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Monatsschr Kinderheilkd 2014 · 162:385–393 DOI 10.1007/s00112-013-2967-7 Online publiziert: 18. April 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 C. Geffers 1  · S. Haller 2  · G. Heller 3  · L. Gortner 4  · W. Göpel 5  · C. Bührer 6 1 Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin 2 Robert Koch-Institut, Berlin 3 AQUA-Institut, Göttingen 4 Kinderklinik, Universität des Saarlands, Homburg 5 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck 6 Klinik für Neonatologie, Charité Universitätsmedizin Berlin Nosokomiale Infektionen  bei Neugeborenen  Wo stehen wir in Deutschland? Nosokomiale Infektionen bei Neu- geborenen erhöhen deren Mortali- tät und Morbidität sowie die Behand- lungskosten. Eine Surveillance liefert Vergleichswerte für Bewertungen eigener Infektionsraten und kann da- mit zu ihrer Reduktion beitragen. Seit 2001 besteht in Deutschland die ge- setzliche Verpflichtung für die Lei- ter von Krankenhäusern, eine Surveil- lance nosokomialer Infektionen in Risikobereichen sicherzustellen (IfSG § 23), zu denen auch Neugeborenen- intensivstationen zählen. NEO-KISS Referenzdatenbank für nosokomiale Infektionen bei Frühgeborenen Während das Qualitätsmanagement in der Neonatologie mit der Neonatalerhe- bung eine jahrzehntelange Tradition hat, existierte bis 1997 kein System zur Sur- veillance von nosokomialen Infektionen bei Frühgeborenen in Deutschland. 1994 wurde ein Pilotprojekt nach dem Vorbild des amerikanischen CDC gestartet [4, 5]. Die dort verwendeten Definitionen für die Feststellung einer nosokomialen In- fektion waren jedoch allgemein für Kin- der unter 1 Jahr entwickelt worden und deshalb für Frühgeborene nur bedingt geeignet [9]. Es wurden daher Definitio- nen für diese spezielle Patientenpopula- tion erarbeitet und über einen Zeitraum von 10 Monaten getestet, bevor sie 1995 in 3 NICU in Berlin zur Surveillance noso- komialer Infektionen mit stationsbezoge- ner Erfassung zum Einsatz kamen. Paral- lel wurde 1996 vom NRZ in Deutschland ein bundesweites System zur Surveillance nosokomialer Infektionen für Intensivpa- tienten und operierte Patienten aufgebaut: KISS. Dieses wurde um das Neonatologie- modul NEO-KISS ergänzt [3, 6]. Methodik des NEO-KISS Seit 2000 arbeitet NEO-KISS patientenbe- zogen, die Teilnahme der Kliniken ist frei- willig und kostenlos, vorausgesetzt wird jedoch der Besuch eines Einführungskur- ses, bei dem die Methodik und die Defi- nitionen erläutert werden. Eingeschlossen in NEO-KISS sind Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht <1500 g (VLBW), für die patientenspezi- fische Stammdaten (Geschlecht, Geburts- gewicht, Gestationsalter, Einlings-/Mehr- lings-Status, Geburtsmodus und CRIB- Score) aufgezeichnet werden. Die Surveil- lance umfasst die nosokomialen Infektio- nen primäre Sepsis und Pneumonie sowie die NEC als Erkrankung mit partiell in- fektiöser Genese. Sie beginnt mit der Auf- nahme des Kindes auf die Abteilung und endet mit seiner Entlassung, seiner Ver- legung, dem Erreichen eines Gewichts Abkürzungen CDC „Center for Disease Control“ CPAP „Continuous positive airway pressure“ CRIB „Clinical risk index for babies“ E. coli Escherichia coli ESBL „Extended spectrum beta-lacta- mase“ GNN „German Neonatal Network“ HR „Hazard ratio“ IfSG Infektionsschutzgesetz IQR „Interquartile range“ KISS Krankenhausinfektionssurveil- lancesystem MRGN Multiresistente gramnegative Erreger MRSA Methicillinresistenter Staphylo- coccus aureus NEC Nekrotisierende Enterokolitis NEO-KISS KISS-Modul für Frühgeborene auf neonatologischen Intensiv- stationen NHSN „National Healthcare Safety Network“ NICU „Neonatal intensive care unit“ NRZ Nationales Referenzzentrum PICU „Pediatric intensive care unit“ PVK Peripherer Venenkatheter RKI Robert Koch-Institut RSV „Respiratory syncytial virus“ VLBW „Very low birth weight“ (<1500 g) VRE Vancomycinresistente Entero- kokken ZVK Zentraler Venenkatheter Leitthema Redaktion E. Herting, Lübeck G. Hansen, Hannover 385 Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014|

Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

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Page 1: Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

Monatsschr Kinderheilkd 2014 · 162:385–393DOI 10.1007/s00112-013-2967-7Online publiziert: 18. April 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C. Geffers1 · S. Haller2 · G. Heller3 · L. Gortner4 · W. Göpel5 · C. Bührer6

1 Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin2 Robert Koch-Institut, Berlin3 AQUA-Institut, Göttingen4 Kinderklinik, Universität des Saarlands, Homburg5 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck6 Klinik für Neonatologie, Charité Universitätsmedizin Berlin

Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen Wo stehen wir in Deutschland?

Nosokomiale Infektionen bei Neu-geborenen erhöhen deren Mortali-tät und Morbidität sowie die Behand-lungskosten. Eine Surveillance liefert Vergleichswerte für Bewertungen eigener Infektionsraten und kann da-mit zu ihrer Reduktion beitragen. Seit 2001 besteht in Deutschland die ge-setzliche Verpflichtung für die Lei-ter von Krankenhäusern, eine Surveil-lance nosokomialer Infektionen in Risikobereichen sicherzustellen (IfSG § 23), zu denen auch Neugeborenen-intensivstationen zählen.

