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I316 KLINISCHE WOCHENSCttRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 28 9. JULI x9z3 sieh dle Hgiu/igkeit der positiven Be/unde WEILBAUERS daraus, dafl er sieh der Juttesohen Methode der Duodenalsonclierung bediente. Bel dieser bekommt der Patient gleichzeitig mit der Einfflhrung der Sonde in den Magen eine NatriumbicarbonatI6sung zu trinken. Hierdurch muB naturgem~B die Acidit/it des Magensaftes abge- stumpft und damit die Hauptursache der Sterilitgt des Duodenums aufgehoben werden; eine Verschiebung der labilen Grenzen der Jejunumflora nach aufw~rts w/ire dadurch wohl erkl/irlich. Wichtiger erscheinen die Angaben WEILBAUERS fiber die Zu- sammensetzung der Duodenalfiora und ihre Entstehung. In min- destens 6oO/0 der F~lle gelang ihm die Zfichtung von Pneumo- ko in 500/o von h/imolysierenden Streptokokken und in 40% von Staphylokokken. Dieser Befund erscheint, was die H/~ufigkeit des Pneumokokkus betrifft, sehr auff/illig; er widerspricht nicht nur den Beobachtungen von HOEFI~RT und GOEKE, sondern auch sonst enth~ilt die Literatur keine Angaben fiber das Vorkommen von Pneumokokken im Darme. Andererseits /indet 8ieh bei WEIL- BAVER ein regelmiifliger Bewohner des D der Strepto- eoceus /aeealis, nieht erwiihnt. Sollte hier vielleicht die L6sung des Widerspruches zu suchen sein? Der Streptocoeeus /aeealis der Engl/inder und Amerikaner oder Enterocoeeus der Franzosen hat in der deutschen Literatur nur ganz geringe Beachtung gefunden, obwohl ihn bereits EscI~~Rtct~ in seiner bekannten ~onographie flber die Darmbakterien des S~ug- lings als Mieroeoeeus ovalis beschrieben hat. Wir glauben, daB ihm zu unrecht diese geringe Beachtung geschenkt wird, und werden demn~chst an anderer StelIe darlegen, daB er, der ein normaler Bewohner des Darmes ist, in ganz ghnlicher Weise wie der Coli- bacillus pathogene Wirkungen auszufiben vermag, sobald er in andere Organe, wie die Harn- und Gallenwege, gelangt, Dieser Streptococcus faecatis ist nun morphologisch veto Pneu- mokokkus in keiner Vr zu unterscheiden; er zeigt die gleiche I™ und findet sich ~ast stets zu Diplokokken vereinigt. Auf der Blutagarplatte bildet er grtinlich-schw/irzliche Kolonien, die v611ig denen des Pneumokokkus gleichen. Dur™ zahlreiehe andere Eigenseha/ten ist er aber leleht veto Pneumokokkus zu unter- seheider~. Er ist nicht tierpathogen, er ist unl6slich in Galle, ist un- empfindlich gegen Optochin, verggrt nicht Inulin, wohl aber Mannit. In Mien diesen Eigenschaften steht er in direktem Gegen- satz zum Pneumokokkus. Wir glauben auch nicht, wie KRUSE 1) dies frit den mit ihm wohl identischen Streptococcus acidi lactici annimmt, daB er einen abgeschws Pneumokokkus darstellt; hiergegen scheint uns das positive Merkmal der Fs zur Manitverg/irung, das der Mehrzahl der Pneumokokkenst/imme Iehlt, zu sprechen. Wir halten ihn frit einen besonderen, ebenso wohl charakterisierten Typus der Streptokokken wie etwa den Strepto- coccus haemolyticus oder viridans. ~Unter diesen Umst/inden w/ire eine Aul3erung WEILBAUERS dariiber wiinschenswert, ob seine