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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades „Doktor Public Health“ (Dr. P.H.) vorgelegt der Universität Bremen SOCIUM Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik Abteilung Gesundheit, Pflege und Alter von Daniela Boeschen Bremen, im Mai 2015

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Nutzen und Risiken der

zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung

in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades

„Doktor Public Health“ (Dr. P.H.)

vorgelegt der

Universität Bremen SOCIUM

Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik Abteilung Gesundheit, Pflege und Alter

von Daniela Boeschen

Bremen, im Mai 2015

1. Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske 2. Gutachter: Prof. Dr. med. Michael Freitag, MPH Datum der Disputation: 02. Oktober 2015

Nele und meinen Eltern gewidmet

In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien.

Die eine ist, nicht zu bekommen, was man möchte,

und die andere ist, es zu bekommen.

(Oscar Wilde)

Danksagung Eine Arbeit wie diese ist nur durch die Unterstützung Vieler möglich. Deswegen geht an dieser Stelle

mein Dank an meine (ehemaligen) Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppe, an meine Familie

sowie an Freundinnen und Freunde.

Besonders danken möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gerd Glaeske: nicht nur für die

vielen hilfreichen Anmerkungen und seine Unterstützung während der Fertigstellung dieser Arbeit,

sondern insbesondere für die berufliche wie persönliche Freiheit, die er mir während der Zeit des

Forschungsvorhabens gewährt hat. Danken möchte ich außerdem Herrn Prof. Dr. Michael Freitag für

die spontane Zusage und die Erstellung des Zweitgutachtens.

Besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Kollegen Prof. Dr. Falk Hoffmann, der mir mit vielen wert-

vollen Anmerkungen zu jeder erdenklichen Tages- und Nachtzeit unermüdlich zur Seite stand. Eben-

falls danken möchte ich Dr. Roland Windt und Dr. Judith Günther für die Jahre wertvoller Zusam-

menarbeit.

Ein ganz besonderer Dank für viele konstruktive Gespräche sowie die Entwirrung von Hirn- und

Wortgef(l)echten gilt ebenso meiner Schwester Karen, Dr. Michael Dörks, Angela Fritsch und vor

allem Frieda Höfel, die mich neben dem Korrigieren auch immer nach vorne schauen ließ. Lieben

Dank für gute Ideen, organisatorische Mithilfe und moralische Unterstützung in vielerlei freund-

schaftlicher Hinsicht schulde ich außerdem meinen Brüdern Jörg, Philipp und Tim, Rainer Schmidt,

Anja Höpfner, Susanne Pels, Kerstin Ubl, Bettina Schaper, Lore von Hollen, Renate Kelbling und nicht

zuletzt Antje Heinicke.

Und Martin vir ons jaar saam en die beste in my lewe: ons dogter Nele.

Der größte Dank jedoch geht an meine Eltern, Anne und Herbert Hetkamp. Sie haben mir nicht nur

die nötigen Freiräume zum Schreiben ermöglicht und mich stets motiviert, sondern standen mir

unzählige Male zu den möglichsten und unmöglichsten Momenten zur Seite. Auf ihren bedingungs-

losen Rückhalt kann ich jederzeit vertrauen. Ihnen sowie meiner Tochter Nele habe ich die vorlie-

gende Arbeit gewidmet.

Bremen, im Mai 2015

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ..................................................................................................................... 7

1 Rechtliche Aspekte der Off-Label-Anwendung ........................................................ 9

1.1 Die Definition des Off-Label Use und seine Abgrenzung zum Unlicensed bzw. Compassionate Use ........................................................................................................................ 12

1.2 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit den arzneimittelrechtlichen Zulassungsbestimmungen .................................................................................... 13

1.2.1 Die arzneimittelrechtliche Zulassung und ihre Grundlagen ...................... 13

2 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit dem Krankenversicherungsrecht ............. 18

2.1 Der Off-Label Use und seine Ausnahmen in der Rechtsprechung ........................ 19

2.1.1 Das „Sandoglobulin®-Urteil“ des BSG vom 19.03.2002 ............................ 19

2.1.2 Die „Visudyne®-Entscheidung“ des BSG vom 10.10.2004 ......................... 21

2.1.3 Die „Nikolausentscheidung“ des BVerfG vom 06.12.2005 ........................ 21

2.2 Festlegung des medizinischen Standards durch Richtlinien in der GKV ............... 23

2.3 Der Off-Label Use aus ökonomischen Interessen: SGB V vs. AMG ...................... 25

3 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit dem Arzthaftungsrecht ............................ 30

4 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit der Haftung des pharmazeutischen Unternehmers .......................................................................................................................... 34

5 Nutzen und Risiko neuer Arzneimittel .................................................................... 36

5.1 Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes ......................................... 36

5.2 Wirksamkeit und patientenorientierter Nutzen neuer Arzneimittel.................... 37

5.3 Indikationserweiterungen im Bestandsmarkt ...................................................... 40

6 Zwischenfazit .......................................................................................................... 44

7 Analyse des Off-Label Use in der ambulant-ärztlichen Versorgung ......................... 46

7.1 Methodik zur Bewertung des Off-Label Use neuer und etablierter Arzneimittel 48

7.1.1 Methodisches Vorgehen zur Analyse der systematischen Übersichtsarbeiten 49

7.1.2 Leitlinienempfehlungen ............................................................................ 52

7.1.3 Fachinformationen .................................................................................... 52

7.1.4 Nutzenbewertung nach § 35a SGB V......................................................... 53

7.1.5 Methodik der Routinedaten-Analyse ........................................................ 53

8 Gründe für einen möglichen Off-Label Use: Analyse der Versorgungssituation ...... 55

8.1 Off-Label Use aufgrund eines möglichen Diagnose-Bias: COPD vs. Asthma bronchiale 56

8.1.1 COPD und Asthma bronchiale: Definition, Epidemiologie und sozialökonomische Aspekte ................................................................................................................... 57

8.1.1.1 Leitlinien und Therapieempfehlungen ................................................ 65

8.1.1.2 Diskussion der Ergebnisse ................................................................... 69

8.1.2 Neue Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen ............................ 75

8.1.2.1 Indacaterol ........................................................................................... 82

8.1.2.2 Roflumilast ........................................................................................... 90

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.2.3 Aclidiniumbromid ................................................................................ 96

8.1.2.4 Diskussion der Ergebnisse ................................................................... 100

8.2 Off-Label Use aufgrund fehlender Therapieoptionen am Beispiel der chronischen Hepatitis C .............................................................................................................................. 108

8.2.1 Hepatitis C: Definition, Epidemiologie und sozialökonomische Aspekte . 109

8.2.1.1 Leitlinien und Therapieempfehlungen vs. Zulassungsstatus nach Fachinformationen ............................................................................................... 116

8.2.1.2 Diskussion der Ergebnisse ................................................................... 131

8.2.2 Neue Mittel zur Therapie der chronischen Hepatitis C ............................. 138

8.2.2.1 Protease-Inhibitoren ............................................................................ 145

8.2.2.1.1 Boceprevir ................................................................................ 145

8.2.2.1.2 Telaprevir.................................................................................. 150

8.2.2.1.3 Simeprevir ................................................................................ 155

8.2.2.2 NS5A-Inhibitoren ................................................................................. 160

8.2.2.2.1 Daclatasvir ................................................................................ 160

8.2.2.2.2 Ledipasvir ................................................................................. 165

8.2.2.3 Nukleosidische Polymerase (NS5B)-Inhibitoren .................................. 170

8.2.2.3.1 Sofosbuvir ................................................................................. 170

8.2.2.4 Fixkombination aus NS5A-Inhibitor und Protease-Inhibitor + nicht-nukleosidischer Polymeraseinhibitor ............................................................................................. 176

8.2.2.4.1 Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir (Fix) in Kombination mit Dasabuvir .................................................................................................. 176

8.2.2.5 Diskussion der Ergebnisse ................................................................... 181

9 Fazit und Ausblick ................................................................................................... 191

10 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 195

11 Abkürzungen .......................................................................................................... 224

12 Abstract .................................................................................................................. 225

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau des rechtlichen Teils der Arbeit ......................................................................................... 9

Abbildung 2: Verteilung der Arzneimittelzulassungen mit Orphan Drug-Status nach therapeutischem Gebiet (Zeitraum 2000-2014) ............................................................................................................. 42

Abbildung 3: Orphan Drug-Zulassungen pro Jahr in der Europäischen Union ................................................... 43

Abbildung 4: Ursachen-Analyse des Off-Label Use in der ambulant-ärztlichen Versorgung am Beispiel etablierter und neuer Arzneimittel ......................................................................................... 48

Abbildung 5: Aufbau des versorgungsanalytischen Teils der Arbeit .................................................................. 55

Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von chronischer Bronchitis bei erwachsenen Frauen ..................................................................................................................................... 60

Abbildung 7: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von chronischer Bronchitis bei erwachsenen Männern ................................................................................................................................. 60

Abbildung 8: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von Asthma bei erwachsenen Frauen ................ 63

Abbildung 9: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von Asthma bei erwachsenen Männern............. 63

Abbildung 10: Stufenschema der medikamentösen Therapie im Erwachsenenalter: Asthma bronchiale vs. COPD ....................................................................................................................................... 67

Abbildung 11: Auswirkungen eines diagnoseinduzierten OLU auf die Therapieziele einer Behandlung ............ 71

Abbildung 12: Fehlerarten bzw. Verantwortungsbereiche bei bestätigten Behandlungsfehlern ........................ 73

Abbildung 13: Flowchart der Literaturrecherche zur Fragestellung des Off-Label Use aufgrund möglicher Fehldiagnosen am Beispiel COPD und Asthma bronchiale ..................................................... 76

Abbildung 14: Verteilung der Atemwegstherapeutika-Verordnungen (Anzahl Packungen) je Wirkstoffklasse bei COPD-Patienten (N = 210.250) nach Quartalen (2010-2011) ................................................. 86

Abbildung 15: Anzahl verordneter Packungen Indacaterol je Monat nach Packungsgrößen (2010-2011) ......... 86

Abbildung 16: Versicherte mit mindestens einer Verordnung Indacaterol nach Alter und Geschlecht (2011) ....... ................................................................................................................................................ 87

Abbildung 17: Prozentuale Verteilung der COPD-Patienten mit Indacaterol-Verordnungen nach Anzahl verordneter Packungen im Zeitraum 1 Jahr ab Erstverordnung ............................................. 88

Abbildung 18: Anzahl verordneter Packungen Roflumilast je Monat nach Packungsgrößen (2010-2011) .......... 93

Abbildung 19: Versicherte mit mindestens einer Verordnung Roflumilast nach Alter und Geschlecht (2011) ....... ................................................................................................................................................ 93

Abbildung 20: Prozentuale Verteilung der COPD-Patienten mit Roflumilast-Verordnungen nach Anzahl verordneter Packungen im Zeitraum 1 Jahr ab Erstverordnung ............................................. 94

Abbildung 21: Anzahl verordneter Packungen Aclidiniumbromid je Monat nach Packungsgrößen (2012-2013) .... ................................................................................................................................................ 98

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Abbildung 22: Versicherte mit mindestens einer Verordnung Aclidiniumbromid nach Alter und Geschlecht (2013) ...................................................................................................................................... 99

Abbildung 23: Prozentuale Verteilung der COPD-Patienten mit Aclidiniumbromid-Verordnungen nach Anzahl verordneter Packungen im Zeitraum 1 Jahr ab Erstverordnung ............................................. 99

Abbildung 24: Übertragungsweg der gemeldeten Fälle nach Referenzdefinition mit belastbaren Angaben zum wahrscheinlichsten Übertragungsweg .................................................................................. 110

Abbildung 25: Prävalenz in der erwachsenen Bevölkerung – Europäische Länder im Vergleich ....................... 111

Abbildung 26: Übermittelte Hepatitis C-Erstdiagnosen – Deutschland aus den Jahren 2001 bis 2013 ............. 112

Abbildung 27: Übermittelte Hepatitis C-Erstdiagnosen pro 100.000 Einwohner nach Bundesland für das Jahr 2013 ...................................................................................................................................... 113

Abbildung 28: Flowchart der Literaturrecherche zur Fragestellung des Off-Label Use aufgrund fehlender Therapieoptionen am Beispiel der chronischen Hepatitis C ................................................. 139

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die Phasen der klinischen Prüfung ............................................................................................... 17

Tabelle 2: Vergleich der BSG- und BVerfG-Urteile hinsichtlich des Off-Label Use und seine Erstattungsvoraussetzung ....................................................................................................... 22

Tabelle 3: Beispiele für Wirkstoffe mit unterschiedlichen Indikationen ....................................................... 27

Tabelle 4: Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD ............................................................................ 58

Tabelle 5: Differentialdiagnose zur Unterscheidung des Asthma bronchiale von der COPD ......................... 61

Tabelle 6: Vergleich der medikamentösen Behandlung: COPD vs. Asthma bronchiale ................................. 66

Tabelle 7: Übersicht aller eingeschlossenen klinischen Studien .................................................................... 77

Tabelle 8: Übersicht der in der Datenbank des U.S. National Institutes of Health gelisteten Studien .......... 78

Tabelle 9: Versicherte mit Verordnungen des COPD-Medikaments Indacaterol in den Jahren 2010 und 2011 ................................................................................................................................................ 89

Tabelle 10: Versicherte mit Verordnungen des COPD-Medikaments Roflumilast in den Jahren 2010 und 2011 ................................................................................................................................................ 95

Tabelle 11: Umsatz und Absatz der neuen Arzneimittel zur Behandlung der cHC ........................................ 115

Tabelle 12: Übersicht verschiedener Therapieoptionen für die Erst- und Re-Therapie der chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1-6 nach Empfehlungen der Fachinformationen ......................... 118

Tabelle 13: Übersicht über nationale und internationale Leitlinien zur Therapie der chronischen Hepatitis C .. .............................................................................................................................................. 119

Tabelle 14: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 1 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen .................................................................................... 121

Tabelle 15: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 2 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen .................................................................................... 123

Tabelle 16: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 3 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen .................................................................................... 125

Tabelle 17: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 4 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen .................................................................................... 127

Tabelle 18: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 5/6 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen .................................................................................... 129

Tabelle 19: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC bei dekompensierter Leberzirrhose sowie vor und nach Lebertransplantation vom Genotyp 1-6 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen .................................................................................... 130

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 20: Übersicht aller eingeschlossenen Studien der Phase I-III ............................................................ 140

Tabelle 21: Top 5 der Fachzeitschriften nach der Anzahl der Publikationen klinischer Studien Phase I-III zwischen 01.01.2009-01.04.2015 zur Therapie der chronischen Hepatitis C ....................... 144

Tabelle 22: Boceprevir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ................................................ 145

Tabelle 23: Boceprevir: Angaben nach Fachinformation ............................................................................... 148

Tabelle 24: Telaprevir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ................................................. 151

Tabelle 25: Telaprevir: Angaben nach Fachinformation ................................................................................ 153

Tabelle 26: Simeprevir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ................................................ 156

Tabelle 27: Simeprevir: Angaben nach Fachinformation ............................................................................... 158

Tabelle 28: Daclatasvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ............................................... 160

Tabelle 29: Daclatasvir: Angaben nach Fachinformation .............................................................................. 163

Tabelle 30: Ledipasvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ................................................. 165

Tabelle 31: Ledipasvir: Angaben nach Fachinformation ................................................................................ 168

Tabelle 32: Sofosbuvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ................................................ 172

Tabelle 33: Sofosbuvir: Angaben nach Fachinformation ............................................................................... 174

Tabelle 34: Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir plus Dasabuvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA ................................................................................................................................ 177

Tabelle 35: Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir plus Dasabuvir: Angaben nach Fachinformation ............. 180

6

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Einleitung

Unter einem Off-Label Use (OLU) versteht man die nicht zulassungskonforme Anwendung eines

Arzneimittels, das auf dem Markt zugelassen ist, jedoch anders als in der Zulassung entschieden

eingesetzt wird. Off-Label-Anwendungen sind nicht nur gängige Praxis, sondern gehören oftmals zum

Standard bzw. zur Notwendigkeit einer patientengerechten und patientenindividuellen Therapie

(Hill, 2005; Janzen & Ludwig, 2012; Grell & Rieger, 2012; Poole & Dooley, 2004). Seit langem finden

sie aufgrund des rasanten Fortschritts medizinischer Erkenntnisse in nahezu allen ärztlichen Fachbe-

reichen statt. So stellt der Off-Label Use beispielsweise im Bereich der Onkologie aufgrund der hohen

Krebsinzidenz, der Vielfalt der Tumoren, Krankheitsstadien und Malignitätsgrade sowie Komorbiditä-

ten einen wesentlichen Therapieansatz dar (Müller, 2009; Joerger et al., 2014; Mellor et al., 2012;

Poole & Dooley, 2004). Grund dafür ist, dass sich die Zulassung häufig nur auf bestimmte Tumorenti-

täten und -stadien bezieht, auf die in klinischen Studien spezifisch eine Wirksamkeit nachgewiesen

werden konnte (Müller, 2009). Auch die gängige Praxis der Off-Label-Anwendung in der Pädiatrie hat

in den vergangenen Jahren immer wieder zu Diskussionen und schließlich auch zu Änderungen in der

Gesetzgebung geführt (Mühlbauer et al., 2009; Afentaki, 2014). Ethische, rechtliche und ökonomi-

sche Vorbehalte gegenüber der Forschung an nicht oder nur bedingt einwilligungsfähigen Patienten

erschweren allerdings nach wie vor die Einbeziehung von Kindern in klinische Prüfungen. Wissen-

schaftliche Erkenntnisse aus Untersuchungen an Erwachsenen können jedoch aufgrund entwick-

lungsspezifischer Unterschiede nicht uneingeschränkt auf den pädiatrischen Bereich übertragen

werden. So bleiben Kindern potentiell nützliche Wirkstoffe vorenthalten, wenn auf eine systemati-

sche Forschung verzichtet wird (Steinbrook, 2002).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Thematik der zulassungsüberschreitenden Anwen-

dung aus Sicht der Versorgungsforschung. Die Frage danach ist von besonderem Interesse, weil sich

zivil- und strafrechtliche Anforderungen und Einschränkungen einerseits und das Leistungsrecht der

gesetzlichen Krankenversicherung andererseits gegenüberstehen und somit unmittelbare Auswir-

kungen auf den Arzt als Leistungserbringer und den Patienten als Leistungsempfänger haben. Wäh-

rend im ersten Teil der Dissertation (Kapitel 1-6) die rechtlichen Aspekte dargestellt werden, analy-

siert der zweite Teil (Kapitel 7-9) mögliche Rahmenbedingungen, die einen Off-Label Use begünsti-

gen. Die Ebene der Arzneimittelzulassung dient dabei als Ausgangspunkt einer vertiefenden Betrach-

tung. Der Fokus richtet sich in erster Linie auf mögliche strukturelle sowie administrative Lücken als

Ursache eines OLU.

Neben der Epidemiologie chronischer Erkrankungen (hier im Speziellen obstruktive Lungenerkran-

kungen sowie Hepatitis C), die eine hohe Relevanz im Public Health-Bereich aufweisen, wird vor

allem die Patientenversorgung in der ambulant-ärztlichen Praxis unter dem besonderen Aspekt der

7

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

zulassungsüberschreitenden Anwendung untersucht. Ziel dieser Arbeit ist es, weitere Gründe eines

OLU zu identifizieren, dadurch den Grenzbereich transparenter zu gestalten und so zur Verbesserung

einer qualitätsgesicherten Versorgung beizutragen.

8

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

1 Rechtliche Aspekte der Off-Label-Anwendung

Im Folgenden (Kapitel 1.1 bis 6) werden die rechtlichen Aspekte einer Arzneimittelanwendung au-

ßerhalb ihrer Zulassungsbestimmung dargestellt. Dabei werden sowohl die zivil- und strafrechtlichen

Anforderungen einerseits und das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits

gegenübergestellt (Abbildung 1), um das Spannungsfeld des OLU unter Berücksichtigung aller betei-

ligten Institutionen bzw. Personen aufzuzeigen.

Abbildung 1: Aufbau des rechtlichen Teils der Arbeit

Der Aufbau des rechtlichen Teils der Arbeit ergibt sich folgendermaßen: nach Klärung der Begrifflich-

keiten sowie der zulassungsrechtlichen Grundlagen (Kapitel 1.1), wird die Vereinbarkeit des OLU mit

dem Krankenversicherungsrecht aufgezeigt (Kapitel 2). Schließlich rückt die Frage nach Kriterien der

Erstattungsfähigkeit von Therapien im Allgemeinen und von Arzneimitteln im Speziellen unter der

Bedingung eines begrenzten Ausgabevolumens immer mehr in den Blickpunkt der gesetzlichen Kran-

kenversicherungen (GKV). So soll in diesem Abschnitt der Frage nachgegangen werden, welche Vo-

raussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Arzneimittel in den Bereich der GKV-Leistungspflicht

fällt und ob es möglicherweise Ausnahmen gibt oder der OLU geduldet wird. Jüngste Entwicklungen

zeigen, dass einige Krankenkassen bereit sind, einen Off-Label Use möglicherweise sogar zu fördern,

wenn dadurch wirtschaftliche Vorteile entstehen (Gaßner, 2013). Die gesetzlich verankerten Rabatt-

verträge zwischen den GKVen und den pharmazeutischen Unternehmen (pU) spielen für den Off-

9

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Label Use ebenfalls eine Rolle, die allerdings weit weniger im öffentlichen Fokus steht. Hinsichtlich

der Substituierung von Arzneimitteln aufgrund bestehender Rabattverträge geht es in erster Linie

um den gleichen Wirkstoff in der gleichen Dosierung und der gleichen oder einer vergleichbaren

galenischen Zubereitung. Aufgrund von nicht identischen Zulassungen in manchen Indikationen kann

es aber auch hier zu einem vertraglich induzierten Off-Label Use kommen (Sickmüller & Lietz, 2011).

Das 3. Kapitel setzt sich mit der Vereinbarkeit des OLU und dem Arzthaftungsrecht auseinander.

Schließlich ist es dem Arzt weder arzneimittel- noch strafrechtlich verwehrt, ein Medikament in ei-

nem zulassungsüberschreitenden Bereich einzusetzen. Eher kann der wissentliche Verzicht auf eine

Off-Label-Behandlung strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wenn sich der Zustand eines

Patienten in der Folgezeit verschlechtert (OLG Köln, 1990). Für den medizinischen Alltag bedeutet

außerdem eine spezifische und detaillierte Festlegung des Anwendungsgebietes eine Einschränkung

des ärztlichen (Be-)Handlungsspielraums, der Arzt kann aber im Allgemeinen den aktuellen Kenntnis-

stand schneller berücksichtigen und umsetzen, als eine zunächst einmal mehrere Verfahren durch-

laufende Zulassungserweiterung, die unter Umständen viel Zeit in Anspruch nimmt. Haftungsrechtli-

che Konsequenzen wie die wirtschaftliche Haftung im Prüfverfahren, Haftung für eventuelle Kompli-

kationen durch die verordneten Medikamente, zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung sowie

ethische Fragestellungen spielen für den Arzt dennoch eine entscheidende Rolle, wenn es um die

Frage einer Off-Label-Therapie geht (Kölch et al., 2009; Augustin, 2013; Wetterling, 2004).

Off-Label-Anwendungen haben auch für den pU haftungsrechtliche Konsequenzen, der aufgrund

seiner Produktbeobachtungspflicht in der Regel Kenntnis von der Praxis des zulassungsüberschrei-

tenden Einsatzes seines Produkts hat bzw. haben sollte. So befasst sich das 4. Kapitel mit dem OLU

aus Sicht der pharmazeutischen Industrie. Denn aus einem rein ökonomischen Aspekt ist es nach-

vollziehbar, dass im Rahmen von arzneimittelrechtlichen Erstzulassungen diese vorrangig in umsatz-

trächtigen und gewinnbringenden Märkten bzw. Indikationsbereichen angestrebt werden (Müller,

2009). Die hohen Kosten für klinische Entwicklungsprogramme von Zweitindikationen oder das ein-

geschränkte Marktpotential im Bereich des OLU führen oftmals zu einer ökonomisch betrachtet

wenig „rentablen“ Zulassung (Müller, 2009). Die Realität zeigt nämlich, dass die Umsätze der be-

troffenen Produkte durch ihren Einsatz außerhalb der eigentlichen Zulassung auch ohne ein zeit- und

kostenintensives Zulassungs- bzw. Änderungsverfahren ansteigen (Rückeshäuser, 2011).

Abschließend wird im 5. Kapitel kurz das Nutzen-Risiko-Potential von (neueren) Arzneimitteln aufge-

griffen. Nicht nur die Kosten-, sondern auch die Nutzenbewertungen sowohl der unterschiedlichen

Arzneimittel als auch der Therapieformen gewinnen im Gesundheitssektor als ein ökonomisch be-

deutsamer Wirtschaftsfaktor zunehmend an Bedeutung. Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 ist das

Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) nach § 35a SGB V in Kraft getreten. Die

Preise eines Arzneimittels sollen damit an seinen (Zusatz-)Nutzen für den Patienten gekoppelt wer-

10

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

den. Das Ergebnis der in diesem Gesetz geregelten (frühen) Nutzenbewertung durch den G-BA hat

möglicherweise einen Einfluss auf das Verordnungsverhalten von Ärzten. Des Weiteren soll analy-

siert werden, ob mit der Einführung einer solchen industrieunabhängigen Bewertung ein OLU ver-

hindert oder möglicherweise gefördert wird.

11

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

1.1 Die Definition des Off-Label Use und seine Abgrenzung zum Unlicensed bzw. Compassionate Use

Ausgehend vom Wortlaut kann der Off-Label Use als ein Gebrauch abseits des Etiketts übersetzt

werden (Becker, 2004). Gemeint ist eine von der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht umfasste

Anwendung eines zulassungspflichtigen Arzneimittels. Da sich die Zulassung nach § 22 Abs. 1 des

Arzneimittelgesetzes (AMG) nicht nur auf einzelne Indikationsgebiete bezieht, sondern auch auf

Dosierung, Häufigkeit und Dauer der Anwendung, Kontraindikationen, Alter etc., sind darüber hinaus

auch andere Abweichungen außerhalb des in der Zulassung definierten Bereichs unter den Begriff

Off-Label Use zusammenzufassen.

Nach § 35c Abs. 1 SGB V beruft das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Expertengruppen beim

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein, die Bewertungen zum Stand der

wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für solche Indi-

kationsbereiche abgeben sollen, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind. Nach

Auffassung von Plate et al. (2008) könnte durch die Bezeichnung dieser Gremien als Off-Label-

Expertengruppen die Definition des Off-Label Use auf die indikationsüberschreitende Anwendung

begrenzt werden. Der Begriff des Unlicensed Use ist vom Off-Label Use insofern abzugrenzen, als

dass hierbei ein Arzneimittel zur Therapie eingesetzt wird, für das keine Zulassung vorliegt, obwohl

es der Zulassungspflicht unterliegt (Bücheler et al., 2003). Ein Unlicensed Use liegt beispielsweise

dann vor, wenn die zulassungspflichtige Darreichungsform verändert werden würde (z.B. statt der

zugelassenen oralen Applikationsform eine parenterale). Ein bereits zugelassenes Arzneimittel ver-

liert damit seinen Status, da es somit von der ursprünglichen Zulassung nicht mehr erfasst wird

(Knöppel et al., 2000). Diese Vorgehensweise wird häufig in der Pädiatrie angewendet, da viele Me-

dikamente hinsichtlich ihrer Darreichungsform nicht für die Kinderheilkunde geeignet sind. Das

Schlucken von Tabletten oder der unangenehme Geschmack eines Arzneimittels können dazu füh-

ren, dass Kinder die Einnahme verweigern. Durch die Herstellung eines Safts oder Sirups aus einer

Tablette kann eine kindgerechte Darreichungsform hergestellt und die Adhärenz dieses Patienten-

kollektivs erhöht werden (Bajcetic & Gorodischer, 2005; Collier, 1999; Khdour et al., 2011). Von den

Begriffen des Off-Label Use und des Unlicensed Use ist ferner der Begriff des Compassionate Use

abzugrenzen. Darunter versteht man die Anwendung eines noch nicht zugelassenen Arzneimittels,

für das die klinischen Prüfungen so weit vorangeschritten sind, dass auf Seiten des pharmazeuti-

schen Unternehmens Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität des Arzneimittels ausreichend belegt

werden konnten (Buhles, 2011). Bei einem Compassionate Use handelt es sich somit um eine schon

vor der Zulassung angesetzte Arzneimittelanwendung, um den Bedürfnissen der Patienten nach

einer raschen Pharmakotherapie gerecht zu werden.

12

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

1.2 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit den arzneimittel-rechtlichen Zulassungsbestimmungen

Sowohl die Zulassung als solche als auch die Anwendungsbeobachtungen nach erfolgtem Marktein-

tritt sind für die rechtlichen Konsequenzen des OLU und der daraus folgenden Problematik bedeu-

tend. Die Grundzüge des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens als unabdingbare Vorausset-

zung des OLU sollen im Weiteren erläutert werden.

1.2.1 Die arzneimittelrechtliche Zulassung und ihre Grundlagen

Der Arzneimittelbegriff nach § 2 AMG

Gemäß § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen,

die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die in §

2 Abs. 1 AMG genannten Funktionen zu erfüllen. Hierzu zählen insbesondere Zubereitungen und

Stoffe, die dazu bestimmt sind, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden

zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Darüber hinaus gelten gemäß § 2 Abs. 2 AMG

Gegenstände als Arzneimittel, die ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 enthalten oder auf denen ein

Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorüberge-

hend mit dem menschlichen oder tierischen Körper in Berührung gebracht zu werden. Dabei wird

der Arzneimittelbegriff objektiv-funktional statt subjektiv-funktional bestimmt (Müller, 2009). Das

heißt, dass ein Mittel, das nach seiner objektiven Zweckbestimmung ein Arzneimittel ist, diese Eigen-

schaft nicht durch die Angabe des Herstellers kein Arzneimittel verlieren kann (Schiedermair & Pohl,

2012). Wird im umgekehrten Fall die Zulassung vom BfArM mit der Begründung abgelehnt, dass es

sich bei dem Mittel nicht um ein Arzneimittel im arzneimittelrechtlichen Sinn handelt, dann hat auch

diese Negativentscheidung des BfArM eine allgemeinverbindliche Wirkung (Schiedermair & Pohl,

2012).

13

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die Zulassungspflicht nach § 21 AMG und ihre Ausnahmen

Mit der Zulassung eines Arzneimittels wird von Seiten der zuständigen Behörden gewährleistet, dass

bei dem zu untersuchenden Wirkstoff bzw. bei der zu untersuchenden Wirkstoffkombination Quali-

tät, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in Übereinstimmung mit dem § 1 AMG nach dem derzeitigen

Erkenntnisstand gegeben sind und das Arzneimittel zur Verwendung in der breiten Bevölkerung

freigegeben werden kann. Nicht jedes Arzneimittel unterliegt jedoch dieser Zulassungspflicht. So

heißt es beispielsweise in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG, dass es keiner Zulassung für Arzneimittel bedarf,

wenn sie im Rahmen der Defektur hergestellt werden. Darunter fallen Arzneimittel in der Eigenher-

stellung, die häufig von einem Arzt verordnet werden (beispielsweise Ohrentropfen oder Nasensal-

ben) oder Zubereitungen zur Weiterverarbeitung wie Salbengrundlagen. Ebenfalls von der Zulassung

befreit sind Rezepturarzneimittel, die für den jeweiligen Patienten individuell, entweder aufgrund

ärztlicher Anweisung oder eines Patientenwunsches, hergestellt werden. Auch enthält § 36 AMG

eine Ermächtigung des zuständigen Bundesministeriums für Standardzulassungen. Hierin wird fest-

gehalten, dass „bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen oder Arzneimittel in bestimmten

Abgabeformen von der Pflicht zur Zulassung freizustellen [sind], soweit eine unmittelbare oder mit-

telbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier nicht zu befürchten ist, weil die Anforde-

rungen an die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erwiesen sind“. In den so-

genannten Monographien findet man eine Zusammenfassung der Angaben zu den freizustellenden

Arzneimitteln, beispielsweise hinsichtlich der Zusammensetzung, Herstellung oder Haltbarkeit. Nach

wie vor ist eine Zulassung weder für homöopathische Arzneimittel (§§ 38, 39 AMG) noch für die

meisten traditionell angewandten pflanzlichen Arzneimittel (§§ 39a bis 39d AMG) notwendig, da hier

nur eine Registrierungspflicht gilt. Alle diese genannten Arzneimittel sind nicht vom OLU betroffen.

Die arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen der Zulassung

Gemäß § 21 Abs. 3 AMG ist die Zulassung eines Arzneimittels vom pU bei der zuständigen Behörde

schriftlich zu beantragen. Die für die Zulassungserteilung verantwortliche Behörde ist gemäß § 77

Abs. 1 AMG grundsätzlich das BfArM. Für bestimmte Stoffe1 ist gemäß § 77 Abs. 2 AMG das Paul-

Ehrlich-Institut zuständig. Dem Zulassungsantrag sind alle für die Bewertung des Arzneimittels

zweckdienlichen Angaben und Unterlagen beizufügen, § 22 Abs. 2 Satz 3 AMG. Die wichtigsten Un-

terlagen sind in § 22 Abs. 1 und 2 AMG aufgeführt.

1 Darunter werden laut AMG Sera, Impfstoffe, Blutzubereitungen, Knochenmarkzubereitungen, Gewebezubereitungen, Ge-webe, Allergene, Arzneimittel für neuartige Therapien, xenogene Arzneimittel und gentechnisch hergestellte Blutbestandteile verstanden.

14

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Für die spätere Beurteilung eines möglichen Off-Label Use sind insbesondere folgende Unterlagen

und die daraus resultierenden Pflichtangaben von Bedeutung: die Darreichungsform, die Anwen-

dungsgebiete, die Kontraindikationen, die Dosierung, die Art der Anwendung und die Dauer der

Anwendung. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1-3 AMG sind ebenfalls die Ergebnisse physikalischer, chemischer,

biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden

(analytische Prüfung), die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche sowie

die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen

Erprobung vorzulegen und durch Unterlagen zu belegen. Des Weiteren beinhaltet § 22 AMG Abs. 2

die verpflichtende Einreichung einer detaillierten Beschreibung des Pharmakovigilanz- und, soweit

zutreffend, desjenigen Risiko-Management-Systems, das der Antragsteller einführen wird. Auf die

Inhalte der Prüfungen soll im Folgenden näher eingegangen werden.

Die analytische Prüfung

Der Zulassungsantrag sieht die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiolo-

gischer Versuche sowie die angewandten Methoden vor, um die Qualität eines Fertigarzneimittels

(Wirkstoff bzw. Wirkstoffe plus Hilfsstoffe) gewährleisten zu können.

Nach § 4 Abs. 15 AMG ist die Qualität eines Medikaments im arzneimittelrechtlichen Sinn lediglich

die Beschaffenheit eines Arzneimittels, welche nach Identität, Gehalt, Reinheit und weiteren chemi-

schen, physikalischen und biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren be-

stimmt wird. Nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Unbedenklichkeit eines Arzneimittels wird

dadurch maßgeblich beeinflusst. Eine Bewertung ist mit dem Begriff Qualität nicht verbunden.

Die pharmakologisch-toxikologische Prüfung

Die pharmakologisch-toxikologische Prüfung dient dem Nachweis der Unbedenklichkeit des Arznei-

mittels und stellt eine zwingende Voraussetzung für den Beginn der klinischen Arzneimittelprüfung

am Menschen dar (§ 40 Abs. 1 Nr. 6 AMG). Sollten in dieser Prüfungsphase erhebliche unerwünschte

Nebenwirkungen auftreten, so ist noch vor Beginn der klinischen Prüfung eine Zulassungserteilung

ausgeschlossen.

15

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die klinische Prüfung

Klinische Studien am Menschen sind der letzte Schritt in einer langen Entwicklung zum fertigen Me-

dikament, sie werden nach dem Abschluss von Tierversuchen durchgeführt. Als wichtiger Bestandteil

der Forschung geht es hierbei primär um die Verträglichkeit und bzw. oder die Wirksamkeit des Arz-

neimittels und seiner Darreichungsform in festgelegter Dosierung am Individuum (Stapff, 2008).

Die klinischen Prüfungen, deren Ergebnisse für die Zulassungsentscheidung relevant sind, unterglie-

dern sich in drei Phasen. In der Phase I wird das Arzneimittel zunächst an gesunden Probanden er-

probt, danach in den Phasen II und III an Patienten, die an der Krankheit leiden und für die der pU

eine Indikation in der Zulassung beanspruchen will. Im Rahmen dieser Studien werden die Medika-

mente und ihre damit verbundenen Therapien bzw. Behandlungsformen überprüft (Stapff, 2008;

Röhrig et al., 2009). In Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung bzw. dem Nutzen-Risiko-

Verhältnis kann eine klinische Prüfung sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich durch-

geführt werden. Als zwingende Voraussetzung für die klinische Prüfung eines Arzneimittels bei Men-

schen bedarf es der Zustimmung der Ethik-Kommission einerseits und der zuständigen Bundesbe-

hörde andererseits (§§ 40-42 AMG). Des Weiteren müssen die vorhersehbaren Risiken und Nachteile

gegenüber dem Nutzen für die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, und der voraussichtli-

chen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich vertretbar sein (§ 40 Abs. 1 Satz 2 AMG).

Betrachtet man diese rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Zulassung, so erklärt sich auch der

Off-Label Use in der Pädiatrie. Generell erschweren ethische Vorbehalte die Forschung an nicht oder

nur bedingt einwilligungsfähigen Patienten. Hinzu kommt, dass klinische Studien an Kindern auf-

grund ihrer entwicklungsabhängigen unterschiedlichen Physiologie und Stoffwechselfunktion ge-

trennte Untersuchungen nach Altersstufen erfordern (Bücheler et al., 2003) und dadurch sehr auf-

wendig und kostenintensiv sind. Liegen jedoch keine Studien zur Sicherheit oder zu den therapeu-

tisch sinnvollen Dosisbereichen vor, führt das Fehlen von systematisch durchgeführten klinischen

Prüfungen jedoch dazu, dass Kindern potentiell nützliche Wirkstoffe im Rahmen des In-Label Use

vorenthalten bleiben (Steinbrook, 2002). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Phasen der klini-

schen Prüfung und ihre Grundsätze.

16

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 1: Die Phasen der klinischen Prüfung

Phase

Grundsätze

Humanpharmakologie (Phase I)

Verträglichkeit Pharmakokinetik und Pharmakodynamik Dosis-/Wirkungsbeziehungen

Therapeutisch-exploratorische Phase (Phase II)

Wirkungsnachweis im geplanten Indikationsgebiet Dosisfindung Datenerhebung zur Planung von Bestätigungsstudien (Design, Endpunkte, Methodik)

Therapeutisch-konfirmatorische Phase (Phase III)

Wirksamkeitsnachweis Langzeitverträglichkeitsuntersuchungen Sicherheitsprofil Datengrundlage zur Abschätzung der Nutzen-/ Risikoabwägung Dosis-/Wirkungsbeziehung

Nach der Zulassung

Therapeutischer Einsatz (Phase IV)

Ermittlung seltener unerwünschter Arzneimittelwirkungen Überprüfung der Nutzen-/Risikoabwägung in der breiten Bevölkerung bzw. bei bestimmten Populationen und unter Realbedingungen Überprüfung bzw. Bestätigung der Dosisempfehlungen

Nach der Zulassung spielen vor allem die Langzeitverträglichkeit und die Erfassung seltener Neben-

wirkungen eine große Rolle. Auch hier finden Vergleichsstudien mit den wichtigsten am Markt ver-

fügbaren Therapeutika statt. Diese Studien dienen der Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit,

also des Nutzens für die jeweiligen Patienten. Hinzu kommt die Betrachtung gesundheitsökonomi-

scher Fragestellungen, denkbar sind auch groß angelegte klinische Endpunktstudien (z.B. die One-

Million-Study zur Untersuchung des Nutzens von Hormonkombinationen für Frauen in der Menopau-

se). In der Literatur findet sich der Begriff der „Phase V“ für neue Indikationen (Stapff, 2008). Da der

pharmazeutische Unternehmer an die mit beantragter Zulassung eingereichten Indikationen gebun-

den ist, kann das Medikament im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit und unter Berücksichtigung

allgemein anerkannter medizinischer Erkenntnisse im Off-Label Use für weitere Indikationen über-

prüft werden.

17

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

2 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit dem Kran-kenversicherungsrecht

Während das AMG wie im ersten Kapitel beschrieben die Sicherheit des Arzneimittelverkehrs ge-

währleisten soll und nicht die therapeutisch möglichst effiziente Arzneimittelversorgung gesetzlich

Krankenversicherter (Janda, 2010), liefert das 5. Sozialgesetzbuch (SGB V) die rechtlichen Vorausset-

zungen für die Leistungspflicht der GKV. Sie entsteht unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit

bereits mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung (Bruns & Herz, 2003). Unter Berücksichtigung eines

aus sozialrechtlichen Gesichtspunkten betrachteten Mindeststandards sowie eines vertretbaren

Finanzierungsbedarfs müssen Leistungen nach § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirt-

schaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten2. Dabei versteht man unter

dem Begriff der Wirtschaftlichkeit die Erbringung der erforderlichen, ausreichenden und zweckmäßi-

gen Leistung mit dem geringstmöglichen Aufwand, der aufgrund einer Kosten-Nutzen-Bewertung

erfolgt (Huster & Bohmeier, 2012). Die Kosten-Nutzen-Bewertung bezieht sich dabei immer auf mög-

liche alternative Therapiemaßnahme. Das Behandlungsziel Heilung ist vorrangig gegenüber den Be-

handlungszielen Verhütung und Linderung. Eine alternative Therapiemaßnahme kann nur eine solche

sein, mit der mindestens das gleiche Behandlungsziel erreicht werden kann (Huster & Bohmeier,

2012). Im Umkehrschluss fehlt es bei einer Pharmakotherapie bereits an der Zweckmäßigkeit, falls

dem Arzneimittel beispielsweise in entsprechender Indikation keine Zulassung erteilt worden ist.

Schließlich entsprechen die Zulassungsvoraussetzungen den Mindestanforderungen, die an eine

wirtschaftliche Verordnungsweise gestellt werden (Ehlers & Wenke, 2011). Das Wirtschaftlichkeits-

gebot gilt ebenso für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Speziell deren Geschäftsführer

treten in eine private Haftungsverpflichtung ein, sollte der gesetzlich vorgeschriebene Leistungsrah-

men überschritten worden sein (§ 12 Abs. 3 SGB V).

Generell ist die Frage nach der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel für Leistungen im

Gesundheitswesen kein Deutschland-spezifisches Problem, sie stellt sich vielmehr in allen Europäi-

schen Staaten (Huster & Bohmeier, 2012). Die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln im Off-Label

Use kann deshalb auch nach Jahren einer breiten Diskussion um die Frage der Voraussetzungen nicht

ohne Weiteres beantwortet werden. So bleibt die Verordnung eines Arzneimittels außerhalb seiner

Zulassungsbestimmung häufigster Anlass, die Expertise des Medizinischen Dienstes der Krankenkas-

sen (MDK) zur Rechtmäßigkeit der Kostenübernahme zu Rate zu ziehen (Grell & Rieger, 2012).

2 Nach Ehlers und Wenke stehen die Begriffselemente des Wirtschaftlichkeitsgebotes in einem untrennbaren inneren Zusam-menhang. So ist eine Maßnahme, die zum Erzielen eines Heilerfolges nicht notwendig oder zweckmäßig ist, begrifflich auch unwirtschaftlich. Eine Maßnahme, die zum Erzielen eines Heilerfolges nicht ausreicht, ist zugleich unzweckmäßig. Umgekehrt ist eine mehr als ausreichende Maßnahme zugleich nicht notwendig (Ehlers & Wenke, 2011).

18

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

2.1 Der Off-Label Use und seine Ausnahmen in der Rechtspre-chung

In Deutschland galt lange Zeit der Grundsatz, dass nur zugelassene Arzneimittel in ihren Indikationen

zur Leistungspflicht der GKV gehören. Im Jahr 2002 hat die Rechtsprechung jedoch erstmals Aus-

nahmen konkretisiert, die eine Kostenübernahme durch die GKV möglich machen und damit einen in

der Praxis oft unumgänglichen Bedarf eines Einsatzes von Arzneimitteln außerhalb der Zulassung

bestätigt. Im Folgenden werden die wichtigsten Urteile aufgeführt und die Voraussetzungen zur

Leistungspflicht im Fall eines OLU herausgearbeitet.

2.1.1 Das „Sandoglobulin®-Urteil“ des BSG vom 19.03.2002

In der Verhandlung des Bundessozialgerichtes (BSG), die zum „Sandoglobulin®-Urteil“ vom 19. März

2002 führte, ging es um den OLU eines Immunglobulins, das u.a. zur Substitutionstherapie bei pri-

mären Immunmangelkrankheiten zugelassen war. Durch die ausdrücklich als Heilversuch deklarierte

Therapie mit Sandoglobulin® erhofften sich die behandelnden Ärzte eine Besserung der durch Mul-

tiple Sklerose (MS) verursachten Ataxie. Die Therapie der MS, an der der Kläger seit 1987 litt, war im

Zulassungsantrag des Arzneimittels jedoch nicht mit aufgeführt. Im sogenannten „Sandoglobulin®-

Urteil“ hatte das BSG nun über den Anspruch des Klägers gegen die beklagte Versicherung bezüglich

der Erstattung der Kosten für eine bereits erfolgte Behandlung mit Sandoglobulin® sowie über die

Übernahme der in Zukunft entstehenden Kosten dieser Behandlung zu entscheiden (BSG, 2002).

Aufgrund der Tatsachen, dass es dem Arzt nicht verboten sei, ein Medikament außerhalb seiner

Zulassung einzusetzen, man dem Patienten unverzichtbare und wirksame Therapien nicht vorenthal-

ten dürfe und das Arzneimittel durch die Zulassung in anderen Indikationsgebieten bereits umfang-

reiche pharmakologisch-toxikologische Prüfungen an Tieren sowie klinische Prüfungen am Menschen

durchlaufen hatte, erkannte das BSG den „in bestimmten Versorgungbereichen der hausärztlichen

Praxis bzw. des klinischen Alltags bestehenden unverzichtbaren kontrollierten Einsatzes von Arznei-

mitteln im Off-Label an, ohne ihn allerdings pauschal zu bejahen“ (BSG, 2002). Das BSG legte mit der

Rechtsprechung vom 19.03.2002 (B1 KR 37/00R) somit klar definierte Kriterien für eine Verordnung

von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation zu Lasten der GKV fest. Eine Leistungs-

pflicht der GKV im Bereich des zulassungsüberschreitenden Einsatzes eines Arzneimittels besteht

demnach dann, wenn es

19

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

„(1) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig

beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn

(2) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn

(3) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungser-

folg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.

Damit Letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das

Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entwe-

der die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der

Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive

einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewon-

nene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwen-

dungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund derer in den einschlägigen

Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht“ (BSG, 2002).

Unter Berücksichtigung der Gesetzesvorgaben zur vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten

müssen die Kriterien außerdem kumulativ erfüllt sein (Hafner, 2013). Die oben beschriebenen Vo-

raussetzungen waren im „Sandoglobulin®-Urteil“ nicht alle erfüllt – so fehlten gesicherte Erkenntnis-

se über die Wirksamkeit von Sandoglobulin® für die beim Kläger bestehende primär chronisch-

progrediente Verlaufsform dieser Erkrankung und es gab außerdem eine Behandlungsalternative mit

dem für die Therapie zugelassenen Betaferon®. Dennoch durfte hier nach Auffassung des BSG das

grundsätzliche Verbot des Off-Label Use nicht dazu führen, dass dem Patienten unverzichtbare und

erwiesenermaßen wirksame Therapien vorenthalten werden (BSG, 2002). Bei der Auslegung der vom

BSG aufgestellten Voraussetzungen für den Off-Label Use kam es in der Praxis immer wieder zu In-

terpretationsschwierigkeiten (Hafner, 2013; Müller, 2009; Dierks, 2003). Somit findet man beispiels-

weise keine allgemeingültige und einheitliche Definition der schwerwiegenden Erkrankung als Leis-

tungsvoraussetzung. Letztendlich sind immer Einzelfallentscheidungen notwendig, die Krankenkas-

sen oder Gerichte aufgrund einer Gesamtbewertung der Erkrankung unter Berücksichtigung der

damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigung sowie des Leidensdrucks des Patienten zu

fällen haben (Dierks, 2003).

20

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

2.1.2 Die „Visudyne®-Entscheidung“ des BSG vom 10.10.2004

Mit der sogenannten „Visudyne®-Entscheidung“ wurde der Therapie seltener, nicht systematisch

erforschter Krankheiten Rechnung getragen, indem das BSG Ausnahmen bzw. eine Herabsetzung des

Wirksamkeitsnachweises einräumte (BSG, 2004). In diesem konkreten Fall handelte es sich um die

Therapie eines zehnjährigen Jungen mit einer seltenen angeborenen Augenerkrankung. Bereits im

Jahr 2000 wurde der Junge mit dem Medikament Visudyne® (Vertreporfin) behandelt, welches zu

dem Zeitpunkt in Deutschland nicht zugelassen war. Den Antrag der Eltern auf Kostenerstattung in

Höhe von gut 2.100 Euro lehnte die Barmer Ersatzkasse (BEK) mit der Begründung ab, dass die Be-

handlungsmethode weder anerkannt noch hinreichend gesichert sei. Nach Auffassung des BSG dür-

fen aber lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigende Erkrankungen, die

so selten auftreten, dass ihre systematische Erforschung praktisch nicht möglich ist und für deren

Behandlung keine anderen therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, nicht zwangsläufig

vom Leistungsumfang der GKV ausgeschlossen werden (BSG, 2004).

2.1.3 Die „Nikolausentscheidung“ des BVerfG vom 06.12.2005

Hinsichtlich der Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen mit nicht zugelassenen Arzneimitteln

vertrat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), begründet auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes,

die gleiche Auffassung wie das BSG. Doch erst mit der „Nikolausentscheidung“ vom 6. Dezember

2005 übertrug das BVerfG diese Auffassung auch auf die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen

als Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Schließlich sei es nach Auffassung des

BVerfG nicht vertretbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder

regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand

entsprechende Behandlungsmethode zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewähl-

ten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen (hier: Bioresonanztherapie zur Be-

handlung der Muskeldystrophie des Typs Duchenne) (BVerfG, 2005). Durch diesen Beschluss erfolgte

eine entscheidende Ausweitung hinsichtlich des Off-Label Use und seiner Erstattungsvoraussetzun-

gen. In Tabelle 2 werden die Kernpunkte der beiden Urteile (BSG, 2002 und BVerfG, 2005) zum Off-

Label Use noch einmal zusammenfassend dargestellt.

21

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 2: Vergleich der BSG- und BVerfG-Urteile hinsichtlich des Off-Label Use und seine Er-stattungsvoraussetzung

Sandoglobulin-Urteil (BSG 2002)

Nikolausentscheidung (BVerfG 2005)

Schwerwiegende Erkrankung

Lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung

Begründete Aussicht auf Behandlungserfolg

„Nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf Behandlungserfolg

Keine Behandlungsalternative

Keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung verfügbar

Nach der neuen Rechtsprechung müssen demzufolge sieben Kriterien erfüllt sein, um die Vereinbar-

keit des OLU mit dem Krankenversicherungsrecht zu gewährleisten:

1. Es muss sich um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handeln.

2. Bezüglich der vorliegenden Krankheit darf keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entspre-

chende Therapie zur Verfügung stehen. Entscheidend ist hierbei, dass die Behandlungsmöglichkeit im kon-

kreten Einzelfall zu berücksichtigen ist.

3. Abgesehen von der arzneimittelrechtlichen Zulassung müssen weitere allgemeine Voraussetzungen für eine

Leistungspflicht der GKV erfüllt sein, z.B. Vorliegen einer vertragsärztlichen Verordnung.

4. Es darf kein Verstoß gegen das AMG vorliegen. Beispielsweise muss der Importweg bei in Deutschland nicht

zugelassenen AM eingehalten werden oder die Zulassung des einzusetzenden AM darf weder förmlich abge-

lehnt noch zurückgenommen, widerrufen noch ruhend gestellt worden sein.

5. Vor Behandlung eines Patienten mit einem AM im Off-Label muss eine konkret auf den Patienten bezogene

Nutzen-Risiko-Analyse positiv ausfallen. Der gebotene Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterliegt dabei Abstu-

fungen je nach Schwere und Stadium einer Erkrankung und kann daher geringer sein, als von der Rechtspre-

chung des BSG bisher gefordert. Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist dann zu bejahen,

wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werden kann oder Komplikationen vermieden

werden können.

6. Die Behandlung mit Arzneimitteln im Off-Label-Use muss durch einen qualifizierten Arzt durchgeführt wer-

den.

7. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten muss beachtet werden. In diesem Zusammenhang ist eine aus-

reichend ärztliche Information und Aufklärung über die Therapie mit Arzneimittel außerhalb ihrer Zulassung

unumgänglich (Hafner, 2013, S. 51-52).

22

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

2.2 Festlegung des medizinischen Standards durch Richtlinien in der GKV

Der Anspruch einer ausreichenden, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Versorgung aller Versicher-

ten sowie die Beachtung des medizinischen Standards stehen in einem engen Zusammenhang. Dabei

repräsentiert der Standard in der Medizin den jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnis

und ärztlicher Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungszieles erforderlich ist und

sich in der Erprobung bewährt hat (Brunkhorst & Dittmayer, 2008). Erst durch die Festlegung dessel-

bigen kann die Frage nach der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV aufkommen und beantwortet

werden (Rückeshäuser, 2011). Inwieweit ein OLU zum medizinischen Standard gehört und daher

durch die GKV erstattungsfähig wird soll in diesem Abschnitt herausgearbeitet werden.

Der medizinische Standard dient der Qualitätssicherung ärztlicher Behandlung, indem er in umfang-

reichen Entscheidungssituationen über Nutzen und Risiken bestimmter Behandlungsmethoden in

entsprechenden Indikationsgebieten informiert und Therapieoptionen aufzeigt (Müller, 2009). So

wird der Begriff des medizinischen Standards nicht nur bei der vom Arzt zu verantwortenden Leis-

tung, sondern auch bei der Frage der Erstattungsfähigkeit der Therapie, der (Arzt-)Haftung und der

Therapieauswahl bzw. des Behandlungsortes gebraucht (Brunkhorst & Dittmayer, 2008; Laufs &

Uhlenbruck, 2002). Jedoch ändert sich der medizinische Standard laufend und bedarf aufgrund eines

raschen und stetigen Fortschritts einer kontinuierlichen Anpassung. Die Frage, inwieweit sozialrecht-

liche Entscheidungen Einfluss auf die Bestimmung des medizinischen Standards haben können und

dürfen, hat im Gesundheitssystem an Bedeutung gewonnen und zu dessen Reformierung beigetra-

gen (Brunkhorst & Dittmayer, 2008). So mussten mit dem Grundgesetzurteil des BSG im Jahr 2002

neue Rahmenbedingungen geschaffen werden, um unter Berücksichtigung des medizinischen Stan-

dards die Verordnungsmöglichkeiten und die Erstattungsfähigkeit des OL-Arzneimittels durch die

GKV zu regeln. Mit Erlass vom 17.09.2002 richtete das Bundesministerium für Gesundheit und Sozia-

le Sicherung (BMGS) erstmals eine Expertengruppe Off-Label ein (BfArM, 2013). Mit Inkrafttreten

des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) am 01. Januar 2004 wurden schließlich die gesetzlichen

Grundlagen ihrer Arbeit geschaffen. Mitglieder dieser Expertengruppe sind neben Experten aus me-

dizinischen Fachgebieten u.a. auch zwei Vertreter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.

Aufgabe der Expertengruppe Off-Label ist es festzustellen, in welchen Fällen für die Behandlung von

schweren Erkrankungen auch Arzneimittel eingesetzt werden können, die für diese Therapie noch

keine Zulassung nach dem AMG haben.

23

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Veröffentlichte Literatur und die Auffassung entsprechender Fachkreise bilden die Grundlage dieser

Entscheidungen, um unter Berücksichtigung der evidenzbasierten Medizin (EbM)3 ein fundiertes

Übereinkommen hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit der zur Diskussion stehenden Therapie zu

erzielen. Auf der Basis dieser Bewertungen trifft der Gemeinsame Bundesausschuss eine Entschei-

dung, ob entsprechende Anwendungen in die Arzneimittelrichtlinien als erstattungsfähig oder nicht

erstattungsfähig aufgenommen werden. Eine Zustimmung des betroffenen pharmazeutischen Un-

ternehmers ist erforderlich, da er für den bestimmungsgemäßen Gebrauch haftet und deshalb die

Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses mittragen muss (Sickmüller & Lietz, 2011). So

werden in der Anlage VI zum Abschnitt K der Arzneimittel-Richtlinie Verordnungsfähigkeit von zuge-

lassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten (sog. Off-Label-Use) Arzneimittel

genannt, die unter Beachtung der dazu gegebenen Hinweise in nicht zugelassenen Anwendungsge-

bieten verordnungsfähig sind (AM-RL, Anlage VI). Dennoch gilt, dass eine Behandlungsmethode vor

ihrer Etablierung als medizinischer Standard letztendlich immer das Stadium des medizinischen Er-

probungshandelns (ein oder mehrere „individuelle Heilversuche“) zu durchlaufen hat (Müller, 2009).

So sind neben den wissenschaftlich nachweisbaren Belegen einer optionalen pharmakologischen

Therapie auch die Fachkompetenz des behandelnden Arztes sowie die patientenindividuellen Belan-

ge in der konkreten Behandlungssituation zu berücksichtigen (Gaßner & Strömer, 2012).

3 Bei der evidenzbasierten Medizin handelt es sich um ein wissenschaftstheoretisches Konzept, durch das der behandelnde Arzt die Möglichkeit erhält, für seine Entscheidungen bei der patientenindividuellen Therapie die derzeit wissenschaftlich am besten gesicherte Nachweisbarkeit (Evidenz) gewissenhaft, ausdrücklich und vernünftig anzuwenden (Gaßner & Strömer, 2012; Sackett et al., 1996). Allerdings darf die EbM nicht dahingehend missverstanden werden, dass nur Therapien, die mit einem hohen Evidenzgrad belegt sind (in der Regel mittels randomisierter klinischer Studien) zum medizinischen Standard gehören können (Kunz et. al., 2007). Denn nach Sackett kann mittels EbM auch unter mehreren Therapieoptionen mit kaum nachgewiesener Wirksamkeit „die am wenigsten schlechte Methode“ ermittelt werden (Sackett et al., 1996).

24

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

2.3 Der Off-Label Use aus ökonomischen Interessen: SGB V vs. AMG

Im Fokus der Frage nach der Vereinbarkeit des OLU mit dem Krankenversicherungsrecht stand bisher

die Darstellung der Ausnahmen, die die GKV aus ethischen Gründen zu einer Kostenübernahme

verpflichten. Dass ein Off-Label Use auch aus ökonomischen Interessen induziert sein kann, soll in

diesem Abschnitt dargestellt werden. Schließlich bilden neben stationären sowie ambulant-

ärztlichen Behandlungen die Ausgaben für Arzneimittel einen der größten Kostenfaktoren in der

gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband, 2015). Um diese Kosten zu reduzieren,

können die Krankenkassen und ihre Verbände gemäß § 130a Abs. 8 SGB V Rabattverträge mit phar-

mazeutischen Unternehmern abschließen4. Rabattverträge ermöglichen den GKVen seither, durch

einen direkten Vertragsabschluss mit dem pU die zu ihren Lasten zu verrechnenden Arzneimittel-

preise zu beeinflussen. Diese Rabattverträge sehen nämlich Rückvergütungen bei den jeweils be-

troffenen Arzneimitteln nach ihrer Verordnung vor, die in Höhe des ausgehandelten Rabatts auf den

Abgabepreis gewährt werden.

Im § 4 des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen dem

GKV-Spitzenverband und dem Apothekerverband werden die Voraussetzungen für die Arzneimittel-

auswahl detailliert beschrieben, sollte der Arzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeich-

nung verordnet oder die Ersetzung eines unter seinem Produktnamen verordneten Fertigarzneimit-

tels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen haben. Folgende Aspekte sind bei

der Auswahl zu berücksichtigen:

4 § 130a SGB V ist durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) vom 23. Dezember 2002 mit Wirkung ab 1. Januar 2003 neu in das fünfte Sozialgesetzbuch aufgenommen worden. Mit dem GKV-Wirtschaftlichkeitsstärkungsgesetz (GKV-WSG) erhielten die Rabattverträge allerdings erst ihre eigentliche Wirksamkeit durch die Einführung der neuen Regelung zum Aut-idem-Austausch.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

(a) gleicher Wirkstoff, dabei gelten die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von

Isomeren, Komplexe und Derivate eines Wirkstoffes als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn ihre Eigen-

schaften unterscheiden sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erheblich hinsichtlich der Unbedenklich-

keit und der Wirksamkeit,

(b) identische Wirkstärke,

(c) identische Packungsgröße,

(d) gleiche oder austauschbare Darreichungsform, dabei sind die Darreichungsformen mit identischer Bezeich-

nung in der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) gleich, Darreichungsformen nach den Hinwei-

sen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 129 Absatz 1a SGB V austauschbar,

(e) Zulassung für ein gleiches Anwendungsgebiet, die Übereinstimmung in einem von mehreren Anwendungs-

gebieten ist ausreichend,

(f) keine einer Ersetzung des verordneten Arzneimittels entgegenstehenden betäubungsmittelrechtlichen Vor-

schriften; insbesondere hat die abgegebene Menge der verordneten Menge zu entsprechen (GKV-

Spitzenverband, 2012).