NEO-KISS

Referenzdatenbank für nosokomiale Infektionen bei Frühgeborenen

Während das Qualitätsmanagement in der Neonatologie mit der Neonatalerhe-bung eine jahrzehntelange Tradition hat, existierte bis 1997 kein System zur Sur-veillance von nosokomialen Infektionen bei Frühgeborenen in Deutschland. 1994 wurde ein Pilotprojekt nach dem Vorbild des amerikanischen CDC gestartet [4, 5]. Die dort verwendeten Definitionen für die Feststellung einer nosokomialen In-fektion waren jedoch allgemein für Kin-der unter 1 Jahr entwickelt worden und deshalb für Frühgeborene nur bedingt geeignet [9]. Es wurden daher Definitio-

nen für diese spezielle Patientenpopula-tion erarbeitet und über einen Zeitraum von 10 Monaten getestet, bevor sie 1995 in 3 NICU in Berlin zur Surveillance noso-komialer Infektionen mit stationsbezoge-ner Erfassung zum Einsatz kamen. Paral-lel wurde 1996 vom NRZ in Deutschland ein bundesweites System zur Surveillance nosokomialer Infektionen für Intensivpa-tienten und operierte Patienten aufgebaut: KISS. Dieses wurde um das Neonatologie-modul NEO-KISS ergänzt [3, 6].

Methodik des NEO-KISS

Seit 2000 arbeitet NEO-KISS patientenbe-zogen, die Teilnahme der Kliniken ist frei-willig und kostenlos, vorausgesetzt wird jedoch der Besuch eines Einführungskur-ses, bei dem die Methodik und die Defi-nitionen erläutert werden.

Eingeschlossen in NEO-KISS sind Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht <1500 g (VLBW), für die patientenspezi-fische Stammdaten (Geschlecht, Geburts-gewicht, Gestationsalter, Einlings-/Mehr-lings-Status, Geburtsmodus und CRIB-Score) aufgezeichnet werden. Die Surveil-lance umfasst die nosokomialen Infektio-nen primäre Sepsis und Pneumonie sowie die NEC als Erkrankung mit partiell in-fektiöser Genese. Sie beginnt mit der Auf-nahme des Kindes auf die Abteilung und endet mit seiner Entlassung, seiner Ver-legung, dem Erreichen eines Gewichts

AbkürzungenCDC „Center for Disease Control“

CPAP „Continuous positive airway pressure“

CRIB „Clinical risk index for babies“

E. coli Escherichia coliESBL „Extended spectrum beta-lacta-

mase“

GNN „German Neonatal Network“

HR „Hazard ratio“

IfSG Infektionsschutzgesetz

IQR „Interquartile range“

KISS Krankenhausinfektionssurveil-lancesystem

MRGN Multiresistente gramnegative Erreger

MRSA Methicillinresistenter Staphylo-coccus aureus

NEC Nekrotisierende Enterokolitis

NEO-KISS KISS-Modul für Frühgeborene auf neonatologischen Intensiv-stationen

NHSN „National Healthcare Safety Network“

NICU „Neonatal intensive care unit“

NRZ Nationales Referenzzentrum

PICU „Pediatric intensive care unit“

PVK Peripherer Venenkatheter

RKI Robert Koch-Institut

RSV „Respiratory syncytial virus“

VLBW „Very low birth weight“ (<1500 g)

VRE Vancomycinresistente Entero-kokken

ZVK Zentraler Venenkatheter

Leitthema

RedaktionE. Herting, LübeckG. Hansen, Hannover

385Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014  | 

Page 2: Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

von 1800 g oder dem Tod. Jedes Auftre-ten einer der 3 nosokomialen Outcome-variablen (Sepsis, Pneumonie, NEC) wird dokumentiert.

D Als nosokomial gilt ein Ereignis, das sich frühestens 72 h nach der Aufnahme manifestiert. 

Die Dokumentation dieser Ereignisse be-inhaltet auch vorgefundene Symptome, das Infektionsdatum, nachgewiesene In-fektionserreger und einen möglichen zeit-lichen Bezug zu vorangegangenen An-wendungen (Gefäßkatheter vor Entwick-lung einer Sepsis bzw. Beatmung vor dem

Auftreten einer Pneumonie, . Abb. 1). Um später aussagekräftige Raten für no-sokomiale Infektionen berechnen zu kön-nen, werden als Bezugsdaten auch die Pa-tiententage, die sog. Hilfsmitteltage, als Gefäßkathetertage zentral (ZVK) bzw. peripher (PVK) und Beatmungstage (Tu-bustage, CPAP-Tage) ermittelt. Zusätz-lich werden Tage mit systemischer Anti-biotikatherapie dokumentiert, seit Janu-ar 2013 um die Nennung der Wirksubs-tanz ergänzt. Ebenfalls seit 2013 wer-den auch Nachweise der bedeutsamsten multiresistenten Erreger (MRSA, VRE, 2/3/4MRGN, Nomenklatur s. Simon u. Exner [17] in diesem Heft) bei Frühge-

borenen dokumentiert, und zwar auch, wenn diese den Patienten bereits vor sei-ner Aufnahme besiedelt hatten, also nicht nosokomial sind oder reine Kolonisatio-nen darstellen.

Aufgrund der unterschiedlichen Ri-siken werden die Daten einer Abteilung und die Referenzdaten für Deutschland in 3 Geburtsgewichtsklassen stratifiziert (<500 g, 500–999 g, 1000–1499 g). Die Daten werden seit 2006 über eine Online-plattform (webKess) an die Datenzentra-le des KISS übermittelt. Die Teilnehmer können ihre eigenen Daten jederzeit in webKess einsehen, bearbeiten und über frei definierbare Zeiträume auch selbst Auswertungen erstellen.

