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HVG-Mitteilung Nr. 2157 2157-1 NO x -Emissionsminimierung durch stöchiometrische Manipulation der Verbrennung in Praxis und Simulation C. Heymann, glass global consulting GmbH, Düsseldorf M. Mancini, R. Weber, Institut für Energieverfahrens- und Brennstofftechnik Vortrag im Fachausschuss II und VI der DGG am 28. März 2012 Einleitung Glas spielt im alltäglichen Leben des Menschen eine große Rolle, sei es als Trinkglas, Fensterscheibe oder als Frontglas im Fernseher. Die meisten Glasprodukte sind schon seit Tausenden Jahren bekannt, wie z.B. Trinkgefäße oder Fensterscheiben. Neuere Anwendungen sind Linsen, Isolierglas oder optische Fasern. Die Glasproduktion an sich besitzt in Deutschland eine lange historische Tradition. Die eigentliche Produktionsmethode Schmelzen und anschließendes Formen ist ebenfalls seit dem Beginn bekannt. Herausforderungen beruhen in der Regel nicht in der Produktion an sich, sondern sich ändernden ökonomischen und ökologischen Randbedingungen. So führt die zunehmende Globalisierung bei vielen Standardprodukten zu starker Konkurrenz aus Niedriglohnländern wie z.B. China und vermehrt auch aus Indien. Zusätzlich erschweren Umweltschutzbestimmungen in Europa und besonders in Deutschland die Wirtschaftlichkeit der Deutschen Glasindustrie. Daher soll hier eine Technologie zur Reduzierung der NO x -Emissionen bei sehr geringen Investment und Betriebskosten vorgestellt werden. Entstehung von NO x Der Begriff NO x bezeichnet als Sammelbegriff die gasförmigen Oxide des Stickstoffes (N 2 O, NO, N 2 O 3 , NO 2 , N 2 O 4 und N 2 O 5 ). In der Glasproduktion stammen NO x -Emissionen entweder aus der Verbrennung oder aus einer Nitratläuterung. Im Folgenden werden nur durch Verbrennung erzeugte NO x -Emissionen betrachtet. Die NO x Entstehung wird 3 Mechanismen zugeordnet: thermisches NO x promptes NO x Brennstoff NO x Die Bildung von Thermischen NO x lässt sich mit dem Zeldovich Mechanismus vorhersagen: N 2 + O NO + N N + O 2 NO + O N + OH NO + H Die Reationsraten sind bei niedrigen Temperaturen niedrig, steigen aber exponentiell an, so dass der Zeldovich-Mechanismus ab 1130°C den dominierenden Mechanismus darstellt (Baukal, 1998). Das Reaktionsgleichgewicht ist temperaturabhängig nach 3-15 s erreicht. Die Bezeichnung des prompten NO x -Mechanismus beruht auf der hohen Reaktions- geschwindigkeit der zugrunde liegenden Reaktionen. Wichtig ist zu verstehen, dass der prompte

NOx-Emissionsminimierung durch stöchiometrische ... · Die Stickoxidemissionen konnten in der Glasindustrie in den vergangenen 20 Jahren bereits beträchtlich reduziert werden. Insbesondere

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HVG-Mitteilung Nr. 2157

2157-1

NOx-Emissionsminimierung durch stöchiometrische Manipulation der Verbrennung in Praxis und Simulation

C. Heymann, glass global consulting GmbH, Düsseldorf M. Mancini, R. Weber, Institut für Energieverfahrens- und Brennstofftechnik