Sofern rabattierte Arzneimittel die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, ist die Apotheke zur

vorrangigen Abgabe verpflichtet. Im Rahmen der Rabattvertrags-bedingten Substitutionspflicht in

der Apotheke kann es dennoch in der Praxis vorkommen, dass Präparate, die sowohl den gleichen

Wirkstoff als auch die gleiche Wirkstoffmenge aufweisen, keine übereinstimmenden Indikationen

haben – begründet entweder in der Zulassung oder aber wegen bestehender gewerblicher Schutz-

rechte (Unterlagenschutz/Patente) (Sickmüller & Lietz, 2012). Der Patient erhält dann möglicher-

weise ein Präparat, das nicht für die Behandlung seiner Erkrankung zugelassen wurde. Durch von der

ärztlichen Verordnung abweichende Informationen (beispielsweise hinsichtlich der Dosierung) und

die nicht zutreffende Indikation in der Packungsbeilage kann der Patient zusätzlich verunsichert

werden, was sich schließlich negativ auf die Adhärenz auswirken kann. Tabelle 3 enthält Beispiele für

Wirkstoffe mit unterschiedlichen Indikationen.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 3: Beispiele für Wirkstoffe mit unterschiedlichen Indikationen

Wirkstoffe

Handelspräparat (pU) Indikation

Handelspräparat (pU) Indikation

Doxazosin Doxazosin AbZ® 2 mg/4 mg Tabletten (AbZ Pharma) Essentielle Hypertonie

Uriduct® 2 mg (TAD) Benigne Prostatahyperplasie (BPH)

Methylphenidat Medikinet® adult (Medice) ADHS bei Erwachsenen

Ritalin® 10 mg (Novartis Pharma) ADHS bei Kindern und Jugendlichen

Acetylsalicylsäure

ASS-CT® 100 mg TAH Tabletten (AbZ Pharma) Zur Thrombozytenaggregations-hemmung Bei instabiler Angina pectoris Akute Myokardinfarkt Reinfarktprophylaxe Nach arteriellen gefäßchirurgischen oder interventionellen Eingriffen (z. B. nach ACVB, bei PTCA). Vorbeugung von transitorischen ischämischen Attacken (TIA) und Hirninfarkten, nachdem Vorläuferstadien aufgetreten sind

ASS 100 mg Heumann® (Heumann) Leichte bis mäßig starke Schmerzen und Fieber bei Kindern ab 6 Monate

Auch der aufgrund ökonomischer Interessen zulassungsüberschreitende Einsatz von Bevacizumab

zur Behandlung der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) wird kontrovers diskutiert (Lynch

& Cheng, 2007; Rosenfeld, 2011; Kirchhof et al., 2013; Gaßner, 2013). Bei dieser Erkrankung sind die

VEGF-Spiegel im Auge erhöht, was zu einer übermäßigen Gefäßneubildung der Choroidea führt.

Durch die erhöhte Permeabilität tritt aus den neu gebildeten Gefäßen Blut und Flüssigkeit aus, wes-

wegen sich die Netzhaut verdickt und Ödeme bilden. Ferner kommt es zu sub- oder intraretinalen

Blutungen, die die Sehschärfe beeinträchtigen. Letztendlich führt diese Erkrankung unbehandelt zur

Erblindung (Ferrara & Kerbel, 2005; Witmer et al., 2003; Penn et al., 2008). Derzeit stehen auf dem

deutschen Arzneimittelmarkt drei VEGF-Hemmstoffe für die Behandlung der AMD zur Verfügung:

Pegaptanib (Macugen®, Datum der Zulassungserteilung: Januar 2006), Ranibizumab (Lucentis®, Da-

tum der Zulassungserteilung: Januar 2007) und Aflibercept (Eylea®, Datum der Zulassungserteilung:

November 2012). Bis zum Frühjahr 2007 konzentrierte sich die medikamentöse Therapie allerdings

auf die intravitreale Gabe von Bevacizumab (Janzen & Ludwig, 2012) im sogenannten Off-Label Use.

Mit seiner Zulassung 2007 stand mit dem Wirkstoff Ranibizumab ein mit der Wirksamkeit von Beva-

cizumab vergleichbares zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung, das allerdings auch um ein Vielfa-

ches teurer ist als Bevacizumab (Kirchhof et al., 2013). Im Hinblick auf die Arzneimitteltherapie ver-

langt das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) unter anderem, dass bei gleicher Wirksamkeit und

Sicherheit die preiswertere Substanz verordnet wird. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein

informierte ihre Mitglieder im August 2008, dass der Einsatz von Bevacizumab zur Behandlung der

AMD im Rahmen eines Behandlungsvertrages möglich sei (KVNO, 2008a). Hiernach sehe der Vertrag

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

für den Patienten vor, dass neben den VEGF-Hemmern Ranibizumab und Pegaptanib auch Bevaci-

zumab zur intravitrealen Injektion eingesetzt werden könnte (KVNO, 2008a). Das Sozialgericht Düs-

seldorf hatte in seinem Urteil vom 02.07.2008 (S2 KA 181/07) zuvor den Antrag der Firma Novartis

(Hersteller von Ranibizumab) auf eine einstweilige Anordnung gegen diese Empfehlung zurückgewie-

sen. Nach seiner Auffassung sei der Vertrag rechtmäßig, da er die „volle Therapiefreiheit der behan-

delnden Ärzte und damit ihre Entscheidungsfreiheit“ für Ranibizumab, Bevacizumab oder ein ande-

res Produkt gewähre. Auch der „in dem streitbefangenen Vertrag vorrangig angestrebte Einsatz von

Avastin® [Bevacizumab]“ sei „ein legitimes Anliegen der Vertragspartner, das von der Rechtsordnung

gestützt“ werde (SG Düsseldorf, 2008). So ist nach Auffassung des Gerichts die „Erhaltung der finan-

ziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung […] ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang“

(SG Düsseldorf, 2008). Gut vier Jahre später entschied das BSG in seinem Urteil (B1 KR25/11 R) vom

3. Juli 2012, dass die zulassungsüberschreitende Anwendung von Bevacizumab in Anwendung der

Rechtsprechung zum OLU (BSG, 2002; BVerfG, 2005) nicht von der Leistungspflicht der GKV erfasst

sei (BSG, 2012)5.

BSG und BVerfG hatten in ihren Rechtsprechungen die medizinische Notwendigkeit betont, die einen

OLU aufgrund der Defizite im Arzneimittelrecht rechtfertigen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12

SGB V bildet hier hingegen keine Argumentationsgrundlage. Der „sozialversicherungsrechtliche off-

label use [dient] allein dem Interesse und dem Schutz der Versicherten und nicht dem Schutz seiner

Krankenversicherung vor finanzieller Überforderung oder der finanziellen Stabilität des Versiche-

rungssystems“ (Gaßner, 2013, S. A14756).

Ein Patient, der aufgrund einer AMD eine pharmakologische Therapie bedarf, hat demnach Anspruch

auf einen In-Label Use, in diesem Fall Lucentis®, auch wenn es die GKV finanziell stärker belastet. Das

ist gerade auch im Hinblick auf die arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung des pU (Kapitel 4) von

großer Bedeutung. Generell können weder Arzt noch Patient angehalten werden, sich in einem

rechtlichen Graubereich zu bewegen, um den ökonomischen Bedürfnissen der GKV entgegenzu-

5 In diesem Urteil ging es um die Klage einer Versicherten (* 1938), die bis August 2008 bei der BARMER GEK versichert war. Da sie an einer erheblichen Visuseinschränkung auf dem rechten Auge wegen rezidivierender Vaskulitis mit sekundärer epire-tinaler Membran und zystoidem Makulaödem litt – bei in diesem Zeitraum nahezu unbeeinträchtigtem Sehen auf dem linken Auge – beantragte sie im September 2006 bei ihrer GKV, dass diese die Kosten für die intravitreale Injektion von Avastin® übernehme. Die Barmer GEK lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 5.10.2006). Im November 2006, im Januar 2007 und im März 2007 ließ sich die Klägerin dennoch ärztlich intravitreal Avastin® injizieren und wendete hierfür insgesamt 982,28 Euro auf. Ihr Überprüfungsantrag (12./15.10.2007) blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 18.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.1.2008). Das SG hatte ihre Klage auf Kostenerstattung ab- (Urteil vom 18.9.2008) und das LSG ihre Berufung zurückgewie-sen, mit der Begründung, es fehle für einen OLU an dem hierfür erforderlichen Wirksamkeitsnachweis. Des Weiteren beste-hen keine notstandsähnliche Situation und kein Seltenheitsfall. Das Makulaödem trete eher häufig auf und sei deshalb er-forschbar bzw. sogar erforscht. Das Krankheitsbild der Klägerin könne von entsprechenden Studien "mit umfasst sein" (BSG, 2012). 6 Von März 2010 bis Februar 2015 war Dr. Maximilian Gaßner Präsident des Bundesversicherungsamtes.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

kommen. Schließlich dürfen sozialrechtliche Bestimmungen nicht „nach Bedarf“ ausgerichtet wer-

den, um je nach Auslegung dem Interesse der GKV zu nutzen.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

3 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit dem Arzthaf-tungsrecht

Die sozialrechtlichen Vorschriften des SGB V regeln in erster Linie die Fragen der Leistungspflicht der

GKV. Sind die Voraussetzungen einer Kostenübernahme (nach §§ 2 Abs. 1a, 31 und 35c SGB V bzw.

nach der Rechtsprechung von BSG und BVerfG) nicht erfüllt, hat der Versicherte keine Ansprüche auf

Sachleistungen und Kostenerstattung – nicht nur im OLU. Das SGB V hat jedoch zunächst einmal

keine unmittelbare Auswirkung auf das Arzthaftungsrecht. So ist es möglich, dass das Haftungsrecht

des Arztes über den sozialrechtlichen Standard hinausgeht. Die Vereinbarkeit des OLU mit dem Arzt-

haftungsrecht steht daher im Fokus des dritten Kapitels.

Die Therapiefreiheit des Arztes umfasst u.a. das Recht zur freien Entscheidung einer patientenindivi-

duell geeigneten Pharmakotherapie, dabei gilt es allerdings, den allgemeinen medizinischen Stan-

dard zu berücksichtigen7. Dieser muss nicht immer identisch mit einem in einer bestimmten Indika-

tion zugelassenen Arzneimittel sein (Walter, 2012). Nach dem Arzthaftungsrecht ist ein OLU somit

auch dann zulässig, wenn es nicht um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht

(Gaßner, 2013). Arzthaftungsrecht und SGB V kommen dann in Konflikt, wenn es um die Erstattungs-

frage und das Wirtschaftlichkeitsgebot geht. Beim Arzthaftungsrecht steht der vom Patienten durch

ein ärztliches Fehlverhalten erlittene Schaden im Vordergrund. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der

Krankenkasse knüpft an einen eventuell ihr entstandenen Schaden an, der durch eine unzureichende

Berücksichtigung der Verordnungsvorgaben des SGB V von Arzneimitteln verursacht wurde (Dierks,

2008). Dies kann eine Regressforderung an den behandelnden Arzt auslösen. Schließlich muss im

Sinne des § 12 SGB V das Medikament für seinen Einsatz ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich

sein.

Aus arzneimittel- sowie strafrechtlicher Sicht ist es dem Arzt gestattet, ein Arzneimittel außerhalb

seiner dafür vorgesehenen Zulassung einzusetzen. Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied

zwischen dem Arzneimittel- und dem Arzthaftungsrecht. Das Arzneimittelrecht soll die Arzneimittel-

sicherheit gewährleisten, das Arzthaftungsrecht die Anwendungssicherheit von Arzneimitteln.

Schließlich bietet eine Zulassung nicht automatisch die Gewähr für sorgfältige und standardgemäße

patientenindividuelle Therapieentscheidungen (Müller, 2009). Es ist also nicht nur der pharmazeuti-

sche Unternehmer, dem die Pflicht obliegt, die Sicherheit von Arzneimitteln zu gewährleisten. Der

Arzt hat ebenfalls eine weitgehende Produkt- und Marktbeobachtungspflicht (Hart, 1990) und hat

7 Ein Haftungsgrund im Schadensfall ist nicht etwa der unzureichende oder möglicherweise schlechte Ausgang einer (pharma-kologischen) Therapie, sondern das Abweichen vom medizinischen Standard (Gaßner & Strömer, 2012).

30

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

sich im Rahmen seiner Fortbildungspflicht über mögliche zulassungsüberschreitende Anwendungen

pharmakologischer Therapien zu informieren (Müller, 2009).

In vielen Facharztbereichen gehört der OLU zum Versorgungsalltag. Im Bereich der Arzthaftung

ergibt sich daraus die Frage, ob und wann ein Off-Label Use notwendigerweise stattfinden soll bzw.

muss. Die „Aciclovir-Entscheidung“ des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (OLG, 1990) dient als oft zi-

tiertes Beispiel. Demnach gilt bei einer medizinischen Notwendigkeit ein Off-Label Use als verpflich-

tend, wenn ausreichende medizinische Kenntnisse sowohl über die Behandlungsrisiken als auch

Behandlungsvorteile bekannt sind. Im vorliegenden Fall besaß der Wirkstoff Aciclovir zwar keine

Zulassung für die Behandlung der Herpes-Enzephalitis, allerdings wurde diese Pharmakotherapie als

gewisser Standard im medizinischen Alltag angesehen. Der Arzt ist grundsätzlich an seine Pflicht zur

Behandlung nach dem aktuellen medizinischen Standard gebunden. So kann im Unterlassen eines

Off-Label Use ein Behandlungsfehler liegen. Für den daraus entstandenen Schaden haftet der Arzt

(Wegner, 2013), wenn eine begründete Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung im OLU bestanden

hätte und zugelassene wirksame und sichere Arzneimittel nicht zur Verfügung standen (Clemens,

2011; Schimmelpfennig-Schütte, 2004). Verzichtet der Arzt hingegen auf den zulassungsüberschrei-

tenden Einsatz eines Arzneimittels, welches sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Erprobungsphase

befindet und noch nicht dem medizinischen Standard entspricht, kann dem Arzt bei einer ansonsten

vorliegenden Therapiealternative kein Behandlungsfehler unterstellt werden (Müller, 2009)8. Zivil-

rechtlich betrachtet kann der Off-Label Use somit in zwei Kategorien unterschieden werden: dem

„etablierten“ und dem „nicht-etablierten“ Off-Label Use (Walter, 2012).

Von einem „etablierten“ Off-Label Use wird dann gesprochen, wenn sich die Anwendung eines Arz-

neimittels außerhalb seines bestimmungsgemäßen Gebrauchs mittlerweile zum Facharzt-Standard

etabliert hat, wie es zum Beispiel in der Pädiatrie oder Onkologie der Fall sein kann. Auch kann es

vorkommen, dass Arzneimittel, die bereits den ärztlichen Standard in anderen Ländern erreicht ha-

ben, von deutschen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in ihre Leitlinien übernommen werden

(Walter, 2012). Voraussetzung für die Anerkennung als Facharzt-Standard ist allerdings, dass das

betreffende Arzneimittel dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis in Deutschland entspricht

(Walter, 2012).

8 Die evidenzbasierte Medizin dient dem Krankenversicherungsrecht, den Anspruch des Versicherten auf eine Behandlung nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu konkretisieren. Im Vergleich dazu werden ihre Grundsätze im Arzthaftungsrecht insbesondere zur Bestimmung des medizinischen Standards herangezogen (Gaßner & Strömer, 2012).

31

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Von einem „nicht-etablierten“ Off-Label Use spricht man hingegen, wenn der Facharzt-Standard für

diese Behandlung nicht belegbar ist. Im Gegensatz zum „etablierten“ Standard besteht somit auch

kein genereller Rechtsanspruch des Patienten auf die Behandlung mit einem Arzneimittel außerhalb

seiner Zulassung, was zur Konsequenz hat, dass grundsätzlich eine Einzelfallprüfung erforderlich ist

(Walter, 2012)9.

Die Pflicht zur umfassenden medizinischen Aufklärung

Ein OLU setzt grundsätzlich eine Patienteneinwilligung voraus. Diese muss vor Therapiebeginn ein-

geholt werden, da es sich hierbei immer um einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Pati-

enten handelt. Die Therapie, ihre Risiken, Nutzen und mögliche Heilungschancen müssen dabei vom

Arzt umfassend erläutert werden, damit der Patient eine Entscheidung durch Abwägung von Vor-

und Nachteilen treffen kann (Wegner, 2013). Zudem übernimmt der Arzt im OLU auch die Rolle des

pU in der klinischen Prüfung mit Blick auf die Übernahme der Haftpflicht bei auftretenden uner-

wünschten Wirkungen oder Ereignissen. Grundsätzlich hat der Arzt auf eine fehlende arzneimittel-

rechtliche Zulassung hinzuweisen. Sofern es sich bei der Pharmakotherapie nicht um einen etablier-

ten Facharzt-Standard handelt, müssen Nutzen und Risiken eingehend evaluiert und gegenüber dem

Patienten vermittelt werden (Müller, 2009). Eine zulassungsübergreifende Pharmakotherapie bringt

nicht nur den erhofften Nutzen, sondern geht auch mit einem erhöhten Risiko einher, da in der je-

weiligen OLU-Indikation noch keine Ergebnisse aus systematisch durchgeführten klinischen Prüfun-

gen vorliegen (Bücheler et al., 2003; Janzen & Ludwig, 2012).

Patientenorientierte ökonomische Aspekte müssen beim OLU ebenfalls berücksichtigt werden. So ist

der Arzt dazu verpflichtet, auch auf Kosten hinzuweisen, die unter Umständen nicht von der GKV

übernommen werden und somit vom Patient selbst getragen werden müssen. Grundsätzlich hat

aber jeder Patient ein Anrecht auf eine solche, über den sozialrechtlichen Standard hinausgehende

Behandlung10.

9 Dort, wo der medizinische Standard verlassen wird, beginnt der so genannte „Heilversuch“. Er ist geprägt durch das Abwei-chen bzw. Fehlen eines medizinischen Standards im Rahmen einer therapeutischen Zielsetzung (Müller, 2009) und wird defi-niert als innovative Variante einer Standardbehandlung oder als erstmalige Anwendung einer neuen Behandlung bis zur systemisch-wissenschaftlichen Überprüfung ihrer Wirksamkeit (Hart, 1994). 10 Arzneimittelverordnungen liegen grundsätzlich in der Verantwortung des Vertragsarztes. Eine Genehmigung von Arzneimit-tel-Verordnungen durch die Krankenkasse ist demnach unzulässig (BMV-Ä, § 29).

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die Vereinbarkeit des OLU sowohl mit dem Arzthaftungs- als auch mit dem Krankenversicherungs-

recht kann unter Berücksichtigung nachfolgender Anforderungen ermöglicht werden:

(1) Beachtung der Kriterien des BSG bzw. BVerfG.

(2) Anzeigen des OLU gegenüber der Krankenkasse mit der Bitte um Bestätigung, dass sie keine Feststellung ei-

nes sonstigen Schadens beantragen wird. Liegt diese Bestätigung nicht vor, sollte ein Privatrezept ausge-

stellt werden.

(3) Dokumentierte Aufklärung des Patienten über das übliche Maß hinaus und Übernahme der Haftpflicht bei

auftretenden unerwünschten Wirkungen und Ereignissen (KVNO, 2008).

33

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

4 Die Vereinbarkeit des Off-Label Use mit der Haftung des pharmazeutischen Unternehmers

Auf Basis der Überlegungen zur Vereinbarkeit eines OLU mit dem Sozialversicherungs- bzw. Arzthaf-

tungsrecht sollen im vierten Kapitel mögliche haftungsrechtliche Konsequenzen für den pharmazeu-

tischen Unternehmer aufgezeigt werden, wenn sein Arzneimittel außerhalb der dafür vorgesehenen

Zulassung angewendet wird. Schließlich kann die Verordnung eines Arzneimittels auch außerhalb

seiner eigentlichen Bestimmung durchaus gewinnbringend für den pU sein (Rückeshäuser, 2011).

Wie für den Arzt stellt sich auch für den pU die Frage, welche rechtlichen Haftungsrisiken mit dem

geduldeten OLU seines Arzneimittels verbunden sein können.

Die arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung und der bestimmungswidrige Ge-brauch eines Arzneimittels

Aufgrund der Erfahrungen aus dem Contergan-Skandal wurde durch das Gesetz zur Neuordnung des

Arzneimittelrechts 1976 der Gefährdungshaftungstatbestand11 in das AMG aufgenommen. Schließ-

lich können Arzneimittelrisiken nach erfolgter Marktzulassung nicht generell ausgeschlossen werden,

da die zuvor durchlaufenen klinischen Prüfungen nur an einem kleinen und sehr selektierten Patien-

tenkollektiv durchgeführt werden. Dem wirtschaftlichen Schutz zum Ausgleich für Personenschäden,

die trotz Sicherheitsvorkehrungen eingetreten sind, wird durch den Gefährdungshaftungstatbestand

Rechnung getragen (Müller, 2009). Allerdings haftet der pharmazeutische Unternehmer für seine

Arzneimittel nur im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs (Wegner, 2013).

Bei der Definition des bestimmungsgemäßen Gebrauchs eines Arzneimittels stellt sich vor allem die

Frage, ob dieser allein durch den pharmazeutischen Unternehmer erwirkt wird (subjektiver Ausle-

gungsmaßstab) oder ob ein Arzneimittel auch nach Auffassung der Fachkreise bestimmungsgemäß

eingesetzt werden kann (objektiver Auslegungsmaßstab) (Müller, 2009). Würde der bestimmungs-

gemäße Gebrauch allein durch den pU festgelegt werden, so würde es sich im Falle eines Off-Label

Use um einen bestimmungswidrigen Gebrauch handeln, der nicht vom Tatbestand des § 84 umfasst

wird (Müller, 2009). Ein nach Auffassung des pharmazeutischen Unternehmers bestimmungswidriger

11 Im § 84 Abs. 1 AMG heißt es: Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterlegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Men-schen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Gebrauch kann aber auch dann bestimmungsgemäß sein, wenn dieser nicht explizit durch Kenn-

zeichnung, Packungsbeilage und Fachinformation ausgeschlossen wurde (Buchner & Jäkel, 2003;

Meyer & Grunert, 2005). Somit verbleibt dem pU zur Vermeidung eines „Fehlgebrauchs“ (Räpple,

1991) nur die Möglichkeit, entsprechende Warnhinweise anzugeben. Er kann den bestimmungswid-

rigen Arzneimittelgebrauch durch Kontraindikationen einschränken bzw. ausschließen, um seinen

Haftungsumfang einzugrenzen (Göben, 2009).

Der pU ist über den Stufenplanbeauftragten (§ 63a AMG) und den Pharmaberater (§ 76 AMG) ver-

pflichtet, Informationen zum Arzneimittelgebrauch zu sammeln, zu bewerten und zu dokumentieren.

Er wird vor allem dann Kenntnis von einem bestimmungswidrigen Gebrauch eines Arzneimittels

haben, wenn dieser im Sinne eines medizinischen Standards zwar indikationsfremd, wissenschaftlich

aber anerkannt ist. Schließt er die Anwendung nicht aus, erstreckt sich seine Haftung somit auch auf

den Off-Label Use (Wegner, 2013). Da auf die Möglichkeit des zulassungsüberschreitenden Einsatzes

von Arzneimitteln weder in der Kennzeichnung bzw. Packungsbeilage noch in der Fachinformation

hingewiesen werden darf, kommt eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmers für eine nicht

den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende Information über den Off-Label Use nicht in

Betracht (Francke & Hart, 2003). Sofern Arzneimittel von der Expertengruppe als solche eingestuft

werden, die außerhalb ihrer Zulassungsbestimmung eingesetzt werden dürfen, werden auch diese

von der Gefährdungshaftung erfasst. Aus diesem Grund muss der pharmazeutische Unternehmer

seine Zustimmung zur Bewertung des Medikaments durch die Expertengruppe erteilen (§ 35b Abs. 3

S. 3 SGB V). Einer Zustimmung bedarf es grundsätzlich nicht, wenn in bewiesenen Ausnahmefällen

(beispielsweise bei lebensbedrohlichen Erkrankungen ohne Therapiemöglichkeit) ein Off-Label Use

einen Therapieerfolg verspricht (Buchner & Jäckel, 2003).

Gerade mangelnde Informationsmöglichkeiten durch die erwähnten Hinweis-Verbote sowohl der

jeweiligen Fachkreise über zusätzliche Indikationen als auch des Patienten über die korrekte Ein-

nahme seines Arzneimittels im OLU erschweren den Anspruch einer patientengerechten Versorgung.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können bei einem geduldeten OLU auch nicht ausreichend

erfasst werden.

35

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

5 Nutzen und Risiko neuer Arzneimittel

Der Begriff der Nutzenbewertung findet sich unter anderem im AMG, im SGB V sowie der Verfah-

rensanordnung des G-BA (G-BA, 2008) und dem Methodenpapier des Institutes für Qualität und

Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG, 2015a). Grundlage für die Bewertung eines Nutzens

ist die Festlegung eines Verfahrens zur Quantifizierung von Nutzen und Schaden. Dies ist umso rele-

vanter, will man eine einheitliche Verbindlichkeit als Grundlage für politische Entscheidungen schaf-

fen (Wegscheider et al., 2015).

Nach den Ausführungen der rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich einer zulassungsüber-

schreitenden Arzneimittelverordnung (Kapitel 1-4) soll mit dem fünften Kapitel der Aspekt der Nut-

zenbewertung neuer Arzneimittel aufgegriffen werden. Dabei soll der Frage nachgegangen werden,

inwiefern auch die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel zu einem OLU beitragen kann.

5.1 Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes

Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 ist das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes nach § 35a

SGB V in Kraft getreten. Eines der Hauptziele des Gesetzes war hierbei, die in den letzten Jahren

angestiegenen Arzneimittelkosten vor allem im festbetragsfreien Marktsegment zu begrenzen und

die Kosten eines Arzneimittels an seinen therapeutischen sowie patientenrelevanten (Zusatz-)Nutzen

zu koppeln. Innerhalb eines Jahres soll auf Basis der Bewertungen zum Zusatznutzen der Erstat-

tungsbetrag des Arzneimittels zwischen pU und GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden. Bis zum

endgültigen Beschluss durch den G-BA bestimmen zunächst die pharmazeutischen Unternehmen

den Preis ihres Arzneimittels. Beauftragt durch den G-BA bewertet das IQWiG den Zusatznutzen

eines neu in den Markt eingeführten Arzneimittels zunächst anhand der Herstellerunterlagen, um

festzustellen, ob und in welchem Ausmaß ein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Ver-

gleichstherapie vorliegt. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für die Verhandlungen über den

Erstattungsbetrag. Das IQWiG folgt dabei den aus dem Gesetz und den zugehörigen Verordnungen

abgeleiteten Grundsätzen.

Als höchstes Organ der Selbstverwaltung hat der G-BA schließlich die Aufgabe, die entsprechenden

Beschlüsse zu den einzelnen Arzneimitteln zu fassen, die dann Eingang in die Arzneimittel-Richtlinien

finden. Konstatiert der G-BA dem Arzneimittel keinen Zusatznutzen, kann es in eine Festbetrags-

gruppe mit vergleichbaren Arzneimitteln und einer gemeinsamen Erstattungshöchstgrenze eingrup-

36

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

piert werden. Wenn eine Einordnung aufgrund einer fehlenden Festbetragsgruppe nicht möglich

sein sollte, wird ein Erstattungsbetrag der gesetzlichen Krankenkasse auf Grundlage der jährlichen

Kosten der Vergleichstherapie vereinbart. Wird hingegen ein Zusatznutzen festgestellt, vereinbart

der Spitzenverband Bund als Vertreter der GKVen mit den Arzneimittelherstellern auf Basis des Be-

schlusses der Nutzenbewertung Erstattungsbeträge, die für alle Kassen gültig sind. Der Preis darf

dabei höher liegen als der einer vergleichbaren Therapien (Windt et al., 2014). Mit Einführung des

AMNOG verpflichtet das Gesetz erstmals die pharmazeutischen Unternehmen, für Arzneimittel mit

neuen Wirkstoffen einen Zusatznutzen nachzuweisen, so dass sich der Erstattungsbetrags am thera-

peutischen Wert des Arzneimittels im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie orientiert. Durch die

frühe Nutzenbewertung stehen den Ärzten sowie Patienten außerdem detaillierte und von der

pharmazeutischen Industrie unabhängig erstellte Informationen zur Verfügung. G-BA und IQWiG

verfolgen damit das Ziel, primär monetär orientierten Innovationen den Marktzugang zu erschwe-

ren, um so die Solidargemeinschaft finanziell zu entlasten.

5.2 Wirksamkeit und patientenorientierter Nutzen neuer Arz-neimittel

Die Wirksamkeit und der patientenorientierte Nutzen eines neuen Arzneimittels haben schon vor

Einführung des AMNOG im deutschen Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung gewonnen (BÄK

& KBV, 1996). Während die Bestimmung der Wirksamkeit eines Arzneimittels im Rahmen von expe-

rimentellen, präklinischen und klinischen Studien erfolgt, erweist sich der Nachweis eines zusätzli-

chen Nutzens gerade neuer Arzneimittel aufgrund der begrenzt vorliegenden Erfahrungswerte sowie

patientenindividueller Bedingungen als weitaus schwieriger. Aus diesem Grund kann man sich bei

der Nutzenbewertung in der Versorgungsforschung nicht ausschließlich auf randomisiert kontrollier-

te Vergleiche aus großen Studien beschränken. Patientenrelevante Endpunkte wie Mortalität, Mor-

bidität und Lebensqualität, die in klinischen Studien primäre Endpunkte darstellen können, werden

zwar bei der Beurteilung des (Zusatz-)Nutzens berücksichtigt, ein weitaus wichtigerer Faktor in der

Nutzenbeurteilung ist allerdings der Verlauf der Zeit. Krankheiten durchlaufen unterschiedliche Sta-

dien, verändern sich, bedingen unterschiedliche Prioritäten mit weitreichenden Auswirkungen auf

die Lebensumstände des Patienten. Dadurch verschieben sich auch seine individuellen Bedürfnisse.

Was ihm heute nutzt, kann morgen schon nutzlos sein. Auch aus diesem Grund müssen Nutzenstu-

dien in der realen Patientenversorgung an anderen Kriterien ausgerichtet werden als Wirksamkeits-

studien im Zulassungsprozess an ausgesuchten und vorher definierten Patientenpopulationen.

37

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Neben der Nutzen- spielt auch die Kosten-Bewertung eine wesentliche Rolle. Kosten und Nutzen

stehen dabei in synergistischer Beziehung zueinander, um Angemessenheit und Zumutbarkeit einer

finanziellen Übernahme durch die Versichertengemeinschaft entsprechend beurteilen zu können

(Windt et al., 2014). Problematisch ist auch hier, dass sich zum Zeitpunkt der Zulassung eines Arz-

neimittels dieser patientenorientierter Zusatznutzen nach § 35b SGB V (Reduktion der Mortalität,

der Morbiditätsbelastung und der unerwünschten Wirkungen sowie Erhöhung der Lebensqualität)

im vollen Umfang nicht ohne Weiteres finanziell bewerten lässt.

Kriterien für die Beurteilung von neu auf den Markt gekommenen Arzneimitteln

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) stellt in ihrem Positionspapier Kriterien für die

Beurteilung von neu auf den Markt gekommenen Arzneimitteln vor, um den möglicherweise innova-

tiven Charakter – und somit auch den damit verbundenen (Patienten-)Nutzen – eines neuen Wirk-

stoffes oder einer neuen Arzneiform besser beurteilen und einschätzen zu können (DPhG, 2005).

Neue Arzneistoffe können demnach in die Kategorien Sprunginnovation, Schrittinnovation und

Scheininnovation eingruppiert werden. So werden Arzneistoffe oder auch Arzneiformen grundsätz-

lich dann als Sprunginnovation bezeichnet, wenn sie als erste Vertreter einer neuen bisher nicht

bestehenden Wirkstoffklasse einen wertvollen therapeutischen Fortschritt darstellen. Schrittinnova-

tionen sind hingegen durch eine schrittweise Verbesserung bereits bekannter Wirkstoffe gekenn-

zeichnet und weisen im Vergleich zu den Scheininnovationen eine therapeutische Verbesserung auf.

Kriterien, die die Einordnung in die drei Kategorien ermöglichen, sind neben den Stoff- (z.B. chemi-

sche Struktur) und pharmakodynamischen Kriterien (z.B. Selektivität für Zielstrukturen im Körper)

auch pharmakokinetische (z.B. Bioverfügbarkeit im Körper), pharmazeutisch-technologische (z.B. Art

der Anwendung, Stabilität) oder Interaktions-Kriterien (z.B. Wechselwirkungen mit anderen Arznei-

mitteln) (Windt et al., 2014). Mit der Kategorie der Schrittinnovation berücksichtigt die DPhG auch

den Umstand, dass ein therapeutischer Mehrwert zum Zeitpunkt der Markteinführung noch nicht

ausreichend abschätzbar ist, sich der Zusatznutzen eines Arzneimittels möglicherweise erst nach

Jahren der Vermarktung zeigt.

38

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Im Vergleich zur DPhG geht man bei einer Arzneimittel-Bewertung nach Fricke und Klaus von phar-

makologischen Aspekten aus und bewertet für den potentiellen (Zusatz-)Nutzen in erster Linie die

Neuartigkeit der Wirkmechanismen der Arzneistoffe (Fricke & Beck, 2013). Die neuen Arzneistoffe

werden dabei – unter Berücksichtigung der aktuellen Marktsituation im jeweiligen Indikationsgebiet

sowie basierend auf den publizierten Ergebnissen der pharmakologischen und klinischen (Zulas-

sungs-)Studien – nach folgendem Klassifikationsschema eingeteilt:

A für innovative Struktur oder neuartiges Wirkprinzip mit therapeutischer Relevanz,

B für eine Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Eigenschaften be-

reits bekannter Wirkprinzipien,

C für Analogpräparat mit keinen oder marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Prä-

paraten und

D bei einem nicht ausreichend gesicherten Wirkprinzip oder unklarem therapeutischer Stel-

lenwert.

Auch die International Society of Drug Bulletins (ISDB) verbindet mit dem Begriff der Arzneimittelin-

novation in ihrer Declaration on therapeutic advance in the use of medicines (ISDB, 2001) drei Kon-

zepte. Mit dem kommerziellen Konzept wird zunächst einmal jede Markteinführung eines neuen

Wirkstoffes, einer neuen Indikation eines (bereits etablierten) Wirkstoffes, einer neuen Darrei-

chungsform oder einer neuen Behandlungsmethode als innovativ bezeichnet. Bei dem technologi-

schen Konzept steht die technische Innovation im Vordergrund. So gelten beispielsweise neue bio-

technologische Herstellungen bekannter Wirkstoffe als innovativ. Das Konzept des therapeutischen

Fortschritts hingegen bewertet ein Arzneimittel dann als innovativ, wenn ein Zusatznutzen bzw. eine

bessere therapeutische Wirksamkeit gegenüber bestehenden Therapien vorliegt.

Schon allein die unterschiedlichen Bewertungsverfahren machen deutlich, dass es zum Zeitpunkt der

Zulassung nicht ohne Weiteres beurteilbar ist, ob ein (patientenindividueller) Zusatznutzen vorliegt.

39

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

5.3 Indikationserweiterungen im Bestandsmarkt

Zulassungsstudien sind aufgrund der begrenzten Patientenzahl, der Aufnahme bzw. des Ausschlusses

bestimmter Patientenkollektive sowie des oftmals kurzen Beobachtungszeitraums nicht ausreichend,

um das Potential des neuen Wirkstoffes aufzudecken. Dieser Aspekt wird u.a. auch durch die Bewer-

tung eines Arzneimittels als Schrittinnovation berücksichtigt. Der therapeutische Zusatznutzen of-

fenbart sich oftmals erst nach Jahren der Vermarktung, auch durch Erkenntnisse, die außerhalb des

Zulassungsbereichs im OLU gesammelt werden konnten. Unabhängig von der Dauer ihres Marktzu-

ganges erfahren Arzneimittel so nicht nur Anwendungseinschränkungen, sondern auch Indikations-

erweiterungen – entweder auf dem gleichen therapeutischen Gebiet oder sie führen zu Zulassungen

neuer Fertigarzneimittel in anderen Anwendungsbereichen. Während Anwendungseinschränkungen

aufgrund neuer Risikoerkenntnisse nach erfolgtem Marktzugang nicht unmittelbar vorhersehbar

sind, stellt sich die Frage, inwiefern Indikationserweiterungen nicht auch zur Marktstrategie eines pU

gehören. Im Jahr 1994 wurde beispielsweise Gabapentin zur Therapie der Epilepsie zugelassen. Seit-

dem erfährt der Wirkstoff immer weitere Therapiemöglichkeiten (Steinman et al., 2006) und wird

mittlerweile u.a. auch bei peripheren neuropathischen Schmerzen wie schmerzhafter diabetischer

Neuropathie und postherpetischer Neuralgie bei Erwachsenen eingesetzt. In der Zwischenzeit befin-

det sich das Antiepileptikum auf der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie Verordnungsfähigkeit von

zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten zur Behandlung der Spastik

im Rahmen der Multiplen Sklerose (Stand: 08.10.2014).

Vergleichbar erfolgreich in ökonomischer Hinsicht sind Arzneimittel zur Therapie seltener Erkrankun-

gen (sogenannte Orphan Drugs). In Deutschland gilt eine Krankheit dann als selten, wenn weniger als

40.000 Menschen (< 5/10.000 Einwohner) an ihr leiden. Dementsprechend ist das Interesse der

pharmazeutischen Unternehmen, Zeit und finanziellen Aufwand in die Entwicklung solcher Arznei-

mittel zu investieren, gering, da Marktzulassungen in Indikationsgebieten, die eine höhere Morbidi-

tätsrate haben oder umsatzstärker sind, ökonomisch gesehen erfolgsversprechender sind. Aus die-

sem Grund wurden von Seiten der Behörden auf diesem Forschungsgebiet Anreize geschaffen, um

für die pharmazeutischen Unternehmen die Forschung und Entwicklung zu erleichtern und zu för-

dern.

Im Januar 2000 trat die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates über

Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan-Arzneimittel) in Kraft (EU-Richtlinie EG 141/2000). Ein Arz-

neimittel wird im Sinne dieser Verordnung dann als Orphan Drug eingestuft, wenn es für die Diagno-

se, Prävention oder Therapie eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohlich ist oder eine chroni-

sche Invalidität nach sich zieht und von dem nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen betroffen sind

40

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

(Europäisches Parlament & Europäischer Rat, 1999)12. Weitere Anforderungen sind neben den defizi-

tären Behandlungsmöglichkeiten auch ein erheblicher patientenindividueller Nutzen (Schwabe &

Paffrath, 2011). Finanzielle Anreize für den pU wurden in dieser Verordnung ebenfalls festgehalten,

um die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten zu unterstützen (Forschungsunter-

stützung, teilweise oder vollständige Befreiung von den Zulassungsgebühren oder exklusive Ver-

marktungsrechte für das entsprechende Indikationsgebiet (vfa, 2013; Kesselheim et al., 2011).

Abbildung 2 zeigt die Verteilung der Arzneimittelzulassungen mit einem Orphan Drug-Status nach

therapeutischem Gebiet im Zeitraum 2000 bis 2014. Gerade im onkologischen Bereich sind viele

seltene Erkrankungen zu erkennen. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Arzneimittel nach ihrem

Marktzugang nicht auch Indikationserweiterungen erfahren. Als Beispiel dafür wurde Imatinib

(Glivec®) im Jahr 2001 zunächst zur Therapie der Chronischen Myeloischen Leukämie zugelassen.

Weitere Indikationserweiterungen mit Orphan Drug-Status folgten (Akute Lymphatische Leukämie,

Gastrointestinaler Stromatumor, Dermatofibrosarcoma protuberans) (Glaeske et al., 2010).

Zu bedenken gilt, dass in klinischen Studien für Orphan Drugs häufiger kleine Patientenzahlen unter-

sucht werden. Auch wird statt einer randomisierten, placebokontrollierten und doppelblind angeleg-

ten Studie häufig ein nichtrandomisiertes, unverblindetes Design gewählt. Surrogatparameter wer-

den zur Bewertung der Wirksamkeit herangezogen (Kesselheim et al., 2011; Kesselheim et al.,

2011a). Unerwünschte Ereignisse treten in solchen Studien signifikant häufiger auf (Kesselheim et al.,

2011; Kesselheim et al., 2011a).

12 Die FDA-Richtlinien für Orphan Drugs sehen dagegen vor, dass nicht mehr als 200.000 Menschen der gesamten US-amerikanischen Bevölkerung von der Krankheit betroffen sein dürfen, damit ein Medikament den Orphan Drug-Status erhält. Zudem fehlt die Einschränkung, dass es noch keine zufriedenstellende Therapie gibt und es sich um Arzneimittel oder Dia-gnostika handeln muss (vfa bio, 2015).

41

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Quelle: EMA (2015a), eigene Darstellung

Abbildung 2: Verteilung der Arzneimittelzulassungen mit Orphan Drug-Status nach therapeutischem Gebiet (Zeitraum 2000-2014)

Arzneimittel, die den Status eines Orphan Drugs erhalten, werden seit dem Jahr 2000 in der Europäi-

schen Union mit steigender Tendenz zugelassen (Abbildung 3). Auch in Deutschland werden Orphan

Drugs gesondert behandelt. Im Hinblick auf die frühe Nutzenbewertung gilt gemäß AMNOG bis auf

Ausnahmen der Zusatznutzen bereits mit ihrer Zulassung als belegt. Der G-BA bewertet lediglich das

Ausmaß eines Zusatznutzens. Erst wenn der Umsatz des entsprechenden Arzneimittels in einem Jahr

die Schwelle 50 Mio. Euro übersteigt, erfolgt eine umfassende Nutzenbewertung wie bei Non-

Orphan Drugs.

Problematisch ist, dass für die pharmazeutische Industrie möglicherweise Anreize geschaffen wer-

den, statt einer Versorgung seltener Krankheiten mit einem erleichterten Marktzugang eines Arz-

neimittels über den besonderen Orphan Drug-Status vorrangig dessen anschließende schleichende

Indikationserweiterung zwecks Umsatzsteigerung anzustreben (Windeler et al., 2010; Glaeske et al.,

2010). Dementsprechend werden Erkrankungen in Untergruppen zerlegt (slicing), um dann für das

neue Arzneimittel weitere Zulassungen für die aufgeteilten Indikationsgebieten mit geringen Patien-

42

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

tenzahlen zu erlangen (Windeler et al., 2010). Owens beschreibt dieses Phänomen zutreffend als

Nichebuster (Owens, 2007).

Neben den marktstrategischen Gründen der pharmazeutischen Unternehmen, die einen OLU mög-

licherweise fördern, können aber auch der dem Arzt nicht immer bekannte Zulassungsstatus oder

ein persönliches Forschungsinteresse – neue, als innovativ angepriesene Arzneimittel, frühzeitig zu

verordnen – zu einer zulassungsüberschreitenden Anwendung führen (Janzen & Ludwig, 2012).

Quelle: vfa bio (2015)

Abbildung 3: Orphan Drug-Zulassungen pro Jahr in der Europäischen Union

43

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

6 Zwischenfazit

Die bestmögliche Therapie einer Erkrankung ist das grundsätzlich unterstellte Anliegen aller Akteure

im Gesundheitswesen, für den Patienten hat die wirksamste Therapie oberste Priorität. Neben den

rechtlichen Unsicherheiten, die sich bei einer zulassungsüberschreitenden Anwendung ergeben, ist

gerade die potentielle Gefährdung durch ein für die Indikation des Patienten ungeprüftes bzw. nicht

hinreichend geprüftes Arzneimittel nicht auszublenden.

Gerade wenn es sich um einen „nicht-etablierten“ Off-Label Use handelt, fehlen den behandelnden

Ärzten entscheidende Informationen hinsichtlich Dosierung, Applikationsweg und bzw. oder Kome-

dikation. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim zulassungsüberschreitenden Einsatz sind daher

häufig (Jonville-Béra et al., 2005; Bennett et al., 2005) und stellen ein ernstzunehmendes Problem

dar. Neben dem Ausbleiben der erhofften Behandlungserfolge kann unter Umständen auch die wei-

tere Therapie des Patienten gefährdet werden, wenn unerwünschte Arzneimittelwirkungen den

Patienten zusätzlich physisch und psychisch belasten. Dennoch gilt die Anwendung von Arzneimitteln

außerhalb ihrer Zulassung seit Jahrzehnten gerade in den Bereichen der Onkologie, Neurologie und

Pädiatrie als fester und somit auch unverzichtbarer Bestandteil der Therapien. Schließlich ist der Off-

Label Use unter engen Voruassetzungen auch rechtmäßig. Das kann zur Konsequenz haben, dass

Forschungsanstrengungen der Arzneimittelindustrie immer mehr in den Hintergrund treten, oder

dass es durch Entwicklung sogenannter Nichebuster zu einer weiteren Zunahme des Off-Label Use

kommt (Janzen & Ludwig, 2012).

Auf der anderen Seite zeigt sich am Beispiel Avastin® (Bevacizumab) und Lucentis® (Ranibizumab) die

„Lücke“ in diesem komplexen System. Beide Wirkstoffe wurden von Genentech entwickelt, einem

Tochterunternehmen des Pharmakonzerns Roche (Avastin®), während das pharmazeutische Unter-

nehmen Novartis – das knapp ein Drittel des stimmberechtigten Kapitals von Roche hält – der Zulas-

sungsinhaber von Lucentis® ist. Beide Wirkstoffe werden im (geduldeten) OLU (Avastin®) und im ILU

(Lucentis®) zur Therapie der AMD eingesetzt. Letztgenannter Wirkstoff ist allerdings im Vergleich zu

Avastin® um ein Vielfaches teurer.

Eine Lösung des Problems kann also letztendlich nur aufgrund eines engen Zusammenspiels ver-

schiedener Regularien greifen. Gefordert sind vor allem pharmazeutische Unternehmen, bei Er-

kenntnissen zur Sicherheit und Wirksamkeit ihres Arzneimittels in einer zulassungsüberschreitenden

Anwendung eine zeitnahe Zulassungserweiterung zu beantragen. Nur dann ist auch eine komplikati-

onsfreie Versorgung der Patienten auf der Basis von Daten aus klinischen Studien möglich. Das Ge-

sundheitswesen hat als Wirtschafts- und Wachstumsfaktor einen hohen Stellenwert in der Volkswirt-

schaft: durch den Schutz des Einzelnen und seiner Gesundheit wird auch der Arbeitsmarkt erheblich

beeinflusst. Umsätze und Gewinne im gesamtwirtschaftlichen Sinn können somit auch als Erfolg des

44

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Gesundheitswesens verbucht werden. Ökonomische Interessen dürfen aber nicht so weit reichen,

dass der Schutz und das Wohl des Einzelnen eine untergeordnete Rolle spielen. Diese haben in unse-

rem Sozialstaat nach wie vor oberste Priorität.

45

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

7 Analyse des Off-Label Use in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Hintergrund und Ziele

Der Off-Label Use wird nach wie vor als Notwendigkeit einer patientengerechten und patientenindi-

viduellen Therapie betrachtet. Arzneimittel, die erst kürzlich den Marktzugang erhalten haben und

für deren Anwendung weniger Erfahrung besteht, besitzen ein höheres Risikopotential. Die Anwen-

dung dieser Arzneimittel außerhalb ihrer eigentlichen Zulassungsbestimmungen sollte besonders

kritisch betrachtet werden. Aber auch bei Wirkstoffen, die schon seit Jahrzehnten auf dem deut-

schen Arzneimittelmarkt etabliert sind, findet die Anwendung nicht immer zulassungskonform statt.

So hat der Wirkstoff Bevacizumab für die Therapie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD)

trotz therapeutischer Alternativen durch Einführung zugelassener monoklonaler Antikörper seinen

Off-Label-Status bei ophthalmologischen Verordnungen über die Jahre nie ganz verloren, nicht zu-

letzt aufgrund der Therapieempfehlungen unterschiedlicher Fachgesellschaften und ökonomisch

bedingter Interessen. Bei dem Wirkstoff Metamizol, der während seiner fast 100-jährigen Vermark-

tungsgeschichte aufgrund schwerer UAW eine immer stärkere Indikationseinschränkung erfahren

musste, findet dies in der alltäglichen Praxis allerdings offenbar ebenso wenig Berücksichtigung und

steht einem breiten Einsatz außerhalb seiner Zulassungsbestimmung nicht entgegen (Hoffmann et

al., 2015).

Vorrangiges Ziel dieser Arbeit ist es, mögliche Gründe für den Off-Label Use in der ambulant-

ärztlichen Versorgung zu ermitteln. Nachdem zu Beginn der Arbeit die rechtlichen Aspekte aufge-

zeigt und die Bedeutung einer zulassungsüberschreitenden Anwendung für die beteiligten Institutio-

nen (GKV, pU) und bzw. oder (verantwortlichen) Personen (Arzt, Patient) dargelegt wurden, soll im

zweiten Teil der Arbeit der Ursachen-Frage nachgegangen werden.

Zwei Gründe können zu einem OLU führen:

1. ein möglicher Diagnose-Bias (aufgezeigt am Beispiel der chronisch obstruktiven Lun-

genkrankheiten COPD und Asthma) und

2. fehlende Therapieoptionen (am Beispiel der chronischen Hepatitis C).

Diese Aspekte sind Gegenstand der Untersuchung.

46

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die Frage nach einem möglichen OLU aufgrund fehlerhafter Diagnosestellungen soll anhand der

chronischen Lungenkrankheiten Asthma bronchiale und COPD analysiert werden. Auch wenn sich die

beiden Erkrankungen in ihrer Symptomatik ähneln, weisen sie Unterschiede in der Pathologie auf.

Abweichungen in den Therapiestrategien und -zielen erfordern eine präzise Differenzierung der

beiden Erkrankungen im medizinischen Alltag. Untersuchungsgegenstand sind dabei die drei Arznei-

-2-Sympathomimetikum, Roflumilast aus der Gruppe der

Phosphodiesterase-4-Hemmer sowie Aclidiniumbromid als lang wirkender Muscarin-Rezeptor-

antagonist. Alle drei Wirkstoffe wurden ausschließlich zur Therapie der COPD zugelassen, so dass

eine eindeutige Zuweisung eines OLU erfolgen kann, wenn einem Asthmatiker dieses Arzneimittel

verordnet wird.

Die Frage nach einem möglichen OLU aufgrund fehlender Therapieoptionen soll anhand der chroni-

schen Hepatitis C analysiert werden. Schließlich änderten sich mit der Markteinführung von neuen,

direkt antiviral wirkenden Substanzen (DAA) in den Jahren 2014 und 2015 auch die Therapieempfeh-

lungen. Der Erfolg einer Therapie ist u.a. vom identifizierten Genotyp abhängig, so dass nicht alle

Patienten von der Zulassung der neuen DAA profitieren. Hier stellt sich die Frage, ob Fachgesellschaf-

ten auch bei Wirkstoffen, die erst kürzlich den Marktzugang erhalten haben, eine Empfehlung für

ihre zulassungsüberschreitende Anwendung aussprechen und inwiefern Forschungsinhalte und ihre

Ergebnisse aus Zulassungsstudien mit der späteren Zulassung übereinstimmen.

Verschiedene eigene bereits ausgewiesene (Windt et al., 2013; Boeschen et al., 2015a) bzw. noch zur

Veröffentlichung ausstehende (Boeschen et al., 2015b) Publikationen fließen in die Erörterung ver-

schiedener thematischer Aspekte dieser Dissertation. Umfangreiche zusätzliche und vertiefende

Auswertungen ergänzen die betreffenden Themen.

47

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

7.1 Methodik zur Bewertung des Off-Label Use neuer und eta-blierter Arzneimittel

Ziel dieser Arbeit ist es, die Ursachen eines OLU in der ambulant-ärztlichen Versorgung zu ermitteln,

Abbildung 4 umreißt kurz die methodische Vorgehensweise zur Bewertung der entsprechenden

Fragestellungen.

Abbildung 4: Ursachen-Analyse des Off-Label Use in der ambulant-ärztlichen Versorgung am Beispiel etab-lierter und neuer Arzneimittel

Um der Frage eines möglichen OLU aufgrund fehlerhafter Diagnosen nachzugehen, wurden zunächst

die relevanten Leitlinien gesichtet, um Therapieunterschiede der Erkrankungen Asthma bronchiale

und COPD herauszuarbeiten. Die Ergebnisse der Update-Recherchen, die im Auftrag des G-BA vom

IQWiG durchgeführt wurden, fanden ebenfalls Berücksichtigung, um mögliche Änderungen von The-

rapieempfehlungen in Deutschland zu erfassen. Mit den Update-Recherchen wurde das Ziel verfolgt,

aus aktuellen sowie evidenzbasierten Leitlinien Kernempfehlungen zu synthetisieren, die für eine

Überarbeitung der entsprechenden Disease-Management-Programme (DMP) von Bedeutung sein

könnten. Im Anschluss daran wurden Studien gesichtet, in denen die Wirkstoffe Indacaterol, Roflu-

48

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

milast und Aclidiniumbromid – in Deutschland zugelassen zur Therapie der COPD – auch in der

Asthma-Therapie unterschiedlicher Genese eingesetzt wurden. Für diese Fragestellung wurde nicht

nur in der Meta-Datenbank PubMed, sondern zusätzlich in der Datenbank des U.S. National Institu-

tes of Health (ClinicalTrials.gov)13 recherchiert, um auch nicht veröffentlichte Studien zu erfassen.

Die Ergebnisse von Routinedaten-Auswertungen wurden am Ende der entsprechenden Wirkstoffka-

pitel aufgeführt, um das Verordnungsverhalten in der ambulant-ärztlichen Praxis aufzuzeigen.

Auch für die Fragestellung eines möglichen OLU aufgrund fehlender Behandlungsoptionen wurden

Leitlinienempfehlungen herausgearbeitet und mit dem Zulassungsstatus (anhand der entsprechen-

den Fachinformationen) der neuen Wirkstoffe zur Therapie der cHC verglichen. Untersucht werden

sollte, ob Fachgesellschaften auch bei Wirkstoffen, die erst kürzlich den Marktzugang erhalten ha-

ben, eine Empfehlung für ihre zulassungsüberschreitende Anwendung aussprechen. Daran anschlie-

ßend wurden die Zulassungs-relevanten Studien der neuen antiviralen Wirkstoffe zur Therapie der

cHC (Boceprevir, Telaprevir, Simeprevir, Daclatasvir, Ledipasvir, Sofosbuvir, Dasabuvir sowie die

Fixkombination zweier Wirkstoffklassen bestehend aus Ombitasvir und dem Ritonavir-geboosterten

Paritaprevir) gesichtet und mit dem Zulassungsstatus verglichen. Hier dienten die Beurteilungsbögen

der EMA als Literaturquelle zur Ausarbeitung möglicher Divergenzen.

7.1.1 Methodisches Vorgehen zur Analyse der systematischen Über-sichtsarbeiten

Bewertung der Studienlage

Für das Review wurde einerseits Medline (Medical Literature Analysis and Retrieval System Online)

als öffentlich zugängliche Datenbank des US-amerikanischen National Center for Biotechnology In-

formation (NCBI) für medizinische Fachliteratur und andererseits die von der United States National

Library of Medicine aufgebaute Datenbank PubMed Central (PMC) genutzt. Recherchen in beiden

Datenbanken wurden über die Meta-Datenbank PubMed zwischen Januar 2013 und April 2015

durchgeführt. Die Bewertung der Studienlage basierte auf den Ergebnissen der relevanten Zulas-

sungsstudien bzw. auf Studien, die nach der Markteinführung veröffentlicht wurden, sowie auf den

Beurteilungsberichten der verantwortlichen Zulassungsbehörden.

13 ClinicalTrials.gov listet gegenwärtig 189.718 Studien mit Standorten in allen 50 Staaten und in 190 Ländern (Stand: Mai 2015).

49

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Um keine relevanten Publikationen zu übersehen, wurde zum einen eine breite Suchstrategie ge-

wählt, zum anderen wurden alle identifizierten Abstracts oder Volltexte zweimal im Abstand von

mindestens 14 Tagen gesichtet. Der Publikationszeitraum der Studien wurde in Abhängigkeit von der

jeweiligen Fragestellung eingegrenzt. Es musste sich dabei um originäre Studien (Primärstudien)

handeln.

Um die eingangs aufgeführte Frage zu beantworten, wurden die Abstracts gesichtet und, falls dies

für die Ermittlung der notwendigen Informationen nicht ausreichend war, auch die Volltexte. Da es

das primäre Ziel des Reviews war, eine Übersicht der gelisteten Artikel zu erstellen, wurden Doppel-

publikationen nicht ausgeschlossen.

Im Folgenden sollen die Suchstrategien sowie die Ein- und Ausschlusskriterien der gefundenen Publi-

kationen aufgeführt werden.

(1) Off-Label Use aufgrund fehlerhafter Diagnosestellungen

Für das Review zur Fragestellung eines OLU aufgrund fehlerhafter Diagnosestellungen wurde folgen-

der Suchstring eingegeben

asthma AND (Indacaterol OR Roflumilast OR Aclidinium bromide) AND (therapy OR treat-

ment OR prophylaxis OR prevention OR “clinical trial”) NOT COPD

Die Literraturrecherchen erfolgten letztmalig am 01.04.2015. Der Publikationszeitraum wurde für

diese Fragestellung nicht eingeschränkt. Mit dieser ersten Suche konnten insgesamt 38 Publikatio-

nen identifiziert werden. Die Ergebnisse der Recherche werden im Kapitel 8.1 aufgeführt.

Im Folgenden wurden Publikationen ausgeschlossen, wenn

1. kein Abstract oder kein Volltext vorlag,

2. der Abstract oder der Volltext nicht auf Englisch oder Deutsch verfasst wurde,

3. das Thema der Publikation die Erkrankung Asthma nicht schwerpunktmäßig mit einbezog,

4. der Fokus nicht auf Indacaterol, Roflumilast oder Aclidiniumbromid gelegt wurde, entweder

als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen,

5. es sich nicht um eine klinische Studie handelte.

50

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

(2) Off-Label Use aufgrund fehlender Therapieoptionen

Für das Review zur Fragestellung eines OLU aufgrund fehlender Therapieoptionen wurde folgender

Suchstring eingegeben

“hepatitis c” AND (Boceprevir OR Telaprevir OR Simeprevir OR TMC435 OR Daclatasvir OR

BMS790052 OR Ledipasvir OR GS-5885 OR Sofosbuvir OR GS-7977 OR PSI-7977 OR Om-

bitasvir OR ABT-267 OR Paritaprevir OR ABT-450 OR Ritonavir OR Dasabuvir OR ABT-333)

AND (therapy OR treatment OR prophylaxis OR prevention) AND “clinical trial”

Die Literraturrecherchen erfolgten letztmalig am 03.01.2015. Der Publikationszeitraum wurde für

diese Fragestellung auf den 01.01.2009 bis 01.04.2015 beschränkt. Dieser Zeitraum garantierte den

Einschluss zulassungsrelevanter Studien. Mit der ersten Suche konnten insgesamt 402 Publikationen

identifiziert werden. Die Ergebnisse der Recherche werden im Kapitel 8.2 aufgeführt.

Im Folgenden wurden Publikationen ausgeschlossen, wenn

kein Abstract oder kein Volltext vorlag,

der Abstract oder der Volltext nicht auf Englisch oder Deutsch verfasst wurde,

es sich nicht um eine klinische Studie der Phasen I-III handelte,

das Thema der Studie die Erkrankung chronische Hepatitis C nicht schwerpunktmäßig ein-

bezog,

der Fokus nicht auf die Protease-Inhibitoren Boceprevir, Telaprevir, Simeprevir, die NS5A-

Inhibitoren Daclatasvir und Ledipasvir, den NS5B-Inhibitor Sofosbuvir, die Fixkombination

bestehend aus Ombitasvir, Paritaprevir und Ritonavir sowie den nicht-nukleosidischen Po-

lymerase-Inhibitor Dasabuvir gelegt wurde,

Wirkstoffkombinationen mit in Deutschland (noch nicht) zugelassenen Substanzen zur The-

rapie der chronischen Hepatitis C im Fokus der Studie standen.

