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PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM · 2021. 1. 17. · PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM Von Thomas Parr Die Wende im Leben des Archäo-logen Hartmut Thieme kam

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  • PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM

    Von Thomas Parr

    Die Wende im Leben des Archäo-logen Hartmut Thieme kam am20. und 21. Oktober 1994. Inner-halb dieser 48 Stunden fand er imBraunkohletagebau Schöningenein von Menschenhand bearbeite-tes Holz, das nach seinen Er-kenntnissen 400 000 Jahre altwar. Und das war nur der Beginneiner Reihe einzigartiger, nie zu-vor gesehener, mit anderen Wor-ten sensationeller Funde. Hart-mut Thieme fand bis zum Jahr1998 acht hölzerne Speere. Die äl-testen Jagdwaffen der Welt. Dazugrub er auch die Knochen der miteben diesen Speeren erlegten Tie-re aus. Wildpferde waren es.Genau genommen war es im

    Jahr 1994 ein Wettlauf mit demunerbittlichen Bagger 43, dersich für die BraunschweigischeKohlen-Bergwerke AG (BKB) insErdreich fraß. Nachdem der Ko-loss eine fast senkrechte Wand inden Boden des sogenannten Süd-feldes geschabt hatte, stoppte erfür acht Wochen.

    Acht Wochen, in denen Hart-mut Thieme das Erdreich unter-suchen konnte, denn über derBraunkohleschicht in Schöningenlagen 500 000 Jahre Erd- undMenschheitsgeschichte.„Wir gruben so rasch wir konn-

    ten 40 Quadratmeter auf. Am 20.und 21. Oktober tauchte ein Holz-gerät auf, das ich als Wurfstockbezeichne. Es war an beiden En-den angespitzt. Gesehen hatte ichso etwas schon bei den Aborigi-nes, den Ureinwohnern Austra-liens. Sie jagen damit Vögel“, er-zählt Thieme.Er konnte anschließend vor

    Aufregung nicht schlafen. DerMann war in einem Ausnahmezu-stand. Er hatte eine 400 000 Jah-re alte Jagdwaffe gefunden. Etwas,das Wissenschaftler bisher ausge-schlossen hatten, denn der Ur-mensch galt bis zu Thiemes Fundals Aasfresser und dumm. Undnun deutete sich an, dass dieseAnnahmen nicht mehr zu haltenwaren.Und dann war da auch noch der

    Bagger 43, der Anfang November

    1994 seine Arbeit wieder aufneh-men sollte.Thieme bewies den siebten Sinn

    und Verhandlungsgeschick. Beider BKB erreichte er, dass derBagger ein rund 3000 Quadrat-meter großes Areal aussparte, dasThieme sich aussuchen durfte.Thiemes Wahl war goldrichtig

    gewesen: „Das Areal war die Ufer-zone eines zwei bis drei Meter tie-fen Sees, der in seiner Geschichtemehrfach verlandete. Hier fandenwir die Tierknochen, die Speere,die Steinartefakte.“ Der Archäo-

    loge geht noch heute davon aus,dass er das Jagdlager der Urmen-schen gefunden hat. Seiner Theo-rie nach jagte die Gruppe vonSteinzeitmenschen im Herbst anOrt und Stelle, um sich für den na-henden Winter mit Fleischvorratund Fellen zu versorgen. „Feuer-stellen gehörten dazu, die abernach meiner Entdeckung von mei-nen Nachfolgern anders gedeutetwurden“, sagt Thieme.Mit dieser Feststellung lässt

    Hartmut Thieme die negativenErfahrungen anklingen. „Der

    Fund der Speere hat die damaligeLandesregierung offenbar nichtsonderlich interessiert. Nach demFund habe ich gar keine Landes-mittel mehr für die Ausgrabungerhalten“, erinnert er sich. Land-tagspräsident Horst Milde (SPD)habe seinerzeit Geld aufgetrieben,damit Thieme die notwendigenEigenmittel hatte, um mit demArbeitsamt Helmstedt Arbeitsbe-schaffungsmaßnahmen zu bezah-len. So verstärkte sich Thieme miteinem Grabungsteam, das effektivarbeitete.

