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Originalia Strophanthus - ein seltene Indikation K.-H. Illing Zusammenfassung Die selten verordnete Arznei Strophanthus wird als Mittel gegen Prüfungsangst, Lampenfieber usw. vorgestellt. Schlüsselwörter Strophanthus, Prüfungsangst. Summary Strophanthus, a seldom prescribed remedy, is presented a stage fright etc. Strophanthus, examination anxiety. Keywords In meiner Düsseldorfer Praxis suchte mich 1961 eine 62-jährige Patientin mit der Bitte auf, ihr zu helfen. Sie sei fünfundzwanzigmal durch die theoretische Fahrprüfung gefallen, den praktischen Teil habe sie bestanden. Sie wisse alle Verkehrsregeln und auch sonst alles, was in der Prüfung verlangt würde. Sie sei jedoch so nervös, dass sie entweder keine oder falsche Antworten gäbe. Im übrigen fehle ihr nichts, sie sei ansonsten ganz gesund, nur eben dieses Problem mache ihr zu schaffen, sie brauche den Führerschein. Um über den Fall nachzudenken, bestellte ich sie eine Woche später wieder; schließlich war ich Anfänger in der Homöopathie mit gerade einem Jahr Praxis. Zuhause fiel mir ein, auf einem der Einführungskurse von einem Kol¬ legen den Hinweis gehört zu haben, für eine solche Indikation helfe Strophanthus. Ich las daraufhin bei J. Mezger [1] und K. Stauffer [2] nach, die beide unter Berufung auf 0. Schlegel diese Arznei für Examensangst und Lampenfie¬ ber empfahlen. Da die Patientin keine weiteren Symptome an sich beobachtet hatte, kamen tieferwirkende Arzneien, wie etwa Argentum nitricum, Gelsemium oder andere, nicht in die Wahl, zumal ich mit diesen Mitteln noch keine großen Erfahrungen hatte. Ich verordnete der Patientin also Strophanthus dil. D 3. Sie sollte am Abend vor der Prüfung, am nächsten Morgen nach dem Aufstehen und beim Verlassen des Hauses jeweils 10 Tropfen einnehmen. Der Erfolg gab mir Recht; glücklich berichtete mir die Patientin, sie habe nun ihre Prüfung bestanden und den Führerschein er¬ halten. In ähnlich gelagerten Fällen habe ich immer wieder Strophanthus dil. D 3 in gleicher Verord¬ nung verschrieben und stets mit prompter Wir¬ kung. Selbstverständlich muss der Prüfungs¬ kandidat seinen Stoff beherrschen, eine Arznei kann nicht Wissen ersetzen! Meine Patienten haben mit Hilfe von Strophanthus u.a. ein Abi¬ tur, verschiedene Staatsexamina, ein Tisch¬ tennisturnier, Auftritte als Laienspieler usw. be¬ standen. Insgesamt waren es mehr als zwanzig Fälle, eigenartigerweise alle in meinen frühen Praxisjahren, ganz besonders in meiner Düs¬ seldorfer Zeit (1960 bis 1964). Neben der Indikation „Lampenfieber" habe ich früher gelegentlich bei beginnender Herzinsuf¬ fizienz an symptomarmen Patienten Strophan¬ thus in D 1 bis D 3 erfolgreich eingesetzt. Strophanthus spielt in der Homöopathie nur eine geringe Rolle, es existieren nur wenige Arzneimittelprüfungen; im Lehrbuch der Ho¬ möopathie von 0. Leeser [3] werden zwei genannt; eine von Piedvache an vier Prüfern und eine von Gisevius. Es wurde jeweils die Urtinktur in Dosen von 10 bis 80 (!) Tropfen ver- Dieser Artikel wurde für den Gebrauch von Alba Steinlechner-Schellander bereitgestellt. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Ver

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Originalia

Strophanthus - ein seltene Indikation K.-H. Illing

Zusammenfassung Die selten verordnete Arznei Strophanthus wird als Mittel gegen Prüfungsangst, Lampenfieber usw. vorgestellt.

Schlüsselwörter Strophanthus, Prüfungsangst.

Summary

Strophanthus, a seldom prescribed remedy, is presented as a medicine against examination anxiety, stage fright etc.

Strophanthus, examination anxiety. Keywords

In meiner Düsseldorfer Praxis suchte mich 1961 eine 62-jährige Patientin mit der Bitte auf, ihr zu helfen. Sie sei fünfundzwanzigmal durch die theoretische Fahrprüfung gefallen, den praktischen Teil habe sie bestanden. Sie wisse alle Verkehrsregeln und auch sonst alles, was in der Prüfung verlangt würde. Sie sei jedoch so nervös, dass sie entweder keine oder falsche Antworten gäbe. Im übrigen fehle ihr nichts, sie sei ansonsten ganz gesund, nur eben dieses Problem mache ihr zu schaffen, sie brauche den Führerschein.