51

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Für die Literaturrecherche wurden außerdem Leitlinienempfehlungen (für COPD und Asthma bron-

chiale die Nationalen Versorgungsleitlinien, für die cHC das Addendum der DGVS), Fachinformatio-

nen sowie – wenn vorhanden – die Nutzenbewertung des G-BA hinzugezogen. Die vom IQWiG vorge-

legten Ergebnisse der Update-Recherchen zum Thema Asthma bronchiale und COPD wurden eben-

falls berücksichtigt, um mögliche Änderungen von Therapieempfehlungen in Deutschland zu erfas-

sen. Beurteilungsbögen der EMA dienten der Erfassung von Unterschieden zwischen den Zulassungs-

studien und dem Zulassungsstatus.

7.1.2 Leitlinienempfehlungen

Nach Definition des Institute of Medicine handelt es sich bei Leitlinien um systematisch entwickelte

Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und Patienten, die bei speziellen Gesundheitsproblemen

Therapieoptionen aufzeigen (Field & Lohr, 1995). Sie sollen als Orientierungshilfen verstanden wer-

den, von denen in begründeten Fällen ein Abweichen erlaubt oder sogar verlangt wird (BÄK & KBV,

1997).

Für die Empfehlungen zu den einzelnen Arzneimitteln und ihren jeweiligen Indikationsgebieten wur-

den Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften genutzt, die im Register der Arbeitsgemein-

schaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) eingetragen sind. Soll-

te zu den bestimmten Indikationsgebieten keine AWMF-Leitlinie zu finden gewesen sein, wurde nach

anderen nationalen Handlungsempfehlungen, beispielsweise Empfehlungen der Arzneimittelkom-

mission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), gesucht und die Ergebnisse gegebenenfalls berücksichtigt.

7.1.3 Fachinformationen

Im AMG ist die Pflicht zur Erstellung einer Fachinformation in § 11a gesetzlich verankert. Danach

muss der pharmazeutische Unternehmer für in Deutschland zugelassene Arzneimittel den Fachkrei-

sen auf Anforderung Fachinformationen bzw. für in Europa zugelassene Arzneimittel die entspre-

chenden Summary of Product Characteristics (SPC) zur Verfügung stellen (Fachinfo-Service®).

Aktuelle Fachinformationen der in dieser Arbeit untersuchten Wirkstoffe aus den Jahren 2011 bis

2015 wurden gesichtet, um den derzeitigen Zulassungsstatus zu ermitteln. Des Weiteren wurden alle

Fachinformationen aus den Jahren 2011-2015 untersucht, um mögliche Unterschiede aufgrund von

Änderungsanzeigen (Indikation, Dosierung, Kontraindikationen etc.) zu erfassen.

52

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

7.1.4 Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Seit dem 1. Januar 2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen des AMNOG die Aufga-

be, eine (Zusatz-)Nutzenbewertung für alle neu zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen

durchzuführen (§ 35a SGB V). Die Bewertung des G-BA dient als Grundlage für die Entscheidung, wie

hoch der Erstattungsbetrag ausfällt, den die gesetzliche Krankenversicherung für ein neues Arznei-

mittel mit einem neuen Wirkstoff zu zahlen hat.

Die Ergebnisse dieser Nutzenbewertungen haben möglicherweise Einfluss auf das Verordnungsver-

halten der Ärzte – gerade auch im Hinblick auf einen möglichen OLU. Arzneimittel, die nach der Nut-

zenbewertung besonders gut abschneiden, wecken eventuell eher das Forschungsinteresse, diese

Wirkstoffe auch in anderen Indikationsgebieten einzusetzen, als Arzneimittel, die weniger positiv

beurteilt werden.

7.1.5 Methodik der Routinedaten-Analyse

Um das Verordnungsverhalten in der ambulant-ärztlichen Praxis aufzuzeigen, wurden Routinedaten

der GKV-Erstattung hinzugezogen. Allein die drei Wirkstoffe Indacaterol, Roflumilast und Aclidinium-

bromid lassen Rückschlüsse auf einen möglichen OLU zu, da eine Verordnung außerhalb der Indika-

tion COPD nicht zulässig ist. Routinedaten der Wirkstoffe zur antiviralen Therapie der cHC lassen

diese Rückschlüsse nicht zu, da die Identifizierung des Genotyps nicht durch die ICD-Codierung er-

fasst wird.

Für die Sekundärdaten-Analyse zur Versorgung mit neuen Arzneimitteln wurden ambulant-ärztliche

Abrechnungsdaten von Versicherten der Techniker Krankenkasse (TK) aus den Jahren 2010-2013

genutzt (bereits veröffentlicht im Innovationsreport 2014 (Windt et al., 2014) bzw. noch zur Veröf-

fentlichung ausstehend (Innovationsreport 2015, Boeschen et al., 2015)). Neben den Daten zu Arz-

neimittelverordnungen wurden u.a. auch die erfassten Diagnosedaten niedergelassener Ärzte her-

angezogen. Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Statistikprogrammpaket SAS.

Die zur Erstellung der Arbeit benötigten Daten wurden bereits seitens der TK selektiert und anony-

misiert an die Universität Bremen weitergegeben. Dabei erfolgte die Anonymisierung sämtlicher

Daten unter Verwendung einer Fallnummer, die es ermöglichte, anonymisierte Datensätze mitein-

ander zu verknüpfen, ohne dass die Identität der Versicherten festgestellt werden konnte. Für die

allgemeinen Auswertungen wurden ausschließlich Daten berücksichtigt, bei denen auch Angaben zu

Alter und Geschlecht der Versicherten vorlagen.

53

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die Bezugspopulation bestand aus Versicherten der TK, die im Untersuchungszeitraum versichert

waren. Analog zum Arzneiverordnungsreport (u.a. Schwabe & Paffrath, 2011) entsprach eine ärztli-

che Verordnung genau einer Arzneimittelpackung, d.h. zwei Arzneimittelverordnungen auf einem

Rezeptblatt zählten als zwei Arzneimittelpackungen.

Ambulante und Arzneimittel(verordnungs)daten

Die Grundlage der gesetzlich vorgeschriebenen Diagnoseverschlüsselung im ambulanten und statio-

nären Sektor stellt die von der WHO entwickelte Internationale Klassifikation der Krankheiten (Inter-

national Classification of Diseases: ICD) dar. Die Diagnosen werden in Deutschland als Behandlungs-

anlass nach der Internationalen Klassifikation von Krankheiten in der deutschen Fassung (ICD-GM;

german modification) verschlüsselt und übermittelt. Diagnosen werden pro Behandlungsfall und

quartalsweise abgerechnet. Des Weiteren enthalten die ambulanten Daten der TK u.a. Behandlungs-

zeitraum, Abrechnungstag, Abrechnungsziffer und die Arztnummer des jeweiligen Leistungserbrin-

gers. Diagnostische Maßnahmen sind hingegen nur begrenzt abbildbar, da diese als fakultative Leis-

tung über eine Pauschale abgerechnet werden. Bei den Verordnungsanalysen wurden ausschließlich

zugelassene Fertigarzneimittel berücksichtigt, da bei der Frage einer möglichen Anwendung eines

Arzneimittels im Off-Label Use eine behördliche Zulassung vorausgegangen sein muss. Dabei richtete

sich die Fragestellung nach den Zulassungsbestimmungen für den deutschen Arzneimittelmarkt.

Der Arzneimittelverordnungsdatensatz enthält die Daten aller zu Lasten der TK übermittelten Rezep-

te, die über Apotheken abgerechnet worden sind. Für die vorliegende Arbeit wurden nur die Verord-

nungen der zu untersuchenden Arzneimittel erhoben.

Zur Verarbeitung und Aggregierung der Daten wurde die Codierung des Anatomisch-Therapeutisch-

Chemischen (ATC)-Arzneimittelklassifikationssystems genutzt, welches Arzneimittel in hierarchischer

Form nach therapeutischen und chemischen Kriterien gliedert. Dabei unterteilen sich die Arzneistof-

fe nach diesem System in 14 Hauptgruppen (Ebene 1) mit zwei therapeutisch-pharmakologischen

Untergruppen (Ebene 2 und 3). Eine anatomisch-therapeutisch-chemische Untergruppe bildet die 4.

Ebene, während die 5. Ebene den chemischen Wirkstoff benennt. Einige Wirkstoffe besitzen z.B. bei

unterschiedlichen Indikationsgebieten auch unterschiedliche ATC-Codierungen.

54

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8 Gründe für einen möglichen Off-Label Use: Analyse der Versorgungssituation

Nach Klärung der rechtlichen Aspekte eines OLU werden in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit

Gründe analysiert, die zu einem Off-Label Use in der ambulant-ärztlichen Versorgung führen können.

Der Aufbau der Kapitel ist jeweils identisch: Das Kapitel beginnt mit der Charakterisierung des Krank-

heitsbildes, seinen epidemiologischen und sozialökonomischen Aspekten und der sich daraus erge-

benden Relevanz für den Bereich Public Health, der Darstellung der Leitlinien und Therapieempfeh-

lungen. Im Anschluss daran werden neuere Arzneimittel auf einen möglichen OLU untersucht. Im

Hinblick auf die methodische Vorgehensweise und der dadurch angestrebten Ziele unterscheiden

sich die einzelnen Kapitel jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Forschungsfragen.

Abbildung 5: Aufbau des versorgungsanalytischen Teils der Arbeit

55

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1 Off-Label Use aufgrund eines möglichen Diagnose-Bias: COPD vs. Asthma bronchiale

Wie Asthma bronchiale zählt die COPD (chronic obstructive pulmonary disease) zu den chronischen

Krankheiten der unteren Atemwege (ICD-10-GM J40-J44). Trotz unterschiedlicher Pathologie ähneln

sich die beiden Erkrankungen in ihrer Symptomatik. Da sich Therapiestrategien und -ziele von COPD

und Asthma aber teilweise erheblich unterscheiden, ist eine exakte Differenzierung im medizinischen

Alltag zwar notwendig, jedoch auf Basis des klinischen Bildes nicht immer eindeutig möglich. So kann

auch neben der COPD ein Asthma bronchiale bestehen. Betroffene Patienten weisen in solchen Fäl-

len neben einer bronchialen Hyperreagibilität eine größere Variabilität bzw. Reversibilität der Atem-

obstruktion auf (Windt, 2010). Im umgekehrten Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass langan-

haltendes Asthma durch Remodelling-Vorgänge14 in eine COPD mit irreversibler Obstruktion und

veränderter Hyperreagibilität übergeht (Windt, 2010). Ein durch Fehldiagnosen induzierter OLU führt

im schlimmsten Fall dazu, dass ein erwarteter Therapieerfolg ausbleibt und sich somit negativ auf

Lebenszeit und Lebensqualität des Patienten auswirkt. Zulassungsüberschreitende Anwendungen

aufgrund einer fehlerhaften Diagnosestellung bzw. bestehender Mischformen eines Krankheitsbildes

und eines möglicherweise daraus resultierenden Bias in der ICD-Codierung sind daher naheliegend

und somit Forschungsgegenstand dieses Kapitels.

Nach Klärung der Begrifflichkeiten COPD und Asthma bronchiale sowie ihrem sozialökonomischen

Stellenwert in der Bevölkerung im ersten Teil, werden nachfolgend die therapeutischen Unterschie-

de zur Behandlung der beiden Erkrankungen herausgearbeitet und diskutiert. Auf dem Verständnis

dieser Grundlagen -2-

Sympathomimetikum, Roflumilast aus der Gruppe der Phosphodiesterase-4-Hemmer sowie Aclidini-

umbromid als lang wirkender Muscarin-Rezeptorantagonist. Alle drei Wirkstoffe wurden allein zur

Therapie der COPD zugelassen. Nach Darstellung der Studienlage im Rahmen ihrer zulassungskon-

formen Anwendung, werden für die entsprechenden Wirkstoffe die anhand der Literaturrecherche

ermittelten klinischen Studien aufgezeigt, bei denen es um die Therapie des Asthma bronchiale un-

terschiedlicher Genese geht. Zum Schluss wird das Verordnungsverhalten in der ambulant-ärztlichen

Praxis durch Auswertungen von Routinedaten aufgezeigt und diskutiert.

14 Remodelling: Vermehrte Einlagerung von Kollagen in die Bronchialwand durch wiederholte Schädigung und nachfolgende Reparaturvorgänge.

56

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.1 COPD und Asthma bronchiale: Definition, Epidemiologie und sozialökonomische Aspekte

Die chronische Bronchitis zählt zu den häufigen Erkrankungen und wird „als Husten und Auswurf

über wenigstens drei Monate in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren“ definiert (Vogel-

meier et al., 2007; Kim & Criner, 2013; Konietzko & Fabel, 2005). Geht sie mit einer dauerhaften

Verengung der Atemwege einher, so stellt sie ein klinisch bedeutsames Krankheitsbild, die chronisch

obstruktive Bronchitis, dar. Sie wird in der Literatur auch als COPD (chronic obstructive pulmonary

disease) bezeichnet (Vogelmeier et al., 2007; Forey et al., 2011). Hauptsymptome einer COPD sind

neben dem Auswurf von zähem Schleim und chronischem Husten auch die Atemnot, die zu Beginn

nur unter Belastung auftritt. Mittels Spirometrie wird die Einschränkung der Lungenfunktion gemes-

sen und die COPD kann so in verschiedene Schweregrade aufgeteilt werden, wonach sich letztend-

lich auch ihre Therapie richtet (Vogelmeier et al., 2007). Im Gegensatz zum Asthma bronchiale ist die

chronische Obstruktion auch nach Gabe von Bronchodilatatoren und bzw. oder Corticosteroiden

nicht mehr voll reversibel (van Schayck et al., 1991; Burge et al., 2000; Vestbo et al., 1999).

Charakteristisch für die COPD ist eine Folge pathophysiologischer Veränderungen in der Lunge, die

insgesamt zu einer andauernden Reduzierung des Atemstroms und somit zu einer schnellen Abnah-

me der Lungenfunktionsparameter führen. Sowohl die chronische Bronchitis als auch das Lungen-

emphysem stellen Verlaufsformen der COPD dar. Somit ist die COPD als Sammelbegriff zu verstehen,

mit dem chronische Lungenerkrankungen beschrieben werden, bei denen die Atmung infolge einer

Schädigung und chronischer Entzündungsprozesse der Lunge hochgradig beeinträchtigt ist (Mutsch-

ler et al., 2008). Im Allgemeinen nehmen die entzündlichen und strukturellen Veränderungen mit

dem Schweregrad der Erkrankung zu. Dabei beruht die Entstehung der chronisch obstruktiven Bron-

chitis möglicherweise auf Wechselwirkungen zwischen genetischen und erworbenen Faktoren (Hall-

berg et al., 2008; Svartengren et al., 2009). Zwar gehört der Tabakkonsum zu den wichtigsten modifi-

zierbaren Risikofaktoren der COPD (Forey et al., 2011; Kim & Criner, 2013) und das Erkrankungsrisiko

steigt mit der Zahl gerauchter Zigaretten (sogenannte pack years) kumulativ an (Forey et al., 2011;

Meteran et al., 2012), trotzdem führt das Einstellen des Rauchens nicht zu einem Stillstand der Er-

krankung (Hogg et al., 2004).

57

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 4 fasst die genuinen und erworbenen Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD zusam-

men. Danach ist das Zigarette-Rauchen zwar nicht als der einzige, jedoch zweifellos der weltweit

bedeutendste Risikofaktor (GOLD, 2015) für die Entwicklung einer COPD, der die aufgrund des Alters

bedingte Abnahme der Lungenfunktion stark beschleunigt (Mutschler et al., 2008).

Tabelle 4: Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD

Genuine Faktoren

Erworbene Faktoren

genetische Prädisposition -1-Protease-Inhibitor-Mangel)

inhalativer Tabakkonsum

bronchiale Überempfindlichkeit

berufsbedingte Stäube

Störungen des Lungenwachstums

häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit

Quelle: NVL (2006)

Eine Reihe von kardiopulmonalen Krankheiten wie beispielsweise Bronchiektasen, Bronchialkarzi-

nom, Lungentuberkulose, Asthma bronchiale, aber auch die Linksherzinsuffizienz können ähnliche

Symptome hervorrufen, weswegen die Diagnose COPD stets eines Ausschlusses bedarf (Mutschler et

al., 2008). Andererseits handelt es sich hierbei um eine komplexe Systemerkrankung, die nicht nur

die Atemwege und die Lunge betrifft (Lorenz et al., 2013). Betroffene Patienten weisen deutlich

erhöhte Raten an Komorbiditäten auf, die mit der sytemischen Komponente der COPD-spezifischen

Entzündung in Zusammenhang gebracht werden (Fabbri & Rabe, 2007).

Die COPD ist nicht nur eine der häufigsten Erkrankungen weltweit, sie gehört mittlerweile auch zu

den führenden krankheitsbedingten Todesursachen. Lag sie 1990 noch an sechster Stelle, so wird sie

bis zum Jahr 2020 voraussichtlich auf den dritten Platz vorrücken (NVL, 2006). Pritzkuleit et al. (2010)

schätzen in ihrer aktuellen Studie, dass die COPD-Erkrankungszahl bis 2050 um 1,2 Millionen Fälle

ansteigen wird (Vergleich: 2010 = 6,8 Millionen vs. 2050 = 8,0 Millionen). Da das Erkrankungs-Risiko

nicht nur mit dem Raucherstatus, sondern auch mit zunehmendem Alter steigt, muss aufgrund der

immer älter werdenden Bevölkerung in Zukunft auch mit einer höheren Erkrankungshäufigkeit ge-

rechnet werden muss (Aumann & Prenzler, 2013).

58

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Nach Aussagen des Robert Koch-Instituts ist die Prävalenz der COPD in Deutschland nicht exakt bezif-

ferbar, da sich die Definition der Erkrankung aus der Feststellung einer chronischen Bronchitis in

Kombination mit einer dauerhaften Verengung der unteren Atemwege herleitet (RKI, 2014b). Das

erklärt auch, warum in Studien die Prävalenz der COPD zwischen 1,3-13,2 Prozent schwankt, in Ab-

hängigkeit von den verwendeten Krankheitsdefinitionen, der Erhebungsmethode und der einbezo-

genen Population (Aumann & Prenzler, 2013; Gingter et al., 2009; Geldmacher et al., 2008). Die vom

RKI initiierte Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (RKI, 2014c) erfasste u.a. die Lebenszeit-

prävalenz der chronischen Bronchitis in der erwachsenen Bevölkerung. Deren Ermittlung erfolgte in

zwei Befragungs-Stufen. Wurde die erste Frage („Wurde bei Ihnen jemals von einem Arzt eine chro-

nische Bronchitis festgestellt?“, gegebenenfalls mit dem Hinweis „unter chronischer Bronchitis ver-

stehen wir Husten und Auswurf mindestens drei Monate lang pro Jahr“) bejaht, erfolgte die Frage,

ob die chronische Bronchitis auch in den letzten zwölf Monaten bestand. Die Ergebnisse der Umfrage

werden in den Abbildungen 6 und 7 dargestellt. Durch die Einschränkung, dass die Schätzung der

Lebenszeitprävalenz nicht auf bevölkerungsrepräsentativen Daten beruhte15, lag sie mit ihren ermit-

telten knapp neun Prozent niedriger als die Schätzung des Weißbuchs Lunge für Deutschland (RKI,

2014b). Die vorliegenden Daten der GEDA 2012 zeigen einen Anstieg der Prävalenz mit zunehmen-

dem Lebensalter sowie eine höhere Prävalenz bei Frauen als bei Männern (9,9 vs. 7,3 Prozent). In-

nerhalb der Gruppen nimmt diese Prävalenz mit zunehmendem Bildungsgrad ab. Gründe für die

hohen Raten in bestimmten Bevölkerungssubgruppen sehen die Autoren der Untersuchung in der

höheren Wahrscheinlichkeit von Lungenschäden (Tabakexposition, andere Luftschadstoffe) mit stei-

gendem Alter. Dass gerade Frauen eine höhere Prävalenz aufweisen als Männer, hängt vermutlich

mit einer stärkeren Vulnerabilität der weiblichen Lunge gegenüber Umweltschadstoffen und Tabak-

rauch zusammen (van Haren-Willems & Heijdra, 2010). Der Gesundheitssurvey bestätigte allgemein

den engen Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit (RKI, 2005). So findet man in bildungs-

ferneren Gesellschaftsschichten oft auch einen höheren Anteil an Rauchern bzw. Arbeitnehmern, die

berufsbedingt lungenschädigenden Faktoren wie beispielsweise Steinstaub oder Chemikalien ausge-

setzt sind. Grundsätzlich gilt jedoch, dass sich nicht aus jeder chronischen Bronchitis auch zwangsläu-

fig eine COPD entwickeln muss.

15Das RKI berücksichtigt dabei den Hinweis der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, dass durch die bestehende Begriffs-vielfalt für COPD im Hinblick auf die uneinheitliche Definition und der daraus resultierenden uneinheitlichen Zuordnung zu den in den vergangenen Jahren wiederholt neu definierten ICD-Ziffern (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie, 2000, S. 10) die Datenerhebung limitiert sei.

59

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Quelle: RKI (2014c), eigene Darstellung

Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von chronischer Bronchitis bei erwachsenen Frauen (Lebenszeitprävalenz von chronischer Bronchitis bei Männern und Frauen gesamt: 8,6 Prozent)

Quelle: RKI (2014c), eigene Darstellung

Abbildung 7: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von chronischer Bronchitis bei erwachsenen Männern (Lebenszeitprävalenz von chronischer Bronchitis bei Männern und Frauen gesamt: 8,6 Prozent)

60

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Klinisch relevant ist die Differenzierung zwischen COPD und Asthma bronchiale, da Ursachen, Be-

handlung und Prognose beider Krankheitsbilder unterschiedlich sind. Tabelle 5 zeigt Unterschei-

dungsmerkmale der beiden Erkrankungen.

Tabelle 5: Differentialdiagnose zur Unterscheidung des Asthma bronchiale von der COPD

Merkmal COPD

Asthma bronchiale

Alter bei Erstdiagnose meist 6. Lebensdekade meist Kindheit und Jugend

Tabakrauch überwiegend Raucher kein Kausalzusammenhang

Atemnot bei Belastung anfallsartig auftretend

Allergie selten häufig

Reversibilität der Obstruktion nie voll reversibel FEV1 < 15 %

gut FEV1 < 20 %

Obstruktion

persistierend, progredient variabel, episodisch

Bronchiale Hyperreagibilität

möglich regelhaft vorhanden

Ansprechen auf Cortison

gelegentlich regelhaft vorhanden

Quelle: NVL (2006); NVL (2009)

Bei einem Asthma bronchiale handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung der unte-

ren Atemwege. Die Hyperreagibilität des Bronchialsystems führt zu einer reversiblen Verengung der

Bronchien mit entzündlich geschwollener Bronchialschleimhaut und einer vermehrten Produktion

zähen Sekrets. Leitsymptome sind anfallsweise auftretende Atemnot (insbesondere nachts und am

frühen Morgen) mit expiratorischem Stridor, pfeifende und giemende Ausatmung sowie Husten und

Abhusten von glasig-zähem Schleim (Mutschler et al., 2008). Während die Erstdiagnose einer COPD

meist ab dem 60. Lebensjahr erfolgt, kann Asthma bronchiale in jedem Lebensalter auftreten. Bei

einer Asthma-Diagnose im Kindesalter können sich Krankheitserscheinungen auch wieder zurückbil-

den (Upham & James, 2011). In Abhängigkeit von den auslösenden Ursachen kann die Erkrankung in

eine allergische (extrinsische) und nicht-allergische (intrinsische) Form eingeteilt werden, wobei auch

Mischformen bestehen können (Buhl et al., 2006). Während das exogen-allergische Bronchialasthma

vor allem auf einer IgE-vermittelten Überempfindlichkeitsreaktion beruht, sind beim intrinsischen

Bronchialasthma keine spezifischen Allergene bekannt, die den akuten Anfall auslösen. Unspezifische

Reize wie beispielsweise Inhalation von Tabakrauch oder Kaltluft können ausreichend sein, um zu

einer überschießenden Reaktion des Bronchialsystems zu führen (NVL, 2009). Genetische Faktoren

61

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

zur Entstehung und Entwicklung von Asthma sollten ebenfalls berücksichtigt werden (Bergmann et

al., 2002). Die weltweite Zunahme der Asthma-Prävalenz insbesondere in den Industrieländern un-

terstreicht jedoch die große Bedeutung exogener Faktoren. Polosa et al. (2008) konnten in ihrer

Studie den Konsum von Tabak als unabhängigen Risikofaktor für eine Asthma-Genese identifizieren.

Auch besteht zwischen einer vorbestehenden allergischen Rhinitis und der Entwicklung von Asthma

möglicherweise ein Kausalzusammenhang (Rzehak et al., 2008; Shaaban et al., 2008). Welche Rolle

die Allergenbelastung jedoch tatsächlich für die Inzidenz des Asthma bronchiale spielt, ist nach wie

vor Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion (Pearce et al, 2000; Lau et al., 2000; Torrent et al.,

2006; Salo et al., 2008).

Nach Angaben der WHO sind derzeit 235 Millionen Menschen weltweit von der Erkrankung Asthma

bronchiale betroffen (WHO, 2013). In der Literatur beläuft sich die Prävalenz in Deutschland auf ca.

fünf Prozent bei Erwachsenen und zehn Prozent bei Kindern (Konietzko & Fabel, 2000, Fabel & Ko-

nietzko, 2005; Buhl et al., 2006) und zählt damit zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im

Kindesalter (Bacharier et al., 2008). Allerdings nehmen die Asthma-Prävalenz und besonders die

Prävalenz des allergischen Asthmas mit zunehmendem Alter ab. Ergebnisse früherer Studien weisen

auf einen signifikanten regionalen und genderspezifischen Prävalenz-Unterschied in Deutschland hin

(Hermann-Kunz, 1999; Hermann-Kunz, 2000). Wie bei der Erhebung der COPD-Prävalenz gilt auch für

Asthma, dass die Feststellung je nach angewandter Methodik der Datenerhebung variieren kann. So

erfolgen seit dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 regelmäßig Erhebungen zum ärztlich-

diagnostizierten Asthma bronchiale. Durch die Querschnittsanalyse „Gesundheit in Deutschland

aktuell“ konnten erneut repräsentative Daten zur Asthma-Prävalenz in der erwachsenen Bevölke-

rung in Deutschland erhoben werden (RKI, 2014d). In Analogie zur Datenerhebung der COPD-

Prävalenz wurde eine telefonische Befragung durchgeführt, in der die Personen sowohl nach dem

Vorliegen einer Asthma-Diagnose in den vergangenen zwölf Monaten als auch nach einer irgend-

wann in ihrem Leben gestellten Asthma-Diagnose (Lebenszeitprävalenz) befragt wurden. Die Abbil-

dungen 8 und 9 fassen die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und bestätigen damit die Resul-

tate anderer Studien (Langen et al., 2013; Stock et al., 2005; Schäfer et al., 2005; Demoly et al.,

2009). So sind Frauen eher von Asthma bronchiale betroffen als Männer (Lebenszeitprävalenz: 11,5

vs. 8,3 Prozent). Dabei liegt der Höchststand der Lebenszeitprävalenz bei Frauen ab dem 65. Lebens-

jahr, bei Männern hingegen in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen. Differenziert man die Ergeb-

nisse nach dem Bildungshintergrund so zeigt sich, dass eine höhere Bildung mit einer geringeren

Asthma-Lebenszeitprävalenz einhergeht. Allerdings zeigt sich dieser Zusammenhang nur bei den

Frauen ab dem dritten Lebensjahrzehnt.

62

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Quelle: RKI (2014d), eigene Darstellung

Abbildung 8: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von Asthma bei erwachsenen Frauen (Lebenszeitprävalenz von Asthma bei Männern und Frauen gesamt: 9,9 Prozent)

Quelle: RKI (2014d), eigene Darstellung

Abbildung 9: Häufigkeitsverteilung der Lebenszeitprävalenz von Asthma bei erwachsenen Männern (Le-benszeitprävalenz von Asthma bei Männern und Frauen gesamt: 9,9 Prozent)

63

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Vergleicht man die Daten aus den letzten zehn bis fünfzehn Jahren, so ist die Asthma-Mortalität in

Deutschland um etwa ein Drittel zurückgegangen (Fabel & Konietzko, 2005). Allerdings sind Mortali-

tätsdaten zum Asthma häufig nur von begrenzter Aussagekraft, da die Todesursachenstatistik mono-

kausal aufgebaut ist und viele Personen mit diagnostiziertem Asthma letztendlich nicht aufgrund

dieser Erkrankung sterben (Windt, 2010). Neben Neubildungen sowie Erkrankungen des Herzens und

des Stoffwechsels zählen Atemwegserkrankungen nach wie vor zu den großen Volkskrankheiten in

Deutschland (Kirsch et al., 2013). Durch die zunehmende Umweltbelastung, den chronischen Verlauf

der Erkrankung sowie die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen besitzen COPD und Asthma

eine große gesundheitsökonomische Bedeutung. Im Bereich der direkten Kosten sind Arzneimittel

sowie die stationäre Versorgung die größten Kostenverursacher, während die Arbeitsunfähigkeit

neben der Frühberentung den größten Anteil an indirekten Kosten hat (Kirsch et al., 2013; Aumamn

& Prenzler, 2014). Im Jahr 2008 verursachten allein Erkrankungen der Atemwege (ICD-10-Code J00

bis J99) Kosten von 13.189 Mio. Euro (IQWiG, 2013). Im Jahr 2010 wurden 231.764 Frauen und Män-

ner stationär wegen einer chronischen Erkrankung der unteren Atemwege (ICD-10-Code J40 bis J47)

behandelt. Patienten mit Asthma bronchiale machten gut zehn Prozent der Behandelten aus, Patien-

ten mit COPD waren nicht explizit ausgewiesen (IQWiG, 2013). Für Asthma konnten die indirekten

Kosten mittlerweile gesenkt werden, wobei dies möglicherweise in einer konsequenteren ambulan-

ten Therapie begründet liegt (Windt, 2010).

64

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.1.1 Leitlinien und Therapieempfehlungen

Um den medikamentösen Standard in der Therapie des Asthma bronchiale und der COPD zu ermit-

teln, werden die wichtigsten Behandlungsempfehlungen vorgestellt. Im Bereich der Therapieemp-

fehlungen sind im Wesentlichen die interdisziplinär angelegten Nationalen Versorgungsleitlinien

Asthma (NVL, 2009) und COPD (NVL, 2006) zu nennen, die sich derzeit beide in Überarbeitung befin-

den. Um mögliche Änderungen von Therapieempfehlungen in Deutschland zu erfassen, wurden die

Recherche-Ergebnisse des IQWiG ebenso berücksichtigt (IQWiG, 2013a; IQWiG, 2013b). Beauftragt

durch den G-BA verfolgte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit

den beiden Update-Recherchen das Ziel, aus aktuellen sowie evidenzbasierten Leitlinien Kernemp-

fehlungen zu synthetisieren, die für eine Überarbeitung der entsprechenden Disease-Management-

Programme16 (DMP) von Bedeutung sein könnten. Da nicht nur nationale, sondern auch internatio-

nale Leitlinien in die Recherche des IQWiG miteinflossen, wurden Therapiebesonderheiten anderer

Länder berücksichtigt und für die Verwendung in Deutschland adaptiert (OLU, Lifestyle-Arzneimittel).

Für den Versorgungsaspekt Medikamentöse Maßnahmen bei der Asthma-Therapie sah das IQWiG

keinen Aktualisierungs- bzw. Ergänzungsbedarf, da die Empfehlungen im Wesentlichen mit der DMP-

Richtlinie Asthma übereinstimmen (IQWiG, 2013a). Für die medikamentöse Therapie der COPD

stimmen die Empfehlungen ebenfalls im Wesentlichen mit der DMP-Richtlinie überein. Mögliche

Aktualisierungs- bzw. Ergänzungsbedarfe sieht das IQWiG vor allem in einer Ergänzung bzw. Spezifi-

zierung des DMP im Hinblick auf die medikamentöse Therapie mit Bronchodilatatoren, Glucocorti-

coidsteroiden und Phosphodiesterase-Hemmern (IQWiG, 2013a). Ziele der medikamentösen COPD-

Therapie sind u.a. neben der Verminderung der Progression der Erkrankung und der Steigerung der

körperlichen Belastbarkeit auch eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitsstatus sowie die

Vorbeugung und Behandlung von Exazerbationen (NVL, 2006). Ziele der medikamentösen Asthma-

Therapie sind vor allem neben der Vermeidung akuter und chronischer Krankheitserscheinungen

auch die Normalisierung bzw. das Anstreben der bestmöglichen Lungenfunktion sowie eine Redukti-

on der bronchialen Hyperreagibilität (NVL, 2009).

Auf Grundlage der Behandlungsempfehlungen von IQWiG und der NVL werden im Folgenden die

wesentlichen Pharmakotherapien zur Behandlung der COPD und des Asthma bronchiale herausgear-

beitet. Mögliche Schnittstellen und Abweichungen sollen dabei identifiziert, für eine schnellere Ori-

entierung tabellarisch festgehalten und im Anschluss diskutiert werden. Tabelle 6 gibt einen Über-

blick der vergleichbaren Bedarfs- und Dauertherapie sowohl zur Behandlung der COPD als auch des

16 Bei den Disease-Management-Programmen handelt es sich um strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, die auf den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin beruhen. Vorrangig eingesetzte Behandlungsmethoden entsprechen dem Stand der Wissenschaft.

65

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Asthma bronchiale. Die medikamentöse Therapie richtet sich für beide Erkrankungen nach unter-

schiedlichen Stufenschemata, die auf den spirometrisch ermittelten Schweregraden basieren (Abbil-

dung 10).

Tabelle 6: Vergleich der medikamentösen Behandlung: COPD vs. Asthma bronchiale

COPD Asthma bronchiale

Bedarfstherapie Kurzwirksam -2 Sympathomimetika (SABA) wie Fenoterol, Salbutamol, Terbuta-lin

Kurzwirksame Anticholinergika (SAMA) wie Ipratropium, Tiotropium

Kombination von kurzwirksamen -2-Sympathomimetika und Anticholinergika

Kurzwirksam -2 Sympathomimetika (SABA) wie Fenoterol, Salbutamol, Terbutalin

Als Add-on zur Bedarfstherapie in begrün-deten Fällen

Theophyllin (Darreichungsform mit rascher Wirkstofffreisetzung)

Bei Schleimretention: Inhalation von Salzlösungen sowie Einsatz mukoaktiver Substanzen (Acetylcystein, Ambroxol, Carbocistein)

Theophyllin (Darreichungsform mit rascher Wirkstofffreisetzung)

Systemische Glucocorticosteroide wie bei-spielsweise Prednisolon (maximal bis zu 14 Tage)

Kurzwirksame Anticholinergika (SAMA)

Dauertherapie Langwirksame Anticholinergika (LAMA).

Langwirksame -2 Sympathomimetika (LABA) wie beispielsweise Formoterol, Salmeterol

Langwirksame -2 Sympathomimetika (LABA) wie beispielsweise Formoterol, Salmeterol

Inhalative Glucocorticosteroide wie beispiels-weise Beclometason, Budesonid, Ciclesonid, Fluticason, Mometason

Als Add-on zur Dauertherapie in begründe-ten Fällen

Theophyllin (Darreichungsform mit verzö-gerter Wirkstofffreisetzung)

Inhalative Glucocorticosteroide (bei schwerer und sehr schwerer COPD, insbe-sondere dann, wenn häufige Exazerbatio-nen auftreten oder Zeichen eines Asthma bronchiale bestehen) wie beispielsweise Beclometason, Budesonid, Ciclesonid, Fluticason, Mometason

Theophyllin (Darreichungsform mit verzögerter Wirkstofffreisetzung)

Systemische Glucocorticosteroide wie bei-spielsweise Prednisolon

Leukotrien-Rezeptorantagonisten wie bei-spielsweise Montelukast

Anti-IgE Antikörper wie beispielsweise Omali-zumab

Prävention Schutzimpfungen gegen Influenza und Pneumokokken.

Phosphodiesterase-4-Hemmer wie Roflu-milast können die Exazerbationsfrequenz bei Patienten mit chronischer Bronchitis, schwerer und sehr schwerer COPD und wiederkehrenden Exazerbationen senken, wenn keine ausreichende Kontrolle durch einen langwirksamen Bronchodilatator erreicht wird

Schutzimpfungen gegen Influenza und Pneumokokken

Spezifische Immuntherapie

Hyposensibilisierung

Quelle: NVL (2006); NVL (2009); IQWiG (2013a); IQWiG, (2013b)

66

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

In der Asthma- -2-Sympathomimetika zusätzlich als Bedarfsmedikation ab Stufe II gegeben werden.

Quelle: NVL (2006); NVL (2009)

Abbildung 10: Stufenschemata der medikamentösen Therapie im Erwachsenenalter: Asthma bronchiale vs. COPD

Wie aus Tabelle 6 ersichtlich, stellen bronchialerweiternde Medikamente – in der Regel als Dosierae-

rosol angewendet – die Basismedikation sowohl für die COPD als auch für Asthma dar. Kurzwirksame

Bronchodilatatoren werden bei Bedarf, Arzneimittel mit langer Wirkdauer hingegen in der Dauerthe-

rapie eingesetzt. So werden in Abhängigkeit des Schweregrades (siehe Abbildung 10) zu den rasch

wirksamen -2-Sympathomimetika (beispielsweise Salbutamol, Terbutalin) bei Bedarf auch langwirk-

same -2-Sympathomimetika wie Formoterol und Salmeterol zur Dauertherapie genutzt. Sie dienen

neben der Erleichterung von bronchialobstruktiven Beschwerden bei Patienten mit COPD auch der

symptomatischen Langzeitbehandlung des chronisch mäßigen bis schweren Asthma bronchiale.

Gleichzeitig soll bei letztgenannter Indikation eine regelmäßige Therapie mit entzündungshemmen-

den Arzneimitteln (inhalative und bzw. oder orale Glucocorticoidsteroide) sichergestellt werden. Der

-2-Sympathomimetika beruht auf einer selektiven -

2-Rezeptoren an den Zellen der glatten Bronchialmuskulatur (Spring et al., 1992; Barnes, 2002).

Dadurch wird die bronchiale Muskelspannung reduziert und es kommt zu einer Erweiterung der

Atemwege. In den vergangenen Jahren sind -2-Sympathomimetika zur Asthma-

67

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Therapie immer wieder in die Diskussion geraten. So wird ihre Anwendung mit einem erhöhten Risi-

ko für schwerste Exazerbationen von Asthmasymptomen assoziiert, die zu Hospitalisationen von

Kindern und Erwachsenen mit zum Teil letalem Ausgang führten (Cates & Cates, 2008; Castle et al.,

1993; Kuehn, 2009). Aus diesem Grund sollte bei einem Asthmatiker eine Langzeitmonotherapie

dieser Wirkstoffgruppe – ohne gleichzeitige Anwendung eines antientzündlich wirkenden Antiasth-

matikums – vermieden werden. Andererseits ist unklar, ob nicht auch eine duale Kombinationsthe-

rapie, -2-Sympathomimetika und Glucocorticoidsteroiden, mit ähnlichen Risiken

einhergeht (Chowdhury & Dal Pan, 2010).

Während für die Dauertherapie des Asthma bronchiale die zusätzliche Gabe entzündungshemmen-

der Wirkstoffe angezeigt ist, kommen bei der COPD langwirksame Anticholinergika zum Einsatz. Ihre

Wirkung beruht dabei auf einer Blockade von Muscarin-Rezeptoren, die sich an der glatten Muskula-

tur der Atemwege befinden. Während die inhalativen Anticholinergika Tiotropiumbromid, Aclidini-

umbromid und Glycopyrroniumbromid in Deutschland ausschließlich zur Therapie der COPD zugelas-

-2-Agonisten auch zur Behandlung einer Asth-

ma-induzierten reversiblen Atemwegsobstruktion geeignet. Die Wahl zwischen -2-Sympa-

thomimetika und Anticholinergika hängt dabei vom individuellen Ansprechen des Patienten und den

unerwünschten Wirkungen ab (NVL, 2006; NVL, 2009). Gleiches gilt für die Auswahl der inhalativen

Glucocorticosteroide, die sich aufgrund ihrer Rezeptoraffinität in der Wirkstärke unterscheiden, nicht

aber in ihren pharmakodynamischen Eigenschaften. Ein weiterer wenn auch schwächerer Bronchodi-

latator ist Theophyllin, der zur Therapie chronischer Lungenerkrankungen nur noch in begründeten

Einzelfällen als Wirkstoff der dritten Wahl eingesetzt werden sollte. Neben zahlreichen Interaktionen

besitzt er eine relativ geringe, vom Alter abhängige (Scholz et al., 2005) therapeutische Breite. So

kann es bei zu hoher Dosierung zu Krampfanfällen kommen, weswegen die Einnahme des Wirkstof-

fes eine regelmäßige Kontrolle des Blutspiegels erfordert.

Der monoklonale Anti-IgE-Antikörper Omalizumab ist bei schwerem persistierendem allergischem

Asthma indiziert. Seine Wirkung beruht auf der Bindung von freiem IgE, welches dann für die Auslö-

sung einer IgE-vermittelten allergischen Reaktion nicht mehr zur Verfügung steht (Easthope & Jarvis,

2001). Der Leukotrien-Rezeptorantagonist Montelukast ist ebenfalls nur zur Asthma-Therapie ange-

zeigt. Entweder indiziert als Zusatzbehandlung für Patienten, bei denen ein leichter bis mittelgradi-

ger persistierender Asthma bronchiale diagnostiziert wurde und der nicht mit anderen Medikamen-

ten ausreichend behandelt werden kann, zur Vorbeugung eines Belastungsasthmas oder um bei

Asthmatikern eine Linderung der saisonalen allergischen Rhinitis zu bewirken.

COPD-Exazerbationen sind durch eine akute und anhaltende Verschlimmerung des Krankheitszu-

standes gekennzeichnet. Sie gehen über die für den Patienten normale Variation seiner Erkrankung

hinaus und erfordern eine Intensivierung der Therapie (NVL, 2006). Phosphodiesterase-4-Hemmer

68

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

wie Roflumilast sollten dann bei Patienten mit schwerer COPD und wiederkehrenden Exazerbationen

eingesetzt werden, wenn keine ausreichende Kontrolle durch einen langwirksamen Bronchodilatator

erreicht wird (NVL, 2006).

8.1.1.2 Diskussion der Ergebnisse

Asthma bronchiale und COPD zählen zu den chronischen Krankheiten der unteren Atemwege. Wie

aufgezeigt werden konnte, ähneln sich die beiden Erkrankungen trotz unterschiedlicher Pathologie.

Zu beachten gilt außerdem, dass neben Asthma bronchiale auch eine Reihe von kardiopulmonalen

Krankheiten wie beispielsweise Bronchiektasen, Bronchialkarzinom, Lungentuberkulose sowie die

Linksherzinsuffizienz ähnliche Symptome hervorrufen können. Begründet in ihrem chronischen Cha-

rakter und ihrer Mortalität schränken beide Erkrankungen nicht nur die Lebensqualität der betroffe-

nen Personen ein, sondern besitzen auch einen hohen gesundheitsökonomischen und volkswirt-

schaftlichen Stellenwert. Während einerseits die Asthma-Mortalität in den vergangenen Jahren stark

zurückgegangen ist, zählt die COPD nicht nur zu den häufigsten Erkrankungen weltweit, sondern

mittlerweile auch zu den führenden Todesursachen. Da das Erkrankungsrisiko der COPD nicht nur

mit dem Raucherstatus, sondern auch mit zunehmendem Alter steigt, muss in Zukunft aufgrund der

demographischen Entwicklung der Bevölkerung mit einer höheren Erkrankungshäufigkeit gerechnet

werden. Im Bereich der direkten Kosten zählen Arzneimittel sowie die stationäre Versorgung zu den

größten Kostenverursachern, während die Arbeitsunfähigkeit neben der Frühberentung den größten

Anteil an indirekten Kosten aufweist.

Wie die Analyse der Leitlinienempfehlungen für Asthma bronchiale und COPD gezeigt hat, unter-

scheiden sich die Therapiestrategien aufgrund unterschiedlicher Pathomechanismen teilweise er-

heblich voneinander. So erfordern gerade Krankheitsbilder mit ähnlicher Symptomatik eine exakte

Differenzierung in der Diagnosestellung.

Bis auf wenige identifizierte Wirkstoffgruppen (Leukotrien-Antagonisten, Anti-IgE-Antikörper, Phos-

phodiesterase-4-Hemmer, langwirksame Anticholinergika) sind alle anderen Arzneimittel bzw.

pharmakotherapeutischen Gruppen sowohl für die Asthma- als auch für die COPD-Therapie als Dau-

er- bzw. Bedarfsmedikation zugelassen. Bei den zugelassenen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffgruppen

lassen sich aber Unterschiede im Stellenwert der Arzneimittel in der Therapie der entsprechenden

Erkrankung aufzeigen. Basismedikation sowohl für die COPD als auch für Asthma stellen bronchial-

erweiternde Medikamente dar. Kurzwirksame Bronchodilatatoren werden bei Bedarf, Arzneimittel

mit langer Wirkdauer hingegen in der Dauertherapie eingesetzt. In Abhängigkeit vom Schweregrad

der Erkrankung werden zu den rasch wirksamen -2-Sympathomimetika auch langwirksame -2-

69

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Sympathomimetika zur Dauertherapie genutzt. Gerade langwirksam -2-Sympathomimetika sind

jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder in die Diskussion geraten, wenn es um die Therapie

des Asthma bronchiale ging (Cates & Cates, 2008; Castle et al., 1993; Kuehn, 2009). Aus diesem

Grund sollte bei einem Asthmatiker eine Langzeitmonotherapie dieser Wirkstoffgruppe ohne gleich-

zeitige Anwendung eines antientzündlich wirkenden Antiasthmatikums vermieden werden. Auch die

Wirkstoffgruppe der Anticholinergika sollte im Rahmen der Asthma-Bedarfstherapie lediglich als

Mittel zweiter Wahl eingesetzt werden, während sie bei der COPD Arzneimittel der ersten Wahl in

der Dauer- und Bedarfstherapie sind. Glucocorticoide unterdrücken chronische Entzündungen, die

beim Asthma bronchiale maßgeblich an der Entstehung und Chronifizierung der Atemwegsobstrukti-

on beteiligt sind. Aus diesem Grund bildet diese Wirkstoffgruppe die therapeutische Stütze in der

Dauertherapie des Asthmas. Neben der Tatsache, dass eine bedarfs- und therapiegerechte Basisver-

sorgung auch die Nezessität einer Add-on-Therapie begrenzt, sind vermeidbare Exazerbationen von

hoher Tragweite in der Therapie. So verursachen häufig vorkommende Exazerbationen auch in stabi-

len Krankheitsphasen bei COPD-Patienten eine gesteigerte Entzündungsaktivität in den Atemwegen

(Bhowmik et al., 2000). Zudem verschlechtern sie nicht nur den Allgemeinzustand, sondern be-

schleunigen auch die Erkrankungsprogression durch zunehmende Einschränkung der Lungenfunktion

und gleichzeitige Erhöhung des Mortalitätsrisikos (Wedzicha & Seemungal, 2007). Niedrig dosiertes

Glucocorticoid verbessert hingegen schon bei einem leichten Asthma der Therapiestufe II nicht nur

die Symptomatik und die Lungenfunktion, sondern reduziert auch die Exazerbations- und Mortali-

tätsraten (Adams et al., 2001; Adams et al., 2005). Da die genannten Wirkstoffe für beide Erkrankun-

gen zugelassen sind, kann schlussfolgernd nicht von einem OLU gesprochen werden, sondern von

einem Abweichen in einer leitliniengerechten Therapie. Leitlinien bzw. Therapieempfehlungen sollen

als Orientierungshilfen verstanden werden, daher kann der Arzt in begründeten Fällen auch von

ihnen abweichen.

Ein OLU entsteht erst dann, wenn Medikamente außerhalb ihrer Zulassung verordnet werden. Der

monoklonale Anti-IgE-Antikörper Omalizumab ist nur bei schwerem persistierendem allergischem

Asthma indiziert. Der Leukotrien-Rezeptorantagonist Montelukast ist ebenfalls nur zur Asthma-

Therapie angezeigt: Entweder indiziert als Zusatzbehandlung für Patienten, bei denen ein leichter bis

mittelgradiger persistierender Asthma bronchiale diagnostiziert wurde und durch andere Medika-

mente nicht ausreichend behandelt werden kann, zur Vorbeugung eines Belastungsasthmas oder um

bei Asthmatikern eine Linderung der saisonalen allergischen Rhinitis zu bewirken. COPD-

Exazerbationen sind durch eine akute und anhaltende Verschlimmerung des Krankheitszustandes

gekennzeichnet und erfordern eine Intensivierung der Therapie. In diesem Fall sollten Phosphodies-

terase-4-Hemmer wie Roflumilast bei Patienten mit schwerer COPD und wiederkehrenden Exazerba-

70

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

tionen eingesetzt werden, wenn keine ausreichende Kontrolle durch einen langwirksamen Broncho-

dilatator erreicht wird.

Betrachtet man das Stufenschema der medikamentösen Therapie im Erwachsenenalter für Asthma

bronchiale und COPD (Abbildung 10) der Nationalen Versorgungsleitlinien, so kann ein OLU schon in

der zweiten Therapiestufe zum Tragen kommen. Je schwerwiegender die Erkrankung, desto weitrei-

chender sind die Konsequenzen für den betroffenen Patienten. Vor allem dann, wenn die Fehldia-

gnose nicht erkannt wird, der erwartete Therapierfolg ausbleibt, sich die Erkrankung weiter ver-

schlimmert und letztendlich eine Kaskade von Fehlentscheidungen nach sich zieht, die unmittelbare

Konsequenzen auf Lebenszeit und Lebensqualität des Patienten haben können (siehe Abbildung 11).

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 11: Auswirkungen eines diagnoseinduzierten OLU auf die Therapieziele einer Behandlung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein durch Fehldiagnosen induzierter OLU nicht grundsätzlich

auf jeder Therapiestufe zu finden ist und auch keine unmittelbare Auswirkung auf die Morbidität wie

Mortalität des Patienten hat. Festzuhalten ist allerdings, dass ein Diagnose-Bias eine leitliniengerech-

te Therapie ausschließen kann, was im weiteren Verlauf zu nicht zulassungskonformen Pharmako-

71

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

therapien führt. Der Einsatz eines Arzneimittels – ob im ILU oder OLU – hat zum Ziel, Krankheiten zu

heilen, ihre Symptome zu lindern, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen oder zumindest zu

verlangsamen und die Lebensqualität zu steigern. Im Idealfall werden mehrere Therapieziele er-

reicht. Ein durch Fehldiagnosen induzierter OLU (zulassungskonforme Anwendung eines Arzneimit-

tels bei falsch-positiver Diagnose) kann andererseits mit Unter-, Über- und Fehlversorgungen und

den daraus resultierenden Folgen für den Patienten einhergehen, wie Verschlechterung der Erkran-

kung und Einbußen in der Lebensqualität. Da die Therapieentscheidungen nicht bedarfsgemäß ge-

troffen werden, stellen sie außerdem eine Grenzverletzung der Wirtschaftlichkeit dar (Glaeske,

2007).

Bereits vor 15 Jahren thematisierte der Sachverständigenrat für die Konzentrierte Aktion im Gesund-

heitswesen (SVR) in seinem Gutachten Unter-, Über- und Fehlversorgungen in der Pharmakotherapie

von Asthma- und COPD-Patienten (SVR, 2001). Nach Auffassung des SVR erfolgten Diagnostik und

Therapie häufig zu spät und bzw. oder nicht leitliniengerecht. Ursache für das oben beschriebene

Nebeneinander sah der Sachverständigenrat in erster Linie in einer mangelhaften Diagnostik auf-

grund von Qualifikationsdefiziten in der Weiter- und Fortbildung bei den behandelnden Ärzten, und

dort vor allem bei Nicht-Pneumologen. Rabe et al. (2000) zeigten in ihrer Arbeit, dass im Rahmen der

Untersuchung bei 50 Prozent der Befragten die Lungenfunktion nicht geprüft worden war. Eine wei-

tere Analyse zeigte, dass bei nur gut einem Drittel der diagnostizierten Asthma-Patienten und knapp

60 Prozent der Patienten mit diagnostizierter COPD eine spirometrische Untersuchung durchgeführt

wurde (Schneider et al., 2005). Spirometrische Lungenfunktionsmessungen sind jedoch das unent-

behrliche Verfahren für die (Erst-)Diagnose (NVL, 2006; NVL, 2009), nach ihnen richtet sich der diag-

nostische Algorithmus der Leitlinien und Therapieempfehlungen. In einer weiteren Untersuchung

musste bei 18 Prozent der untersuchten Patienten eine falsch-positive Asthmadiagnose festgestellt

werden (Hellmann, 2007). Ähnliche Hinweise lieferte auch eine schwedische Studie: tatsächlich Er-

krankte wurden nicht als Asthmatiker identifiziert (Montnémery et al., 2002).

Lungenfachärzte stehen jedoch nicht überall in ausreichender Zahl zur Verfügung, so dass hier auch

strukturelle Defizite für eine mangelhafte Versorgung verantwortlich gemacht werden können. Da

die Pneumologie an Universitäten unterrepräsentiert ist und sich daraus zwangsläufig Defizite in

Forschung, Lehre und Versorgung ableiten lassen (Fabel & Konietzko, 2005), werden weniger Diag-

nosen durch Fachärzte gestellt und potentiell mehr Raum für mangelhafte Diagnosen geboten.

Wird von einem OLU gesprochen, geht man in der Regel von einer richtigen Diagnose aus, die auf-

grund fehlender Therapieoptionen eine nicht zulassungskonforme Anwendung eines Arzneimittels

nach sich zieht (therapieinduzierter OLU). Wenn der Rat des MDK eingeholt wird, ist die Verordnung

eines Arzneimittels außerhalb seiner Zulassungsbestimmung der häufigste Anlass (Grell & Rieger,

2012). Untersuchungen zeigen jedoch, dass Fehldiagnosen in der ärztlichen Praxis nicht selten sind

72

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

(Tinkelman et al., 2006; Kuebler et al., 2008; Marklund et al., 1999). Im Mai 2014 veröffentlichte der

Medizinische Dienst des Spitzenverbandes (MDS) seine Jahresstatistik für 2013 zur Behandlungsfeh-

ler-Begutachtung der MDK-Gemeinschaft (MDS, 2014). Von den bestätigten Behandlungsfehlern17

wurden gut 24 Prozent der Diagnosestellung zugeschrieben (Abbildung 12), die damit an zweiter

Stelle steht. Dabei entsprach das Verteilungsmuster der Ergebnisse weitgehend den Ergebnissen des

Vorjahres (MDS, 2014). Nach Aussage des MDS beziehe sich die Statistik aufgrund der Inanspruch-

nahme der MDKen und sei demzufolge nicht repräsentativ. Rückschlüsse auf die Versorgungsqualität

bzw. die Patientensicherheit seien daher nur eingeschränkt möglich.

Mehrfachnennung möglich. Quelle: SVR (2001)

Abbildung 12: Fehlerarten bzw. Verantwortungsbereiche bei bestätigten Behandlungsfehlern

Da chronische Erkrankungen über die Versorgung einer akuten gesundheitlichen Belastung hinaus-

gehen, sind Behandlungs- und Managementstrategien gefordert. So sollte neben den Patientenschu-

lungen auch die Förderung der Ausbildungskapazität berücksichtigt werden. Wie häufig ein OLU

aufgrund einer fehlerhaften Diagnose im Praxisalltag vorkommt, lässt sich allerdings nicht beziffern.

Bei Betrachtung eines Diagnoseverlaufs (ICD-Codierung) müssen Änderungen berücksichtigt werden,

17 Nach Auffassung des MDS bezeichnet ein Behandlungsfehler unterschiedliche Arten ärztlichen Fehlverhaltens. Sowohl eine Unterlassung einer eigentlich gebotenen medizinischen Behandlung als auch ein nicht indizierter individueller Eingriff fallen unter diese Begrifflichkeit (MDS, 2014).

73

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

die dann letztendlich auch in eine andere pharmakologische Therapie (ATC-Codierung) münden.

Mängel in der Codierung müssten zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. Dazu bedarf es gezielter

Studien, um über das Auftreten von Behandlungsfehlern sowie der Vermeidbarkeit ihrer daraus

folgenden Ereignisse Erkenntnisse zu erlangen.

74

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.2 Neue Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen

Der überwiegende Teil der zur Therapie der obstruktiven Atemwegserkrankungen eingesetzten

Wirkstoffe findet seine therapeutische Verwendung sowohl in der Asthma- als auch in der COPD-

Behandlung. Die bei der COPD zu beobachtende Entzündung weist jedoch Unterschiede von derjeni-

gen bei Asthma auf und liefert möglicherweise eine Erklärung für das unterschiedliche Ansprechen

beider Erkrankungen auf die medikamentöse Therapie (Barnes, 2000; Barnes, 2004).

Im Fokus des dritten Abschnittes steht die Versorgungsanalyse der neuen Mittel zur Therapie der

COPD (Indacaterol, Roflumilast und Aclidiniumbromid). Zu Beginn werden kurz die Ergebnisse der

Literaturrecherche umrissen, auf die dann in den entsprechenden Wirkstoff-Abschnitten detaillierter

eingegangen werden soll. Zusätzlich erfolgte eine Recherche nach möglicherweise noch nicht veröf-

fentlichten Studien in der Datenbank des U.S. National Institutes of Health (ClinicalTrials.gov), deren

Ergebnisse ebenfalls tabellarisch dargestellt werden.

Nach anfänglicher Wirkstoffcharakterisierung sowie Darstellung der Evidenzlage im In-Label Use und

– für das ärztliche Verordnungsverhalten möglicherweise mitunter entscheidend – der zusammen-

fassenden Nutzenbewertung durch den G-BA, sollen die Ergebnisse der Studien kurz umrissen wer-

den, bei denen diese Wirkstoffe auch bei Patienten mit diagnostiziertem Asthma eingesetzt wurden.

Ein mögliches Forschungsinteresse auch im OLU soll so aufgezeigt werden. Werden solche Daten

publiziert? Und hängt die Publikation dieser Daten von der Art der Finanzierung ab? Dadurch sollen

Gründe identifiziert werden, warum ein pharmazeutischer Unternehmer die eine Indikation zulässt

und die andere ausschließt.

Im Anschluss daran wird das Verordnungsverhalten in der ambulant-ärztlichen Praxis mit Hilfe von

Routinedaten dargestellt. Für die Versorgungsanalyse von Indacaterol und Roflumilast wurden am-

bulant-ärztliche Abrechnungsdaten von Versicherten der Techniker Krankenkasse (TK) aus den Jah-

ren 2010 und 2011 genutzt, die zu dem Zeitpunkt mit ca. 7,4 Mio. (2010) bzw. 7,8 Mio. (2011) Versi-

cherten die zweitgrößte gesetzliche Krankenversicherung Deutschland darstellte. Für die Versor-

gungsanalyse von Aclidiniumbromid standen ambulant-ärztliche Abrechnungsdaten von Versicher-

ten der TK aus den Jahren 2012 und 2013 zur Verfügung. Die TK ist mit 8,1 Mio. (2012) bzw. 8,5 Mio.

(2013) Versicherten mittlerweile die größte GKV Deutschlands. Abschließend werden die Ergebnisse

dieser Untersuchungen diskutiert.

75

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Ergebnisse der Literaturrecherche

Nach Anwendung der Ausschlusskriterien (Kapitel 7.1.1) wurden für die Bewertung der Studienlage

insgesamt zwölf Publikationen als geeignet identifiziert und berücksichtigt (Abbildung 12). Die Veröf-

fentlichung dieser Studien erfolgte zwischen 2005 und 2015 (Tabelle 7).

Abbildung 13: Flowchart der Literaturrecherche zur Fragestellung des Off-Label Use aufgrund möglicher Fehldiagnosen am Beispiel COPD und Asthma bronchiale

76

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 7: Übersicht aller eingeschlossenen klinischen Studien

Autor Jahr Journal

Wirkstoff oder Wirkstoff-kombinationen

Indikation Studientyp Studienteilnehmer

Bateman et al. Annals of Allergy, Asthma and Immunology

2006

Roflumilast Asthma dose ranging study n = 693

Beasley et al. BMJ Open 2015

Indacaterol + Mometason (LABA/ICS)

Asthma treatment n = 1.508

Beeh et al. The European Respiratory Journal 2007

Indacaterol Asthma dose ranging study n = 42

Bousquet et al. Allergy 2006

Roflumilast Asthma non inferiority study n = 499

Chuchalin et al. Respiratory Medicine 2007

Indacaterol Asthma treatment n = 156

Gauvreau et al. Respiratory Research 2011

Roflumilast Asthma, allergisch

treatment n = 25

Kanniess et al. The Journal of Asthma 2008

Indacaterol Asthma

dose-finding study n = 115

Louw et al. Respiration 2007

Roflumilast Asthma, allergisch

pilot study n = 13

Pearlman et al. Annals of Allergy, Asthma and Immunology

2008

Indacaterol Asthma treatment n = 25

Sugihara et al. Respiratory Medicine 2010

Indacaterol Asthma treatment n = 41

van Schalkwyk et al.

