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G. OSTERLOg et al. :Chemie, Pharmakologieund Biochemieder Biguanide 51 O. OSTERLOH, G: PROSKE, R. BECKMANN1L H. M~CKTER (Stolborg) : /geuere Ergebnisse zur Chemie, Pharmako]ogio und Biochemio der Bigu- anide Die Biguanide z/ihlen zu den dimeren Kohlens/iurederivaten und lassen sich aus Dicyandiamid und den entsprechenden Aminsalzen dar- stellen. Wie der Vergleich der Strukturformeln zeigt, weisen die Biguanide nur eine entfernte ~hnlichkeit zu den Diguanidinen auf, dessen bekannte- s~er Vertreter das Synthalin is~. Aus dem UV-Spektrum ergibt sieh ftir die ]3iguanide das Vorliegen eines konjugierten Doppelbindungssystems, eine Struktur, die ftir die Diguanidine nieht mgSlieh ist. Entspreehend unterseheiden sieh beide Verbindungsklassen in ihrem ehemisehen Reak- tionsvermSgen, ihrer F/ihigkeit Komplexe zu bilden und s Aus der Vielzahl der yon uns synthetisierten Biguanide soll an dieser Stelle nur auf die einfach und mehrfaeh Alkyl- bzw. Aralkyl-substituier- ten Derivate eingegangen werden, weil sieh bier besonders deutlich der Zusammenhang zwisehen Struktur und Wirkung aufzeigen l~gt. Im Falle der 1-Monoalkyl-substituierten Biguanide liegt das Wirkungs- optimum beim 1-Butyl-biguanid (W-37, Silubin). 200 mg/kg oral ver- abreiehtes W-37 ffihren bei der Maus im Mittel zu einer Blutzuekersen- kung um 450/0 des Ausgangswertes. Derselbe Effekt wird dutch 1-fl- Phenyl/ithyl-biguanid (W-32, DBI, Phenformin) erst naeh 500 mg/kg erzielt. Bei mehrfaeher Substitution des Grundmolektils nimmt die Nut- zuekersenkende Wirkung ab. Versuehe an Neersehweinehen mit W-32 und W-37 ergeben, dag nach s.c. Verabreiehung (15 mg/kg) die maximale Blutzuckersenkung (urn 450/0) nach 3 Std erreieht wird. Bei der Ratte ist W-37 naeh oraler Gabe deutlich st/~rker wirksam als W-32. Die akuten Toxieit/iten (LDso) betragen bei 1Vfaus, Ratte und Meersehwein- ehen naeh oraler Applikation fiir W-37 380, 320 bzw. 58 mg/kg. Fiir W-32 liegen die entsprechenden Werte bei 450, 1050 bzw. 47 mg/kg. Der Wirkungsmechanismus der Biguanide ist bisher noeh nieht gekl/~rt. Neuere Untersuehungen mit Biguanidkonzentrationen (5-50 y/ml), die den bereehneten klinisehen Blur- und Gewebespiegel entsprechen, ergaben eine erh6hte Zuekeraufnehme, eine Steigerung des Oz-Verbreuches und der CO2-Produktion , d.h. einen erhShten oxydetiver Kohlen- hydretebbeu s. Die im Tierversueh erhobenen Befunde zum EinfluB der Biguenide euf des Leberglykogen waren nieht einheitlich. Je nach Versuehsbedin- gungen wurde neeh Biguenidgebe des Leberglykogen erniedrigt, unver- /indert oder erhSht gefunden. Aueh wurde fiber eine Abh~ngigkeit der Leberglykogenver/inderung yon der Struktur des verebreichten Biguanids berichtet 2. Wir heben diese Frege erneut untersueht mud naeh subcutaner Applikation yon W-32 (15 mg/kg), W-37 (15 mg/kg) und 4*

Neuere Ergebnisse zur Chemie, Pharmakologie und Biochemie der Biguanide

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G. OSTERLOg et al. :Chemie, Pharmakologie und Biochemie der Biguanide 51

O. OSTERLOH, G: PROSKE, R. BECKMANN 1L H. M~CKTER (Stolborg) : /geuere Ergebnisse zur Chemie, Pharmako]ogio und Biochemio der Bigu- anide

Die Biguanide z/ihlen zu den dimeren Kohlens/iurederivaten und lassen sich aus Dicyandiamid und den entsprechenden Aminsalzen dar- stellen. Wie der Vergleich der Strukturformeln zeigt, weisen die Biguanide nur eine entfernte ~hnlichkeit zu den Diguanidinen auf, dessen bekannte- s~er Vertreter das Synthalin is~. Aus dem UV-Spektrum ergibt sieh ftir die ]3iguanide das Vorliegen eines konjugierten Doppelbindungssystems, eine Struktur, die ftir die Diguanidine nieht mgSlieh ist. Entspreehend unterseheiden sieh beide Verbindungsklassen in ihrem ehemisehen Reak- tionsvermSgen, ihrer F/ihigkeit Komplexe zu bilden und s