    2009 musste er die Grabungs-leitung abgeben und nach Hanno-ver ins Niedersächsische Landes-amt für Denkmalpflege zurück-kehren. Die Leitung ging in dieHände der Eberhard-Karls-Uni-versität Tübingen über. Ende 2012ging Thieme, 65 Jahre alt gewor-den, in Ruhestand. „27 Jahre habeich in Helmstedt gegraben. Jetztwill ich forschen“ , kündigt derPensionär an. Woran will er for-schen? „An den Steinwerkzeugenaus Schöningen. Ich will den Men-schen dahinter erkennen.“

    Hartmut ThiemesWettlauf mitBagger 43Der Archäologe hatte nur acht Wochen Zeit

    und das große Glück, die Speere zu finden.

    Hartmut Thieme im Januar 2009, seinem letzten Jahr als Grabungsleiter, im Schöninger Braunkohletagebau. Archivfoto: Norbert Rogoll

    Von Norbert Rogoll

    Ohne seinen Hut läuft beim Vorar-beiter Wolfgang Mertens auf derarchäologischen Grabung im Ta-gebau Schöningen nichts, auchkein Foto. Der 57-jährige Schö-ninger ist Zeitzeuge der Bergungder Schöninger Speere vor rund18 Jahren. „Ich war bei der Geburtdabei, als die Mutter Erde dieseseltenen Funde freigab“, blicktder gelernte Blechschlosser zu-rück und schmunzelt.Damals sei er sich über die

    enorme Bedeutung der Speerteile,die er vorsichtig mit Kelle undStukkateur-Eisen freilegte undfür die Bergung präparierte, nichtbewusst gewesen. „Ich dachte zu-nächst daran, dass diese Speerevielleicht einmal im Heimatmu-seum Schöningen gezeigt werdenkönnten“, erinnert er sich.Doch sein Chef, Archäologe Dr.

    Hartmut Thieme, ahnte beimEntdecken der angespitzten Holz-teile schon, dass es sich dabei umetwas ganz Besonderes handelt.Die Beharrlichkeit von Thieme, indem Fundhorizont noch weitereherausragende Artefakte zu ent-decken, habe sich ausgezahlt.

    „Die Suche und das Entdeckender ältesten Jagdwaffen der Welt,wie sich später herausstellte, übteeine besondere Faszination aus“,berichtet Mertens. Mit Kräftenaus geförderten Arbeitsbeschaf-fungsmaßnahmen legten die Hel-

    fer Nachtschichten ein, um dieGrabung und das Retten von Fun-den schnell fortsetzen zu können.„In zwei Hauszelten schliefen wirdamals und arbeiteten fast rundum die Uhr“, erzählt der Schönin-ger. Es sei faszinierend gewesen,beim zweiten Speer zunächst nurrund 40 Zentimeter im Sedimentzu sehen und später weitere Teilezu finden, so dass der Speer 2,30Meter lang war.Durch Zufall landete Mertens,

    der zuvor mehrere berufliche Sta-tionen absolvierte, bei der Gra-bung. „Als ich in der Nähe Bäumefällen musste, ging ich 1987 zurGrabungsstätte und Grabungs-techniker Peter Pfarr entfachte einFlämmchen, das sich schnell zueiner Flamme entwickelte“, er-klärte der Vorarbeiter.Die Arbeit im Team, zu dem aus

    der damaligen Zeit heute nochMartin Kursch und Wolfgang Ber-kemer – die die Speere 3 und 8entdeckten – sowie Neil Haycockzählen, macht Mertens viel Freu-de. Seit 15 Jahren dokumentiert ermit Fotografien und ZeichnungenFunde und Profile. Bei Not amMann ist er aber auch tatkräftigbeim Ausgraben noch aktiv.

    „Ich war bei der Geburt dabei,als Mutter Erde die Funde freigab“Grabungs-Vorarbeiter Wolfgang Mertens blickt auf 1995 zurück.