The Journal of Allergy and Clinical Immunology

2005

Roflumilast Asthma, allergisch

proof-of-concept study n = 23

Yang et al. Annals of Allergy, Asthma and Immunology

2007

Indacaterol Asthma dose-finding study n = 144

Datenbank: Pubmed.gov

Die eingeschlossenen Studien aus Tabelle 7 wurden in acht verschiedenen Journals publiziert, davon

alle in englischer Sprache. In den zwölf Studien war -2-Sympathomimetikum

insgesamt siebenmal vertreten, davon einmal als Kombinationstherapie mit dem inhalativen Glu-

cocorticoid Mometason. In einer weiteren Studie wurde der Wirkstoff auch an Kindern untersucht

(Kanniess et al., 2008). Bis auf eine Studie, in der die Nicht-Unterlegenheit von Roflumilast (oral,

einmal tägliche Gabe) gegenüber Beclomethason (inhalativ, zweimal täglich) untersucht wurde, wa-

77

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

ren alle anderen Studien placebokontrolliert. Es konnte keine Studie identifiziert werden, in der die

Wirkung des Anticholinergikums Aclidiniumbromid bei Asthmatikern getestet wurde. Bei den einge-

schlossenen Studienteilnehmern lag entweder ein diagnostizierter persistierender oder ein Allergie-

induzierter Asthma bronchiale vor.

Die Ergebnisse der Recherche in der Datenbank des U.S. National Institutes of Health wurden in

Tabelle 8 zusammengefasst. Mit Hilfe der Suchstrings [Indacaterol AND asthma NOT copd], [Roflumi-

last AND asthma NOT copd] und [Aclidinium bromide AND asthma NOT copd] konnten weitere 27

Studien identifiziert werden. 18 der 27 Studien befassten sich mit der Gabe von Indacaterol und

neun mit der Gabe von Roflumilast bei Asthmatikern. Für Aclidiniumbromid lagen keine interventio-

nellen Studien vor. Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um Patienten mit diagnostiziertem

persistierendem oder einem Allergie-induzierten Asthma bronchiale im Alter zwischen 12 und 75

Jahren. Bis auf eine Studie waren alle industriefinanziert. Nur zwei der Studien, die in der Datenbank

des U.S. National Institutes of Health gesichtet wurden, konnten auch bei Pubmed.gov zuverlässig

identifiziert und eingesehen werden.

Tabelle 8: Übersicht der in der Datenbank des U.S. National Institutes of Health gelisteten Stu-dien

Sponsor Laufzeit Studienteilnehmer

Intervention

ClinicalTrials.gov Identifier

Phase der Studie Status der Studie

Indacaterol

Novartis

Pharmaceuticals 09/2007-08/2008 n = 805 (Studienteilnehmer: 12 Jahre +)

Drug: Indacaterol 50-300 Drug: Placebo to Indacaterol Drug: Placebo to Salmeterol

NCT00529529 Phase III Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

08/2012-07/2013 n = 335 (Studienteilnehmer: 18 Jahre +)

Drug: Indacaterol Drug: Placebo Drug: Mometasone furoate

NCT01609478 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

06/2009-11/2009 n = 30 (Studienteilnehmer: 18-75 Jahre)

Drug: Indacaterol maleate 400 g Drug: Indacaterol acetate 400 Drug: Indacaterol xinafoate 400 Drug: Placebo to Indacaterol

NCT00927901 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis 10/2007-04/2008 n = 31 (Studienteilnehmer: 18-75 Jahre)

Drug: Indacaterol maleate/Mometasone furoate Drug: Placebo to Indacaterol male-ate/Mometasone furoate Drug: Fluticasone proprionate/Salmeterol xinafoate

NCT00556673 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

78

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Sponsor Laufzeit Studienteilnehmer

Intervention

ClinicalTrials.gov Identifier

Phase der Studie Status der Studie

Novartis Pharmaceuticals

11/2006-11/2007 n = 41 (Studienteilnehmer: 18-75 Jahre)

Drug: Indacaterol Drug: Placebo Drug: Salmeterol

NCT00403754 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis 11/2006-02/2007 n = 45 (Studienteilnehmer: 12-75 Jahre)

Drug: Indacaterol maleate

NCT00403637 Phase II/III Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis 11/2007-04/2008 n = 37 (Studienteilnehmer: 18-75 Jahre)

Drug: Fluticasone propionate/Salmeterol Drug: Indacaterol maleate/Mometasone furoate Drug: Placebo to Indacaterol/Mometasone Drug: Placebo to Fluticasone propio-nate/Salmeterol

NCT00557440 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis 02/2008-09/2008 n= 98 (Studienteilnehmer: 18-65 Jahre)

Drug: Indacaterol maleate Drug: Placebo Primary Purpose: Treatment

NCT00624702 Phase I Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis 01/2008-04/2008 n = 28 (Studienteilnehmer: 18-65 Jahre)

Drug: Indacaterol maleate/Mometasone furoate Drug: Placebo to Indacaterol male-ate/Mometasone furoate

NCT00605306 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

10/2007-04/2008 n = 392 (Studienteilnehmer: 12-75 Jahre)

Drug: Indacaterol Drug: Formoterol Drug: Placebo to Indacaterol Drug: Placebo to Formoterol

-2-agonist

NCT00545272 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

University of Dundee

02/2014-02/2016 n = 14 (Stand 04/15) (Studienteilnehmer 16 Jahre +)

Drug: Indacaterol Drug: Indacaterol and Tiotropium

NCT02039011 Phase IV This study is currently re-cruiting participants

Novartis Pharmaceuticals

11/2013-03/2014 n = 91 (Studienteilnehmer: 18 Jahre +)

Drug: Indacaterol 27.5-150 μg Drug: Placebo

NCT01959412 Phase II Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

03/2010-07/2010 n = 191 (Studienteilnehmer: 18 Jahre +)

Drug: Indacaterol Drug: Placebo to Indacatero

NCT01156844 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

79

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Sponsor Laufzeit Studienteilnehmer

Intervention

ClinicalTrials.gov Identifier

Phase der Studie Status der Studie

Novartis Pharmaceuticals

02/2010-07/2010 n = 511 (Studienteilnehmer: 18 Jahre +)

Drug: Indacaterol Drug: Salmeterol Drug: Placebo to Indacaterol Drug: Placebo to Salmeterol

NCT01079130 Phase III Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

11/2011-05/2012 n = 36 (Studienteilnehmer: 18 Jahre +)

Drug: 75 μg Indacaterol maleate (LB) Drug: 37.5 or 75 μg Indacaterol maleate (PoS) Drug: Placebo to Indacaterol (LB) Drug: Placebo to Indacaterol (PoS)

NCT01484197 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

08/2013-12/2013 Drug: Indacaterol maleate 75 mg Concept 1 Drug: Indacaterol maleate 75 mg Epic Test Fixture Other: Placebo Concept 1 Other: Placebo EPIC Test Fixture

NCT01845623 Phase II Withdrawn

Novartis Pharmaceuticals

10/2009-03/2010 n = 35 (Studienteilnehmer: 18-75 Jahre)

Drug: Concept1 dry-powder inhaler Drug: Placebo to indacaterol via the Con-cept1 dry-powder inhaler

NCT01012739 Phase II Completed/Has results Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Novartis Pharmaceuticals

07/2009-05/2011 n = 2.283 (Studienteilnehmer: 12-70 Jahre)

Drug: QMF149 (Indacaterol + Mometasone) Twisthaler® Drug: Mometasone Twisthaler®

NCT00941798 Phase II Completed/Has results Veröffentlicht unter: Beasley et al., 2015

Roflumilast

Takeda 02/2013-10/2013

n = 64 (Studienteilnehmer 18 Jahre +)

Drug: Roflumilast Drug: Roflumilast Placebo Drug: Montelukast

NCT01765192 Phase II Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Takeda 12/2003-k.A. n = 822 (Studienteilnehmer: 18 Jahre +)

Drug: Roflumilast

NCT00076076 Phase III Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Takeda 05/2004-08/2005 n = 511 (Studienteilnehmer: 12-70 Jahre)

Drug: Roflumilast

NCT00163475 Phase III Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Takeda 04/2003-o.A. n = 2.054 (Studienteilnehmer: 12-70 Jahre)

Drug: Roflumilast

NCT00163527 Phase III Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

80

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Sponsor Laufzeit Studienteilnehmer

Intervention

ClinicalTrials.gov Identifier

Phase der Studie Status der Studie

Nycomed 12/2004-07/2005 n = 48 (Studienteilnehmer: 18-55 Jahre)

Drug: Roflumilast Drug: Placebo

NCT01365533 Phase II Completed/No results posted Veröffentlicht unter: Gauvreau et al.2011

Takeda 12/2004-10/2007 n = 150 (Studienteilnehmer: 20-71 Jahre)

Drug: Roflumilast

NCT00246922 Phase III Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Takeda 05/2004-06/2007 n = 450 (Studienteilnehmer: 20-70 Jahre)

Drug: Roflumilast

NCT00242307 Phase II/III Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Takeda 11/2003-o.A: n = 819 (Studienteilnehmer: 18-70 Jahre)

Drug: Roflumilast

NCT00073177 Phase II Completed/No results posted Nicht in pubmed.gov identi-fiziert

Nycomed 04/2004-12/2004 n = 27 (Studienteilnehmer: 18-45 Jahre, Männer, gesund)

Drug: Roflumilast

NCT00940329 Phase I Completed/No results posted Veröffentlicht unter: de Mey et al., 2011

Datenbank: ClinicalTrials.gov

Die Ergebnisdarstellung beider Suchstrategien erfolgt in den entsprechenden Abschnitten der drei

Wirkstoffe (siehe Kapitel 8.1.2.1-8.1.2.3).

81

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.2.1 Indacaterol

Wirkstoff und Pharmakologie

Indacaterol zählt zu den langwirksamen -2-Sympathomimetika. Als partieller Agonist am

-2-Rezeptor wirkt er bronchodilatierend. Der Eintritt der Wirkung erfolgt nach etwa

fünf Minuten und ist damit vergleichbar (mit Salbutamol, Formoterol) oder schneller als andere

Vertreter aus dieser Substanzklasse (Sturton et al., 2008). Gleichzeitig ist die Wirkdauer mit etwa 24

Stunden besonders lang (im Vergleich Formoterol: ca. zwölf Stunden), vermutlich aufgrund des

lipophilen Wirkstoffcharakters. Eine tägliche Gabe ist somit ausreichend (Battram et al., 2006).

Indacaterol ist für die bronchialerweiternde Erhaltungstherapie Erwachsener mit chronisch-

obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) angezeigt. Die empfohlene Dosis beträgt dabei 150 μg

einmal täglich. Die Inhalation von 300 μg einmal täglich kann einen zusätzlichen Nutzen hinsichtlich

der Kurzatmigkeit vor allem bei Patienten mit schwerer COPD bieten (Novartis Pharma, 2014). Laut

Hersteller fehlen Langzeitdaten, die den klinischen Einsatz von Indacaterol bei Asthma bronchiale

rechtfertigen. Aus diesem Grund ist – im Gegensatz zu den anderen marktverfügbaren

-2-Agonisten Formoterol und Salmeterol – das Arzneimittel nicht für die Asthma-

Therapie zugelassen, genauso wenig für die Notfallbehandlung bei COPD (Novartis Pharma, 2014).

Seit September 2013 steht Indacaterol jetzt auch als fixe Kombination mit Glycopyrronium, einem

Wirkstoff aus der Gruppe der Parasympatholytika, zur Verfügung – ebenfalls ausschließlich

zugelassen zur Therapie der COPD (Novartis Pharma, 2015).

Studienlage im In-Label Use

Nach den Daten der INLIGHT-1-Studie zeigte sich nach zwölf Wochen für Indacaterol (1x täglich

150 μg) eine statistisch signifikante Verbesserung der Lungenfunktion gegenüber Placebo. So lag das

forcierte exspiratorische Volumen in der ersten Sekunde (FEV1) um 130 ml höher als unter Placebo.

Eine Zunahme um 120 ml gilt bereits als klinisch relevant (Feldman et al., 2010). Die INVOLVE-Studie

zeigte für Indacaterol (1x täglich 300 oder 600 μg) eine Verbesserung der Lungenfunktion nach zwölf

Wochen, die in beiden Dosierungen stärker war als Formoterol (2x täglich 12 μg). Auch nach einem

Jahr ließ sich dieser Vorteil noch nachweisen. Der stärker patientenrelevante Endpunkt Reduzierung

von Exazerbationen verbesserte sich hingegen nur im Placebo-, nicht jedoch im Formoterol-Vergleich

82

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

(Dahl et al., 2010). Auch in der INHANCE-Studie wurde als primärer Endpunkt der FEV1-Wert nach

zwölf Wochen erhoben. Im Hinblick auf die Lungenfunktion und den Gesundheitsstatus konnte eine

Nicht-Unterlegenheit von Indacaterol gegenüber Tiotropium (nicht verblindet) demonstriert werden.

Zum Endpunkt Exazerbationen lieferte die Studie keine belastbaren Ergebnisse (Donohue et al.,

2010). Kornmann et al. (2011) zeigten in der Therapie von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer

COPD für Indacaterol (1x täglich 150 μg) eine Erhöhung des FEV1-Wertes um 170 ml gegenüber Pla-

cebo und 60 ml gegenüber dem aktiven Komparator Salmeterol (2x täglich 50 μg) auf. Ebenso lag der

FEV1-Wert in der INSIST-Studie nach zwölf Wochen um 57 ml höher als bei Salmeterol, was ein sta-

tistisch signifikantes, klinisch aber nicht relevantes Ergebnis darstellt (Korn et al., 2011). Nach den

Daten zweier placebokontrollierter Studien (INTRUST-1 und INTRUST-2) mit identischem Studiende-

sign und einer Laufzeit von zwölf Wochen verbesserte die duale Kombinationstherapie Indacaterol

(1x täglich 150 μg) plus Tiotropium (1x täglich 18 μg) die Lungenfunktion (FEV1) von Patienten mit

mittelschwerer bis schwerer COPD stärker als die Monotherapie mit dem langwirksamen Anticholi-

nergikum Tiotropium (18 μg). Dieser Effekt ging allerdings mit einer höheren Nebenwirkungsrate

(Husten) einher (zehn bzw. neun Prozent vs. vier Prozent) (Mahler et al., 2012). Andererseits konnte

die Untersuchung von Buhl et al. (2011) für die duale Kombinationstherapie Hinweise auf eine ver-

besserte Symptomatik (Atemnot) und Lebensqualität geben. Hinsichtlich unerwünschter Arzneimit-

telwirkungen zeigen sich im Vergleich zu anderen Bronchodilatatoren (Decramer et al., 2013) keine

Unterschi -2-Agonisten wie Hyperglykämie und Hypokaliämie fielen

relativ gering aus (Rodrigo & Neffen, 2012). Die Verbesserung der Lungenfunktion unter der Therapie

von Indacaterol in fixer Kombination mit Glycopyrronium gegenüber Glycopyrronium als Monothe-

rapie bzw. Salmeterol und Fluticason wurde als signifikant höher eingestuft (Vogelmeier et al., 2013;

Wedzicha et al., 2013). Generell erweist sich jedoch die Vergleichbarkeit der vorliegenden Studiener-

gebnisse aufgrund heterogener Patientenkollektive, unterschiedlicher primärer Endpunkte sowie

Abweichungen in der Therapiedauer als schwierig. Zwar kamen die Autoren in einer systematischen

Übersichtsarbeit zum Schluss, dass Indacaterol insbesondere im Vergleich zu langwirksamen Bron-

chodilatatoren wie Formoterol Vorteile nicht nur im Hinblick auf die Lungenfunktion, sondern auch

auf Symptomatik und Lebensqualität biete (Rodrigo & Neffen, 2012), um jedoch belastbare Aussagen

zu patientenrelevanten Endpunkten wie der Exazerbations- und COPD-bedingten Hospitalisierungs-

raten treffen zu können, sind weitere Studien nötig.

83

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Studienlage im Off-Label Use

Durch die Suche in einschlägigen Datenbanken konnten mehrere Studien gesichtet werden, in denen

die Gabe des COPD-Wirkstoffes auch an Patienten mit diagnostiziertem Asthma bronchiale unter-

schiedlicher Genese untersucht wurde. So erwies sich Indacaterol dem Placebo signifikant überlegen

(Sugihara et al., 2010; Kannies et al., 2008) und zeigte bei einer einmaligen täglichen Gabe einen

bronchodilatatorischen Effekt über 24 Stunden (Kanniess et al., 2008, Beeh et al., 2007; Pearlman et

al., 2008) bei einem sicheren Wirkprofil, unabhängig von der eingesetzten Dosis des Wirkstoffes

(Beeh et al., 2007; Yang et al., 2007; Sugihara et al., 2010). Sicherheitsbedenken hinsichtlich kardialer

oder metabolischer Effekte konnten nicht geteilt werden (Chuchalin et al., 2007). Unerwünschte

Wirkungen wie Nasopharyngitis, Kopfschmerzen oder Husten wurden unter der Gabe von In-

dacaterol häufiger dokumentiert als unter Placebo (Chuchalin et al., 2007), insgesamt waren jedoch

die aufgetretenen Nebenwirkungen vergleichbar mit denen in der zulassungskonformen Anwen-

dung, die sich auch nach höherer Wirkstoff-Gabe von Indacaterol nicht änderten (Yang et al., 2007;

Chuchalin et al., Beeh et al., 2007). In allen publizierten Studien wurde der Bronchodilatator als wirk-

sam, sicher und gut toleriert bezeichnet – unabhängig von der untersuchten Altersgruppe, in der

Indacaterol zum Einsatz kam. Zu bedenken gilt jedoch, dass es sich dabei primär um placebokontrol-

lierte Studien mit niedrigen Fallzahlen handelt. Allein die industriefinanzierte Studie von Beasley et

al. (2015) schloss eine größere Patientenzahl ein. Die Fixkombination, bestehend aus Indacaterol und

dem inhalativen Glucocorticoid Mometason, reduzierte im Vergleich zur Glucocorticoid-Mono-

therapie signifikant die jährliche Rate schwerer Exazerbationen, die in der Regel die Gabe eines sys-

-2-

Sympathomimetikums hatte hingegen keinen signifikanten Einfluss auf den Zeitpunkt bis zur ersten

schwerwiegenden Exazerbation (Hospitalisierung, Intubation, Tod), der hier den primären Stu-

dienendpunkt darstellt.

Veröffentlichte Studien aus der Datenbank des U.S. National Institutes of Health (NIH) kamen zu

vergleichbaren Ergebnissen was das Nebenwirkungsprofil angeht, unabhängig der eingesetzten

Wirkstoffstärke (bis zu 600 μg täglich). Statistische Auswertungen zu patientenrelevanten Endpunk-

ten wurden nicht zur Verfügung gestellt, so dass belastbare Aussagen derzeit nicht getroffen werden

können. In diesen Studien wurde der Wirkstoff an teilweise sehr geringen Fallzahlen (n < 30) unter-

sucht und die Patienten waren in den meisten Fällen zwischen 40 und 50 Jahre alt.

84

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V liegt nur für die duale Kombinationstherapie, bestehend

aus Indacaterol und Glycopyrronium, vor. Für diese Wirkstoffkombination konstatierte der G-BA in

seinem Beschluss vom 8. Mai 2014 für Patienten mit COPD Stufe II einen Anhaltspunkt für einen

geringen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie (für diese sowie für die

anderen Patientenpopulationen) -2-Sympathomimetika (Formoterol

oder Salmeterol) oder langwirksamen Anticholinergika (Tiotropium) oder der Kombination beider

Wirkstoffklassen. Der G-BA hält die Herabstufung der Bewertung von einem Hinweis auf einen An-

haltspunkt durch eine möglicherweise geringere Effektstärke für Patienten mit COPD Stufe II für

gerechtfertigt. Für Patienten mit COPD Stufe III, mit höchstens einer Exazerbation pro Jahr, sieht der

G-BA keine Anzeichen einer geringeren Effektstärke und stellt deshalb für diese Population einen

Hinweis für einen geringen Zusatznutzen fest. Für die anderen beiden Untersuchungsfragen „Pati-

enten mit COPD Stufe IV, mit höchstens einer Exazerbation pro Jahr“ sowie „Patienten mit Stufe III

und IV, mit zwei und mehr Exazerbationen pro Jahr“ konnte nach Angaben des G-BA kein Zusatznut-

zen belegt werden, da in der vom pU vorgelegten Studie für den Nachweis eines Zusatznutzens die

Anzahl der eingeschlossenen Patienten zu gering war (G-BA, 2014b).

Versorgungsanalyse

Im Untersuchungszeitraum codierten die Ärzte im ambulanten Bereich für 290.790 TK-Versicherte

mindestens einmal eine COPD-Diagnose mit dem Diagnosekennzeichen „G“ für gesichert. Dies ent-

sprach einer Prävalenz von 3,7 Prozent in der betrachteten Versichertenpopulation. Liegen für Versi-

cherte in mindestens zwei Abrechnungsquartalen entsprechende Diagnosen vor, gilt dies als Hinweis

auf eine chronische Erkrankung. Im Jahr 2010 traf dies für 167.671 und im Jahr 2011 für insgesamt

177.784 TK-Versicherte zu. Von den 290.790 Versicherten mit mindestens einer COPD-Diagnose

erhielten 72,3 Prozent (n = 210.250) mindestens einmal ein Arzneimittel zur Behandlung dieser Er-

krankung. Nach wie vor besitze -2-Sympathomimetika Cortisonsprays bzw. fixe Kombi-

nationen aus beiden Wirkstoffgruppen den größten Verordnungsanteil (Abbildung 14). Der Verord-

nungsanteil der neuen COPD-Medikamente (Indacaterol und Roflumilast) fiel vergleichsweise gering

aus und erzielte im dritten Quartal des Jahres 2011 mit 4.539 Verordnungen das Maximum. Von den

4.539 Verordnungen fielen alleine gut 84 Prozent auf Indacaterol. Mit rund 1.400 Packungen wurden

im Juli 2011 für den gesamten Untersuchungszeitraum die meisten Indacaterol-Verordnungen aus-

gestellt (insgesamt: 20.148 Packungen) (Abbildung 15). Dass die Verordnungszahlen Ende 2011 ein-

85

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

brachen, kann als Folge der Eingruppierung in eine Festbetragsgruppe mit den daraus resultierenden

Mehrkosten für die Versicherten gesehen werden.

Abbildung 14: Verteilung der Atemwegstherapeutika-Verordnungen (Anzahl Packungen) je Wirkstoffklasse bei COPD-Patienten (N = 210.250) nach Quartalen (2010-2011)

Abbildung 15: Anzahl verordneter Packungen Indacaterol je Monat nach Packungsgrößen (2010-2011)

86

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

55,5 Prozent der Indacaterol-Verordnungen fielen auf Hausärzte und nur 38,9 Prozent der Verord-

nungen wurden von Pneumologen ausgestellt. Da diese Erkrankung häufig erst ab dem 6. Lebens-

jahrzehnt diagnostiziert wird, sind es auch in der TK-Population überwiegend Versicherte zwischen

50 und 80 Jahren, die das -2-Sympathomimetikum erhielten, zum größeren Teil handelte es sich

dabei um Männer (Abbildung 16). Abbildung 17 zeigt die Verteilung der COPD-Patienten18 nach der

Menge verordneter Packungen Indacaterol ab der entsprechenden Erstverordnung innerhalb eines

Jahres (maximal bis Ende 2011). Um auch eine einjährige Beobachtungszeit (Zeit unter Risiko) zu

garantieren, wurden nur Versicherte berücksichtigt, die nach dem Quartal der Erstverordnung min-

destens in den vier folgenden Quartalen durchgehend versichert waren und deren erstes In-

dacaterol-Rezept noch im Jahr 2010 ausgestellt wurde. Der Patientenanteil mit nur einer Verordnung

innerhalb eines Jahres sowie der Anteil mit vier oder fünf verschriebenen Packungen waren die bei-

den größten mit knapp über 30 Prozent.

Abbildung 16: Versicherte mit mindestens einer Verordnung Indacaterol nach Alter und Geschlecht (2011)

18 Hier: Einstufung als Patient mit COPD bei mit mindestens einer ambulanten J44-Diagnose im Zeitraum 2010 bis Ende 2011.

87

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Abbildung 17: Prozentuale Verteilung der COPD-Patienten mit Indacaterol-Verordnungen nach Anzahl ver-ordneter Packungen im Zeitraum 1 Jahr ab Erstverordnung

Um zu analysieren, wie viele Patienten mit einer Indacaterol-Verordnung keine COPD aufwiesen,

wurden alle Diagnosecodierungen in den Jahren 2010 und 2011 mit dem Diagnosekennzeichen „G“

für „gesicherte Diagnose“ berücksichtigt und es mussten im entsprechenden Jahr mindestens zwei

verschiedene Abrechnungsquartale mit der jeweiligen Diagnose vorliegen, damit die Versicherten

einer Krankheit zugeordnet werden konnten. Nach den Diagnosedaten zu urteilen waren im Verord-

nungsjahr 2010 neun Prozent und im darauffolgenden Jahr knapp acht Prozent der Versicherten mit

Indacaterol-Verordnung reine Asthmatiker. Bei fast einem Drittel lag offenbar auch eine Mischform

der beiden Erkrankungen Asthma und COPD vor (Tabelle 9).

88

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 9: Versicherte mit Verordnungen des COPD-Medikaments Indacaterol in den Jahren 2010 und 2011

Diagnose der Versicherten

Versicherte mit VO im Jahr 2010 Versicherte mit VO im Jahr 2011

COPD

1.930 53,1 % 2.587 57,8 %

Asthma + COPD

1.130 31,1 % 1.301 29,1 %

Asthma

329 9,1 % 351 7,9 %

Diagnose unklar

245 6,7 % 234 5,2 %

Gesamt

3.634 100,0 % 4.473 100,0 %

89

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.2.2 Roflumilast

Wirkstoff und Pharmakologie

Im Gegensatz zum nicht-selektiven Phosphodiesterase (PDE)-4-Inhibitor Theophyllin, hemmt

Roflumilast das Enzym selektiv. PDE 4 stellt in strukturellen und inflammatorischen Zellen eines der

wichtigsten Enzyme dar, welches für den Abbau von cAMP verantwortlich ist. Durch Blockade des

Enzyms wird ein Anstieg der cAMP-Konzentration in Lungenzellen erzielt, wodurch Entzündungs-

prozesse zurückgedrängt und die Lungenfunktion verbessert wird (Lippworth, 2005). Roflumilast

wurde 2010 zugelassen und ist indiziert zur Behandlung Erwachsener mit schwerer COPD, definiert

als FEV1 nach Anwendung eines Bronchodilatators weniger als 50 Prozent vom Soll, die gleichzeitig

eine chronische Bronchitis und häufigen Exazerbationen in der Vergangenheit aufweisen. Die

Behandlung sollte als Add-on zu einer bronchodilatatorischen Therapie eingesetzt werden (Takeda,

2013).

Studienlage im In-Label Use

Die Ergebnisse (gepoolte Analyse) der beiden zulassungsrelevanten placebokontrollierten klinischen

Studien (M2-124 und M2-125) zeigten eine Verbesserung der Lungenfunktion in der

Interventionsgruppe, die ein Jahr lang einmal täglich Roflumilast erhielten. Trotz statistischer

Signifikanz bedeutet es jedoch eine klinisch nicht relevante Verbesserung der Lungenfunktion. Die

mittlere Rate an Exazerbationen konnte durch Roflumilast ebenfalls nur geringfügig gesenkt werden

(Calverley et al., 2009). Da die Auswertung der Exazerbationrate nur bei denjenigen durchgeführt

wurde, die nach Studienbeginn eine entsprechende Verschlimmerung aufwiesen, ist eine

Überschätzung dieses Effekts nicht auszuschließen. In zwei weiteren placebokontrollierten Studien

(M2-127 und M2-128) wurde die Wirksamkeit von Roflumilast als Add-on zu einer bestehenden

bronchienerweiternden Salmeterol- (M2-127) oder Tiotropium-Therapie (M2-128) untersucht. Auch

-2-Sympathomimetikum bzw. mit einem Anticholinergikum

konnte kein klinisch relevantes Ergebnis erzielen oder die Exazerbationsrate signifikant senken

(Fabbri et al., 2009). In die erst kürzlich veröffentlichte REACT-Studie wurden Patienten

eingeschlossen, bei denen eine schwere COPD diagnostiziert wurde und die trotz Gabe von

Corticosteroiden und bzw. oder langwirksam -2-Sympathimimetika ein hohes Exazerbations-

90

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Risiko hatten. Unter der Gabe von Roflumilast konnte nicht nur die Exazerbations-, sondern auch die

damit verbundenen Hospitalisierungsraten gesenkt werden (Martinez et al., 2015). Inwiefern sich

Roflumilast nicht nur positiv auf kardiovaskuläre Ereignisse auswirkt (White et al., 2013), sondern

auch Einfluss auf eine COPD-bedingte Dyspnoe hat, muss erst noch in weiteren Studien untersucht

werden (Pan et al., 2013). Nach wie vor mangelt es jedoch an adäquaten Untersuchungen, die einen

Zusatznutzen gegenüber der Standardbehandlung bei schwerer COPD (bronchienerweiternde

Medikamente + inhalatives Cortison) belegen könnten. Vergleichsstudien mit der pharmakologisch

verwandten Substanz Theophyllin fehlen ebenfalls.

Eine neuere Übersichtsarbeit, die insgesamt 8.698 Patienten aus acht Studien berücksichtigte, kam

ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Roflumilast im Vergleich zu anderen für die Behandlung der COPD

eingesetzten Wirkstoffe keine Verbesserung aufweist (Oba & Lone, 2013). In dieser Arbeit wurde

außerdem auf das höhere Nebenwirkungsrisiko (Vorhofflimmern und Suizidalität) hingewiesen.

Studienlage im Off-Label Use

Auch bei dem PDE-4-Inhibitor Roflumilast liegen publizierte sowie nicht publizierte Studien vor, die

die Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffes auch bei Asthmatikern untersuchten. So erwies sich

die einmal tägliche, orale (500 μg) Gabe von Roflumilast nicht unterlegen im Vergleich zur zweimal

täglichen Inhalation mit dem Glucocorticoid Beclomethason (400 μg/Tag) (Bousquet et al., 2006). Die

Wirkung der beiden Substanzen war bezüglich der Verbesserung der Lungenfunktion sowie der

Reduzierung der Asthma-Symptome vergleichbar. Auch konnte unter der Einnahme von Roflumilast

die Gabe von Notfallmedikamenten reduziert werden (Bousquet et al., 2006). Eine weitere Studie (n

= 25) zeigte eine schützende Wirkung von Roflumilast hinsichtlich Allergen-induzierter

Atemwegsentzündungen (Gauvreau et al., 2011). Van Schalkwyk et al. (2005) untersuchten schon

Jahre zuvor eine mögliche positive Wirkung von Roflumilast bei Asthmatikern. Hier zeigte die einmal

tägliche Gabe eine moderate Linderung asthmatischer Reaktionen und in einem größeren Ausmaß

eine Verbesserung Allergen-induzierter asthmatischer Spätreaktionen bei Patienten mit mildem

allergischen Asthma. Diese Ergebnisse wurden in einer späteren Studie bestätigt (Louw et al., 2007).

Wie schon Indacaterol erwies sich auch Roflumilast als insgesamt sicher und wirksam.

Von den insgesamt zehn Studien, die in der NIH-Datenbank veröffentlicht wurden, fand sich keine

mit publizierten Daten.

91

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Aufgrund des Termins seiner Markteinführung im August 2010 und somit vor dem Umsetzen der

frühen Nutzenbewertung durch den G-BA liegt kein entsprechender Beschluss für Roflumilast vor.

Versorgungsanalyse

Analog zu Indacaterol wurde die Versorgungsanalyse auch für den selektiven PDE-4-Hemmer durch-

geführt. Erst Mitte des Jahres 2010 in den deutschen Arzneimittelmarkt eingeführt, lag die Anzahl an

Verordnungen von Roflumilast mit insgesamt 4.857 Packungen deutlich niedriger als bei Indacaterol

(Abbildung 18). Der November war mit 415 Packungen der verordnungsstärkste Monat für diesen

Wirkstoff. Möglicherweise hatte hier die Einordnung von Indacaterol in eine Festbetragsgruppe

Auswirkungen auf das Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte. 46,5 Prozent der Roflumilast-

Verordnungen fielen auf Hausärzte und 47,0 Prozent der Verordnungen wurden von Pneumologen

ausgestellt. Wie bei Indacaterol gab es die meisten Verordnungen bei männlichen Versicherten zwi-

schen 50 und 80 Jahren (Abbildung 19). Abbildung 20 zeigt die Verteilung der COPD-Patienten nach

der Menge verordneter Packungen Roflumilast analog zu Indacaterol ab der entsprechenden Erst-

verordnung innerhalb eines Jahres (maximal bis Ende 2011). Auch hier war der Patientenanteil mit

nur einer Verordnung innerhalb eines Jahres ebenso wie der Anteil mit vier oder fünf verschriebenen

Packungen jeweils am größten (knapp über 30 Prozent).

92

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Abbildung 18: Anzahl verordneter Packungen Roflumilast je Monat nach Packungsgrößen (2010-2011)

Abbildung 19: Versicherte mit mindestens einer Verordnung Roflumilast nach Alter und Geschlecht (2011)

93

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Abbildung 20: Prozentuale Verteilung der COPD-Patienten mit Roflumilast-Verordnungen nach Anzahl ver-ordneter Packungen im Zeitraum 1 Jahr ab Erstverordnung

Nachdem für Indacaterol zulassungsüberschreitende Anwendungen durch die Verordnung für reine

Asthmatiker vermutet werden konnten, wurde auch das ambulant-ärztliche Verschreibungsverhalten

für Roflumilast untersucht. Die Vorgehensweise entsprach der von Indacaterol. -

2-Sympathomimetikum erhielt nur ein geringer Teil der Versicherten mit einer gesicherten Asthma-

Diagnose das für die Therapie der COPD zugelassene Medikament (2,6 Prozent der Asthmatiker im

Jahr 2010 und 3,0 Prozent der Asthmatiker im Jahr 2011) (Tabelle 10).

94

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 10: Versicherte mit Verordnungen des COPD-Medikaments Roflumilast in den Jahren 2010 und 2011

Diagnose der Versicherten

Versicherte mit VO im Jahr 2010 Versicherte mit VO im Jahr 2011

COPD

284 51,8 % 920 54,3 %

Asthma + COPD

244 44,5 % 694 41,0 %

Asthma

14 2,6 % 51 3,0 %

Diagnose unklar

6 1,1 % 28 1,7 %

Gesamt

548 100,0 % 1.693 100,0 %

95

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.2.3 Aclidiniumbromid

Wirkstoff und Pharmakologie

Neben Tiotropiumbromid und Glycopyrroniumbromid ist Aclidiniumbromid ein weiterer Vertreter

der lang wirkenden Muscarin-Rezeptorantagonisten zur symptomatischen bronchodilatatorischen

Dauertherapie der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit. Der kompetitive, selektive Antagonist

bewirkt durch Bindung an die M3-Rezeptoren der glatten Bronchialmuskulatur eine Broncho-

dilatation und verbessert so die Lungenfunktion. Nach rascher pulmonaler Resorption erreichen

COPD-Patienten in der Regel innerhalb von 15 Minuten die maximale Plasmakonzentration. Da

Aclidiniumbromid im Plasma rasch zu einem inaktiven Alkohol und einem Carbonsäuremetaboliten

hydrolysiert wird, ist die Rate an systemischen anticholinergen Nebenwirkungen gering (EMA,

2014f). Ursprünglich als einmal tägliche Dosierung entwickelt, muss der Wirkstoff aufgrund klinisch

relevanter Wirkungen zweimal täglich inhaliert werden (Almirall, 2014). In der Europäischen Union

erfolgte inzwischen eine Zulassung für die Fixkombination mit Formoterol. Eine Anwendung des

Wirkstoffes zur Therapie des Asthma bronchiale wird grundsätzlich ausgeschlossen.

Studienlage im In-Label Use

Da die einmal tägliche Inhalation von Aclidiniumbomid (1x täglich 200 μg) nicht den Zulas-

sungsanforderungen einer FEV1-Verbesserung gegenüber dem Ausgangswert erfüllte (Jones et al.,

2012; Cazzola et al., 2008; Donohue, 2005), wurde eine weitere placebokontrollierte Studie

durchgeführt. In der ATTAIN-Studie (Jones et al., 2012), erhielten die Studienteilnehmer nach einer

zweiwöchigen Run-in-Phase entweder eine zweimal tägliche Gabe von 200 bzw. 400 μg

Aclidiniumbromid oder Placebo. Die Beibehaltung der Komedikation (inhalative und bzw. oder

systemische Glucocorticoide (entsprechend 10 mg Prednison), retardiertes Theophyllin, Sauerstoff (<

15 Stunden täglich) sowie Salbutamol bei Bedarf) war erlaubt. Primärer Endpunkt dieser Studie war

die Änderung der morgens vor der Anwendung gemessenen FEV1 nach 24 Wochen gegenüber dem

Ausgangswert. Die Differenz von 128 ml (2 x täglich 400 μg Aclidiniumbromid vs. Placebo) wurde als

signifikant eingestuft. Dieses Ergebnis konnte von einer weiteren Studie (ACCORD, Kerwin et al.,

2012) bestätigt werden. Hier verringerte Aclidiniumbromid außerdem frühmorgendliche Symptome

der Kurzatmigkeit in der ersten Stunde nach dem Aufstehen. Auch waren nächtliche Symptome wie

96

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Dyspnoe, Husten, Auswurf oder Keuchen signifikant seltener. In einem Review konnte eine ähnliche

Verbesserung der Lungenfunktion sowie gesundheitsbezogener Lebensqualität zwischen

Aclidiniumbromid, Tiotropium und Glycopyrronium aufgezeigt werden (Karabis et al., 2013). In einer

sechswöchigen randomisierten Studie war eine Verbesserung COPD-bedingter Symptome unter Acli-

diniumbromid im Vergleich zu Tiotropium nur numerisch höher (Beier et al., 2013).

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Unter Berücksichtigung des Stufenschemas der Nationalen Versorgungsleitlinie COPD ergab die

frühe Nutzenbewertung für den Wirkstoff Aclidiniumbromid durch den G-BA sowohl für die

Patienten ab Therapiestufe II als auch für die Patienten ab Therapiestufe III/IV mit mehr als zwei

Exazerbationen, dass Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens nicht belegt seien. Die

-2-Sympathomimetika

(Formoterol, Salmeterol) und bzw. oder langwirksamen Anticholinergika (Tiotropiumbromid) sowie

zusätzlich für die Patienten ab Therapiestufe III/IV aus inhalativen Corticosteroiden. Der G-BA

begründet seine Entscheidung u.a. darin, dass die Studiendauer (zwei und sechs Wochen) der

vorgelegten (unveröffentlichten) Studien nicht ausreichend lang waren, um einen Zusatznutzen für

patientenrelevante Endpunkte zu belegen. Schließlich handele es sich bei Aclidiniumbromid um ein

dauerhaft einzusetzendes Arzneimittel (G-BA, 2013). Für die Verbesserung der Lungenobstruktion

schlagen die derzeitigen Empfehlungen sowohl der EMA als auch der FDA eine Behandlungsdauer

von mindestens drei Monaten vor und hinsichtlich der Symptomverbesserung eine

Behandlungsdauer von mindestens sechs Monaten. Bei kurzfristigen Effekten in Studien (Dauer zwölf

bis 24 Wochen) ist eine nachhaltige Wirksamkeit von mindestens zwölf Monaten nachzuweisen,

ebenfalls belegt durch Studien (G-BA, 2013). Zusätzlich zu den beiden Studien reichte der

pharmazeutische Unternehmer einen indirekten Vergleich von Aclidiniumbromid und

Tiotropiumbromid ein, der jedoch eine valide Bewertung des Zusatznutzens aufgrund mangelhafter

Qualität (Diskrepanzen zwischen den aus den Originaldokumenten und den im Modul 4 des Dossiers

aufbereiteten Daten) nicht zuließ (G-BA, 2013).

97

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Versorgungsanalyse

Die Auswertungen der Versorgungsanalyse des Anticholinergikums ergaben ein ähnliches Bild wie

bei den beiden anderen Wirkstoffen Indacaterol und Roflumilast. So stiegen auch hier die Verord-

nungszahlen des lang wirkenden Muscarin-Rezeptorantagonisten nach der Markteinführung kon-

stant an und erreichten im Oktober 2013 mit ca. 1.300 Packungen ihren Höhepunkt (Abbildung 21).

Das veränderte Verordnungsverhalten hinsichtlich der Packungsgrößen lässt sich mit einer Änderung

der Normgrößen zum 01.07.2013 erklären. Derzeit (Lauer-Taxe Stand 01.03.2015) befindet sich nur

noch die N2 mit einem Pulverinhalator auf dem deutschen Arzneimittelmarkt, die Packung mit drei

Pulverinhalatoren ist ohne Normgrößenbezeichnung. Der Erkrankung COPD entsprechend waren es

Versicherte zwischen 50 und 80 Jahren, die dieses Atemwegsmedikament erhielten. Zum größten

Teil handelte es sich dabei um Männer (Abbildung 22). Die Verordnungen von Aclidiniumbromid

erfolgten in 45,9 Prozent von Hausärzten und in 48,4 Prozent von Pneumologen. Abbildung 23 zeigt

die Verteilung der COPD-Patienten nach der Menge verordneter Packungen Aclidiniumbromid ana-

log zu Indacaterol und Roflumilast ab der entsprechenden Erstverordnung innerhalb eines Jahres

(maximal bis Ende 2013). Hier war der Patientenanteil mit zwei bis drei Verordnungen innerhalb

eines Jahres am höchsten (knapp über 40 Prozent), gefolgt vom Anteil mit vier oder fünf verschrie-

benen Packungen.

Abbildung 21: Anzahl verordneter Packungen Aclidiniumbromid je Monat nach Packungsgrößen (2012-2013)

98

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Abbildung 22: Versicherte mit mindestens einer Verordnung Aclidiniumbromid nach Alter und Geschlecht (2013)

Abbildung 23: Prozentuale Verteilung der COPD-Patienten mit Aclidiniumbromid-Verordnungen nach Anzahl verordneter Packungen im Zeitraum 1 Jahr ab Erstverordnung

99

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.1.2.4 Diskussion der Ergebnisse

-2-Sympathomimetika sind nach wie vor die effektivsten Bronchodilatatoren – sowohl

zur Prävention als auch in der Behandlung eines akuten Anfalls einer chronisch obstruktiven Lun-

generkrankung (Ram & Sestini, 2003). Langwirksam -2-Sympathomimetika wie Salmeterol und

Formoterol mit einer Wirkdauer von bis zu zwölf Stunden werden in der Asthma-Therapie nur in

Kombination mit inhalativen Corticoiden empfohlen. Die Unsicherheit in der Datenlage führt aller-

dings nach wie vor zu kontroversen Diskussionen über den Nutzen (Cates & Cates, 2008; Castle et al.,

1993; Kuehn, 2009; Chowdhury & Dal Pan, 2010; Cates et al., 2014; Chowdhury et al., 2011). Kurz-

wirksame Anticholinergika wie beispielsweise Ipratropium wurden auch über Jahre in der Asthma-

Therapie eingesetzt (Restrepo, 2007; Meier & Jick, 1997). Ihre Anwendung wurde allerdings nicht

forciert, da sie zur Therapie einer akuten Bronchodilatation als weniger effektiv angesehen wurden

als kurzwirksam -2- -2-Sympathomimetika und inhalative Glucocorti-

coide sind bis dato die gängigsten Mittel, wenn es um die Therapie chronisch obstruktiver Lungener-

krankungen geht. Resistenzentwicklungen gegen Glucocorticoide gerade beim schweren Asthma

bronchiale stellen allerdings ein zunehmendes Problem dar, so dass die Unterscheidung in Subtypen

in der Symptomatik in Zukunft einen höheren Stellenwert einnehmen wird (Schwabe & Paffrath,

2014; Barnes, 2012).

Für die Untersuchung eines möglichen Off-Label Use wurden Arzneimittel gewählt, die ausschließlich

für die Therapie der COPD zugelassen sind. Die Begründung für diese Entscheidung liegt in der be-

schränkten Spezifität der Medikamente, die bei akuten und chronischen Erkrankungen der Atemwe-

ge eingesetzt werden. So lässt eine Verordnung aus dem ATC-Code-Bereich R03 keine zuverlässige

Zuordnung auf eine Indikation zu. Indacaterol (mit dem ATC-Code R03AC18), Roflumilast (mit dem

ATC-Code R03DX07) sowie Aclidiniumbromid (mit dem ATC-Code R03BB05) hingegen ermöglichen

aufgrund ihrer Zulassungseinschränkung eine spezifischere Zuweisung, die es möglich macht, eine

nicht zulassungskonforme Anwendung bei der Therapie eines diagnostizierten Asthma bronchiale zu

identifizieren.

Mit Indacaterol wurde die Wirkstoffgruppe der lan -2-Sympathomimetika zur Therapie

der COPD erweitert. In klinischen ILU-Studien zeigte sich eine statistisch signifikante Verbesserung

der Lungenfunktion bei COPD-Patienten gegenüber Placebo, die sich auch noch nach einem Jahr

nachweisen ließ. Der stärker patientenrelevante Endpunkt Reduzierung von Exazerbationen verbes-

serte sich hingegen nur im Placebo-, nicht jedoch im Formoterol-Vergleich. Gegenüber Tiotropium

konnte – bezogen auf Lungenfunktion und Gesundheitsstatus – eine Nicht-Unterlegenheit demons-

triert werden. In ihrer systematischen Übersichtsarbeit kamen die Autoren zum Schluss, dass In-

100

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

dacaterol insbesondere im Vergleich zu langwirksamen Bronchodilatatoren wie Formoterol Vorteile

nicht nur im Hinblick auf die Lungenfunktion, sondern auch auf Symptomatik und Lebensqualität

biete (Rodrigo & Neffen, 2012).

Die Suche in einschlägigen Datenbanken ergab mehrere Treffer, in denen der COPD-Wirkstoff auch

an Patienten mit diagnostiziertem Asthma bronchiale unterschiedlicher Genese untersucht wurde.

Auch in diesen Studien erwies sich Indacaterol im Vergleich zu Placebo als signifikant überlegen und

zeigte bei einer einmaligen täglichen Gabe einen bronchodilatatorischen Effekt über 24 Stunden. In

den primär placebokontrollierten Studien mit kleiner Fallzahl wurde der Bronchodilatator als wirk-

sam, sicher und gut toleriert bezeichnet. Veröffentlichte Studien aus der Datenbank des U.S. Natio-

nal Institutes of Health kamen zu vergleichbaren Ergebnissen bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-

Profils. Statistische Auswertungen zu patientenrelevanten Endpunkten wurden jedoch nicht zur

Verfügung gestellt, so dass dazu keine gesicherten Aussagen getroffen werden können.

-2-Sympathomimetika zunächst für Patienten mit

Asthma bronchiale entwickelt und später – in gleicher Dosierung – auch für die Therapie der COPD

zugelassen (Chowdhury et al., 2011a). Novartis, Zulassungsinhaber von Onbrez® Breezhaler® (In-

dacaterol) fokussierte hingegen die Zulassung des Wirkstoffes ausschließlich auf die Therapie der

COPD und beantragte zwei unterschiedliche Dosierungen (150 μg und 300 μg), die durch die EMA

zugelassen, hingegen von der FDA aufgrund von Sicherheitsbedenken abgelehnt wurden (hier erfolg-

te die Zulassung schließlich für 75 μg Indacaterol) (Chowdhury et al., 2011a). -2-

Sympathomimetika stehen unter Verdacht, das Risiko von Asthma-bezogenen schwerwiegenden

unerwünschten Ereignissen, einschließlich Asthma-Todesfällen, zu erhöhen, wenn sie für die Be-

handlung dieser Erkrankung verwendet werden. Aus diesem Grund hat die amerikanische Zulas-

-2-Sympathomimetika als Monothe-

rapie bei Asthma von Kindern und Erwachsenen untersagt (FDA, 2010). Aufgrund der insgesamt

schlechten Datenlage dieser Wirkstoffgruppe spielen für den pU auch ökonomische Gründe eine

Rolle dafür, die Zulassung in einem bestimmten Indikationsgebiet erst gar nicht zu beantragen. Wie

aus der Datenbank des NIH ersichtlich, wurden Studien mit Indacaterol an Asthmatikern (allerdings

mit kleiner Fallzahl) ungefähr zur gleichen Zeit durchgeführt wie an Patienten mit diagnostizierter

COPD. Wenn bereits im Vorfeld Sicherheitsbedenken für ein Arzneimittel oder eine Wirkstoffgruppe

für die Anwendung innerhalb eines bestimmten Patientenkollektivs geäußert bzw. publiziert werden,

müssen die Fallzahlen groß genug sein, um einen zu erwartenden unerwünschten Effekt, der syste-

matisch vorhanden ist, sichtbar zu machen. Die Größe der Stichprobe korreliert dementsprechend

auch immer mit Geld und Aufwand, die der pU aufbringen muss, und erklärt, warum Indikationen

möglicherweise nicht im Fokus einer möglichen Zulassung stehen. Problematisch ist jedoch, dass in

der Praxis neben einer reinen COPD auch Mischformen (COPD + Asthma) bestehen können. So muss

101

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

grundsätzlich von einem Restrisiko ausgegangen werden, wenn dieser Wirkstoff bzw. allgemein die-

se Wirkstoffgruppe als Monotherapie verordnet wird.

Der Wirkstoff Roflumilast, zur pharmakotherapeutischen Gruppe der Phosphodiesterase-4-Hemmer

gehörend, zeigte in den Studien, die die entscheidenden Daten zur Zulassung für die Therapie der

COPD lieferten, keine klinisch relevante Verbesserung der Lungenfunktion. Ebenso konnte die mittle-

re Rate an Exazerbationen nur geringfügig gesenkt werden. Auch fünf Jahre nach seiner Marktein-

führung mangelt es noch an adäquaten Untersuchungen, die einen Zusatznutzen gegenüber der

Standardbehandlung bei schwerer COPD (bronchienerweiternde Medikamente + inhalatives Corti-

son) belegen könnten. Es liegen ebenfalls keine Vergleichsstudien mit dem Wirkstoff Theophyllin –

pharmakologisch verwandt mit Roflumilast – vor. Nach Sichtung der Studien im OLU zeigten sich

positive Effekte in der Asthma-Therapie. So konnte nicht nur die Gabe von Notfallmedikamenten

reduziert werden, Roflumilast bewirkte auch eine moderate Linderung asthmatischer Reaktionen

und in einem größeren Ausmaß eine Verbesserung Allergen-induzierter asthmatischer Spätreaktio-

nen bei Patienten mit mildem allergischen Asthma. Die OLU-Ergebnisse der neueren Studien bestä-

tigten damit die Ergebnisse aus der Übersichtsarbeit von Lipworth (2005). Als Kritikpunkt führte der

Autor an, dass es sich um keine echten randomisierten placebokontrollierten Studien handele. Statt-

dessen beruhten die Vergleiche auf einer ein- bis dreiwöchigen nicht-randomisierten, auf Placebo

basierenden Run-in-Periode – begründet mit ethischen und praktischen (immer weniger Asthmatiker

sind Corticoid-naiv) Aspekten. Dennoch zeigte sich Roflumilast so effektiv wie niedrig dosiertes inha-

latives Corticoid. Die Suche nach Studien zu Roflumilast in der Therapie des Asthma unterschiedli-

cher Genese lieferte zwar insgesamt neun Treffer in der NIH-Datenbank (alle Studien waren indus-

triefinanziert), allerdings wurden durch keine Studie Aussagen zu einem möglichen Wirksamkeitspro-

fil oder dem Risiko-Nutzen-Verhältnis publiziert. Theophyllin galt lange Zeit als effektiv in der Thera-

pie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (Asthma und COPD) und allein deshalb ist eine

Therapie mit einem PDE-4-Hemmer sowohl bei COPD als auch bei Asthma bronchiale wahrscheinlich

(Page, 2014). Dieser Wirkstoff wird allerdings nur noch in begründeten Einzelfällen als Wirkstoff der

dritten Wahl eingesetzt, da er neben zahlreichen Interaktionen eine relativ geringe, vom Alter der

Patienten abhängige therapeutische Breite besitzt. Inhalative und vom pharmakologischen Wirkprin-

zip her besser verträgliche Substanzen haben mittlerweile Vorrang in der Therapie der obstruktiven

Lungenerkrankungen.

Die Therapie des Asthma bronchiale wird vom pU in seiner Fachinformation nicht explizit ausge-

schlossen. So finden sich Hinweise dazu weder unter Punkt 4.3 (Gegenanzeigen) noch unter Punkt

4.4 (Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung) (Takeda, 2013). Allein

der Hinweis, dass es sich bei Roflumilast um einen Wirkstoff handelt, der nicht zur Therapie des

akuten Bronchospasmus indiziert ist, wird vom pU aufgegriffen. Das lässt die Frage aufkommen,

warum der Hersteller die Anwendung des Phosphodiesterase-Hemmers in der Therapie des Asthma

102

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

bronchiale nicht explizit ausschließt. Ein bestimmungswidriger Gebrauch wird auf diese Weise mög-

licherweise von den Ärzten als bestimmungsgemäß gesehen, mögliche Haftungsfragen können dann

von Seiten des pU nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Gerade aber bei Erkrankungen, die

sich von der Symptomatik her ähneln, ist ein Fehlgebrauch nicht auszuschließen. Eine Unkenntnis

über mögliche Anwendungen in der Asthma-Therapie seitens des pU kann – unabhängig vom Phar-

makovigilanz-System – allein deshalb ausgeschlossen werden, weil vom Hersteller finanzierte Stu-

dien existieren, die auf diese Thematik fokussieren. Das legt den Schluss nahe, dass der pU den OLU

und das Haftungsrisiko wissentlich in Kauf nimmt.

Aclidiniumbromid ist ein weiterer Vertreter der langwirkenden Muscarin-Rezeptorantagonisten.

Mittlerweile liegen klinische Studien vor, die die Wirkung von Aclidiniumbromid auf die Lungenfunk-

tion im Vergleich zu Placebo und Tiotropium geprüft haben. Im Direktvergleich mit Tiotropium waren

die bronchodilatatorischen Effekte der beiden Wirkstoffe ähnlich gut. Die nächtliche Lungenfunktion

konnte unter Aclidiniumbromid allerdings nur numerisch verbessert werden. Es werden allerdings

Studien mit einer größeren Patientenzahl sowie längerer Dauer benötigt, um den Nachweis dieses

Effekts zu bestärken.

Wie bei Indacaterol wird die Anwendung dieses Wirkstoffes zur Asthma-Therapie nicht vom pU emp-

fohlen. Im Gegensatz -2-Sympathomimetikum gab es für Aclidiniumbromid in den einschlägi-

gen Datenbanken zu dieser Fragestellung dementsprechend auch keine Publikation. Bedingt durch

den Zeitpunkt der Zulassung (Markteinführung nach Verpflichtung zur AMNOG-Nutzenbewertung)

ist Aclidiniumbromid von den drei untersuchten Arzneimitteln zur Behandlung der COPD der einzige

Wirkstoff, der in der Monotherapie bzw. als Einzelsubstanz einer frühen Nutzenbewertung unterzo-

gen wurde. Im Vergleich zu anderen inhalativen Bronchodilatatoren konstatierte der Gemeinsame

Bundesausschuss in seinem Beschluss über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirk-

stoffen nach § 35a SGB V Aclidiniumbromid keinen Zusatznutzen. In seinem Dossier legte der Her-

steller keine belastbaren Ergebnisse vor. So fehlten für den direkten Vergleich Studien mit einer

ausreichenden Studiendauer, der indirekte Vergleich ließ hingegen eine valide Bewertung des Zu-

satznutzens aufgrund mangelhafter Qualität nicht zu.

Grundsätzlich gilt bei der Recherche nach Publikationen, dass es aufgrund der Wahl der Literaturda-

tenbank, der Suchstrategie und auch der Ausschlusskriterien möglich ist, Veröffentlichungen nicht zu

erfassen. Auch eine zusätzliche Suche in der Datenbank des U.S. National Institutes of Health kann

keinen Anspruch auf Vollständigkeit garantieren. Dennoch lassen sich in der Literatur – überwiegend

industriefinanzierte – Studien auffinden, in denen die beiden Wirkstoffe Indacaterol und Roflumilast

auch in der Asthma-Therapie eingesetzt wurden.

Zu bedenken gilt, dass nicht alle klinischen Studien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,

unabhängig von ihren Ergebnissen. So zeigen Untersuchungen, dass teilweise mehr als die Hälfte der

103

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

industriefinanzierten Studien, die für die Zulassung eines Arzneimittels durchgeführt werden, unver-

öffentlicht bleiben (Schott et al., 2010). Außerdem konnten diese Untersuchungen Mehrfach-

Publikationen derselben Ergebnisse, selektives Publizieren von ausgewählten Daten einer Studie

sowie das Zurückhalten von Daten zu UAW identifizieren (Schott et al., 2010).

Das Veröffentlichen von Studienergebnissen in Abhängigkeit vom „gewünschten“ Ergebnis stellt

hinsichtlich der Patientenversorgung tatsächlich ein relevantes Problem dar. Das Zurückhalten von

Erkenntnissen aus klinischen Studien ebenso wie das selektive Publizieren „guter Studienergebnisse“

kann zu einer Fehleinschätzung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses führen (Turner et al., 2008; Hart et

al., 2012) und so auch indirekt einen OLU fördern. Auch wird durch die Verzerrung der Ergebnisse

das Planen und Durchführen weiterer klinischer Studien erschwert, da die auf Publikationen basie-

rende, angenommene (Wirksamkeit, Sicherheit und Unbedenklichkeit einer Substanz) möglicher-

weise nicht der eigentlichen Ausgangssituation entspricht. Studien mit ein und derselben Fragestel-

lung werden so möglicherweise aufgrund mangelhafter oder fehlender Information mehrfach durch-

geführt, da Ergebnisse aus vorherigen Untersuchungen nicht veröffentlicht wurden. Gerade dieser

Punkt stellt auch ein nicht zu unterschätzendes ethisches Problem dar, weil nicht ausgeschlossen

werden kann, dass Patienten mit schweren und schwerwiegenden Nebenwirkungen belastet wer-

den, die schon in anderen Untersuchungen zu Studienabbrüchen geführt hatten. Bei der Ergebnisin-

terpretation der zum OLU aufgefunden Studien zur Anwendung der COPD-Therapeutika müssen

diese Punkte berücksichtigt werden.

Um den sogenannten Publication-Bias zu verhindern oder zumindest zu minimieren, wurde im Jahr

1999 das ClinicalTrials.gov-Register eingerichtet, in dem klinische Studien der Phase I-IV erfasst wer-

den sollen. Seit 2007 besteht für die USA eine gesetzliche Registrierungspflicht von klinischen Stu-

dien, verbunden mit der Aufforderung, die Ergebnisse innerhalb eines Jahres nach Abschluss der

Studie zu publizieren (FDA, 2014). Trotz der gesetzlichen Vorgabe wird diese Aufforderung nur unzu-

reichend befolgt. So zeigte sich, dass bei etwa 75 Prozent der Studien die Ergebnisse nicht veröffent-

licht wurden (Gill, 2012) oder die Ein-Jahres-Frist nicht eingehalten wurde (78 Prozent) (Prayle et al.,

2012). Auffällig ist auch, dass die Ergebnisse aus frühen Phase-I/II-Studien seltener publiziert werden

als aus Phase-III-Studien (Anderson et al., 2015). Mit EudraCT gibt es ein vergleichbares Register auf

europäischer Ebene. In diesem Register werden alle Studien erfasst, die seit Mai 2004 in der europä-

ischen Union durchgeführt werden. Die Tatsache, dass nur Zulassungsbehörden und Studiensponso-

ren Zugriff auf die Daten erhielten, wurde kritisiert und führte letztendlich dazu, dass Anfang des

Jahres 2011 das EU Clinical Trials Register auch für die Allgemeinheit freigeschaltet wurde (Wieseler,

2010).

Selbst wenn also die Registrierung klinischer Studien mittlerweile akzeptiert worden ist, wird die

Diskussion um die Veröffentlichung von Studienergebnissen vorerst andauern. Demnach ist noch

nicht wirklich geklärt, ob ein pU verpflichtet werden kann, seine Ergebnisse zu publizieren und wenn

104

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

ja, in welchem Umfang dies erfolgen muss (Wieseler, 2010). Die Wahrung des geistigen Eigentums

kann schlussendlich dazu führen, dass der Nutzen des neuen Arzneimittels über-, potentielle Risiken

hingegen unterschätzt werden. Problematisch an diesen Registern ist außerdem, dass nicht über-

prüft werden kann, ob die Studienregistrierung eines pharmazeutischen Unternehmens wirklich in

vollem Umfang erfolgte. Unabhängig davon sagt eine Registrierung nichts über Quantität und Quali-

tät der Daten aus.

