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Nephrologe 2012 · 7:222–226 DOI 10.1007/s11560-011-0610-y Online publiziert: 15. April 2012 © Springer-Verlag 2012 R. Birck V. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim Neues in der  Immunsuppression  von Vaskulitiden Mycophenolat-Mofetil Einführung Primäre systemische Vaskulitiden ma- chen zur Beherrschung der Erkran- kungsaktivtät in der Regel eine immun- suppressive Behandlung notwendig. Bei der Riesenzellarteriitis, der Takaya- su-Arteriitis oder der Purpura Schön- lein-Henoch kann eine Glukokortiko- idmonotherapie ausreichend sein [26, 27]. Die ANCA-assoziierten Vaskuliti- den (AASV) als die im Erwachsenen- alter am häufigsten auftretenden Klein- gefäßvaskulitiden, zu denen die granu- lomatöse Polyangiitis (GPA, M. Weg- ner), die mikroskopische Polyangiitis (MPA) sowie die allergische granuloma- töse Angiitis (Churg-Strauss-Syndrom) gezählt werden [18], machen jedoch ins- besondere bei den ersten beiden Entitä- ten so gut wie immer eine immunsup- pressive Kombinationstherapie notwen- dig [27]. Der im Unterschied zu den bei den AASV meistens eingesetzten unse- lektiv wirkenden Zytostatika aus der Al- kylanzien- oder Antimetabolitengruppe wesentlich selektivere Wirkmechanis- mus der Mycophenolsäure mit vorwie- gender Hemmung proliferierender T- und B-Lymphozyten [1] bei gleichzeitig deutlich geringerer Organtoxizität und Kanzerogenität macht diese Substanz [38] vielversprechend in Bezug auf die Therapie dieser Erkrankungen [17, 23]. Pharmakologie Pharmakodynamik Mycophenolat-Mofetil (MMF) ist der synthetisch hergestellte Morpholino- ethylester der bei Gärungsprozessen verschiedener Penicillium-Arten pro- duzierten Mycophenolsäure. Diese ist ein potenter nichtkompetetiver reversi- bler Inhibitor des Enzyms Inosinmono- phosphatdehydrogenase (IMPDH). In Säugetierzellen erfolgt die Synthese der Nukleotide Guanin und Adenin entwe- der aus kleineren Vorstufen de novo oder über eine Wiederverwertung von Pu- rinbasen über einen „salvage pathway“. Die Purinsynthese von Lymphozyten hängt vorwiegend von dem De-novo- Weg ab, während die meisten anderen Zellen beide Stoffwechselwege beschrei- ten können. Eine Abnahme intrazellu- lärer Guanosinspeicher führt in Lym- phozyten während der Zellteilung zu einem Verharren in der S-Phase und da- mit zu einer Proliferationshemmung [1]. Die IMPDH kommt in 2 von verschie- denen Genen kodierten Isoformen vor. In ruhenden Lymphozyten wird vor- wiegend die Isoform I exprimiert, wäh- rend in proliferierenden Lymphozyten vor allem die Isoform II vorkommt. Da die Mycophenolsäure eine 5-fach höhere Bindungsaffinität für die Isoform II im Vergleich zur Isoform I aufweist, werden vorwiegend proliferierende Lymphozy- ten von der IMPDH-Hemmung beein- trächtigt ([1]; . Abb. 1). Pharmakokinetik, Drug-Monitoring Die Veresterung der Mycophenolsäu- re mit Mofetil führt zu einer deutlichen Erhöhung der oralen Bioverfügbarkeit; Ribose-5-Phosphat = ATP PRPP-Synthetase RNA RNA PRPP DNA DNA Mycophenolsäure (MPA) Guanosinmono- phosphat (IMPDH) (ADA) Inosinmono- phosphat Adenosinmono- phosphat Abb. 17 Hemmung  der De-novo-Purinbio- synthese durch Myco- phenolsäure als dem  aktiven Metaboliten  des MMF (PRPP Phos- phoribosylpyrophos- phat,  ADA Adenosinde- aminase, ATP Adeno- sintriphosphat, IMPDHInosinmonophosphat- dehydrogenase) Redaktion M. Haubitz, Fulda 222 | Der Nephrologe 3 · 2012 Leitthema