    Wolfgang Mertens mit einer Speer-

    Nachbildung im Metallkasten, in

    dem vor 18 Jahren ein Speer von der

    Fundstelle im Tagebau Schöningen

    transportiert wurde. Foto: Norbert Rogoll

  • PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM

    Von Michael Strohmann

    Acht hölzerne Speere, reicht dasaus, um Menschen für die Fundeaus dem Schöninger Tagebau zubegeistern, sie in Scharen anzulo-cken? Mit dieser kritischen unddeutlich pessimistisch eingefärb-ten Frage müssen sich die Macherherumschlagen, seit die erstenVorstellungen für ein millionen-schweres Forschungs- und Erleb-niszentrum Schöninger Speere öf-fentlich bekannt wurden. DochPaläon-Geschäftsführer FlorianWestphal hält Skeptikern die For-mel entgegen, mit der er beim Pu-blikum punkten will: Endecke denUrmenschen in Dir!Was uns mit den Menschen ver-

    bindet, die vor rund 300 000 Jah-ren mit den Schöninger Speerenzur Jagd gingen, das sei das ei-gentlich Spannende, betont West-phal. Es gehe eben nicht darum,sich einfach nur acht Holzgegen-stände anzuschauen. „Es ist faszi-nierend, wie viel vom Menschender Altsteinzeit noch in unssteckt. Das zu entdecken, machtden absoluten Reiz eines Paläon-Besuchs aus.“ Einiges am Rollen-verhalten von Mann und Frau zum

    Beispiel lasse sich zurückführenauf die Existenzbedingungen vor300 000 Jahren. „Die Besucherwerden bei uns in einen Spiegelschauen“, verspricht FlorianWestphal.Befragt danach, wie er das Pa-

    läon auf dem Markt der Erlebnis-

    reiseziele positionieren möchte,zögert Westphal keinen Augen-blick. „Es ist das spannendste Er-lebniszentrum zur Altsteinzeitweltweit, so etwas gibt es keinzweites Mal. Dank der vielen Din-ge, die man nur bei uns sehenkann, sind wir in der ChampionsLeague.“ Diesen Anspruch willWestphal mit seinem Team offen-siv vertreten.Hinter dem 42-Jährigen liegen

    auch bange Momente, das will ernicht verhehlen. „Wird das mitden Wildpferden klappen, funk-tioniert das Außengelände wie ge-plant, das sind Fragen, die im Vor-feld niemand hundertprozentigbeantworten kann.“ Doch derSchleswig-Holsteiner hat inSchöningen eine gute Erfahrunggemacht. „Die Unterstützungdurch die Menschen ist enorm,zum Beispiel durch den Förder-verein. Für jedes Problem habeich eine Rufnummer, um mir imZweifel Rat holen zu können.“Von Anfang an werde das Palä-

    on auf Besucherbefragungen set-zen, um das Konzept fortzuentwi-ckeln. Denn ein Ziel bleibe fest imVisier. „Wir wollen jährlich 70 000Besucher anlocken.“

    Besucher sollen den Urmenschen

    entdecken – und damit sich selbst

    Geschäftsführer Florian Westphal erläutert sein Konzept.

    Florian Westphal, seit Ende 2012 Ge-

    schäftsführer im Paläon. Foto: Archiv

    Von Uwe Hildebrandt

    Die Schöninger Speere sollten zuden Menschen kommen, nicht dieMenschen zu den Speeren. Die äl-testen Jagdwaffen der Welt, sodachten die Verantwortlichen imLand, könnten im Landesmuseumin Braunschweig oder Hannoverzur Schau gestellt werden. So istes ja auch bei der Himmelsscheibevon Nebra – das Original liegtnicht im Erlebniszentrum ArcheNebra, sondern im Landesmu-seum Halle.Doch es ist anders gekommen,

    und das ist zu allererst zwei Men-schen zu verdanken: Wolf-Micha-el Schmid und Christian Wulff.Sie erkannten die Bedeutung derSpeere, konnten sich für die Visi-on eines Erlebniszentrums zurMenschheitsgeschichte im struk-turschwachen Raum begeistern –und sie fanden im rechten Augen-blick zueinander.Es gibt noch eine Reihe weiterer

    einflussreicher Unterstützer, diezu dieser Geschichte unverzicht-bar dazugehören und sich nicht al-le erwähnen lassen: Gerhard Glo-gowski und Christoph Schulz vonder Stiftung Nord LB/Öffentlicheoder Julius von Ingelheim von derAllianz für die Region/WolfsburgAG...Wolf-Michael Schmid, Helm-