Nutzen von NEO-KISS

2005 formulierte der Gemeinsame Bun-desausschuss in den Anforderungen an Level-1- und Level-2-Zentren zur Versor-gung Frühgeborener die Notwendigkeit einer Teilnahme an einer externen Infek-tionssurveillance, die durch eine Teilnah-me am NEO-KISS erfüllt wird. Im Juni 2013 wurden vom RKI zudem Hinweise zur Durchführung der im IfSG seit 2011 neu geforderten Antibiotikaverbrauchs-surveillance in Krankenhäusern veröf-fentlicht [16]. Während das RKI für die übrigen Bereiche eines Krankenhauses aktuell selbst ein Surveillancesystem be-züglich des Antibiotikaverbrauchs auf der Basis von Apothekendaten erarbeitet, wird für den Bereich der Neonatologie explizit die Anwendung der NEO-KISS- Methode empfohlen.

Eine Analyse des zeitlichen Verlaufs von Infektionsraten von an NEO-KISS be-teiligten Abteilungen konnte eine Reduk-tion der primären Sepsis von 27% inner-halb von 3 Jahren Teilnahme zeigen [14]. Dies dürfte sowohl auf gezielte Interven-tionen als Reaktion auf hohe Infektionsra-ten als auch auf die durch die Surveillance bedingte höhere Sensibilisierung für das Thema zurückzuführen sein.

Primär als Instrument der internen Qualitätssicherung entwickelt und etab-liert, liefert NEO-KISS inzwischen aber auch Daten zur Epidemiologie nosoko-mialer Infektionen und resistenter Erre-ger bei Frühgeborenen in Deutschland.

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<500g 1000-1499g

%

PVK ZVK CPAP Tubus

Abb. 1 8 Anwendungsrate (Anteil Patiententage mit einem Hilfsmittel pro 100 Patiententage) in % für Gefäßkatheter und Beatmung (PVK Tag mit liegender peripherer vaskulärer Verweilkanüle bei Ab-wesenheit eines ZVK, ZVK Tag mit liegendem zentralem Gefäßkatheter, CPAP Tag mit Beatmung über CPAP ohne Endotrachealtubus, Tubus Tag mit Beatmung über einen Endotrachealtubus, NEO-KISS- Referenzdaten von 2008–2012), Erläuterung der Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

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Abb. 2 8 Inzidenz (%) nosokomialer Infektionen [Anteil Patienten mit nosokomialer Infektion (NI) pro 100 Patienten] bei Frühgeborenen, stratifiziert nach Geburtsgewichtsgruppen

386 |  Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014

Leitthema

Page 3: Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

Daten zu nosokomialen Infektionen und deren Erreger aus NEO-KISSIm Jahr 2012 lieferten 234 Abteilungen Daten zu Frühgeborenen an NEO-KISS [12], davon 69% Level-1- und 25% Level-2-Perinatalzentren sowie 6% Abteilungen mit perinatalem Schwerpunkt oder Ge-burtskliniken.

In den Jahren von 2008–2012 wur-den die Daten von 35.249 Frühgebore-nen an das NEO-KISS übermittelt, da-von 60% mit 1000–1499 g, 36% mit 500–999 g und 4% mit <500 g Geburtsge-wicht. Pro Kalenderjahr werden im Me-dian 28 VLBW-Kinder (<1500 g Geburts-gewicht) pro Abteilung behandelt. Der IQR der Anzahl behandelter Kinder pro Kalenderjahr und Abteilung liegt bei 12 bis 47 Frühgeborenen. In Abteilungen mit über 30 VLBW/Jahr, die einem An-teil von etwas unter 50% aller neonatolo-gischen Abteilungen im NEO-KISS ent-sprechen, werden 80% der Frühgebore-nen behandelt. Die Frühgeborenen ste-hen im NEO-KISS im Durchschnitt 54 (Geburtsgewicht <500 g), 49 (Geburtsge-wicht 500–999 g) bzw. 27 Tage (Geburts-gewicht 1000–1499 g) unter Surveillance.

D Die Inzidenz nosokomialer Infektio-nen lag bei 21%, d. h., etwa jedes 5. Frühgeborene erlitt mindestens eine nosokomiale Infektion.

Dabei treten die Unterschiede in den Ge-burtsgewichtsgruppen deutlich zu Tage (. Abb. 2).

Mehr als eine Infektionsepisode er-litten 17% der Kinder mit nosokomia-ler Infektionen. Während der Surveillan-cedauer entwickelten sich 6 nosokomia-le Infektionen (primäre Sepsis, Pneumo-nie, NEC) pro 1000 Patiententage. Davon entfielen 78% auf die primäre Sepsis, 13% auf die Pneumonie und 9% auf die NEC. . Tab. 1 zeigt die wichtigsten Infektions-

Zusammenfassung · Abstract

Monatsschr Kinderheilkd 2014 · 162:385–393 DOI 10.1007/s00112-013-2967-7© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C. Geffers · S. Haller · G. Heller · L. Gortner · W. Göpel · C. Bührer

Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen. Wo stehen wir in Deutschland?