Vortrag im Fachausschuss II und VI der DGG am 28. März 2012

Einleitung

Glas spielt im alltäglichen Leben des Menschen eine große Rolle, sei es als Trinkglas, Fensterscheibe oder als Frontglas im Fernseher. Die meisten Glasprodukte sind schon seit Tausenden Jahren bekannt, wie z.B. Trinkgefäße oder Fensterscheiben. Neuere Anwendungen sind Linsen, Isolierglas oder optische Fasern. Die Glasproduktion an sich besitzt in Deutschland eine lange historische Tradition. Die eigentliche Produktionsmethode Schmelzen und anschließendes Formen ist ebenfalls seit dem Beginn bekannt. Herausforderungen beruhen in der Regel nicht in der Produktion an sich, sondern sich ändernden ökonomischen und ökologischen Randbedingungen. So führt die zunehmende Globalisierung bei vielen Standardprodukten zu starker Konkurrenz aus Niedriglohnländern wie z.B. China und vermehrt auch aus Indien. Zusätzlich erschweren Umweltschutzbestimmungen in Europa und besonders in Deutschland die Wirtschaftlichkeit der Deutschen Glasindustrie. Daher soll hier eine Technologie zur Reduzierung der NOx-Emissionen bei sehr geringen Investment und Betriebskosten vorgestellt werden.

Entstehung von NOx

Der Begriff NOx bezeichnet als Sammelbegriff die gasförmigen Oxide des Stickstoffes (N2O, NO, N2O3, NO2, N2O4 und N2O5). In der Glasproduktion stammen NOx-Emissionen entweder aus der Verbrennung oder aus einer Nitratläuterung. Im Folgenden werden nur durch Verbrennung erzeugte NOx-Emissionen betrachtet.

Die NOx Entstehung wird 3 Mechanismen zugeordnet:

thermisches NOx

promptes NOx

Brennstoff NOx

Die Bildung von Thermischen NOx lässt sich mit dem Zeldovich Mechanismus vorhersagen:

N2 + O → NO + N

N + O2 → NO + O

N + OH → NO + H

Die Reationsraten sind bei niedrigen Temperaturen niedrig, steigen aber exponentiell an, so dass der Zeldovich-Mechanismus ab 1130°C den dominierenden Mechanismus darstellt (Baukal, 1998). Das Reaktionsgleichgewicht ist temperaturabhängig nach 3-15 s erreicht.

Die Bezeichnung des prompten NOx-Mechanismus beruht auf der hohen Reaktions-geschwindigkeit der zugrunde liegenden Reaktionen. Wichtig ist zu verstehen, dass der prompte

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NOx-Mechanismus für große Sauerstoffkonzentrationen NOx erzeugt, bei niedrigen O2-Konzentrationen dagegen NOx zerstört.

Brennstoff NOx entsteht direkt und unvermeidlich aus dem im Brennstoff molekular eingebundenen Stickstoff. Bei gasförmigen Brennstoffen spielt dieser Mechanismus für die meisten Brennstoffe keine Rolle.

Stickoxide werden als so genannte Treibhausgase eingestuft und gelten als gesundheitsschädlich. Außerdem sind Stickoxide auch als Ozonkiller wirksam und haben FCKW als Hauptverursacher bereits abgelöst. Aus diesen Gründen wurden vom Gesetzgeber Emissionsgrenzwerte festgelegt.

Für konventionelle U-Flammenwannen mit einem Abgasvolumenstrom bis zu 50.000 m³/h liegen die zulässigen Grenzwerte nach der TA Luft bei 800 mg NOx/Nm³ Abgas für Wannenrekonstruktionen sowie 500 mg NOx/Nm³ Abgas für Wannenneubauten. Ausnahmeregelungen sind weitverbreitet. Die Messung erfolgt im Abgaskanal vor dem Eintritt in den Abgaskamin bzw. vor der Filteranlage. Der Messwert wird dabei unter Einbeziehung des örtlich gemessenen Sauerstoffgehaltes auf 8 % Restsauerstoff entsprechend der Vorgabe durch die TA Luft korrigiert. Nichtbeinhaltet ist hierbei die mögliche Entstehung von Stickoxiden aus der Läuterung.