Neues in der Immunsuppression von Vaskulitiden

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Page 1: Neues in der Immunsuppression von Vaskulitiden

Nephrologe 2012 · 7:222–226DOI 10.1007/s11560-011-0610-yOnline publiziert: 15. April 2012© Springer-Verlag 2012

R. BirckV. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim

Neues in der Immunsuppression von VaskulitidenMycophenolat-Mofetil

Einführung

Primäre systemische Vaskulitiden ma-chen zur Beherrschung der Erkran-kungsaktivtät in der Regel eine immun-suppressive Behandlung notwendig. Bei der Riesenzellarteriitis, der Takaya-su-Arteriitis oder der Purpura Schön-lein-Henoch kann eine Glukokortiko-idmonotherapie ausreichend sein [26, 27]. Die ANCA-assoziierten Vaskuliti-den (AASV) als die im Erwachsenen-alter am häufigsten auftretenden Klein-gefäßvaskulitiden, zu denen die granu-lomatöse Polyangiitis (GPA, M. Weg-ner), die mikroskopische Polyangiitis (MPA) sowie die allergische granuloma-töse Angiitis (Churg-Strauss-Syndrom) gezählt werden [18], machen jedoch ins-besondere bei den ersten beiden Entitä-ten so gut wie immer eine immunsup-pressive Kombinationstherapie notwen-dig [27]. Der im Unterschied zu den bei den AASV meistens eingesetzten unse-lektiv wirkenden Zytostatika aus der Al-kylanzien- oder Antimetabolitengruppe wesentlich selektivere Wirkmechanis-mus der Mycophenolsäure mit vorwie-gender Hemmung proliferierender T- und B-Lymphozyten [1] bei gleichzeitig deutlich geringerer Organtoxizität und Kanzerogenität macht diese Substanz [38] vielversprechend in Bezug auf die Therapie dieser Erkrankungen [17, 23].

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Mycophenolat-Mofetil (MMF) ist der synthetisch hergestellte Morpholino-ethylester der bei Gärungsprozessen verschiedener Penicillium-Arten pro-duzierten Mycophenolsäure. Diese ist ein potenter nichtkompetetiver reversi-bler Inhibitor des Enzyms Inosinmono-phosphatdehydrogenase (IMPDH). In Säugetierzellen erfolgt die Synthese der Nukleotide Guanin und Adenin entwe-der aus kleineren Vorstufen de novo oder über eine Wiederverwertung von Pu-rinbasen über einen „salvage pathway“. Die Purinsynthese von Lymphozyten hängt vorwiegend von dem De-novo-Weg ab, während die meisten anderen Zellen beide Stoffwechselwege beschrei-ten können. Eine Abnahme intrazellu-

lärer Guanosinspeicher führt in Lym-phozyten während der Zellteilung zu einem Verharren in der S-Phase und da-mit zu einer Proliferationshemmung [1]. Die IMPDH kommt in 2 von verschie-denen Genen kodierten Isoformen vor. In ruhenden Lymphozyten wird vor-wiegend die Isoform I exprimiert, wäh-rend in proliferierenden Lymphozyten vor allem die Isoform II vorkommt. Da die Mycophenolsäure eine 5-fach höhere Bindungsaffinität für die Isoform II im Vergleich zur Isoform I aufweist, werden vorwiegend proliferierende Lymphozy-ten von der IMPDH-Hemmung beein-trächtigt ([1]; . Abb. 1).

