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Nora Jacobi Malerei & Druckgrafik 1998-2010

Nora Jacobi - Malerei & Druckgrafik

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Kunstkatalog Nora Jacobi, Malerei & Druckgrafik1998-2010, Design, Konzept & Realisation: quad.rat Corporate Communications GmbH

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Nora JacobiMalerei & Druckgrafik

1998-2010

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Für Matteo.

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Aus der Wolke | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2009 | 130 x 110 cm >

> Malen ist eine Art, über das Leben nachzudenken. Nachdenken ist aktiver als blosses Betrachten.

Malen ist ein Wille, die Wirklichkeit zu sehen,

sie zu vertiefen, an ihrer Entdeckung und an ihrem Verständnis mitzuarbeiten.

Auch Malen schafft Wirklichkeit. <

Antoni Tàpies 1967

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Mit einer umfangreichen Präsentation im Kunstforum Georg-Scholz-Haus in Waldkirch im März 2010, der bereits zwei

wichtige Einzelausstellungen in den Jahren 2007 und 2008 vorausgegangen waren, hat Nora Jacobi den Ertrag zwanzigjähriger

künstlerischer Tätigkeit einem breiten Publikum vorgestellt. Allen, die rechtzeitig gekommen waren, um an der hoffnungslos

überfüllten Vernissage in Waldkirch teilnehmen zu können, wurde eine klare Botschaft vermittelt: Hier ist eine Malerin und

Grafikerin nach zwei Jahrzehnten zielstrebiger künstlerischer Arbeit angekommen. Was immer die Zukunft für sie bringen mag:

Diese Bilder werden bleiben! Die Lebensmitte der Künstlerin ist somit unübersehbar und beglückend mit einer beeindruckenden

Serie großformatiger Malerei und einem umfangreichen Konvolut subtiler Grafik markiert. Schon dieser Umstand würde für sich

allein als Gelegenheit und Motivation ausreichen, ihr künstlerisches Werk rückblickend zu dokumentieren und den aktuellen

Stand in detaillierter Momentaufnahme festzuhalten. Zwei weitere Gründe kommen hinzu.

Zum einen hat es von Anfang an und kontinuierlich über die Jahre hinweg viele an Nora Jacobis Arbeiten Interessierte

gegeben, die ihre Bilder – gelegentlich schon von der Staffelei weg – gekauft haben. Ein wesentlicher Teil ihres Œuvres, darunter

wichtige Schlüsselwerke, ist weit über den ganzen Globus bis nach Südamerika und Australien verteilt. Anstelle einer aus

organisatorischen und Kosten-Gründen nicht mehr realisierbaren umfassenden Retrospektiv-Ausstellung ist deshalb eine für

das derzeitige Gesamtwerk repräsentative Katalog-Dokumentation wünschenswert.

Nora Jacobi: Malerei und Grafik von Dr. Wolfgang Jantz

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Zum anderen ist der künstlerische Werdegang von Nora Jacobi für die Beurteilung ihrer Arbeiten der wichtigste, aber

doch nur ein unvollständiger Teil eines an Herausforderungen und signifikanten Erfahrungen reichhaltigen Lebenslaufs, der ihre

malerische und grafische Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Auch wenn ihre Arbeiten für sich sprechen müssen und dies

auch überzeugend tun, ist es doch sehr hilfreich, die Biografie bei der Einordnung und Interpretation zu berücksichtigen.

Diese knappe Beschreibung ihres Œuvres hat also eine doppelte Zielsetzung: einerseits auf die prägenden Erfahrungen

ihres Lebensweges hinzuweisen und sie mit den zeitgleichen künstlerischen Entwicklungsschritten zu verbinden, andererseits

dabei immer wieder innezuhalten und die wesentlichen Merkmale der jeweils entstandenen Malerei und Grafik zusammen-

hängend zu diskutieren. Wir laden Sie, liebe Leser und Betrachter, herzlich ein, uns auf diesem Weg zu begleiten.

< Höhle (Ausschnitt) | 2004 | Acrylmischtechnik auf Leinwand

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toros Serie | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 1997 | je 40 x 40 cm

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grièta (Spalte) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 1998 | 70 x 70 cm >

Nora Jacobi war kein zeichnendes oder malendes Wunderkind.

Trotzdem ist ihr schon in jungen Jahren, und deshalb mit prä-

gender Kraft die Gegenwartskunst intensiv und sehr persönlich

vermittelt worden. Ihr Vater Walter Jacobi, obwohl selbst nicht

bildend künstlerisch tätig, war über viele Jahre bis zu seinem

Tod als Kurator, Organisator und kundiger Einführungssprecher

von Ausstellungen und als kritischer Sammler ein geachtetes

und beliebtes Mitglied der Freiburger Künstlergemeinde. We-

gen der zahlreichen Aktivitäten des Vaters war seine Tochter

schon als Heranwachsende am aktuellen örtlichen und, dank

vieler gemeinsamer Ausstellungsbesuche, auch am überregio-

nalen Kunstgeschehen beteiligt. Wenn es für den bildenden

Künstler zwar keineswegs hinreichend, aber ganz bestimmt

notwendig ist, professionell sehen zu lernen, so darf man sagen,

dass Nora Jacobi diesen Teil ihrer künstlerischen Ausbildung

schon sehr früh und sehr nachhaltig absolviert hat.

