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Anaesthesist 2010 · 59:297–311 DOI 10.1007/s00101-010-1701-2 Online publiziert: 10. April 2010 © Springer-Verlag 2010 O. Habler · B. Voß Klinik für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Krankenhaus Nordwest GmbH, Frankfurt am Main Perioperatives Management bei Zeugen Jehovas Spezielle Berücksichtigung der religiös motivierten Ablehnung von Fremdblut Leitthema Selbst vor großen Operationen mit statistisch belegtem Transfusionsbe- darf wird ein gläubiger Zeuge Jeho- vas die behandelnden Ärzte auf sei- ne Ablehnung von Fremdbluttransfu- sionen hinweisen – auch für den Fall der Entwicklung einer letalen Anä- mie. Entschließt sich das Ärzteteam zum Abschluss eines Behandlungs- vertrags mit dem Patienten, akzep- tiert und respektiert es von da an sein religiös motiviertes Selbstbestim- mungsrecht. Dennoch können Zeu- gen Jehovas heute in vielen Fällen moderne therapeutische Optionen, einschließlich ausgedehnter Operati- onen, bei kalkulierbarem Risiko eröff- net werden. Im Jahr 1869 formierte sich in Alleghe- ny, USA, eine Gruppe von Bibelforschern um den Presbyterianer Charles Taze Rus- sel. Die anfänglich als „Russelliten“ be- zeichneten Mitglieder machten es sich zur Aufgabe, durch das intensive Studi- um der Bibel und die teils wortgenaue Interpretation von Bibelpassagen tra- ditionell christliche Glaubensansichten zu hinterfragen und neue Wege zur Er- langung des ewigen Lebens in einem ir- dischen oder himmlischen Paradies zu ergründen. Die Glaubensgemeinschaft nahm 1931 den Namen „Zeugen Jehovas“ an. Aktuell gehören ihr weltweit etwa 7 Mio., in der BRD derzeit 165.000 Mit- glieder an (Stand 2008, [16]). Der recht- liche Status ist der einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine insbesondere für die im opera- tiven Bereich tätigen Mediziner wichtige Besonderheit bei der Behandlung von Zeugen Jehovas ist deren strikte Ableh- nung einer Transfusion von Fremdblut, d. h. von allogenen Erythrozyten, Throm- bozyten und allogenem Plasma. Dennoch können auch Zeugen Jehovas von moder- nen Therapien einschließlich großer ope- rativer Eingriffe [14, 40, 41, 42, 67, 72, 84] profitieren, ohne dass ein übertrieben ho- hes Letalitätsrisiko in Kauf genommen werden muss. Voraussetzung ist ein peri- operatives Management, das – in der je- weils gebotenen Abstufung – die zur Ver- fügung stehenden und von Zeugen Jeho- vas akzeptierten Maßnahmen zur Ver- meidung von Fremdbluttransfusionen beinhaltet. Sämtliche im Folgenden dargestellten Maßnahmen zur Vermeidung der Trans- fusion von Fremdblut, Fremdplasma und Thrombozyten können ohne Weiteres auch auf operative Patienten übertragen werden, die nicht der Glaubensgemein- schaft der Zeugen Jehovas angehören. Ge- nerell sollte heute aus medizinischen [86] und ökonomischen Gründen [79] eine unnötige Transfusion von Fremdblut oh- nehin vermieden werden. > Ziel ist, den „point of no return“ einer Anämie/Koagulopathie niemals zu erreichen Die besondere Situation der Zeugen Je- hovas besteht allerdings darin, dass im Fall einer „kritischen Verdünnungsanä- mie bzw. Koagulopathie“ die Option zur Transfusion von allogenen Blutkompo- nenten als Ultima Ratio grundsätzlich fehlt. Ziel bei der perioperativen Behand- lung von Zeugen Jehovas muss es daher sein, diesen „point of no return“ der An- ämie bzw. Koagulopathie niemals zu er- reichen. Dieses Ziel ist nur bei enger Ab- sprache und interdisziplinärer Kooperati- on aller behandelnden Fachgebiete zu re- alisieren. Eine besondere Rolle spielt hier- bei die Zusammenarbeit zwischen Anäs- thesisten und Chirurgen. Religiöser Hintergrund Die Thematisierung des „Blutbanns“ durch die Zeugen Jehovas begann mit der Entwicklung des modernen Transfusi- onswesens gegen Ende des Zweiten Welt- kriegs [1]. Die Ablehnung von Fremdblut (Erythrozyten), Fremdplasma und allo- genen Thrombozyten gründet hierbei auf einer Reihe von Bibelzitaten (Tab. 1), in denen Blut mit der Seele des Menschen in direkte Verbindung gebracht und der Kontakt mit fremdem Blut verboten wird Redaktion B. Zwißler, München 297 Der Anaesthesist 4 · 2010 |  

Perioperatives Management bei Zeugen Jehovas

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Spezielle Berücksichtigung der religiös motivierten Ablehnung von Fremdblut

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Page 1: Perioperatives Management bei Zeugen Jehovas

Anaesthesist 2010 · 59:297–311DOI 10.1007/s00101-010-1701-2Online publiziert: 10. April 2010© Springer-Verlag 2010

O. Habler · B. VoßKlinik für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Krankenhaus Nordwest GmbH, Frankfurt am Main

Perioperatives Management bei Zeugen JehovasSpezielle Berücksichtigung der religiös motivierten Ablehnung von Fremdblut

Leitthema

Selbst vor großen Operationen mit statistisch belegtem Transfusionsbe-darf wird ein gläubiger Zeuge Jeho-vas die behandelnden Ärzte auf sei-ne Ablehnung von Fremdbluttransfu-sionen hinweisen – auch für den Fall der Entwicklung einer letalen Anä-mie. Entschließt sich das Ärzteteam zum Abschluss eines Behandlungs-vertrags mit dem Patienten, akzep-tiert und respektiert es von da an sein religiös motiviertes Selbstbestim-mungsrecht. Dennoch können Zeu-gen Jehovas heute in vielen Fällen moderne therapeutische Optionen, einschließlich ausgedehnter Operati-onen, bei kalkulierbarem Risiko eröff-net werden.

Im Jahr 1869 formierte sich in Alleghe-ny, USA, eine Gruppe von Bibelforschern um den Presbyterianer Charles Taze Rus-sel. Die anfänglich als „Russelliten“ be-zeichneten Mitglieder machten es sich zur Aufgabe, durch das intensive Studi-um der Bibel und die teils wortgenaue Interpretation von Bibelpassagen tra-ditionell christliche Glaubensansichten zu hinterfragen und neue Wege zur Er-langung des ewigen Lebens in einem ir-dischen oder himmlischen Paradies zu ergründen. Die Glaubensgemeinschaft nahm 1931 den Namen „Zeugen Jehovas“ an. Aktuell gehören ihr weltweit etwa

7 Mio., in der BRD derzeit 165.000 Mit-glieder an (Stand 2008, [16]). Der recht-liche Status ist der einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Eine insbesondere für die im opera-tiven Bereich tätigen Mediziner wichtige Besonderheit bei der Behandlung von Zeugen Jehovas ist deren strikte Ableh-nung einer Transfusion von Fremdblut, d. h. von allogenen Erythrozyten, Throm-bozyten und allogenem Plasma. Dennoch können auch Zeugen Jehovas von moder-nen Therapien einschließlich großer ope-rativer Eingriffe [14, 40, 41, 42, 67, 72, 84] profitieren, ohne dass ein übertrieben ho-hes Letalitätsrisiko in Kauf genommen werden muss. Voraussetzung ist ein peri-operatives Management, das – in der je-weils gebotenen Abstufung – die zur Ver-fügung stehenden und von Zeugen Jeho-vas akzeptierten Maßnahmen zur Ver-meidung von Fremdbluttransfusionen beinhaltet.

Sämtliche im Folgenden dargestellten Maßnahmen zur Vermeidung der Trans-fusion von Fremdblut, Fremdplasma und Thrombozyten können ohne Weiteres auch auf operative Patienten übertragen werden, die nicht der Glaubensgemein-schaft der Zeugen Jehovas angehören. Ge-nerell sollte heute aus medizinischen [86] und ökonomischen Gründen [79] eine unnötige Transfusion von Fremdblut oh-nehin vermieden werden.

> Ziel ist, den „point of no return“ einer Anämie/Koagulopathie niemals zu erreichen

Die besondere Situation der Zeugen Je-hovas besteht allerdings darin, dass im Fall einer „kritischen Verdünnungsanä-mie bzw. Koagulopathie“ die Option zur Transfusion von allogenen Blutkompo-nenten als Ultima Ratio grundsätzlich fehlt. Ziel bei der perioperativen Behand-lung von Zeugen Jehovas muss es daher sein, diesen „point of no return“ der An-ämie bzw. Koagulopathie niemals zu er-reichen. Dieses Ziel ist nur bei enger Ab-sprache und interdisziplinärer Kooperati-on aller behandelnden Fachgebiete zu re-alisieren. Eine besondere Rolle spielt hier-bei die Zusammenarbeit zwischen Anäs-thesisten und Chirurgen.

Religiöser Hintergrund

Die Thematisierung des „Blutbanns“ durch die Zeugen Jehovas begann mit der Entwicklung des modernen Transfusi-onswesens gegen Ende des Zweiten Welt-kriegs [1]. Die Ablehnung von Fremdblut (Erythrozyten), Fremdplasma und allo-genen Thrombozyten gründet hierbei auf einer Reihe von Bibelzitaten (. Tab. 1), in denen Blut mit der Seele des Menschen in direkte Verbindung gebracht und der Kontakt mit fremdem Blut verboten wird

RedaktionB. Zwißler, München

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(Übersicht in [82]). Im Glauben der Zeu-gen Jehovas wird hierbei das in der Bi-bel verbotene „Essen“ von Blut mit der Transfusion gleichgestellt. Die prinzi-pielle und offen kommunizierte Bereit-schaft eines Zeugen Jehovas, die Trans-fusion von Fremdblut zu akzeptieren, ist mit den Prinzipien der Glaubensgemein-schaft nicht vereinbar und führt letztlich zum Ausschluss des Mitglieds.