Stand der Technik

Die Stickoxidemissionen konnten in der Glasindustrie in den vergangenen 20 Jahren bereits beträchtlich reduziert werden. Insbesondere bei konventionellen U-Flammenwannen hat sich eine ganze Reihe von Maßnahmen als erfolgreich erwiesen:

Absenken des Restsauerstoffgehaltes, Brenneroptimierung (zahlreiche Ansätze), Unterschießen, Optimierung der Ports, Luftstufung (z.B. Latter, et al., 1999), Brennstoffstufung (z.B. Fleischmann, et al., 2008; Scherello, et al., 2008), Anpassungen des Ofenraummaße (z.B: Özel, et al., 2011; Eltutar, et al., 2009), externe Abgas Rezirkulation, spezielle Ofenkozepte (z.B. Low-Nox-Melter; Theloke, et al., 2007).

Weitere verfolgte Ansätze sind:

flammenlose oder MILD-Verbrennung (z.B. Scherello, et al., 2007), Oxy-Fuel Conversion (Kobayashi, 2004), Sekundärmaßnahmen (CFR, SNCR, SCR).

Die Literaturangaben sind als Beispiele zu verstehen.

Meist wird derzeit versucht, aus der Kombination von verschiedenen Maßnahmen die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten, was technisch auch im Rahmen einer Wannenrekonstruktion realisierbar ist.

Leider ergeben sich aber oft technische Konflikte hinsichtlich der Anlagenbetriebsweise, da sich ein optimales Flammenbild und Ausbrandverhalten hinsichtlich der NOx-Bildung nicht immer mit den Erfordernissen des Schmelzprozesses und des Energieeinsatzes sowie der geforderten

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Glasqualität in Einklang bringen lässt. Zum anderen wird durch diese Maßnahmen auch oftmals die Entstehung von CO begünstigt, was wiederum zu einer möglichen Schädigung in den Regenerativkammern führen kann. Komplexe Lösungen führen zudem zu hohen Investitions- und Betriebskosten.

Beschreibung des technische Lösungsansatzes

In einem gemeinsamen von der AiF geförderten Forschungsprojekt unter Beteiligung der Firmen Glaswerk Ernstthal GmbH, glass gobal consulting GmbH, dem Institut für Energieverfahrens- und Brennstofftechnik der TU Clausthal und der Glashüttentechnik GROB GmbH wurde die Verminderung der NOx Bildung an konventionellen U-Flammen Wannen durch flammenlose Nachverbrennung untersucht.

Das Grundprinzip dieses Lösungsansatzes besteht darin, durch die geschickte Zugabe eines Oxidanten einerseits die Möglichkeit zu schaffen, den Ausbrandverlauf in der Hauptflamme hinsichtlich der NOx-Bildung durch eine unterstöchiometrische Verbrennung zu optimieren und andererseits die daraus entstehenden CO Werte, welche aus der unvollständigen Verbrennung resultieren in einer gezielten Nachverbrennung zu beseitigen.

Dadurch werden Spitzentemperaturen und Sauerstoffkonzentrationsspitzen minimiert. Im Gegensatz zur einfachen Luftstufung kann mit Hilfe spezieller Brenner die Ausbildung zusätzlicher Flammenfronten vermieden werden. Durch sorgfältige Auslegung der Positionen, Volumenströme und Brenneranzahl können ein homogener, niedriger Luftüberschuss im Ofen eingestellt werden.

Versuche mit Sauerstoff

Im Glaswerk Ernstthal wurden an einer gasbeheizten U-Flammenwanne mit einer Schmelzfläche von ca. 70 m² und einer Schmelzleistung von 220 t/d (KN Glas weiß) verschiedene Versuche durchgeführt, um den technischen Lösungsansatz an einer realen Wanne zu testen.

Bild 1: Messung der NOx-Emission nach TAL bei verschiedenen Versuchsanordnungen.

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Zu erwähnen ist noch, dass die genannte Schmelzwanne bereits eine Laufzeit von ca. 8 Jahren aufweist, und hier sehr hochwertiges Behälterglas unter Zuhilfenahme einer EZH geschmolzen wird. Details wurden auf Fachauschusssitzung im März 2011 von der Firma Grob vorgestellt. Hier werden nur die Ergebnisse kurz zusammengefasst:

Die NOx-Emissionen wurden um über 50% reduziert. Konkret wurden einseitige Minimalwerte von 400 mg NOx/Nm³ erreicht.