Um über den Fall nachzudenken, bestellte ich sie eine Woche später wieder; schließlich war ich Anfänger in der Homöopathie mit gerade einem Jahr Praxis. Zuhause fiel mir ein, auf einem der Einführungskurse von einem Kol¬ legen den Hinweis gehört zu haben, für eine solche Indikation helfe Strophanthus. Ich las daraufhin bei J. Mezger [1] und K. Stauffer [2] nach, die beide unter Berufung auf 0. Schlegel diese Arznei für Examensangst und Lampenfie¬ ber empfahlen. Da die Patientin keine weiteren Symptome an sich beobachtet hatte, kamen tieferwirkende Arzneien, wie etwa Argentum nitricum, Gelsemium oder andere, nicht in die Wahl, zumal ich mit diesen Mitteln noch keine großen Erfahrungen hatte. Ich verordnete der Patientin also Strophanthus dil. D 3. Sie sollte am Abend vor der Prüfung,

am nächsten Morgen nach dem Aufstehen und beim Verlassen des Hauses jeweils 10 Tropfen einnehmen. Der Erfolg gab mir Recht; glücklich berichtete mir die Patientin, sie habe nun ihre Prüfung bestanden und den Führerschein er¬ halten. In ähnlich gelagerten Fällen habe ich immer wieder Strophanthus dil. D 3 in gleicher Verord¬ nung verschrieben und stets mit prompter Wir¬ kung. Selbstverständlich muss der Prüfungs¬ kandidat seinen Stoff beherrschen, eine Arznei kann nicht Wissen ersetzen! Meine Patienten haben mit Hilfe von Strophanthus u.a. ein Abi¬ tur, verschiedene Staatsexamina, ein Tisch¬ tennisturnier, Auftritte als Laienspieler usw. be¬ standen. Insgesamt waren es mehr als zwanzig Fälle, eigenartigerweise alle in meinen frühen Praxisjahren, ganz besonders in meiner Düs¬ seldorfer Zeit (1960 bis 1964). Neben der Indikation „Lampenfieber" habe ich früher gelegentlich bei beginnender Herzinsuf¬ fizienz an symptomarmen Patienten Strophan¬ thus in D 1 bis D 3 erfolgreich eingesetzt. Strophanthus spielt in der Homöopathie nur eine geringe Rolle, es existieren nur wenige Arzneimittelprüfungen; im Lehrbuch der Ho¬ möopathie von 0. Leeser [3] werden zwei genannt; eine von Piedvache an vier Prüfern und eine von Gisevius. Es wurde jeweils die Urtinktur in Dosen von 10 bis 80 (!) Tropfen ver-

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KH 6/2001

Band 45

Originalia

Illing Strophanthus - eine seltene Indikation

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abreicht; Bradford [4] nennt noch weitere vier Prüfungen. Ein erheblicher Teil der Symptome ist dabei der Toxikologie entnommen. Der Hauptwirkstoff des Strophanthins (C29

H44O12 • 9 H2O) wurde zeitweilig in der klini¬ schen Medizin in großem Umfange als i.v. Injektion bei cardialen Erkrankungen angewen¬ det; jetzt ist es weitgehend verlassen, da die Abklingquote bei 40 %/die liegt. Recht ausführlich ist das Symptomenbild bei J.H. Clarke [5] und bei J. Mezger [1] beschrie¬ ben, aus dem die wesentlichsten Symptome auszugsweise erwähnt werden sollen: An Herz und Kreislauf „starke tumultuarische Herz¬ aktion mit erschütterndem Spitzenstoß, durch die Kleider sichtbar, dabei Verlangsamung der Herztätigkeit." „Intensives Herzklopfen bei ge¬ ringer Anstrengung". „Der Puls ist eher lang¬ sam, auch aussetzend, ein Gefühl, das Herz schlägt bis zum Hals".

Angstgefühle, Neigung zum Tiefatmen, Ge¬ reiztheit, Doppeltsehen, vermehrte Urinmenge,

Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle, Druck im Oberleib rechts sind weitere Symptome. Es gibt mehrere Strophanthusarten: In der Ho¬ möopathie wird Strophanthus Hispidus ver¬ wendet, das in Westafrika wächst und dort als Pfeilgift verwendet wird. Für die klinische Medi¬ zin wird Strophanthin aus Strophanthus Kombe gewonnen.

Literatur

[1] Mezger J: Gesichtete Homöopathische Arzneimittel¬ lehre. Bd. 2, 3. Aufl., Heidelberg: 1966, S. 1327.

[2] Stauffer K: Klinische Homöopathische Arzneimittel¬ lehre. 4. Aufl., Stuttgart: Sonntag, 1955, S. 625.

[3] Leeser 0: Lehrbuch der Homöopathie. Band B/H. Hei¬ delberg: Haug,1971, S. 520.

[4] Bradford Th L: Index to Homoeopathic Provings. Phil¬ adelphia: Boericke & Tafel, 1901, S. 258.

[5] Clarke J H: A dictionary of practical Materia Medica. Bd. 3. Rustington: 1962, S. 1286.

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