Zu dieser Zeit war das Zentrum der grafischen Aktivitäten

(man kann durchaus von einer „Freiburger Schule“ sprechen)

die „Mehlwaage“, die einen stilvollen Ausstellungsraum und

technische Einrichtungen für Lithografie, Radierung und Holz-

schnitt beherbergte. Dort lernte Nora Jacobi mit Brügel, Ko-

vacs, Maier, Mutter, Neunzig-Schwind und Anderen eine Grup-

pe kreativer, hoch motivierter Grafiker kennen, deren Arbeiten

und menschliches Vorbild zweifellos dazu beigetragen haben,

dass Zeichnung und Radierung am Anfang von Nora Jacobis

eigenständiger künstlerischer Tätigkeit stehen und auch ihre

Malerei, wie wir sehen werden, enge Verbindung zur Grafik hält.

Als Walter Jacobi 1998 starb, hinterließ er seiner Tochter nicht

nur eine umfangreiche Kunstsammlung, sondern hatte ihr,

wertvoller noch, die Liebe zur Gegenwartskunst vermittelt.

Den Schritt zum kreativen Künstlertum musste sie selber

tun und verantworten, aber als Motivator für das, was sie

aus ihrem Leben gemacht hat, sei diesem klugen, streitbaren

und doch beispielhaft bescheidenen Mann (er wurde, seinem

Wunsch entsprechend, im „Feld der Ungenannten“ begraben)

hier ein ebenso bescheidenes Denkmal gesetzt.

Die frühen Jahre

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OT (Schnabelgestein) | Aquatinta-Radierung | 1998 | 14,6 x 9,7 cm

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cmNach dem Abitur studierte Nora Jacobi an der Pädagogischen

Hochschule Freiburg, wozu auch die praktische künstlerische

Ausbildung gehörte. Aus dieser Zeit gibt es, unbeschadet qua-

litativ respektabler Übungsblätter, keine Arbeiten, die sie ihrem

Œuvre zurechnen möchte. Die eigenständige Künstlerpersön-

lichkeit entwickelte sich erst nach dem Abschluss der forma-

len Ausbildung. Gleichwohl muss einer ihrer akademischen

Lehrer genannt werden, der über die formale Unterrichtung

hinaus wesentlichen Einfluss auf das Spätere genommen hat:

Prof. Eberhard Brügel, langjähriges, inzwischen emeritiertes

Mitglied des Lehrkörpers der PH Freiburg, hat als unermüdlich

schaffender Holzschneider, Radierer und begnadeter Zeichner

Nora Jacobis spontane Begeisterung für das zeichnerische

Detail erkannt und sie ermutigt, intensiv daran und damit zu

arbeiten.

Nach einem mit zwei mehrmonatigen Studienaufenthalten

in Paris und Perpignan bereicherten Studium schloss Nora

Jacobi 1994 ihre pädagogische und künstlerische Ausbildung

mit dem 2. Staatsexamen ab und begann ihre Berufstätigkeit

als Hauptschullehrerin in Lahr. Zugleich richtete sie sich ihr

erstes eigenes Atelier in Emmendingen ein und beschäftigte

sich mit speziellen Pigmenten, die farblich und strukturell ihre

Neugier erregten, um sich mit selbst entwickelten Techniken

die Malerei zu erschließen.

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Guapulo | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2000 | 120 x 100 cm >

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Ein Ereignis in Nora Jacobis Leben, das sich als wegweisend,

ja entscheidend für ihre künstlerische Entwicklung herausge-

stellt hat, war ihr mehrjähriger Auslands-Aufenthalt in Süd-

amerika, die meiste Zeit davon in Quito, der Hauptstadt von

Ecuador. Gedacht war er keineswegs als „Aussteigen“, son-

dern als Erweiterung ihres pädagogischen Erfahrungshori-

zontes und als Herausforderung zur beruflichen Bewährung

unter erschwerten Bedingungen. Indessen schenkte ihr diese

radikale Veränderung der äußeren Lebensumstände zugleich

in glückhafter Weise den Mut und das Selbstvertrauen, das

eigenständige kreative Künstlertum zu wagen und auch den

Schritt von der Grafik auf bescheidenem Format zur befrei-

enden Malerei auf großer Leinwand zu tun. Die ungewohnte,

exotische Umgebung, das lebensfreundliche Klima, die fremd-

artigen, stimulierenden Lebensumstände, dazu ein eigenes

großes Atelier und ein wachsender Kreis künstlerisch aktiver

und kunstinteressierter Freunde - alles trug bei und sum-

mierte sich zu nichts weniger als dem entscheidenden Durch-

bruch, der entschlossenes kreatives Arbeiten von vorberei-

tenden, aber noch unverbindlichen Versuchen unterscheidet.