Pharmakokinetik, Drug-Monitoring

Die Veresterung der Mycophenolsäu-re mit Mofetil führt zu einer deutlichen Erhöhung der oralen Bioverfügbarkeit;

Ribose-5-Phosphat = ATP

PRPP-Synthetase

RNARNA PRPP

DNA DNA

Mycophenolsäure (MPA)

Guanosinmono-phosphat (IMPDH) (ADA)

Inosinmono-phosphat

Adenosinmono-phosphat

Abb. 1 7 Hemmung der De-novo-Purinbio-synthese durch Myco-

phenolsäure als dem aktiven Metaboliten 

des MMF (PRPP Phos-phoribosylpyrophos-

phat, ADA Adenosinde-aminase, ATP Adeno-

sintriphosphat, IMPDH Inosinmonophosphat-

dehydrogenase)

RedaktionM. Haubitz, Fulda

222 |  Der Nephrologe 3 · 2012

Leitthema

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Plasmaspitzenspiegel werden ungefähr 1 Stunde nach Aufnahme erreicht. Die Metabolisierung der Mycophenolsäure erfolgt über eine zur Inaktivierung füh-rende Glukuronidierung teilweise über den Urin und teilweise über die Galle. Es besteht ein enterohepatischer Kreislauf, der zu einem kleinen Anstieg der Plas-maspiegel ungefähr acht bis 12 Stunden nach Einnahme führt [24]. Eine aktuel-le Übersicht über die komplexe Pharma-kokinetik des MMF bei Organtransplan-tierten geben Staatz und Tett [35].

»  Die Pharmakodynamik von MMF unterscheidet sich bei Organtransplantierten und Patienten mit Autoimmunerkrankungen

Die neben der komplizierten Pharma-kokinetik ausgeprägte interindividuel-le Variabilität der unter Standarddosie-rung erreichbaren wirksamen MMF-Spiegel hat in Analogie zu anderen Im-munsuppressiva im Bereich der Organ-transplantation zu Untersuchungen zum Nutzen eines therapeutischen Drug-Mo-nitorings bei dieser Substanz geführt [35]. Bei Nierentransplantierten haben zwischenzeitlich 3 randomisierte Stu-dien, bei denen fixe MMF-Dosierungen im Vergleich zu MMF-Spiegel-gesteuer-ten Dosisänderungen hinsichtlich rele-vanter Endpunkte evaluiert wurden, kei-ne eindeutigen Vorteile zugunsten eines der beiden Verfahren herausarbeiten können, sodass klare Empfehlungen au-genblicklich nicht möglich sind [37]. Im Bereich der Vaskulitiden wird die Inter-pretation zusätzlich durch die Tatsa-che erschwert, dass das pharmakokine-tische Verhalten der Mycophenolsäure sich bei Organtransplantierten und bei Patienten mit Autoimmunerkrankun-gen nachweislich unterscheidet [5, 29]. Bei der letzteren Patientengruppe konn-te zudem in einer Beobachtungsstudie eine Assoziation der Höhe der Myco-phenolat-Talspiegel mit klinischen End-punkten wie der Rezidivhäufigkeit fest-gestellt werden [28].

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Mycophenolat-Mofetil zur Therapie der AASV

MMF ist wegen seines beschriebenen se-lektiven Wirkmechanismus auf Lympho-zyten [17, 23] bei vergleichsweise guter Verträglichkeit und nachgewiesener Ef-fektivität im Bereich der Organtransplan-tation [20] und der Lupusnephritis [2] ein vielversprechendes Medikament zur Be-handlung der AASV. Aktuelle Richtlinien unterscheiden bei den AASV eine remis-sionserzielende von einer remissionser-haltenden Therapie, die deshalb geson-dert betrachtet werden [27].