    stedter Unternehmer und Präsi-dent der Industrie- und Handels-kammer (IHK) Braunschweig,

    wird im Februar 2007 zum Vorsit-zenden des „Fördervereins Schö-ninger Speere – Erbe der Mensch-heit“ gewählt. Er ist nicht einSpeere-Fan der ersten Stunde,aber er ist gebürtiger Schöninger– und er hat Kontakte.Erst als sich Schmid einige Mo-

    nate lang mit dem Thema be-schäftigt, wird ihm die Bedeutungdes einzigartigen Fundes klar. Mitdem damaligen Schöninger Bür-germeister und heutigen Helm-stedter Landrat Matthias Wun-derling-Weilbier versteht er sich

    sofort, wie er erzählt. Wunder-ling-Weilbier wird neben Schmidzu der entscheidenden Triebfederdes Projekts. Schmid bezeichnetheute auch den Austausch mitdem Prähistoriker Harald Mellerals Initialzündung. Der Landesar-chäologe von Sachsen-Anhalt, derdie Himmelsscheibe von Nebragroß rausgebracht hatte, hält dieSchöninger Speere für einen sen-sationellen Fund. „Meller sagte zumir“, so berichtet Schmid: „DieHimmelsscheibe von Nebra zähltzu den 20 wichtigsten archäologi-

    schen Funden der Welt, die Schö-ninger Speere gehören zu den zehnwichtigsten.“ Die Argumentation:Durch die Speere ist klar, dass derMensch vor 300 000 Jahren keinkognitiv wenig entwickelter Aas-fresser war, sondern dass er koor-diniert in Gruppen jagte undschon gut kommunizieren konnte.„Die Geschichtsbücher müssen

    neu geschrieben werden“, sagtSchmid. Eigentlich ist es auch un-denkbar, dass Holz über 300 000Jahre erhalten bleibt. Die Konser-vierungsbedingungen waren per-fekt, noch so ein Wunder.Ohne diese Begeisterung für die

    acht Speere, die Kritiker gerne als„Stöcke“ verspotten, wäre dasPaläon nie möglich gewesen. Unddiese Begeisterung teilt auch Nie-dersachsens MinisterpräsidentChristian Wulff. Schon Jahre zu-vor, am 21. Juli 2004, hatte Wulffdie Fundstelle in Schöningen be-sucht. Er hatte sich gelbe Gummi-stiefel angezogen und dabei „DenSchuh zieh ich mir an“ gesagt. Esgefiel ihm in Schöningen.Zu der entscheidenden Begeg-

    nung kommt es im Frühjahr 2008bei einem Frühstücksempfang derGoslarer Wirtschaft. Inzwischenhält Schmid den entscheidendenSchlüssel für ein Speere-Zentrumin der Hand: Die von der StiftungNord LB/Öffentliche finanzierteMachbarkeitsstudie. In ihr wirdals ein Szenario der Bau eines For-schungs- und Erlebniszentrums

    empfohlen – samt Ausstellung derOriginalspeere in Schöningen.„Herr Ministerpräsident, ich

    habe eine Bitte. Ich müsste mit Ih-nen reden, das dauert sieben Mi-nuten“, sagt Schmid in Goslar.Am Ende des Termins stehen siein einer Ecke. Schmid weiß, dasssich die Regierung die Stärkungdes ländlichen Raums auf die Fah-nen geschrieben hat. Er sagt:„Hier haben wir eine konkreteChance, dem Strukturwandel ent-gegen zu wirken.“ Schließlich sagtWulff: „Ich helfe Ihnen.“ Es sindwohl die entscheidenden siebenMinuten für das heutige Paläon.

    Auch später, bei einer Kabi-nettssitzung mit den IHK-Präsi-denten oder beim Neujahrsemp-fang der IHK Braunschweig 2009,bekennt sich der Ministerpräsi-dent zu dem Projekt. Lothar Ha-gebölling, sein Staatskanzlei-Chef, gießt die Vision in Form.Zunächst soll Schmid drei Mil-

    lionen Euro aus der Wirtschaftbesorgen, dann würde das Land 10Millionen Euro geben. Doch ange-sichts der Wirtschaftskrise 2008erscheint das Schmid unmöglich.