Ein überzeugender Beleg für diesen exemplarischen Auf- und

Durchbruch und zugleich ein erster früher Höhepunkt ihres

künstlerischen Schaffens ist die 1997 in Quito entstandene

vierteilige Serie „toros“ (S.10-11). Sie gehört zu den Schlüs-

sel-Werken, die schon vor langer Zeit ihre beneidenswerten,

inzwischen in weiter Ferne lebenden Besitzer gefunden ha-

ben. In vier dicht aufeinander folgenden Momentaufnahmen

wird die wilde Aggressivität und tödliche Gefahr des Stier-

kampfes in emotional aufgeladener Malerei wiedergegeben.

Heftig ausgreifende Pinselschwünge fügen sich dramatisch

zu kraftvollen Farbflächen. Die kompromisslose Entschlos-

senheit der Kontrahenten, das ausweglose Gefangensein in

der Wahl zwischen Töten oder Sterben, wird faszinierend im

diabolischen schwarz-roten Farbkontrast ausgedrückt, des-

sen abstrahierende Beschränkung zugleich die höchstmög-

liche Ausdruckskraft der Farbe hervorbringt. Das Quartett

ist ein singuläres Werk in Nora Jacobis �uvre, das zweifellos

dem zugleich fremdartigen und anregenden Ambiente der

neuen Heimat auf Zeit geschuldet ist. Es gibt keine darauf

hinführenden, vorbereitenden Arbeiten, ebenso wenig wie

es nachfolgende Bilder gibt, welche die expressiv-gestische

Malweise und aktionsbezogene Thematik dieser kleinen Serie

weiterführen. Sie steht als Fanal des Aufbruchs am Beginn

der Künstlerkarriere.

Die Jahre der Entscheidung

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OT (für Patricia – sin mirar atras) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2000 | 130 x 110 cm >

Zweifellos wäre es spannend und aussichtsreich gewesen,

diese gestisch-expressive „reine“ Malerei fortzusetzen und zu

nachhaltigem Erfolg zu führen, denn es gelang hier auf Anhieb

ein überzeugender bildnerischer Ausdruck, der unverkennbar

ein großes malerisches Talent offenbart. Indessen hat Nora

Jacobi anstelle dieser durchaus denkbaren Entwicklung ei-

nen dezidiert anderen Weg beschritten: Zwar konzentrierte

sich ihr Schaffen in den folgenden Jahren tatsächlich auf die

Malerei; insoweit muss man die Stierkampf-Serie als weg-

weisenden Aufbruch verstehen. Um diesen Weg jedoch in der

thematischen und handwerklichen Basis der Ausbildungs-

und Versuchsjahre zu verankern, verband und befruchtete sie

die spontan gewonnene Lust am Malen mit ihren grafischen

Kenntnissen und Bestrebungen. Sie erreichte damit eine ganz

persönliche, kreative Symbiose dieser beiden Ausdrucksfor-

men, die in den nun folgenden Jahren des künstlerischen

Reifens konsequent ausgearbeitet, bereichert und verfei-

nert wurde. Aus diesem Ansatz ist, wie wir sehen werden,

schlussendlich ihre unverwechselbare künstlerische Hand-

schrift hervorgegangen.

Bereits während der Berufstätigkeit in Ecuador und eines da-

ran anschließenden Freistellungs-Jahres sind eine Reihe gra-

fischer und malerischer Arbeiten entstanden, die dieses du-

ale Schaffensprinzip überzeugend vor Augen führen. Bei den

mit zunehmender gestalterischer und technischer Sicherheit

ausgeführten Radierungen ist es zum einen der verstärkte

Einsatz der Aquatinta, der malerische Merkmale in die Druck-

grafik einbringt, insbesondere aber die von ihr entwickelte

Technik des Zweifarbendrucks mit nur einer Platte, die vor

dem Andruck partiell in freier Form, meist rot und schwarz,

eingefärbt wird (S. 64). Zugleich finden wir in der Acrylmale-

rei dieser Jahre, in signifikantem Unterschied zur Stierkampf-

Serie, eine nahezu gleichgewichtige Mitsprache der zeichne-

rischen Gestaltung (S. 13). Thematisch nehmen diese Bilder

das in der Studienzeit entwickelte Interesse an auffälligen

Besonderheiten im Wachstum und Verfall natürlicher und

künstlich geschaffener Strukturen wieder auf. In akribischer

Beschreibung und freiem Nachempfinden entstehen reich-

haltig vernetzte, teils geheimnisvoll verschlossene, teils ana-

lytisch sezierende Bildkompositionen.