Aus der Vielzahl der yon uns synthetisierten Biguanide soll an dieser Stelle nur auf die einfach und mehrfaeh Alkyl- bzw. Aralkyl-substituier- ten Derivate eingegangen werden, weil sieh bier besonders deutlich der Zusammenhang zwisehen Struktur und Wirkung aufzeigen l~gt. Im Falle der 1-Monoalkyl-substituierten Biguanide liegt das Wirkungs- optimum beim 1-Butyl-biguanid (W-37, Silubin). 200 mg/kg oral ver- abreiehtes W-37 ffihren bei der Maus im Mittel zu einer Blutzuekersen- kung um 450/0 des Ausgangswertes. Derselbe Effekt wird dutch 1-fl- Phenyl/ithyl-biguanid (W-32, DBI, Phenformin) erst naeh 500 mg/kg erzielt. Bei mehrfaeher Substitution des Grundmolektils nimmt die Nut- zuekersenkende Wirkung ab. Versuehe an Neersehweinehen mit W-32 und W-37 ergeben, dag nach s.c. Verabreiehung (15 mg/kg) die maximale Blutzuckersenkung (urn 450/0) nach 3 Std erreieht wird. Bei der Ratte ist W-37 naeh oraler Gabe deutlich st/~rker wirksam als W-32. Die akuten Toxieit/iten (LDso) betragen bei 1Vfaus, Ratte und Meersehwein- ehen naeh oraler Applikation fiir W-37 380, 320 bzw. 58 mg/kg. Fiir W-32 liegen die entsprechenden Werte bei 450, 1050 bzw. 47 mg/kg.

Der Wirkungsmechanismus der Biguanide ist bisher noeh nieht gekl/~rt. Neuere Untersuehungen mit Biguanidkonzentrationen (5 -50 y/ml), die den bereehneten klinisehen Blur- und Gewebespiegel entsprechen, ergaben eine erh6hte Zuekeraufnehme, eine Steigerung des Oz-Verbreuches und der CO2-Produktion , d.h. einen erhShten oxydetiver Kohlen- hydretebbeu s.

Die im Tierversueh erhobenen Befunde zum EinfluB der Biguenide euf des Leberglykogen waren nieht einheitlich. Je nach Versuehsbedin- gungen wurde neeh Biguenidgebe des Leberglykogen erniedrigt, unver- /indert oder erhSht gefunden. Aueh wurde fiber eine Abh~ngigkeit der Leberglykogenver/inderung yon der Struktur des verebreichten Biguanids berichtet 2. Wir heben diese Frege erneut untersueht mud naeh subcutaner Applikation yon W-32 (15 mg/kg), W-37 (15 mg/kg) und

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52 t-I. ~V[~H~NlgRT*" Diabetesbehandlung mit Biguaniden

1.1-Dimethyl-biguunld (140 mg/kg) an 24 Sgd niichbern gesebzten )/[eer- schweinehen zum Zeitpunkt der muximalen Blutzuckersenkung eine starke Erniedrigung des Leberglykogens (urn 80~ beobachtet. Diese auf die physiologisehe Gegenregulation dureh Adrenalin zurtiekzuftihrende Glykogenverurmung der Leber wird dureh Insulin (2 IE/kg s.c.) in gleicher Weise hervorgerufen. Ein ~hnliches Bild ergibt die Verabreichung yon W-37 und Insulin an nfichterne I~atten. Wird dugegen den Versuchs- tieren dutch Nuhrungsuufnahme die M6glichkeit gegeben, ihre Glykogen- reserven zu erg/inzen, so 1/il3t sieh bei 1V[eersehweinehen aneh naeh mehr- t/tgiger s.e.-Gube yon W-32 und W-37 keine signifikante Erniedrigung, bei Rutten sogur eine deutliche Vermehrung des Leberglykogens beobueh- ten. Somit ergibg sich fiir die Biguanide im Tierversueh ein dem Insulin /ihnlieher Effekt auf das Leberglykogen. Dumit in ~bereinstimmung stehe n bioptisehe Leberbefunde yon mit W-37 behundelten Diubetikern 1, die ebenfulls eine gleiehurtige Wirkung -- hier im Sinne einer Erh6hung des Lebergtykogens -- erguben.

Literatur

1 BE~I~GnR, A., U. H. T~ALE~: Nedizinische 1959, 41. : KRONnBERG, G., u. K. STO~PEL: Arzneimit~el-Forsch. 8, 470 (1958). a U~GA~, G., u. A. N. WTeK: ref. nach M. S. SAI)ow: Internat. Biguanid- Symposium,

S. 69. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 1960.

Didcussion: G. TAV~MAgN (Frankfurt) ; W. CR~.UTZFELI)~ (Freiburg) ; SchluJ3- wort: g. B~CKMa~N (Stolberg).

H. 1VIEHN]ERT (Miinchen) : [lber die Miiglichkeiten der Diabetesbehand- lung mit Biguaniden

Die Ergebnisse der bisherigen experimentellen Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus der Biguanide haben nut wenig zur K1/trung des blutzuekersenkenden Effekts beltragen k6nnen. Fest steht bisher ledig- lich,' dul~ die Biguunide offenbur nieht toxiseh sind und uueh ohne k6rper- eigene Insulinlorocluktion blutzuekersenkend wirken. Allerdings verhin- dern dosisubh/ingige gastrointestinule Nebenerscheinungen die alleinige Biguunidbehundlung uusgesproehener Insulinmungeldiubetiker, die eine zu hohe Biguuniddosis ben6tigen wiirden. Mehrj/ihrige Erfahrungen in der Biguunidbehundlung amerikuniseher und deutseher Putienten lehrten, dug eine Indikution zur BigUanidtherapie nur dort besteht, wo weder mit Insuin noeh mit Sulfonylhurnstoffen eine befriedigende StoffweehseI- fiihrung erreieht werden kunn. Im allgemeinen empfiehlt sieh dunn stets eine kombinierte Behundlung mit underen Antidiabetica. Die kombinierte Insulin-Biguanidbehandlung erweist sieh als vorteilhaft bei besonders instubilen Diabetikern vom juvenilen Typ, bei denen in etwa der tI/iffte