Das kritische Hinterfragen der Sinn-haftigkeit der Ablehnung von Fremdblut im Aufklärungsgespräch oder gar der Ver-such, den Zeugen Jehovas von dem aus seiner Sicht „rechten Weg“ abzubringen, wird in der Regel erfolglos bleiben und le-diglich zu einer Verunsicherung des Pa-tienten führen. Vielmehr muss bei Ab-schluss eines Behandlungsvertrags die Glaubensfreiheit des Zeugen Jehovas re-spektiert und ein Weg gesucht werden, ihm eine therapeutische Option bei kal-kulierbarem Risiko zu eröffnen.

Präoperatives Management

Ziel des speziellen Managements von Zeugen Jehovas ist es, bereits präopera-tiv Risikofaktoren zu identifizieren, die die Kompensation einer intra- bzw. post-operativ auftretenden Anämie beeinträch-tigen könnten.

> Kardiopulmonale Risikofaktoren werden bis zur Operation eliminiert oder bestmöglich kontrolliert

Es gilt, diese Risikofaktoren bis zum Ope-rationstermin entweder gänzlich zu eli-minieren oder zumindest bestmöglich zu kontrollieren. Von zentraler Bedeu-tung sind hierbei die Evaluation und ggf. Verbesserung des kardiopulmonalen Zu-stands des Patienten sowie die Identifika-tion und Korrektur einer präoperativen Anämie bzw. Gerinnungsstörung.

Diagnostik und Therapie

Kardiopulmonale VorerkrankungenDa das Herz während eines periopera-tiven Blutverlusts sowohl den Motor der Kompensation einer konsekutiven (Ver-dünnungs-)Anämie als auch gleichzeitig ein durch die Anämie besonders gefähr-detes Organ darstellt [30], ist die genaue präoperative Evaluation des kardialen Sta-tus des Patienten unerlässlich. Bei kardia-ler Vorbelastung, z. B. in Form einer koro-naren Herzkrankheit (KHK) oder Herz-insuffizienz, wird ausgehend von der kör-perlichen Belastbarkeit, spezifischer patien-tenseitiger Prädiktoren und der Schwe-re des operativen Eingriffs in interdiszipli-närer Absprache mit den Kardiologen die Indikation zur erweiterten Diagnos-tik (Belastungs-EKG, Dobutamin-Stress-echokardiographie) gestellt und ggf. ei-ne interventionelle Therapie im Rahmen eines Linksherzkatheters eingeleitet. Ziel ist es, zum Zeitpunkt der Operation eine bestmögliche Koronarperfusion und da-mit Sauerstoffversorgung des Myokards zu gewährleisten [97].

Gleiches gilt für pulmonale Vorerkran-kungen [z. B. „chronic obstructive pul-monary disease“ (COPD), Emphysem]. Im Fall einer extremen Anämie ist die pulmonale Sauerstoffaufnahme von emi-nent wichtiger Bedeutung, da der physi-kalisch gelöste Sauerstoff in dieser Situa-tion zur Hauptquelle für die Gewebeoxy-genierung wird. Der Patient sollte daher mit einer für seine Verhältnisse optimalen Lungenfunktion in die Operation gehen. In Absprache mit den Pneumologen gilt es hierbei, eine bereits bestehende pulmo-nale Medikation zu überprüfen und ggf. zu optimieren [3].

Präoperative AnämieBei Anwendung der derzeit geltenden World Health Organization-(WHO-)Kri-terien für die Diagnose von Anämie [prä-menopausale Frauen: Hämoglobin-(Hb-) Wert <7,45 mmol/l (<12 g/dl); Schwan-gere <6,83 mmol/l (<11 g/dl); Männer: <8,07 mmol/l (<13 g/dl)], variiert die In-zidenz einer präoperativen Anämie ins-gesamt zwischen 15 und 40% – abhän-gig vom Lebensalter und vorhandenen Begleiterkrankungen wie Diabetes, Nie-reninsuffizienz, chronisch inflammato-rischen Syndromen und onkologischen Erkrankungen [80]. Häufig wird eine An-ämie erstmals während der präoperativen Routinediagnostik entdeckt und bleibt bis zum Operationstermin unbehandelt.

Eine präoperative Anämie geht mit er-höhter postoperativer Morbiditäts- und Letalitätsrate einher [4, 10, 94]. In einer

Tab. 1  Zusammenstellung von Bibelzitaten, aus denen Zeugen Jehovas das Verbot einer Fremdbluttransfusion ableiten.  (Ausführliche Übersicht in [82])

3 Jedes sich regende Tier, das am Leben ist, möge euch zur Speise dienen. Wie im Fall der grünen Pflanzen gebe ich euch  gewiss das alles.4 Nur Fleisch mit seiner Seele – seinem Blut – sollt ihr nicht essen.

1. Buch Mose, Kapitel 9

13 Was irgendeinen Mann von den Söhnen Israels betrifft oder einen ansässigen Fremdling, der als Fremdling in eurer Mitte weilt, welcher ein wildlebendes Tier oder einen Vogel auf der Jagd fängt, der gegessen werden darf, er soll in diesem Fall sein Blut ausgießen und es mit Staub bedecken.14 Denn die Seele von jeder Art Fleisch ist sein Blut durch die Seele darin. Demzufolge sprach ich zu den Söhnen Israels:  „Ihr sollt nicht das Blut von irgendeiner Art Fleisch essen, weil die Seele von jeder Art Fleisch sein Blut ist. Jeder, der es ißt, wird (vom Leben) abgeschnitten werden.“

3. Buch Mose, Kapitel 17

25 Was die Gläubigen aus den Nationen betrifft, so haben wir unsere Entscheidung gefällt und hingewandt, dass sie sich bewahren sollten vor dem, was Götzen geopfert worden ist, wie auch vor Blut und Erwürgtem und vor Hurerei.

Apostelgeschichte,  Kapitel 21

23 Sei nur fest entschlossen, nicht das Blut zu essen, denn das Blut ist die Seele, und du sollst nicht die Seele mit dem Fleisch essen.24 Du sollst es nicht essen. Du solltest es auf die Erde ausgießen wie Wasser.

5. Buch Mose, Kapitel 12

28 Denn der heilige Geist und wir selbst haben es für gut befunden, euch keine weitere Bürde aufzuerlegen als folgende not-wendigen Dinge:29 euch von Dingen zu enthalten, die Götzen geopfert wurden, sowie von Blut und von Erwürgtem und von Hurerei.  Wenn ihr euch vor diesen Dingen sorgfältig bewahrt, wird es euch gutgehen. Bleibt gesund!“

Apostelgeschichte,  Kapitel 15

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Leitthema

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retrospektiven Analyse an 1958 Zeugen Jehovas [10], die sich nichtkardiochirur-gischen Eingriffen unterziehen mussten, war eine präoperative Hb-Konzentration von <6,21 mmol/l (<10 g/dl) mit einer sig-nifikant erhöhten postoperativen Letali-tätsrate verbunden, besonders ausgeprägt bei den 221 in die Studie aufgenommenen Patienten mit kardiovaskulären Vorer-krankungen. Die niedrigste Letalitätsra-te fand sich bei herzgesunden Patienten mit einem perioperativen Hb-Abfall von ≤1,24 mmol/l (≤2 g/dl), die höchste Le-talitätsrate bei kardialen Risikopatienten mit einem perioperativen Hb-Abfall von ≥2,48 mmol/l (≥4 g/dl).

Für eine optimale Vorbereitung ist die Vorstellung des Patienten 3 bis 4 Wo-chen vor seinem geplanten Eingriff in der Prämedikationsambulanz erforderlich. Ziel ist es, eine zu diesem Zeitpunkt dia-gnostizierte Anämie weiter zu differen-zieren. Hierzu sind neben der Hb-Kon-zentration die Bestimmungen vom mitt-leren Erythrozytenvolumen („mean cor-puscular volume“, MCV), vom mittleren Hb-Gehalt des einzelnen Erythrozyten („mean corpuscular hemoglobin“, MCH), von der Transferrinsättigung, der Serum-Ferritin-Konzentration und der Serum-Kreatinin-Konzentration erforderlich. In schwierigen Fällen können der Anteil hy-pochromer Erythrozyten (%HYPO) und der Hb-Gehalt der Retikulozyten (CHr) differenzialdiagnostisch herangezogen werden [26] (. Abb. 1).