ZusammenfassungHintergrund. Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen erlangten in den letzten Jah-ren große mediale Aufmerksamkeit.Ziel der Arbeit. Es werden wichtige quanti-fizierbare Informationen zu nosokomialen In-fektionen bei Neugeborenen in Deutschland dargestellt.Material und Methoden. Die verfügbaren epidemiologischen Daten, insbesondere aus der NEO-KISS-Surveillance (NEO: Frühgebo-rene auf neonatologischen Intensivstationen, KISS: Krankenhausinfektionssurveillancesys-tem), werden dargestellt.Ergebnisse. Von nosokomialen Infektionen (Sepsis, Pneumonie, nekrotisierende Ente-rokolitis) sind etwa 44% der Frühgeborenen unter 500 g, 34% der Kinder mit 500–999 g und 12% der Kinder mit 1000–1499 g Ge-burtsgewicht betroffen, wobei die Sepsis mit 78% dominiert. Außer Geburtsgewicht und Gestationsalter spielen der Einsatz von Hilfs-mitteln (Gefäßkatheter, Atemhilfen) und die Personalausstattung der Stationen eine Rol-le. Die „hazard ratios“ von zentralen und pe-ripheren Kathetern nähern sich mittlerweile weitgehend an (6,18 bzw. 5,97). Eine perso-

nelle Unterbesetzung (>5% der Planstellen) korreliert mit einem Anstieg der mit zentra-len Kathetern assoziierten Sepsisrate um fast 50% („odds ratio“ 1,47). Bei mehr als der Hälf-te der laborbestätigten Sepsisfälle lassen sich koagulasenegative Staphylokokken aus der Blutkultur anzüchten. Multiresistente Erreger spielen mit 3,4% eine vergleichsweise klei-ne Rolle, carbapenemresistente gramnegati-ve Erreger wurden in Deutschland bei Neuge-borenen bisher nicht beobachtet. Abhängig vom Definitionsintervall ist in Deutschland mit 26 bis 61 Ausbrüchen pro Jahr auf Neu-geborenenintensivstationen zu rechnen.Diskussion. Das Bild, das sich aufgrund der NEO-KISS-Daten ergibt, wird sich durch die begonnene horizontale Ausweitung (Euro-NEO-KISS) und die Erhebung von Antibiotika-einsatz und bakteriellen Resistenzmustern ab 2013 weiter differenzieren.

SchlüsselwörterFrühgeborene · Katheter · Sepsis · Pflegeschlüssel · Multiresistente Erreger

Nosocomial infections in neonates. What is the situation in Germany?

Abstract

Background. Outbreaks of nosocomial in-fections in neonates have recently received broad media interest.Objectives. Data on nosocomial infections in German neonatal intensive care units are presented.Material and methods. The available epide-miological data, mostly based on the NEO-KISS (hospital infection surveillance system) surveillance system were analyzed.Results. Nosocomial infections (e.g. sep-sis, pneumonia and necrotizing enterocoli-tis) affect approximately 44% of preterm in-fants <500 g birth weight, 34% of infants with birth weights 500–999 g and 12% of in-fants with birth weights 1,000–1,499 g, with sepsis (78%) dominating over pneumonia (13%) and necrotizing enterocolitis (9%). De-vice use and understaffing have emerged as important risk factors in addition to low birth weight and gestational age. The gap in haz-ard ratios between central and peripheral catheters has almost disappeared (6.18 and 5.97, respectively). Understaffing (>5% below target) is linked with an almost 50% increase in the risk of catheter-associated sepsis (odds

ratio 1.47). Coagulase-negative staphylococ-ci are cultured in more than 50% of blood-stream positive sepsis cases while bacteria with multiple antibiotic resistance are reco-vered in only 3.4% of cases. To date, no cases of carbapenem-resistant gram-negative sep-sis have been observed in the German neo-natal intensive care units under surveillance. Depending on the time interval (14–90 days) used for defining an outbreak, the number of outbreaks in neonatal intensive care units per year varies from 26 to 61.Conclusion. More detailed information on neonatal nosocomial infections will be avail-able following incorporation of the NEO-KISS module into the EuroNeoNet quality im-provement initiative (2012). Furthermore, da-ta concerning the use of antibiotics and mi-crobial resistance patterns have been collect-ed since 2013.

KeywordsPreterm infants · Catheters · Sepsis · Understaffing · Multiresistant pathogens

Infobox 1 Weiterführende Informationen im Netz

F  http://www.cdc.gov/nhsn/F  http://www.nrz-hygiene.de/surveillance/

kiss/F  http://www.rki.deF  http://www.vlbw.de

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Page 4: Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

raten für nosokomiale Infektionen für die 3 Geburtsgewichtsgruppen.

Die häufigste nosokomiale Infektions-art bei Frühgeborenen, die primäre Sepsis,

wird in knapp 52% der Fälle ohne Nach-weis eines Erregers in der Blutkultur dia-gnostiziert (klinische Sepsis).

Bei der laborbestätigten Sepsis (. Abb. 3) überwiegen die koagulase-negativen Staphylokokken, die Häufig-keit der multiresistenten Erreger MRSA, ESBL (E. coli und Klebsiella pneumoni-ae) und VRE scheint seit 2007 nicht zu-genommen zu haben (. Abb. 4). Ent-erobacterstämme mit enzymvermittel-ter Resistenz gegen Carbapeneme spielen (bisher) keine Rolle.