    Dafür gibt es nun das Konjunk-turpaket II, mit dem die Krise ein-gedämmt werden soll. Das Landsignalisiert, jetzt auch die kom-plette Summe bereitzustellen –wenn das Speere-Zentrum Ende2010 steht und somit die entschei-dende Frist eingehalten wird.Schmid möchte zu gern zusa-

    gen, doch dieser Zeitrahmen istvöllig unrealistisch. Es ist ein wei-terer Glücksmoment in der Palä-on-Geschichte, dass die Landes-regierung das Ergänzungspaketzum Konjunkturpaket auflegt –und für dieses gilt die 2010er Fristnicht. Auch das Grundstück, aufdem das Paläon jetzt steht, wird inletzter Sekunde gerettet – dasLand war gerade dabei, es an ei-nen Investor zu verkaufen.Wulff möchte, so erzählt es

    Schmid, schließlich auch die For-schung und einen außerschuli-schen Lernort in Schöningen an-siedeln. Die Investitionssumme,die das Land stellt, erhöht sichvon 13 auf 15 Millionen Euro. Am3. März 2009 fällt das Landeska-binett den historischen Beschluss.„Ich bin sehr dankbar, dass wir

    das so in einer Gemeinschaft auf-gebaut haben“, sagt Schmid imRückblick. Er weiß, dass solch einZuschuss auch eine Verpflichtungist. „Gewissheit gibt es nicht, aberich bin mir sicher, dass es zün-det“, sagt Schmid: „Wir müssenChampions League spielen, damites klappt. Und das tun wir.“

    Als Schmid und Wulff das Paläon erfandenDass es in Schöningen das Speere-Zentrum gibt, ist dem störrischen Einsatz einiger weniger Persönlichkeiten zu verdanken.

    IHK-Präsident Wolf-Michael Schmid (links) entdeckte in Ministerpräsident

    Christian Wulff einen Fan der Schöninger Speere – hier beim IHK-Neujahrs-

    empfang 2008. Im Tandem brachten sie das Projekt auf den Weg. Foto: Sierigk

    „Herr Ministerpräsident,ich habe eine Bitte. Esdauert sieben Minuten.“Wolf-Michael Schmid, als er um das

    wohl entscheidende Gespräch bat.

  • PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM

    Während im Erdgeschoss Kasse,

    Shop und Cafeteria angesiedelt

    sind, ist das erste Obergeschoss

    der Wissenschaft und Forschung

    sowohl für echte Wissenschaftler

    als auch interessierte Besucher re-

    serviert. Im zweiten Obergeschoss

    aber sind sie zu sehen – die be-

    rühmten Jagdspeere und die nicht

    weniger berühmten Wildpferde.

    Auf drei Etagen gibt es geballtes Wissen.

    Alles überJäger undPferde

    Das ist das Besucherlabor in der ersten Etage. Hier können kleine

    und große Besucher beispielsweise Feuersteine untersuchen und nebenbei je-

    de Menge lernen.

    Im Freigelände hockt Jana Hugler, die pädagogische Leiterin des Paläon, in einem riesi-

    gen Sandkasten, der in Wirklichkeit ein archäologisches Grabungsfeld für Kinder ist.

    Im Treppenhaus hängen große, originale Erdprofile, die die un-

    terschiedlichen Gesteinsschichten der Region zeigen, und aus

    denen die Experten beispielsweise Informationen über Kalt-

    und Warm-Zeiten erhalten.

    Gabriele Zipf vom Landesamt für Denkmalpflege steht im zwei-

    ten Stock in der Dauerausstellung vor der Vitrine, in der die

    300 000 Jahre alten Jagdspeere gezeigt werden.

  • PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM

    Im Mittelpunkt der Dauerausstellung überrascht die moderne Wildpferd-Skulptur. Allerdings – so bizarr das Pferd wir-ken mag, es hat die originale Größe eines der vor 300 000 Jahren erlegten Wildpferde. Die Ähnlichkeit mit dem Nie-dersachsen-Ross ist – zufällig.

