering dynamic boundary conditions in the energy system. In: Energy, Vol. 138 (2017), pp. 60-78

>> Klein, K., Kalz, D., Langner, R. u. a.: Grid support coefficients for electricity-based heating and cooling and field data analysis of present-day installations in Germany. In: Applied Energy, Vol. 162 (2016), pp. 853-867

Mehr vom BINE Informationsdienst>> Stabiles Netz mit 100 Prozent Ökostrom, BINE-Projektinfo 06/2015>> Modularer Batteriespeicher liefert Regelenergie, BINE-Projektinfo 12/2017>> Wirtschaftlichkeit energieoptimierter Gebäude, BINE-Themeninfo III/2017>> Nichtwohngebäude effizient heizen und kühlen, BINE-Themeninfo II/2016>> Plusenergie-Konzept in Siedlung getestet, BINE-Projektinfo 01/2016>> Nullenergie- und Plusenergiegebäude, BINE-Themeninfo II/2015

BINE Informationsdienst berichtet aus Projekten der Energieforschung in seinen Broschürenreihen und dem Newsletter. Diese erhalten Sie im kostenlosen Abonnement unter www.bine.info/abo

Ausblick Der Gebäudesektor kann einen signifikanten Beitrag zur Entlastung des Energiesys-tems leisten, indem er seinen Strombezug zur Wärme- und Kältebereitstellung und seine Stromeinspeisung durch lokale Erzeugung an die Bedürfnisse der Netze anpasst. Dafür müssen Regel- und Betriebsführungsstrategien entwickelt und getestet werden, die weiterhin einen effizienten und robusten Betrieb der Gebäudetechnik garantieren. Darüber hinaus sind die hohen Anforderungen der Nutzer an den Arbeitsplatzkomfort zu gewährleisten. Und vor allem muss ein flexibler, netzdienlicher Betrieb eines Gebäudes nach Anforderungen der Strom- und Wärmenetze ermöglicht werden. Wesentliches Hemmnis für einen flächendeckenden Einsatz netzreaktiver Gebäudetechnik sind die derzeit nicht ausreichenden finanziellen Anreize für Gebäudebetreiber. Hier gilt es, Markt- und Betreibermodelle zu entwickeln, an denen die unterschiedlichen Akteursgruppen beteiligt sind. Denn ein netzdienlicher Betrieb von Gebäuden muss auch wirtschaftlich umgesetzt werden.

Der Übergang zu einem netzdienlichen Anlagenbetrieb stellt die Gebäudebetreiber vor teilweise große Herausforderungen. Denn in der Regel werden technische Nachrüstungen an Sensorik, Mess-, Regel- und Kommunikationstechnik sowie ggf. größeren Speichern erforderlich. Solche Investitionen lassen sich bisher nicht oder nur schwer durch Erlöse refinanzieren. Eine standardisierte, leistungsfähige Kommuni-kationsinfrastruktur und technisch ausgereifte kommerzielle Lösungen, beispiels-weise Regler, fördern die Markterschließung der angesprochenen Technologien und Konzepte für netzdienliche Betriebsweisen. Erst dadurch werden auch erfolgreiche Geschäftsmodelle realisierbar.

Konz

ept:

iser

unds

chm

idt G

mbH

, Bon

n · S

atz

und

Ges

taltu

ng: K

ERST

IN C

ON

RAD

I Med

ieng

esta

ltung

, Ber

lin

Kontakt · InfoFragen zu diesem Themeninfo? Wir helfen Ihnen weiter:

0228 92379-44 [email protected] Informationsdienst Energieforschung für die PraxisEin Service von FIZ Karlsruhe

Kaiserstraße 185-197 53113 Bonn www.bine.info

24