Eisenmangelanämie. Bei Frauen bis zum 50. Lebensjahr (LJ) sind menstru-elle Blutungen, bei Männern bis zu die-sem Alter gastrointestinale Blutungen und bei beiden Geschlechtern >50 LJ gas-trointestinale Blutungen die Hauptursa-chen eines Eisenmangels. Etwa ein Drit-tel der vor operativen Eingriffen als anä-misch identifizierten Patienten weist ei-nen signifikanten Eisenmangel auf. La-borchemisch hinweisgebend sind verrin-gerte Werte von Hb, MCV und MCH (mi-krozytäre, hypochrome Anämie), verrin-gerte Ferritinkonzentration, Transferrin-sättigung und verringerter retikulozytäres Hb-Wert. Unter effektiver Eisentherapie – aufgrund des Zeitdrucks häufig bevorzugt i.v. (z. B. niedermolekulares Eisen-III-hy-droxid-Dextran oder -Saccharose, Eisen-

Zusammenfassung · Abstract

Anaesthesist 2010 · 59:297–311   DOI 10.1007/s00101-010-1701-2© Springer-Verlag 2010

O. Habler · B. Voß

Perioperatives Management bei Zeugen Jehovas. Spezielle Berücksichtigung der religiös motivierten Ablehnung von Fremdblut

ZusammenfassungDer Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jeho-vas gehören weltweit etwa 7 Mio. Menschen an, davon 165.000 Menschen in der BRD. Ei-ne Besonderheit bei der medizinischen Be-handlung von Zeugen Jehovas ist deren strik-te Ablehnung einer Transfusion von Fremd-blut (Erythrozyten, Thrombozyten und Plas-ma). Dennoch können auch Zeugen Jeho-vas heute von modernen Therapiekonzepten einschließlich großer Operationen profitie-ren, ohne ein übertrieben hohes Letalitätsrisi-ko eingehen zu müssen. In der vorliegenden Übersicht werden die Grundprinzipien eines auf Zeugen Jehovas fokussierten periope-rativen Patientenmanagements zur Präven-tion einer letalen Anämie und Koagulopa-thie dargestellt. Diese umfassen 1) die Aufklä-

rung des Patienten über die i. Allg. von Zeu-gen Jehovas akzeptierten Verfahren zur Ver-meidung einer Fremdbluttransfusion, 2) die präoperative Optimierung des kardiopulmo-nalen Zustands des Patienten sowie die Kor-rektur einer präoperativen Anämie bzw. ei-ner präoperativen Gerinnungsstörung, 3) die perioperative Gewinnung von Eigenblut, 4) die Minimierung perioperativer Blutverlus-te und 5) die Nutzung der natürlichen Anä-mietoleranz des Patienten sowie deren aku-te Steigerung im Fall einer lebensbedroh-lichen Anämie.

SchlüsselwörterZeugen Jehovas · Anämie · Fremdblutspa-rende Maßnahmen · Gerinnungstherapie

Perioperative management of Jehovah’s Witness patients. Special consideration of religiously motivated refusal of allo- geneic blood transfusion

AbstractThe religious organization of Jehovah’s Wit-nesses numbers more than 7 million mem-bers worldwide, including 165,000 members in Germany. Although Jehovah’s Witnesses strictly refuse the transfusion of allogene-ic red blood cells, platelets and plasma, Jeho-vah’s Witness patients may nevertheless ben-efit from modern therapeutic concepts in-cluding major surgical procedures without facing an excessive risk of death. The present review describes the perioperative manage-ment of surgical Jehovah’s Witness patients aiming to prevent fatal anemia and coagu-lopathy. The cornerstones of this concept are 

1) education of the patient about blood con-servation techniques generally accepted by Jehovah’s Witnesses, 2) preoperative optimi-zation of the cardiopulmonary status and cor-rection of preoperative anemia and coagu-lopathy, 3) perioperative collection of autolo-gous blood, 4) minimization of perioperative blood loss and 5) utilization of the organism’s natural anemia tolerance and its acute accen-tuation in the case of life-threatening anemia.

KeywordsJehovah’s Witnesses · Anemia · Blood conser-vation · Coagulation therapy

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carboxymaltose) – sollte die Hb-Konzen-tration innerhalb weniger Tage signifikant ansteigen.

Anemia of chronic disease. Die „anemia of chronic disease“ (ACD) tritt im Verlauf einer chronischen entzündlichen Erkran-kung, Infektionskrankheit und bei malig-nen Tumoren auf. Ursächlich ist eine in-adäquate Eisenfreisetzung aus häufig nor-mal gefüllten Eisenspeichern. Laborche-misch hinweisend sind ein erniedrigter Hb-Wert bei normalen MCV- und MCH-Werten (normozytäre, normochrome An-ämie). Die Transferrinsättigung ist verrin-gert, das Serum-Ferritin als Akutphase-protein häufig erhöht. Die ACD kann nur durch die Verabreichung von rekombi-nantem humanem Erythropoetin (rHuE-PO), das von Zeugen Jehovas akzeptiert wird, korrigiert werden.

Renale Anämie. Ursache einer re-nalen Anämie ist eine verminderte Syn-these von Erythropoetin in Kombina-tion mit der toxischen Wirkung harn-

pflichtiger Substanzen. Hinweisgebend ist neben einer normochromen, nor-mozytären Anämie eine Serum-Krea-tinin-Konzentration von >132,6 μmol/l (>1,5 mg/dl) und eine Kreatinin-Clea-rance von <40 ml×(min×1,73 m2)−1. Häu-fig liegt gleichzeitig ein Eisenmangel vor. Die Therapie der renalen Anämie erfolgt durch die Verabreichung von rHuEPO, ggf. in Kombination mit der oralen oder i.v.-Applikation von Eisen.

Präoperative GerinnungsstörungJeder operative Eingriff ist mit einem po-tenziellen Blutungsrisiko verbunden, das durch eine unerkannte, präoperativ be-reits existente Gerinnungsstörung erheb-lich erhöht werden kann. Gerade bei Zeu-gen Jehovas kann eine unerkannte Gerin-nungsstörung perioperativ zum Verhäng-nis werden.

Die üblicherweise präoperativ erho-benen plasmatischen Globaltests [ak-tivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), Thromboplastinzeit (TPZ) bzw. Quick-Wert] und die Bestimmung der

Thrombozytenzahl besitzen, für sich al-lein betrachtet, eine nur geringe Aussage-kraft bezüglich der Prädiktion intraope-rativer Blutungsprobleme. Erforderlich ist die zusätzliche Erhebung einer individu-ellen Gerinnungs- bzw. Blutungsanamne-se anhand standardisierter und validierter Fragebögen [49]. Die Angaben des Pati-enten ermöglichen in einer Großzahl der Fälle die Erkennung bzw. den Aus-schluss einer hämorrhagischen Diathese sowie bereits eine grobe Abschätzung des Schweregrads. Bei entsprechendem Ver-dacht auf reduzierte Einzelfaktorenakti-vitäten bzw. Thrombozytenfunktionsstö-rungen sollte die weitere präoperative Ab-klärung durch einen Hämostaseologen er-folgen.

Besonderes Augenmerk sollte auf die Medikamentenanamnese gelegt wer-den. Viele Patienten nehmen im Rah-men einer internistischen oder analge-tischen Dauertherapie, aber auch zur Stabilisierung ihrer Gedächtnisfunkti-on [95] gerinnungswirksame Präparate ein. Wenn möglich, sollten die entspre-

Männer: Hb < 13 g/dlFrauen: Hb < 12 g/dl

Ferritin <40 µg/L Ferritin 40–70 µg/L

<1.5mg/dl

Serum-FerritinKonzentration

Serum-Kreatinin

Anemia ofChronic Disease(ACD)

>1.5mg/dl

Vitamin B12und/oderFolsäure

Ferritin >70 µg/L

NormalVerdacht auf renaleAnämie

Niedrig

EisenmangelEntzündungChronischeErkrankung

Eisenmangel-Anämie

Folsäure/Vit B12Folsäure 5 mg/Tag p.o.Vit. B12 1000 µg /Tag p.o.oder 1000 µg / Woche i.m.

Erythropoeitin40,000 IE s.c. wöchentlich

Eisen-Substitutionp.o.: 100-200 mg / Tagi.v.:200 mg (3 x wöchentlich)

NephrologischesKonsil

Abb. 1 9 Algorithmus zur Abklärung einer präopera-tiven Anämie. (Modifiziert nach [26])

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Leitthema

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chenden Pharmaka präoperativ mit aus-reichendem zeitlichen Abstand zur Ope-ration abgesetzt bzw. umgestellt werden. Eine Orientierungshilfe geben hierbei Empfehlungen zum Umgang mit Antiko-agulanzien bei der Planung rückenmark-naher Anästhesien [24]. Insbesondere bei Patienten unter Acetylsalicylsäurethera-pie (100 mg ASS) muss eine kritische Ri-siko-Nutzen-Abwägung bezüglich einer präoperativen Unterbrechung der Thera-pie erfolgen, da hieraus negative Auswir-kungen auf die behandelte Grunderkran-kung erwachsen können.

Anästhesiologische Aufklärung

Neben der allgemeinen anästhesiolo-gischen Risikoaufklärung steht bei Zeu-gen Jehovas die Abklärung von Akzep-tanz bzw. Ablehnung Blutverlust reduzie-render und Fremdblut vermeidender Ver-fahren im Vordergrund (. Tab. 2).

Zeugen Jehovas akzeptieren die klas-sische präoperative Eigenblutspende in den Wochen vor der Operation nicht, da das entnommene Blut hierbei von ih-rem eigenen Blutkreislauf getrennt gela-gert würde. Eine akute normovolämische Hämodilution (ANH) wird hingegen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (s. unten) akzeptiert. Gleiches gilt für die maschinelle Autotransfusion (MAT). Gentechnisch hergestellte Präparate wie Erythropoetin und Faktor VIIa werden grundsätzlich akzeptiert. Bei Humanalbu-minpräparaten, Gerinnungsfaktorenkon-zentraten (PPSB, Fibrinogen, Faktor XI-II) und Antithrombin (AT) III kann sich der Zeuge Jehovas individuell nach sei-nem Gewissen entscheiden [82]. Gera-de bei den letztgenannten Präparaten ist eine umfassende Aufklärung zu Herstel-lung, Reinigung und Darreichungsform von entscheidender Bedeutung für die spätere Akzeptanz.

Während eine Vielzahl von Zeugen Je-hovas bezüglich fremdblutvermeidender Maßnahmen die Klinik bereits bestens informiert betritt, besteht insbesonde-re bei alten Patienten häufig ein erheb-liches Informationsdefizit. Die Folge ist dann oft eine generelle Ablehnung sämt-licher angebotener und i. Allg. von Zeu-gen Jehovas auch akzeptierter Maßnah-men. Oft kann hier die Einschaltung des

lokalen oder regionalen Krankenhaus-Verbindungskomitees der Zeugen Jeho-vas hilfreich sein.