Induktionsbehandlung

MMF wurde bereits frühzeitig bei Patien-ten, bei denen Standardimmunsuppres-siva wie Cyclophosphamid oder Metho-trexat nicht wirksam oder kontraindiziert waren, zur Induktionstherapie mit unter-schiedlicher Wirksamkeit eingesetzt [19, 21, 36]. Die retrospektive Natur und die heterogenen Rahmenbedingungen der berichteten Kohorten erschweren jedoch eine Abschätzung der Wirksamkeit des MMF im Vergleich zur herkömmlichen Behandlung. Eine weitere, diesmal pros-pektive US-amerikanische Kohortenstu-die wurde 2010 publiziert [34]. Hier wur-den nur Patienten mit MPA (n=17) unter vorherigem Ausschluss schwererer Ver-laufsvarianten konsekutiv eingeschlossen und mit einer Kombination aus MMF und Glukokortikoiden behandelt. Die Autoren berichten über eine Remissionsrate nach 6 Monaten von 76% bei einer Nebenwir-kungsrate von 58%.

Zwischenzeitlich liegen zu dieser Fra-gestellung auch 2 randomisiert-kontrol-lierte Studien aus der Volksrepublik China vor, die fast ausschließlich bei Patienten mit MPA durchgeführt wurden [10, 13]. In beiden wurden die eingeschlossenen Patienten entweder zu MMF p. o. oder zu Cyclophosphamid (CYC) i. v. (ca. 0,8–1 g) alle 4 Wochen in Kombination mit Gluko-kortikoiden randomisiert, primärer End-punkt war die Remissionsrate nach 6 Mo-naten. In der ersten Studie von Hu et al. von 2008 erreichten in der MMF-Grup-pe 14/18 (78%) bzw. in der CYC-Grup-pe 8/13 (62%) eine Remission [13]. In der erst kürzlich 2011 publizierten zweiten

Studie, die 41 Patienten untersuchte, lag die Remissionsrate in der MMF-Grup-pe bei 79% bzw. bei mit CYC-behandel-ten Patienten bei 64% [10]. Die Neben-wirkungsraten waren in beiden Untersu-chungen zwischen den Gruppen nicht si-gnifikant unterschiedlich.

Die beschriebenen chinesischen Stu-dien suggerieren, dass MMF in der Induk-tionstherapie eine dem CYC vergleich-bare Effektivität aufweisen könnte, wei-sen aber methodische Limitationen auf, die eine Interpretation und Übertragbar-keit der Ergebnisse auf hiesige Verhält-nisse erschweren. Die untersuchte Pa-tientenanzahl war klein und nicht geeig-net, klinisch relevante Unterschiede mit hinreichenden und klar definierten Irr-tumswahrscheinlichkeiten zu detektieren [40]. Zudem wurden nur chinesische Pa-tienten mit MPA eingeschlossen; schwe-re organ- oder lebensbedrohliche Verläu-fe wurden, wie bei der weiter oben be-schriebenen US-amerikanischen Kohor-te, ausgeschlossen. Ungewöhnlich ist auch das eingesetzte CYC-Regime, welches in Anlehnung an das alte bei Lupusnephri-tis eingesetzte Austin-Protokoll durch-geführt wurde. Damit wurden in beiden Studien nicht die in der Induktionsthera-pie der oralen CYC-Gabe in randomisier-ten Studien gleichwertigen und in Euro-pa eher üblichen und höherfrequenten i. v. Puls-CYC-Regime mit 15 mg/kg Kör-pergewicht [27] oder 750 mg/m2 Körper-oberfläche [11] verwendet, was mit hoher Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu einer niedrigeren kumulativen CYC-Dosis bei diesen Patienten führte.

Remissionserhalt

Der erste Bericht zur Behandlung von Vaskulitiden mit MMF beschreibt den Einsatz dieses Medikaments bei Patien-ten mit AASV als remissionserhaltende Therapie [31]. Es folgten mehrere retro-spektive Kohortenstudien, die bei Patien-ten mit MPA oder GPA Rezidivraten von 9–56% unter MMF beschreiben, aber we-gen ihrer designbedingten Einschränkun-gen und heterogener Rahmenbedingun-gen nur begrenzt aussagefähig sind [15, 16, 21, 22, 32].