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Positives Glanzstück (nach Günter Kunert) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2001 | 130 x 200 cm >

End- und Höhepunkt dieser ersten Schaffensperiode in den

letzten Jahren des alten Jahrtausends ist die 1999 entstan-

dene „Hommage an Richard Serra“ (S. 16-17). Wie die bei ei-

nem Museumsbesuch in Bilbao entdeckten und bewunderten

Stahlskulpturen Serras ist auch die „Hommage“ ein gewal-

tiges Werk: Die dreiteilige Leinwand misst zusammen nicht

weniger als 180 x 350 cm; schon das Mittelteil hat eine Breite

von über zwei Metern. Die etwas auf Abstand zu hängen-

den schmaleren Seitenflügel erzeugen die Anmutung eines

Triptychons, jedoch ist die Komposition zusammenhängend

über alle drei Teile geführt. Den Vorbildern entsprechend ist

der Grundton der in Acryl – Mischtechnik ausgeführten Ma-

lerei ein rostiges Braun, das sich allerdings durch tiefenwirk-

same Aufhellungen und Übergänge ins Rötliche lebhaft von

gleichmäßig gewachsenen Rostflächen unterscheidet. Die

Formensprache der wogenden rotbraunen Wolken ist hoch

dramatisch, wobei sich – hier zum ersten Mal – diese Bewegt-

heit durch die absichtlich stehen gebliebenen Verlaufsspuren

als Ergebnis einer ebenso dynamischen Malweise zu erken-

nen gibt. Vor dieser wogenden Wolkenszenerie tobt ein hef-

tiges Gewitter diagonal und kreuzweise zuckender schwarze

Blitze, die den malerisch betonten rotbraunen Farbflächen ei-

nen streng grafischen Akzent entgegensetzen. Dadurch wird

die dramatische Spannung der Komposition entscheidend

verstärkt. Assoziationen von Brand, Rauch und verkohlten

Stämmen drängen sich auf, lassen den Eindruck gewaltiger,

triumphaler Zerstörung entstehen. Man muss fürwahr Richard

Serra heißen, um einer solchen Hommage würdig zu sein! Es

handelt sich hier ganz zweifellos um ein weiteres Meister-

werk der Künstlerin.

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Nach Beendigung ihrer Unterrichtstätigkeit in Quito hielt sich

Nora Jacobi ein weiteres Jahr ohne berufliche Verpflichtungen

in Süd- und Mittelamerika auf. Sie nutzte diese Zeit zur inten-

siven Weiterarbeit in ihrem Atelier in Quito (die „Hommage an

Richard Serra“ entstand in dieser Zeit), aber auch für Reisen

nach Bolivien, Kolumbien, Mexiko und Peru, mit denen sie ihre

Lebens- und Seh-Erfahrungen bereicherte.

Ende 2000 kehrte sie zurück nach Deutschland, wohnte zu-

nächst in Emmendingen und unterrichtete in Hauptschulen in

Lahr und Wyhl. Sie lernte den Fotografen Roland Krieg kennen,

zog um in sein Haus in Kollnau und mietete ein Atelier im nah

gelegenen Gebäude einer stillgelegten Weberei, das zu einem

Kultur- und Atelierhaus ausgebaut wurde. 2002 kam Sohn

Matteo zur Welt. Mit bewundernswerter Entschlossenheit

und Zähigkeit schaffte es Nora Jacobi, neben Mutterschaft

und Brotberuf kontinuierlich künstlerisch tätig zu sein, um die

Kenntnisse und Erfahrungen der zurückliegenden Jahre auf-

zuarbeiten, in Bilder umzusetzen, weiter zu führen und da-

durch stetig ihre unverwechselbare künstlerische Handschrift

auszuformen. Erst das Zusammenwirken der befreienden

Auslandsjahre und der nun folgenden, konsequent durchge-

haltenen Arbeitsjahre brachte schließlich den Durchbruch und

den nachhaltigen Erfolg.

Wir empfehlen, die Lektüre hier zu unterbrechen und zuerst

die im Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende 2000 entstan-

denen, hier in repräsentativer Auswahl gezeigten Arbeiten zu-

sammenhängend zu betrachten. Die überwiegend in großem

Format ausgeführte Malerei weist ebenso wie die begleitend

entstandene Grafik überzeugend die drei Merkmale nach-

haltig erfolgreichen künstlerischen Schaffens auf: Kraft und

ästhetischer Reichtum der einzelnen Arbeiten, Beständigkeit

im Verfolgen des künstlerischen Ansatzes und konsequen-

tes, schlüssig aus dem jeweils Erreichten abgeleitetes Voran-

schreiten des �uvres insgesamt.

Im dritten Jahrtausend

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Auch Paul Klee war am Anfang seiner Karriere hauptsächlich

als Grafiker tätig und kam zu befreiter Malerei erst dank einer

Reise in ein fremdes, exotisches, farb- und lichterfülltes Land.