Letztlich sollte der Anästhesist eine de-taillierte schriftliche Einwilligung in sämt-liche potenziell zum Einsatz kommende Verfahren und Substanzen von dem Zeu-gen Jehovas einholen, da zum Zeitpunkt der konkreten Indikationsstellung häu-fig keine Einwilligung des Patienten mehr möglich ist.

Perioperatives Management von Blutverlusten

Perioperative Gewinnung von Eigenblut

Während die klassische präoperative Ei-genblutspende abgelehnt wird, werden ei-ne akute normovolämische Hämodilution (ANH) und die maschinelle Autotransfu-sion (MAT) bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen akzeptiert.

> Bei ANH und MAT müssen Patient, Schlauchsysteme und Sammelbeutel zu jedem Zeitpunkt ein geschlossenes System bilden

Zeugen Jehovas akzeptieren diese unter der Voraussetzung, dass Patient, Schlauch-systeme und Sammelbeutel zu jedem Zeit-punkt ein geschlossenes System bilden.

Akute normovolämische HämodilutionWährend einer ANH wird dem Patienten unmittelbar vor einem elektiven chirur-gischen Eingriff – in der Regel nach Nar-koseeinleitung und vor Hautschnitt – au-tologes Vollblut entnommen und simul-tan durch kolloidale und/oder kristalloi-de Infusionslösungen ersetzt.

Die Menge des entnommenen ANH-Bluts wird an Größe und Blutungsrisiko des geplanten Eingriffs angepasst [33]. Vor großen Operationen mit signifikantem Blutungsrisiko sollte das Blut des Pati-enten präoperativ bis zu einem möglichst niedrigen Hämatokrit- (HKT-)Wert ver-dünnt werden (z. B. Ziel-HKT 21–30 Vol.-% in Abhängigkeit von Alter und kardi-opulmonalen Vorerkrankungen). Die Überwachung des intravasalen Volu-

menstatus bei extremer Hämodilution (HKT<21 Vol.-%) ist schwierig und erfor-dert zumindest die kontinuierliche Mes-sung des zentralen Venendruckes (ZVD), besser die kontinuierliche Bestimmung der Variation des ventrikulären Schlagvo-lumens („stroke volume variation“, SVV), die intermittierende Messung des intra-thorakalen Blutvolumens („intrathora-cic blood volume“, ITBV) oder die Beur-teilung der ventrikulären Füllung mithil-fe der transthorakalen oder transösopha-gealen Echokardiographie.

Im Fall eines Blutverlusts profitiert der Patient dann in zweierlei Hinsicht von einer ANH: Zum einen verliert er verdünntes Blut und damit bei gleichem Blutverlust weniger Erythrozytenmasse als ein Patient mit normalem HKT. Zum anderen steht bei Indikation zur Trans-fusion frisches, autologes Vollblut ein-schließlich sämtlicher Gerinnungsfak-toren und funktionsfähiger Thrombo-zyten zur Verfügung. Die Retransfusion des ANH-Bluts sollte möglichst bis nach Abschluss der chirurgischen Blutstillung hinausgezögert werden, um einen hohen Prozentsatz des transfundierten Bluts im Patienten zu halten. Muss dennoch wäh-rend eines anhaltenden Blutverlusts mit der Retransfusion begonnen werden, sollte dies in der umgekehrten Reihen-folge der Abnahme geschehen, um so die Transfusion des „besten Beutels“, d. h. des Beutels mit dem höchsten HKT, wieder-um bis nach Beendigung der Blutstillung hinauszuzögern.

Bei Aufrechterhaltung von Nor-movolämie wird die iatrogene, dilu-tionsbedingte Anämie durch die im Abschn. “Nutzung der natürlichen An-ämietoleranz des Patienten“ aufgeführ-ten Mechanismen ohne die Gefahr von Gewebehypoxie und Organdysfunktion kompensiert. Eine durch die ANH be-dingte, klinisch relevante Verschlechte-rung der Blutgerinnung ist bei einem an-gestrebten Ziel-HKT zwischen 21 und 30 Vol.-% unwahrscheinlich [33]. Eine ANH kann auch bei Kindern, alten Pati-enten, Patienten mit eingeschränkter kar-dialer Pumpfunktion sowie Patienten mit chronischer β-Rezeptor-Blockade durch-geführt werden. Auch Malignome stellen keine Kontraindikation für eine ANH dar. Schwere KHK (instabile Angina pectoris,

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Leitthema

Page 7: Perioperatives Management bei Zeugen Jehovas

Tab. 2  Akzeptanz und Ablehnung fremdblutvermeidender Maßnahmen durch Zeugen Jehovas

Maßnahme Akzeptanz

Präoperative Eigenblutspende Nein

Akute normovolämische Hämodilution (ANH) (Ja)Voraussetzung: geschlossenes System

Maschinelle Autotransfusion (MAT) (Ja)Voraussetzung: geschlossenes System

Bestrahlung von MAT-Blut (Ja)Individuelle Entscheidung

Rekombinantes humanes Erythropoetin (rHuEPO) Ja

Fibrinogenkonzentrat, PPSB, Faktor-XIII-Konzentrat (Ja)Individuelle Entscheidung

Rekombinanter humaner Faktor VIIa Ja

Antifibrinolytika, Desmopressin Ja

Hämoglobinlösungen (human/bovin) Ja

Perfluorokarbonemulsionen JaANH und MAT werden unter der Voraussetzung, dass Patient, Schlauchsystem und Sammelbeutel zu jedem Zeitpunkt ein geschlossenes System bilden, akzeptiert. Bei einem Informationsdefizit des Zeugen Jehovas hilft häufig die Einschaltung des lokalen oder regionalen Krankenhaus-Verbindungskomitees.

signifikante Hauptstammstenose der lin-ken Koronararterie, innerhalb der letzten 6 Monate abgelaufener Myokardinfarkt), hochgradige Aortenklappenstenose, Ste-nosen der A. carotis, Niereninsuffizienz (Verschlechterung bei ANH mit künstli-chen Kolloiden) sowie manifeste Bakteri-ämie stellen Kontraindikationen für die Durchführung einer ANH dar [31].

Maschinelle AutotransfusionUnter MAT versteht man die Reinigung und Retransfusion von direkt aus dem Operationsfeld aspiriertem Wundblut. Nach dem Waschvorgang stehen autolo-ge Erythozytenkonzentrate (EK) mit ho-hem HKT-Gehalt (60–70 Vol.-%) für die Transfusion zur Verfügung. Da die Re-transfusion von Wundblut, das bei tu-morchirurgischen Eingriffen anfällt, die hochenergetische γ-Bestrahlung (50 Gy) des gewaschenen EK und damit die – wenn auch kurzzeitige – räumliche Tren-nung von Blut und Patient erforderlich machen, ist die Akzeptanz dieses Verfah-rens bei Zeugen Jehovas individuell unter-schiedlich.

Bei großen Operationen mit ho-her Blutungsgefahr sollte dennoch in je-dem Fall ein Sammelreservoir instal-liert und Wundblut gesammelt werden. Die ursprüngliche absolute Kontraindi-kation der Autotransfusion von Blut aus dem Resektionsgebiet maligner Tumoren, von potenziell kontaminiertem Blut (z. B. Mund-, Kiefer-, Gesichtsbereich, Respi-rations-, Urogenitaltrakt) und von sicher kontaminiertem Blut (z. B. Intestinaltrakt, perforierendes Trauma) muss bei Zeu-gen Jehovas im Einzelfall vom Schwere-grad der Blutung und der daraus resultie-renden akuten Lebensbedrohung abhän-gig gemacht werden. Auch bei Blutungen im Rahmen geburtshilflicher Maßnahmen und insbesondere bei der Sectio caesarea wird die bisher absolute Kontraindikati-on für MAT (Gefahr der Transfusion von Amnionzellen und fetalen Erythrozyten) zunehmend relativer gesehen [22].

Reduktion intraoperativer Blutverluste

Chirurgische MaßnahmenDie effektivste Maßnahme zur Ver-meidung einer Fremdbluttransfusion

ist schonendes, blutverlustarmes Ope-rieren (. Tab. 3). Bestandteile chirur-gischer Strategien sind hierbei u. a. die Wahl des operativen Zugangswegs, at-raumatische Gewebepräparation (z. B. Wasserstrahl-, Ultraschallresektoren), Drosselung der Perfusion des Opera-tionsgebiets (z. B. Blutsperre, Pringle-Manöver) sowie der Einsatz tech-nischer und pharmakologischer Hilfs-mittel (z. B. Argon-Beamer, Fibrinkle-ber, lokale Hämostyptika) zur effektiven Stillung selbst kleinster Blutungen. Ent-scheidend ist die Früherkennung einer drohenden Blutungsproblematik durch den Operateur. Vorausschauendes Ope-rieren ggf. mit Strategiewechseln bis hin zum Abbruch einer unvollendeten Ope-ration erfordert eine enge Kommunika-tion zwischen in der Behandlung von Zeugen Jehovas erfahrenen Chirurgen und Anästhesisten.

Lagerung des PatientenDurch Lagerung des Operationsgebietes auf oder über Herzhöhe kann der hydro-statische Druck in den Venen und da-mit der venöse Blutverlust effektiv redu-ziert werden (z. B. 20°-Trendelenburg-La-gerung, Seitenlagerung) [68]. Bei gleich-zeitiger iatrogener Absenkung des ZVD (s. unten) muss die Gefahr einer Luftem-bolie beachtet werden.

Wahl des AnästhesieverfahrensWenn möglich, sollte ein Regionalverfah-ren in Spontanatmung einer Allgemein-anästhesie vorgezogen werden (geringere pharmakologische Vasodilatation, physi-ologische intrathorakale Druckverhält-nisse) [60]. Kann eine Allgemeinanästhe-sie nicht vermieden werden, erscheint die totale intravenöse Anästhesie (TIVA) der balancierten Anästhesie mit Inhalationsan-ästhetika überlegen [5].