Häufigkeit nosokomialer Infektionen bei Frühgeborenen in Deutschland vs. USA

In den USA nimmt inzwischen das NHSN die Aufgaben eines nationalen ameri-kanischen Surveillancesystems war. In der Methodik unterscheiden sich NHSN und NEO-KISS: Während im NEO-KISS die Surveillance auf Frühgeborene unter 1500 g Geburtsgewicht beschränkt wird und diese dann unabhängig vom Aufent-haltsort des Kindes innerhalb einer neo-natologischen Abteilung unter Surveillan-ce stehen (patientenbezogene Surveillan-ce), wird bei der Surveillance im NHSN eine NICU mit allen Patienten, die sich dort befinden, unter Surveillance genom-men (stationsbezogene Surveillance). Im NEO-KISS werden alle Daten zu Frühge-borenen einer Abteilung, im NHSN da-gegen die Daten aller Patienten (Früh- und Reifgeborene) einer Station berech-net. Im NEO-KISS kommen spezielle De-finitionen für Frühgeborene zur Anwen-dung, während in den USA die davon ab-weichenden CDC-Definitionen für Kin-der unter 1 Jahr Verwendung finden. An-ders als bei NEO-KISS werden PVK- und CPAP-Anwendung als Risikofakto-ren in den USA nicht erfasst. Da jedoch die Hilfsmittelanwendungsraten bekannt sind (. Tab. 2), lassen sich die hilfsmit-telassoziierten Infektionsraten von Früh-geborenen beider Systeme für die ZVK-assoziierte Sepsis und die tubusassoziier-te Pneumonie [2] vergleichend darstellen (. Tab. 3)

Die höheren Raten von hilfsmittel-assoziierten Infektionsraten in Deutsch-land gegenüber den USA stehen in Wider-spruch zu den insgesamt eher niedrigeren Infektionsraten, etwa im Vergleich zwi-schen NICU aus dem GNN und dem von nordamerikanischen Kliniken dominier-

Tab. 1 Nosokomiale Infektionen und hilfsmittelassoziierte Infektionsraten, nach Geburts-gewicht stratifiziert (NEO-KISS Referenzdaten 2008–2012)

  Geburtsgewicht <500 g

Geburtsgewicht 500–999 g

Geburts-gewicht 1000–1499 g

Anzahl Patienten, Patiententage, Hilfsmitteltage und nosokomiale Infektionen

Patienten 1313 13.220 20.716

Patiententage 70.410 644.982 565.980

ZVK-Tage 28.658 204.134 103.972

PVK-Tage 13.526 131.731 160.022

Tubustage 24.350 130.771 33.151

CPAP-Tage 29.953 278.005 132.130

Primäre Sepsis

580 3617 1791

ZVK-assoziierte Sepsis 336 1893 582

PVK-assoziierte Sepsis 137 1086 923

Pneumonie 102 495 100

Tubusassoziierte Pneumonie 82 290 45

CPAP-assoziierte Pneumonie 18 167 32

NEC 83 640 259

Inzidenzdichte nosokomialer Infektionen (Infektionen pro 1000 Patiententage)

Primäre Sepsis 8,4 5,6 3,2

Pneumonie 1,5 0,8 0,2

NEC 1,2 1,0 0,5

Hilfsmittelassoziierte Infektionsraten (Infektionena pro 1000 Hilfsmitteltage)

ZVK-assoziierte Sepsis 11,7 9,3 5,6

PVK-assoziierte Sepsis 10,1 8,2 5,8

Tubusassoziierte Pneumonie 3,4 2,2 1,4

CPAP-assoziierte Pneumonie 0,6 0,6 0,2aHilfsmittelassoziierte Infektion: nosokomiale Infektion mit zeitlicher Assoziation zu einem Hilfsmittel (Vorhan-densein eines Hilfsmittels innerhalb von 48 h vor Infektionsbeginn)

Tab. 2 Hilfsmittelanwendungsratena für Frühgeborene in den USAb und Deutschlandc

Land USA Deutschland USA Deutschland

Geburtsgewicht <1001 g <1000 g 1001–1500 g 1000–1499 g

ZVK 40 32 28 18

Endotracheale Beatmung 31 22 11 6Erläuterung der Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis. aTage mit Hilfsmittelversorgung/100 Patiententage, gepooltes Mittel. bSurveillancesystem NHSN, Level-III-NICU. cSurveillancesystem NEO-KISS

Tab. 3 ZVK-assoziierte Sepsis- und tubusassoziierte Pneumonieratea in den USAb und Deutschlandc

Land USA Deutschland USA Deutschland

Geburtsgewicht <1001 g <1000 g 1001–1500 g 1000–1499 g

ZVK-assoziierte Sepsis 2,3 9,6 1,3 5,6

Tubusassoziierte Pneumonie 1,5 2,4 1,0 1,4Erläuterung der Abkürzungen s. AbkürzungsverzeichnisaHilfsmittelassoziierte Infektionen/1000 Tage mit HilfsmittelversorgungbFrühgeborene aus dem Surveillancesystem NHSN, Level-III-NICUcFrühgeborene aus dem Surveillancesystem NEO-KISS

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Leitthema

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ten „Vermont Oxford Network“ [8]. Par-tiell könnte sich die Diskrepanz durch die kürzeren Hilfsmittelanwendungszeiten in Deutschland erklären (höherer Quotient bei kleinerem Nenner), wobei zu postulie-ren wäre, dass sich ein erheblicher Anteil nosokomialer Infektionen letztlich hilfs-mittelunabhängig ereignet.

Analysen und Erhebungen von nosokomialen Infektionen

Analysen mit Daten des NEO-KISS

Mit Hilfe der NEO-KISS-Daten ließen sich eine Reihe von Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen und Angaben

zu Ausbrüchen bei Frühgeborenen in Deutschland ermitteln.

Gefäßkatheter als Risiko für die primäre nosokomiale Sepsis bei FrühgeborenenAuch nach Adjustierung für andere Fak-toren bleiben Gefäßkatheter bei Frühge-borenen ein unabhängiger Sepsisrisiko-faktor [7]. Dabei erhöht nicht nur ein lie-gender ZVK das Risiko für eine Sepsis in den darauffolgenden 2 Tagen (HR=6,18), sondern auch ein PVK (HR=5,97). Dies könnte darin begründet sein, dass Unter-schiede beim Umgang mit beiden Gefäß-katheterarten ein eigentlich existierendes unterschiedliches Risiko ausgleichen – beim Umgang mit PVK werden Präven-tionsmaßnahmen bei Anlage, Pflege und Umgang meist weniger streng gehandhabt als beim ZVK.