Weitreichende Folgen hat ein Publication-Bias auch deshalb, weil nicht ausgeschlossen werden kann,

dass die veröffentlichten Ergebnisse – als Grundlage für die Erstellung von Reviews und Meta-

Analysen – auch in Therapieempfehlungen der Fachgesellschaften einfließen. Bekanntes Beispiel ist

hier das Antiepileptikum Gabapentin: durch Veränderungen des primären Endpunktes bzw. Nicht-

Veröffentlichung ungünstiger Daten erweckte der pU den Eindruck u.a. einer Wirksamkeit des Arz-

neimittels bei neuropathischen Schmerzen (Vedula et al., 2009). Das verzerrte Ergebnis der darge-

stellten Gabapentin-Wirksamkeit spiegelte sich schlussendlich in unterschiedlichen Beurteilungen in

Übersichtsarbeiten und Leitlinien wider (Schott et al., 2010).

Die Forderung, Studienergebnisse nur zu veröffentlichen, wenn der Zugang zu allen Daten gewähr-

leistet wird (Barbui & Cipriani, 2007), muss insofern kritisch hinterfragt werden, weil dadurch die

Motivation, zu publizieren, möglicherweise noch weiter absinkt.

Auch die Forderung, klinische Studien vermehrt durch öffentliche Gelder zu finanzieren – insbeson-

dere dann, wenn es um die Erfassung von Arzneimittelrisiken geht (Avorn, 2006) – kann kontrovers

diskutiert werden. Für eine industrieunabhängige Darstellung der Studiendaten spricht die Notwen-

digkeit, eine möglichst objektive Darstellung der Ergebnisse publizieren zu können, da sie nicht durch

ökonomische Interessen beeinflusst wird. Auf der anderen Seite könnte dies aber auch als Signal an

den pU missverstanden werden, von seiner Verantwortung entlastet zu werden, Ergebnis-treu statt

Ergebnis-geleitet zu publizieren.

Festzuhalten ist, dass publizierte Daten ebenso wie unpublizierte Daten einen OLU fördern können,

entweder offensichtlich durch (falsch-)positive Ergebnisdarstellungen motiviert oder indirekt durch

das Zurückhalten von wichtigen Informationen. So werden Studien, die Forschungsinteressen auch

im OLU berücksichtigen, zwar publiziert, eine Bewertung dieser Studien erweist sich jedoch vielfach

als schwierig.

Hinweise, dass anscheinend COPD-Wirkstoffe auch im OLU bei Asthmatikern eingesetzt werden,

ergaben sich nicht nur durch die Sichtung von Publikationen, sondern zeigten sich auch bei der Aus-

wertung von Routinedaten, mit denen das Verordnungsverhalten in der ambulant-ärztlichen Praxis

dargestellt werden konnte. Bei der Interpretation der ambulanten Diagnosedaten muss allerdings

berücksichtigt werden, dass sie in erster Linie zum Zweck der ambulanten bzw. stationären Abrech-

nung generiert werden. Bei Routinedaten handelt es sich somit immer um Informationssammlungen,

105

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

die im Rahmen der Leistungserbringung bzw. Kostenerstattung anfallen (Windt, 2010). Die Daten

wurden nicht speziell für die benötigten Auswertungen erhoben, was in der Ergebnisinterpretation

von Routinedatenanalysen berücksichtigt werden muss (Hoffmann, 2008). Andererseits stellen Kran-

kenkassenroutinedaten eine wichtige Informationsquelle dar, wenn es um patienten- oder arztbezo-

gene Arzneimittelverbrauchs- bzw. Versorgungsstudien geht (Windt, 2010).

Für die COPD-Jahresprävalenz in der TK-Population konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf

der Basis von ambulanten Diagnosedaten über alle Altersgruppen hinweg Werte von 3,7 Prozent

(Untersuchungszeitraum 2010 und 2011) ermittelt werden. Dieser Wert liegt damit deutlich unter

dem der GEDA 2012 (8,6 Prozent), die die Lebenszeitprävalenz einer chronischen Bronchitis in der

erwachsenen Bevölkerung erfasste. Zwar bestärken die Daten aus der TK-Population damit die Aus-

sage, dass sich nicht aus jeder chronischen Bronchitis zwangsläufig auch eine COPD entwickeln muss.

Andererseits ist eine Jahresprävalenz immer niedriger als eine Lebenszeitprävalenz, die aus Primär-

daten erhoben wird. Für diese Analyse19 wurden alle Diagnosecodierungen in den Jahren 2010 und

2011 (Indacaterol und Roflumilast) mit dem Diagnosekennzeichen „G“ für „gesicherte Diagnose“

berücksichtigt und es mussten im entsprechenden Jahr mindestens zwei verschiedene Abrechnungs-

quartale mit der jeweiligen Diagnose vorliegen, damit die Versicherten einer Krankheit zugeordnet

werden konnten. Die meisten Verordnungen von Indacaterol, Roflumilast und Aclidiniumbromid

erfolgten in der Altersgruppe der 60- bis 80-Jährigen. Die Verschreibung auch in jüngeren Alters-

gruppen lässt jedoch nicht grundsätzlich den Schluss zu, dass sie fehldiagnostiziert bzw. fehlcodiert

worden sind. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die spätere Entwicklung einer COPD möglicher-

weise schon ihren Ursprung in der Kindheit erfährt (Chan et al., 2015; Postma et al., 2015), was mög-

licherweise auch Auswirkungen auf einen früheren Eintritt in das Erkrankungsalter hat.

Der prozentual höhere Verordnungsanteil von Indacaterol bei Asthmatikern durch Hausärzte kann

eventuell mit den in Abschnitt 8.1.2 bereits beschriebenen Defiziten zusammenhängen. Ursachen

für eine Indikations-überschreitende Verordnung können so neben einer mangelhaften Diagnostik

aufgrund von Qualifikationsdefiziten in der Weiter- und Fortbildung bei den behandelnden Ärzten

auch auf strukturelle Defizite hinweisen, da Lungenfachärzte nicht in ausreichender Zahl flächende-

ckend zur Verfügung stehen und der betroffene Patient somit eher seinen Hausarzt anstelle eines

Facharztes aufsucht. Generell legen die vorliegenden Ergebnisse aber trotz der genannten Ein-

schränkungen der Routinedaten-Analyse einen OLU der drei Wirkstoffe Indacaterol, Roflumilast und

Aclidiniumbromid nahe. Dies gilt nicht nur für codierte Asthmatiker, sondern auch für unklare Dia-

gnosestellungen. Möglich ist aber auch, dass bei der Codierung Fehler unterlaufen sind. So kann

einerseits neben der COPD auch ein Asthma bronchiale bestehen, andererseits kann nicht ausge-

schlossen werden, dass langanhaltendes Asthma durch Remodelling-Vorgänge in eine COPD über-

19 Für den Wirkstoff Aclidiniumbromid wurden seitens der TK keine Diagnosedaten bereitgestellt.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

geht. Frühere Untersuchungen zeigen, dass Codierungen in Routinedaten oft fehlerbehaftet sind

(Gerste & Gutschmidt, 2006). Bei der Interpretation dieser Daten muss dementsprechend auch eine

fehlerbehaftete Codierung in Betracht gezogen werden. Möglicherweise sind also die Patienten mit

einer Asthma-Codierung keine „reinen“ Asthmatiker.

Ein Diagnose-Bias aufgrund falscher ICD-Codierungen kann aber durch die alleinige Betrachtung der

Routinedaten nicht ermittelt werden, da klinische Daten in den Abrechnungsdaten fehlen. Auch

lassen die Auswertungen der Routinedaten keine Rückschlüsse zu, ob die richtige Diagnose gestellt

und das falsche Medikament verordnet oder – im umgekehrten Fall – möglicherweise eine falsche

Diagnose gestellt und mit dem richtigen Arzneimittel therapiert wurde. So wie sich Ärzte also nicht

grundsätzlich darauf verlassen können, dass ihnen die medizinische Literatur valide und verlässliche

Informationen bietet, kann sich auch die GKV nicht nur auf die Analyse von Routinedaten beziehen,

wenn es um mögliche Regressansprüche im Fall einer zulassungsüberschreitenden Anwendung geht.

Die Ergänzung um zusätzliche Patientendaten aus der ärztlichen Praxis wäre in diesem Fall unver-

zichtbar.

107

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2 Off-Label Use aufgrund fehlender Therapieoptionen am

Beispiel der chronischen Hepatitis C

Während im vorausgegangenen Kapitel (Kapitel 8.1) der OLU aufgrund struktureller Defizite und

fehlerhafter Diagnosen am Beispiel von Asthma bronchiale und COPD diskutiert wurde, befasst sich

das folgende Kapitel (Kapitel 8.2) mit den Ursachen eines OLU aufgrund fehlender Therapieoptionen

und möglicher administrativer Defizite am Beispiel der chronischen Hepatitis C.

Bei der Hepatitis C handelt es sich um eine durch das Hepatitis C-Virus (HCV) verursachte Entzün-

dung des Leberparenchyms. Die ausgeprägte genetische Variabilität ist auf eine hohe Replikationsra-

te des HCV zurückzuführen. Mittlerweile sind sechs Genotypen (GT1-6) mit einer größeren unter-

schiedlichen Zahl von Subtypen bekannt (Simmonds et al., 2005). Während GT4 vorwiegend in Nord-

afrika sowie im mittleren Osten und GT5 und GT6 vor allem in Südafrika und Ostasien identifiziert

werden, finden sich in Deutschland insbesondere die Genotypen 1 bis 3 (Wedemeyer et al., 2012;

Cornberg et al., 2014).

Mit der Markteinführung von neuen, direkt antiviral wirkenden Substanzen (DAA) in den Jahren 2014

und 2015 haben sich auch die Therapieempfehlungen geändert. So ergibt sich mit dem erweiterten

Behandlungsspektrum der HCV-Infektionen erstmals auch eine Interferon-freie Therapie. Allerdings

ist der Erfolg einer Therapie u.a. vom identifizierten Genotyp abhängig, so dass nicht alle Patienten

von der Zulassung der neuen DAA profitieren.

Nach den Ausführungen zur epidemiologischen sowie sozialökonomischen Bedeutung der chroni-

schen Hepatitis C (cHC), werden nachfolgend Leitlinienempfehlungen herausgearbeitet und mit dem

Zulassungsstatus der neuen Wirkstoffe zur Therapie der cHC verglichen. Dabei wird der Frage nach-

gegangen, ob Fachgesellschaften auch bei Wirkstoffen, die erst kürzlich den Marktzugang erhalten

haben, eine Empfehlung für ihre zulassungsüberschreitende Anwendung aussprechen. Mögliche

Ursachen dafür sollen identifiziert und anschließend diskutiert werden. Darauf aufbauend widmet

sich der dritte Teil den aus den Jahren 2011 bis 2015 zugelassenen Wirkstoffen zur Therapie der cHC.

Zu diesen zählen die Protease-Inhibitoren Boceprevir, Telaprevir und Simeprevir, die NS5A-

Inhibitoren Daclatasvir und Ledipasvir, der nukleosidische Polymerase (NS5B)-Inhibitor Sofosbuvir,

der nicht-nukleosidische Polymeraseinhibitor Dasabuvir sowie die Fixkombination zweier Wirkstoff-

klassen, bestehend aus Ombitasvir und dem Ritonavir-geboosterten Paritaprevir. In diesem Teil der

Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob Forschungsfragen und ihre Ergebnisse aus Zulas-

108

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

sungsstudien mit der späteren Zulassung übereinstimmen. Mögliche Abweichungen sollen aufgezeigt

und im Anschluss diskutiert werden. Diese Untersuchung verfolgt das Ziel, die Kriterien der Zulas-

sungsbehörden transparenter zu gestalten. Ihre Entscheidungen haben unmittelbare Auswirkungen

auf die Versorgungsstruktur der Bevölkerung und ihren rechtlichen Konsequenzen.

8.2.1 Hepatitis C: Definition, Epidemiologie und sozialökonomische Aspekte

Nach Infizierung mit dem Virus kann der Krankheitsverlauf der Hepatitis C in zwei Phasen eingeteilt

werden. Die akute Hepatitis C verläuft nach einer Inkubationszeit (in der Regel 2-26 Wochen) meist

asymptomatisch, so dass diese Phase häufig nicht diagnostiziert wird (Thimme et al., 2014). Lediglich

ein Fünftel der infizierten Personen entwickeln grippeartige Symptome, rechtsseitige Beschwerden

im Oberbauch, Appetitlosigkeit sowie Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Mit einem Ikterus oder einer

Transaminaseerhöhung auf > 400 IU/L reagieren 25 Prozent. Symptomatisch verlaufende akute He-

patitiden zeigen eine Immunreaktion der Betroffenen an, was die Spontanheilungsrate (ca. 50 Pro-

zent) erhöht, während es bei den asymptomatischen Verläufen lediglich ca. 30 Prozent sind. Auf-

grund einer hohen Chronifizierungsrate (50-85 Prozent) entwickelt sich die akute Hepatitis C in den

meisten Fällen zu einer dauerhaften Erkrankung, die langfristig zu einer Leberfibrose führen kann.

Etwa 2-35 Prozent der betroffenen Personen mit diagnostizierter chronischer Hepatitis C-Erkrankung

entwickeln innerhalb von 20 bis 30 Jahren eine Leberzirrhose, aus der bei ca. zwei bis vier Prozent

der Patienten ein Leberzellkarzinom entstehen kann (RKI, 2014a). Auch wenn das Fortschreiten der

Leberschädigung individuell sehr variabel ist, gibt es dennoch Faktoren, die den Verlauf ungünstig

beeinflussen und die Zirrhoseentstehung fördern. Zu diesen Faktoren zählen unter anderem ein

höheres Lebensalter der Patienten zum Infektionszeitpunkt, männliches Geschlecht, HIV-Koinfektion

sowie ein übermäßiger Konsum von Alkohol. Genetische Grundlagen, die das Fortschreiten der Le-

berschädigung beeinflussen, werden zunehmend erforscht (Iwata et al., 2011).

Vor der Einführung der Untersuchung von Blutkonserven auf Hepatitis C-Antikörper waren Bluttrans-

fusionen eine bedeutende Infektionsquelle. Einen wichtigen Schritt zur Verhinderung von Virusüber-

tragungen durch Blutkomponenten leitete das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ein: so dürfen seit dem 1.

April 1999 Konzentrate von Blutplättchen (Thrombozyten) nur noch aus Blutspenden hergestellt

werden, die mittels Nukleinsäure-Amplifikations-Technik (NAT) einen negativen Nachweis des HCV

erbringen (PEI, 1998). Bis zur Einführung der NAT bestand für zelluläre Präparate (Erythrozyten und

Thrombozyten) immer noch ein Restrisiko eines falsch-negativen oder nicht identifizierten Virus-

Nachweises (PEI, 1998). Seit dem Einsatz gentechnologisch hergestellter Blutbestandteile gilt das

109

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

erhöhte Infektionsrisiko als deutlich reduziert. Die Übertragung des Virus erfolgt überwiegend paren-

teral, sexuell sowie zu einem geringen Teil perinatal. So besteht eine erhöhte Infektionsgefahr für

Drogenabhängige (intravenöser oder nasaler Drogenmissbrauch), Dialysepatienten sowie Patienten

mit Hämophilie. Tätowierungen und Piercings können bei unsauberer Arbeit ebenfalls eine Gefah-

renquelle darstellen (RKI, 2014a). Bei gut vier Fünftel der Erkrankten lässt sich der Infektionsweg

allerdings nicht mehr zweifelsfrei zurückverfolgen. Bei den Infizierten mit nachvollziehbarem Infekti-

onsweg ist der intravenöse Drogenkonsum mit über 87 Prozent ursächlich für die Infektion (Abbil-

dung 24).

i.v. = intravenös. MSM = Männer, die Sex mit Männern haben.

Quelle: RKI (2014), S. 280

Abbildung 24: Übertragungsweg der gemeldeten Fälle nach Referenzdefinition mit belastbaren Angaben zum wahrscheinlichsten Übertragungsweg

Pro Jahr infizieren sich weltweit etwa drei bis vier Millionen Menschen neu mit dem HCV, in Deutsch-

land sind es jährlich etwa 5.000 Neuerkrankungen. Ein Viertel aller Leberzirrhosen und Leberzellkar-

zinome geht auf die chronische Infektion mit dem HCV zurück. Mehr als 350.000 bis 500.000 Hepati-

tis C-Patienten versterben jährlich weltweit an diesen Folgeerkrankungen (RKI, 2014a). Dies unter-

streicht die enorme Bedeutung einer zeitnahen und wirksamen Pharmakotherapie.

Mit dem groß angelegten bundesweiten Survey „Studie zur Gesundheit in Deutschland“ in den Jah-

ren 2008 bis 2011 zur Erhebung der Bevölkerungsgesundheit wurde unter anderem die Hepatitis C-

Durchseuchung in der deutschen Allgemeinbevölkerung erfasst (Poethko-Müller et al., 2013). Das

Ergebnis der Untersuchung zeigte, dass im Vergleich zu den Befunden aus dem Bundesgesundheits-

survey 98 (BSG 98) in Deutschland die Gesamtprävalenz der Hepatitis C unverändert blieb. Auffallend

war, dass in der Gruppe der 18- bis 39-Jährigen keine positiven Hepatitis C-Befunde erhoben werden

110

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

konnten (Poethko-Müller et al., 2013). Nach Auffassung der Autoren könnte diese Entwicklung mit

der Einführung wichtiger Präventivmaßnahmen wie beispielsweise die routinemäßige Hepatitis C-

Virus-Diagnostik im Rahmen der Blutspendesurveillance begründet werden. Unbestritten ist aller-

dings, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt, da bestimmte Personengruppen von der Studie

ausgeschlossen wurden oder nicht repräsentativ vertreten waren. So beträgt die offizielle Prävalenz

für Hepatitis C in Deutschland derzeit 0,4 Prozent (RKI, 2014a). Im europäischen Vergleich zählt

Deutschland auch weiterhin zu den Ländern mit niedriger Durchseuchungsrate (Cornberg et al.,

2011) (Abbildung 25).

Quelle: Cornberg et al. (2011), eigene Darstellung

Abbildung 25: Prävalenz in der erwachsenen Bevölkerung – Europäische Länder im Vergleich

Der starke Anstieg der HCV-Prävalenz in den ehemals kommunistischen Ländern wie der Tschechi-

schen Republik, Russland, Polen oder Rumänien lässt sich vor allem durch den Anstieg des i.v. Dro-

genkonsums erklären. In Westeuropa führten Screening-Programme, Methadon-Substitutions-

programme sowie effektive Therapien zu einem Rückgang der HCV-Prävalenz (Cornberg et al., 2011).

Spanien weist eine erstaunlich hohe Prävalenz auf, welche in erster Linie auf nosokomiale Infektio-

nen zurückzuführen sind. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem stellen für einige Länder

die hohen Migrationszahlen dar. So kommen beispielsweise 70 Prozent der in Israel lebenden HCV-

111

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Infizierten aus der ehemaligen Sowjetunion, in Deutschland sind immerhin 37 Prozent der HCV-

Infizierten ursprünglich Migranten und in der Schweiz sind es gut ein Drittel der Betroffenen. Durch

Migration kommt es letztendlich auch zu einer Verschiebung der Genotyp-Vorkommen. So wird GT4

mittlerweile auch in Griechenland immer häufiger diagnostiziert. Zurückzuführen ist dies auf die

hohe Migrantenzahl aus Afrika (Cornberg et al., 2011). Labordiagnostische Marker einer Hepatitis C

lassen keine gesicherte Aussage über die Dauer der Erkrankung zu. Die Differenzierung einer akuten

von einer chronischen Infektion ist somit nicht gegeben (RKI, 2014a). Aus diesem Grund werden seit

dem Jahr 2003 alle Fälle einer erstmals diagnostizierten Hepatitis C beim Nachweis einer Virus-

Hepatitis gemeldet – unabhängig vom klinischen Bild. Neben den akuten Infektionen werden so auch

erstmalig diagnostizierte chronische Infektionen erfasst. Problematisch daran ist, dass durch diese

Vorgehensweise auch Fälle identifiziert werden, die mittlerweile ausgeheilt sind und nicht mehr

Überträger der Infektion sein können (RKI, 2014a). Auf Basis dieser Erhebungen konnte seit 2004 ein

kontinuierlicher Rückgang bei den absoluten Fallzahlen erstdiagnostizierter Hepatitis C gesehen

werden, der zwischen 2011 und 2012 zum Stillstand kam. 2013 war erstmals seit 2004 wieder ein

leichter Anstieg der Inzidenz zu verzeichnen (RKI, 2014a) (Abbildung 26).

Quelle: RKI (2014a), eigene Darstellung

Abbildung 26: Übermittelte Hepatitis C-Erstdiagnosen – Deutschland aus den Jahren 2001 bis 2013

112

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Vergleicht man die Inzidenz der einzelnen Bundesländer ergibt sich auch hier eine weite Spanne (RKI,

2014a). Die Inzidenzen variieren zwischen 2,7 Diagnosen pro 100.000 Einwohner in Brandenburg und

14,8 Diagnosen pro 100.000 Einwohner in Berlin. Die bundesweite Inzidenz lag im Jahr 2013 bei 6,3

Diagnosen pro 100.000 Einwohner. Diese wurde nur von den Bundesländern Thüringen, Schleswig-

Holstein, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Mecklenburg-

Vorpommern, Brandenburg und Bremen unterschritten (Abbildung 27). Bei den erstdiagnostizierten

Fällen waren vor allem Jungen und Männer betroffen (Inzidenz 8,1), bei Mädchen und Frauen wurde

eine niedrigere Inzidenz festgestellt (4,5). Die höchste Inzidenzrate lag bei Männern in der Alters-

gruppe der 30- bis 39-Jährigen, für Frauen in der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen (RKI, 2014a). Ein

möglicher Grund für die höhere Inzidenz in Großstädten kann in einem größeren Anteil der Personen

gesehen werden, die ein überdurchschnittliches Risiko haben, sich mit dem Hepatitis C-Virus anzu-

stecken (Drogenkonsumenten, MSM).

Quelle: RKI (2014a), eigene Darstellung

Abbildung 27: Übermittelte Hepatitis C-Erstdiagnosen pro 100.000 Einwohner nach Bundesland für das Jahr 2013

113

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Aufgrund der hohen Chronifizierungswahrscheinlichkeit, der schwerwiegenden Folgeerkrankungen

und der hohen Kosten der antiviralen Therapie besitzt die Hepatitis C auch eine enorme gesund-

heitsökonomische Relevanz. Dabei umfasst das Spektrum der direkten Krankheitskosten die Kosten

für Präventivmaßnahmen sowie Kosten für ambulante und stationäre Behandlungen, Pflege und

Rehabilitation. Häufig können diese jedoch nicht beziffert werden, da differenzierte Daten für die

Hepatitis C fehlen. Belastbare Daten zu Morbidität, Mortalität und Krankheitslast von Hepatitis C-

Infektionen und ihren Folgeerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung sowie in besonders betroffe-

nen Gruppen werden benötigt (RKI, 2014a). Das RKI plant daher eine Bestandsaufnahme der aktuel-

len Datenlage in Deutschland. Dabei soll zwischen der Allgemeinbevölkerung und besonders be-

troffenen Gruppen differenziert werden. Ein etwaiger Forschungsbedarf soll identifiziert und eine

Empfehlung für die nächsten Schritte gegeben werden.

Der dominierende Kostenfaktor einer HCV-Therapie ist allerdings nach wie vor die pharmakologische

Behandlung (Stahmeyer et al., 2013). Durch die Zulassung von Sofosbuvir als ersten nukleosidischen

Polymerase (NS5B)-Inhibitor im Januar 2014 sowie weiteren neuen antiviralen Mitteln zur Therapie

der cHC hat sich die Debatte um die Kosten verschärft. Die hohen Preise dieser neuen Arzneimittel

werfen die Frage auf, inwiefern die Behandlung einer einzigen Krankheit die GKV vor neue finanzielle

Probleme stellen darf. Während beim bisherigen, konventionellen Therapieansatz mit der dualen

Standard-Therapie, bestehend aus PEG- bavirin, die Kosten der Behandlung je

nach Dauer der antiviralen Therapie 7.800 bis 35.000 Euro betrugen (Stahmeyer et al., 2013), wer-

den durch die neuen Arzneimittel die Kosten erheblich steigen. Tabelle 11 stellt zusammenfassend

den Umsatz und Absatz des deutschen Apothekenmarktes der bis zu dem Zeitpunkt der Datenerfas-

sung (Stand: Dezember 2014) verfügbaren neuen antiviralen Mittel zur Therapie der cHC dar. Auffal-

lend sind dabei die enormen Umsatz- und Absatzeinbußen für Boceprevir und Telaprevir nach

Markteinführung der neuen DAA.

Allerdings profitieren nicht alle Patienten gleichermaßen von den neuen Wirkstoffen. Vor diesem

Hintergrund ist eine Betrachtung der Behandlungskosten nur in Bezug auf die hierfür in Frage kom-

menden Patientengruppen sinnvoll.

114

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 11: Umsatz und Absatz der neuen Arzneimittel zur Behandlung der cHC

2013 2014 Änderung zu 2013 in Prozent

Wirkstoffname

Handelsname

ATC-Code

Packungen in Tsd.

Umsatz in Tsd. Euro

Packungen in Tsd.

Umsatz in Tsd. Euro

Packungen Umsatz

Boceprevir

Victrelis®

J05AE12 7,5 20.756,5 1,5 3.596,8 -80,0 % -82,7 %

Telaprevir

Incivo®

J05AE11 7,1 50.128,4 0,8 5.032,8 -88,7 % -90,0 %

Simeprevir

Olysio®

J05AE14 0,0 0,0 3,6 45.995,4 0 0

Daclatasvir

Daklinza®

J05AX14 0,0 0,0 6,0 65.360,0 0 0

Sofosbuvir

Sovaldi®

J05AX15 0,0 0,0 25,4 414.036,0 0 0

Quelle: Daten aus IMS Health (2014), IMS Health (2015)

115

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.1.1 Leitlinien und Therapieempfehlungen vs. Zulassungsstatus nach Fachinformationen

In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern Fachgesellschaften auch bei

Wirkstoffen, die erst kürzlich den Marktzugang erhalten haben, eine Empfehlung für ihre zulas-

sungsüberschreitende Anwendung aussprechen. Mögliche Ursachen wie beispielsweise fehlende

Therapieoptionen sollen identifiziert und anschließend diskutiert werden. Nachfolgend werden die

Leitlinienempfehlungen herausgearbeitet und mit dem Zulassungsstatus der neuen Wirkstoffe zur

Therapie der cHC verglichen.

Aufgrund des fortschreitenden Charakters der chronischen Hepatitis C mit ihren schweren Folgeer-

krankungen sollte in Abhängigkeit des Risikoprofils der betroffenen Patienten immer eine antivirale

Therapie in Betracht gezogen werden. Allerdings können sich wegen der langsam fortschreitenden

Erkrankung Zeitpunkt und Auswahl der Behandlung gemäß den Empfehlungen der europäischen und

amerikanischen Fachgesellschaften durchaus an den individuellen Gegebenheiten der Betroffenen

orientieren. So wird beispielsweise eine rechtzeitige Behandlung bei Patienten mit fortgeschrittener

Fibrose (METAVIR Score 3 und 4), Lebertransplantaten oder extrahepatischen Manifestationen emp-

fohlen, während bei Patienten mit weniger schwerwiegendem Krankheitsstadium, mit minimaler

oder keiner Fibrose der Therapiebeginn kritisch diskutiert werden kann (EASL, 2014; AALSD, 2014).

Im Gegensatz dazu legen die Autoren der deutschen Leitlinie eine frühzeitige Behandlung aller Pati-

enten nahe (DGVS, 2015)20. Da sich sowohl das Therapieschema als auch die Therapiedauer danach

richten, ist eine Bestimmung des HCV-Genotyps unerlässlich. Auch sind das Stadium der Leberer-

krankung, der Grad der Transaminasenerhöhung, die Frage, ob es sich um einen therapienaiven oder

therapieerfahrenen Patienten handelt (Relapser, partieller Responder, Null-Responder)21 sowie das

Vorhandensein von HCV-Resistenzvarianten entscheidende Faktoren für die differentialtherapeuti-

schen Vorgehensweisen (awmf, 2009).

20 Für die Autoren der deutschen Leitlinie stellen die cHC sowie extrahepatische Manifestationen eine Indikation zur antivira-len Therapie dar. Patienten mit einer fortgeschrittenen Lebererkrankung sowie Patienten mit einer Leberzirrhose haben hingegen eine dringliche Therapieindikation (DGVS, 2015). 21 Patientenkollektive, aufgeteilt in Therapienaive Patienten: Patienten, die noch nie eine Behandlung erhalten haben und therapieerfahrene Patienten: Patienten, die bereits mit direkt antiviral wirkenden Mitteln oder mit (PEG-) Interferon be-handelt wurden und entweder keine oder eine nicht ausreichende Therapieantwort zeigten bzw. nach Abschluss der Behand-lung einen Rückfall aufwiesen, diese werden unterschieden in: Relapser: Patienten, die am Ende der Behandlung keine virale Belastung mehr aufweisen, können diese nach Abschluss der Behandlung nicht aufrechterhalten. Partielle (Non)-Responder: Patienten, deren Viruslast unter der Behandlung bis Woche 12 zwar deutlich absinkt, aber bis zum Therapieende nicht unter die Nachweisgrenze sinkt. Null-Responder: Patienten, deren Viruslast trotz Behandlung nicht absinkt. (Partielle (Non)-Responder und Null-Responder werden in manchen Studien auch als Non-Responder zusammengefasst). Patienten mit Relapse (im Vergleich zum Non-Response), mit niedriger Virusbelastung und ohne Zirrhose haben bessere Heilungsaussichten.

116

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Primäres Ziel einer Hepatitis C-Therapie ist ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained

virological response, SVR22). Darunter versteht man das Fehlen eines HCV-RNA-Nachweises im Serum

24 Wochen nach Therapieende. Mit einer derartigen SVR ist eine Heilung der Lebererkrankung asso-

ziiert. Die Chancen auf eine dauerhafte Viruseradikation nach einer adäquaten Therapie haben mitt-

lerweile mehr als 95 Prozent der Patienten. Diese Patienten entwickeln in der Regel seltener klini-

sche Endpunkte als diejenigen, bei denen eine dauerhafte Viruseradikation nicht möglich ist (Veldt et

al., 2007; Morgan et al., 2013).

it Ausheilungsraten von 15-20 Prozent

Erst durch die duale Therapie in Kombination mit Ribavirin, einem Wirkstoff, der Ende der 90er Jahre

auch in Deutschland seine Zulassung erhielt, wurden schließlich höhere Ausheilungsraten erzielt, so

dass 40-50 Prozent der Patienten mit Genotyp 1- sowie 70-80 Prozent der Patienten mit Genotyp 2-

oder 3-Infektion geheilt werden konnten (Thimme et al., 2014). Kontraindikationen gegen eine Inter-

feron -basierte Therapie, hohe Interaktionspotentiale mit anderen Substanzen sowie eine lange

Behandlungsdauer verbunden mit hohen Nebenwirkungsraten bei vergleichsweise unzureichenden

Heilungschancen, gerade für Patienten mit HCV GT1-Infektion, erschwerten jedoch die Therapie

(Maasoumy et al., 2013a; Maasoumy et al., 2013b).

Mit der Zulassung der beiden Protease-Inhibitoren Telaprevir und Boceprevir für die erste Tripel-

Therapie in Kombination mit PEG- im Jahr 2011 verbesserten sich die Hei-

lungschancen für HCV-Infizierte. Für therapienaive Patienten mit HCV GT1-Infektion konnten nun

SVR-Raten von bis zu 70 Prozent erreicht und gleichzeitig die Therapiedauer verkürzt werden

(Neumann-Haefelin et al., 2012). Bei therapieerfahrenen Patienten ist das Ansprechen auf diese

Tripel-Therapie allerdings stark von der Therapieantwort auf vorangehende Medikamente abhängig.

So liegen die SVR-Raten für Relapser bei ca. 80 Prozent, für sogenannte partielle Responder bei ca. 50

Prozent und für sogenannte Null-Responder bei ca. 30 Prozent (Bacon et al., 2011). Ausgeprägte

Medikamenteninteraktionen bei speziellen Patientengruppen wie beispielsweise bei HIV-

Koinfizierten sowie Lebertransplantat-Empfängern gestalten die Tripel-Therapie mit einem der bei-

den Protease-Inhibitoren als schwierig. Im Vergleich zu anderen Substanzen weisen Boceprevir und

Telaprevir eine geringere Resistenzbarriere auf, weswegen strenge Stopp-Regeln im Therapieverlauf

einzuhalten sind. Im Rahmen der Zulassungsstudien sind daher auch in Abhängigkeit der jeweiligen

Substanz und dem Ansprechen der Patienten individuelle Therapiealgorithmen etabliert worden, die

im klinischen Alltag unbedingt beachtet werden müssen (Geier, 2014).

22 Das IQWiG wertet die SVR als validen Surrogatparameter.

117

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Mit der Markteinführung von neuen, direkt antiviral wirkenden Substanzen (DAA) in den Jahren 2014

und 2015 hat sich schließlich auch für Patienten mit Kontraindikationen gegen PEG- , für

die bis dato keine zufriedenstellende Therapieoption existierte, eine erhebliche therapeutische Ver-

besserung ergeben. Effektive und gut verträgliche Interferon-freie Behandlungen werden damit

ermöglicht. Die ausschließlich (teilweise nur einmal tägliche) orale Gabe wie auch eine für bestimmte

Patientenkollektive verkürzte Therapiedauer, können als Vorteil der neuen Wirkstoffe bzw. eines

Interferon-freien Therapieansatzes angesehen werden. Tabelle 12 fasst den Stand derzeitig verfüg-

barer Wirkstoffe zur Erst- und Re-Therapie der chronischen Hepatitis C zusammen.

Tabelle 12: Übersicht verschiedener Therapieoptionen für die Erst- und Re-Therapie der chroni-schen Hepatitis C vom Genotyp 1-6 nach Empfehlungen der Fachinformationen

Konventionelle Substanzen

PEG- - ) Zur Erst- und Re-Therapie für alle HCV-Genotypen

Ribavirin (RBV) In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für alle HCV-Genotypen

Protease-Inhibitoren

Simeprevir (SMV) In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1-4

Paritaprevir (PRV)

In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1 und 4, Paritaprevir wird mit Ritonavir (RTV) geboostert (auch PTV/r) und ist nur in fixer Kombination mit dem NSA5-Inhibitor Ombitasvir (OMV) und Ritonavir verfügbar

Telaprevir (TVR) In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für den HCV-Genotyp 1

Boceprevir (BOC) In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für den HCV-Genotyp 1

NS5A-Inhibitoren

Daclatasvir (DCV) In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1, 3 und 4

Ledipasvir (LDV)

In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1, 3 und 4, Ledipasvir ist nur in fixer Kombination mit dem nukleosidischen NS5B-Inhibitor Sofosbuvir (SOF) verfügbar

Ombitasvir (OMV)

In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1 und 4. Ombitasvir ist nur in fixer Kombination mit dem NS3-Protease-Inhibitor Paritaprevir und Ritonavir verfügbar

Nicht-nukleosidischer Poly-merase (NS5B)-Inhibitor Dasabuvir (DSV) In Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-

Therapie für den HCV-Genotyp 1

Nukleosidischer Polymerase (NS5B)-Inhibitor Sofosbuvir (SOF) Als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für alle

HCV-Genotypen

Quelle: Fachinformation der jeweiligen Wirkstoffe

118

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Mit der Einführung neuer Substanzen zur Therapie der cHC änderten sich im Laufe der Zeit auch die

Behandlungsempfehlungen. So wurden mit der Einführung eines Rahmenplans für die Prävention

und Bekämpfung viraler Hepatitiden im Jahr 2012 durch die WHO (WHO, 2012) und der Initiierung

eines vergleichbaren Konzeptes auf europäischer Ebene durch die Europäische Kommission die Mit-

gliedstaaten aufgefordert, Maßnahmen zur Verbesserung des Problembewusstseins sowie der der-

zeitigen Datenlage für eine Strategie zur Prävention von Übertragungen und zum Screening, zur

Versorgung und Behandlung von Infizierten, zu entwickeln (RKI, 2014a). Bei der World Health As-

sembly im Mai 2014 wurde eine Resolution verabschiedet, die Empfehlungen zum Screening von

besonders betroffenen Gruppen, zur Verbesserung des Zugangs zur Diagnostik und Therapie und zur

Entwicklung angemessener Strategien enthält (RKI, 2014a). Im April 2014 veröffentlichte die WHO

erstmals Leitlinien zum Screening, zur Versorgung und Behandlung der Hepatitis C. Tabelle 13 gibt

einen Überblick über verschiedene nationale und internationale Leitlinien.

Tabelle 13: Übersicht über nationale und internationale Leitlinien zur Therapie der chronischen Hepatitis C

Leitlinienname Herausgeber Land Jahr

Guidelines for the Screen-ing Care and Treatment of Persons with Hepatitis C

Infection

WHO

World Health Organization

International 2014

Recommendations for Testing, Managing and

Treating Hepatitis C

AASLD

American Association for the Study of Liver Diseases

USA 2014

EASL Recommendations on Treatment of

Hepatitis C

EASL

European Association for the Study of the Liver

International 2014

An Update on the Man-agement of chronic Hepa-

titis C: 2015 Consensus Guidelines from the Cana-

dian Association for the Study of the Liver

Canadian Liver Foundation Kanada 2015

Aktuelle Empfehlung der DGVS und des bng zur

Therapie der chronischen Hepatitis C

DGVS

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Ver-

dauungs- und Stoffwech-selkrankheiten

Deutschland 2015

119

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die Off-Label-Frage muss grundsätzlich auf nationaler Ebene betrachtet werden. Allein der (hier

deutsche) Zulassungsstatus besitzt bindenden Charakter bei juristischen Fragestellungen im deut-

schen Gesundheitswesen (Haftung des pU sowie des Arztes, Leistungspflicht der GKV). Aus diesem

Grund beschränkt sich die nachfolgend aufgeführte Analyse auf die Empfehlungen der DGVS, die mit

Erstellung ihres Addendums aktuelle Therapieempfehlungen ausgearbeitet hat (DGVS, 2015).

Mit Fokussierung auf neue Wirkstoffe und basierend auf den aktuellen Empfehlungen der Fachge-

sellschaften soll im Folgenden der Forschungsfrage nachgegangen werden, inwiefern ein OLU durch

fehlende Therapieoptionen begünstigt wird. In welchen Aspekten der Behandlung der chronischen

Hepatitis C stimmen Empfehlungen der Fachgesellschaften mit dem Zulassungsstatus der diskutier-

ten Wirkstoffe überein und wo weichen diese von einer zulassungskonformen Anwendung (Thera-

pieregime und bzw. oder Behandlungsdauer) ab?

Die Ergebnisse wurden entsprechend des jeweiligen Genotyps 1-6 in den nachstehenden Tabellen

14-19 dargestellt. Die Betrachtung fand auf Ebene der Patientenkollektive statt, die ihrerseits in

Therapienaive und Therapieerfahrene mit und ohne Zirrhose unterteilt wurden. Behandlungen kön-

nen sowohl mit als auch ohne Ribavirin empfohlen bzw. zugelassen sein. Die zusätzliche Gabe der

konventionellen Substanz verlängert in der Regel die Therapie. Die Therapiedauer wird im Folgenden

in Behandlungswochen angegeben. Erfolgte für ein bestimmtes Kollektiv kein Eintrag, so war dazu

keine Angabe in der Leitlinie bzw. in der Fachinformation zu finden.

Für eine visuelle und somit schnellere Erfassung der Resultate wurden empfohlene Standardthera-

pien (DGVS) grün, nur in Einzelfällen empfohlene Therapien (DGVS) dagegen rot gekennzeichnet.

Wurde aufgrund vorhandener Therapieoptionen eine Behandlung seitens der DGVS gar nicht mehr

empfohlen, wurde dies durch die Farbe grau kenntlich gemacht.

120

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 14: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 1 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der ent-sprechenden Fachinformationen

Genotyp 1

Therapienaiv Therapieerfahren

Therapieregime mit ZH ohne ZH mit ZH ohne ZH LL vs. FI

PEG-Interferon-freie Therapieregime

SOF + LDV (Fix) ± RBV

12 BW 24 BW3 82-12 BW 12 BW 24 BW3 12 BW LL1

12-24 BW 8-12 BW 12-24 BW 12-24 BW Gilead (2014)

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV ± RBV

12-24 BW 12 BW 12-24 BW 12 BW LL4

12-24 BW 12 BW 12-24 BW 12 BW abbvie (2015a, 2015b)4

SOF + SMV ± RBV

12 BW 12 BW 12 BW 12 BW LL

12 BW 12 BW 12 BW 12 BW Janssen (2014)

DCV + SOF ± RBV

– 12-24 BW – 12-24 BW LL

12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW BMS (2014)

ZH = Zirrhose. LL = Leitlinie. FI = Fachinformation. BW = Behandlungswoche(n). 112-wöchige Therapiedauer mit Ribavirin nur für Patienten mit kompensierter ZH. 24-wöchige Behandlungsdauer von Sofos-buvir + Ledipasvir ± Ribavirin nur bei negativen Prädiktoren wie z.B. dekompensierte Leberzirrhose oder Versagen einer DAA-Vortherapie. Ansonsten 12-wöchige Behandlungsdauer mit Ribavirin für Patienten mit Zirrhose (DGVS, 2015). 2Für Frauen und für Patienten mit niedriger Ausgangsviruslast (< 6 Millionen IU/ml), therapienaiv, ohne Zirrhose. Bei der Erst-Therapie von Patienten mit einem IL28B CC Genotyp ohne Leberzirrhose kann die Therapie mit Sofosbuvir und Ledipasvir + Ribavirin ebenfalls auf 8 Wochen verkürzt werden (DGVS, 2015). 3Nur bei negativen Prädiktoren wie z.B. dekompensierter Leberzirrhose oder Versagen einer DAA-Vortherapie (DGVS, 2015). 412-wöchige Behandlungsdauer ohne Ribavirin für Patienten mit einer HCV Subtyp 1b Infektion und ohne Zirrhose (bei Vorlie-gen einer Zirrhose sollte zusätzlich Ribavirin gegeben werden), sowie 12-wöchige Behandlungsdauer mit Ribavirin für Patien-ten mit einer HCV Subtyp 1a Infektion ohne Zirrhose. Bei Patienten mit einer HCV Subtyp 1a Infektion, Leberzirrhose und einem negativen Prädiktor (AFP >/= 20 ng/ml, Thrombozyten < 90/nl, Albumin < 35 g/l) sollte eine Verlängerung der Therapie (OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV + RBV) auf 24 Wochen erfolgen.

Als Standardtherapie empfohlen (DGVS, 2015).

Nicht als Standardtherapie bzw. nur in Einzelfällen empfohlen (DGVS, 2015).

Für die Behandlung der cHC vom Genotyp 1 empfehlen die Autoren der LL ausschließlich Interferon-

freie Therapieregime. Die Kombinationen aus Sofosbuvir + Ledipasvir (Fix) bzw. Ombitasvir + Paritap-

revir + Ritonavir (Fix) + Dasabuvir (bei bestimmten Subgruppen mit einer zusätzlichen Gabe von

Ribavirin) sehen die Fachgesellschaften als Therapieregime der ersten Wahl für therapienaive und

therapieerfahrene Patienten, unabhängig vom Leberstatus.

121

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Eine 24-wöchige Behandlungsdauer des erstgenannten Therapieregimes sollte nach Auffassung der

LL-Autoren nur bei negativen Prädiktoren wie z.B. bei Diagnose einer dekompensierten Leberzirrho-

se oder nach Versagen einer DAA-Vortherapie erfolgen. Auch bei Patienten mit kompensierter Zir-

rhose sollte ihrer Meinung nach eine Verlängerung auf 24 Wochen nur für den Ausnahmefall vorge-

sehen sein. Die Empfehlung der Fachinformation lautet hingegen eine standardmäßige 24-wöchige

Behandlung ohne Ribavirin für Patienten mit kompensierter Zirrhose (Gilead, 2014). Die Verkürzung

der Behandlungszeit (acht statt zwölf Wochen) bei der Gabe von Sofosbuvir + Ledipasvir (Fix) wird

sowohl von den Fachgesellschaften als auch von der Fachinformation unterstützt (DGVS, 2015;

Gilead, 2014). Die Autoren der LL geben allerdings eine detailliertere Beschreibung für bestimmte

Subgruppen. Demnach sollte eine Behandlungsdauer von acht Wochen als Ersttherapie von Patien-

ten ohne Zirrhose mit bestätigter Ausgangsviruslast < 6 Millionen IU/ml und bei der Ersttherapie von

Frauen ohne Leberzirrhose erfolgen. Bei der Ersttherapie von Patienten mit einem IL28B CC Genotyp

ohne Leberzirrhose kann die Therapie mit Sofosbuvir und Ledipasvir plus Ribavirin ebenfalls auf acht

Wochen verkürzt werden. Diese Unterscheidung der Subgruppen findet sich nicht in der Fachinfor-

mation (Gilead, 2014). Eine achtwöchige Behandlungsdauer der fixen Kombination aus Sofosbuvir

und Ledipasvir ohne Ribavirin kann nach ihrer Angabe generell für therapienaive Patienten ohne

Zirrhose in Betracht gezogen werden (Gilead, 2014).

Die duale bzw. Tripel-Therapie, bestehend aus Sofosbuvir + Simeprevir ± Ribavirin bzw. Daclatasvir in

Kombination mit Sofosbuvir ± Ribavirin, sollten nach Auffassung der LL-Autoren nur in Einzelfällen

und letztgenannte nur bei Patienten ohne Leberzirrhose (als Erst- und Re-Therapie) gegeben werden.

Die duale bzw. Tripel-Therapie bestehend aus Sofosbuvir + Simeprevir ± Ribavirin ist auch gemäß

ihrer Zulassung nur auf den Einsatz bei Patienten mit Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von

(PEG- r Therapieindikation beschränkt (Janssen, 2014).

Die Zulassung von Daclatasvir zur Therapie des HCV GT1 ist mit limitierten Daten verbunden. So

liegen für das 12-wöchige Behandlungsregime Daclatasvir + Sofosbuvir nur Daten für therapienaive

Patienten mit Genotyp-1-Infektion vor (BMS, 2014). Für Daclatasvir + Sofosbuvir mit oder ohne

Ribavirin irrhose vor.

Für das Regime von Daclatasvir + PEG- + Ribavirin gibt es Daten für behandlungsnaive

Patienten (BMS, 2014).

122

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 15: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 2 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der ent-sprechenden Fachinformationen

Genotyp 2

Therapienaiv Therapieerfahren

Therapieregime mit ZH ohne ZH mit ZH ohne ZH LL vs. FI

PEG-Interferon-freie Therapieregime

SOF + RBV 12 BW 12 BW 12-16 BW1 12 BW LL

12-24 BW 12 BW 12-24 BW 12-24 BW Gilead (2015)

SOF + DCV ± RBV2 – – 12 BW 12 BW LL

– – – – BMS (2014)

PEG-Interferon-basierte Therapieregime

SOF + PEG-RBV

– – 12 BW – LL

– – – – Gilead (2015)

ZH = Zirrhose. LL = Leitlinie. FI = Fachinformation. BW = Behandlungswoche(n). 1Alternative bei entsprechender Verträglichkeit: Tripel-Therapie mit Sofosbuvir, PEG- (DGVS, 2015). 2Bei Versagen einer Therapie mit Sofosbuvir + Ribavirin (DGVS, 2015).

Als Standardtherapie empfohlen (DGVS, 2015).

Nicht als Standardtherapie bzw. nur in Einzelfällen empfohlen (DGVS, 2015).

Für die Behandlung der cHC vom Genotyp 2 wird neben zwei PEG-Interferon-freien Therapieregimen

auch ein auf PEG-Interferon basierendes Therapieregime von den Fachgesellschaften empfohlen

(DGVS, 2015). Sowohl die kombinierte Gabe aus Sofosbuvir + Daclatasvir ± Ribavirin sowie die Tripel-

Therapie, bestehend aus Sofosbuvir + PEG-Interferon , werden von den LL-Autoren als

Re-Therapie und nur in Einzelfällen befürwortet (DGVS, 2015). So könnte beispielsweise eine zusätz-

liche Gabe von Daclatasvir von Nutzen sein, sollten Patienten nach der Gabe von Sofosbuvir und

Ribavirin einen virologischen Rückfall erlitten haben. Diese Therapieoption versehen die Fachgesell-

schaften jedoch mit dem Evidenzgrad V (Expertenmeinung ohne explizite kritische Bewertung oder

basierend auf physiologischen Modellen, Laborforschungsresultaten oder first principles). Der Wirk-

stoff Daclatasvir wird laut Fachinformation nur für die Therapie des HCV GT1, GT3 und GT4 empfoh-

len (BMS, 2014). Nach Angaben des Herstellers bleiben aufgrund von Limitierungen in der pivotalen

Studie viele Unsicherheiten sowohl hinsichtlich der wirksamsten Anwendungsweise von Daclatasvir

zur Behandlung der Infektion mit Genotypen 2 und 3 als auch wie das Behandlungsregime an ent-

123

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

sprechend wichtige Faktoren, die das virologische Ansprechen beeinflussen können, demzufolge

anzupassen sei (BMS, 2014).

Die duale Kombinationstherapie aus Sofosbuvir und Ribavirin kann laut Fachinformation über zwölf

Wochen erfolgen. Allerdings ist zu erwägen, die Dauer der Therapie möglicherweise über zwölf Wo-

chen hinaus auf bis zu 24 Wochen zu verlängern; dies gilt insbesondere für Subgruppen mit einem

oder mehreren der negativen prädiktiven Faktoren, die in der Vergangenheit mit niedrigeren An-

sprechraten auf Interferon-haltige Therapien (z. B. fortgeschrittene Fibrose/Zirrhose, hohe Aus-

gangsviruslast, schwarze Hautfarbe, IL28B-Non-CC-Genotyp, früheres Nichtansprechen auf PEG-

und Ribavirin) assoziiert waren (Gilead, 2015). Die DGVS empfiehlt keine Therapiever-

längerung bei negativen Prädiktoren, da ihrer Ansicht nach keine Studiendaten vorliegen, die dieses

Vorgehen rechtfertigen (DGVS, 2015). Die Empfehlung einer Therapieverlängerung auf 16 Wochen

für Patienten mit Re-Therapie und Leberzirrhose bewerten die Autoren der LL ebenfalls nur mit dem

Evidenzgrad V (DGVS, 2015).

124

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 16: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 3 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der ent-sprechenden Fachinformationen

Genotyp 3

Therapienaiv Therapieerfahren

Therapieregime mit ZH ohne ZH mit ZH ohne ZH LL vs. FI

PEG-Interferon-freie Therapieregime

SOF + RBV 24 BW1 24 BW 24 BW1 24 BW LL

24 BW 24 BW 24 BW 24 BW Gilead (2015)

SOF + DCV ± RBV – 12 BW 24 BW1 12 BW LL

24 BW – 24 BW – BMS (2014)

SOF + LDV (Fix) + RBV

– 12 BW 24 BW1 12 BW LL

24 BW – 24 BW 24 BW Gilead (2014)

ZH = Zirrhose. LL = Leitlinie. FI = Fachinformation. BW = Behandlungswoche(n). 1Alternative Therapie bei entsprechender Verträglichkeit: Tripel-Therapie mit Sofosbuvir, PEG- (DGVS, 2015).

Als Standardtherapie empfohlen (DGVS, 2015).

Nicht als Standardtherapie bzw. nur in Einzelfällen empfohlen (DGVS, 2015).

Für die Therapie der cHC vom Genotyp 3 gehen auch hier die Empfehlungen der DGVS in Richtung

einer Interferon-freien Behandlung (DGVS, 2015). Sofosbuvir ist sowohl bei den Therapien der ersten

Wahl als auch bei der nur in Einzelfällen vorgesehenen Behandlung fester Bestandteil derselben.

Aufgrund der besseren Verträglichkeit sehen die Autoren der LL Sofosbuvir + Ribavirin über eine

Behandlungsdauer von 24 Wochen zur Erst- und Re-Therapie als Mittel der ersten Wahl (DGVS,

2015). Von dieser Empfehlung ausgenommen sind therapieerfahrene Patienten mit Zirrhose. Für

diese Patientengruppe kann bei entsprechender Verträglichkeit auf eine konventionelle Tripel-

Therapie, bestehend aus Sofosbuvir + PEG-Interferon + Ribavirin, eingestellt werden, ebenfalls

über einen Zeitraum von 24 Wochen (DGVS, 2015). Sowohl die duale als auch die konventionelle

Tripel-Therapie werden laut der Angaben der Fachinformation zur Therapie der cHC vom GT3 zuge-

lassen (Gilead, 2015; BMS, 2014).

Eine Tripel-Therapie, bestehend aus Sofosbuvir + Daclatasvir + Ribavirin über 24 Wochen, empfehlen

die Fachgesellschaften ebenfalls nur bei therapieerfahrenen Patienten mit Zirrhose, allerdings auch

hier nur mit dem Evidenzgrad V belegt (DGVS, 2015). So liegen nach Angaben der LL-Autoren bislang

125

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

noch keine Daten zur Effektivität der Kombinationstherapie bei dieser Patientensubgruppe vor, auf-

grund der zusätzlichen antiviralen Aktivität von Daclatasvir sei eine Steigerung der Effektivität jedoch

zu vermuten (DGVS, 2015). Die Empfehlung einer Gabe von Sofosbuvir und Daclatasvir über zwölf

Wochen für Patienten ohne Zirrhose zur Erst- und Re-Therapie stellt auch hier die Behandlung der

ersten Wahl dar (DGVS, 2015). Mit dieser Empfehlung weicht die DGVS von der Fachinformation ab.

Diese sieht für die Therapie der cHC vom GT3 grundsätzlich die Tripel-Kombination bestehend aus

Daclatasvir + Sofosbuvir + Ribavirin über eine Behandlungsdauer von 24 Wochen vor (BMS, 2014).

Wie schon für die Behandlung der Infektion mit GT2 bestehen auch für die Therapie der cHC mit GT3

viele Unsicherheiten hinsichtlich der wirksamsten Anwendungsweise von Daclatasvir (BMS, 2014).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Tripel-Therapie mit Sofosbuvir + Ledipasvir + Ribavirin. Nach An-

gaben der Fachinformation liegen nur begrenzt klinische Daten vor, die eine Anwendung der fixen

Kombination + Ribavirin bei Patienten mit einer HCV-Infektion vom GT3 unterstützen (Gilead, 2014).

So wurde die relative Wirksamkeit eines zwölfwöchigen Behandlungsregimes nicht untersucht. Aus

diesem Grund empfiehlt sich die konservative Behandlungsdauer über 24 Wochen bei allen vorbe-

handelten Genotyp-3-Patienten sowie bei therapienaiven Genotyp-3-Patienten mit Zirrhose (Gilead,

2014). Aus Sicht der LL-Autoren stellt – mit Einschränkung – die Gabe von Sofosbuvir, Ledipasvir und

Ribavirin bei Patienten ohne Zirrhose über zwölf Wochen eine Therapiealternative zur 24-wöchigen

Behandlung mit Sofosbuvir + Ribavirin bzw. zur zwölfwöchigen Therapie mit Sofosbuvir und Dacla-

tasvir dar (DGVS, 2015).

126

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 17: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 4 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der ent-sprechenden Fachinformationen

Genotyp 4

Therapienaiv Therapieerfahren

Therapieregime mit ZH ohne ZH mit ZH ohne ZH LL vs. FI

PEG-Interferon-freie Therapieregime

SOF + LDV (Fix) ± RBV

12 BW 12 BW 12 BW 12 BW LL

12-24 BW 12 BW 12-24 BW 12-24 BW Gilead (2014)

OMV + PRV + RTV (Fix) + RBV

– 12 BW – 12 BW LL

24 BW 12 BW 24 BW 12 BW abbvie (2015a)

SOF + SMV ± RBV 12 BW 12 BW 12 BW 12 BW LL

12 BW 12 BW 12 BW 12 BW Janssen (2014)

SOF + DCV ± RBV – 12-24 BW – 12-24 BW LL

12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW BMS (2014)

PEG-Interferon-basierte Therapieregime

SOF + PEG-RBV

– – 12 BW 12 BW LL

12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW Gilead (2015)

ZH = Zirrhose. LL = Leitlinie. FI = Fachinformation. BW = Behandlungswoche(n). 1Alternative Therapie bei entsprechender Verträglichkeit: Tripel-Therapie mit Sofosbuvir, PEG- Ribavirin (DGVS, 2015).

Als Standardtherapie empfohlen (DGVS, 2015).

Nicht als Standardtherapie bzw. nur in Einzelfällen empfohlen (DGVS, 2015).

Behandlung wird aufgrund vorhandener Therapiealternativen nicht mehr empfohlen (DGVS, 2015).

Für die antivirale Therapie der cHC vom Genotyp 4 sprechen die Fachgesellschaften neben einer

PEG-Interferon-freien Therapie auch Empfehlungen für ein PEG-Interferon-basiertes Therapieregime

aus (DGVS, 2015). In Kombination mit Sofosbuvir und Ribavirin sollte das letztgenannte Regime al-

lerdings ihrer Auffassung nach nur zur Re-Therapie eingesetzt werden. Der Leberstatus der vorbe-

handelten Patienten bleibt dem Hinweis entsprechend unberücksichtigt. Die Therapieoption sollte

ausschließlich dem Einzelfall vorbehalten sein (Evidenzgrad V) (DGVS, 2015). Begründet sehen die

Autoren der LL ihre einschränkende Empfehlung in der Annahme, dass Patienten mit einem Null-

Response auf PEG-Interferon + Ribavirin am geringsten von der Tripel-Kombination, als Re-

127

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Therapie über eine Behandlungszeit von zwölf Wochen profitieren, da hier die additiven Effekte der

Kombination aus direkt antiviraler und konventioneller Therapie am geringsten ausgeprägt seien

(DGVS, 2015). Indes empfiehlt die Fachinformation für alle Patienten mit cHC vom GT4 die Therapie-

dauer möglicherweise über zwölf Wochen hinaus auf bis zu 24 Wochen zu verlängern, insbesondere

für Subgruppen mit einem oder mehreren der negativen prädiktiven Faktoren (Gilead, 2015). Über

diese Empfehlung hinaus enthält die Fachinformation die Angabe, dass keine Phase-III-Studien vor-

liegen, in denen therapieerfahrene Patienten zur Studienpopulation gehörten. Eine optimale Be-

handlungsdauer wurde für diese Patientengruppen nicht bestimmt (Gilead, 2015).

Auch für die PEG-Interferon-freien Therapieregime gehen die Empfehlungen der DGVS im Vergleich

zum vorliegenden Zulassungsstatus in Richtung einer kürzeren Therapiedauer. Sowohl die Fachin-

formation als auch die Fachgesellschaften sehen eine zusätzliche Gabe von Ribavirin zur fixen Kom-

bination von Sofosbuvir und Ledipasvir nur bei Patienten mit Zirrhose indiziert (DGVS, 2015; Gilead,

2014). Der Leberstatus als Ausgangssituation für diese Tripel-Therapie ist aber jeweils ein anderer.

Während die Autoren der LL die Indikation durch den Oberbegriff der Leberzirrhose als gegeben

sehen (DGVS, 2015), unterscheidet die Fachinformation genauer: eine kompensierte Zirrhose wird

hier nur mit der dualen Fixkombination therapiert, bei Vorliegen einer dekompensierten Zirrhose

bzw. vor oder nach einer Lebertransplantation sollte laut Zulassungsstatus die zusätzliche Gabe von

Ribavirin erfolgen (Gilead, 2014).

Aufgrund fehlender Daten befürworten die Autoren der LL die Anwendung der fixen Kombination

bestehend aus Ombitasvir und Ritonavir-geboostertem Paritaprevir + Ribavirin nur bei nicht-

zirrhotischen Patienten (DGVS, 2015). Demgegenüber empfiehlt die Fachinformation eine 24-

wöchige Behandlungsdauer auch bei Patienten mit Zirrhose (abbvie, 2015a). Zwar sei aufgrund feh-

lender Daten die optimale Therapiedauer bei Vorliegen einer kompensierten Zirrhose nicht erwie-

sen, basierend auf In-vitro-Daten zur antiviralen Aktivität und den verfügbaren klinischen Daten zum

HCV-Genotyp 1 werde aber für Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 4 und kompensierter

Zirrhose eine konservative Therapiedauer von 24 Wochen empfohlen (abbvie, 2015a).

Die dualen Kombinationen bestehend aus Sofosbuvir + Simeprevir bzw. Sofosbuvir + Daclatasvir und

möglicherweise einer zusätzlichen Gabe von Ribavirin werden von den Fachgesellschaften nur noch

in Einzelfällen befürwortet (DGVS, 2015). Das letztgenannte Regime soll dabei ausschließlich zur Erst-

und Re-Therapie bei nicht-zirrhotischen Patienten indiziert sein (DGVS, 2015).

128

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 18: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC vom Genotyp 5/6 nach den Empfehlungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen

Genotyp 5/6

Therapienaiv Therapieerfahren

Therapieregime mit ZH ohne ZH mit ZH ohne ZH LL vs. FI

PEG-Interferon-freie Therapieregime

LDV + SOF (Fix) + RBV

12 BW 12 BW 12 BW 12 BW LL

– – – – Gilead (2014)

SOF + DCV + RBV 12 BW 12 BW 12 BW 12 BW LL

– – – – BMS (2014)

PEG-Interferon-basierte Therapieregime

SOF + PEG-RBV

12 BW 12 BW 12 BW 12 BW LL

12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW 12-24 BW Gilead (2015)

ZH = Zirrhose. LL = Leitlinie. FI = Fachinformation. BW = Behandlungswoche(n).