Tab. 3  Möglichkeiten zur Minimierung intraoperativer Blutverluste

Anwendung spezieller Operationstechniken

Lagerung des Operationsgebiets über Herzhöhe

Anwendung von Regionalanästhesie bzw. totale intravenöse Anästhesie

Aufrechterhaltung von Normothermie

Aufrechterhaltung eines physiologischen pH-Werts

Management des zentralen Venendrucks

Kontrollierte Hypotension

Auswahl möglichst gerinnungsinaktiver Infusionslösungen

Frühzeitiges Gerinnungsmanagement: Fibrinogenkonzentrat, PPSB, Antifibrinolytikum,  Desmopressin, Faktor-XIII-Konzentrat, rFVIIa-Konzentrat

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TemperaturmanagementDie einzelnen Reaktionsschritte der Ge-rinnungskaskade und die Thrombozyten-funktion sind temperaturabhängig [15]. Bereits milde Hypothermie (35,0°±0,5°C) führt zu einer Zunahme des intraopera-tiven Blutverlusts [77]. Entscheidend ist daher die Aufrechterhaltung von Normo-thermie durch die konsequente Wärmung von Infusionen und Patient.

pH-ManagementDie Aktivität der Gerinnungsfaktoren ist pH-abhängig, mit einem Aktivitäts-optimum im basischen Bereich. Ein Ab-fall des pH von 7,4 auf 7,2 führt zu einem 50%igen Abfall der Thrombingeneration [66]. Acidose verstärkt darüber hinaus die gerinnungshemmenden Effekte der Hypothermie [15]. Eine Verbesserung der Blutgerinnung durch pharmakologische Korrektur der Acidose (z. B. Natrium-bikarbonat oder Tris(hydroxymethyl)-Aminomethan-Puffer) konnte allerdings bisher weder im Tierexperiment noch bei Patienten nachgewiesen werden [59].

Management des zentralen VenendrucksDa Lebervenen keine Klappen besitzen, pflanzt sich der Druck in der V. cava in-ferior unmittelbar in die Lebervenen fort. Während Leberteilresektionen führt die Absenkung des ZVD [Oberkörper-hochlagerung, Reduktion des positiven endexspiratorischen Drucks („positive end-expiratory pressure“, PEEP)] zu ei-ner signifikanten Reduktion des Blutver-lusts [44].

Kontrollierte HypotensionUnter kontrollierter Hypotension (KH) versteht man die pharmakologische Sen-kung (durch Inhalationsanästhetika, Ni-troglyzerin, Urapidil, Periduralanästhe-sie) des systolischen arteriellen Blutdrucks auf 80 mmHg bzw. des mittleren arteriel-len Drucks auf 50 mmHg. Durch Anwen-dung des Verfahrens lässt sich der arte-rielle Blutverlust aus dem Operationsge-biet signifikant reduzieren [12, 29]. Wäh-rend KH und gleichzeitiger normovolä-mischer Anämie (HKT<24 Vol.-%) stellt die ischämische Neuropathie des N. op-ticus bei Patienten mit manifester Gefäß-sklerose bzw. entsprechenden Risikofak-

toren (arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, exzessiver Ni-kotinabusus) eine gefürchtete Komplika-tion dar [45]. Insgesamt sollte bei Pati-enten mit eingeschränkter Autoregulation der Organperfusion [periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), KHK, arte-rieller Hypertonus, zerebral-vaskuläre In-suffizienz, Hypovolämie, Anämie] sowie Patienten mit Nieren- bzw. Leberinsuffi-zienz auf eine „klassische“ KH verzich-tet und bestenfalls eine modifizierte KH mit deutlich moderateren Zielblutdruck-werten durchgeführt werden.

VolumentherapieEin akuter Blutverlust während eines chir-urgischen Eingriffs wird im Verhältnis 3:1 bis 4:1 durch isotone kristalloide oder im Verhältnis 1:1 durch isoonkotische kolloi-dale Infusionslösungen ersetzt. Ziel ist die Aufrechterhaltung eines adäquaten Blut-volumens (Normovolämie) und einer normalen mikrovaskulären Organper-fusion. Folge ist eine Verdünnung sämt-licher Blutbestandteile (Erythrozyten, Thrombozyten, Gerinnungsfaktoren und der Komponenten des Fibrinolysesys-tems). Neben der Induktion einer Ver-dünnungskoagulopathie besitzen nahezu alle Infusionslösungen direkte Effekte auf die Blutgerinnung.

Kristalloide Lösungen mit hohem Chloridanteil (z. B. NaCl-, Ringer-Lö-sung) führen bei hochvolumiger Ap-plikation zu einer hyperchlorämischen Acidose [76] und damit zu einer poten-ziellen Beeinträchtigung der Blutgerin-nung (s. Abschn. “pH-Management“). Bei Anwendung sog. balancierter kristal-loider Lösungen mit verstoffwechselbaren Anionen (z. B. Acetat, Malat oder Laktat) fehlt dieser Effekt weitestgehend [76].

Hochmolekulare und -substituierte Hydroxyäthylstärkelösungen („hydroxy-ethyl starch“, z. B. HES 450.000/0.7, HES 200.000/0.62) reduzieren die Aktivität des Von-Willebrand-Faktors, des Fak-tor VIII und der Thrombozyten. Weiter-hin wird eine verminderte Stabilität des Fibringerinnsels infolge gestörter Fibrin-polymerisation diskutiert [13]. Bei nie-dermolekularen, niedrig substituierten HES-Lösungen (z. B. HES 130.000/0.4, HES 130.000/0.42) scheinen diese Effekte jedoch geringer ausgeprägt zu sein.

Der direkte Effekt von Gelatine- und Humanalbuminlösungen auf die Blutge-rinnung wird als vernachlässigbar einge-stuft [51].

GerinnungsmanagementDer Ersatz eines Blutverlusts durch kris-talloide und kolloidale Infusionslösungen führt zu einer Verdünnung sämtlicher Komponenten des Gerinnnungs- und Fi-brinolysesystems und letztlich zur Ausbil-dung einer Verdünnungskoagulopathie.

In Tierexperimenten und Untersu-chungen an blutenden Patienten zeigte sich, dass während einer Hämodilution die Plasma-Fibrinogen-Konzentration als erster prokoagulatorischer Faktor in einen substitutionsbedürftigen Bereich (<1,5 g/l) abfällt, gefolgt von der Aktivität von Ge-rinnungsfaktoren des Prothrombinkom-plexes und zuletzt der Thrombozytenzahl [39, 61]. Fibrinogen und Fibrin sind ele-mentar für die Stabilität eines sich an der Blutungsquelle formierenden Thrombus. Das Fehlen von Fibrinogen führt zu la-bilen Thromben, die dem erhöhten Blut-fluss in den geschädigten Gefäßstrombe-zirken nicht standhalten und eine Blu-tung nicht stoppen können [20]. Hinzu kommt, dass die Fibrinogenkonzentration des Plasmas durch kolloidale Infusionslö-sungen auf der Basis von Hydroxyäthyl-stärke zusätzlich reduziert wird [13].

Die genaue Bestimmung von „kri-tischen“ Grenzwerten für einzelne Kom-ponenten des Gerinnungssystems ist äu-ßerst schwierig und in der klinischen Si-tuation des stark blutenden Patienten oh-ne entsprechende Zeitverluste häufig un-möglich.

Während bei moderater Dynamik des Blutverlusts ein differenziertes Ge-rinnungsmanagement auf der Basis der Thrombelastographie erwogen werden kann [27], muss in Ermangelung dieser differenzierten Analysemethode und in Gegenwart stärkerer Blutverluste häufig frühzeitig und kalkuliert mit der Subs-titution von Fibrinogenkonzentrat [90] und PPSB [74] bzw. der Applikation eines Antifibrinolytikums (z. B. Tranexamsäu-re; [7]) begonnen werden. Die kontinuier-liche Applikation von Desmopressin [18] führt zu einer Mobilisierung endogener Faktor-VIII-Reserven, einer Zunahme der Aktivität des Von-Willebrand-Fak-

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Leitthema

Page 9: Perioperatives Management bei Zeugen Jehovas

tors und einer Stimulation der Thrombo-zytenfunktion. Zusätzlich kann die Sta-bilität des Thrombus durch die Applika-tion von Faktor-XIII-Konzentrat erhöht werden [23]. Bei starken Blutungen soll-te frühzeitig der Einsatz von rekombi-nantem humanem Faktor VIIa („off la-bel use“) in Erwägung gezogen werden [19], da die maximale Wirksamkeit der Substanz nur bei stabilen Rahmenbedin-gungen für die Blutgerinnung (Tempe-ratur, pH, Thrombozytenzahl) erwartet werden kann (. Tab. 4).

Nutzung der natürlichen Anämietoleranz des Patienten

Obwohl sich aus der Kenntnis des aktu-ellen Schweregrads einer Anämie bei Zeu-gen Jehovas keine Transfusionsindikation ableiten wird, muss der narkoseführende Anästhesist die Mechanismen und Gren-zen der Toleranz einer akuten Anämie kennen, um diese optimal nutzen bzw. in Grenzsituationen effektiv steigern zu kön-nen (Übersicht und ausführliches Litera-turverzeichnis in [30]).

MechanismenIn Allgemeinanästhesie wird eine Verdün-nungsanämie im Rahmen der Infusions-therapie eines akuten Blutverlusts bis auf sehr niedrige Hb-Konzentrationen bzw. HKT-Werte ohne Gefährdung von Or-ganperfusion, -oxygenierung und -funkti-on toleriert („natürliche Anämietoleranz“ des menschlichen Organismus).