» Für ZVK und PVK sollten die gleichen Präventionsmaß-nahmen beachtet werden

Im Jahr 2001 wurden die Teilnehmer am NEO-KISS befragt, wie lange sie vor An-lage eines ZVK das Hautdesinfektionsmit-tel an der Einstichstelle einwirken lassen. Während 95% der Teilnehmer angaben, mindestens 1 min Einwirkzeit vor einer ZVK-Anlage abzuwarten, gaben bei der PVK-Anlage nur 11% eine Mindestein-wirkzeit von 1 min an. Anscheinend ist in der täglichen Praxis die Risikowahr-nehmung des Personals beim Umgang mit PVK geringer. Es bleibt offen, ob das Sepsisrisiko auch bei Einhaltung der für ZVK geltenden Präventionsmaßnahmen bei PVK für beide Katheterarten gleich hoch wäre.

Die Indikation für Gefäßkatheter al-ler Art sollte streng gestellt und regelmä-ßig kritisch überprüft werden. Die Ge-fäßkatheteranlage muss unter Einhaltung streng aseptischer Technik erfolgen, und Manipulationen am Gefäßkatheter oder am System müssen penibel überwacht werden, unabhängig davon, ob zentrale oder periphere Gefäßkatheter verwendet werden.

KNS56%

SAU10%MRSA

1%

ENT7%

VRE0,4%

ENB6%

ECO5%

ESBL_ECO1%

KLE4%

ESBL_KLE1%

CAN3%

SER1%

BST1%

PAE1%

ACI1%

Andere3%

Abb. 3 8 Erreger der laborbestätigten Sepsis bei Frühgeborenen (% der la-borbestätigten Sepsisfälle mit dem Erreger; NEO-KISS-Daten von 2005–2012). KNS koagulasenegative Staphylokokken, SAU Staphylococcus aureus (ohne MRSA), MRSA methicillinresistenter Staphylococcus aureus, ENT Ente-rokokken (ohne VRE), VRE vancomycinresistente Enterokokken, ENB Enter-obacter spp., ECO E. coli (ohne ESBL_ECO), ESBL_ECO ESBL-bildende E. coli, KLE Klebsiella spp. (ohne ESBL_KLE), ESBL_KLE ESBL-bildende Klebsiella spp., CAN Candida albicans, SER Serratia spp., BST B-Streptokokken, PAE Pseudomo-nas aeruginosa, ACI Acinetobacter spp., Erläuterung weiterer Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

1

2.4

1.51.5

1.1

2.9

0.7

1.7

2

1.2

0.70.5

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

MRSA ESBL (ECO+KLE) VRE

2007 2008 2009 2010 2011 2012

0.80.9 0.8

0.4 0.4 0.4

Abb. 4 8 Nosokomiale Infektionen mit MRSA, ESBL und VRE pro 1000 Frühgeborene getrennt nach Kalenderjahr, Nomenklatur s. Abb. 3, Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

390 |  Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014

Leitthema

Page 7: Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

Einfluss der Pflegepersonalausstattung auf die ZVK-assoziierte Sepsis bei Früh-geborenen. Im Rahmen einer Umfrage zu strukturellen Charakteristika der be-teiligten neonatologischen Abteilungen wurde eine Analyse zu möglichen Zusam-menhängen zwischen Strukturdaten und Infektionshäufigkeiten durchgeführt [10]. Das realisierte Staffing (Quotient tatsäch-lich angestelltes Pflegepersonal/geplan-te Pflegepersonalausstattung) zeigte sich als unabhängiger Einflussfaktor. Waren in einer Klinik ≥5% der Plansollstellen beim Pflegepersonal nicht besetzt, stieg das Ri-siko für eine ZVK-assoziierte Sepsis um 50% („odds ratio“=1,47, p=0,008). Aller-dings handelte sich bei der Erhebung der Strukturdaten um nicht überprüfte An-gaben aus einem Fragebogen. Zudem er-möglichte die Art der Erhebung keine An-gaben zum Pflege-Patienten-Schlüssel.

D Die Analyse weist auf Zusammenhän-ge von personeller Unterbesetzung und Infektionsrisiken hin, wie sie aus anderen Ländern bekannt sind [13].

Folgerichtig wurden durch den Gemein-samen Bundesausschuss ab 2014 ver-bindliche Personalbemessungsregeln für NICU eingeführt.

Ausbrüche von nosokomialen InfektionenEinige dieser Ausbrüche in der Neona-tologie erfuhren eine breite mediale Auf-merksamkeit, aber über die meisten wur-de nie öffentlich berichtet. Es stellt sich in diesem Kontext die Frage, wie häufig Aus-

brüche bei Frühgeborenen in Deutsch-land tatsächlich sind. Definiert man als Ausbruch, wenn in einer neonatologi-schen Abteilung innerhalb eines definier-ten Intervalls mehr als ein Frühgebore-nes eine nosokomiale Infektion (primä-re Sepsis oder Pneumonie) mit dem iden-tischen Erreger entwickelt (unter Aus-schluss von Fällen mit koagulasenegativen Staphylokokken), errechnen sich bei en-gem Zeitintervall (14 Tage) durchschnitt-lich 26 Ausbrüche bei Frühgeborenen pro Jahr, bei sehr weitem Zeitintervall (90 Ta-ge) 61 Ausbrüche pro Jahr. Die wichtigsten Erreger im Zusammenhang mit Ausbrü-chen bei Frühgeborenen waren in abneh-mender Häufigkeit Staphylococcus aureus, Enterococcus spp., Enterobacter spp., E. coli und Klebsiella spp. Bei der Hochrechnung zur Häufigkeit von Ausbrüchen handelt es sich allerdings um eine sehr konservati-ve Schätzung, da auf vielen Stationen in Deutschland, in denen Frühgeborene be-handelt werden, zeitgleich andere Neu-geborene stationär versorgt werden, die nicht in NEO-KISS erfasst sind.