Erst kürzlich wurde nun mit IMPROVE eine große randomisiert- kontrollierte Stu-

Zusammenfassung · Abstract

Nephrologe 2012 · 7:222–226DOI 10.1007/s11560-011-0610-y© Springer-Verlag 2012

R. BirckNeues in der Immunsuppression von Vaskulitiden. Mycophenolat-Mofetil

ZusammenfassungPrimäre systemische Vaskulitiden benötigen in der Regel eine immunsuppressive Behand-lung. Mycophenolat-Mofetil (MMF) als lym-phozytenselektives Immunsuppressivum mit nachgewiesener Wirksamkeit und guter Ver-träglichkeit im Bereich der Organtransplan-tation erscheint hier als  Behandlungsansatz vielversprechend. In den letzten Jahren sind diesbezüglich mehrere Studien  erschienen, die unter Berücksichtigung besonderer  Aspekte der Pharmakokinetik des MMF bei Autoimmunerkrankungen diskutiert werden.

SchlüsselwörterAntineutrophile zytoplasmische Antikörper (ANCA) · Vaskulitis · Mycophenolat-Mofetil · Immunsuppression · Behandlung

What’s new in the treatment of primary systemic vasculitis. Mycophenolate mofetil

AbstractPrimary systemic vasculitis necessitates im-munosuppressive treatment in most  cases. Mycophenolate mofetil (MMF), a selective in-hibitor of proliferating lymphocytes, has been advocated as an induction and remission maintaining agent in the treatment of vascu-litis. The results of recent trials as well as cer-tain pharmacokinetic aspects of MMF in the setting of autoimmune diseases are presen-ted and discussed in this review.

KeywordsAntineutrophil cytoplasmic antibodies ( ANCA) · Vasculitis · Mycophenolate mofetil · Immunosuppression · Therapeutics

die der EUVAS-Studiengruppe publiziert, die Azathioprin als gegenwärtigen Stan-dardsubstanz zum Remissionserhalt bei den meisten Patienten mit AASV gegen MMF verglichen hat [12]. Es handelte sich hierbei um eine multizentrische europäi-sche Studie, an der 42 Zentren in 11 Län-dern teilgenommen haben und in die Pa-tienten mit neu diagnostizierter GPA oder MPA eingeschlossen wurden. Alle Patien-

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ten waren zuvor mit CYC und Glukokor-tikoiden als Induktionstherapie behandelt worden und wurden dann unverblindet entweder zu Azathioprin 2 mg/kg oder MMF 2 g/Tag randomisiert. Beide Medi-kamente wurden nach 12 bzw. 18 Monaten dosisreduziert und nach 42 Monaten ab-gesetzt. Die begleitende Glukokortikoid-behandlung erfolgte in beiden Gruppen standardisiert, lag nach 12 Monaten bei 5 mg Prednisolon und wurde nach 25 Mo-naten ganz beendet. Die Studie war statis-tisch ausgelegt, eine 50-%-Reduktion der Rezidivrate zugunsten des MMF mit einer 80-%-Power bei einem 5-%-Typ-I-Fehler zu detektieren. In der MMF-Gruppe kam es bei 42 von 76 Patienten zu einem Re-zidiv, während in der Azathioprin-Grup-pe 30 von 80 Patienten einen Rückfall er-litten. Damit lag überraschenderweise in der MMF-Gruppe unadjustiert eine Ha-zard-Ratio vom 1,69 bzw. adjustiert von 1,8 und damit ein signifikant erhöhtes Re-zidivrisiko vor. Auch die Analyse weiterer sekundärer Endpunkte, wie die Zeit bis zum ersten Rezidiv oder die Zeit bis zum ersten schweren Rezidiv, bestätigten die Unterlegenheit von MMF. Nebenwirkun-gen waren in beiden Gruppen nicht signi-fikant unterschiedlich. Die Stärken dieser Studie liegen in der Größe und der langen Beobachtungsdauer, eine Schwäche be-steht in dem offenen Design.