Die entscheidenden Mechanismen, die dieser „natürlichen Anämietoleranz“ zu-grunde liegen, sind:1. Ein Anstieg des Herzzeitvolumens

(HZV), in Allgemeinanästhesie initi-al ausschließlich über einen Anstieg des ventrikulären Schlagvolumens, bei ausgeprägteren Verdünnungsstu-fen zusätzlich über Tachykardie; bei wachen Patienten wird der HZV-An-stieg bereits initial durch Tachykardie kompensiert.

2. Ein Anstieg der Gesamtkörper-O2-Extraktion.

3. Ein physiologischerweise vorhande-ner Unterschied zwischen makro- und mikrovaskulärem (kapillärem) HKT („Luxus-HKT“). Der mikrovaskuläre HKT unterschreitet seinen Normal-

wert erst nach 30- bis 50%igem Abfall des makrokapillären HKT.

4. Eine physiologische „Luxusversor-gung“ der Körpergewebe mit O2 („Luxus-DO2“). Unter Normalbe-dingungen übersteigt das O2-Ange-bot (DO2) den O2-Bedarf der Kör-pergewebe um einen Faktor 3 bis 4 [. Abb. 2a, (1)]. Dies bedeutet, dass DO2 zunächst ohne Konsequenz für die Gewebe-O2-Versorgung reduziert werden kann. Der O2-Bedarf der Ge-webe bleibt gedeckt und der O2-Ver-brauch (VO2) konstant (sog. O2-An-gebotsunabhängigkeit des O2-Ver-brauchs). Diese Konstanz der VO2 re-flektiert eine adäquate Versorgung der Organgewebe mit O2 [. Abb. 2a, Abschnitt (2)].

Die beschriebenen Kompensationsme-chanismen einer normovolämischen Anämie sind für das Ausmaß der Anä-mietoleranz eines Organismus entschei-dend. Sie können auch bei Säuglingen, Kindern, alten Patienten, kardial vorer-krankten Patienten und Patienten unter chronischer β-Rezeptor-Blockade nach-gewiesen werden.

Grenzen (Konzept der kritischen DO2)Erst bei extremer Hämodilution wird ein Punkt erreicht, an dem sich O2-Ange-bot (DO2) und O2-Bedarf des Gesamtor-ganismus die Waage halten [. Abb. 2a, (3)]. Man spricht von der „kritischen DO2 (DO2 krit)“. Das Unterschreiten von DO2

krit ist mit einem konsekutiven Abfall der VO2 als Zeichen einer beginnenden Man-gelversorgung der Gewebe mit O2 und damit einer beginnenden Gewebehyp-oxie vergesellschaftet [sog. Angebotsab-hängigkeit der VO2; . Abb. 2a, Abschnitt (4)]. Der Organismus deckt jetzt seinen Energiebedarf zunehmend über anaerobe Glykolyse, und als Folge dessen steigt die Serum-Laktat-Konzentration. Diejenige Hb-Konzentration bzw. derjenige HKT-Wert, bei der/dem diese physiologische Grenze der Anämietoleranz erreicht ist, wird als „kritische Hb-Konzentration (Hbkrit)“ bzw. als „kritischer HKT-Wert (HKTkrit)“ bezeichnet. Ohne Intervention (hyperoxische Beatmung oder Transfusi-on) tritt beim Unterschreiten von HKTkrit innerhalb kurzer Zeit der Tod des Orga-nismus ein [63, 93].

Die Anämietoleranz des Gesamtor-ganismus kann beeindruckende Dimen-sionen annehmen: Bei gesunden, wa-chen Probanden war die kritische DO2 selbst nach Hämodilution auf einen Hb-Wert von 2,98 mmol/l (4,8 g/dl) nicht er-reicht [53]. Bei herzgesunden Versuchstie-ren und Patienten in Allgemeinanästhe-sie wurde die Grenze der Verdünnungs-anämie bei einem HKT zwischen 12 und 3 Vol.-%, entsprechend Hb-Konzentrati-onen zwischen 2,05 und 0,68 mmol/l (3,3 und 1,1 g/dl) gefunden (. Tab. 5). Säug-linge (1 bis 7 Monate, [75]) und ältere Kin-der (12,5 Jahre, [17]) tolerierten Hb-Kon-zentrationen von 1,86 mmol/l (3 g/dl) und niedriger, ohne dabei ihr kritisches O2-Angebot zu unterschreiten. Bei träch-

(4)

(3) (2) (1)

„kritische” DO2

O2 – Angebot (DO2)

O2

– Ve

rbra

uch

(VO

2)

a bO2 – Angebot (DO2)

O2

– Ve

rbra

uch

(VO

2)

Abb. 2 8 a Schematische Darstellung der Veränderungen von Gesamtkörper-Sauerstoff-Angebot (DO2) und Sauerstoffverbrauch (VO2) während der Entwicklung einer Verdünnungsanämie z. B. bei Er-satz eines intraoperativen Blutverlusts durch erythrozytenfreie Infusionslösungen. (Mod. nach [8]). Die Graphik muss von rechts (beginnend bei normaler DO2) nach links (zunehmende Verdünnungsanä-mie) gelesen werden (Erläuterungen im Text). b Veränderungen von Gesamtkörper-Sauerstoff-Ange-bot (DO2) und Sauerstoffverbrauch (VO2) während der Entwicklung einer Verdünnungsanämie in vivo bei einem narkotisierten Hausschwein. Minütliche Bestimmung des Gesamtkörper-VO2 mithilfe eines metabolischen Monitors (DeltaTrac). Die Graphik muss von rechts (beginnend bei normaler DO2) nach links (zunehmende Verdünnungsanämie) gelesen werden (Erläuterungen im Text)

305Der Anaesthesist 4 · 2010  | 

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tigen Schafen blieb die fetale Gewebeo-xygenierung bis zu einem mütterlichen HKT von 15 Vol.-% (Hb 3,1 mmol/l, 5 g/dl) erhalten [70].

Eine Angabe allgemein gültiger Zah-lenwerte für die minimal tolerable Hb-Konzentration eines Menschen ist jedoch unmöglich, da DO2 krit, Hbkrit und HKT-krit sowohl inter- als auch intraindividuell unterschiedlich sind und von einer Rei-he von Faktoren beeinflusst werden. Ad-äquate Narkosetiefe, Hyperoxämie, kom-

plette Muskelrelaxierung und milde Hy-pothermie steigern die Anämietoleranz (s. unten); Hypovolämie, eingeschränkte Koronarreserve, Herzinsuffizienz, zu tie-fe Narkose, Polytrauma und Sepsis redu-zieren sie.

Des Weiteren ist nicht auszuschlie-ßen, dass sich die Anämietoleranz des Gesamtorganismus von der Anämieto-leranz einzelner Organe unterscheidet. Es wäre denkbar, dass einzelne Organe ihre organspezifische DO2 krit zu einem

früheren Zeitpunkt, d. h. bei einer hö-heren Hb-Konzentration bzw. einem hö-heren HKT-Wert erreichen, als der Ge-samtorganismus. Dies birgt die Gefahr ei-ner bereits manifesten spezifischen Or-gangewebehypoxie noch vor dem Auf-treten entsprechender Veränderungen auf der Ebene des Gesamtorganismus. In Narkose scheint sich die Anämietoleranz des Gesamtorganismus nicht von derjeni-gen des Gehirns [6], des Herzens mit in-takter Koronarperfusion [34, 47] und des

Tab. 5  Übersicht über kritische Hb-Konzentrationen (Hbkrit) bzw. kritische HKT-Werte (HKTkrit) im Tierexperiment und bei Patienten

Autor Spezies Anästhesie FIO2 Diluens Identifikation von DO2 krit

HKTkrit

(Vol.-%)Hbkrit

(mmol/l) (g/dl)

Fontana et al. [17] Mensch (Kind) IsofluranSufentanilVecuronium

1,0 Albumin ST-SegmentSenkung

  1,3 2,1

Van Woerkens et al. [93] Mensch (84 Jahre) EnfluranFentanylPancuronium

0,4 Gelatine Abfall der VO2 12 2,48 4

Zollinger et al. [96] Mensch (58 Jahre) PropofolFentanylPancuronium

1,0 Gelatine ST-SegmentSenkung

  ca. 0,68 ca. 1,1

Cain et al. [8] Hund Pentobarbital 0,21 Dextran Abfall der VO2 9,8 2,05 3,3

Perez-de-Sá et al. [71] Schwein IsofluranFentanylMidazolamVecuronium

0,5 Dextran Abfall der VO2   1,43±0,12 2,3±0,2

Meier et al. [63] Schwein PropofolFentanyl

0,21 HES Abfall der VO2   1,92±0,25 3,1±0,4

Pape et al. [69] Schwein PropofolFentanylPancuronium

0,21 HES Abfall der VO2   1,49±0,25 2,4±0,4

Kemming et al. [47] Schwein MidazolamMorphinPancuronium

0,21 HES ST-SegmentSenkung

7,2±1,2 1,61±0,19 2,6±0,3

Meisner et al. [65] Schwein DiazepamMorphinPancuronium

0,21 Albumin ST-SegmentSenkung

6,1±1,8 1,24±0,5 2,0±0,8

Meier et al. [64] Schwein PropofolFentanylPancuronium

0,21 HES Abfall der VO2   1,49±0,31 2,4±0,5

DO2 kritisches Gesamt-Sauerstoff-Angebot, HES Hydroxyäthylstärke, FIO2 inspiratorische Sauerstofffraktion, VO2 Sauerstoffverbrauch.