Mehr als eine interessante biografische Parallele wollen wir

darin nicht sehen; sie soll uns aber Anlass sein, den berühm-

ten Satz „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder; Kunst macht

sichtbar“ der Interpretation von Nora Jacobis malerischem

und graphischem �uvre nach 2000 als Leitgedanke voranzu-

stellen.

Über die Kernaussage dieses tiefgründigen Doppelsatzes,

dass die bildende Kunst eine Grenzüberschreitung der sichtba-

ren Realität erfordert, die mit handwerklichen Mitteln (Malen,

Zeichnen, Formen) visuell ausgedrückt und vermittelt werden

muss, ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Ergän-

zend, im Hinblick auf das Folgende, sei angemerkt, dass dieser

Aussage ein merkwürdiger, wie so oft der Selbstbezüglichkeit

geschuldeter Widerspruch innewohnt, der zugleich aber ihren

entscheidenden Wert ausmacht. Denn indem der Künstler

imaginär Erschautes und zunächst „nur“ gedanklich Erarbei-

tetes mit seinen handwerklichen Mitteln sichtbar macht, fügt

er dieses Werk ja gerade dem Sichtbaren, d.h. der realen Ge-

genständlichkeit hinzu. Folglich ist z.B. für den von Corot und

Constable geschulten Betrachter eine Landschaft gerade in

der Weise „das Sichtbare“, wie es erst diese Künstler mit ihrer

Malerei „sichtbar“ gemacht haben. Diese Wechselbeziehun-

gen zwischen direkter Realitätswahrnehmung, bildnerischer

Gestaltung dessen, was jenseits visueller Wahrnehmung liegt,

und schließlich rückbezüglicher Veränderung der Realität und

Realitätswahrnehmung durch das künstlerisch sichtbar Ge-

schaffene – sie sind nichts weniger als der Kern dessen, was

Kunst beabsichtigt und im Glücksfall zu leisten vermag. Sie

sind somit auch für das Verständnis von Nora Jacobis Arbeiten

grundlegend bedeutsam.

Fragt man sie nach ihren Vorbildern, so sind es in erster Linie

die Pioniere und Gestalter des europäischen Informel (Wols,

Tàpies, Schumacher und andere), deren anregenden Einfluss

sie dankbar anerkennt. Diese Anregungen hat sie ausgewählt,

adaptiert und souverän zur Bereicherung der eigenen maleri-

schen und zeichnerischen Ausdrucksfähigkeit genutzt. Zwei-

fellos hat sie in diesem breit fließenden Strom, der für einen

weiten Bereich der klassischen Moderne und des gegenwär-

tigen Kunstschaffens bestimmend ist, einen fruchtbaren An-

satz und eine eigenständige malerische Sprache gefunden.

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Krake | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2002 | 100 x 120 cm >

Wenn man das Informel als Nora Jacobis künstlerische Heimat

bezeichnet, muss man einen verbreiteten Irrtum benennen

und vermeiden, der daraus entstanden ist, dass der franzö-

sische Begriff mangels eines geeigneten deutschen Wortes

als Fremdwort übernommen wurde und leider oft als Form-

losigkeit oder gar Beliebigkeit (miss)verstanden wird. Der in-

formell arbeitende Künstler malt oder zeichnet aber keines-

wegs formlos, vielmehr verweigert er sich nur der von Natur

und menschlichem Nützlichkeitsdenken gesetzten Beschrän-

kung auf gegenständliche Formen. Er wählt stattdessen aus

der Menge möglicher Formen, was ihm persönlich wichtig er-

scheint und verdichtet es zu neuer, eigenständiger Realität.

Da auch die freieste visuelle Erfindung (selbstverständlich)

auf der visuellen Erfahrung gründet, sind graduelle Übergänge

zwischen realen und informellen Formen möglich und es ist

die Aufgabe des Künstlers, zwischen Erfahrung und Erfindung

seine persönliche Position zu finden.

Anfänglich diente der Künstlerin als Schaffensanreiz meist ein

Fundstück, das ihre Neugierde erregt, ihre Aufmerksamkeit für

technisch-gegenständliche oder natürlich-pflanzliche Objekte

angesprochen hatte. Es konnte etwas sein, das tatsächlich

aufgesammelt und heimgetragen wurde, z.B. ein rostzerfres-

senes Stück Eisen, ein skurril zerquetschtes Blech, ein Stück

Rinde (S. 14), ein verwachsener Ast, eine auffällig verdrehte

Baumfrucht oder sonst etwas Besonderes, das ihr Interesse

am Wachsen und Zerfallen, am Werden und Vergehen reizte.

Aber auch rein visuelle „Fundstücke“ wie brüchiges Mauer-

werk, schadhafter Putz und blätternde Tünche wurden gern

in der optischen Erinnerung als anregende Vorlage mitgenom-

men, um sie akribisch zu vernetzen oder zu teils geheimnisvoll

verschlossenen, teils analytisch sezierenden Bildkompositio-

nen zusammenzufügen (S. 27).