    Gabriele Zipf vom Landesamt für Denkmalpflege steht voreinem Teil der riesigen Panoramawand in der Dauerausstellung imObergeschoss, die alles aus der Urgeschichte erzählt, unterstütztvon interaktiven Monitoren, die gewissermaßen als Lexikon desWandbildes fungieren.

    Gabriele Zipf vom Landesamt für Denkmalpflege erläuterteinem staunenden Besucher die interaktive Darstellungdes Grabungsfeldes der Schöninger Speere. Hier kann sichder Besucher alles anzeigen lassen, was die Archäologenim benachbarten Braunkohletagebau gefunden haben.

    Blick in eine der Informationsnischen in der Daueraus-stellung. In dieser Koje beispielsweise wird alles zumThema Ur-Pferd gezeigt.

    Ein Blick ins Kino im Obergeschoss. Gezeigt wird ein eigens fürsPaläon gedrehter Film.

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    Ab Dienstag, 25. Juni, stehtdas Paläon Besuchern offen.

    Geöffnet ist es dienstagsbis freitags von 9 bis 17 Uhr,

    am Wochenende und an Fei-

    ertagen von 10 bis 18 Uhr.

    Montag ist Ruhetag.

    Der Eintritt kostet 9,50 Eu-ro, ermäßigt 6 Euro (zum

    Beispiel für Kinder). Für

    Gruppen gibt es Extratarife

    (zum Beispiel Schulklassen:

    4 Euro pro Kind)

    Informationen gibt es aufwww.palaeon.de sowie über

    ò 05352-96914-0

    Kostenlos ist der Besuchdes 24 Hektar großen Au-

    ßengeländes mit Wildpferd-

    gehege. Es sollen die Land-

    schaftstypen des Paläolithi-

    kums nachgeahmt werden.

    Auf einem Erlebnisparcours

    mit interaktiven Stationen

    können Kinder die Natur

    spielerisch wahrnehmen.

    Auch ein Café und ein Erleb-

    nisspielplatz gehören dazu.

    Als außerschulischerLernort ist das Paläon kon-zipiert und vom Kultusminis-

    terium anerkannt. „Schul-

    klassen haben die Möglich-

    keit, prähistorische und eige-

    ne Lebenswelten zu verglei-

    chen und sich dabei mit The-

    men der Bildung für nachhal-

    tige Entwicklung vor Ort aus-

    einanderzusetzen“, so das

    Paläon. hib

    INFORMATIONEN

  • PALÄON – NIEDERSACHSENS MODERNSTES MUSEUM

    Von Thomas Parr

    Genau genommen sind SpeereWaffen. Die Schöninger Speerejedenfalls waren es. Die Distanz-und Jagdwaffen sind aus der Modegekommen und wegen der körper-lichen Anstrengung, der nötigenÜbung und Geschicklichkeit hal-ber zu Sportgeräten geworden.Der Speerwerfer Matthias Rau

    (Leverkusen) warf bei verminder-ten körperlichem Krafteinsatz ei-ne Nachbildung des so bezeichne-ten Schöninger Speers II unterwissenschaftlicher Aufsicht aufAnhieb 66 Meter weit. Leif Stegu-weit, wissenschaftlicher Assistentam Institut für Ur- und Frühge-schichte in Erlangen, stellt in sei-nem Aufsatz „Die Recken vonSchöningen – 400 000 Jahre Jagdmit dem Speer“ (1999) dazu fest:„Mit dieser Weite hätte er noch1920 Olympiasieger werden kön-nen, die damalige Siegerweite lagbei 65,78 Meter.“Wen wundert’s also, dass es

    Sportler waren, die mit Nachbil-dungen die Tauglichkeit der Schö-ninger Speere überprüften? Ste-

    guweit zitierte übrigens aus derDiplomarbeit von Miriam Golek,die sich aus sportwissenschaftli-cher Sicht an der Uni Heidelbergmit den Speeren beschäftigte.Fazit: Die Jagdtauglichkeit der

    Schöninger Speere ist sehr hoch.Steguweit schreibt weiter: „Die

    Fluglage der Fichtenspeere istenorm, die gesamte Ballistik, diedurchschnittliche Länge und dasGewicht gleichen mit 2,20 Meternund 500 Gramm fast exakt demheutigen Damenspeer, der mit600 Gramm schwerer, aber in sei-nen Abmessungen hervorragendvergleichbar ist.“ An einer ande-ren Stelle heißt es weiter: „DerSchwerpunkt der Speere liegt kor-rekt im vorderen Drittel, dieGrundvoraussetzung für einen ge-raden Flug.“Da kann man nur sagen: Hut ab!