Erfassung von nosokomialen Ausbrüchen durch das RKI

Mit einer Novellierung des IfSG wurde gemäß § 11 Abs. 2 seit August 2011 eine Übermittlungspflicht von Meldungen nosokomialer Ausbrüche durch die Ge-sundheitsämter an das RKI eingeführt. Die übermittelten Daten werden dort in einer Datenbank zusammengeführt und täglich auf besondere Ereignisse über-prüft. Wenn sich ein Ausbruchsverdacht

nicht bestätigt, kann die Ausbruchsüber-mittlung annulliert werden.

RKI und Landesstellen stehen in re-gelmäßigem Kontakt über nosokomia-le Ausbrüche, u. a. im Rahmen einer wö-chentlichen epidemiologischen Lagekon-ferenz [11]. Bei Ausbruchsuntersuchun-gen kann das RKI über die Landesge-sundheitsbehörde zur Unterstützung des Gesundheitsamts hinzugezogen werden (§ 4 IfSG).

» Die Zahl der dem RKI übermittelten Ausbrüche ist niedriger als nach NEO-KISS geschätzt

Vom 01.01.2012–30.06.2013 gingen beim RKI insgesamt 2316 Übermittlungsbögen (Erst-, Folge- oder Abschlussübermitt-lungen) ein, darüber wurden insgesamt 904 Ausbrüche übermittelt. Durch Viren wurden 689 (76%), durch Bakterien 192 (21%), durch Parasiten 2 (<1%) und durch Pilze 1 dieser Ausbrüche (<1%)hervorge-rufen. Bei 20 (2%) Ausbrüchen wurde der Erreger nicht übermittelt. Insgesamt wa-ren 13.006 Personen von nosokomialen Ausbrüchen betroffen, davon waren 1218 Ausbrüchen zuzuordnen, die durch bak-terielle Erreger hervorgerufen wurden. Im Rahmen der Ausbruchssurveillance wur-den 111 Todesfälle übermittelt, davon 92 im Zusammenhang mit durch bakterielle Erreger verursachten Ausbrüchen.

Von pädiatrischen Stationen wurden 41 Ausbrüche übermittelt, darunter 27 von neonatologischen ( NICU) und pädiatri-schen Intensivstationen (PICU; . Tab. 4). Das Erregerspektrum dort unterschied sich deutlich von demjenigen auf Er-wachsenenintensivstationen (. Abb. 5). Durch virale Erreger wurden 24/41, durch bakterielle Erreger 17/41 Ausbrüche her-vorgerufen. Von Ausbrüchen auf pädiatri-schen Stationen waren 285 Kinder betrof-fen, darunter 12 mit Todesfolge.

Die Zahl der dem RKI übermittelten Ausbrüche ist niedriger als die bei einer Auswertung von NEO-KISS geschätzte Zahl [15].

Tab. 4 Erreger der dem RKI-gemeldeten nosokomialen Ausbrüche (n=27) auf NICU und PICU, 01.01.2012–30.06.2013

Erreger Anzahl Ausbrüche Anzahl Fälle (Mini-mum–Maximum)

Todesfälle

Bakterielle Erreger

Klebsiella spp. 7 86 (4–33) 5

Serratia spp. 3 38 (5–21) 2

Staphylococcus spp. 3 18 (2–14) 2

Enterobacter spp. 2 17 (8–9) 0

Gesamt 15 159 (2–33) 9

Viren RSV 6 25 (2–5) 1

Norovirus 4 39 (4–19) 0

Influenza-/ Parainfluenzaviren

2 5 (2–3) 0

Gesamt 12 69 (2–19) 1Erläuterung der Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

391Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014  | 

Page 8: Nosokomiale Infektionen bei Neugeborenen; Nosocomial infections in neonates;

Erhebung und Analyse im Bereich der gesetzlichen externen Qualitätssicherung

Seit 2010 werden mit der Überführung der Neonatalerhebung in ein bundesweit ver-pflichtendes und einheitliches Qualitäts-sicherungsverfahren (angesiedelt beim AQUA-Institut Göttingen) auch die no-sokomialen Infektionen, orientiert an den NEO-KISS-Kriterien, ausgewertet. Die aggregierten, online zugänglichen Er-gebnisse [1] dokumentieren ein kontinu-ierliches Absinken der Rate nosokomia-ler Infektionen (pro 1000 Behandlungs-tage) von 1,56 im Jahr 2010 über 1,23 im Jahr 2011 auf 1,11 im Jahr 2012. Auch der Quotient der beobachteten (O) zur erwar-teten Rate (E) nahm stetig ab, die risiko-adjustierten nosokomialen Infektionsra-ten sanken um 20% von 1,00 im Referenz-jahr 2010 über 0,93 im Jahr 2011 auf 0,80 im Jahr 2012.