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recreación (Pause) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2002 | 100 x 110 cm >

Mit zunehmender Sicherheit der freien malerischen Gestaltung

ging Nora Jacobi jedoch schrittweise dazu über, ihre Formen

informell zu definieren und auszugestalten. In einem lang

andauernden Prozess, der aus zahlreichen auf- und abtragen-

den Schritten besteht, wird zunehmend eine ausschließlich

malerische bzw. zeichnerische Realität hergestellt (S. 35). Eine

Verbindung zur gegenständlichen Realität entsteht dagegen

rückbezüglich in der Imagination des Betrachters. Verant-

wortlich dafür, dass uns Nora Jacobis Bilder oft so „natürlich“

erscheinen, dass wir gewachsene Strukturen, ja ganze Land-

schaften mühelos assoziieren können (S. 42-43), sind die ein-

fühlsame Wahl der Farbwerte und die Art ihres Auftrags. Es

dominieren zunächst die naturnahen Farbtöne Braun, Ocker

und Schwarz, deren Materialbezug durch Beimischung von

Sand und anderen Feststoffen, durch reliefartigen Auftrag

und durch tiefe Kratzspuren erfahrbar gemacht wird (S. 45).

Mit der Ausbreitung der Malerei über die gesamte Bildfläche

kommen in Abstimmung mit dem bereits Vorhandenen wei-

tere freie Formakzente und Farbwerte hinzu, die manchmal

in hartem Kontrast (z.B. Hellrot gegen Blau) nebeneinander

gesetzt werden (S. 39). Das Ergebnis ist ein rein malerisch er-

zeugter konkreter Gegenstand, der allein für sich selber steht

und nicht als abstrahierend modifiziertes Abbild von etwas

bereits anderswo Vorhandenem missverstanden werden darf.

Die Eigenständigkeit des Farbauftrags und der Formensprache

wird durch frei schwingende Schlieren und zufällig entstande-

ne, absichtlich belassene Verlaufsspuren betont (S. 36-37). In

dem Maße, wie sich das Bild der Vollendung nähert, wird auch

die Tätigkeit des Malens selbst und damit das persönliche

Engagement der Malerin Inhalt und Thema des Bildes. Die-

ser wachsende, immer intimer werdende Bezug zwischen der

bearbeiteten Leinwand und der tätigen Künstlerin lässt sich

in jedem Bild, aber auch in der Sequenz der Bilder, im maleri-

schen Fortschritt insgesamt, feststellen. In dem Maße, wie im

fertigen Endprodukt der Prozess des Malens nachlebt, vermit-

teln die Bilder dieses dynamische Geschehen, enthalten also

auch eine zeitliche Dimension, besonders deutlich (S. 51-52).

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cm

Drachenblut | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2003 | 110 x 130 cm >

In zahlreichen Einzelschritten, mit denen immer wieder neue

Wirkungen erprobt, bewertet, korrigiert, übermalt und wieder

freigelegt werden, entsteht sukzessive ein ungemein leben-

diges, detailreiches malerisches und zeichnerisches Gewebe,

dessen Schichtung als Protokoll der malerischen Tätigkeit,

der einmaligen, auch von der Künstlerin selbst in dieser Form

nicht wiederholbaren Kreation zu lesen ist. Sie verdichtet sich

einerseits zu markanten makroskopischen Formen mit starken

Vertikalen und Horizontalen (S. 54-57, S. 72), spricht aber an-

dererseits noch im kleinsten Ausschnitt eine ungemein leben-

dige Sprache. Als Betrachter hat man die Wahl, sich durch das

Bild im Ganzen, hauptsächlich also durch die Gesamtkomposi-

tion der großen Formen, inspirieren zu lassen oder die lokalen

farblichen und zeichnerischen Einzelheiten zu studieren. Am

besten tut man beides, nacheinander.

Die einleitend erwähnte große Ausstellung im März 2010 in

Waldkirch zeigte zwar auch einige Arbeiten aus früherer Zeit,

konzentrierte sich aber auf das ganz aktuell Entstandene. Zur

Einführung dieser Ausstellung sprach die Kunsthistorikerin

Antje Lechleiter. Ihr nachfolgender Text erläutert diese jüngs-

ten Entwicklungen.

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OT (fließende Landschaft) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2004 | 120 x 180 cm >

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Höhle | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2004 | 80 x 100 cm >

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Römisches Quadrat | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2005 | 40 x 40 cm

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x 70

cm

Die Malerei von Nora Jacobi bringt Gedanken und Empfindun-

gen zusammen. Die Gedanken kreisen häufig um ein Thema,

die Empfindungen entstehen während des Malvorganges,

durch den Umgang mit Farbe und Material.

Betrachtet man die Werke, die in den vergangenen zehn Jahren

entstanden sind, so kann man anhand dieses Materials sehr

schön nachvollziehen, dass sich gerade in den letzten beiden

Jahren einige entscheidende Veränderungen ergeben haben.