Pneumokokkenstgmme tats/ich- lich aile die obengenannten ffir sie charakteristischen EigenschMten gezeigt haben. Sollte es nicht der Fall sein, se wird man sie wohl als~Streptococcus faecalis ansprechen dfirfen, und WEILBAUERS Befunde wfirden~sich in bester Ubereinstimmung mit denen der anderen Autoren befinden. Datait wflrde auch das Hauptargument fiir seine Behauptung, dan es sich bel den im Duodenum zu findenden Bakterien nicht um eine dort autochthon entstandene, sozusagen duodenumeigene Flora, sondern um eine dauernde bakterielle Verunreinigung mit Mund- und Rachenbakterien handele, fortfallen. Denn bel seinen Streptokokkenbefunden diirfte es sich z. T. um den Streptococcus faecalis gehandelt haben und bel den Staphylokokken um aus der Au/?enwelt stammende Keime, die bel ihrer bekannten V, rider- standsf,ihigkeit gegen sch/idigende Einflfisse der Einwirkung des sauren Magensaftes entgangen waren. Wir halten daher den Nachweis, dafl dle Bakterien des Duode- nums ~rdt denen der Mund/lora identiseh seien, /i~r nieht erbraeht und k6nnen demnaeh eine prinzipielle Trennung der Duodenal- und der i~brigen Darm/lora nieht als riehtig anerkennen. Wir glauben vielmehr, daB es sich bei den normalerweise, wenn fiberhaupt, nur sp/Lrlich, bel Achytie reichlich ira Duodennm nachweisbaren ]3ak- terien um ein Aufwgrtssteigen vert Vertretern der normalen Dfinn- darmflora handelt.~ , :! Urspriinglich sind ja allerdings, wie die Pg~diater wohl tiber- einstimmend annehmen~), alle Bakterien einmal vom Mund aus in den Digestionstraktus eingewandert. Sind doch als charakteri- stische Darmbewohner bekannte-Bakterienarten wie Strepto- coccus faecalis, /3. coli, 13. perfringens n.a. beim Neugeborenen schon unmittelbar naeh der Gebart ha der Mundh6Me nachweis- bar, in die sie of{enbar w/ihrend des Geburtsvorganges aus der *) W. KRUSE, Zentralbl. f. Bakteriol.,Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I, ~4, ?37, 19o3- ~) VgL P. SITTLER: Die wichtigsten Baktefientypen der Darmflora beimS~iug[ing. HabilitationsschriIt. Wtirzburg x9o9. mfitterlichen Vagina eindringen. Sehr bald gelangen sie durch den ver der ersten Nahrungsaufnahme noch sgureIreien Magen in den Darm, wo sie die fiir ihre dauernde Ansiedlung giinstigen Lebens- bedingungen finden. Ein weiterer Nachschub von obenher diirIte nach Einsetzen und bel Erhaltenbleiben der normalen Magen- funktion nicht mehr in nennenswertem Umfange stattfinden. Viel- mehr erfolgt, teils unter dem EinfluB des saueren Magensaftes, teils durch die ™ noch nicht genauer erforschter bactericider Krs ein Zurfickweichen der Bakterien nus den oberen Dtinn- darmpartien, das nur unter pathologischen Verh/iltnissen wieder einem Aufstieg Platz macht, der, besonders beim Sgugling, mit schweren St6rungen verbunden sein kann. BEMERKUNGEN ZU DEN OBIGEN AUSFfOHRUNGEN Von A. V~EILBAU]~R und E. JACOBSTHAL. Aus dem AllgemeinenKrankenhaus St. Georg zu Hamburg. Zu doe Mitteilungen von Herrn Dr. MEYeR, die uns dankens- werte zur Einsicht zugesandt worden sind, m6chten wir folgendes bemerken. Wir haben zu Beginn unserer Untersuchungen einen aus dem Duodenum stammenden