Die Ergebnisse wurden bei unterschiedlichen Produktionsleistungen reproduziert. Ein Zusammenhang von Produktionsleistung und NOx-Minimierung war nicht erkennbar.

Die Verbrennung wurde stabilisiert, so dass geringere Restsauerstoffkonzentrationen bei gleicher CO-Konzentration möglich waren.

Hot-Spots wurden nicht festgestellt. Vorhandene Temperaturspitzen im Feuerfest können sogar absenkt werden.

Durch den Langzeitversuch konnte außerdem bestätigt werden, dass sich auch hinsichtlich der Glasqualität, des Energieeinsatzes, des gesamten Temperaturprofils in der Wanne sowie einer möglichen örtlichen thermischen Überlastung der FF Konstruktion keine Nachteile ergeben.

Die bisherigen Simulationen berechnen die realen NOx-Emission nicht korrekt.

Aus den Versuchsergebnissen wurden mehrere Konsequenzen gezogen:

Die Simulationswerkzeuge müssen verbessert werden. Die NOx-Reduktion hängt nicht am Sauerstoff, daher wird es mit Luft auch funktionieren

Verbesserte Simulationen der Brenner mit Luft

In der Restlaufzeit des Förderprojektes wurden neue Modelle für die Berechnung des NOx entwickelt und geeignetere existierende Modelle identifiziert, so dass die Autoren inzwischen in der Lage sind verlässliche Voraussagen zur NOx-Emission zu treffen. Als optimal erwies sich die Wahl eines Eddy-Dissipation-Concept-Modells zur Simulation der Chemie-Turbulenz-Interaktion in Verbindung mit einem geeigneten Modell zur Berechnung des NOx-Reburning.

Die Versuchsphase des AiF-Projektes wurde mit einem Kurzzeittest eines Luftbrenners abgeschlossen. Die erreichten Reduktionen waren niedriger, aber dennoch im Bereich um 45%.

Eine Simulationsstudie einer U-Flammenwanne ausgerüstet mit den Luftbrennern zeigte ein NOx-Reduktionspotential von 59% auf 460 mg NOx/Nm³ bezogen auf 8% Restsauerstoff im Abgas. Die Reduktion wird durch eine gleichmäßigere Sauerstoffkonzentrationsverteilung im Ofen erreicht.

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Bild 2: Sauerstoffkonzentrationen.

Weiterhin zeigte sich bei den Modellierungen, dass die Temperaturverteilung im Oberofen durch die gezielte Strömungsführung sogar vergleichmäßigt wird. Im Bereich hoher Temperaturen stellt sich eine symmetrische Verteilung ein. Bereiche niedriger Temperaturen im Gemengeeinlegebereich werden angehoben.

Bild 3: Temperaturverteilung im Feuerfestmaterial des Gewölbes.

Vorläufiges Resümee und Ausblick

Die Versuche mit Sauerstoff zeigen, dass NOx-Emissionen unterhalb von 500 mg /Nm³ mit Hilfe von einfachen Primärmaßnahmen erreichbar sind. Versuche mit Luft und verbesserte CFD-Simulationen deuten auf das gleiche Reduktionspotential beim Einsatz von Luft hin. Ergebnisse aus der ersten Installation werden innerhalb der nächsten Wochen vorliegen. Negative Effekte auf den Ofen wurden nicht identifiziert. Langzeittests zeigen keinen Einfluss auf die Glasqualität, deuten aber auf eine mögliche Energieeinsparung im Bereich von 1-3% hin. Ein messtechnischer Nachweis steht aber auf Grund der komplexen Aufgabenstellung noch aus.

Derzeit wird von den Autoren an Methoden zur Messung und Visualisierung der Strömungen und der Restsauerstoffkonzentrationen im gesamten Ofenbereich der U-Flammen-Wanne geforscht. Die Erkenntnisse dienen der Validierung der CFD-Simulationen und werden den nächsten Schritt in der Verbesserung des Brennersystems vorbereiten.