MMF beim Churg-Strauss-Syndrom

Das CSS kann, wenn keine ungünstigen prognostischen Faktoren vorliegen, in der Regel mit einer Glukokortikoidmono-therapie behandelt werden [27]. Zum Ein-satz von MMF liegen bis heute nur ein-zelne Behandlungsberichte vor, die zu-mindest kasuistisch einen erfolgreichen Einsatz bei den betroffenen Patienten be-schreiben [3, 7].

MMF bei anderen Vaskulitiden

Zum Einsatz von MMF zur Therapie von primären Systemvaskulitiden jen-seits der AASV liegen nur anekdotische Erfahrungsberichte oder kleinere Be-obachtungsserien vor. Nichtsdestotrotz sind die weiter oben beschrieben Vor-teile des MMF auch hier zu postulieren. Bei der Takayasu-Arteriitis, die zur Grup-

pe der Großgefäßvaskulitiden gehört und bei der ungefähr die Hälfte der betroffe-nen Patienten zusätzlich zur Glukokorti-koidtherapie weitere Immunsuppressiva zur Krankheitskontrolle benötigen [26], wurde MMF sowohl zur Steroideinspa-rung als auch zur Therapieintensivierung bei steroidrefraktärem Krankheitsverlauf erfolgreich eingesetzt [4, 9, 33]. Weitere positive Erfahrungen finden sich insbe-sondere auch im pädiatrischen Bereich für die Purpura Schönlein-Henoch, die Polyarteriitis nodosa, die primäre ZNS- oder die Urtikariavaskulitis [6, 8, 14, 25, 30, 39].

Fazit für die Praxis

F  MMF ist als nachweislich wirksames und gut verträgliches Immunsuppres-sivum prinzipiell ein vielversprechen-des Medikament zur Behandlung vas-kulitischer Erkrankungen.

F  Zur Induktionstherapie der AASV mit MMF stehen belastungsfähige Daten aus Studien mit hinreichend hohem Evidenzlevel, die sich auf europäische Verhältnisse übertragen lassen, nach wie vor aus, auch wenn die Ergebnis-se der berichteten chinesischen Stu-dien zumindest ermutigend sind.

F  Die multizentrische EUVAS-Studie MYCYC, die in einem randomisierten Setting CYC gegen MMF in der Induk-tionstherapie bei AASV vergleicht, be-findet sich jedoch bereits in der Fol-low-up-Phase und wird hier wertvolle Informationen liefern.

F  Die zur Verfügung stehenden Daten unterstützen allerdings den Einsatz von MMF bei Patienten mit Kontra-indikationen gegen CYC oder Metho-trexat als Reservemedikament insbe-sondere dann, wenn unmittelbar le-bensbedrohliche Manifestationen nicht vorliegen.

F  Die Erwartungen an MMF in der re-missionserhaltenden Therapie haben sich andererseits nicht erfüllt, hier zeigt die IMPROVE-Studie eine signifi-kante und klinisch relevante Unterle-genheit im Vergleich zu Azathioprin. Hier sollte MMF nur noch als Reserve-medikament erwogen werden.

F  Bei allen anderen vaskulitischen Syn-dromen liegen keine Daten aus ran-

domisierten Studien vor, wenngleich insbesondere bei der Takayasu-Arte-riitis und der Purpura Schönlein-He-noch kleinere Beobachtungsstudien eine Wirksamkeit vermuten lassen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. R. BirckV. Medizinische Klinik, Univer-sitätsmedizin MannheimTheodor-Kutzer-Ufer 1–3, 68167 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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29.  Neumann I, Haidinger M, Jäger H et al (2003) Phar-macokinetics of mycophenolate mofetil in patients with autoimmune diseases compared renal trans-plant recipients. J Am Soc Nephrol 14:721–727

30.  Nikibakhsh AA, Mahmoodzadeh H, Karamyyar M et al (2010) Treatment of complicated Henoch-Schönlein purpura with mycophenolate mofetil: a retrospective case series report. Int J Rheuma-tol:254316

31.  Nowack R, Birck R, van der Woude FJ (1997) Myco-phenolate mofetil for systemic vasculitis and IgA nephropathy. Lancet 349:774