Stature, den wir fiir einen echten Pneumo- kokkus ansahen, genauer untersucht, insbesondere auf seine Re- sistenz gegen Galle und Optochin, und soweit uns erinnerlich, auch auf Tierpathogenit/it; nicht geprflft wurde die Mannitverg/irung. Wir haben daraufhin die grfinwachsenden Stgmme ohne weiteres als Pneumokokken angesehen. Es ist ans allerdings aufgefallen, daB manche davon ein auffallend zartes, viridans/~hnlichesWachstum aufwiesen. Hier Mafft also eine Lficke unserer Untersuchungen, die wir durch weitere Untersuchungen auszufiillen haben werden. Eine ganze andere Frage ist es aber, oh durch die Untersuchungen des Herrn Dr. MEYER das Problem, inwieweit die Duodenalflora eine Mundllora, inwieweit sie eine Dfinndarmflora ist, entschieden worden ist. An ob]ektiven Befunden liegt ver: i. Es finden sich ira Duodenum nicht selten h/imolysierende Staphylokokken. 2. Es finden sich ira Duodenum hgufig h/imolysierende Strepto- kokken. 3. Es finden sich ira Duodenum in ms Zahl Colibacillen. Wir m~ssen also zu der Frage Stellung nehmen, woher kommen diese Befunde? Die Staphylok•kken stammen wohl sicher, wie ja auch Herr Dr. MEYER annimmt, vert aufien, also ans dem Munde. In diesem Sinne ist also die Frage, oh im Duodenum Mundkeime vorkommen k6nnen, bereits entschieden. In Zeiten, wo leste Nah- rungsbestandteile nicht verdaut werden, und die S~uerung keine Rolle spielt, k6nnen auch unter nat{irlichen Verhs Staphylo- kokken den Magen passieren. Hdmotysierende Streptokokken kom- men hSufig in der Mundh6hle v0r, und im Dfinndarm /iuBerst selten; es wSre also ausgesprochen gezwungen, anzunehmen, dal3 sie ifir gew6hnlich vom Dfmndarm ber ascendieren. Die Colibaeillen kommen ira mittleren Dflnndarm in unendlichen Mengen ver. Warum also nicht im Duodenum? Das k6nnte zwei Grtinde haben, ngmlich erstens den, dal3 sie uur selten veto Dfinn- darm ber ascendieren, oder zweitens den, daB, wie die neueren Untersuchungen von BORCH~RDT ans dem Jacobsthalschen Labo- ratorium gelehrt haben, der Duodenalinhalt stark ,,bakteriophag" gerade gegen die Coligrupi)e wirkt. Welcher von den beiden Me- chanismen hier das Wesentlichste ist, bedarf ebenfalls noch weiterer Untersuchungen, mit denen wir beschS~:[tigt sind. Unserer iVfeinung nach wird sich die ganze Frage in dem Sinne entscheiden, daB, wie es se oft bel wissenschaftlichen lV[einungs- verschiedenheiten geht, der vermittelnde Standpunkt auch den Tatsachen ara meisten Rechnung tr~gt. Die Duodenalflo setzt sich also aus zwei wesentlichen Kom- ponenten zusammen, ngmlich erstens (WEILBAU~I~) ans den Resten der iVIundflora, charakterisiert durch Staphylokokken, h/imoly- sirende Streptokokken und Pnemnokokken und zweitens der ascendierenden D/inndarmflora (1ViEyEE), charakterisiert dureh Enterokokken und Colibakterien. PNEUMONIE UND NEUROPATHISCHE KONSTITUTION IM KINDESALTER. Bemerkungen zu dem Aufsatze von Bergmann und Kochmann in Jg. 2, Nr. 2z, S. IoII dieser Wochenschrift. Von Privatdozent Dr. JOSEPH tf. FRIEDJUNG, Wien. Die sehr interessanten ]3eobachtungen der Verff. verdienen darum besondere Beachtung, weil sie ira Krankenhause ~hnliche