Tab. 4  Dosierung gerinnungswirksamer Substanzen bei massivem Blutverlust

Substanz Dosis

Fibrinogenkonzentrat 2–4 gZiel: Serum-Fibrinogen-Konzentration >1,5 g/l

Prothrombinkomplexpräparate 20–25 I.E./kgKGZiel: Quick-Wert >30–40%

Tranexamsäure Initialer Bolus 10–15 mg/kgKGDanach 1–5 mg/kgKG/h

Desmopressin 0,3 µg/kgKG über 30 min

Faktor-XIII-Konzentrat 10–20 I.E./kgKG

Rekombinanter humaner Faktor VIIa 90 µg/kgKG

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Leitthema

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Splanchnikussystems [6] zu unterschei-den. Die Anämietoleranz des Herzens mit eingeschränkter Koronarreserve ist dagegen geringer ausgeprägt. Im Tierex-periment traten bei narkotisierten Hun-den mit einer experimentellen, hochgra-digen (50- bis 80%igen) Koronarstenose myokardiale Ischämiezeichen und/oder eine Verschlechterung der Herzfunktion bei Hb-Konzentrationen zwischen 4,34 und 6,21 mmol/l (7 und 10 g/dl, [21, 37, 52]) auf. In der bereits erwähnten retros-pektiven Kohortenanalyse von 1958 Zeu-gen Jehovas mit erhöhtem kardialen Risi-koprofil (KHK, Herzinsuffizienz), die sich nichtkardiochirurgischen operativen Ein-griffen unterziehen mussten, fand sich ei-ne signifikant erhöhte postoperative Le-talitätsrate, wenn eine postoperative Hb-Konzentration von 4,96 mmol/l (8 g/dl) unterschritten worden war [10]. Die Gren-ze der renalen Anämietoleranz lag im Tierexperiment bei gesunden narkotisier-ten Ratten zwischen 2,48 und 4,34 mmol/l (4 und 7 g/dl, [43]), in klinischen Studi-en bei herzchirurgischen Patienten bereits bei Hb-Konzentrationen zwischen 4,34 und 4,96 mmol/l (7 und 8 g/dl, [28, 73]).

In der klinischen Praxis ist es schwie-rig, die Grenze der individuellen Anämie-toleranz des Patienten zu identifizieren. Die Messung von VO2 (. Abb. 2b) ist ap-parativ aufwendig. Indirekte Hinweise für das Erreichen von DO2 krit und neu auf-getretene EKG-Veränderungen, regionale Wandbewegungsstörungen in der Echo-kardiographie, Laktatacidose und Abfäl-le von gemischt- bzw. zentralvenöser O2-Sättigung sind unsicher.

Hilfestellung bei der Einschätzung ei-ner perioperativ auftretenden Verdün-nungsanämie quoad vitam leisten die Er-gebnisse umfangreicher Patientenstudien,

in denen der Zusammenhang zwischen postoperativer Anämie und Letalität der Patienten analysiert wurde. In der Regel stammen diese Daten von Zeugen Jeho-vas. Bis zu einer postoperativen Hb-Kon-zentration von 4,96 mmol/l (8 g/dl) konn-te auch bei alten Patienten mit kardiopul-monalen Vorerkrankungen [9, 10] und bei multimorbiden Intensivpatienten [11, 38, 89] kein statistischer Zusammenhang mit einer erhöhten postoperativen Letalitäts-rate hergestellt werden. Bei anämischen Patienten (Hb<4,96 mmol/l, <8 g/dl), de-ren Tod kausal mit der Anämie in Ver-bindung zu bringen war, lag die Hb-Kon-zentration immer unter 3,1 mmol/l (5 g/dl, [88]). In Einzelfällen wurden jedoch auch deutlich niedrigere Hb-Konzentrationen bis zu 0,93 mmol/l (1,5 g/dl) ohne Trans-fusion überlebt (Übersicht in [25]).

Therapeutische BeeinflussungIm Fall unvorhergesehener Blutverluste und der Entwicklung einer potenziell le-bensbedrohlichen Anämie kann die Anä-mietoleranz des Patienten durch verschie-dene Maßnahmen effektiv gesteigert wer-den (. Tab. 6). Hierdurch kann Zeit bis zur chirurgischen Kontrolle der Blutung gewonnen werden.

NormovolämieGrundvoraussetzung für die effektive Kompensation einer Verdünnungsanä-mie ist Normovolämie. Während hypo-volämischer Hämodilution steigt der Ge-samtkörper-O2-Bedarf katecholaminme-diiert an. DO2krit wird bei Hypovolämie bereits bei höheren Werten erreicht als während Normovolämie. Die Anämieto-leranz des Organismus ist während Hypo-volämie reduziert [78].

MyokardfunktionGrundvoraussetzungen für die kardiale Kompensation einer Verdünnungsanä-mie sind die Steigerung des myokardialen Blutflusses durch maximale koronare Va-sodilatation und die Aufrechterhaltung eines ausreichenden koronaren Perfusi-onsdrucks. Zustände, die mit einer Stei-gerung des myokardialen Sauerstoffver-brauchs (Tachykardie, Anstieg der ventri-kulären Wandspannung, Kontraktilitäts-steigerung) einhergehen, müssen ebenso vermieden werden wie Abfälle des diasto-

Tab. 6  Maßnahmen zur akuten Stei-gerung der Anämietoleranz des Orga-nismus

Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Normovolämie

Hyperoxische Beatmung (FIO2 1,0)

Adäquate Narkosetiefe

Kontinuierliche Noradrenalinapplikation

Muskelrelaxierung

HypothermieFIO2 inspiratorische Sauerstofffraktion.

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lischen Aortendrucks durch systemischen Widerstandsverlust. Die kontinuierliche Verabreichung von Noradrenalin steigert die Anämietoleranz des Gesamtorganis-mus [64]. Sympathikolyse durch β-Re-zeptor-Blockade und thorakale Peridural-anästhesie (eigene, bisher unveröffentlich-te Daten) scheinen keinen positiven Ein-fluss auf die Anämietoleranz des Gesamt-organismus zu haben, reduzieren diese aber auch nicht.

Inspiratorische SauerstofffraktionDie Beatmung mit einer supranormalen inspiratorischen Sauerstofffraktion (FIO2, sog. hyperoxische Beatmung) steigert den Anteil des physikalisch gelösten O2 am ar-teriellen O2-Gehalt. Trotz seiner geringen O2-Löslichkeit in Plasma wird der phy-sikalisch gelöste O2 bei Verdünnungsan-ämie zu einer für die Gewebeoxygenie-rung höchst relevanten biologischen Grö-ße und deckt in dieser Situation bis zu 75% des Gesamtkörper-O2-Bedarfs [35]. Expe-rimentelle und klinischen Studien zeigen, dass hyperoxische Beatmung die Anämie-toleranz signifikant steigert [35, 63, 69, 81] und dadurch einen Sicherheitsbereich für die globale [35, 36, 63, 83], myokardia-le [34, 35, 48, 62], gastrointestinale [46] und zerebrale [91, 92] Gewebeoxygenie-rung schafft. Im Tierexperiment sicherte hyperoxische Beatmung das Überleben an der Hbkrit für mehr als 6 h, während mit Raumluft beatmete Kontrolltiere inner-halb von 15 min bis 3 h verstarben [63].

MuskelrelaxierungQuergestreifte Skelettmuskulatur macht etwa 30% der Körpermasse aus. Es konn-te bereits am Patienten nachgewiesen wer-den, dass eine suffiziente Muskelrelaxie-rung den Gesamkörper-O2-Bedarf rele-vant senkt [87]. Im Tierexperiment führ-te die Muskelrelaxierung mit Rocuronium bei narkotisierten Schweinen zu einer Zu-nahme der Anämietoleranz [58].

KörpertemperaturHypothermie reduziert den Gesamtkör-per-O2-Bedarf und sollte sich daher po-sitiv auf die Anämietoleranz auswirken. Im Tierexperiment verstarben narkoti-sierte, hypotherme Schweine bei einer signifikant niedrigeren Hb-Konzentra-tion als normotherme Kontrolltiere [71].

Aufgrund des negativen Effekts auf die Blutgerinnung sollte allerdings in Phasen eines Blutverlusts von der Induktion einer Hypothermie abgesehen werden.

Wahl des Anästhetikums und adäquate NarkosetiefeNahezu alle untersuchten Narkotika sup-primierten in höherer Dosierung den HZV-Anstieg und die Gewebe-O2-Ex-traktion bei Verdünnungsanämie. Im Tierexperiment konnte eine dosisab-hängige Verringerung der Anämietole-ranz für Halothan, Enfluran und Isoflu-ran sowie Ketamin, Propofol, Etomidat und Pentobarbital nachgewiesen werden [54, 55, 57]. Eine zu tiefe Narkose ist daher im Zusammenhang mit Anämietoleranz genauso zu vermeiden wie eine zu flache Narkose (erhöhter Sympathikotonus und O2-Verbrauch).

Wahl der InfusionslösungWährend sich im Tierexperiment für 3%ige Gelatine und 6%ige HES 200.000/0.5 kein substanzspezifischer Effekt auf die Anämietoleranz nachweisen ließ [56], er-gab sich in einer eigenen experimentel-len Untersuchung ein Vorteil von 6%ige HES 130.000/0.4 gegenüber 3,5%iger Ge-latine, 6%iger HES 450.000/0.7 und Rin-ger-Laktat-Lösung [50]. Durch den Ge-brauch von Infusionslösungen mit in-trinsischer O2-Transportkapazität [sog. „künstliche O2-Träger“ auf der Basis von isoliertem menschlichen und tierischen Hb bzw. Perfluorokarbone (PFC)] konnte die Anämietoleranz sowohl im Tierexpe-riment als auch bei Patienten signifikant gesteigert werden (Übersicht in [32]). Al-lerdings stehen derzeit in der BRD keine zugelassenen Präparate zur Verfügung.