Als Standardtherapie empfohlen (DGVS, 2015).

Nicht als Standardtherapie bzw. nur in Einzelfällen empfohlen (DGVS, 2015).

Sowohl die PEG-Interferon-freie Therapie basierend auf Ledipasvir + Sofosbuvir als fixe Kombination

plus Ribavirin bzw. die PEG-Interferon-basierende Therapie mit zusätzlicher Gabe von Sofosbuvir und

Ribavirin befürworten die Fachgesellschaften als Standardtherapien zur Behandlung der cHC vom

GT5/6 (DGVS, 2015). In Einzelfällen ist auch eine Kombinationstherapie aus Sofosbuvir + Daclatasvir

+ Ribavirin möglich (DGVS, 2015). Nach Angaben der DGVS liegen bislang nur Daten für die Behand-

lung therapienaiver bzw. therapieerfahrener Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 6 mit

der Tripel-Therapie bestehend aus Sofosbuvir, Ledipasvir und Ribavirin über einen Behandlungszeit-

raum von zwölf Wochen vor. Aufgrund ähnlicher In-vitro-antiviraler Aktivitäten von Ledipasvir bei

HCV Genotyp 5 und 6 sei allerdings auch eine hohe klinische Effektivität von Ledipasvir beim Geno-

typ 5 zu erwarten (DGVS, 2015). Aus diesem Grund belegen die Autoren der LL diese Empfehlung wie

auch die Kombinationstherapie mit Daclatasvir nur mit dem Evidenzgrad V. Für die PEG-Interferon-

freien Therapieregime zur Behandlung der cHC vom Genotyp 5 bzw. 6 finden sich keine Therapie-

empfehlungen in den entsprechenden Fachinformationen (Gilead, 2014; BMS, 2014). Für die auf

PEG- basierende Therapie empfiehlt die Fachinformation bei Vorliegen negativer Prä-

diktoren eine Verlängerung der Therapie auf 24 Wochen (Gilead, 2015).

129

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 19: Übersicht verschiedener Therapieregime für die Behandlung der cHC bei dekompen-sierter Leberzirrhose sowie vor und nach Lebertransplantation vom Genotyp 1-6 nach den Empfeh-lungen der aktuellen DGVS-Leitlinie im Vergleich zum Zulassungsstatus der entsprechenden Fachinformationen

Genotyp 1-6 Therapie bei dekompensierter Leberzirrhose sowie vor und nach Lebertransplantation

Therapieregime Therapiedauer LL vs. FI

PEG-Interferon-freie Therapieregime

LDV + SOF (Fix) ± RBV 12 BW 24 BW LL

24 BW Gilead (2014)

OMV + PRV + RTV (Fix) ± DSV ± RBV

12-24 BW LL1

12-24 BW abbvie (2015a; 2015b)2

SOF + RBV

12-24 BW LL

Bis zur Lebertransplanta-tion

Gilead (2015)3

SMV + SOF ± RBV 12-24 BW LL

– Janssen (2014) (Verweis auf SOF)

DCV + SOF ± RBV 12-24 BW LL

– BMS (2014)

ZH = Zirrhose. LL = Leitlinie. FI = Fachinformation. BW = Behandlungswoche(n). 1Nur bei maximal kompensierter Zirrhose (DGVS, 2015). 2Angaben beziehen sich nur auf lebertransplantierte Patienten mit cHC GT1 bzw. cHC GT4 (abbvie, 2015). 3Sicherheit und Wirksamkeit von Sofosbuvir zur Behandlung der HCV-Infektion bei Patienten mit einer dekompensierten Lebererkrankung wurde nicht nachgewiesen (Gilead, 2015).

Als Standardtherapie empfohlen (DGVS, 2015).

Nicht als Standardtherapie bzw. nur in Einzelfällen empfohlen (DGVS, 2015).

Therapieoptionen bei dekompensierter Leberzirrhose vor oder nach einer Lebertransplantation wer-

den auch von Seiten der Fachgesellschaften nur mit Einschränkungen empfohlen. So wurden in der

Regel Patienten mit einer dekompensierten Lebererkrankung bzw. vor, während oder nach einer

Lebertransplantation nicht in das Patientenkollektiv von klinischen Studien mitaufgenommen. Nach

Angaben der DGVS konnte die Kombinationstherapie aus Sofosbuvir plus Ledipasvir und Ribavirin

über zwölf bzw. 24 Wochen bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose (Child B und C) sowie nach

einer Lebertransplantation in mehreren Studien untersucht werden. In der entsprechenden Fachin-

formation findet sich allerdings der Hinweis, dass die relative Wirksamkeit einer zwölf- bzw. 24-

130

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

wöchigen Therapie in diesem speziellen Patientenkollektiv nicht untersucht wurde. Aus dem Grund

wird eine generelle Behandlung über 24 Wochen empfohlen (Gilead, 2014).

8.2.1.2 Diskussion der Ergebnisse

Vor dem Beginn einer Behandlung mit PEG-Interferon a-

ren Diagnose der chronischen Infektion mit Hepatitis C-Viren, einschließlich der Bestimmung des

verursachenden Genotyps und des Leberstatus. Die Dringlichkeit einer medikamentösen Behand-

lung, beeinflusst durch Alter, Geschlecht und Risikoprofil des Patienten, durch Leberwerte und

Krankheitsstadium zum Diagnose-Zeitpunkt und bestehende Komorbiditäten, ist zunächst grundsätz-

lich zu diskutieren. Sicher sollte bei der Entscheidung auch bedacht werden, dass die Erfolgsaussich-

ten einer antiviralen Behandlung mit dem Alter, dem Leberstatus und steigender Viruslast sinken

(Foster et al., 2007). Aufgrund der langsam fortschreitenden Erkrankung können sich Zeitpunkt und

Auswahl der Behandlung gemäß den Empfehlungen der europäischen und amerikanischen Fachge-

sellschaften durchaus an den individuellen Gegebenheiten der Betroffenen orientieren. Eine soforti-

ge Behandlung wird bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose (METAVIR Score 3 und 4), Leber-

transplantaten oder extrahepatischen Manifestationen empfohlen, während bei Patienten mit weni-

ger schwerwiegendem Krankheitsstadium, mit minimaler oder keiner Fibrose der Therapiebeginn

kritisch diskutiert werden kann. Die Autoren der deutschen Leitlinie raten indes zu einer frühzeitigen

Behandlung aller Patienten.

Für die Therapie der HCV-Infektion sind neben den bereits etablierten Wirkstoffen PEG-

und Ribavirin mit ihren langen Vermarktungszyklen nun auch mehrere direkt antiviral wirksame

Substanzen zugelassen, deren Wirksamkeit auf der Interaktion mit unterschiedlichen drug targets

beruht. Bis auf wenige Ausnahmen werden von den Autoren der LL PEG-Interferon-freie Therapiere-

gime empfohlen. Gründe dafür sind neben den höheren SVR-Raten auch die bessere Verträglichkeit

sowie die verkürzte Therapiedauer und verlängerten Dosierungsintervalle. Folglich fehlen die Wirk-

stoffe Boceprevir und Telaprevir, deren Markteinführung gerade vier Jahre zurückliegt und die ge-

mäß Zulassung nur als Tripel-Therapie in Kombination mit PEG-

werden dürfen, in der Leitlinie.

Nach Gegenüberstellung der unterschiedlichen Sachverhalte konnten bei allen Genotypen Abwei-

chungen der Leitlinienempfehlungen im Vergleich zu den Hinweisen der entsprechenden Fachinfor-

mationen identifiziert werden. Unterschiede fanden sich entweder in der Behandlungsdauer (wobei

sich die Autoren der LL in der Regel für kürzere Therapiezeiten aussprachen) oder in der Anwendung

eines antiviralen Wirkstoffes bzw. einer Wirkstoffkombination für bestimmte HCV-Genotypen. Zu

131

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

gleichen Ergebnissen führte die Analyse im Hinblick auf die Behandlung der Patienten mit dekom-

pensierter Zirrhose sowie für Leber-transplantierte Patienten oder solche, für die ein Spenderorgan

langfristig die einzige Therapieoption darstellt. Für die Beurteilung eines OLU kann die Abweichung

von der Dauer einer Anwendung gehören, die mit zu den Pflichtangaben der Zulassungsunterlagen

zählt (siehe Kapitel 1 Abschnitt 1.2.1). Auch hier weichen die Empfehlungen der DGVS teils erheblich

von denen der entsprechenden Fachinformation ab. Die Einschätzungen der DGVS gründen sich

gerade bei Patientenkollektiven mit unsicherer Datenlage auf Studien mit kleineren Fallzahlen, post

hoc-Subgruppenanalysen für bestimmte Patientenuntergruppen sowie auf Annahmen und Rück-

schlüsse von bereits etablierten Therapieoptionen anderer Genotypen.

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang aber, dass die neuen Therapieverfahren zwar außerge-

wöhnlich hohe Heilungsraten versprechen, aber dass lange nicht so viele klinische Erfahrungen zur

Wirksamkeit, Nachhaltigkeit der Behandlung und Verträglichkeit vorliegen wie für die bislang emp-

fohlenen – und in offiziellen Bewertungsverfahren des G-BA und IQWiG immer noch als Vergleichs-

therapien verwendeten – Behandlungsoptionen. Vor allem für die in 2014 zugelassenen direkt antivi-

ral wirkenden Mittel wie Ledipasvir, Dasabuvir, Ombitasvir und Paritaprevir sind lediglich für kleine

Patientenkollektive und über kurze Behandlungszeiträume Daten vorhanden. Eine statistische Absi-

cherung der gefundenen Therapieeffekte PEG-Interferon-freier Behandlungen gegenüber der bishe-

rigen Standardtherapie steht somit aus. Langzeitstudien fehlen aufgrund des erst seit kurzem erfolg-

ten Marktzugangs ebenfalls. Fragen zu möglichen Resistenzentwicklungen können genauso wenig

zufriedenstellend beantwortet werden. Trotz ihrer Hinweise auf die verbesserungsbedürftige Daten-

lage und obwohl direkte Vergleichsaussagen zur dualen oder Tripel-Standardtherapie für die neuen

Therapieoptionen aufgrund fehlender Studien nicht möglich sind, forcieren die Autoren der LL die

neuen Therapien und das in der Regel unter der Angabe kürzerer Behandlungszeiten bzw. Missach-

tung der zugelassenen Genotypen. Auffällig dabei ist, dass die Leitlinien-Autoren zum Teil Erst- und

bzw. oder Co-Autoren der überwiegend industriefinanzierten pivotalen Studien waren. Die Unpartei-

lichkeit von Leitlinienautoren mit angegebenen oder unterstellten Interessenkonflikt sollte somit

grundsätzlich kritisch hinterfragt werden, wenn es um die Bewertung der ausgesprochenen Empfeh-

lungen geht. Solche Hinweise geben Anlass, hinter den LL-Bewertungen auch industriegeleitete Inte-

ressen zu vermuten. Einzig die LL-Empfehlungen, Therapien möglichst zu verkürzen, sprechen dage-

gen. Schließlich ist eine längere Behandlungszeit auch mit höheren Absätzen der entsprechenden

Wirkstoffe verbunden und käme einem ökonomisch geleiteten Interesse entgegen. Andererseits

wird in der LL auch immer wieder darauf hingewiesen, dass kürzere Therapiedauern für bestimmte

Patientensubgruppen mit höheren Relapse-Raten verbunden sind. Die Empfehlungen sind auch

schlecht mit einem Forschungsinteresse zu begründen, da die Fallzahlen, die von einer kürzeren

132

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Behandlungsdauer profitieren würden, zu gering sind, um sie letztendlich auf eine größere Populati-

on zu beziehen.

Im vierten Kapitel dieser Arbeit wurde beschrieben, dass der pU einen nach seiner Auffassung be-

stimmungswidrigen Gebrauch explizit durch Kennzeichnung, Packungsbeilage und Fachinformation

ausschließen muss (Buchner & Jäkel, 2003; Meyer & Grunert, 2005). Er kann den bestimmungswidri-

gen Arzneimittelgebrauch durch die Nennung von Kontraindikationen einschränken bzw. ausschlie-

ßen, um seinen Haftungsumfang einzugrenzen (Göben, 2009). Bei den hier untersuchten Wirkstoffen

wurde die Therapie eines anderen als der empfohlenen Genotypen zwar nicht als Kontraindikation

deklariert, es fanden sich allerdings Hinweise dazu unter dem Abschnitt 4.4 der Fachinformation

(Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung). Allein bei der fixen Kombi-

nation Viekirax® (Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir) ist die Anwendung dieser Wirkstoffkombina-

tion bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung kontraindiziert (Child-Pugh C) (abbvie,

2015a). Eine Kontraindikation wird also nur im schädlichsten Fall vom pU ausgesprochen, ein in Fra-

ge kommender OLU möglicherweise dadurch erleichtert.

In der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse kann somit von einer breiten Befürwortung eines OLU von

Seiten der Fachgesellschaften gesprochen werden – und zwar ohne dass sich entsprechende Hinwei-

se im Addendum finden. Zwar belegen die Autoren der LL ihre Empfehlungen mit einem entspre-

chenden Evidenzgrad (V) und weisen zu Beginn ihrer Ausführungen darauf hin, dass es sich bei dem

schlechtesten Evidenzgrad V um Expertenmeinungen ohne explizite kritische Bewertung oder basie-

rend auf physiologischen Modellen, Laborforschungsresultaten oder first principles handelt, das allein

lässt allerdings keine automatischen Rückschlüsse auf einen OLU zu. Wenn Befürwortungen ausge-

sprochen werden, die eine zulassungsüberschreitende Anwendung nach sich ziehen, sollten diese a

priori auch als solche kenntlich gemacht werden. Bemerkenswert auch, dass eine breit aufgestellte

Fürsprache für einen OLU in sämtlichen Bereichen (Genotyp, Therapieregime, Behandlungsdauer) in

den meisten Fällen nicht etwa aufgrund mangelnder Therapieoptionen erfolgt – wie zu Beginn ver-

mutet – da Therapiealternativen vorhanden sind. Das bestärkt ebenfalls den Verdacht, dass in Emp-

fehlungen, die im Rahmen von Leitlinien ausgesprochen werden, nicht nur Forschungsinteressen von

Seiten der Ärzteschaft, sondern auch Interessen pharmazeutischer Unternehmer miteinfließen. Der

OLU sollte ausschließlich dem Interesse und Wohl des Patienten dienen und nicht aufgrund falscher

Anreize ins Leben gerufen werden. Wenn sich eine zulassungsüberschreitende Anwendung in For-

schungsinteresse begründet, so bietet § 35 c SGB V in Verbindung mit § 31 AM-RL genügend Spiel-

raum, diese im Rahmen einer klinischen Prüfung durchzuführen23.

23 So gilt mit Einführung des § 35 c SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 1. April 2007 ein OLU im Rahmen einer klinischen Prüfung als zulässig und von der GKV zu finanzieren.

133

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Entscheiden sich Ärzte, im Fall der Therapie der chronischen Hepatitis C dennoch „leitlinienkonform“

nach der DGVS zu behandeln, sollten sie sich auch über die Bedeutung medizinischer Leitlinien und

der daraus folgenden rechtlichen Konsequenz (Haftungsanspruch des Patienten im Schadensfall,

mögliche Regress-Ansprüche seitens der GKV) im Klaren sein. Bei Leitlinien bzw. Therapieempfeh-

lungen handelt es sich um systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und

Patienten. Sie sollen als Orientierungshilfen verstanden werden, von denen in begründeten Fällen

ein Abweichen erlaubt oder sogar verlangt wird (BÄK & KBV, 1997). Leitlinien stellen im Gegensatz zu

Richtlinien24 Orientierungshilfen dar. Sie sind somit nicht juristisch, sondern nur normativ verbindlich

(Ollenschläger et al., 2000). Medizinische Handlungsempfehlungen werden mittlerweile von den

verschiedenen Ärzteorganisationen, Fachgesellschaften sowie von regionalen (Ärztekammern, Fach-

organisation der Länder) und lokalen Institutionen (Krankenhausabteilungen, Praxisnetzen) aufge-

stellt und herausgegeben (Müller, 2009). Durch formalisierte Konsensusverfahren (z.B. Delphi-

Methode oder Konsensuskonferenzen), in denen innerhalb einer ausgewählten Expertengruppe

Mehrheitsmeinungen gebildet werden, kommt medizinischen Leitlinien insbesondere mit Blick auf

den Grad der professionellen Akzeptanz einer Behandlungsmethode eine erhebliche Bedeutung zu

(Müller, 2009). Das Deutsche Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung (DELBI) soll die Be-

wertung der methodischen Qualität medizinischer Leitlinien ermöglichen und dient als Hilfe für Ent-

wickler und Anwender medizinischer Leitlinien zur Beurteilung deren methodologischer Qualität

(awmf & äzq, 2008). Von einer endgültigen Harmonisierung des Leitlinienverfahrens kann dennoch

nicht ausgegangen werden (Müller, 2009). Auch muss berücksichtigt werden, dass sich der medizini-

sche Standard laufend ändert, ohne dass dieser gleichzeitig Eingang in Leitlinien findet. Im umge-

kehrten Fall gilt, dass sich allein durch die Aufnahme einer (pharmakologischen) Behandlungsoption

in eine Leitlinie noch lange kein medizinischer Standard ergibt. So heißt es in einem aktuellen Urteil

des Bundesgerichtshofes (BGH, 2014; Urteil vom 15.04.2014. Az: VI ZR 382/12):

Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen

Standard gleichgesetzt werden. (…) Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den

medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher

Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (BGH, 2014).

24 Während Leitlinien eine gewisse Verbindlichkeit zukommen soll, können Sanktionen bei vorliegenden Verstößen gegen Richtlinien verhängt werden (Brunkhorst & Dittmayer, 2008).

134

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

In betreffendem BGH-Urteil ging es um den Beweiswert von Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder

Verbände für die Bestimmung des medizinischen Standards bei der Versorgung einer Frau mit Hoch-

risikoschwangerschaft (Wiegard, 2014). Der Kerngedanke dieses Urteils ist, dass Leitlinien, die erst

nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind, nicht für die Beur-

teilung von Sachverhalten herangezogen werden dürfen, die vor dem Veröffentlichungsdatum dieser

Leitlinien liegen (Wiegard, 2014). Für die Beurteilung der Angemessenheit einer Behandlung ist somit

entscheidend, was Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung ist.

Nach wie vor gilt also, dass ein Haftungsgrund im Schadensfall nicht etwa der unzureichende oder

möglicherweise schlechte Ausgang einer (pharmakologischen) Therapie ist, sondern das Abweichen

vom medizinischen Standard (Gaßner & Stömer, 2012). Vor Gericht ist somit allein der medizinische

Standard zum Zeitpunkt der Behandlung relevant. Leitlinien können zwar helfen, den medizinischen

Standard zu ermitteln, sie bestimmen ihn aber nicht konstitutiv (Nölling, 2014). Wenn Arzneimittel

erst kurz zuvor auf den Markt gekommen sind, kann und darf nicht von einem medizinischen Stan-

dard ausgegangen werden. So hat eine Behandlungsmethode vor ihrer Etablierung als medizinischer

Standard das Stadium des medizinischen Erprobungshandelns (individueller Heilversuch) zu durchlau-

fen. Ein OLU im sogenannten individuellen Heilversuch kann dann erfolgen, wenn zugelassene Alter-

nativen fehlen oder sich der Erfolg einer Behandlung nicht eingestellt hat. Der Therapieansatz dieses

Heilversuches muss schlüssig sein und darf nur unter strengen Nutzen-Risiko-Abwägungen erfolgen.

Dem Arzt unterliegt eine umfassende Informationspflicht, um das Selbstbestimmungsrecht des ein-

zelnen Patienten hinreichend zu berücksichtigen (siehe Kapitel 3).

Ein Abweichen von den Anweisungen aus der Fachinformation ist somit nur dann berechtigt, wenn

es dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Um eine sichere Arzneimittel-

therapie gewährleisten zu können, übermittelt die Fachinformation notwendige wissenschaftliche

Informationen. In der Anwendung eines Arzneimittels entgegen ihrer Beschreibungen, Warnhinwei-

se und Kontraindikationen kann ein Behandlungsfehler gesehen werden. Zumindest dann, wenn das

Abweichen von der Fachinformation mit einer Missachtung des ärztlichen Therapiestandards einher-

geht (Gaßner & Strömer, 2012). Wird der Therapiestandard verlassen, kann dies nicht nur zivilrecht-

liche Folgen wie Schadensersatz und Schmerzensgeld, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen

(Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung) nach sich ziehen25.

Aber auch in den Fachinformationen lassen Empfehlungen häufig Diskrepanzen erkennen. Gerade

dann, wenn einerseits – wie beim Beispiel der chronischen Hepatitis C dargestellt – die antivirale

Therapie eines spezifischen Genotyps empfohlen wird (inklusive der Angabe der Behandlungsdauer),

25 Im Juli 2007 verurteilte das Landgericht Ellwangen (Urteil vom 18.07.2007, Az.: 2KLs 11 Js 21209/02) einen Arzt zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst und entgegen den Angaben auf der Packungsbeilage hatte er das Narkotikum Propofol mehrmalig und längerfristig im Ge-brauch, obwohl die Fachinformation ausdrücklich darauf hinwies, dass die Flasche nur zur einmaligen Anwendung bestimmt und nach Ende der Verabreichung an einen Patienten zu vernichten sei (LG Ellwangen, 2007).

135

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

sich jedoch in dem Abschnitt 4.4 Hinweise ergeben, dass der zu therapierende Patient nicht Untersu-

chungsgegenstand in klinischen Studien war. Interessant auch deshalb, weil der Umgang mit solchen

„Studienlücken“ unterschiedlich gehandhabt wird. So lassen sich auch Fachinformationen auffinden,

die Therapieeinschränkungen unter dem Abschnitt 4.4 aufführen und konsequenterweise keine

Therapieempfehlungen unter dem Abschnitt 4.2 (Dosierung und Art der Anwendung) angeben.

Eine Zulassung für die Anwendung bei erwachsenen Patienten mit dem HCV vom Genotyp 1 konnte

für alle neuen Substanzen erreicht werden. Bis auf Telaprevir, Boceprevir und Dasabuvir gilt dies

auch für erwachsene Patienten mit dem HCV vom Genotyp 4. Für die anderen Genotypen (GT 2/3,

5/6) sind die empfohlenen Therapieoptionen hingegen weitaus eingeschränkter: Der NS5A-Inhibitor

Daclatasvir und der nukleosidische Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir sind die einzigen neuen Wirk-

stoffe, die in Kombination mit anderen Substanzen zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen

1 bis 6 befürwortet wurden. Es ist unbestritten, dass durch eine verbesserte Zulassungssituation

folgerichtig auch Empfehlungen von Seiten der Fachgesellschaften herausgegeben werden können,

die mit den Auffassungen der Zulassungsbehörden und pharmazeutischen Unternehmen überein-

stimmen.

Ein Grund der mangelhaften Datenlage für die Genotypen 2/3 bzw. 5/6 liegt möglicherweise darin,

dass der HCV vom Genotyp 1 mit seinen beiden Subtypen 1a und 1b weltweit die höchste Prävalenz

hat, wobei der Subtyp 1a in erster Linie in den USA und der Subtyp 1b in Europa zu finden ist (We-

demeyer et al., 2012). Für die westlichen Industrieländer sind in erster Linie die ubiquitär vorkom-

menden Genotypen 1 bis 3 von Bedeutung, während die verbleibenden Genotypen 4 bis 6 mit einer

Infektionsrate von drei Prozent eine untergeordnete Rolle spielen (Zipprich & Dollinger, 2010).

Weltweit sind aber die letztgenannten Genotypen für 20 Prozent der Hepatitis C-Infektionen ver-

antwortlich (Antaki et al., 2010). Es ist somit auch nicht überraschend, dass sich gerade in westlichen

Industrieländern der überwiegende Teil der klinischen Studien, daraus resultierende Publikationen

sowie Therapieempfehlungen mit den in diesen Regionen häufigsten Genotypen beschäftigen. Zu

bedenken gilt, dass eine zunehmende Migration auch zu einer Verschiebung der Genotyp-

Vorkommen führt. Eigentlich eher selten vorkommende Genotypen der entsprechenden Region

finden auf einmal Einzug in den Therapiealltag und konfrontieren Ärzte mit fehlenden Behand-

lungsoptionen. Gerade die oft fehlenden zuverlässigen Aussagen zu Sicherheit und Wirksamkeit der

aufgeführten Therapieregime zur Behandlung von Patienten, die auch in der Praxis an ihre Behand-

lungsgrenzen stoßen, sind nicht unerheblich. Dies meint nicht nur „exotische“ Genotypen, sondern

beispielsweise auch Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose oder solche nach einer Leber-

transplantation. In den Fachinformationen der betreffenden Arzneimittel sind für diese Patientenkol-

lektive oftmals nur wenige Angaben zu finden, in erster Linie wegen des Ausschlusses bestimmter

Patientenkollektive aus klinischen Studien. Ein Rückfall sowie der Verlust des Transplantats stellen

136

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

aber ein ernstzunehmendes Problem dar. Wechselwirkungen mit Immunsuppressiva schränken hier

mögliche Therapieoptionen weiter ein. Auch aus diesem Grund können Fachgesellschaften unter

Nutzen-Risiko-Aspekten Empfehlungen abgeben, die sich unter Umständen nur auf kleine Fallzahlen

berufen. Dennoch: durch den Mangel an randomisierten Studien, der oftmals geringen Zahl der Pati-

enten und der Heterogenität der klinischen Untersuchungen müssen diese Ergebnisse kritisch hinter-

fragt werden.

Unbestritten ist auch die Tatsache, dass Zulassungsstatus und ärztliche Behandlung nicht immer

denselben Konsens aufweisen müssen oder sogar sollen. Dies allein bedingt schon die rechtliche

Auflage für die Bewilligung einer Zulassung einerseits (siehe Kapitel 1) und die Therapiefreiheit des

Arztes andererseits (siehe Kapitel 3). Schließlich bedeutet eine spezifische und detaillierte Festle-

gung des Anwendungsgebietes eine Einschränkung des ärztlichen (Be)Handlungsspielraums, der im

Allgemeinen den aktuellen Kenntnisstand schneller berücksichtigen und umsetzen kann als eine

nicht nur kostenintensive (und damit für den pU möglicherweise uninteressante), sondern auch eine

zeitlich verzögernde Zulassungserweiterung. Eine behördliche Zulassungserteilung eines Arzneimit-

tels in einer bestimmten Indikation schließt nicht automatisch Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in

anderen Anwendungsgebieten aus. Festzuhalten bleibt schlussendlich, dass selbst dann, wenn sich

durch die Zulassung neuer Wirkstoffe gerade für schwer therapierbare Patienten neue pharmakolo-

gische Ansatzpunkte aufzeigen, die Sicherheit einer evidenzbasierten Bewertung oft nicht Schritt

hält. Wird zusätzlich der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln aufgrund der Empfeh-

lung unterschiedlicher Fachgesellschaften befürwortet oder sogar forciert, muss kritisch angemerkt

werden, dass auch ein kontrollierter OLU außerhalb klinischer Prüfungen keine wissenschaftlichen

Erkenntnisse liefert, die über den Einzelfall hinausgehen. Eine systematische Erfassung unerwünsch-

ter Arzneimittelwirkungen, die in der breiten Anwendung und unter realen Bedingungen auftreten

und die den Kern eines jeden Pharmakovigilanz-Systems darstellt, wird außerdem durch einen ge-

duldeten OLU ad absurdum geführt.

137

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2 Neue Mittel zur Therapie der chronischen Hepatitis C

Weichen Empfehlungen der Fachgesellschaften von dem Zulassungsstatus eines Arzneimittels ab,

wird dies häufig mit dem Fortschritt medizinischer Erkenntnisse begründet, der durch Leitlinien

schneller erfasst und umgesetzt werden kann, als eine Zulassungserweiterung. Klinische Forschung

stellt die Grundlage des medizinischen Fortschritts dar und ist zugleich die Voraussetzung einer evi-

denzbasierten Medizin (Kabisch et al., 2011). Goldstandard dieser angewandten Wissenschaft sind

randomisierte und klinische Studien (randomised controlled trials, RCTs). Zum Vergleich dienen be-

reits etablierte Therapien oder Placebo, um die Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Wirkstoffes

nachweisen zu können (Kabisch et al., 2011). Während RCTs in der klinischen Forschung primär das

Ziel haben, patientenrelevante Forschungsfragen zu untersuchen, dienen sie der Arzneimittelent-

wicklung als Grundlage der behördlichen Zulassungsentscheidung (Kabisch et al., 2011). Die Genera-

lisierbarkeit der Ergebnisse solcher Studien auf die breite Bevölkerung und unter realen Bedingungen

muss allerdings kritisch hinterfragt werden. Begleiterkrankungen und Medikationen im klinischen

Alltag werden und können oft nicht Berücksichtigung im therapeutischen Entwicklungsprogramm

finden. Auch das homogene Patientenkollektiv reflektiert nicht die Versorgungsrealität.

Während zuvor aufgezeigt werden konnte, dass die Empfehlungen der Fachgesellschaften trotz vor-

handener Behandlungsoptionen – und deshalb mitunter nicht immer nachvollziehbar – von der

Fachinformation und somit auch vom Zulassungsstatus abweichen, soll in diesem Abschnitt der Fra-

ge nachgegangen werden, wie sich die Ergebnisse von Zulassungsstudien im späteren Zulassungssta-

tus wiederfinden. Erfolgt die Zulassung „Ergebnis-orientiert“ oder ergeben sich Hinweise für eine

theory of the second best. Aus sozial- wie auch aus haftungsrechtlicher Sicht nimmt die Zulassung

eine entscheidende Rolle ein und beeinflusst damit unmittelbar eine angemessene patientenindivi-

duelle Versorgung.

Im Fokus des dritten Teils steht die Studienanalyse der für die Zulassung entscheidenden Wirkstoffe

zur Therapie der chronischen Hepatitis C. Analysiert werden sollen vor allem Unterschiede bezüglich

des Patientenkollektivs, der Studienmedikation, der Behandlungsdauer sowie die SVR als primären

Endpunkt. Im Fokus steht dabei nicht die Qualität der pivotalen Studien. Zu Beginn werden kurz die

Ergebnisse der Literaturrecherche umrissen, auf die dann in den entsprechenden Wirkstoff-

Abschnitten detaillierter eingegangen werden soll. Neben den Zulassungsstudien dienen auch hier

die Hinweise aus den Fachinformationen bzw. der EMA Assessment Reports als Grundlage für die

spätere Diskussion. Für die individuelle Versorgung des betroffenen Patienten können außerdem die

Ergebnisse der G-BA-Nutzenbewertung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben. Diese kön-

138

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

nen die Therapieentscheidung der Ärzte maßgeblich beeinflussen, wenn es um persönliche For-

schungsinteressen geht, die als innovativ bewerteten Wirkstoffe auch in der Praxis anzuwenden.

Ergebnisse der Literaturrecherche

Nach Anwendung der Ausschlusskriterien (siehe Kapitel 7.1.1) wurden für die Bewertung der Stu-

dienlage insgesamt 64 Publikationen (davon 59 mit Volltext) berücksichtigt (Abbildung 28). Tabelle

20 enthält die Basischarakteristika der zusammengefassten Studien.

Abbildung 28: Flowchart der Literaturrecherche zur Fragestellung des Off-Label Use aufgrund fehlender Therapieoptionen am Beispiel der chronischen Hepatitis C

139

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 20: Übersicht aller eingeschlossenen Studien der Phase I-III

Autor Jahr

Journal

Wirkstoff oder Wirkstoffkombinationen Genotyp Studientyp

Afdhal et al.

2014a The New English

Journal of Medicine

Ledipasvir + Sofosbuvir 1 Phase III

Afdhal et al.

2014b The New English

Journal of Medicine

Ledipasvir + Sofosbuvir 1 Phase III

Andreone et al. 2014

Gastroenterology

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1b Phase III

Bacon et al.

2011 The New English

Journal of Medicine

Boceprevir 1 Phase III

Benhamou et al.

2013 The Journal of Infec-

tious Diseases

Telaprevir 4 Phase IIa

Bruno et al.* 2013

Journal of Hepatology

Boceprevir 1 Phase III

Charlton et al. 2015

Gastroenterology

Sofosbuvir LT Phase II

Curry et al. 2015

Gastroenterology

Sofosbuvir 1-6 Phase II

Dieterich et al.

2014 Clinical Infectious

Diseases

Simeprevir 1 + HIV Phase III

Dore et al.

2015 Gastroenterology

Daclatasvir 2/3 Phase IIb

Feld et al.

2014 The New English

Journal of Medicine

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1 Phase III

Ferenci et al.*

2014 The New English

Journal of Medicine

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1 Phase III

Flamm et al. 2013

Clinical Gastroenterol-ogy and Hepatology

Boceprevir 1 Phase III

Forns et al. 2014

Gastroenterology

Simeprevir 1 Phase III

Foster et al. 2014

Gastroenterology

Telaprevir 2/3 Abstract o.A.

Fried et al.

2013 Hepatology

Simeprevir 1 Phase IIb

140

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Autor Jahr

Journal

Wirkstoff oder Wirkstoffkombinationen Genotyp Studientyp

Gane et al.

2013 The New English

Journal of Medicine

Sofosbuvir 1-3 Phase II

Genebat et al. 2014

Antiviral Research

Telaprevir 1 + HIV Abstract o.A.

Hayashi et al.

2014 Journal of Gastroente-

rology

Simeprevir 1 Phase II

Hayashi et al.

2012 Journal of Viral Hepati-

tis

Telaprevir 1 Phase III

Hézode et al. 2014a

Gastroenterology

Telaprevir Boceprevir

1 Abstract o.A.

Hézode et al. 2014b

Gut

Daclatasvir 1, 4 Phase IIb

Hézode et al.

2009 The New English

Journal of Medicine

Telaprevir 1 Phase II

Izumi et al.*

2014 Journal of Gastroente-

rology

Simeprevir 1 Phase III

Jacobson et al. 2014

Lancet

Simeprevir 1 Phase III

Jacobson et al.*

2013 The New English

Journal of Medicine

Sofosbuvir 2/3 Phase III

Jacobson et al.

2011 The New English

Journal of Medicine

Telaprevir 1 Phase III

Kowdley et al.

2014a The New English

Journal of Medicine

Ledipasivr + Sofosbuvir 1 Phase III

Kowdley et al.

2014b The New English

Journal of Medicine

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1 Phase IIb

Kowdley et al. 2013

Lancet

Sofosbuvir 1 Phase II

Kwo et al. 2014

The New English Journal of Medicine

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

LT Phase II

Kwo et al. 2010

Lancet

Boceprevir 1 Phase II

Lawitz et al. 2014a Lancet

Simeprevir + Sofosbuvir 1 Abstract o.A.

Lawitz et al. 2014b Lancet

Sofosbuvir + Ledipasvir 1 Phase II

141

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Autor Jahr

Journal

Wirkstoff oder Wirkstoffkombinationen Genotyp Studientyp

Lawitz et al.*

2013a The New English

Journal of Medicine

Sofosbuvir 1, 4, 5, 6 Phase III

Lawitz et al.

2013b The Lancet. Infectious

Diseases

Sofosbuvir 1-3 Phase II

Manns et al. 2014a Lancet

Simeprevir 1 Phase III

Manns et al. 2011

Antiviral Therapy

Simeprevir 1 Phase II a

Manns et al.* 2014b

Liver International

Boceprevir 1 Phase II/III

Marcellin et al. 2011

Gastroenterology

Telaprevir 1 Abstract o.A.

McHutchison

2010 The New English

Journal of Medicine

Telaprevir 1 Phase II

McHutchison

2009 The New English

Journal of Medicine

Telaprevir 1 Phase II

Molina et al. 2015

Lancet

Sofosbuvir 1-4 + HIV Phase III

Moreno et al. 2012

Journal of Hepatology

Simeprevir 2-6 Phase IIa

Muir et al.* 2011

Hepatology

Telaprevir 1 Phase II

Osinusi et al. 2015 JAMA

Sofosbuvir + Ledipasvir 1 + HIV Phase II b

Osinusi et al.

2014 Annals of International

Medicine

Sofosbuvir + Ledipasvir 1 Phase IIa

Osinusi et al. 2013 JAMA

Sofosbuvir 1 Phase I

Pol et al.

2012 The Lancet. Infectious

Diseases

Daclatasvir 1 Phase II

Poordad et al.

2014 The New English

Journal of Medicine

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1 Phase III

Poordad et al.

2011 The New English

Journal of Medicine

Boceprevir 1 Phase III

Reddy et al.

2015 The Lancet. Infectious

Diseases

Simeprevir 1 Phase III

142

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Autor Jahr

Journal

Wirkstoff oder Wirkstoffkombinationen Genotyp Studientyp

Reesink et al. 2010

Gastroenterology

Simeprevir 1 Phase I

Sherman et al.

2011 The New English

Journal of Medicine

Telaprevir 1 Phase III

Sulkowski et al.

2013a The Lancet. Infectious

Diseases

Boceprevir 1 + HIV Phase II

Sulkowski et al. 2015 JAMA

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1 + HIV Phase III

Sulkowski et al. 2014a JAMA

Sofosbuvir 1-3 + HIV Phase III

Sulkowski et al.

2014b The New English

Journal of Medicine

Daclatasvir + Sofosbuvir 1-3 Phase II

Sulkowski et al.

2013b Annals of International

Medicine

Telaprevir 1 + HIV Phase IIa

Toyota et al.

2013 Journal of Viral Hepati-

tis

Telaprevir 1b Phase II

Zeuzem et al.

2014a The New English

Journal of Medicine

Sofosbuvir 2/3 Phase III

Zeuzem et al. 2014b

Gastroenterology

Simeprevir 1 Phase IIb

Zeuzem et al.

2014c The New English

Journal of Medicine

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir + Dasabuvir

1 Phase III

Zeuzem et al.

2011 The New English

Journal of Medicine

Telaprevir 1 Phase III

LT = Lebertransplantation

*Es wird nur die Anzahl der Publikationen gewertet. Wenn in einer Publikation zwei Studien veröffentlicht werden, zählt sie trotzdem nur als eine Publikation.

143

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die eingeschlossenen Studien wurden in insgesamt 17 Journals publiziert, alle in englischer Sprache.

Der größte Anteil dieser Publikationen wurde im The New England Journal of Medicine veröffentlicht

(34 Prozent) (Tabelle 21). Knapp 44 Prozent der Publikationen beschrieben Phase-III-Studien. Zu den

Wirkstoffen mit der nach den hier angewendeten Kriterien besten Studienlage zählten die Protease-

Inhibitoren Telaprevir (n = 15; Markteinführung: Oktober 2011) und Simeprevir (n = 12; Markteinfüh-

rung: Juni 2014) sowie der nukleosidische Polymerase-(NS5B-) Inhibitor Sofosbuvir (n = 11; Marktein-

führung: Januar 2014) (Tabelle 20). Mit der Einführung neuer direkt antiviral wirkender Arzneimittel

in den Jahren 2014 und 2015 stiegen auch die Anzahl der Publikationen (Tabelle 20). Veröffentli-

chungen aus dem Jahr 2015 konnten nur für das erste Quartal berücksichtigt werden (n = 7). Da in

naher Zukunft mit weiteren Zulassungen neuer Wirkstoffe zu diesen Indikationen gerechnet werden

kann, wird auch die Publikation klinischer Studien dazu zunehmen. Eine detaillierte Ergebnisbe-

schreibung der Studien ist in den entsprechenden Kapiteln zu dem jeweiligen Wirkstoff zu finden

(siehe Kapitel 8.2.2.1-4).

Tabelle 21: Top 5 der Fachzeitschriften nach der Anzahl der Publikationen klinischer Studien Phase I-III zwischen 01.01.2009-01.04.2015 zur Therapie der chronischen Hepatitis C

Titel der Fachzeitschrift

Impact Factor

Anzahl veröffentlichter Publikationen

Anteil an allen Artikeln in Prozent* (N = 64)

The New England Journal

of Medicine

54,42 22 34 %

Gastroenterology

13,926 10 16 %

Lancet

39,207 7 11 %

Lancet. Infectious diseases

19,446 4 6 %

JAMA

30,000 4 6 %

* Bei den Angaben in Prozent handelt es sich um gerundete Werte.

144

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.1 Protease-Inhibitoren

8.2.2.1.1 Boceprevir

Als Inhibitor der viralen NS3-Protease bindet Boceprevir an die Seringruppe im aktiven Zentrum der

NS3-Protease und blockiert so die Virusreplikation in HCV-infizierten Zellen (Poordad et al., 2011).

Aufgrund des Risikos von Resistenzmutationen darf die Gabe von Boceprevir nicht als Monotherapie

erfolgen (MSD, 2015; Susser et al., 2011).

Für die Zulassung von Boceprevir waren zwei randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte

Phase-III-Studien entscheidend (Tabelle 22).

Tabelle 22: Boceprevir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Poordad et al. (2011)

(SPRINT-2)

Phase III

doppelblind

SVR 24 Wochen

nges = 1.099; davon ausgewer-tet N = 1.097 (GT1, therapienaiv)

Behandlungsdauer: 28-48 Wochen

Lead in: PEG-INF -2b + RBV (4 BW), Fortsetzung mit BOC + PEG-INF -2b + RBV (24 BW)

Lead in: PEG-INF -2b + RBV (4 BW), Fortsetzung mit BOC + PEG-INF -2b + RBV (44 BW)

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x/Woche

RBV: 600-1.400 mg täglich

BOC: 2.400 mg täglich

63-66 %

Primärer Endpunkt: Beide Boceprevir-Arme zeigen eine signifikante Überle-genheit gegenüber dem Standard of Care

Bacon et al. (2011)

(RESPOND 2)

doppelblind

SVR 24 Wochen

nges = 404; davon ausgewertet N = 403 (GT1, therapieerfahren)

Behandlungsdauer: 36-48 Wochen

Lead in: PEG-INF -2b + RBV (4 BW), Fortsetzung mit BOC + PEG-INF -2b + RBV (32 BW)

Lead in: PEG-INF -2b + RBV (4 BW), Fortsetzung mit BOC + PEG-INF -2b + RBV (44 BW)

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x/Woche

RBV: 600-1.400 mg täglich

BOC: 2.400 mg täglich

59-66 %

Primärer Endpunkt: Die verschiedenen Tripel-Therapie-regime sind der dualen Behandlung signifikant überlegen

145

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Poordad et al. (2011; SPRINT-2) untersuchten die Wirksamkeit von Boceprevir als Therapie für eine

chronische HCV-Infektion vom Genotyp 1 bei therapienaiven Erwachsenen. Nicht mit in das Studien-

kollektiv aufgenommen wurden u.a. Patienten mit HIV-Koinfektion oder dekompensierter Zirrhose.

Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. Neben der placebokontrollierten Gruppe (erste

Gruppe) erhielten die Patienten entweder Boceprevir + PEG-Interfer -2b + Ribavirin über 24

Wochen (zweite Gruppe) oder über eine Dauer von 44 Wochen (dritte Gruppe). Wenn in der zweiten

Gruppe Patienten eine nachweisbare HCV-RNA in Behandlungswoche 8 und 24 aufwiesen, erhielten

sie für weitere 20 Wochen PEG-Interferon -2b + Ribavirin. In allen drei Gruppen wurde die Behand-

lung über vier Wochen mit PEG- -2b + Ribavirin eingeleitet (Lead-in). Die Studienmedika-

tion wurde unterbrochen, wenn in der 24. Behandlungswoche noch der Nachweis einer HCV-RNA

erbracht werden konnte. Der primäre Endpunkt war ein anhaltendes virologisches Ansprechen, defi-

niert als nicht nachweisbare HCV-RNA im Serum 24 Wochen nach Beendigung der Therapie. Beide

Boceprevir-Arme zeigten eine signifikante Überlegenheit gegenüber dem Standard of Care (PEG-

). Das Kollektiv in der Studie von Bacon et al. (2011; RESPOND-2) umfasste

hingegen erwachsene Patienten (cHC GT1), die nicht auf eine vorangegangene Therapie angespro-

chen oder einen Rückfall erlitten hatten. Aus diesem Kollektiv ausgeschlossen wurden ebenfalls u.a.

Patienten mit HIV-Koinfektion oder dekompensierter Zirrhose. Null-Responder (historisch definiert

als Abnahme der HCV-RNA-Viruslast < 2 log10 in Woche 12 gegenüber Behandlungsbeginn) wurden

ebenfalls ausgeschlossen. Primärer Endpunkt war jeweils das anhaltende virologische Ansprechen

(SVR), definiert als fehlende Nachweisbarkeit der HCV-RNA im Blut mindestens 24 Wochen nach dem

Ende der Therapie. Auch in dieser Studie wurde das Kollektiv in drei Gruppen eingeteilt. Die Studi-

enmedikation entsprach der von SPRINT-2, jedoch mit dem Unterschied, dass in der zweiten Gruppe

die Behandlungsdauer der Studienmedikation Boceprevir + PEG-Interferon -2b + Ribavirin über 32

Wochen verabreicht wurde. Wiesen die Patienten in dieser Gruppe einen HCV-RNA in Behandlungs-

woche 8 auf, erhielten sie für weitere zwölf Wochen PEG-Interferon -2b + Ribavirin. Auch hier zeig-

ten sich die Tripel-Therapieregime gegenüber der dualen Behandlung als signifikant überlegen.

Im Juli 2011 wurde Boceprevir als erster Protease-Inhibitor von der EMA in einem beschleunigten

Verfahren zugelassen. Der Wirkstoff ist indiziert zur Behandlung der cHC vom Genotyp 1 in Kombina-

tion mit PEG- ompensierter Lebererkran-

kung, die nicht vorbehandelt sind oder die nicht auf eine vorangegangene Therapie angesprochen

bzw. einen Rückfall erlitten haben (MSD, 2015). Die empfohlene Dosis von Boceprevir beträgt drei-

mal täglich 800 mg (maximale Tagesdosis 2.400 mg).

146

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

Wie bereits in den Studien ermittelt, müssen auch laut Fachinformation (Tabelle 23) Lead-in sowie

Stopp-Regeln beachtet werden. Die theoretische Begründung der vorgeschalteten einleitenden Pha-

se beruht auf der Annahme, dass durch eine vierwöchige Gabe der Standardtherapie ein steady state

erreicht wird. Die sich daraus ergebende niedrigere Viruslast zu Beginn der Therapie mit Boceprevir

soll das Risiko der Ausbildung von Resistenzvarianten und daraus resultierenden Virusdurchbrüchen

minimieren (EMA, 2011). Da in den beiden relevanten Zulassungsstudien unterschiedliche Stopp-

Regeln angewandt wurden, vereinheitlichte der pU im Verlauf des Zulassungsverfahrens die Stopp-

Regeln, die sowohl in der Erst- als auch in der Re-Therapie dringend eingehalten werden müssen

(Beendigung der Tripel-Therapie, wenn in Behandlungswoche 12 die HCV-RNA bei gleich oder größer

100 IU/ml liegt und Beendigung der Tripel-Therapie bei einer nachweisbaren HCV-RNA in Behand-

lungswoche 24). Die Daten aus den beiden Schlüsselstudien wurden mit Hilfe retrospektiver Analy-

sen miteinander verknüpft, weswegen die empfohlene Dosierung geändert wurde – im Vergleich zu

den Dosierungen, die in einigen Patientensubgruppen geprüft wurden (MSD, 2015).

Obwohl Null-Responder zunächst von der Studienpopulation ausgeschlossen wurden (RESPOND-2),

beantragte der pU im Nachhinein die Erweiterung der Indikation auch für diese Subgruppe mit der

Begründung, dass Patienten mit einer Abnahme der HCV-RNA-Viruslast < 1 log10 am Ende der vier-

wöchigen Einleitungsphase mit vorherigen Null-Respondern gleichzusetzen seien (EMA, 2011). Des

Weiteren wird in der Zulassung für die Re-Therapie mit Boceprevir grundsätzlich eine Therapie über

48 Wochen ohne die Möglichkeit einer Therapieverkürzung empfohlen, da im Boceprevir-Arm über

die längere Behandlungsdauer im Vergleich zur individualisierten Therapie höhere SVR-Raten er-

reicht wurden. Da der pU Daten zu der vergleichbaren Wirksamkeit mit der Gabe von PEG-Interferon

-2a nachreichen konnte, ist auch dieses pegylierte Interferon in Kombination mit Ribavirin und

-2a und -2b unterscheiden sich auf struktureller

Ebene nur durch eine Aminosäure. Diese beeinträchtigt weder erwünschte noch unerwünschte Arz-

neimittelwirkungen (EMA, 2011). Ein vergleichbarer Einsatz ist somit möglich. Abweichungen in den

Zulassungen sind mit Unterschieden in den vom Hersteller eingereichten Unterlagen aus den klini-

schen Studien zu erklären. Dagegen hat die Bindung des Interferon-Moleküls mit Polyethylenglykol

(PEG) Auswirkungen auf die Elimination des Interferons. Durch die strukturelle Veränderung ist die

Eliminationshalbwertszeit auf bis zu 70 Stunden verlängert, was eine einmalige Injektion pro Woche

ermöglicht (Mutschler et al., 2008). Zu beachten gilt, dass sich die lange Wirkdauer bei Unverträg-

lichkeitsreaktionen auch nachteilig auswirken kann.

147

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Unklar ist noch, ob durch ein frühes virologisches Ansprechen auf die Behandlung und bzw. oder

durch die Bestimmung des IL28B-Genotypus verlässlich Patienten identifiziert werden können, bei

denen durch die zusätzliche Gabe von Boceprevir zur dualen Kombinationstherapie ein signifikanter

Nutzen (höhere SVR-Raten oder kurze Behandlungsdauer) unwahrscheinlich ist (EMA, 2011).

Tabelle 23: Boceprevir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

MSD (2015) Dosierung*

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x wöchentlich oder PEG-INF -2a: 180 g 1x wöchentlich, RBV: 1.000 mg täglich, BOC: 2.400 mg täglich

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 (therapienaiv, ohne Zirrhose)

Behandlungsdauer: 28 Wochen

Lead-in: PEG- -BW) (Voraussetzung: wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 8 und 24 nicht nachweisbar)

Behandlungsdauer: 48 Wochen1

Lead-in: PEG- - BW), Fortsetzung mit PEG- -RNA in Behandlungswoche 8 nachweisbar und in Behandlungswoche 24 nicht nachweisbar)

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 (Patienten, die nicht auf eine vorangegangene Therapie ange-sprochen haben bzw. einen Rück-fall erlitten haben, ohne Zirrhose)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

Lead-in: PEG- -BW) und Beendigung in Behandlungswoche 36, Fortsetzung mit PEG-RBV (12 BW) (unabhängig von der Nachweisbarkeit der HCV-RNA in Behand-lungswoche 8 und 24).

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 (alle zirrhotischen Patienten und Null-Responder)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

Lead-in: PEG- - BOC (44 BW)

*Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate: Victrelis® (Boceprevir), PegIntron®, Pega-sys® (PEG-Interferon -2a), Copegus® (Ribavirin). 1Dieses Dosierungsschema wurde nach Angabe des pharmazeutischen Unternehmers nur an bereits vorbehandelten Late Respondern untersucht (MSD, 2015).

148

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Der G-BA bewertete den Zusatznutzen von Boceprevir im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichs-

therapie bestehend aus PEG- seinem Beschluss vom 1. März 2012 kon-

statierte der G-BA sowohl bei therapienaiven als auch bei therapieerfahrenen Patienten mit chroni-

scher HCV-Infektion (Genotyp 1) einen Hinweis auf einen Zusatznutzen von Boceprevir, allerdings

mit nicht quantifizierbarem Ausmaß (G-BA, 2012a). Begründet sieht der G-BA seinen Beschluss

darin, dass in den Patientengruppen der therapienaiven und therapieerfahrenen Patienten, für die

jeweils ein Zusatznutzen festgestellt wurde, auch die Gruppe der Patienten mit Zirrhose sowie Pati-

enten mit Koinfektionen enthalten waren. Auch wurden in der Gruppe der Therapieerfahrenen die

Gruppe der Null-Responder mit erfasst. Da für diese Patientengruppen keine ausreichenden Daten

zur Bewertung des Zusatznutzens vorliegen, können dementsprechend keine gesicherten Aussagen

im Hinblick auf den primären Endpunkt SVR gemacht werden (G-BA, 2012b). Das signifikant häufige-

re Auftreten von Anämien unter der Behandlung von Boceprevir führte in der Gesamtschau letztend-

lich ebenfalls zu dieser G-BA-Bewertung.

149

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.1.2 Telaprevir

Wirkstoff und Pharmakologie

Telaprevir ist ein Inhibitor der HCV-NS3/4A-Serinprotease, die für die virale Replikation essentiell ist.

Da der HC-Virus eine hohe genetische Variabilität besitzt, können sich beim Einsatz direkt antiviral

wirkender Mittel häufig Resistenzen entwickeln. Aus diesem Grund darf auch dieser Wirkstoff nur in

Kombination mit der bisherigen Standardtherapie bestehend aus PEG-

angewendet werden (MSD, 2014).

Zulassungsrelevant waren drei Phase-III-Studien, die Telaprevir in Kombination mit der Standardthe-

rapie bestehend aus PEG-Interferon und Ribavirin an therapienaiven (Jacobson et al., 2011; Sher-

man et al., 2011) sowie an therapieerfahrenen Patienten (mit Relapse, partiellen Respondern und

Null-Respondern) (Zeuzem et al., 2011) untersuchten (Tabelle 24).

Die erste Schlüsselstudie (ADVANCE) war eine randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte

Studie der Phase III, in der zwei Behandlungsregime von Telaprevir (acht Behandlungswochen im

Vergleich zu zwölf Behandlungswochen) in Kombination mit der konventionellen Therapie, beste-

hend aus PEG- -2a und Ribavirin, getestet worden sind (Jacobson et al., 2011). Einge-

schlossen waren therapienaive Patienten mit cHC vom Genotyp 1, Ausschlusskriterien waren wie

zuvor schon bei Boceprevir u.a. eine diagnostizierte dekompensierte Leber und bzw. oder Koinfekti-

onen mit HIV oder Hepatitis B. Diese Studie war die erste, in der die Wirksamkeit des Protease-

Inhibitors durch ein kürzeres Behandlungsregime nachgewiesen werden sollte. Bei Nachweis einer

HCV-RNA nach vier Wochen wurde die Gabe von Telaprevir beendet. Wurde der Nachweis nach

zwölf Behandlungswochen erbracht, wurde der Therapie ein virologisches Versagen konstatiert. Der

primäre Endpunkt war ein anhaltendes virologisches Ansprechen definiert als nicht nachweisbare

HCV-RNA im Serum 24 Wochen nach Beendigung der Therapie. Die geprüften Tripel-Regime über

acht bzw. zwölf Wochen waren der Kontrollbehandlung über 48 Wochen signifikant überlegen. Al-

lerdings wurde häufiger ein virologisches Versagen im achtwöchigen Telaprevir-Arm dokumentiert

(Jacobson et al., 2011).

150

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 24: Telaprevir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Zeuzem et al. (2011)

(REALIZE)

Phase III

doppelblind

SVR 24 Wochen

nges = 663; davon ausgewertet N = 662; (GT1, therapieerfah-ren)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

TVR + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (36 BW) oder

Lead in: PEG-INF -2a + RBV (4 BW), Fortsetzung mit TVR + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung PEG-INF -2a + RBV (32 BW)

PEG-INF -2a: 180 g 1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

TVR: 2.250 mg täglich

29-88 %

Primärer Endpunkt signifikant: Die geprüf-ten Tripel-Regime mit und ohne Lead-in waren der dualen Therapie über 48 Wochen bestehend aus PEG-Interferon und Ribavirin in allen Sub-gruppen (Relapser, Non-Responder, partiel-le Responder) überle-gen

Sherman et al. (2011)

(ILLUMINATE)

Phase III

offen

SVR 24 Wochen

nges = 544, davon ausgewertet N = 540; (GT1, therapienaiv)

Behandlungsdauer: 24 Wochen

TVR + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (12 BW)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

TVR + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (36 BW)

PEG-INF -2a: 180 g 1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

TVR: 2.250 mg täglich

88-92 %

Primärer Endpunkt erfüllt: Nicht-Unterlegenheit für Patienten mit rascher virologischer Antwort auf Tripel-Therapie über zwölf Wochen für Nachbehandlung mit dualer Therapie über zwölf bzw. 36 weitere Wochen

Jacobson et al. (2011)

(ADVANCE)

Phase III

doppelblind

SVR 24 Wochen

nges = 1.095, davon ausgewertet N = 1.088; (GT1, therapienaiv)

Behandlungsdauer: 24-48 Wochen

TVR + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (12 BW) (wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nachweisbar, Gabe von PEG-INF -2a + RBV für weitere 36 Wochen)

TVR + PEG-INF -2a + RBV (8 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (12 BW) (wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nachweisbar, Gabe von PEG-INF -2a + RBV für weitere 36 Wochen)

PEG-INF -2a: 180 g 1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

TVR: 2.250 mg täglich

69-75 %

Primärer Endpunkt signifikant: Die geprüf-ten Tripel-Regime über acht bzw. zwölf Wo-chen waren der Kon-trollbehandlung über 48 Wochen überlegen

151

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Sherman et al. (2011) untersuchten in ihrer Studie die SVR-Raten von Patienten, die einen extended

rapid viral response (eRVR) – definiert als nicht detektierbare HCV RNA in der vierten und zwölften

Behandlungswoche (Wedemeyer et al., 2012a) – unter der Tripel-Therapie Telaprevir + PEG-

– erzielten. Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen der ADVANCE-Studie.

Patienten mit einer eRVR beendeten die Studie entweder nach 24 Wochen Behandlung oder erhiel-

ten wie die Patienten ohne eRVR die duale Standardtherapie bis zur Behandlungswoche 48. Der

primäre Endpunkt war ein anhaltendes virologisches Ansprechen, definiert als nicht nachweisbare

HCV-RNA im Serum 24 Wochen nach Beendigung der Therapie. Das Ergebnis der Studie zeigte eine

Nicht-Unterlegenheit für Patienten mit rascher virologischer Antwort auf die Tripel-Therapie über

zwölf Wochen im Vergleich zur Nachbehandlung mit der dualen Standardtherapie über zwölf bzw. 36

weitere Wochen (response guided algorithm). Zirrhotische Patienten mit eRVR erzielten hingegen

höhere SVR-Raten nach 48 Wochen Behandlungsdauer im Vergleich zu der verkürzten Therapie über

24 Wochen. Die Studie unterstützt damit eine Antwort-geführte Therapie in der Erstbehandlung.

In ihrer REALIZE-Studie untersuchten Zeuzem et al. die Nicht-Unterlegenheit eines Behandlungsre-

gimes ohne gegenüber eines Behandlungsregimes mit Lead-in (Zeuzem et al., 2011). Das Studienkol-

lektiv bestand aus therapieerfahrenen Patienten mit cHC vom Genotyp 1. Der primäre Endpunkt war

ein anhaltendes virologisches Ansprechen definiert als nicht nachweisbare HCV-RNA im Serum 24

Wochen nach Beendigung der Therapie. Die geprüften Tripel-Regime mit und ohne Lead-in waren

der dualen Therapie über 48 Wochen bestehend aus PEG-Interferon -2a und Ribavirin in allen Sub-

gruppen (Relapser, Non-Responder, partielle Responder) überlegen. Die Wahrscheinlichkeit eines

erneuten virologischen Versagens hing von einem vorherigen Ansprechen ab und zeigt die Bedeu-

tung von PEG- in der Therapie mit einem DAA (Zeuzem et al., 2011).

Nach Boceprevir erfolgte im September 2011 die Zulassung des zweiten Protease-Hemmstoffes

Telaprevir zur Behandlung der cHC vom Genotyp 1 bei erwachsenen Patienten mit kompensierter

Lebererkrankung (einschließlich Zirrhose). Das Mittel ist indiziert zur Behandlung der cHC-Infektion

vom Genotyp 1 in Kombination mit der dualen Standardtherapie bei erwachsenen Patienten mit

kompensierter Lebererkrankung, die nicht vorbehandelt sind oder die nicht auf eine vorangegangene

Therapie angesprochen bzw. einen Rückfall erlitten haben (MSD, 2014). Die empfohlene Gesamt-

tagesdosis von Telaprevir beträgt 2.250 mg. Die Gesamtdauer der Behandlung ist abhängig vom

Krankheitsbild und -verlauf und kann insgesamt bis zu 48 Wochen betragen.

152

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

Aufgrund der Ergebnisse aus der REALIZE-Studie und dem daraus folgenden Verzicht eines Lead-in ist

die Tripel-Therapie mit Telaprevir im Vergleich zur Therapie mit Boceprevir um zwölf Wochen kürzer.

Anders als in der Studie von Zeuzem et al. (2011) beschrieben, wird in der Fachinformation (MSD,

2014) die verkürzte Therapie von einer Gesamtdauer über 24 Wochen auch für Relapser angezeigt.