Pneumonie und Neuropathische Konstitution im Kindesalter

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Page 1: Pneumonie und Neuropathische Konstitution im Kindesalter

I316 K L I N I S C H E W O C H E N S C t t R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 28 9. JULI x9z3

sieh dle Hgiu/igkeit der positiven Be/unde WEILBAUERS daraus, dafl er sieh der Juttesohen Methode der Duodenalsonclierung bediente. Bel dieser bekommt der Patient gleichzeitig mit der Einfflhrung der Sonde in den Magen eine NatriumbicarbonatI6sung zu trinken. Hierdurch muB naturgem~B die Acidit/it des Magensaftes abge- stumpft und damit die Hauptursache der Sterilitgt des Duodenums aufgehoben werden; eine Verschiebung der labilen Grenzen der Jejunumflora nach aufw~rts w/ire dadurch wohl erkl/irlich.

Wichtiger erscheinen die Angaben WEILBAUERS fiber die Zu- sammensetzung der Duodenalfiora und ihre Entstehung. In min- destens 6oO/0 der F~lle gelang ihm die Zfichtung von Pneumo- ko�98 in 500/o von h/imolysierenden Streptokokken und in 40% von Staphylokokken. Dieser Befund erscheint, was die H/~ufigkeit des Pneumokokkus betrifft, sehr auff/illig; er widerspricht nicht nur den Beobachtungen von HOEFI~RT und GOEKE, sondern auch sonst enth~ilt die Literatur keine Angaben fiber das Vorkommen von Pneumokokken im Darme. Andererseits /indet 8ieh bei WEIL- BAVER ein regelmiifliger Bewohner des D�9 der Strepto- eoceus /aeealis, nieht erwiihnt. Sollte hier vielleicht die L6sung des Widerspruches zu suchen sein?

Der Streptocoeeus /aeealis der Engl/inder und Amerikaner oder Enterocoeeus der Franzosen hat in der deutschen Literatur nur ganz geringe Beachtung gefunden, obwohl ihn bereits EscI~~Rtct~ in seiner bekannten ~onographie flber die Darmbakterien des S~ug- lings als Mieroeoeeus ovalis beschrieben hat. Wir glauben, daB ihm zu unrecht diese geringe Beachtung geschenkt wird, und werden demn~chst an anderer StelIe darlegen, daB er, der ein normaler Bewohner des Darmes ist, in ganz ghnlicher Weise wie der Coli- bacillus pathogene Wirkungen auszufiben vermag, sobald er in andere Organe, wie die Harn- und Gallenwege, gelangt,

Dieser Streptococcus faecatis ist nun morphologisch veto Pneu- mokokkus in keiner Vr zu unterscheiden; er zeigt die gleiche I™ und findet sich ~ast stets zu Diplokokken vereinigt. Auf der Blutagarplatte bildet er grtinlich-schw/irzliche Kolonien, die v611ig denen des Pneumokokkus gleichen. Dur™ zahlreiehe andere Eigenseha/ten ist er aber leleht veto Pneumokokkus zu unter- seheider~. Er ist nicht tierpathogen, er ist unl6slich in Galle, ist un- empfindlich gegen Optochin, verggrt nicht Inulin, wohl aber Mannit. In Mien diesen Eigenschaften steht er in direktem Gegen- satz zum Pneumokokkus. Wir glauben auch nicht, wie KRUSE 1) dies frit den mit ihm wohl identischen Streptococcus acidi lactici annimmt, daB er einen abgeschws Pneumokokkus darstellt; hiergegen scheint uns das positive Merkmal der Fs zur Manitverg/irung, das der Mehrzahl der Pneumokokkenst/imme Iehlt, zu sprechen. Wir halten ihn frit einen besonderen, ebenso wohl charakterisierten Typus der Streptokokken wie etwa den Strepto- coccus haemolyticus oder viridans.

~Unter diesen Umst/inden w/ire eine Aul3erung WEILBAUERS dariiber wiinschenswert, ob seine Pneumokokkenstgmme tats/ich- lich aile die obengenannten ffir sie charakteristischen EigenschMten gezeigt haben. Sollte es nicht der Fall sein, se wird man sie wohl als~Streptococcus faecalis ansprechen dfirfen, und WEILBAUERS Befunde wfirden~sich in bester Ubereinstimmung mit denen der anderen Autoren befinden.

Datait wflrde auch das Hauptargument fiir seine Behauptung, dan es sich bel den im Duodenum zu findenden Bakterien nicht um eine dort autochthon entstandene, sozusagen duodenumeigene Flora, sondern um eine dauernde bakterielle Verunreinigung mit Mund- und Rachenbakterien handele, fortfallen. Denn bel seinen Streptokokkenbefunden diirfte es sich z. T. um den Streptococcus faecalis gehandelt haben und bel den Staphylokokken um aus der Au/?enwelt s tammende Keime, die bel ihrer bekannten V, rider- standsf,ihigkeit gegen sch/idigende Einflfisse der Einwirkung des sauren Magensaftes entgangen waren.

Wir halten daher den Nachweis, dafl dle Bakterien des Duode- nums ~rdt denen der Mund/lora identiseh seien, /i~r nieht erbraeht und k6nnen demnaeh eine prinzipielle Trennung der Duodenal- und der i~brigen Darm/lora nieht als riehtig anerkennen. Wir glauben vielmehr, daB es sich bei den normalerweise, wenn fiberhaupt, nur sp/Lrlich, bel Achytie reichlich ira Duodennm nachweisbaren ]3ak- terien um ein Aufwgrtssteigen vert Vertretern der normalen Dfinn- darmflora handelt.~ , :!