32.  Nowack R, Göbel U, Klooker P et al (1999) Myco-phenolate mofetil for maintenance therapy of We-gener’s granulomatosis and microscopic polyan-giitis: a pilot study in 11 patients with renal invol-vement. J Am Soc Nephrol 10:1965–1971

33.  Shinjo SK, Pereira RM, Tizziani VA et al (2007) My-cophenolate mofetil reduces disease activity and steroid dosage in Takayasu arteritis. Clin Rheuma-tol 26:1871–1875

34.  Silva F, Specks U, Kalra S et al (2010) Mycophenola-te mofetil for induction and maintenance of remis-sion in microscopic polyangiitis with mild to mo-derate renal involvement – a prospective, open-la-bel pilot trial. Clin J Am Soc Nephrol 5:445–453

35.  Staatz CE, Tett SE (2007) Clinical pharmacokinetics and pharmacodynamics of mycophenolate in so-lid organ transplant recipients. Clin Pharmacokinet 46:13–58

36.  Stassen PM, Tervaert JW, Stegeman CA (2007) In-duction of remission in active anti-neutrophil cy-toplasmic antibody-associated vasculitis with my-cophenolate mofetil in patients who cannot be treated with cyclophosphamide. Ann Rheum Dis 66:798–802

37.  van Gelder T (2009) Mycophenolate blood le-vel monitoring: recent progress. Am J Transplant 9:1495–1499

38.  Wang T, Weigt SS, Belperio JA, Lynch JP 3rd (2011) Immunosuppressive and cytotoxic therapy: phar-macology, toxicities, and monitoring. Semin Respir Crit Care Med 32:346–370

39.  Worm M, Sterry W, Kolde G (2000) Mycophenolate mofetil is effective for maintenance therapy of hy-pocomplementaemic urticarial vasculitis. Br J Der-matol 143:1324

40.  Zlowodzki M, Jonsson A, Bhandari M (2006) Com-mon pitfalls in the conduct of clinical research. Med Princ Pract 15:1–8

Else-Kröner-Fresenius-Stiftung schreibt Forschungspreis aus

Die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) 

vergibt anlässlich des 25. Todestags ihrer 

Stifterin einen internationalen Forschungs-

preis von insgesamt 4 Mio. Euro. Der Preis 

dient der persönlichen Anerkennung von 

bedeutenden Erkenntnissen auf dem Ge-

biet der Immunologie sowie der Förderung 

zukünftiger Forschungsarbeiten des Preis-

trägers.

Kandidaten können bis zum 4. Juli 2012 be-

nannt werden. Die EKFS will herausragende 

Forschungsleistungen auf dem Gebiet der 

Immunologie mit einer persönlichen Aus-

zeichnung von mindestens 500.000 Euro 

würdigen. Eine weitere Preiskomponente 

von bis zu 3,5 Millionen Euro dient der zu-

kunftsgerichteten Forschungsförderung. 

Diese soll dem Preisträger oder einem 

Team von Preisträgern ermöglichen, grund-

legende Erkenntnisse in den kommenden 

Jahren konzentriert – und unabhängig von 

der Einwerbung kurzfristiger Projektgelder 

– zur medizinischen Anwendung weiter 

voranzutreiben.

Der gesamte Vergabeprozess wird in enger 

Kooperation mit der International Union of 

Immunological Societies (IUIS) als interna-

tionaler Dachorganisation der immunologi-

schen Fachgesellschaften durchgeführt. Es 

konnte ein Auswahlkomitee internationaler 

Wissenschaftler gewonnen werden, das 

unter dem Vorsitz des IUIS Präsidenten, 

Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan H. E. Kauf-

mann, die Auswahl des Preisträgers oder 

Preisträgerteams vornehmen wird.

Weitere Informationen unter:  

www.ekfs.de/immunology-award

Quelle: Else-Kröner-Fresenius-Stiftung

www.ekfs.de

Fachnachrichten

226 |  Der Nephrologe 3 · 2012