Erhebung von Infektionen im deutschen Frühgeborenennetzwerk

Das GNN erhebt seit 2009 Daten zu et-wa 2000 Frühgeborenen <1500 g pro Jahr. Methodik und Definitionen sind ähn-lich wie bei NEO-KISS und dem AQUA-Institut. Infektionen sind auch hier mit einer erhöhten Morbidität und Morta-

lität assoziiert und scheinen einen deut-lichen prognostischen Faktor darzustel-len [18]. Lern-/Surveillanceeffekte zei-gen sich im GNN in ähnlicher Weise wie bei NEO-KISS. Im Vergleich sind die In-fektions- und NEC-Raten etwas höher als in NEO-KISS, was auf die Zentrums-auswahl, einen höheren Anteil sehr klei-ner Frühgeborener und auf ein Vor-Ort- Monitoring der Akten der eingeschlosse-nen Kinder zurückzuführen sein dürfte.

EuroNEO-KISS

Seit 2006 existiert ein europäisches Qua-litätssicherungsnetzwerk (EuroNeoNet), das mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher, DG-SAN-CO) Daten zu Risikofaktoren und Er-gebnissen kleiner Frühgeborener sam-melt und auswertet [19]. Die Datenstruk-tur ähnelt der deutschen Neonatalerhe-bung, die Eingaben erfolgen jedoch on-line. Seit 2012 werden dort auch nosoko-miale Infektionen unter Zugrundelegung der NEO-KISS-Definitionen erfasst. Erste Auswertungen zeigen eine erhebliche Va-rianz, und es ist zu hoffen, dass sich damit in nicht allzuferner Zukunft eine Antwort auf die Frage finden wird, wo Deutsch-land in Bezug auf nosokomiale Infektio-nen im europäischen Vergleich einzuord-nen ist.

Fazit für die Praxis

F  Nosokomiale Infektionen sind ein Problem, das v. a. sehr untergewich-tige Frühgeborene betrifft, die Ra-te steigt mit sinkendem Geburtsge-wicht von 12% bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von 1000–1499 g auf 34% bei einem Geburts-gewicht von 500–999 g und 44% bei einem Geburtsgewicht unter 500 g Geburtsgewicht.

F  Infektionen mit multiresistenten Erre-gern sind bisher bei Frühgeborenen seltener (3,4%) als bei intensivmedizi-nisch behandelten Erwachsenen.

F  Das Infektionsrisiko, das von PVK aus-geht, erreicht mittlerweile fast das Ri-siko von ZVK. Vermutlich lässt sich die Infektionsrate senken, wenn Anlage und Umgang von PVK ähnlich streng gehandhabt werden wie bei ZVK.

F  Unterbesetzung im Pflegebereich macht sich durch erhöhte Infektions-raten bemerkbar.

F  Eine Schätzung der Ausbruchszahl auf neonatologischen Stationen mit-tels NEO-KISS-Daten legt nahe, dass eine Reihe von Ausbrüchen bisher nicht wahrgenommen oder dem RKI nicht gemeldet wurde.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. C. BührerKlinik für Neonatologie, Charité Universitätsmedizin Berlin13344 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  C. Geffers, S. Haller, G. Heller, L. Gortner, W. Göpel und C. Bührer geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

1. AQUA-Institut (2012) Bundesauswertungen. AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförde-rung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen. https://www.sqg.de/ergebnisse/ leistungsbereiche/neonatologie.html. Zugegriffen 06.03.2014

0

2

4

6

8

10

12

14

Anz

ahl A

usbr

üche

ITS NICU/PICU

Klebsiella

spp.

Staphylococc

us spp.

Acineto

bacter spp.

Enteroco

ccus s

pp.

C. di�

cile

Escheric

hia coli

Pseudomonas

Serratia

spp.

andere Bakterien

RSV

In�uenza/P

arain�uenza

Noroviru

s

Candida

Erreger

Abb. 5 8 Nosokomiale Ausbrüche nach Erregern auf Intensivstationen für Erwachsene (ITS, n=67) sowie auf neonatologischen und pädiatrischen Intensivstationen (NICU/PICU, n=27), C. Clostridium, Erläuterung weiterer Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

392 |  Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014

Leitthema

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7 Geben Sie hierzu den Bei-tragstitel in die Suche ein und nutzen Sie anschließend die Kommentarfunktion am Bei-tragsende.

Weniger OPs bei Knochenbrüchen

Viele Knochenbrüche von Kindern und Ju-

gendlichen können konservativ behandelt

werden und benötigen keine Operationen.

Zu diesem Schluss kommen Experten der

Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und

Unfallchirurgie (DGOU).

Obwohl jeder Vierte bis zum 18. Lebensjahr

mindestens einen Knochenbruch erleidet

und damit die Zahl der Knochenbrüche

höher ist als bei Erwachsenen, müssen jun-

ge Patienten seltener operiert werden. Er-

klärungen für den Trend gibt es einige. Zum

einen betreffen die Frakturen im Jugend-

alter meist die langen Röhrenknochen, am

häufigsten diese im Unterarm. Wenn die

Fraktur nicht oder nur zu einer geringen

Verformung des Knochens führt, reicht eine

konservative Behandlung aus. Ähnliches

gilt für Brüche, die mit Fehlstellung ein-

hergehen. Diese gleichen sich oft noch

durch das Längenwachstum der Knochen

aus. Zum anderen können Fehlstellungen

mittlerweile frühzeitiger erkannt werden.

So z.B. die Hüftdysplasie, auf die Säuglinge

in Deutschland im Alter von vier bis sechs

Wochen mittels Ultraschall untersucht

werden. In über 90% der Fälle kann diese

Fehlstellung ausschließlich konservativ be-

handelt werden. Auch bei vielen Fußfehl-

formen, Achsfehlstellungen der Beine oder

Verkrümmung der Wirbelsäule kommen

Orthopäden immer häufiger ohne operati-

ve Eingriffe aus.

Quelle: Deutsche Gesellschaft

für Orthopädie und Unfallchirurgie,

www.dgou.de

Fachnachrichten

393Monatsschrift Kinderheilkunde 5 · 2014  |