Urspriinglich sind ja allerdings, wie die Pg~diater wohl tiber- einstimmend annehmen~), alle Bakterien einmal vom Mund aus in den Digestionstraktus eingewandert. Sind doch als charakteri- stische Darmbewohner bekann te -Bak te r i ena r t en wie Strepto- coccus faecalis, /3. coli, 13. perfringens n .a . beim Neugeborenen schon unmittelbar naeh der Gebart ha der Mundh6Me nachweis- bar, in die sie of{enbar w/ihrend des Geburtsvorganges aus der

*) W. KRUSE, Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I, ~4, ?37, 19o3- ~) VgL P. SITTLER: Die wichtigsten Baktefientypen der Darmflora beim S~iug[ing. HabilitationsschriIt. Wtirzburg x9o9.

mfitterlichen Vagina eindringen. Sehr bald gelangen sie durch den ver der ersten Nahrungsaufnahme noch sgureIreien Magen in den Darm, wo sie die fiir ihre dauernde Ansiedlung giinstigen Lebens- bedingungen finden. Ein weiterer Nachschub von obenher diirIte nach Einsetzen und bel Erhaltenbleiben der normalen Magen- funktion nicht mehr in nennenswertem Umfange stattfinden. Viel- mehr erfolgt, teils unter dem EinfluB des saueren Magensaftes, teils durch die ™ noch nicht genauer erforschter bactericider Krs ein Zurfickweichen der Bakterien nus den oberen Dtinn- darmpartien, das nur unter pathologischen Verh/iltnissen wieder einem Aufstieg Platz macht, der, besonders beim Sgugling, mit schweren St6rungen verbunden sein kann.

BEMERKUNGEN ZU DEN OBIGEN AUSFfOHRUNGEN Von

A. V~EILBAU]~R und E. JACOBSTHAL. Aus dem Allgemeinen Krankenhaus St. Georg zu Hamburg.

Zu dœ Mitteilungen von Herrn Dr. MEYeR, die uns dankens- werte�9 zur Einsicht zugesandt worden sind, m6chten wir folgendes bemerken.

Wir haben zu Beginn unserer Untersuchungen einen aus dem Duodenum stammenden Stature, den wir fiir einen echten Pneumo- kokkus ansahen, genauer untersucht, insbesondere auf seine Re- sistenz gegen Galle und Optochin, und soweit uns erinnerlich, auch auf Tierpathogenit/it; nicht geprflft wurde die Mannitverg/irung. Wir haben daraufhin die grfinwachsenden Stgmme ohne weiteres als Pneumokokken angesehen. Es ist ans allerdings aufgefallen, daB manche davon ein auffallend zartes, viridans/~hnlichesWachstum aufwiesen. Hier Mafft also eine Lficke unserer Untersuchungen, die wir durch weitere Untersuchungen auszufiillen haben werden.

Eine ganze andere Frage ist es aber, oh durch die Untersuchungen des Herrn Dr. MEYER das Problem, inwieweit die Duodenalflora eine Mundllora, inwieweit sie eine Dfinndarmflora ist, entschieden worden ist.

An ob]ektiven Befunden liegt ver: i. Es finden sich ira Duodenum nicht selten h/imolysierende

Staphylokokken. 2. Es finden sich ira Duodenum hgufig h/imolysierende Strepto-

kokken. 3. Es finden sich ira Duodenum in ms Zahl Colibacillen. Wir m~ssen also zu der Frage Stellung nehmen, woher kommen

diese Befunde? Die Staphylok•kken stammen wohl sicher, wie ja auch Herr Dr. MEYER annimmt, vert aufien, also ans dem Munde. In diesem Sinne ist also die Frage, oh im Duodenum Mundkeime vorkommen k6nnen, bereits entschieden. In Zeiten, wo leste Nah- rungsbestandteile nicht verdaut werden, und die S~uerung keine Rolle spielt, k6nnen auch unter nat{irlichen Verhs Staphylo- kokken den Magen passieren. Hdmotysierende Streptokokken kom- men hSufig in der Mundh6hle v0r, und im Dfinndarm /iuBerst selten; es wSre also ausgesprochen gezwungen, anzunehmen, dal3 sie ifir gew6hnlich vom Dfmndarm ber ascendieren.