Therapie einer postoperativen Anämie

Zeugen Jehovas mit schwerer postopera-tiver Anämie [Hb<3,1–3,72 mmol/l (<5–6 g/dl) bei jungen gesunden Patienten, Hb<4,96 mmol/l (<8 g/dl) bei alten Pa-tienten bzw. Patienten mit kardiopulmo-nalen Risikofaktoren] sollten auf der In-tensivstation weiterbetreut und die Anä-mietoleranz durch die oben aufgeführten Maßnahmen gesteigert werden. Bei fort-schreitendem Abfall der Hb-Konzentrati-

on muss unverzüglich die Indikation zur chirurgischen Reintervention oder inter-ventionell-radiologischen Blutstillung ge-prüft werden. Generell sind die Einlei-tung einer Allgemeinanästhesie, die Intu-bation und Beatmung mit reinem Sauer-stoff sowie die komplette Muskelrelaxie-rung des Patienten frühzeitig zu erwägen. Weiterhin müssen optimale Rahmenbe-dingungen für die Gerinnung geschaffen und gerinnungswirksame Substanzen so-wie Antifibrinolytika frühzeitig eingesetzt werden. Wenn möglich, sollten Wund- und Drainagenblut weiter gereinigt und retransfundiert werden. Blutabnahmen sollten auf ein absolutes Mindestmaß re-duziert werden. Neben der Substitution der für die Erythropoese erforderlichen Substrate Eisen, Vitamin B12 und Folsäu-re sollte frühzeitig rHuEPO (40.000 I.E./Woche, s.c.) appliziert werden [2].

Künstliche Sauerstoffträger

Ein Meilenstein in der Behandlung lebens-bedrohlich anämischer Zeugen Jehovas wäre die Zulassung und klinische Etablie-rung eines effektiven und sicheren künst-lichen Sauerstoffträgers. In den letzten 20 Jahren wurden zwei Substanzgruppen im Tierexperiment und in klinischen Stu-dien auf ihre Sicherheit und Wirksamkeit bei schwerer, transfusionsbedürftiger An-ämie untersucht: Lösungen auf der Basis von isoliertem Hämoglobin („hemoglo-bin based oxygen carriers“, HBOC) und PFC (ausführliche Übersicht in [32]).

Infusionslösungen auf der Basis von isoliertem menschlichem und tierischem (bovinem) Hämoglobin wurden für den 1:1-Ersatz eines Blutverlusts konzipiert und zeigten in einzelnen Fallberichten auch ihre Effektivität in der Therapie einer anämischen Hypoxie. Allerdings weisen HBOC neben ihrer Fähigkeit zum Sau-erstofftransport eine derzeit noch schwer kontrollierbare vasokonstriktorische Po-tenz auf, deren Bedeutung für Organper-fusion und -funktion bislang nicht voll-ständig geklärt ist. Dennoch erhielt die Rinder-Hämoglobin-Lösung Hemopure® (Biopure Inc., Cambridge, USA) als bis-her einziger Vertreter dieser Lösungen im April 2001 die Zulassung in Südafrika.

Perfluorokarbonemulsionen werden rein synthetisch hergestellt und erhöhen

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Leitthema

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die Löslichkeit von Sauerstoff in Plasma. Immunsuppressive Effekte bei Hochdosis-applikation und die fehlende onkotische Eigenschaft verbieten den 1:1-Ersatz von Blutverlusten durch PFC. Als Supple-ment bei normovolämischer Hämodiluti-on und Hyperoxie konnte die niedrig-do-sierte Bolusanwendung der PFC-Emulsi-on Oxygent® (Alliance Pharmaceutical Corp., San Diego, USA) die intraopera-tive Anämietoleranz steigern. Im Jahr 1996 wurde in Russland Perftoran®10% (Perftoran Corp., Pushchino, Russland) für den perioperativen Einsatz bei Patien-ten zugelassen.

E Zeugen Jehovas akzeptieren Perfluorokarbone und Hämoglobinlösungen.

Entsprechende Präparate können theore-tisch aus Russland bzw. Südafrika bezo-gen werden. Ein eigener Versuch der Be-schaffung von Hemopure® für eine lebens-bedrohlich anämische Patientin scheiterte allerdings an den Regularien der deut-schen Zollbehörden.

Juristische Aspekte

Bezüglich spezieller juristischer Aspekte bei der Behandlung von Zeugen Jehovas und insbesondere der Auswirkungen der am 01.09.2009 in Kraft getretenen Novel-lierung des Gesetzes über Patientenverfü-gungen wird auf den Beitrag von Herrn Prof. Ulsenheimer in der vorliegenden Ausgabe von Der Anaesthesist verwiesen [85].

Ökonomische Aspekte

Ob und inwieweit die Behandlung von Zeugen Jehovas einen finanziellen Mehr-aufwand für eine Klinik darstellt, ist bis dato nicht systematisch untersucht. Si-cherlich erfordert die Aufklärung der Pa-tienten bisweilen einen hohen zeitlichen und personellen Aufwand – insbesondere, wenn prinzipiell unproblematische fremd-blutsparende Maßnahmen zunächst kate-gorisch abgelehnt werden. Ebenso kön-nen die „prophylaktische“ Durchführung von Maßnahmen zur Minimierung des Transfusionsrisikos – die sich im Nach-hinein nicht selten als unnötig heraus-

stellt – und die Therapie einer postopera-tiven Anämie mit hohen Medikamenten- und Sachkosten verbunden sein.

Letztlich bleibt es einer Klinik selbst überlassen, inwieweit sie sich in der elektiven Versorgung von Zeugen Jeho-vas engagiert. Allerdings wird eine „Ver-trauensklinik“ der Zeugen Jehovas den finanziellen Mehraufwand, der aus der Behandlung einzelner kostenintensiver Patienten resultiert, durch die Behand-lungen einer weitaus größeren Anzahl weniger komplexer Fälle zumindest teil-weise kompensieren können. Darüber hinaus können Erfahrungen bei der Be-handlung von Zeugen Jehovas die Trans-fusionspraxis einer Klinik dahin gehend verändern, dass Transfusionen generell restriktiver indiziert werden. Die daraus resultierende Einsparung von Konser-ven sowie die postulierte Reduktion von Morbiditäts-, Letalitätsrate und Kran-kenhausverweildauer können sich dann sogar positiv auf das Budget der Klinik auswirken.

Fazit für die Praxis

Selbst vor großen Operationen mit sta-tistisch belegtem Transfusionsbedarf wird ein gläubiger Zeuge Jehovas seine behandelnden Ärzte auf die Ablehnung von Fremdbluttransfusionen hinweisen – auch für den Fall der Entwicklung einer letalen Anämie. Bei Abschluss eines Be-handlungsvertrags muss der Wunsch des Patienten respektiert und ein Weg ge-sucht werden, ihm eine therapeutische Option bei kalkulierbarem Risiko zu er-öffnen. Hauptziel ist hierbei, den „point of no return“ einer sich entwickelnden Anämie bzw. Koagulopathie niemals zu erreichen.Präoperativ stehen die Optimierung des kardiopulmonalen Zustands des Pati-enten sowie die Diagnose und Korrektur einer Anämie oder Gerinnungsstörung im Vordergrund. Gerinnungswirksame Pharmaka sollten mit ausreichendem zeitlichen Abstand zur Operation abge-setzt werden. Entscheidend ist das Ein-holen einer detaillierten schriftlichen Einwilligung des Zeugen Jehovas in blut-verlustreduzierende und fremdblutver-meidende Verfahren. Während die klas-sische präoperative Eigenblutspende ab-

gelehnt wird, werden eine akute nor-movolämische Hämodilution (ANH) und die maschinelle Autotransfusion (MAT) bei Einhaltung bestimmter Vorausset-zungen akzeptiert. Gentechnisch herge-stellte Präparate wie Erythropoetin und Faktor VIIa werden grundsätzlich akzep-tiert, bei Humanalbuminpräparaten, Ge-rinnungsfaktorenkonzentraten (PPSB, Fi-brinogen, Faktor XIII) und AT III kann sich der Zeuge Jehovas individuell nach sei-nem Gewissen entscheiden. Bei Unsi-cherheit des Patienten ist die Einschal-tung des regionalen Krankenhaus-Ver-bindungskomitees äußerst hilfreich.Intraoperativ sollten Maßnahmen zur Mi-nimierung des Blutverlusts konsequent zum Einsatz kommen (blutungsarmes Operieren, Lagerung des Operationsge-bietes über Herzhöhe, Bevorzugung von Regionalanästhesie und TIVA, Aufrecht-erhaltung von Normothermie und phy-siologischem pH-Wert, ZVD-Manage-ment, kontrollierte Hypotension, Aus-wahl möglichst gerinnungsinerter Infu-sionslösungen, bei beginnender diffuser Blutungsneigung frühzeitige Applikation von Fibrinogenkonzentrat, PPSB, Anti-fibrinolytika, Desmopressin, Faktor XIII- und evtl. Faktor-VIIa-Konzentrat). Im Fall unvorhergesehener Blutverluste und der Entwicklung einer potenziell lebens-bedrohlichen Anämie kann die Anämie-toleranz des Patienten durch verschie-dene Maßnahmen akut gesteigert wer-den (Aufrechterhaltung von Normovolä-mie, hyperoxische Beatmung, kontinu-ierliche Applikation von Noradrenalin, adäquate Narkosetiefe, komplette Mus-kelrelaxierung). Hierdurch kann Zeit bis zur chirurgischen Kontrolle der Blutung gewonnen werden.Bei schwerer postoperativer Anämie soll-ten die oben genannten Maßnahmen auf der Intensivstation fortgesetzt wer-den. In speziellen Fällen kann die Anä-mietoleranz zusätzlich durch die Indukti-on von Hypothermie gesteigert werden. Künstliche Sauerstoffträger als Alterna-tive zur Erythrozytentransfusion stehen in der BRD nicht zur Verfügung, können aber theoretisch aus Südafrika (Hemo-pure®) und Russland (Perftoran®) bezo-gen werden.

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KorrespondenzadresseProf. Dr. O. HablerKlinik für Anästhesiologie, Operative Intensiv-medizin und Schmerztherapie,  Krankenhaus Nordwest GmbHSteinbacher Hohl 2–26,  60488 Frankfurt am [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht

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