Der Vergleich der Bilder „Mögliche Säulen (der Gesellschaft)“ von

2006 und „Pigment Drachenblut“ von 2003 mit dem Diptychon

„Beautiful day“ von 2009 zeigt es deutlich: Zum einen integriert

die Künstlerin seit dem Jahr 2008 auch Textfragmente – oft

sind es Liedzitate – in ihre Bilder und zum anderen hat sich

ihre Palette verändert. Die dunklen Erd- und Rosttöne sind

verschwunden, Nora Jacobis Kompositionen sind farbiger,

leuchtender, heiterer geworden. Das mag daran liegen, dass

früher oftmals ein Natureindruck, eine Wurzel, ein Rindenstück

oder ein Stein, Auslöser des Malaktes war. Inzwischen ist

dieser Aspekt eher in den Hintergrund getreten, die Künstlerin

zeigt statt dessen Bereiche, die frei sind von Reminiszenzen

ans Gegenständliche und deren Formensprache aus der

Spontaneität der Bewegung entsteht. Durch das Aufstreuen

des körnigen, reinen Pigmentes, sowie durch das Eincollagieren

von übermalten Schmirgelpapierfragmenten („Beautiful day“)

entstehen ganz neue Bildeindrücke, es entstehen Sehzonen,

die mit den Augen begangen werden können.

Es wurde bereits angesprochen, dass Nora Jacobi inzwischen

auch Textfragmente ins Bild bringt. Oftmals verschwimmt die

Realität der Schrift jedoch mit der sich nach vorne, in den Raum

hinein verströmenden Farbigkeit, es entsteht eine Welt, die

über das Sichtbare und Lesbare hinaus Sinn gibt. Die Künst-

lerin setzt ein inneres dynamisches Moment ein, sie verfügt

über eine emotionale Kraft, deren Ziel das Finden von neuen

Formen ist. Dazu bedarf es eines zähen Ringens, man sieht

den Bildern an, dass sie nicht an einem Nachmittag entstan-

den sind. Nora Jacobi malt und übermalt, sie kratzt Teile der

Neuere Werke von Nora Jacobi von Antje Lechleiter

Page 52: Nora Jacobi - Malerei & Druckgrafik

50

Farbschichten wieder weg, legt wie eine Archäologin tiefere

Schichten frei, und erforscht dort Akzentuierungsmöglichkei-

ten ihrer Bildidee. Nicht nur das fertige Bild, auch der Prozess

der Entstehung ist also Teil des Kunstwerkes. Die nach unten

rinnenden Farbspuren, die heftig gegeneinander gesetzten

Kontraste, die mit dem Nagel fast gewaltsam in den Unter-

grund geritzten Gravuren erzählen von der Künstlerin, berich-

ten über Erlebnisse, Wünsche und Erfahrungen. Es mag zu-

nächst erstaunen, dass sich Nora Jacobi, die eigentlich von der

Grafik her kommt, so stark mit Malerei und Farbe beschäftigt.

Druckgrafiken entstehen im Augenblick gar nicht. Beim inten-

siven Betrachten der Werke ist jedoch erkennbar, dass sich

Malerisches hier durchaus mit Zeichnerischem verbindet und

dass in den abstrakten Werken doch nicht alles abstrakt ge-

meint ist. Die Bildstruktur wird aber als ein fließendes System

farbiger Akzente und freier grafischer Zeichen gesehen und

Einzelformen werden daher auch ausschließlich selbständig

behandelt.

Nora Jacobi gestaltet oftmals Diptychen, also zweiteilige

Kompositionen. Sie empfindet diese Bildform wie ein Buch,

vielleicht sogar wie ein Tagebuch mit zwei aufgeschlagenen

Seiten. Betrachtet man exemplarisch das Diptychon „Geh’

nicht“ aus dem Jahr 2000, so zeigt sich, dass die linke Hälfte

aus warmen Rot- und Orangetönen besteht. Die rechte Tafel

präsentiert sich dagegen in einem kühlen Violett. Trotz dieses

vehementen Farbkontrastes gehören beide Hälften zusam-

men. Der linke Teil braucht den rechten, er verlangt nach Fort-

setzung des Begonnenen, möglicherweise sogar nach einem

ganz neuen Kapitel.

Für Nora Jacobi besitzen viele der eingeritzten Zeichen, Wor-

te, Farben und Formen eine Bedeutung, doch möchte sie die

Assoziationen des Betrachters auf keinen Fall durch eigene

Erklärungen stören. In Übereinstimmung mit den Zielen von

Antoni Tàpies, einem von ihr überaus geschätzten Vertreter

des Informel, ist es ihr wichtiger, dass das Bild den Geist des

Betrachters in Schwingung versetzt. Ihre Kunst soll weniger

den Verstand als die Empfindungswelt des Beschauers an-

sprechen.