Voraussetzung dafür ist eine nicht nachweisbare HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 (Tabelle

25).

Tabelle 25: Telaprevir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

MSD (2014)

Dosierung*

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x wöchentlich oder PEG-INF -2a: 180 g 1x wöchentlich, RBV: 1.000 mg täglich, TVR: 2.250 mg täglich

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 (therapienaive Erwachsene und vorbehandelte Patienten mit Relap-se)1

Behandlungsdauer: 24 Wochen

TVR + PEG- -(Voraussetzung: wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nicht nach-weisbar)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

TVR + PEG- -(Voraussetzung: wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nachweisbar)

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 (vorbehandelte Erwachsene mit vorherigem partiel-lem Ansprechen oder Null-Responder)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

TVR + PEG- -weitere 36 Wochen (Gesamtbehandlung 48 Wochen)

**Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate: Incivo® (Telaprevir), PegIntron®, Pega-sys® (PEG-Interferon -2a), Copegus® (Ribavirin).

Nach Auffassung des CHMP (EMA, 2011a) waren die Rezidiv-Raten vorheriger Relapser mit einer

nicht nachweisbaren HCV-RNA in Behandlungswoche vier und zwölf niedrig oder vergleichbar mit

den Rezidiv-Raten zuvor unbehandelter Patienten. Des Weiteren wurde vom pU eine pharmakomet-

rische Datenanalyse nachgereicht, aus der hervorging, dass „mögliche Relapser“ allein durch die

Gabe der konventionellen Therapie (PEG- e-

rücksichtigung dieser Daten betrachtete das CHMP die Gründe für eine verkürzte Behandlungszeit

153

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

als hinreichend überzeugend. Die bei der Arzneimittel-Entwicklung eingesetzten Stopp-Regeln variie-

ren zwischen den klinischen Studien. Optimale Stopp-Regeln können nicht innerhalb einer Studie in

vollem Umfang erfasst werden. Mit seinem Zulassungsantrag reichte der pU Stopp-Regeln ein, die in

keiner der Pivotalstudien angewendet wurden. Diese stellen eine Simplifikation der verschiedenen

Stopp-Regeln dar, die in den Phase-III-Studien angewendet wurden (EMA, 2011a).

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Mit dem Hinweis, dass das Ausmaß des Zusatznutzens aufgrund fehlender Daten (virologisches

Ansprechen gegenüber zweckmäßiger Vergleichstherapie verbessert, Vermeidung von Folgekompli-

kationen nicht belegt) nicht quantifizierbar sei, konstatierte der G-BA in seinem Beschluss vom

29.03.2012 für die Kombination von Telaprevir mit PEG- -

n-

ten mit chronischer Hepatitis C Genotyp 1 einen Hinweis auf einen Zusatznutzen (G-BA, 2012c).

Zuvor attestierte das IQWiG in seinem Abschlussbericht einen Zusatznutzen nur bei bestimmten

Patientengruppen: So fehlte gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ein Zusatznutzen bei

therapienaiven Patienten mit niedriger Viruslast bei Therapiebeginn, wohingegen bei hoher Viruslast

ein Vorteil anerkannt wurde (IQWiG, 2012). Auch erreichten Relapser durch die Tripel-Therapie un-

ter Anwendung von Telaprevir zusätzlich zur Standardtherapie häufiger eine virologische Freiheit. Bei

Null-Respondern sieht das IQWiG vor allem einen Vorteil für Patienten, die noch keine Zirrhose ent-

wickelt haben (IQWiG, 2012).

154

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.1.3 Simeprevir

Wie bei anderen HCV-Proteasehemmern beruht die Wirkung auf einer nicht-kovalente Hemmung

der viralen NS3/4A-Protease, welche für die Virusvermehrung von Bedeutung ist.

Zulassungsrelevant waren drei randomisierte Studien der Phase III (Forns et al., 2014; Jacobson et

al., 2014; Manns et al., 2014a). Primärer Endpunkt war jeweils das anhaltende virologische Anspre-

chen, definiert als fehlende Nachweisbarkeit der HCV-RNA im Blut mindestens zwölf Wochen nach

dem Ende der Therapie (Tabelle 26). Der ursprünglich geplante primäre Endpunkt (SVR 24) wurde –

basierend auf der engen Korrelation zwischen SVR 12 und SVR 24 aus zwei Phase-IIb-Studien – ver-

lassen und in SVR 12 geändert (EMA, 2014).

Jacobson et al. (2014; QUEST-1) untersuchten in ihrer doppelblinden Phase-III-Studie die Wirksam-

keit und Sicherheit an therapienaiven Erwachsenen, die mit dem HCV vom Genotyp 1 infiziert waren.

Nicht mit in diese Studie aufgenommen wurden u.a. Patienten mit dekompensierter Zirrhose oder

einer HCV-Infektion eines anderen Genotypus. Die Dauer der Therapie richtete sich nach dem virolo-

gischen Ansprechen auf die Behandlung. Demnach erhielten die Studienteilnehmer einmal täglich

150 mg Simeprevir über zwölf Wochen in Kombination mit der konventionellen Therapie (PEG-

-2a + Ribavirin) über insgesamt 24 oder 48 Wochen. Gut 85 Prozent der Studienpopula-

tion aus der Verum-Gruppe erfüllten die im Studienprotokoll vorgesehenen Kriterien26 einer Ant-

wort-gesteuerten Therapie und verkürzten die Studienmedikation auf eine gesamte Behandlungs-

dauer von 24 Wochen. 91 Prozent dieser Subgruppe erzielten den primären Endpunkt (SVR, definiert

als fehlende Nachweisbarkeit der HCV-RNA im Blut mindestens zwölf Wochen nach dem Ende der

Therapie). Der primäre Endpunkt in der Gesamtpopulation war signifikant gegenüber Placebo (Ja-

cobson et al., 2014).

In der Pivotalstudie QUEST-2 (Manns et al., 2014), die ein vergleichbares Design aufwies wie QUEST-

1, wurde neben PEG- -2a auch PEG- -2b eingesetzt, limitiert auf eine ausge-

wählte Anzahl von Ländern und mit einer vorgeschalteten 1:1-Randomisierung des Studienkollektivs.

In dieser Studie erfüllten 91 Prozent des Verum-Kollektivs die im Studienprotokoll vorgesehenen

Kriterien einer Antwort-gesteuerten Therapie und konnten so die Behandlungsdauer auf 24 Wochen

verkürzen. Von ihnen erzielten 86 Prozent den primären Endpunkt. Auch in dieser Studie war dieser

signifikant gegenüber Placebo (Manns et al., 2014).

26 i.e. HCV RNA < 25 IU/ml in der vierten Behandlungswoche und keine nachweisbare HCV RNA in Behandlungswoche 12

155

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Patienten mit einer chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1 (mit und ohne Zirrhose) und einem Re-

lapse nach einer (PEG-)Interferon-Behandlung wurden in die PROMISE-Studie (Forns et al., 2014)

eingeschlossen, um das Antwort-gesteuerte Therapieregime aus QUEST-1 auch an diesem Patienten-

kollektiv zu untersuchen. Patienten, die zuvor mit anderen (direkt wirkenden) antiviralen Mitteln

außer (PEG-)Interferon und Ribavirin behandelt wurden, konnten nicht mit in diese Studie aufge-

nommen werden. 93 Prozent des Patientenkollektivs erfüllten die Kriterien für eine vorzeitige Been-

digung der Therapie, von denen 83 Prozent den primären Endpunkt erreichten. Dieser war auch im

Gesamtkollektiv der therapieerfahrenen Patienten signifikant gegenüber Placebo (Forns et al., 2014).

Tabelle 26: Simeprevir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Jacobson et al. (2011)

(QUEST -1)

Phase III

doppelblind, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 395; davon ausge-wertet N = 394; (GT1, therapienaiv)

Behandlungsdauer: 24-48 Wochen

SMV + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (12 BW) (wenn HCV-RNA in Behand-lungswoche 4 und 12 nach-weisbar, Gabe von PEG-INF

-2b + RBV für weitere 24 Wochen)

PEG-INF -2a 180 g 1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

SMV: 150 mg täglich

80 %

Primärer End-punkt in der Gesamtpopulati-on signifikant gegenüber Placebo

Manns et al. (2014)

(QUEST-2)

Phase III

doppelblind, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 393, davon ausge-wertet N = 391; (GT1, therapienaiv)

Behandlungsdauer: 24-48 Wochen

SMV + PEG-INF -2a/2b + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a /2b + RBV (12 BW) (wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nachweisbar, Gabe von PEG-INF -2b + RBV für weitere 24 Wochen)

PEG-INF -2a 180 g 1x/Woche oder PEG-INF -2b 50-150 g in Abhängigkeit vom Körpergewicht 1x/Woche

RBV: 800-1.400 mg täglich

SMV: 150 mg täglich

81 %

Primärer End-punkt in der Gesamtpopulati-on signifikant gegenüber Placebo

Forns et al. (2014)

(PROMISE)

Phase III

doppelblind, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 394, davon ausge-wertet N = 393; (GT1, Relapse nach INF-Behandlung, mit und ohne Zirrhose)

Behandlungsdauer: 24-48 Wochen

SMV + PEG-INF -2a + RBV (12 BW), Fortsetzung mit PEG-INF -2a + RBV (12 BW) (wenn HCV-RNA in Behand-lungswoche 4 und 12 nach-weisbar, Gabe von PEG-INF

-2b + RBV für weitere 24 Wochen)

PEG-INF -2a 180 g 1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

SMV: 150 mg täglich

79 %

Primärer End-punkt in der Gesamtpopulati-on signifikant gegenüber Placebo

156

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Mit der Zulassung von Simeprevir steht seit Mai 2014 der dritte spezifische Hemmstoff der NS3/4A-

Serinprotease von Hepatitis C-Viren zur Verfügung. Der Wirkstoff ist bei erwachsenen Patienten in

Kombination mit anderen Arzneimitteln (PEG-Interferon + Ribavirin oder Sofosbuvir ± Ribavirin) zur

Behandlung der chronischen Hepatitis C vom GT1 oder GT4 indiziert (Janssen, 2014). Im Unterschied

zu den bis dato verfügbaren Wirkstoffen aus der Substanzgruppe muss Simeprevir nur einmal täglich

in einer Dosis von 150 mg mit einer Mahlzeit eingenommen werden (Janssen, 2014).

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

Studiendaten zufolge lässt ein viraler NS3-Q80K-Polymorphismus die Ansprechraten auf Simeprevir

absinken (Forns et al., 2014; Jacobson et al., 2014; Manns et al., 2014), weswegen vor Therapiebe-

ginn einer Tripel-Therapie mit PEG-Interferon und Ribavirin bei HCV Genotyp-1a-Patienten ein Test

auf Viren mit NS3-Q80K-Polymorphismus durchzuführen ist, da diese Erreger gegen Simeprevir pri-

mär resistent sind (Janssen, 2014).

Partielle und Null-Responder waren nicht im Patientenkollektiv der konfirmatorischen Phase-III-

Studien enthalten. Der pU beantragte dennoch die Erweiterung der Indikation auch für diese Patien-

tengruppe und berief sich dabei auf Wirksamkeitsbelege aus einer Phase-IIb-Studie (C206; EMA,

2014). Aufgrund des hohen Anteils an Patienten, die die Kriterien für eine kurze Behandlungszeit

erfüllten, wurde von Seiten des pU die Therapiedauer von insgesamt 24 Wochen beantragt. Partielle

und Null-Responder wurden davon ausgenommen (Tabelle 27). Daten, die die Wirksamkeit bei cHC-

Patienten mit GT4 belegen sollten und auf deren (Zwischen-)Ergebnisse die Zulassung beruht, wur-

den aus einer zum Zeitpunkt des Zulassungsantrags noch laufenden Studie entnommen (HPC 3011)

(EMA, 2014). Laut Assessment Report der EMA liegen mittlerweile auch Daten der COSMOS-Studie

vor (Lawitz et al., 2014a), die die Wirksamkeit und Sicherheit von Simeprevir in Kombination mit

Sofosbuvir und eventuell zusätzlicher Gabe von Ribavirin bei Patienten mit cHC vom GT1 untersuch-

ten. Die Wirkstoffkombination wurde über zwölf und 24 Wochen getestet. Aufgrund vergleichbarer

hoher SVR-Raten wurde eine antivirale Therapie über zwölf Wochen als Standard gewählt. Eine 24-

wöchige Behandlung sollte nur im Einzelfall in Erwägung gezogen werden (Tabelle 27). Die zusätzli-

che Gabe von Ribavirin hatte keinen Einfluss auf eine bessere SVR-Rate (Lawitz et al., 2014a). Auf-

grund der limitierten Daten sollte sie dennoch in Abhängigkeit der patientenindividuellen Situation

erfolgen. Daten für die Therapie der HCV vom GT4 lagen zum Zeitpunkt der Zulassung nicht vor

(EMA, 2014).

157

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 27: Simeprevir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

Janssen (2014) Dosierung*

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x wöchentlich oder PEG-INF -2a: 180 g 1x wöchentlich, RBV: 1.000 mg täglich, SOF: 400 mg täglich, SIM 150 mg täglich über 12 Wochen

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4 (therapienaive und therapieerfahrene Patienten, mit/ohne Zirrhose, mit/ohne HIV-Koinfektion)

Behandlungsdauer: 24 Wochen1

SIM + PEG- -INF + RBV (12 BW)

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4 (vorherige Non-Responder, einschließlich partieller und Null-Responder, mit/ohne Zirrhose, mit/ohne HIV-Koinfektion)

Behandlungsdauer: 48 Wochen

SIM + PEG- -INF + RBV (36 BW)

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4 (unabhängig von vorherigen Behandlungen, mit/ohne Zirrhose)

Behandlungsdauer: 12 Wochen

SIM + SOF (± RBV)

*Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate: Olysio (Simeprevir), Sovaldi (Sofos-buvir), PegIntron , Pegasys (PEG-Interferon -2a), Copegus (Ribavirin). 1Therapienaive Patienten und vorherige Relapser mit Zirrhose und HIV-Koinfektion sollten 48 Wochen behandelt werden. Die Therapie mit Simeprevir muss in Kombination mit PEG- e-leitet werden, gefolgt von einer weiteren 36-wöchigen Behandlung mit PEG-

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Auf Basis der vorliegenden Daten kam das IQWiG in seiner Nutzenbewertung (IQWiG, 2014) zu dem

Ergebnis, dass der Zusatznutzen für Simeprevir für Patienten mit Genotyp 4 und für Patienten mit

Koinfektionen aus HCV und HIV wegen unzureichender Datenlage gegenüber der zweckmäßigen

Vergleichstherapie nicht bestimmbar sei. Bei Patienten mit HCV-Infektionen Genotyp 1 ohne Vorbe-

handlung oder mit einem Relapse nach Vorbehandlung sah das IQWiG hingegen einen Hinweis auf

einen Zusatznutzen gegenüber PEG-Int n, allerdings ohne quantifizierbaren Aus-

maß. So konnte ein deutlicher Effekt beim virologischen Ansprechen aufgezeigt werden, allerdings

ließe sich wegen fehlender Studiendaten keine Aussage zu den Auswirkungen auf relevante Folgeer-

krankungen treffen. Einen Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen sah das IQWiG bei Non-

Respondern mit HCV Genotyp 1 im Vergleich zu einer Tripel-Therapie aus PEG-

Ribavirin und einem weiteren Protease-Inhibitor (Telaprevir).

158

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Der Gemeinsame Bundesausschuss wich in seiner Beschlussfassung zum Zusatznutzen von Simepre-

vir von den Bewertungen des IQWiG ab. Er sah für therapienaive Patienten (mit und ohne Zirrhose)

mit Genotyp 1 sowie für therapieerfahrene Patienten (Relapser) mit Genotyp 1 gegenüber der

zweckmäßigen Vergleichstherapie, bestehend aus Ribavirin + PEG- Hinweis auf

einen beträchtlichen Zusatznutzen (G-BA, 2014). Diesen konstatierte der G-BA auch für die Tripel-

Therapie bestehend aus Simeprevir + PEG-

(Non-Responder) im Vergleich zu einer Behandlung mit Telaprevir oder Boceprevir + PEG-Interferon

-basierte Tripel-Therapie gegenüber PEG-

+ Ribavirin ein Anhaltspunkt auf einen geringen Zusatznutzen bei therapienaiven und therapieer-

fahrenen Patienten mit Genotyp 4 gesehen (G-BA, 2014).

159

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.2 NS5A-Inhibitoren

8.2.2.2.1 Daclatasvir

Das virale Nichtstrukturprotein NS5A (Non-Structural Protein 5A) fungiert als multifunktionelles Pro-

tein als wesentlicher Bestandteil des HCV-Replikationskomplexes. Daclatasvir hemmt als NS5A-

Inhibitor selektiv die virale RNA-Replikation wie auch die Viruszusammensetzung (virus assembly).

Erkenntnisse zu klinischen Erfahrungen des NS5A-Inhibitors lieferten bislang in erster Linie Phase-II-

Studien und eine bis dato unveröffentlichte Phase-III-Studie (EMA, 2014a) mit teilweise geringen

Patientenzahlen.

Tabelle 28: Daclatasvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Sulkowski et al. (2014b)

Phase IIb

offen

SVR 12 Wochen

nges = 211, davon ausge-wertet N = 211, (davon GT1 n = 126 therapienaiv, n = 41 therapieerfahren; GT2/3 n = 44 therapiena-iv)

Behandlungsdauer: 12-24 Wochen

DCV + SOF ± RBV

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

DCV: 60 mg täglich

SOF: 400 mg täglich

86-100 %

Keine spezifischen statisti-schen Angaben für die ver-schiedenen Genotypen.

PE = Primärer Endpunkt. GK = Gesamtkollektiv.

Die Pivotalstudie von Sulkowski et al. (2014b) (Tabelle 28) evaluierte die Sicherheit, Pharmakokinetik

und Pharmakodynamik von Sofosbuvir in Kombination mit Daclatasvir sowie mit bzw. ohne Ribavirin

in therapienaiven Patienten mit cHC vom Genotyp 1-3. Patienten mit cHC vom Genotyp 1 und vorhe-

rigem Versagen auf eine Telaprevir- oder Boceprevir-Tripel-Therapie wurden später mit eingeschlos-

sen. Allerdings machten die therapieerfahrenen Patienten nur knapp ein Fünftel des Patientenkollek-

tivs aus. Primärer Endpunkt war auch hier die SVR, definiert als fehlende Nachweisbarkeit der HCV-

RNA im Blut mindestens zwölf Wochen nach dem Ende der Therapie. Die Studie bestand aus insge-

samt zehn Behandlungsgruppen. Zwei Gruppen erhielten ein siebentägiges Lead-in mit Sofosbuvir.

Ziel war, durch Erreichen eines steady state einer späteren Resistenzvariante vorzubeugen. Da diese

Strategie keine Auswirkung zeigte, wurde sie kurze Zeit später verworfen und die Patienten aus den

160

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

beiden Behandlungsarmen in die nachfolgenden Gruppen aufgeteilt. Verglichen wurde zum einen

die Behandlungsdauer (12 vs. 24 Wochen) sowie unterschiedliche Therapieregime (Daclatasvir +

Sofosbuvir als duale Therapie bzw. als Tripel-Therapie mit Ribavirin). Es wurde auf einen Behand-

lungsarm mit der derzeitigen Standardtherapie bestehend aus PEG- + Ribavirin und ge-

gebenenfalls einem weiteren, direkt antiviral wirkenden Protease-Inhibitor wie Boceprevir oder

Telaprevir verzichtet. Patienten mit cHC vom Genotyp 2 und 3 und vorherigem Therapieversagen auf

eine konventionelle Therapie mit bzw. ohne Gabe eines zusätzlichen Protease-Inhibitors (Boceprevir

oder Telaprevir) sowie zirrhotische Patienten waren nicht im Studienkollektiv enthalten (Sulkowski et

al., 2014b). Die Ansprechraten ließen sich durch den Ribavirin-Zusatz gegenüber der dualen Therapie

nicht steigern. Auf Basis vergleichsweise geringer Patientenzahlen ergeben sich unter Daclatasvir

hohe Heilungsraten nach Behandlungsende bei Patienten mit chronischer Hepatitis C vom Genotyp

1, mit und ohne Vorbehandlung. Aussagen zur Wirksamkeit bei Patienten mit fortgeschrittener Le-

bererkrankung lassen sich aus dieser Studie nicht ziehen. Für eine 24-wöchige Daclatasvir-

Behandlung bei nicht vorbehandelten Patienten findet sich bei Patienten mit HCV vom Genotyp 4

gegenüber der Standardtherapie aus PEG-Int

Überlegenheit in Bezug auf die Virusfreiheit zwölf bzw. 24 Wochen nach Abschluss der Behandlung

(Sulkowski et al., 2014b).

Mit Daclatasvir wurde im August 2014 der erste NS5A-Inhibitor zur Behandlung der chronischen

Hepatitis C zugelassen. In Abhängigkeit vom klinischen Bild der Erkrankung kann der Wirkstoff als

Erst- und Eskalationstherapie bei Infektion mit HCV Genotyp 1, 3 und 4 eingesetzt werden. Auch bei

Daclatasvir besteht die Gefahr sich leicht ausbildender Resistenzen. So besitzt der Wirkstoff, ange-

wendet als einzige antivirale Substanz, eine niedrige Resistenzbarriere aufgrund sind schnell ausbil-

dender Punktmutationen. Dies gilt vor allem in Bezug auf Genotyp 1a (McPhee et al., 2014; Wong et

al., 2013; Murakami et al., 2014). Für den Genotyp 3 steht mit Daclatasvir nun auch eine Interferon-

freie Tripel-Therapie (bestehend aus Daclatasvir, Sofosbuvir und Ribavirin) zur Verfügung (BMS,

2014). Die zugelassene Dosis liegt bei einmal täglich 60 mg.

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

Die Interferon-freie Anwendung bei Genotyp-4-Infektionen beruht bislang nur auf eine Extrapolation

der Genotyp-1-Daten (EMA, 2014a). Einer zusätzlichen Gabe von Ribavirin zur Optimierung der The-

rapie bedarf bei HCV-Infektionen mit den Genotypen 1 und 4 nur in Einzelfällen (Tabelle 29). Zum

Zulassungszeitpunkt können nur begrenzte Behandlungsempfehlungen für die Genotypen 2 und 3

161

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

ausgesprochen werden. Zugelassen wurde Daclatasvir letztendlich nur zur Therapie des HVC vom

Genotyp 3. Das CHMP begründet seine Empfehlung mit dem zugelassen Interferon-freien Therapie-

Regime bestehend aus Sofosbuvir und Ribavirin über eine Behandlungszeit von 24 Wochen für diese

Subpopulation (EMA, 2014a). Für Patienten mit negativen prognostischen Faktoren stellt eine zusätz-

liche Gabe von Daclatasvir eine weitere Behandlungsoption dar, sollte eine Gabe von PEG-Interferon

Einer Therapie-Verkürzung auf zwölf Behandlungswochen wurde nicht stattge-

geben. Auch wurde aufgrund von Limitierungen in der pivotalen Studie von Seiten des CHMP eine

Behandlung von Patienten mit cHC vom Genotyp 2 nicht empfohlen (EMA, 2014a).

Bei nicht zirrhotischen Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4 wird eine zwölfwöchige Behand-

lungsdauer empfohlen, die nur in Einzelfällen auf insgesamt 24 Wochen verlängert werden sollte

(Tabelle 29). Da die Pivotalstudie keinen Nachweis eines Benefits durch zusätzliche Gabe von

Ribavirin erbringen konnte, sollte auch hier die Tripel-Therapie nur in Ausnahmefällen eingesetzt

werden (EMA, 2014a).

Da die verfügbaren Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit der dualen Kombination (Daclatasvir +

Sofosbuvir) zur Behandlung zirrhotischer Patienten nur begrenzt vorliegen und die optimale Behand-

lungsdauer sowie das Nutzenpotential einer zusätzlichen Ribavirin-Gabe durch die Pivotalstudie bis

zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht in vollem Umfang abgeklärt werden konnte, wurden von

Seiten des CHMP Daten aus anderen Studien mit vergleichbaren Wirkstoffkombinationen hinzugezo-

gen. Diese belegen zwar eine Wirksamkeit von Daclatasvir bei diagnostizierter Leberzirrhose, geben

allerdings keinen Aufschluss bezüglich der Behandlungsdauer bzw. dem Nutzen einer Ribavirin-Gabe.

Die Datenlage zur Behandlung zirrhotischer Patienten lässt keine gesicherten Aussagen zu. Allerdings

konnten auch keine Nebenwirkungen dokumentiert werden, die sich bei dieser Patientenpopulation

als schwerwiegender herausstellen würden. Aus diesem Grund wurde der Behandlung von Patienten

mit kompensierter Zirrhose stattgegeben (EMA, 2014a).

Daten für die Behandlung therapieerfahrener Patienten liegen nur für Genotyp-1-Infektionen vor.

162

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 29: Daclatasvir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

BMS (2014) Dosierung*

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x wöchentlich oder PEG-INF -2a: 180 g 1x wöchentlich, RBV: 1.000 mg täglich, DCV: 60 mg täglich

Duale Therapie/Tripel-Therapie

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4 (ohne Zirrhose)

Behandlungsdauer: 12 Wochen1:

DCV + SOF (BW 12)1

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4 (mit kompensierter Zirrhose)

Behandlungsdauer: 24 Wochen2:

DCV + SOF (24 BW)

Patienten mit cHC vom Genotyp 3 (mit kompen-sierter Zirrhose und/oder therapieerfahren)

Behandlungsdauer: 24 Wochen:

DCV + SOF + RBV (24 BW)

Patienten mit cHC vom Genotyp 4

Behandlungsdauer: 24-48 Wochen:

DCV + PEG- (Voraussetzung: wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nicht nachweisbar)

DCV + PEG- ung mit PEG- + RBV (24 BW) (Voraussetzung: wenn HCV-RNA in Behandlungswoche 4 und 12 nachweisbar, sollte Daclatasvir nach 24 Wochen abgesetzt und die duale Standard-Therapie für eine Ge-samtdauer von 48 Wochen weitergeführt werden)

*Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate: Daklinza® (Daclatasvir), PegIntron®, Pe-gasys® (PEG-Interferon -2a), Copegus® (Ribavirin). 1Bei vorbehandelten Patienten, deren Therapie auch einen NS3/4A-Proteaseinhibitor beinhaltet, ist zu erwägen, die Behand-lung auf 24 Wochen zu verlängern. (BMS, 2014). 2Bei vorher unbehandelten Patienten mit Zirrhose und positiven Prognosefaktoren, wie IL28B-CC-Genotyp und/oder niedrige Ausgangsvirenlast, kann erwogen werden, die Behandlung auf 12 Wochen zu verkürzen. Bei Patienten mit weit fortgeschritte-ner Lebererkrankung oder anderen negativen Prognosefaktoren, wie z.B. Vorbehandlung, kann die zusätzliche Anwendung von Ribavirin erwogen werden (BMS, 2014).

163

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Nutzenbewertung nach § 35a SGBV

Im Februar 2015 veröffentlichte der G-BA in seiner Beschlussfassung die frühe Nutzenbewertung von

Daclatasvir. Während der Ausschuss für therapienaive Patienten vom Genotyp 4 gegenüber der

Tripel-Therapie (Daclatasvir in Kombination mit PEG-Interferon plus Ribavirin) einen Anhaltspunkt

für einen beträchtlichen Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (hier:

PEG-Interferon plus Ribavirin) aussprach, sah er für therapienaive Patienten vom Genotyp 1 und

ohne Zirrhose nur einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen (zweckmäßige Vergleichs-

therapie bestehend aus PEG-Interferon + Ribavirin + Boceprevir oder Telaprevir) (G-BA, 2015).

Für alle anderen Subgruppen (therapienaive Patienten mit kompensierter Zirrhose vom Genotyp 1,

therapieerfahrene Patienten vom Genotyp 1, therapienaive Patienten mit kompensierter Zirrhose

und therapieerfahrene Patienten vom Genotyp 3, therapienaive und therapieerfahrene Patienten

vom Genotyp 4) die Gegenstand der Fragestellung waren, sah der G-BA den Zusatznutzen von Dacla-

tasvir mit Sofosbuvir und gegebenenfalls einer zusätzlichen Gabe von Ribavirin im Verhältnis zur

zweckmäßigen Vergleichstherapie (PEG-Interferon + Ribavirin (+ Boceprevir/Telaprevir) als nicht

belegt an (G-BA, 2015). Mit seinem Beschluss geht der G-BA in zwei Entscheidungen nicht konform

mit der Auffassung des IQWiG. Das Institut konnte aufgrund mangelnder Daten und methodischer

Mängel (fehlende Daten für bestimmte Patientenkollektive, methodische Anforderungen des IQWiG

an indirekte Vergleiche nicht erfüllt, Studiendaten wiesen teilweise ein hohes Verzerrungspotential

aufgrund schwerwiegender Mängel bei der Studiendurchführung auf) Daclatasvir in keinem der zu-

gelassenen Indikationen einen Zusatznutzen attestieren (IQWiG, 2014a).

164

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.2.2 Ledipasvir

Ledipasvir ist wie Daclatasvir ein antiviraler Wirkstoff aus der Gruppe der NS5A-Inhibitoren. Die Ef-

fekte des Wirkstoffes beruhen auf der Bindung an das virale Protein NS5A, welches bei der Virus-

vermehrung eine essentielle Rolle einnimmt.

Der Wirkstoff wurde in klinischen Studien ausschließlich an (PEG-) Interferon-freien Kombinationsre-

gimen getestet. Es ist die erste direkt antiviral wirkende Substanz, in denen in klinischen Studien auf

(PEG-) Interferon verzichtet wurde (Tabelle 30).

Tabelle 30: Ledipasvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Afdhal et al. (2014a)

(ION-1)

Phase III

offen, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 870, davon ausgewertet N = 865, (GT1, therapienaiv, davon N=729 ohne und N=136 mit Zirrhose)

Behandlungsdauer: 12-24 Wochen

LDV + SOF (Fix) ± RBV

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

LDV: 90 mg

SOF: 400 mg

97-99 %

PE im GK signi-fikant überlegen gegenüber dem angepassten HV (BR: TVR/BOC enthaltend; SVR = 60 %, p < 0,001)

Afdhal et al. (2014b)

(ION-2)

Phase III

offen

SVR 12 Wochen

nges = 441, davon ausgewertet N = 440; (GT1, therapieerfah-ren, davon N=352 ohne und N=88 mit Zirrhose)

Behandlungsdauer: 12-24 Wochen

LDV + SOF (Fix) ± RBV

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

LDV: 90 mg

SOF: 400 mg

94-99 %

PE im GK signi-fikant überlegen gegenüber dem angepassten HV (SVR = 25 %, p < 0,001)

Kowdley et al. (2014a)

(ION-3)

Phase III

offen, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 647, davon ausgewertet N = 647, (GT1, therapienaiv ohne Zirrhose)

Behandlungsdauer: 8-12 Wochen

LDV + SOF (Fix) ± RBV

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

LDV: 90 mg

SOF: 400 mg

93-95 %

PE im GK signi-fikant überlegen gegenüber dem angepassten HV (BR: TVR/BOC enthaltend; SVR = 60 %, p < 0,001)

165

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Die klinischen Untersuchungen (Afdhal et al., 2014a; Afdhal et al., 2014b; Kowdley et al., 2014a), die

letztendlich die zulassungsrelevanten Daten lieferten, waren allesamt unverblindet. Die Fixkombina-

tion aus Sofosbuvir und Ledipasvir mit und ohne Ribavirin wurde in den o.g. Studien an therapienai-

ven wie auch an vorbehandelten Patienten mit cHC Genotyp 1 getestet (Tabelle 30).

In den Studien ION-1 (Afdhal et al., 2014a) und ION-3 (Kowdley et al., 2014a) wurden therapienaive

Patienten mit cHC vom Genotyp 1 eingeschlossen, um Wirksamkeit und Sicherheit von Ledipasvir in

fixer Kombination mit Sofosbuvir zu untersuchen. 20 Prozent der ION-1-Studienpopulation wiesen

eine Zirrhose auf. Hohe Response-Raten konnten sowohl in ION-1 (Behandlungsdauer: zwölf bis 24

Wochen) als auch in ION-3 (Behandlungsdauer: acht bis zwölf Wochen) erzielt werden. Die Anzahl

der Patienten, die eine Zirrhose aufwiesen und zwölf Wochen therapiert wurden, war allerdings zu

gering, um definitive Rückschlüsse hinsichtlich einer geeigneten Therapiedauer (zwölf oder 24 Wo-

chen) ziehen zu können. Sehr gute Ergebnisse erzielte hingegen die zwölfwöchige Behandlung in

ION-3 (Kowdley et al., 2014b), die Relapse-Rate nach achtwöchiger Behandlung war allerdings höher

als die nach zwölf Wochen (5,1 bzw. 4,2 Prozent vs. 0,9 Prozent), ungeachtet einer zusätzlichen Gabe

von Ribavirin. Diese Studie gab allerdings Hinweise darauf, dass bei therapienaiven Patienten mög-

licherweise eine Verkürzung der Behandlungsdauer auf acht Wochen denkbar ist, ohne dass die

Erfolgsraten sinken. In der ION-2-Studie (Afdhal et al., 2014b) wurde die Wirksamkeit der dualen

Kombination an Patienten untersucht, die ein Therapieversagen auf eine vorangegangene Therapie

(konventionelle Therapie, eventuell in Kombination mit Boceprevir oder Telaprevir) aufwiesen. In

allen drei ION-Studien wurden hohe SVR-Raten von bis zu 99 Prozent erzielt. Der primäre Endpunkt

im Gesamtkollektiv war signifikant überlegen gegenüber dem angepassten historischen Vergleich. An

einem kleinen Patientenkollektiv mit dekompensierter Zirrhose (n = 20) wurde die duale Fixkombina-

tion ohne einer zusätzlichen Gabe von Ribavirin getestet. Mit 35 Prozent war der Anteil der Relapser

überdurchschnittlich hoch (ELECTRON-2, EMA, 2014b). Bei der größer angelegten SOLAR-1-Studie

(EMA, 2014b) entschied man sich stattdessen für die Fixkombination plus Ribavirin. Eingeschlossen

waren Patienten mit cHC vom Genotyp 1 oder 4, dekompensierter Zirrhose oder Lebertransplantati-

on. Die Behandlung über zwölf bzw. 24 Wochen erwies sich auch in dieser Patientengruppe als effek-

tiv. Zu anderen HCV-Genotypen lagen zur Zeit der Zulassung nur begrenzte Daten vor. Bei Versagen

einer Behandlung mit Ledipasvir und Sofosbuvir konnte ferner eine Selektion von HCV mit Mutatio-

nen im Nicht-Strukturproteins NS5A beobachtet werden, die zu einer deutlichen Herabsetzung der

Empfindlichkeit gegenüber Ledipasvir führt und sich auch in der langfristigen Nachbeobachtung nicht

zurückbildeten (EMA, 2014b).

Ledipasvir besitzt seit dem 17. November 2014 in Deutschland als fixe Kombination zusammen mit

Sofosbuvir eine Zulassung (Gilead, 2014). Das Mittel ist zur Erst- und Re-Therapie von Patienten mit

166

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

chronischer Hepatitis C Genotyp 1 und 4 mit und ohne Zirrhose zugelassen. Liegt eine schwere Le-

bererkrankung oder eine Lebertransplantation vor, kann die kombinierte Anwendung mit Ribavirin

(Tripel-Therapie) eingesetzt werden. Dies gilt auch für Patienten mit chronischer Hepatitis C Genotyp

3, bei denen ein Therapieversuch bereits versagt hat (Tabelle 31). Die fixe Kombination aus 90 mg

Ledipasvir und 400 mg Sofosbuvir wird einmal täglich verabreicht (Gilead, 2014). Bereits seit Februar

2014 lag eine positive Stellungnahme der Europäischen Zulassungsbehörde zur kombinierten An-

wendung von Ledipasvir zusammen mit dem NS5B-Polymeraseinhibitor Sofosbuvir vor. Die Gutach-

ter befürworteten damals die Fixkombination für den Einsatz bei Patienten mit sehr weit fortge-

schrittener Lebererkrankung aufgrund einer chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1.

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

In den drei zulassungsrelevanten Studien zeigte sich, dass die Zweierkombination unabhängig von

der Ausprägung der Lebererkrankung (mit/ohne Zirrhose), den Polymorphismen beim Patientenkol-

lektiv (IL28b-Genotyp) sowie dem vorangehenden Therapieversagen zu hohen Erfolgsraten führte.

Obwohl eine Kombination mit Ribavirin die Erfolgsraten der Zweierkombination aus Sofosbuvir und

Ledipasvir nicht relevant steigern konnte, dies sogar vermehrt zu unerwünschten Wirkungen wie

Anämie, Hyperbilirubinämie und Rash führte (EMA, 2014b), wird die Tripel-Therapie als vertretbar

angesehen, wenn eine weit fortgeschrittene Lebererkrankung vorliegt, bei der kein Therapieversa-

gen in Kauf genommen werden kann (EMA, 2014b) (Tabelle 31). Eine Kreuzresistenz zwischen

NS3/4A-Protease-Inhibitoren und der fixen Kombination kann ausgeschlossen werden (EMA, 2014b).

Gerade für Relapser nach vorangegangener Therapie mit einem Protease-Inhibitor kann so die

Fixkombination eine weitere Behandlungsoption darstellen. Die pivotalen Studien haben gezeigt,

dass eine kurze Therapiedauer auch mit einer höheren Relapse-Rate einhergehen kann. So sollten

nach Angaben der Fachinformation beispielsweise Patienten mit kompensierter Zirrhose grundsätz-

lich über 24 Wochen behandelt werden (Gilead, 2014). Eine kürzere Behandlungsdauer sollte nach

Auffassung des CHMP nur unter Nutzen-Risiko-Betrachtung für bestimmte Subgruppen (Tabelle 31)

vorbehalten sein (EMA, 2014b). Die Zulassung für die Behandlung (schwerer) cHC-Infektionen mit

den Genotypen 3 oder 4 beruht auf einer sehr begrenzten Anzahl von Patienten aus Phase-II-Studien

bzw. aus noch laufenden Untersuchungen. So wurde die klinische Wirksamkeit bei einer kleinen

Patientenzahl (n = 51) mit cHC vom Genotyp 3 in einer offenen Phase-II-Studie mit oder ohne

Ribavirin bei therapienaiven Patienten mit oder ohne Zirrhose untersucht. Noch geringer ist die in

den klinischen Studien untersuchten Anzahl an Patienten mit cHC vom Genotyp 4: in einer Phase-II-

Studie zur Beurteilung von Ledipasvir/Sofosbuvir über zwölf Wochen wurden insgesamt nur 21 Pati-

enten behandelt (EMA, 2014b).

167

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Virale klinische Daten, die eine direkte Wirkung von Ledipasvir auf den Genotyp 3 belegen, sind nicht

vorhanden. Auch gibt es keine eindeutigen Beweise für einen Selektionsdruck. Rückschlüsse auf eine

Wirksamkeit der Fixkombination zieht das Komitee aus Querschnittsstudien (EMA, 2014b). So erziel-

ten in Phase-III-Studien 60 Prozent der therapienaiven Patienten mit cHC vom Genotyp 3 nach allei-

niger Gabe von Sofosbuvir + Ribavirin über eine Therapiedauer von zwölf Wochen eine SVR (EMA,

2014b). Das erlaubt nach Auffassung des CHMP den Rückschluss auf eine klinisch relevante Aktivität

von Ledipasvir in der antiviralen Therapie des GT3. Eine Zulassung zur Therapie der HCV-Infektion

vom Genotyp 4 wird ebenfalls mit in-vitro-Daten und Ergebnissen aus klinischen Studien mit ver-

gleichbaren Therapieregimen begründet (EMA, 2014b).

Tabelle 31: Ledipasvir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

Gilead (2014)

Dosierung*

RBV: 1.000-1.200 mg täglich, LDV: 90 mg, SOF:400 mg

Duale Therapie / Tripel-Therapie

Patienten mit cHC vom Genotyp 1,4, ohne Zirrhose

Behandlungsdauer: 8-24-Wochen

Ledipasvir + Sofosbuvir

Patienten mit cHC vom Genotyp 1,4, mit kompensierter Zirrhose

Behandlungsdauer: 12-24 Wochen

Ledipasvir + Sofosbuvir

Patienten mit cHC vom Genotyp 1,4, mit dekompensierter Zirrhose bzw. vor oder nach Leber-transplantation

Behandlungsdauer: 24 Wochen

Ledipasvir + Sofosbuvir + Ribavirin

Patienten mit cHC vom Genotyp 3, mit Zirrhose und/oder Versagen einer vorherigen Behand-lung

Behandlungsdauer: 24-48 Wochen

Ledipasvir + Sofosbuvir + Ribavirin

PE = Primärer Endpunkt. HV = Historischer Vergleich. BR = Behandlungsregime. TVR = Telaprevir. BOC = Boceprevir. GK = Gesamtkollektiv.

*Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate:Harvoni® (Ledipasvir + Sofosbuvir), Cope-gus® (Ribavirin).

168

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Derzeit wird die Beschlussfassung des G-BA für das Nutzenbewertungsverfahren der fixen Wirkstoff-

kombination, bestehend aus Ledipasvir und Sofosbuvir, vorbereitet. Sie wird Ende Mai 2015 erwar-

tet.

Die Stellungnahme des IQWiG, welches zuvor mit der Nutzenbewertung beauftragt worden war,

liegt mittlerweile vor. Das Institut bewertete den Zusatznutzen für mehrere Subgruppen. Darunter

fielen Patienten mit cHC und Genotyp 1 (therapienaiv mit bzw. ohne Zirrhose, therapieerfahren,

therapienaiv und therapieerfahren mit HIV-Koinfektion), Patienten mit dekompensierter Zirrhose

(Genotyp 1/4), therapienaive Patienten vom Genotyp 3 mit Zirrhose oder therapieerfahrene Patien-

ten vom Genotyp 3 sowie therapienaive und therapieerfahrene Patienten mit chronischer Hepatitis

C vom Genotyp 4 (IQWiG, 2015). Der pharmazeutische Unternehmer legte jedoch nur zu einem Teil

der Fragestellungen Daten vor.

Für therapienaive Patienten (cHC GT1) ohne Zirrhose sowie für therapieerfahrene Patienten mit

chronischer Hepatitis C vom Genotyp 1 sah das IQWiG in der Fixkombination Sofosbuvir/Ledipasvir

einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen in der Kategorie „schwerwiegen-

de Folgekomplikationen“ im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (hier duale Therapie

bestehend aus PEG-Interferon + Ribavirin oder Tripel-Therapie bestehend aus PEG-Interferon +

Ribavirin + Boceprevir/Telaprevir). Für alle anderen Subgruppen und Kategorien sah das IQWiG auf-

grund mangelnder Daten den Zusatznutzen als nicht belegt an (IQWiG, 2015).

169

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.3 Nukleosidische Polymerase (NS5B)-Inhibitoren

8.2.2.3.1 Sofosbuvir

Bei Sofosbuvir handelt es sich um ein Nukleotid-Prodrug, das nach intrazellulärer Metabolisierung in

das pharmakologisch wirksame Uridin-Analogon-Triphosphat mittels der NS5B-Polymerase in die

HCV-RNA eingebaut wird und im Rahmen der Replikation zum Kettenabbruch führt (Gilead, 2015).

Mittlerweile liegen eine Vielzahl von klinischen Phase-II- und Phase-III-Studien vor, die die Wirksam-

keit und Sicherheit sowohl an therapienaiven als auch an therapieerfahrenen Patienten untersuch-

ten und zulassungsrelevante Daten lieferten (siehe Tabelle 32).

In der NEUTRINO-Studie (Lawitz et al., 2013a) wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Sofosbuvir

in Kombination mit der konventionellen Therapie über eine Behandlungsdauer von zwölf Wochen

getestet. Eingeschlossen waren therapienaive Patienten mit chronischer cHC vom Genotyp 1, 4, 5

oder 6. Primärer Endpunkt dieser Studie war die SVR 12, die höher liegen sollte als 60 Prozent (histo-

rische SVR-Rate, abgeleitet von Daten aus der ADVANCE- (Telaprevir) bzw. SPRINT-2- (Boceprevir)

Studie). Bei dieser Untersuchung handelte es sich um eine offene, einarmige Studie ohne Randomi-

sierung der Patienten. Knapp 90 Prozent der Studienteilnehmer hatten eine diagnostizierte cHC vom

Genotyp 1, 8,6 Prozent wiesen eine Infektion mit dem Genotyp 4, und nur gut 2 Prozent vom Geno-

typ 5 oder 6 auf. Eine kompensierte Zirrhose konnte bei knapp 17 Prozent aller Studienteilnehmer

nachgewiesen werden. Der primäre Endpunkt war im Gesamtkollektiv signifikant überlegen gegen-

über dem historischen Vergleich (Lawitz et al., 2013a). Basierend auf historischen Präzendenzfällen

und Daten aus Phase-II-Studien lassen auf eine vergleichbare Wirksamkeit der Genotypen 2 und 3

auch in Interferon-freien Therapieregimen schließen (EMA, 2013).

So untersuchten Lawitz et al. (2013a) Sicherheit und Wirksamkeit der o.g. Tripel-Therapie bei thera-

pienaiven Patienten mit Infektionen vom Genotyp 2 und 3 (FISSION) über zwölf Wochen im Vergleich

zur Standardtherapie über eine Behandlungsdauer von 24 Wochen. Das Studienkollektiv wies sowohl

kompensierte als auch keine Zirrhose auf. Auch in dieser Studie zeigte der primäre Endpunkt im

Gesamtkollektiv gemäß den Vorannahmen der Autoren eine Nicht-Unterlegenheit zwischen den

Behandlungsgruppen. Jacobson et al. (2013) betrachteten in ihrer doppelblinden und placebokon-

trollierten Studie das Interferon-freie Therapieregime (Sofosbuvir + Ribavirin) ebenfalls ausschließ-

lich an Patienten mit cHC vom Genotyp 2 oder 3 (POSITRON). Dieses Regime stellte entweder eine

Erst- oder Re-Therapie für Personen dar, die eine auf (PEG-)Interferon-basierende Behandlung aus

170

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

unterschiedlichen Gründen nicht erhalten durften. Das Originalprotokoll wurde vor Beginn der Stu-

die noch einmal geändert, was jedoch nicht die Integrität der Untersuchung beeinflusste (EMA,

2013). In dieser Studie lag der primäre Endpunkt signifikant höher als im Vergleich zu Placebo. In

einer weiteren Studie der Autoren (FUSION) wurden ausschließlich therapieerfahrene Patienten mit

cHC vom Genotyp 2 oder 3 involviert. Beschrieben werden sollten Wirksamkeit und Sicherheit der

Interferon-freien dualen Therapie (Sofosbuvir + Ribavirin) bei einer Behandlungsdauer über zwölf

Wochen im Vergleich zu einer 16-wöchigen Therapie. Auch hier wurden Änderungen am Studienpro-

tokoll vorgenommen, bevor die ersten Studienteilnehmer gescreent wurden. In der Gesamtpopula-

tion lag die SVR-Rate nach 16 Wochen höher (73 Prozent) als nach zwölf Wochen (50 Prozent) und

im Gesamtkollektiv signifikant höher im Vergleich zur historischen Kontrolle.

Sofosbuvir zeigte sowohl in Kombination mit PEG-Interferon + Ribavirin wie auch in der alleinigen

Kombination mit Ribavirin bei HCV-Infektionen vom Genotyp 1-6 hohe Heilungsraten von meist über

90 Prozent zwölf bzw. 24 Wochen nach Behandlungsende. Lediglich Infektionen mit GT3 bzw. Zirrho-

se schienen mit SVR-Raten von ca. 80 Prozent etwas schlechter auf die hier beschriebenen Therapie-

optionen mit Sofosbuvir anzusprechen.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Studien, in denen Sofosbuvir in Kombination mit aktuell zugelasse-

nen direkt antiviral wirkenden Mitteln eingesetzt wird. So wird der pangenotypische Wirkstoff zu-

sammen mit Simeprevir (± Ribavirin), mit Daclatasvir (± Ribavirin) oder in einer Fixkombination mit

Ledipasvir bei Patienten mit cHC vom Genotyp 1 zur Therapie eingesetzt.

171

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 32: Sofosbuvir: Main Study nach dem Assessment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Lawitz et al. (2013a) (NEUTRINO)

Phase III

offen, einarmig

SVR 12 Wochen

nge s= 328, davon ausgewer-tet N = 327 (GT1, 4-6, thera-pienaiv ± Zirrhose)

Behandlungsdauer: 12 Wochen

SOF + PEG-INF -2a + RBV (12 BW)

PEG-1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

SOF: 400 mg

90 %

PE im GK signifi-kant überlegen gegenüber dem HV

Lawitz et al. (2013a) (FISSION)

Phase III

offen, Nicht-Unter- legenheit

SVR 12 Wochen

nges = 527, davon ausgewer-tet N = 496 (GT2 und 3, therapienaiv ± Zirrhose)

Behandlungsdauer: 12 Wochen

SOF + PEG-INF -2a + RBV (12 BW)

PEG-1x/Woche

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

SOF: 400 mg

67 %

PE im GK zeigt Nicht-Unter-legenheit zwischen den Behandlungs-gruppen

Jacobson et al. (2013) (POSITRON)

Phase II

verblindet, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 280, davon ausgewer-tet N = 275 (GT2/3 therapie-naiv und therapieerfahren)

INF-Behandlung wegen unterschiedlicher Gründe keine Therapieoption

Behandlungsdauer: 12 Wochen

SOF + RBV (12 BW)

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

SOF: 400 mg

78 %

PE im GK signifi-kant höher im Vergleich zu Place-bo

Jacobson et al. (2013) (FUSION)

Phase II

verblindet, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 202, davon ausgewer-tet N = 195 (GT2/3, therapieerfahren)

Behandlungsdauer: 16 Wochen

SOF + RBV (12/16 BW)

RBV: 1.000-1.200 mg täglich

SOF: 400 mg

50-73 %

PE im GK signifi-kant höher im Vergleich zur HK

Sekundärer End-punkt signifikant (Vergleich 16 BW vs. 12 BW)

PE = Primärer Endpunkt. HK = Historische Kontrolle.

Wie bei den bereits besprochenen Wirkstoffen gilt auch für Sofosbuvir, dass er ausschließlich in

Kombination mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung der chronischen Hepatitis C bei Erwachse-

nen angewendet werden darf (Gilead, 2015). Als erster pangenotypischer Inhibitor der RNA-

abhängigen RNA-Polymerase NS5B des HCV kann er sowohl zur Erst- als auch zur Re-Therapie bei

allen HCV-Genotypen eingesetzt werden. Die empfohlene Dosis von Sofosbuvir liegt bei einmal täg-

lich 400 mg (Gilead, 2015).

172

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

In der Gesamtbetrachtung erweist sich Sofosbuvir als insgesamt sicher und wirksam. Das gilt auch für

die Therapie von Patienten mit cHC und gleichzeitiger HIV-Infektion (PHOTON-1) sowie für Patienten,

für die eine Lebertransplantation langfristig die einzige Therapieoption bleibt (EMA, 2013).

Unklarheiten bestehen allerdings im Hinblick auf die Therapiedauer von zirrhotischen Patienten. So

wird u.a. die Gabe der Tripel-Kombination über zwölf Wochen für therapienaive Patienten mit cHC

vom Gentoyp 1 als wirkungsvoll erachtet, sollte zusätzlich die Standardtherapie verabreicht werden

(Tabelle 33). Nach Auffassung des CHMP gilt dies nicht automatisch auch für zirrhotische Patienten,

so dass für diese Patientenpopulation eine Behandlung über 24 Wochen in Betracht gezogen werden

sollte (EMA, 2013). Die Begründung liegt in der Annahme, dass mit einer längeren Therapie auch

höhere SVR-Raten erreicht werden könnten. Gleiches gilt für vorherige Null-Responder, die in der

Studienpopulation der klinischen Prüfung nur in geringer Zahl vertreten waren (EMA, 2013). Auch ist

der Nutzen für Patienten, die Sofosbuvir vor ihrer Lebertransplantation erhalten, noch unklar, da die

Studienpopulation der Interim-Analyse, die diese Indikation erfüllte, zu gering war. Eine 24-wöchige

Therapie war außerdem mit hohen Relapse-Raten verbunden. Ob eine Verlängerung der Therapie

auf 48 Wochen bessere Ergebnisse erzielen würde, ist derzeit Untersuchungsgegenstand.

Die Zulassung weist für alle Genotypen eine Interferon-freie Therapieoption aus (Tabelle 33). Ange-

merkt werden muss allerdings, dass Interferon-freie Behandlungsregime in Phase-III-Studien nur an

Patienten mit cHC vom Genotyp 2 und 3 getestet wurden. Die optimale Behandlungsdauer wurde

nicht bestimmt, gleiches gilt für das Therapieregime im Allgemeinen (EMA, 2013). Aus diesem Grund

wird die Zulassung mit dem Hinweis versehen, dass Interferon-freie Regime nur Patienten vorbehal-

ten bleiben sollten, für die eine zusätzliche Gabe von (PEG-)Interferon aus unterschiedlichen Grün-

den keine Behandlungsalternative darstellt (Gilead, 2015).

173

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 33: Sofosbuvir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

Gilead (2015) Dosierung*

PEG-INF -2b: 1,5 g/kg KG 1x wöchentlich oder PEG-INF -2a: 180 g 1x wöchentlich, RBV: 1.000-1.200 mg täglich, SOF:400 mg

Duale Therapie Tripel-Therapie

Patienten mit cHC vom Genotyp 1,4, 5 oder 6, einschließlich Patienten mit HIV-Koinfektion

Behandlungsdauer: 24 Wochen

Sofosbuvir + Ribavirin1

Behandlungsdauer: 12-24-Wochen**

Sofosbuvir + Ribavirin + PEG-Interferon 2

Patienten mit cHC vom Genotyp 2, einschließlich Patienten mit HIV-Koinfektion

Behandlungsdauer: 12-24 Wochen

Sofosbuvir + Ribavirin2

Patienten mit cHC vom Genotyp 3, einschließlich Patienten mit HIV-Koinfektion

Behandlungsdauer: 12-24 Wochen

Sofosbuvir + Ribavirin

Behandlungsdauer: 12-24-Wochen

Sofosbuvir + Ribavirin + PEG-Interferon 2

Patienten mit cHC die auf eine Lebertransplantation warten, einschließlich Patien-ten mit HIV-Koinfektion

Behandlungsdauer: bis zur Lebertransplantation

Sofosbuvir + Ribavirin

*Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate: Sovaldi® (Telaprevir), PegIntron®, Pega-sys® (PEG-Interferon -2a), Copegus® (Ribavirin). **Für vorbehandelte Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 1 liegen keine Daten zur Kombination von Sofosbuvir + Ribavirin + PEG-Interferon vor (Gilead, 2015). 1Nur zur Anwendung bei Patienten, die für eine Therapie mit PEG- rage kommen (Gilead, 2015). 2Verlängerung der Therapie auf 24 Wochen für Subgruppen mit einem oder mehreren negativen Prädiktoren (Gilead, 2015).

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Nach Boceprevir und Telaprevir durchlief Sofosbuvir als drittes Mittel zur Therapie der chronischen

Hepatitis C die frühe Nutzenbewertung durch den G-BA (G-BA, 2014a). Die zweckmäßige Vergleichs-

therapie richtete sich nach der Subgruppenpopulation: für therapienaive Patienten mit cHC vom

Genotyp 1 und Zirrhose, für therapienaive und therapieerfahrene Patienten mit cHC vom Genotyp 2-

6 sowie bei Patienten mit cHC und HIV-Koinfektionen bestand sie aus der dualen Standardtherapie

(PEG- + Ribavirin). Für therapienaive Patienten mit cHC vom Genotyp 1 ohne Zirrhose

bzw. für therapieerfahrene Patienten mit cHC vom Genotyp 1 mit bzw. ohne Zirrhose konnte die

174

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

zweckmäßige Vergleichstherapie auch aus einer Tripel-Therapie, bestehend aus PEG-

Ribavirin und einem Protease-Hemmstoff (Telaprevir oder Boceprevir), akzeptiert werden. Während

das IQWiG aufgrund „inadäquater Vorgehensweisen“ in der Dossiererstellung (u.a. hohes Verzer-

rungspotential auf Studienebene aufgrund inadäquater Umsetzung des ITT-Prinzips27) nur für thera-

pienaive Patienten mit cHC vom Genotyp 2 einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen (Daten lagen

nur zum Surrogatendpunkt SVR 24 und nicht zum patientenrelevanten Endpunkt hepatozelluläres

Karzinom vor) sah (IQWiG, 2014b), ging der G-BA teilweise über die Empfehlungen des IQWiG hin-

weg.

So konstatierte der G-BA für therapienaive Patienten mit cHC vom Genotyp 1 mit bzw. ohne Zirrhose

einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen im Hinblick auf eine Sofosbuvir-basierte Tripel-

Therapie, im Vergleich zur Boceprevir- oder Telaprevir-basierten Tripel-Therapie bzw. zur dualen

Therapie. Für therapienaive Patienten mit cHC vom Genotyp 2 sah der G-BA sogar einen Hinweis auf

einen beträchtlichen Zusatznutzen für die Kombination aus Sofosbuvir + Ribavirin gegenüber der

angemessenen Vergleichstherapie. Für therapieerfahrene Patienten mit cHC vom Genotyp 2 ergab

sich hingegen nur ein Anhaltspunkt auf einen geringen Zusatznutzen, zu einem gleichen Ergebnis

führte die Bewertung der Subgruppenpopulationen bestehend aus Patienten mit cHC vom Genotyp 3

bzw. für HIV-koinfizierten Patienten (G-BA, 2014a).

27 Es handelt sich dabei um ein Analyse-Prinzip von Daten aus einer randomisierten klinischen Studie. Das sogenannte Intenti-on-to-Treat-Kollektiv (ITT) besteht aus allen randomisierten Patienten (Verum- und Placebo-Gruppe), für die eine Behandlung vorgesehen war, und dient der Auswertung. So werden für die Auswertung auch Daten von Patienten berücksichtigt, die beispielsweise die Studienbehandlung nicht erhielten, unterbrachen oder vorzeitig beendeten. Das hat zur Konsequenz, dass der therapeutische Effekt tendenziell unterschätzt wird (Kabisch et al., 2011).

175

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.4 Fixkombination aus NS5A-Inhibitor und Protease-Inhibitor + nicht-nukleosidischer Polymeraseinhibitor

8.2.2.4.1 Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir (Fix) in Kombination mit Dasabuvir

Wie Daclatasvir und Ledipasvir wirkt Ombitasvir als Hemmstoff des viralen Nicht-Strukturproteins 5A

(NS5A). Das Phosphoprotein NS5A spielt eine wichtige Rolle bei der Virus-Replikation und bei der

intrazellulären Virusassemblierung. Paritaprevir (ABT-450) ist ein HCV-Proteaseinhibitor. Das Mittel

bindet an den NS3/4A-Proteasekomplex und hemmt so die NS3-Serinprotease, die eine wichtige

Rolle bei der Virusvermehrung spielt. Um die Verfügbarkeit von Paritaprevir zu erhöhen, wird der

Wirkstoff mit Ritonavir, einem starken CYP3A4-Hemmstoff, kombiniert. Durch die gemeinsame Gabe

wird eine einmal tägliche Verabreichung ermöglicht (Ferenci et al., 2014). Dasabuvir ist der erste

nicht-nukleosidische Polymerase-Inhibitor, welcher durch die Hemmung des viralen Enzyms RNA-

abhängige RNA-Polymerase NS5B die Virusvermehrung unterbindet (EMA, 2014c).

Inzwischen liegen eine Reihe randomisiert kontrollierter Studien vor, die die Fixkombination beste-

hend aus Ombitasvir in Kombination mit Ritonavir-geboostertem Paritaprevir als antivirale Thera-

piestrategie zur Behandlung der chronischen Hepatitis C untersuchten (Tabelle 34). Die allesamt

Interferon-freie Studienmedikation wurde zusätzlich mit dem direkt antiviral wirkenden Dasabuvir

kombiniert. Untersucht wurden therapienaive wie auch (standard-) therapieerfahrene Patienten mit

cHC vom Genotyp 1, mit und ohne Zirrhose (Tabelle 34). SAPHIRE-I (Feld et al., 2014) und SAPHIRE-II

(Zeuzem et al., 2014c) untersuchten die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination bestehend aus

den drei direkt antiviral wirkenden Substanzen plus Ribavirin über eine Behandlungsdauer von zwölf

Wochen gegenüber Placebo. Drei weitere Studien (PEARL-II, PEARL-III und PEARL-IV) untersuchten

die o.g. drei DAA mit bzw. ohne Ribavirin über zwölf Wochen. Die sechste Studie (TURQUOISE-II)

verglich unterschiedliche Therapiedauern (12 vs. 24 Wochen) der Studienmedikation aus den SAPHI-

RE-Studien (Tabelle 34). Diese Studie ist die erste Zulassungsstudie im Bereich der HCV-Therapie, die

ausschließlich Patienten mit (kompensierter) Zirrhose gewidmet wurde. In den anderen Pivotal-

Studien stellte eine diagnostizierte Zirrhose ein Ausschlusskriterium dar. Nach logistischer Regression

scheinen weder Alter, Geschlecht, Ethnie, IL28B-Genotyp, Fibrosestatus noch Viruslast zu Behand-

lungsbeginn einen Einfluss auf die virale Therapieantwort zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn zu

haben (Ferenci et al., 2004; Feld et al., 2014). Eine Infektion mit Genotyp 1a oder ein Non-Response

auf PEG- -Vorbehandlung in der Vorgeschichte senken möglicherweise die

Heilungsraten. In allen Studien war der primäre Endpunkt im Gesamtkollektiv gemäß den Festlegun-

176

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

gen der Studienautoren nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem historischen Vergleich.