    Wie lange haben die Menschenvor 300 000 Jahren wohl ge-braucht, bis sie herausgefundenhatten, wie solch ein Speer be-schaffen sein muss, damit er flie-gen und töten kann? Drei Testswurden an der Uni Heidelberg un-ter Leitung des Sportwissen-

    schaftlers und ehemals aktivenSpeerwerfers Hermann Rieder(1928-2009) vorgenommen. Miri-am Golek wertete sie aus.Der erste Test fand schon Er-

    wähnung, das war der 66-Meter-Wurf von Matthias Rau. Stegu-weit erkannte darin die „vorzügli-che empirische Erfahrung ihrerHersteller“, also der steinzeitli-chen Jäger.Der zweite Test galt der Schnel-

    ligkeit. Aus zehn Metern Entfer-nung wurde der Speer auf einenGelatine-Block geworfen. Beiebenfalls vermindertem Kraftein-satz erreichte der Speer eine Flug-geschwindigkeit von etwa 27 bis28 Meter pro Sekunde. Bei ei-ner Jagddistanz von 30Metern würde der Speeralso nur eine Sekundefliegen. Schließlichging es im drit-ten Test um

    die Jagdtauglichkeit, die bereitsals sehr hoch erwähnt worden ist.Die Erkenntnis verschaffte Speer-werfer Matthias Rau den For-schern, nachdem er regelmäßigsein 30 Meter entferntes Ziel traf.Skeptiker mögen meinen, Raus

    Erfolge seien glücklichen Umstän-den zu verdanken gewesen. Nun,unabhängig vom Wissensdurstder Experten beschäftigten sichSportler beim 5. Speer- und Ar-chäologietag im Schöninger Elm-stadion im Jahr 2004 mit denSpeernachbildungen. ZuGast war der Olym-pia-Teilneh-mer Ray-

    mond Hecht (Foto) aus Magde-burg. Trotz einer Schulterverlet-zung warf der Sportler den Speer64,91 Meter weit. Wie weit er denSpeer denn wohl wirklich werfenkönnte: „100 Meter“, sagte Ray-mond Hecht und staunte selbstnicht schlecht.

    Warum der Speer so gut fliegtArchäologen und Sportler fanden heraus, dass die Schöninger Speere sogar olympiatauglich gewesen wären.

    Olympia-TeilnehmerRaymond Hecht tes-tete die Qualität derSchöninger Speere. Archivfoto: Stefan Hähnsen

    Geschäftsführung: Harald Wahls

    Redaktion: Armin Maus (verantw.), Uwe Hil-debrandt, Norbert Rogoll, Thomas Roth, Micha-el Strohmann, Erwin Klein, Tom Parr, J. Stricker

    Anzeigenleitung:Michael Heuchert (verantwortlich)

    Verlag und Redaktion:BZV Medienhaus GmbH,38130 Braunschweig, Postfach 8052

    Druck:Druckzentrum BraunschweigGmbH & Co. KG,Christian-Pommer-Straße 45,38112 Braunschweig

    IMPRESSUM

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    Das Land gab 15 MillionenEuro für den Bau des Palä-ons. Der „Förderverein Schö-ninger Speere“ organisiertedie Gelder. Die Stiftung NordLB/Öffentliche finanziertedie Machbarkeitsstudie unddie Speer-Restaurierung. DieAllianz für die Region unter-stützte das Projekt finanziellund durch ihren Apparat.

    Weitere Förderer sind dieÖffentliche, die VolksbankHelmstedt, die Volksbanken-Stiftung, die Stiftung Braun-schweigischer Kulturbesitz,die Braunschweigische Lan-dessparkasse, VW, Eon, VWFinancial Services, EEW unddie Stadt Schöningen. hib

    DIE FÖRDERER

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