Römische Landschaft I | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2005 | 70 x 90 cm >

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rouge | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2005 | 110 x 120 cm >

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55 Säulen (der Gesellschaft) I | Acrylmischtechnik auf Leinwand 2006 | 160 x 110 cm

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DialogmiteinerNachtvon Beatrice Schütz

Es sieht mich an aus roten Augen

Ich sehe – Den Sonnentag zerrinnen, von Sternenspitzen aufgenommen

Wir sinken

Es sagt zu mir, mein Schnee ist für die Ewigkeit

Ich sage – ein wenig Frühlingsgrün lässt hoffen, von gelber Kraft genährt

Wir sinken ein

Es lässt mich den Orangenhund laut bellen hören

Ich lasse – die grellen Fastnachtsfalter fliegen, in Astgestalten sich verirren

Wir sinken tiefer

Es droht mir, morgen ist die Woche schon vorüber

Ich drohe – im Chaos wegzulaufen, in Farbgeflechten eingesponnen

Wir sinken tiefer ein

Es bietet mir die Schleife aus Damast zur Rettung

Ich biete – den Blick aus blauen Augen, von deinen Spielen angenommen

Wir stehen auf dem Grund

Ich möchte dich berühren, fühlen Ich höre deinen Schnee von dunkelroten Ziegeln rutschen Ich rieche feuchte Tannennadeln

Du kennst – den Raum in dem die Farben tanzen – in einer Neumondnacht

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OT (Blattgeäder) | Aquatinta-Radierung | 1998 | 19,5 x 19,5 cm

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Monte Sacrado (heiliger Berg) | Aquatinta-Radierung | 1998 | 19,7 x 19,5 cm

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Salar de Uyuni (Salzwüste von Uyuni, Bolivien)| Aquatinta-Radierung | 1999 | 19,2 x 19,2 cm

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Salar (Durchätzung) | Aquatinta-Radierung | 2003 | 10 x 15 cm

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streamers | Aquatinta-Radierung | 2005 | 2 x 4,8 x 4,8 cm

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OT | Aquatinta-Radierung | 2010 | 14,7 x 14,7 cm

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1996 Atelier-Ausstellung in Emmendingen

1998 Quito/Ecuador: muestra de jovenes pintores,

Casa de las tres Manuelas

1999 Quito/Ecuador: Humboldt-Gesellschaft

2000 Quito/Ecuador: Guzman

2001 Liège/Belgien: Espace d‘Art Contemporain les Brasseurs

2002 Molsheim/Frankreich: „Wort und Bild“

2002 Kunstverein March

2003 Galerie im A(r)telier, Ehrenkirchen

2003 Feminale, Waldkirch

2004 „Offensichtlich 04“, Offene Ateliers in

Freiburg und Umgebung

2005 „Schöpfungsschichten“, Karl-Rahner-Haus, Freiburg

2006 expo Waldkirch, Praxis Dr. Varljen/Bodirsky, Freiburg

2006 „Offensichtlich 06“, Offene Ateliers in

Freiburg und Umgebung

2007 Galerie ArtPraxis, Waldkirch

2008 Praxiszentrum Innere Medizin, Emmendingen

2010 „Durchsicht“, Georg-Scholz-Haus, Waldkirch

2011 "exposition d art et de science", Sélestat, Frankreich

Ausstellungen

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Biografie

Geboren 1967 in Freiburg i.Brsg.

Studium an der Pädagogischen Hochschule

in Freiburg (Bildende Kunst und Deutsch)

1990 Studienaufenthalt in Perpignan

1992 Stipendium in Paris

seit 1994 freies künstlerisches Arbeiten

seit 1996 verschiedene Gruppenausstellungen

1997 Abschluss Erweiterungsstudium

Museumspädagogik

1997 – 1999 Auslandsdienstlehrkraft an der

Deutschen Schule Quito, Ecuador

1999 – 2000 Reisen in Süd- und Mittelamerika,

Atelier in Quito

2001 Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler

2002 Atelier in der ehemaligen Kollnauer

Spinnerei/Weberei, Fabrikstr. 17 in

Waldkirch-Kollnau

Ausstellungen

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Autoren:

Dr. Wolfgang Jantz

Dr. Antje Lechleiter

Beatrice Schütz

Fotografie:

Roland Krieg Fotodesign, Frank Rapp

Lithografie:

Caledonia Bildbearbeitung, Waldkirch

Gestaltung:

quad.rat Corporate Communications GmbH, Freiburg

Gesamtherstellung:

Burger Druck GmbH, Waldkirch-Kollnau

© Texte bei den Autoren

© 2011 Nora Jacobi, Waldkirch

Impressum

76Besonders herzlichen Dank an:

Dr. Wolfgang Jantz

Karl-Heinz Grimm

Roland Krieg

Danke den Sponsoren:

Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau

Stadtwerke Waldkirch GmbH

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