Poordad et al. (2014; TURQUOISE-II) ermittelten keinen statistisch signifikanten Unterschied zwi-

schen den Behandlungsgruppen (p = 0,09).

Für Patienten mit zusätzlicher HIV-Infektion bzw. mit Lebertransplantation liegen derzeit nur unkon-

trollierte Beobachtungen vor (Kwo et al., 2014; Sulkowski et al., 2015), die jedoch beachtliche Er-

folgsraten vermuten lassen.

Tabelle 34: Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir plus Dasabuvir: Main Study nach dem Assess-ment Report der EMA

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Feld et al. (2014)

(SAPHIRE-I)

Phase III

doppelblind, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 636, davon ausge-wertet N = 631, (GT1a und GT1b, therapienaiv, ohne Zirrhose)

Behandlungs-dauer: 12 Wochen

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV + RBV

(OMV:25 mg , PRV:150 mg, RTV:100 mg) als fixe Kombination 1x täglich

DSV:500 mg täglich

RBV: 1.000/1.200 mg täglich

96 %

PE im GK nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem HV (Patientenkollektiv des HV: TN mit GT1 ohne Zirrhose; Behandlungsre-gime: TVR + PEG-RBV)

Zeuzem et al. (2014)

(SAPHIRE-II)

Phase III

doppelblind, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges = 395, davon ausge-wertet N = 394 (GT1a und GT1b, therapieerfahrene Patien-ten mit Relapse, partiel-lem Ansprechen oder Non-Response, ohne Zirrhose)

Behandlungs-dauer: 12-24 Wochen

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV + RBV

(OMV:25 mg , PRV:150 mg, RTV:100 mg) als fixe Kombination 1x täglich

DSV:500 mg täglich

RBV: 1.000/1.200 mg täglich

96 %

PE im GK nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem HV (Patientenkollektiv des HV: TE mit GT1 ohne Zirrhose; Behandlungsre-gime: TVR + PEG-INF + RBV)

Poordad et al. (2014)

(TURQUOISE-II)

Phase III

offen

SVR 12 Wochen

nges = 381, davon ausge-wertet N = 380 (GT1a und GT1b, therapienaive und therapieerfahrene Patien-ten, mit Zirrhose (Metavir-Score 3,4))

Behandlungs-dauer:12-24 Wochen

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV + RBV

(OMV:25 mg , PRV:150 mg, RTV:100 mg) als fixe Kombination 1x täglich

DSV:500 mg täglich

RBV: 1.000/1.200 mg täglich

92-96 %

PE im GK nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem HV (Patientenkollektiv des HV: TE mit GT 1 mit Zirrhose; Behandlungsre-gime: TVR + PEG-INF + RBV) Kein statistisch signifi-kanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen (p = 0,09)

177

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Patientenkollektiv Therapieregime

Zulassungsstudie Studienmedikation SVR

Andreone et al. (2014)

(PEARL-II)

Phase III

offen, multizentrisch

SVR 12 Wochen

nges= 187, davon ausge-wertet N = 179 ausgewer-tet, (GT1b, therapieerfah-rene Patienten, ohne Zirrhose)

Behandlungs-dauer: 12 Wochen

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV ± RBV

(OMV:25 mg , PRV:150 mg, RTV:100 mg) als fixe Kombination 1x täglich

DSV: 500 mg täglich

RBV: 1.000/1.200 mg täglich

97-100 %

PE im GK nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem HV (Patientenkollektiv des HV: TE mit GT1b ohne Zirrhose; Behandlungsre-gime: TVR + PEG-INF + RBV)

Ferenci et al. (2014)

(PEARL-III)

Phase III

offen

SVR 12 Wochen

nges = 419, davon ausge-wertet N = 419 (GT1b, therapienaive Patienten, ohne Zirrhose)

Behandlungs-dauer: 12 Wochen

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV ± RBV

(OMV:25 mg , PRV:150 mg, RTV:100 mg) als fixe Kombination 1x täglich

DSV: 500 mg täglich

RBV: 1.000/1.200 mg täglich

99 %

PE im GK nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem HV (Patientenkollektiv des HV: TN mit GT1a/b ohne Zirrhose; Behandlungsre-gime: TVR + PEG-INF + RBV)

Ferenci et al. (2014)

(PEARL-IV)

Phase III

offen

SVR 12 Wochen

nges = 305, davon ausge-wertet N = 305, (GT1a, therapienaive Patienten, ohne Zirrhose)

Behandlungs-dauer: 12 Wochen

OMV + PRV + RTV (Fix) + DSV ± RBV

(OMV:25 mg , PRV:150 mg, RTV:100 mg) als fixe Kombination 1x täglich

DSV: 500 mg täglich

RBV: 1.000/1.200 mg täglich in Abhängigkeit vom Körpergewicht

90-97 %

PE im Gesamtkollektiv nicht unterlegen und überlegen gegenüber dem HV (Patien-tenkollektiv des HV: thera-pienaive Patienten mit GT1a/b ohne Zirrhose; Behandlungsregime: Telap-revir + PEG-Interferon + Ribavirin)

Die gemeinsame Anwendung von Ombitasvir und Paritaprevir in Kombination mit Ritonavir (ABT-

450/r) wurde als Fixkombination Mitte Januar 2015 durch die Europäische Zulassungsbehörde so-

wohl in Europa als auch in Deutschland zugelassen. Bereits seit dem 20. November 2014 lag eine

positive Stellungnahme der EMA für das Kombinationsarzneimittel vor (EMA, 2014d), ebenso wie für

Dasabuvir. Die Ausschussmitglieder des CHMP befürworteten die Erteilung einer Zulassung für

Dasabuvir zur Behandlung der chronischen Hepatitis vom Genotyp 1 mit und ohne Zirrhose nur im

Rahmen einer Kombinationstherapie. Der kombinierte Einsatz von Dasabuvir mit anderen direkt

antiviral wirkenden Mitteln wird insbesondere wegen der Möglichkeit der Viruseradikation von HCV

Genotyp 1 empfohlen (EMA, 2014e). Sowohl die Fixkombination als auch Dasabuvir wurden im Rah-

men eines beschleunigten EMA-Bewertungsverfahrens begutachtet, das insbesondere in den Krank-

heitsfeldern zum Einsatz kommt, für die bislang keine zufriedenstellenden Therapieoptionen zur

Verfügung stehen. Am 15. Januar 2015 wurde Dasabuvir europaweit durch die EMA zugelassen.

178

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Zulassungsrelevante Studien vs. Zulassungsstatus

Insgesamt erweist sich die Tripel-Therapie aus den drei DAA ohne Ribavirin über zwölf Wochen bei

zirrhotischen und nicht-zirrhotischen Patienten mit cHC vom Genotyp 1b als effektiv, gleiches gilt für

nicht-zirrhotische Patienten mit cHC vom Genotyp 1a (EMA, 2014c). In der letztgenannten Subgrup-

pe sollte allerdings eine zwölfwöchige Therapie nur mit zusätzlicher Gabe von Ribavirin verbunden

sein. Patienten mit cHC vom Genotyp 1a besitzen auch ohne fortgeschrittene Lebererkrankung ein

höheres Risiko eines viralen Durchbruchs bzw. eines Rückfalls nach Beendigung der Therapie, sollte

auf die zusätzliche Gabe von Ribavirin verzichtet werden (EMA, 2014c). Unklar ist, ob dies auch für

Patienten mit cHC vom Genotyp 1b gilt.

Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 1 und nach einer Lebertransplantation wird eine

Behandlung mit der Fixkombination bestehend aus Ombitasvir + Ritonavir-geboostertem Paritaprevir

plus Dasabuvir in Kombination mit Ribavirin über 24 Wochen hinweg empfohlen (Tabelle 35). Bei

einer Infektion vom Genotyp 4 wird die Fixkombination mit einer zusätzlichen Gabe von Ribavirin

befürwortet, ebenfalls über 24 Wochen. Daten zur Anwendung der Fixkombination + Ribavirin bei

Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 4 und kompensierter Zirrhose liegen nicht vor. Eine

optimale Therapiedauer ist somit nicht erwiesen. Basierend auf In-vitro-Daten zur antiviralen Aktivi-

tät und den verfügbaren klinischen Daten zum HCV-Genotyp 1 wird für Patienten mit einer HCV-

Infektion vom Genotyp 4 und kompensierter Zirrhose eine konservative Therapiedauer von 24 Wo-

chen empfohlen (abbvie, 2015a; abbvie, 2015b).

179

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Tabelle 35: Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir plus Dasabuvir: Angaben nach Fachinformation

Patientenkollektiv Therapieregime

Fachinformation

abbvie (2015a +2015b)

Dosierung*

(OMV:12,5 mg, PRV: 75 mg, RTV: 50 mg) 2x täglich, DSV: 250 mg 2x täglich, RBV: 1.000 mg täglich

Duale Therapie Tripel-Therapie

Patienten mit cHC vom Geno-typ 1b ohne Zirrhose

Behandlungsdauer: 12 Wochen

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritona-vir (Fix) + Dasabuvir

Patienten mit cHC vom Geno-typ 1b mit kompensierter Zirrhose

Behandlungsdauer: 12 Wochen

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir (Fix) + Dasabuvir + Ribavirin

Patienten mit cHC vom Geno-typ 1a ohne Zirrhose

Behandlungsdauer: 12 Wochen

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir (Fix) + Dasabuvir + Ribavirin

Patienten mit cHC vom Geno-typ 1a mit kompensierter Zirrhose

Behandlungsdauer: 24 Wochen

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir (Fix) + Dasabuvir + Ribavirin

Patienten mit cHC vom Geno-typ 4 ohne Zirrhose**

Behandlungsdauer: 12 Wochen

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritona-vir (Fix)

Patienten mit cHC vom Geno-typ 4 mit kompensierter Zirrho-se**

Behandlungsdauer: 24 Wochen

Ombitasvir + Paritaprevir + Ritona-vir (Fix)

*Berechnet auf ein durchschnittliches Körpergewicht von 75 kg. Handelspräparate: Viekirax® (Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir), Exviera® (Dasabuvir), Copegus® (Ribavirin).**Anwendung erfolgt ohne Dasabuvir (abbvie, 2015a).

Nutzenbewertung nach § 35a SGB V

Das Verfahren nach § 35a SGB V zur Nutzenbewertung der Wirkstoffkombination, bestehend aus

Ombitasvir und dem mit Ritonavir-geboosterten Paritaprevir, wurde wie für Dasabuvir am

01.02.2015 eingeleitet. Die Veröffentlichung der IQWiG-Nutzenbewertung sowie der Beginn zum

schriftlichen Stellungnahmeverfahren wird für beide Verfahren Anfang Mai, die Beschlussfassung des

G-BA zu Mitte Juli 2015 erwartet.

180

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

8.2.2.5 Diskussion der Ergebnisse

Klinische Forschung stellt die Grundlage des medizinischen Fortschritts dar. Neben dem primären

Ziel, patientenrelevante Forschungsfragen zu untersuchen, dienen klinische Studien der Arzneimit-

telentwicklung als Grundlage der behördlichen Zulassungsentscheidung (Kabisch et al., 2011).

Diskrepanzen zwischen Zulassungsstudien und Zulassungsstatus lassen sich – wie zuvor schon bei

den Empfehlungen der Fachgesellschaften – auch nach Analyse der relevanten Publikationen (Zulas-

sungsstudien, EMA Assessment Reports und Fachinformationen) aufzeigen.

So wurden unterschiedliche Stopp-Regeln, die während der klinischen Studien des Wirkstoffes Boce-

previr aufgestellt wurden, im Laufe des Zulassungsverfahrens vereinheitlicht, neue Dosierungsemp-

fehlungen auf Basis retrospektiver Analysen erteilt, und obwohl Null-Responder zunächst von der

Boceprevir-Studienpopulation ausgeschlossen wurden, wurde dem Antrag des pU auf eine Erwei-

terung der Indikation auch für diese Subgruppe stattgegeben. Auch für Telaprevir stellen die ange-

gebenen Stopp-Regeln in der Fachinformation eine Simplifikation dar, die in den Phase-III-Studien

angewendet wurden. Die Telaprevir-Therapie von Relapsern lässt – entgegen der Behandlungszeit in

der pivotalen Studie – nach Auffassung des CHMP auch ein verkürztes Behandlungsregime zu, be-

gründet auch hier u.a. durch das Nachreichen pharmakometrischer Datenanalysen28 durch den pU

während des laufenden Verfahrens. Bei Simeprevir wurde der für die Schlüsselstudie ursprünglich

geplante primäre Endpunkt (SVR 24) verlassen und in SVR 12 geändert – basierend auf der engen

Korrelation zwischen den beiden SVR. Partielle und Null-Responder waren auch hier nicht im Patien-

tenkollektiv der konfirmatorischen Phase-III-Studien für Simeprevir enthalten. Der pU beantragte

dennoch die Erweiterung der Indikation auch für diese Patienten und berief sich dabei auf Belege aus

einer Phase-IIb-Studie. Daten, die die Wirksamkeit von Simeprevir bei cHC-Patienten mit Genotyp 4

aufzeigen sollen und auf deren (Zwischen-)Ergebnissen die Zulassung beruht, wurden aus einer zum

Zeitpunkt des Zulassungsantrags noch laufenden Studie entnommen. Somit lagen Daten für die The-

rapie der HCV-Infektion mit Genotyp 4 zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht vor. Belastbare Daten

aus randomisiert-kontrollierten und verblindeten Studien sind bis dato nur für die Infektion mit dem

HCV vom Genotyp 1 verfügbar. Ebenso liegen – trotz Zulassung durch die EMA – nur geringe Erfah-

rungen zum Einsatz von Simeprevir im Rahmen Interferon-freier Behandlungsregime vor. Auch für

den Wirkstoff Daclatasvir beruht die Interferon-freie Anwendung bei Genotyp-4-Infektionen bislang

nur auf einer Extrapolation der Genotyp-1-Daten. Zum Zulassungszeitpunkt können nur begrenzte

Behandlungsempfehlungen für den Genotyp 3 ausgesprochen werden. Trotzdem wird der Wirkstoff

auch für diese Patientengruppe zugelassen. Das CHMP begründet seine Empfehlung mit dem zuge-

28 Unter einer pharmakometrischen Datenanalyse versteht man das Beschreiben und Vorhersagen möglicher Auswirkungen eines Arzneimittels auf einen Patienten mit Hilfe mathematischer Modelle.

181

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

lassenen Interferon-freien Therapie-Regime, bestehend aus Sofosbuvir und Ribavirin über eine Be-

handlungszeit von 24 Wochen für diese Subpopulation. Nur gut ein Fünftel des Patientenkollektivs

des Interferon-freien Regimes zur Therapie der cHC Genotyp 1 waren mit anderen Protease-

Inhibitoren vorbehandelt worden. Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit der dualen Kombination

(Daclatasvir + Sofosbuvir) zur Behandlung zirrhotischer Patienten liegen zum Zeitpunkt der Zulassung

nur begrenzt vor, so dass die optimale Behandlungsdauer sowie das Nutzenpotential einer zusätzli-

chen Ribavirin-Gabe bis zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht in vollem Umfang abgeklärt werden

konnte. Auch hier wurden von Seiten des CHMP Daten aus anderen Studien mit vergleichbaren

Wirkstoffkombinationen hinzugezogen, die zwar die Wirksamkeit von Daclatasvir bei diagnostizierter

Leberzirrhose belegen, allerdings keinen Aufschluss bezüglich der Behandlungsdauer bzw. dem Nut-

zen einer Ribavirin-Gabe geben. Ledipasvir in Kombination mit Sofosbuvir und Ribavirin ist u.a. zuge-

lassen zur Behandlung von Patienten mit cHC vom Genotyp 3, mit Zirrhose und bzw. oder Versagen

einer vorherigen Behandlung, obwohl valide klinische Daten, die eine direkte Wirkung von Ledipasvir

auf den Genotyp 3 belegen, nicht vorhanden sind, ebenso wenig wie eindeutige Belege für einen

Selektionsdruck. Rückschlüsse auf eine Wirksamkeit der Fixkombination zieht das Komitee aus Quer-

schnittsstudien, die eine klinisch relevante Aktivität von Ledipasvir in der antiviralen Therapie des

Genotypus 3 belegen. Eine Zulassung zur Therapie der HCV-Infektion vom Genotyp 4 wird ebenfalls

mit In-vitro-Daten und Ergebnissen aus klinischen Studien mit vergleichbarem Therapieregime be-

gründet. Als erster pangenotypischer Inhibitor der RNA-abhängigen RNA-Polymerase NS5B des HCV

kann Sofosbuvir sowohl zur Erst- als auch zur Re-Therapie bei allen HCV-Genotypen eingesetzt wer-

den. Die Zulassung weist für alle Genotypen eine Interferon-freie Therapieoption aus und das, ob-

wohl das Interferon-freie Behandlungsregime in Phase-III-Studien nur an Patienten mit cHC vom

Genotyp 2 und 3 getestet wurden. Weder die bestmögliche Behandlungsdauer noch das optimale

Therapieregime wurden bestimmt.

Letztendlich zeigt sich am Beispiel dieser Wirkstoffe zur Behandlung der cHC, dass die Zulassung für

bestimmte Genotypen oder auch das Behandlungsregime nicht immer auf evidenzbasierten und

validen Daten beruht. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass es sich bei den klinischen Unter-

suchungen hauptsächlich um placebokontrollierte Studien handelt. Direkte Vergleichsstudien zum

bisherigen Therapiestandard fehlen hier, ebenso direkte Vergleichsstudien zu therapeutisch ähnli-

chen Behandlungsoptionen. Daher sind belastbare Aussagen zu diesen Alternativen nicht möglich.

Das zu beurteilen ist aber auch nicht Aufgabe einer Zulassungsbehörde. Mit der Zulassung eines

Arzneimittels soll von Seiten der zuständigen Behörden gewährleistet werden, dass bei dem zu un-

tersuchenden Wirkstoff, bzw. der zu untersuchenden Wirkstoffkombination, Qualität, Wirksamkeit

und Unbedenklichkeit nach dem derzeitigen Erkenntnisstand gegeben sind und das Arzneimittel zur

Verwendung in der breiten Bevölkerung freigegeben werden kann. Sind diese Bedingungen nicht

erfüllt, muss die Zulassung verweigert werden. Die Orientierung am derzeitigen Erkenntnisstand

182

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

suggeriert objektive Fakten, die mit der Erteilung einer Zulassung attestiert werden. Am Ende der

Zulassungserteilung steht jedoch eine gewisse Unsicherheit, da Ergebnisse solcher Studien nicht

generell auf die breite Bevölkerung übertragen werden können. Begleiterkrankungen und Medikati-

onen im klinischen Alltag finden selten Berücksichtigung im therapeutischen Entwicklungsprogramm.

Auch das homogene Patientenkollektiv reflektiert nicht die Versorgungsrealität. Die Zulassung eines

Arzneimittels ist also auch immer mit einem Abwägen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses verbunden.

Das wird nicht nur allein durch abweichende Entscheidungen nationaler wie internationaler Zulas-

sungsbehörden deutlich, sondern auch mit dem Auftreten schwerer UAW, die sich erst nach Ertei-

lung des Marktzugangs offenbaren.

So informierte der pU im Februar 2012 – also kein Jahr nach Erteilung der Zulassung – in einem Rote-

Hand-Brief über Arzneimittelinteraktionen zwischen Boceprevir und Ritonavir-geboosteren HIV-

Protease-Inhibitoren (MSD, 2012). Da zum Zeitpunkt der Marktzulassung von Boceprevir nur Interak-

tionsdaten für Ritonavir vorlagen, die keine nennenswerten Wechselwirkungen zeigten, waren nach

Aussage des pU keine Interaktionen mit Ritonavir-geboosterten HIV-Protease-Inhibitoren zu erwar-

ten. Eine pharmakokinetische Studie bei 39 gesunden Freiwilligen zeigte allerdings, dass es bei einer

gleichzeitigen Anwendung von Boceprevir mit Ritonavir in Kombination mit Atazanavir, Darunavir

oder mit Lopinavir zu einer deutlichen Abnahme der Plasmakonzentrationen sowohl der HIV-

Proteaseinhibitoren als auch von Boceprevir kam. Welchen schätzbaren Wert die Erforschung aller

naheliegenden Interaktionen einnimmt, wird gerade durch dieses Beispiel deutlich. Ungefähr ein

Drittel der Patienten, die in den USA und Europa mit dem Humanen Immundefizienz Virus (HIV)

infiziert sind, haben auch eine HCV-Infektion. Im Vergleich zu Patienten, bei denen nur eine HCV-

Infektion diagnostiziert worden ist, zeigen Patienten mit HIV und HCV u.a. eine raschere Progression

der HCV-Erkrankung mit einem erhöhten Risiko von Leberzirrhose und Leberkarzinom.

Auch wurden schon während der klinischen Studien zu Telaprevir unerwünschte Arzneimittelwirkun-

gen registriert, insbesondere Anämien, die eine Dosisanpassung oder Bluttransfusion erforderten,

sowie schwere Hautausschläge (Rash), Stevens-Johnson-Syndrom oder DRESS (Arzneimittelexan-

them mit Eosinophilie und systemischen Symptomen) (EMA, 2015). Nach der Markteinführung tra-

ten in Japan zwei Fälle schwerster Hautreaktionen auf (einer davon tödlich), welche als Toxische

Epidermale Nekrolyse (TEN) klassifiziert wurden. Während im Rahmen des klinischen Entwicklungs-

programms von Telaprevir die o.g. UAW aufgetreten sind, war eine TEN im Zusammenhang mit dem

neuen Wirkstoff bislang unbekannt (Janssen, 2013). Entsprechend verwies der pharmazeutische

Hersteller auf die Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung der Dreifach-Therapie bei schwerwie-

gender Hautreaktion mit systemischen Symptomen, progredientem schwerem Hautausschlag bzw.

Verdacht auf oder Diagnose eines generalisierten bullösen Exanthems.

Schließlich informierten sowohl die deutsche Zulassungsbehörde BfArM wie auch die amerikanische

Zulassungsbehörde FDA im März 2015 über schwerwiegende Herzrhythmusstörungen im Zusam-

183

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

menhang mit der Einnahme von Sofosbuvir-haltigen Mitteln. Bei Einnahme von Sovaldi® bzw. von

Harvoni® kam es in Einzelfällen zu schwerwiegenden Bradykardien, die bei einigen Betroffenen zum

Einsatz von Herzschrittmachern führte und in einem Fall sogar tödlich endete (BfArM, 2015; FDA,

2015). Alle Patienten erhielten neben anderen antiviralen Wirkstoffen zur Therapie der cHC (Sime-

previr, Daclatasvir) mit Amiodaron und Betablocker noch weitere Arzneimittel, die selbst Einfluss auf

den Herzrhythmus haben können.

Wenn die Zulassung eines Arzneimittels von Anfang an mit nicht vorhersehbaren Ereignissen belegt

ist, drängt sich umso mehr die Frage auf, warum dennoch Daten zur Beurteilung einer Zulassung

hinzugezogen werden, die nicht aus klinischen Studien bzw. nicht von dem Patientenkollektiv der

klinischen Studie stammen. Zumal – wie an diesen Wirkstoffbeispielen aufgezeigt – bei der Bewer-

tung der Wirksamkeit der jeweiligen Substanzen, getestet an teilweise sehr kleinen Patientenzahlen,

als primärer Endpunkt der klinischen Studien ein Surrogatparameter anstelle „harter klinischer End-

punkte“ hinzugezogen wurde.

Morbidität und Mortalität zählen zu den „harten klinischen Endpunkten“, die den Ansprüchen der

evidenzbasierten Medizin gerecht werden. Studien, die auf derartige Endpunkte ausgelegt sind, sind

jedoch mit hohen Kosten verbunden und benötigen eine entsprechende Laufzeit, da Aussagen zu

Morbidität und Mortalität in der Regel erst nach Jahren der Nachbeobachtungszeit getroffen werden

können. Ausnahmen können klinische Studien im onkologischen Bereich darstellen. So ist aufgrund

der Schwere der Erkrankungen bei zahlreichen Krebserkrankungen (beispielsweise Tumore der Le-

ber, der Lunge oder des Pankreas) mit einer sehr hohen Sterblichkeitsrate zu rechnen, die auch im

Rahmen klinischer Studien erfasst werden kann. Es steht außer Zweifel, dass die Arzneimittelthera-

pie und ihre Wirksamkeit nicht ausschließlich auf Morbidität und Mortalität ausgelegt werden kön-

nen und dürfen, wenn man bedenkt, dass zum Zeitpunkt der Zulassung eines Medikaments in der

Regel sechs bis acht Jahre der klinischen Arzneimittelentwicklung vergangen sind und diese Zeit nicht

ausreicht, um gesicherte Aussagen zur Mortalität treffen zu können (Böger, 2002). Primäre Endpunk-

te, die – wie es bei Surrogatparametern der Fall ist – Veränderungen kurzfristig und schnell aufzeigen

können, dürfen und müssen somit auch in die Bewertung der Wirksamkeit durch die Zulassungsbe-

hörde miteinfließen. Voraussetzung der Verwendung von Surrogatparametern als Endpunkt in klini-

schen Interventionsstudien ist natürlich, dass ein definierter Zusammenhang zwischen Surrogatpa-

rametern und der zu untersuchenden Erkrankung besteht und dass Änderungen der Ausprägung des

Surrogatparameters den Effekt der Therapie auf den eigentlich beabsichtigten Effekt und den klini-

schen Verlauf der Krankheit widergeben (Böger, 2002). Ein weiterer Grund für die Akzeptanz solcher

Surrogatparameter als klinischen Endpunkt kann aber auch in dem begründet Zeitdruck der Zulas-

sungsbehörden gesehen werden, neuen Arzneimitteln gerade für schwer therapierbare Erkrankun-

gen einen schnelleren Marktzugang zu gewähren (Glaeske, 2011). Mit dem gleichen Argument wer-

den – wie im Fall der Fixkombination bestehend aus Ombitasvir + Paritaprevir + Ritonavir sowie

184

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Dasabuvir – auch beschleunigte EMA-Bewertungsverfahren begründet, die insbesondere in den

Krankheitsfeldern zum Einsatz kommen, für die bislang keine zufriedenstellenden Therapieoptionen

zur Verfügung stehen.

Eine Verkürzung der Prüfverfahren reduziert die Arzneimittelsicherheit. Eine zuverlässige Analyse der

verfügbaren Daten benötigt grundsätzlich auch Zeit, schwere UAW können sonst möglicherweise

während des Zulassungsverfahrens nicht identifiziert werden, mit schwerwiegenden Folgen nach

erfolgter Marktzulassung. Gerade für Arzneimittel, die durch ein beschleunigtes EMA-

Bewertungsverfahren ihren frühen Marktzugang erhalten haben – und das vor dem Hintergrund,

dem Patienten mit schwerer oder seltener Erkrankung eine rechtzeitige Behandlung zu ermöglichen

– ist zwingend ein umfassenderer Risikomanagementplan zu fordern. Diese Arzneimittel sollten bei-

spielsweise nur in bestimmten Zentren oder innerhalb eines Registers eingesetzt werden, um engere

Nutzen-Risiko-Profile erstellen und bei Auftreten von (schweren und schwerwiegenden) UAW ent-

sprechend zeitnah angemessen handeln zu können.

Primäres Ziel einer Hepatitis C-Therapie ist ein anhaltendes virologisches Ansprechen, ein Surrogat-

parameter, der mit einer Heilung der Lebererkrankung assoziiert wird. Darunter versteht man das

Fehlen eines HCV-RNA-Nachweises im Serum 24 Wochen nach Therapieende. Mit einer derartigen

SVR ist eine Heilung der Lebererkrankung assoziiert, da diese Patienten in der Regel seltener klini-

sche Endpunkte entwickeln als diejenigen, bei denen eine dauerhafte Viruseradikation nicht möglich

ist (Veldt et al., 2007; Morgan et al., 2013). Kritisch hinterfragt werden sollte hier aber, dass in man-

chen Studien die SVR nach 24 Wochen, in anderen Studien allerdings schon nach zwölf Wochen er-

hoben wurde. So findet im fachlichen Umfeld noch eine Diskussion darüber statt, ob die Definition

einer SVR 12 Wochen nach Behandlungsende zielführend ist. Eine Verkürzung der Zeit bis zur End-

punkterhebung wird grundsätzlich positiv bewertet. Studienergebnisse können so schneller publi-

ziert und möglicherweise effektive Therapie-Regime schneller beim Patienten zum Einsatz kommen.

Andererseits wird darauf hingewiesen, dass die Untersuchungen, mit denen eine große Überein-

stimmung zwischen den Erfolgsraten in Woche 12 nach Behandlungsende und denen nach Woche 24

gezeigt werden konnte, mit anderen Therapie-Regimen (plus PEG-

es daher noch unklar ist, ob diese Ergebnisse auch auf Interferon-freie Behandlungsregime übertrag-

bar sind (Hellard et al., 2014). Auch zeigen klinisch virologische Untersuchungen, dass die gemessene

HCV-RNA-Konzentration zwischen unterschiedlichen HCV-RNA-Assays trotz der Standardisierung auf

internationale Einheiten erheblich abweichen kann. Daten für Grenzwerte der HCV-RNA-

Konzentration, die auf eine mögliche Therapieverkürzung hindeuten, liegen von den verschiedenen

in der klinischen Routine eingesetzten Assays bisher nicht vor. Auch konnte die Bedeutung einer

residualen Virämie für einen späteren virologischen Rückfall noch nicht hinreichend untersucht wer-

den.

185

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

In der Studie von Zeuzem et al. (2014a, VALENCE) wurde das Originalprotokoll aufgrund neuer wis-

senschaftlicher Erkenntnisse während der Studiendurchführung geändert und der ursprünglich defi-

nierte primäre Endpunkt verändert. Ursprünglich war die Gabe einer duale Therapie bestehend aus

Sofosbuvir + Placebo für alle Studienteilnehmer aus dem Verum-Arm geplant. Nach Initiierung der

Studie lagen Ergebnisse aus einer weiteren Phase-III-Studie (FUSION) vor, die eine Verlängerung der

Behandlung der Patienten mit HCV Genotyp 3 von zwölf auf 24 Wochen notwendig erscheinen ließ.

Die Studiengruppe wurde daraufhin entblindet, Patienten mit HCV vom Genotyp 2 erhielten die

geplanten zwölf Behandlungswochen, während Patienten mit HCV vom Genotyp 3 die Studienmedi-

kation über 24 Wochen erhielten. Ein Protokoll während einer laufenden Studie zu ändern sollte

grundsätzlich kritisch hinterfragt werden. Letztendlich resultiert die medizinisch-wissenschaftliche

Begründung für eine Studie aus dem primären Ziel und sollte und darf allein deswegen nicht ohne

Weiteres im Verlauf geändert werden. Aus statistischer Sicht ist auch die Unterscheidung zwischen

Haupt- und Nebenfragestellung schon unerlässlich, weil sich die Bestimmung der Fallzahl ausschließ-

lich am primären Zielkriterium orientiert (ICH E9, 1998). Andererseits kann eine geänderte Datenlage

dazu führen, dass die ursprünglich geplante Studie aus ethischen Gründen nicht mehr vertretbar ist.

Würde man an diesem Punkt die Studie abbrechen, um eine neue Studie auf Basis aktueller Erkennt-

nisse durchzuführen, wäre es nicht nur mit hohen Kosten verbunden, sondern auch mit einem nicht

zu unterschätzenden Zeitverlust, der gerade bei der Zulassung von Orphan Drugs oder Arzneimitteln

zur Therapie schwerer Erkrankungen eine große Bedeutung hat.

Bei der Gegenüberstellung der Ergebnisse und der offensichtlichen Unterschiede zwischen den Da-

ten aus pivotalen Studien und der dann daraus folgenden Zulassung stellt sich auch die Frage, inwie-

fern die pharmazeutische Industrie Einfluss auf entsprechende Zulassungsbehörden hat oder schon

im Vorfeld auf einen positiven Ausgang des Zulassungsantrags hinwirken kann. Der Einfluss der

pharmazeutischen Industrie auf Zulassungsbehörden stand in der Vergangenheit immer wieder zur

Diskussion. Dass eine Zulassung auch von einem hohen ökonomischen Interesse des pU getragen

wird, ist Fakt. Schließlich steigt und fällt der Börsenwert eines Unternehmens mit einem zugelasse-

nen Arzneimittel. So wurden wesentliche Kompetenzen des nationalen Arzneimittelzulassungsver-

fahrens mittlerweile auf die europäische Ebene verlagert, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäi-

schen Pharmaindustrie gegenüber ihren internationalen Konkurrenten zu verbessern (Schmucker,

2005).

Welcher Beurteilungsmaßstab seitens der Behörden abschließend zur Zulassung auch in unzu-

reichend geprüften Patientenkollektiven führt, ist faktisch nicht alleine durch eine kritische Evaluati-

on der Zulassungsstudien zu ermitteln. Wurde im Vorfeld der auf breiter Ebene empfohlene OLU

seitens der Fachgesellschaften kritisch hinterfragt, so kann dies auch die behördlichen Entscheidun-

gen betreffen. Festzuhalten ist, dass viele Faktoren, die zwischen den Zeilen stehen, zu einem positi-

186

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

ven Zulassungsbescheid beitragen. So erfolgt die Zulassung eben nicht nur „Ergebnis-orientiert“

sondern auch als eine theory of the second best. Festzuhalten gilt aber auch, dass Studien keinem

Selbstzweck dienen, den Anforderungen des AMG Genüge zu tun. Das Contergan®-Beispiel aus den

1960er-Jahren hat gezeigt, dass Tierversuche und In-vitro-Daten keine ausreichende Basis dafür sein

können, um schwerwiegende unerwünschte Wirkungen zu erkennen.

Sicher ist, dass die Bewertung der Zulassungsbehörde keinen OLU einschließt. Tatsache ist aber auch,

dass ein OLU nur mit zugelassenen Arzneimitteln möglich ist. Insofern ist die In-Label-Zulassung eine

Voraussetzung dafür, dass Arzneimittel auch off-label angewendet werden können. In der Versor-

gung sollte auf diesen Zusammenhang vor allem deshalb geachtet werden, weil offensichtlich pU bei

der Zulassung eines Arzneimittels bereits die Anwendung im Off-Label Use ökonomisch miteinkalku-

lieren (Glaeske, 2015). Dass dadurch aber die Arzneimittelsicherheit zu Lasten der Patienten ge-

schwächt wird, sollte bei einem OLU immer bedacht werden. Ein OLU ist also nur dort akzeptabel,

wo die engen Auflagen der bisherigen Gerichtsurteile eingehalten werden.

Für die individuelle Versorgung des betroffenen Patienten spielen aber auch die Beschlüsse des Ge-

meinsamen Bundesausschusses – auf Basis der IQWiG-Nutzenbewertung – eine nicht zu unterschät-

zende Rolle. Während der Zulassungsbehörde die Aufgabe obliegt, Qualität, Sicherheit und Wirk-

samkeit eines Arzneimittels zu bewerten, liegt der Fokus von G-BA und IQWiG auf der Ermittlung des

patientenindividuellen (Zusatz-)Nutzens. Ihre Entscheidungen können die Therapie der Ärzte maß-

geblich beeinflussen, wenn es darum geht, zugunsten der Patienten die als innovativ bewerteten

Wirkstoffe auch möglichst zeitnah in der Praxis anzuwenden. IQWiG und G-BA benennen bei allen

HCV Genotypen von 1 bis 6 (therapienaive wie therapieerfahrene Patienten mit und ohne Zirrhose

und unabhängig von Komorbidität mit HIV) als zweckmäßige Vergleichstherapie nach wie vor die

Kombination von PEG- . Lediglich bei therapienaiven HCV-Genotyp 1-

Patienten ohne Zirrhose bzw. bei therapieerfahrenen HCV-Genotyp 1-Patienten mit und ohne Zirrho-

se geben IQWiG und G-BA seit Anfang 2014 die mit einem Zusatznutzen belegte Tripel-Therapie,

bestehend aus der Standardtherapie plus einem Protease-Inhibitor (Boceprevir oder Telaprevir), als

therapeutische Alternative an. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden,

dass mit dem Indikator anhaltendes virologisches Ansprechen erstmals ein Surrogatparameter vom

IQWiG bezüglich des patientenrelevanten Endpunkts „Entwicklung eines Leberkrebses“ als „ausrei-

chend valide“ akzeptiert wurde. In seinen Dossiers vermerkt das IQWiG allerdings, dass die SVR als

Surrogat nicht formal validiert ist und dass die Einschätzung der „ausreichenden Validität“ aus-

schließlich auf Daten aus Beobachtungsstudien beruht.

187

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

In seinem Methodenpapier weist das IQWiG darauf hin, dass „Surrogatendpunkte im Rahmen der

Nutzenbewertung des Instituts in der Regel nur dann in Betracht gezogen [werden], wenn sie zuvor

anhand geeigneter statistischer Methoden innerhalb einer hinreichend eingegrenzten Patientenpo-

pulation und innerhalb von vergleichbaren Interventionen (z. B. Arzneimittel mit vergleichbarem

Wirkmechanismus) validiert wurden.“ (IQWiG, 2015a, S. 40). Weiter heißt es, dass „Surrogatend-

punkte, die nicht valide sind oder für die kein adäquates Validierungsverfahren durchgeführt wurde,

[…] dennoch in den Berichten des Instituts dargestellt werden [können]. Derartige Endpunkte sind

aber unabhängig von den beobachtbaren Effekten nicht als Belege für einen Nachweis des zusätzli-

chen Nutzens einer Intervention geeignet.“ (IQWiG, 2015a, S. 42).

Arzneimittel, deren Zulassung auf Surrogatendpunkten beruht, können sich in der ärztlichen Praxis

auch als schädigend für den Patienten erweisen (Svensson et al., 2013, Glaeske, 2011). Zu diesen

Arzneimitteln zählen beispielsweise das Antidiabetikum Rosiglitazon (Surrogatparameter: Abnahme

des HbA1c-Wertes, in der Praxis: akute Myopathie, Frakturen der Füße, Hände und Oberarme, unkla-

res kardiovaskuläres Sicherheitsprofil), dessen EU-weite Marktrücknahme im September 2010 er-

folgte, sowie der Wirkstoff Erythropoietin zur Behandlung von renalen Anämien (Surrogatparameter:

Erhöhung des Hb-Wertes), der nach subkutaner Injektion bei Patienten mit chronischer Niereninsuf-

fizienz bzw. terminalem Nierenversagen zu einer Antikörper-vermittelten Erythroblastopenie (PRCA)

führte (Ortho Biotech, 2002). Kvitkina et al. (2014) untersuchten in ihrer Arbeit die Durchführbarkeit

der frühen Nutzenbewertung anhand patientenrelevanter Endpunkte, indem die in den Hersteller-

Dossiers verfügbaren Endpunkte systematisch charakterisiert sowie die Einschätzungen der Herstel-

ler bzw. des IQWiG bezüglich der Patientenrelevanz bzw. Surrogatvalidität verglichen wurden. Die

Autoren kamen zu dem Schluss, dass von insgesamt 214 durch das IQWiG bearbeiteten Endpunkten

nur 13 Prozent als Surrogate eingestuft werden konnten. Dabei handelte es sich in den meisten Fäl-

len um laborparameter-definierte Ansprechraten oder Auswertungen, die auf bildgebenden Verfah-

ren beruhen (wie beispielsweise die Tumor-Ansprechrate im Cabazitaxel-Dossier) (Kvitkina et al.,

2014). Nur zwei der insgesamt 27 Surrogatendpunkte wurden letztendlich vom IQWiG als ausrei-

chend valide angesehen. Dazu zählte neben der SVR auch das virologische Ansprechen bei HIV (Kvit-

kina et al., 2014).

Insgesamt konstatieren IQWiG und G-BA bei der Mehrzahl der bewerteten Arzneimittel im Rahmen

der frühen Nutzenbewertung einen Zusatznutzen als nicht belegt. Dabei wurde die Nutzenbewer-

tung nach einzelnen Subgruppen differenziert. Allein bei Sofosbuvir wurden neun Teilpopulationen

bei der Nutzenbewertung erfasst. Betrachtet man die bis dato abgeschlossenen Verfahren in ihrer

Gesamtschau, muss festgehalten werden, dass eine solche Aufteilung der Anwendungsgebiete durch

den G-BA in etwa jedem zweiten Fall stattfand (Rasch & Dintsios, 2015). Sowohl das SGB V als auch

die Arzneimittel-Nutzenverordnung (AM-NutzenV) enthalten die rechtlichen Rahmenbedingungen

188

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

für die Bewertung der einzelnen Patientengruppen. So müssen die Unterlagen des Herstellers u.a.

Angaben über Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer

Zusatznutzen besteht, enthalten (§ 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V). Zudem muss geprüft werden, wel-

cher Zusatznutzen für welche Patientengruppen in welchem Ausmaß belegt ist (§ 7 Abs. 2 AM-

NutzenV). Des Weiteren soll das Gutachten des IQWiG unter Berücksichtigung alters-, geschlechts-

und lebenslagenspezifischer Besonderheiten durchgeführt werden (§ 139a SGB V).

Aktuell veröffentlichten Rasch und Dintsios (2015) die Ergebnisse ihrer jüngsten Untersuchung und

zeigten dabei wesentliche Problemfelder rund um Subgruppenanalysen, Subpopulationen sowie

Inkongruenzen zwischen den Vorgaben der frühen Nutzenbewertung und der Zulassung auf. Dabei

werden als Subpopulation die Patientengruppen bezeichnet, die sich aus dem zugelassenen Indikati-

onsgebiet ergeben, während unter dem Begriff Subgruppen Teilpopulationen erfasst werden, die

sich aufgrund der Unterschiede im Ausmaß eines Effekts aufzeigen (Rasch & Dintsios, 2015). Nach

Auffassung der Autoren führt die Festlegung einer zweckmäßigen Vergleichstherapie ebenfalls zu

einer differenzierten Nutzenbewertung. Dabei handele es sich nicht um Teilmengen einer Population,

sondern um alternative Einschätzungen zum Zusatznutzen je nach festgelegtem Komparator. In sei-

nem Methodenpapier führt das IQWiG selbst die Limitationen dieses Bewertungsverfahrens aus

(IQWiG, 2015a). Neben dem fehlenden Beweischarakter von Subgruppenanalysen und dem Problem

der geringen Power, wenn eine Subgruppe nicht eine adäquate Fallzahl aufweist, bezeichnet das

IQWiG die Ausführung multipler Tests von mehreren Subgruppenmerkmalen ebenfalls als einen

weiteren Limitationspunkt. So führen multiple Tests möglicherweise zu einer statistischen Signifi-

kanz, die auf einem Zufallsergebnis basiert (IQWiG, 2015). Auch wenn Subgruppenanalysen das Stu-

dienergebnis der primären Analyse nicht dominieren sollten, können sie supportiv zur Abstufung der

Wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes des Zusatznutzens führen (Rasch & Dintsios, 2015). Erweist

sich also das Zerlegen von Erkrankungen in Untergruppen (slicing) zur sukzessiven Erlangung weite-

rer Zulassungen in Indikationsgebieten mit Seltenheitswert schon für die solidarische Erstattung in

der GKV als problematisch (Kapitel 5.3), so muss diese Vorgehensweise bei der Interpretation der

Nutzenbewertung durch IQWiG und G-BA ebenfalls kritisch hinterfragt werden.

Sowohl von den forschenden Pharmaunternehmen als auch von Seiten der Fachgesellschaften wer-

den die Entscheidungen der Behörden auch deshalb kontrovers diskutiert, weil Wissens- und Er-

kenntnisdefizite eine ausreichend sichere Beurteilung nicht immer möglich machen. So können wie

im Fall der chronischen Hepatitis C die Fragen nach klinisch relevanten Unterschieden zwischen

denkbaren Therapiealternativen, einer dauerhaften Virusfreiheit nach der Behandlung mit einem

Interferon-freien Therapie-Regime, dem richtigen Zeitpunkt einer Therapie, um eine höhere und

nachhaltigere Heilungsrate zu erzielen, oder aber mögliche virale Resistenzentwicklungen aufgrund

eines breiten Einsatzes von Kombinationsregimen derzeit nicht beantwortet werden.

189

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Inwiefern sich nun die wenig euphorischen Bewertungen durch G-BA und IQWiG im konkreten Fall

der chronischen Hepatitis C auch auf den Off-Label Use in der ärztlichen Praxis auswirken, kann zu-

mindest näherungsweise nur durch Routinedaten-Analysen ermittelt werden. Näherungsweise des-

halb, weil Routinedaten keine klinischen Daten zum Genotyp oder anderen anamnestischen Hinwei-

sen enthalten.

Dies ist allerdings nicht immer im Sinne der GKV, da die Analyse solcher Daten und der so identifi-

zierte OLU auch rechtliche Konsequenzen für die Krankenkassen hat, solange keine entsprechenden

Maßnahmen folgen. Das Bundesversicherungsamt wird in solchen Fällen die jeweiligen Kassen dazu

ermahnen, tätig zu werden – und dies trifft nicht immer auf eine willige Bereitschaft.

190

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

9 Fazit und Ausblick

So lange es die Zulassungspflicht für Arzneimittel gibt, die die Anwendung der Wirkstoffe aufgrund

der Entscheidung der Hersteller für die jeweils beanspruchte Indikation eingrenzt, so lange wird es

auch den Off-Label Use geben. Allein der Contergan®-Skandal aus den 1960er Jahren macht deutlich,

wie unumgänglich im Sinne des Patientenschutzes eine solche Zulassung ist, die insbesondere auch

die erkennbaren Risiken bei einer Arzneimittelanwendung gegenüber der nachgewiesenen Wirksam-

keit prüft. Der medizinische Fortschritt wird allerdings auch in Zukunft der evidenzbasierten Medizin

immer ein Stück voraus sein. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichen schon aus diesen

Gründen den Off-Label Use und stellen ihn unter engen Voraussetzungen auch als rechtmäßig dar.

Unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit entsteht die Leistungspflicht der gesetzlichen Kranken-

versicherung bereits mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Durch die Rechtsprechung wurden in

den vergangenen Jahren Ausnahmen konkretisiert, die eine Kostenübernahme bei einem OLU durch

die GKV möglich machen. Damit wird ein in der Praxis oft unumgänglicher bedarfsgerechter Einsatz

von Arzneimitteln außerhalb der Zulassung bestätigt. Doch gerade die Auslegung der Forderungen

nach einer begründeten Aussicht auf Behandlungserfolg sowie die Nicht-Verfügbarkeit einer alterna-

tiven Behandlungsoption erweist sich auch noch nach Jahren als schwierig. Schließlich können bei

einem Behandlungsbedarf Arzneimittel zur Verfügung stehen, die sich im konkreten Behandlungsfall

– beispielsweise aufgrund bestehender Unverträglichkeiten – als nicht zumutbar herausstellen.

Die Therapiefreiheit des Arztes umfasst u.a. das Recht zur freien Entscheidung einer patientenindivi-

duell geeigneten Pharmakotherapie unter Berücksichtigung des allgemeinen medizinischen Stan-

dards. Da dieser nicht immer identisch mit einem in einer bestimmten Indikation zugelassenen Arz-

neimittel sein muss, ist nach dem Arzthaftungsrecht ein OLU auch dann zulässig, wenn es nicht um

die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht. Grundsätzlich muss der Arzt dabei die

Möglichkeiten einer zulassungsüberschreitenden Anwendung und die Notwendigkeit haftungsrecht-

licher Verpflichtungen berücksichtigen.

Wie in dieser Arbeit aufgezeigt werden konnte, liegt der OLU aber nicht ausschließlich in der Be-

gründung stetig neuer Erkenntnisse. Vielmehr können auch (gesetzliche) Rahmenbedingungen, die

den In-Label Use stärken sollen, den Off-Label Use fördern. Diese reichen von der Verpflichtung zur

Registrierung klinischer Studien und der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, die nicht unbedingt den

Zulassungsanspruch widerspiegeln, bis hin zu den Leitlinien- und Therapieempfehlungen, die Einzug

in die ärztliche Praxis finden, in denen hin und wieder Empfehlungen ausgesprochen werden, die

nicht die zugelassenen Indikationsansprüche berücksichtigen.

191

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

Eine positive Nutzenbewertung durch den G-BA kann ebenfalls dazu führen, das Forschungsinteresse

behandelnder Ärzte auch außerhalb der zugelassenen Indikation zu wecken und die als innovativ

angepriesenen Arzneimittel möglichst zeitnah in ihrer Praxis einzusetzen.

Letztendlich trägt der behandelnde Arzt in dieser Frage die alleinige Verantwortung für eine ange-

messene patientenindividuelle Therapie. Gerade in den Fällen, in denen der erhoffte Behandlungser-

folg jedoch ausbleibt oder – wie vor allem in der Anwendung von Arzneimitteln im OLU häufig do-

kumentiert – schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen eine weitere Behandlung erschweren

oder sogar ausschließen, „klopft“ das Haftungsrecht nicht an die Tür von Zulassungsbehörde, GKV,

pU oder LL-Autorenschaft, sondern vielmehr an die Tür zur ärztlichen Praxis. Schließlich stellt der

medizinische Standard den Kern einer Therapie dar, mit ihm steht und fällt das ärztliche Haftungsri-

siko. Er ist außerdem der Streitpunkt bei juristischen Auseinandersetzungen. Wie diese Arbeit jedoch

zeigt, kann sich der Arzt nicht grundsätzlich darauf verlassen, aus der medizinischen Literatur valide

und verlässliche Informationen entnehmen zu können. Kenntnisse über wissenschaftliche Studien

werden beim behandelnden Arzt vorausgesetzt und intra legem verlangt, wenn es um die zivilrecht-

liche Haftung geht. In der Praxis kann der Arzt dieser Anforderung in den meisten Fällen allein schon

deshalb nicht gerecht werden, weil die Veröffentlichung von Studienergebnissen inhomogen ge-

handhabt wird und die Menge der veröffentlichten Studien eine sorgfältige Kenntnisnahme neben

der Alltagspraxis kaum möglich macht. Auch der Verweis auf Leitlinienempfehlungen kann im Fall

einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht unbedingt standhalten. Hier sollte für Therapieempfeh-

lungen grundsätzlich die Verpflichtung bestehen, die Empfehlung eines OLU auch als solchen kennt-

lich zu machen und auf die Bedeutung solcher Befürwortungen nach dem Haftungsrecht hinzuwei-

sen.

Bei der Auswahl der Autorenschaft für die Erstellung solcher Leitlinien sollte außerdem darauf ge-

achtet werden, dass bei keinem der Autoren ein Interessenkonflikt besteht, um Industrie-

unabhängigen Empfehlungen für Therapien gerecht zu werden. Bei der Bewertung von Studiener-

gebnissen sollte generell auf die Autorenschaft geachtet werden. Gerade bei Publikationen dersel-

ben Ergebnisse ist auffällig, dass sich bei der Autorenschaft oft nur die Reihenfolge geändert hat und

der Erst-Autor der Studie X plötzlich zum Co-Autor der Studie Y wird und umgekehrt. Dies führt zu

Mehrfach-Publikationen derselben Ergebnisse und möglicherweise zu einer Überbewertung eines

positiven Effektes (Publication-Bias).

Ein OLU setzt grundsätzlich eine Patienteneinwilligung voraus. Diese muss vor Therapiebeginn ein-

geholt werden, da es sich bei einem OLU immer um einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht

des Patienten handelt. Die Dokumentation darüber kann nicht nur im zivilen Haft-, sondern auch im

Strafrecht von unschätzbarem Wert sein, rechtfertigt allerdings noch lange nicht die rechtlichen

Lücken im Verantwortungsbereich. Um den Haftungsrisiken eines OLU auszuweichen, besteht eben-

so die Möglichkeit der Verordnung eines Arzneimittels im individuellen Heilversuch, verbunden mit

192

Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

einer gesteigerten Dokumentationspflicht sowie einer erhöhten Aufklärungs- und Dokumentations-

pflicht sowie einer ausreichend hohen Haftpflichtversicherung, die der in klinischen Studien ent-

spricht ( 1 Mio. Euro pro Patient) (Glaeske, 2015).

In erster Linie sind nach wie vor die pharmazeutischen Unternehmen gefordert, bei Erkenntnissen

zur Sicherheit und Wirksamkeit ihres Arzneimittels in einer zulassungsüberschreitenden Anwendung

eine zeitnahe Zulassungserweiterung zu beantragen, anstatt ökonomische Interessen im Rahmen

einer Ausweitung des Absatzes in einer nicht zugelassenen Indikation vor das Patientenwohl zu stel-

len. Anreize wie ein vereinfachtes Verfahren sowie Patent- und Unterlagenschutz sollten auch bei

einer Zulassungserweiterung in Betracht gezogen werden. Eine positive Bewertung durch die Exper-

tengruppe Off-Label Use und auf diese Weise eines legitimierten OLU dank der Aufnahme eines

Wirkstoffes in die Arzneimittelrichtlinie Anlage VI mag zwar im Einzelfall angezeigt sein, löst aber

nicht das grundsätzliche Problem, dass Erkenntnisse über die richtige Anwendung, Wirksamkeit und

Sicherheit nicht durch „Einzelfall-Therapien“ hinreichend erfasst werden können. Die Beachtung der

Pharmakovigilanz gerade im Bereich der zulassungsüberschreitenden Anwendung muss daher eine

höhere Gewichtung erhalten, da Zwangszulassungen aufgrund verfassungsrechtlicher Grenzen keine

Option sind. So sollten auch Ärzte an ihre Aufgabe erinnert werden, unerwünschte Ereignisse und

Wirkungen nicht nur als solche zu erkennen, sondern auch konsequent zu melden – unabhängig von

ihrer Schwere. Schließlich lässt sich nicht bestreiten, dass der breite OLU in der Regel auf ungesicher-

ten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert – wissentlich geduldet vom pU, der so den gesetzlichen

Bestimmungen eines Zulassungsverfahrens ausweicht.

Vorstellbar wäre grundsätzlich, Informationen speziell zu den zulassungsüberschreitenden Anwen-

dungen zu sammeln und diese – ähnlich wie die Informationsseite des Pharmakovigilanz- und Bera-

tungszentrums für Embryonaltoxikologie (www.embryotox.de) – aufzubereiten und Fachgesellschaf-

ten zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe sollte ein öffentlich gefördertes, autonomes Institut

übernehmen, welches unabhängige Informationen zum komplexen Thema OLU anbietet und den

Ärzten einen schnellen Zugriff auf wichtige Informationen liefert. So schafft man es auch, Arzneimit-

tel aus ihrer Grauzone des OLU herauszuholen und verpflichtet gleichzeitig den pU durch die Veröf-

fentlichung der Daten, Stellung zu beziehen.

Leider wird der wichtige Beitrag einer methodisch abgesicherten Versorgungsforschung auch bei

vielen GKVen noch immer nicht ausreichend erkannt. Dieser kann aber geleistet werden, indem die

Kassen Patientendaten „nicht nur verwalten“, sondern sie unter Beachtung des Datenschutzgesetzes

auch für Forschungszwecke zur Verfügung stellen – unabhängig von einer pressewirksamen Public

Relation. Schließlich sollten die bereits heute existierenden Möglichkeiten besser zur systematischen

Gewinnung von medizinischen Erkenntnissen genutzt werden, um patientenorientierte Lösungen zu

erhalten. Dazu zählt auch die Strategie, nach der Zulassung eines Arzneimittels wissenschaftlich gesi-

cherte Erkenntnisse zur Stärkung einer unabhängigen Versorgungsforschung zu erhalten, um Wirk-

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

samkeit und Sicherheit des zulassungsüberschreitenden Einsatzes von Arzneimitteln systematisch

erfassen und gewinnen zu können.

Die Verordnung eines Arzneimittels außerhalb der Zulassung ist der häufigste Anlass für die GKVen,

beim MDK eine medizinische Beurteilung für diesen OLU einzuholen. Aus diesem Grunde sollten

diese Beurteilungen – unter Berücksichtigung, dass es sich dabei immer um Einzelfallentscheidungen

handelt – auch für eine unabhängige Versorgungsforschung zur Verfügung gestellt werden. Ökono-

mische Interessen (§ 12 SGB V) dürfen grundsätzlich auch für GKVen nicht die Argumentationsbasis

für das Zurückhalten wichtiger Daten zur Erkenntnisgewinnung über einen OLU sein. Letztendlich

sollten auch nicht Regressansprüche seitens der GKVen der Motor für das Aufdecken eines OLU sein,

sondern der Anspruch auf eine wirksame und angemessene Arzneimitteltherapie, der allein durch

die Zulassung eines Arzneimittels nicht gegeben ist. Schlussendlich darf nicht verkannt werden, dass

durch eine zulassungsüberschreitende Anwendung neue Behandlungsperspektiven aufgezeigt wer-

den können. Aber auch diese durchaus sinnvolle Strategie kann nur innerhalb klarer Rahmenbedin-

gungen toleriert werden, die insbesondere das Patientenwohl und den Patientenschutz in den Vor-

dergrund stellen. Ein OLU zur Erweiterung der Indikationsansprüche ohne entsprechende Zulas-

sungsstudien, die nur dem pU nützt, darf nicht durch die behandelnden Ärzte leichtfertig unterstützt

werden.

Die Lösung des Problems kann also letztendlich nur aufgrund eines engen Zusammenspiels verschie-

dener Institutionen und Regularien greifen, wobei auf jeden Fall das Wohl des Patienten über den

ökonomischen Interessen der Anbieter steht. Neben Änderungen in der Gesetzgebung ist daher der

gute Wille aller Beteiligten notwendig, die das Ziel verfolgen, den Patienten die bestmögliche Ver-

sorgung zur Verfügung zu stellen.

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

11 Abkürzungen

μg Mikrogramm LDV Ledipasvir

Abs. Absatz LL Leitlinie

AMG Arzneimittelgesetz MDK Medizinischer Dienst der Krankenkassen

AMNOG Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmark-tes

NVL Nationale VersorgungsLeitlinie

Az. Aktenzeichen OLG Oberlandesgericht

BEK Barmer Ersatzkasse Nr. Nummer

BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-produkte

OLU Off-Label Use

BMG Bundesministerium für Gesundheit OMV Ombitasvir

BOC Boceprevir PEG- PEG-Interferon alpha

BSG Bundessozialgericht PEI Paul-Ehrlich-Institut

BSSichG Beitragssatzsicherungsgesetz PRV Paritaprevir

BVerfG Bundesverfassungsgericht pU pharmazeutischer Unternehmer

BW Behandlungswoche(n) RBV Ribavirin

cHC chronische Hepatitis C RTV Ritonavir

d.h. das heißt RNA Ribonukleinsäure

DAA Direkt antiviral wirkende Substanzen RKI Robert Koch-Institut

DCV Daclatasvir SG Sozialgericht

DGVS Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

SGB V 5. Sozialgesetzbuch

DPhG Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft SMV Simeprevir

DSV Dasabuvir SOF Sofosbuvir

EbM Evidenzbasierte Medizin SVR Sustained Virological Response

EKG Elektrokardiogramm TK Techniker Krankenkasse

EMA European Medicines Agency TVR Telaprevir

etc. et cetera u.a. unter anderem

FI Fachinformation vs. versus

G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss ZH Zirrhose

GEDA Gesundheit in Deutschland aktuell

gem. gemäß

GKV Gesetzliche Krankenversicherung

GKV-WSG GKV-Wirtschaftlichkeitsstärkungsgesetz

GMG GKV-Modernisierungsgesetz

GT Genotyp

HIV Humanes Immundefizienz Virus

i.v. intravenös

ILU In-Label Use

IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

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Nutzen und Risiken der zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung in der ambulant-ärztlichen Versorgung

12 Abstract

Off-label use (OLU) is defined as the prescription of pharmaceutical drugs for an indication or other

application that has not been approved by the governing authorization body. Off-label uses are not

only common practice but are often the standard and relate to the need for a patient-oriented and

patient-specific therapy. The current thesis discusses off-label use from the perspective of health

services research. The question is of particular interest because civil and criminal requirements on

the one hand and the health insurance law on the other have a direct impact on the doctor as a

health care provider and the patient as a beneficiary.

The first part of this thesis (Chapters 1-6) briefly outlines the legal aspects, the second part (chapters

7-9) analyses the possible conditions that enable an off-label use in drug therapy of chronic diseases.

The focus is primarily on possible structural and administrative gaps as the cause of an OLU. The

present work integrates different areas of supply research.

This thesis considers the strengths and limitations of different databases and indicates more trans-

parency with regard to off-label use discussing the gap between the admission authorised usage and

patient-specific care. Finally it outlines the implications for better health care provision.

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