Die Colibaeillen kommen ira mittleren Dflnndarm in unendlichen Mengen ver. Warum also nicht im Duodenum? Das k6nnte zwei Grtinde haben, ngmlich erstens den, dal3 sie uur selten veto Dfinn- darm ber ascendieren, oder zweitens den, daB, wie die neueren Untersuchungen von BORCH~RDT ans dem Jacobsthalschen Labo- ratorium gelehrt haben, der Duodenalinhalt stark , ,bakteriophag" gerade gegen die Coligrupi)e wirkt. Welcher von den beiden Me- chanismen hier das Wesentlichste ist, bedarf ebenfalls noch weiterer Untersuchungen, mit denen wir beschS~:[tigt sind.

Unserer iVfeinung nach wird sich die ganze Frage in dem Sinne entscheiden, daB, wie es se oft bel wissenschaftlichen lV[einungs- verschiedenheiten geht, der vermittelnde Standpunkt auch den Tatsachen ara meisten Rechnung tr~gt.

Die Duodenalflo�9 setzt sich also aus zwei wesentlichen Kom- ponenten zusammen, ngmlich erstens (WEILBAU~I~) ans den Resten der iVIundflora, charakterisiert durch Staphylokokken, h/imoly- sirende Streptokokken und Pnemnokokken und zweitens der ascendierenden D/inndarmflora (1ViEyEE), charakterisiert dureh Enterokokken und Colibakterien.

PNEUMONIE UND NEUROPATHISCHE KONSTITUTION IM KINDESALTER.

Bemerkungen zu dem Aufsatze von Bergmann und Kochmann in Jg. 2, Nr. 2z, S. IoII dieser Wochenschr i f t .

Von P r i v a t d o z e n t Dr. JOSEPH tf. FRIEDJUNG, Wien.

Die sehr interessanten ]3eobachtungen der Verff. verdienen darum besondere Beachtung, weil sie ira Krankenhause ~hnliche

Page 2: Pneumonie und Neuropathische Konstitution im Kindesalter

9. JULI 1923 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Erfahrungen machen konnten, wie ich ste seit Jahren vornehmlich in der h/iuslichen Praxis gesammelt habe. In meinen Arbeiten fiber die Pathologie des einzigen Kindes, zuletzt in einer Mitteihng /iber das Milieu als t™ (Dtsch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 23) habe ich dariiber wiederholt geschrieben. Hier heigt es z. B. : ,,Die Wehleidigkeit der einzigen Kinder bat es zur Folge, daB ste bei mannigfachen Erkrankungen schwerer leiden als andere und damit Umgebung und Arzt in Atem halten. Namentlich zeigt sich dies bel akuten, hochfieberhaften Erkrankungen, bel soIchen mit nervSsen Komponenten, wie der Pertussis, bei Ver- letzungen. Die schweren Klagen des Kindes, das aufgeregte Ge- haben der Umgebung k6nnen das Urteil des unerfahrenen Arztes leicht triiben."

Ist datait mehr das diagnostisch Bedeutsame dieses Verhaltens neuropathischer Kinder gemeint, so mache ich in meinen Kollegien tramer wieder auch auf die Beeinflussung der Prognose durch psychische Faktoren aufmerksam. Krankheits- und Genes~ngs- wille spielen nach meinen Erfahrungen ira Kindœ eine fiberaus bedeutsame Rolle. Damit soli nicht etwa der Mystik ein Platz in unserem Forschungsgebiete einger/iumt werden. Es handelt sich bloB um die Feststellung bisher meist ~bersehener Tatsachen, und es gilt nun, uns ste naturwissenschaftlich verst/indlich zu machen. Ob hier das autonome Nervensystem, ob die Korrelation innerer

R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 28 1317

Sekretionen oder etwas Drittes die Briicke vom (nach unserem Sprach- gebrauch) Psychischen zum Physischen bildet, muB Gegenstand der Ermittlung werden. Es ist erfreulich, daB diese Probleme nun auch in unseren Kreisen Beachtung zu finden beginnen. Das ist das beste Mittel, Kurpfuschern und Mlerlei wunderlichen ,,Geistes- bewegungen" unserer Tage, die sich auch in unsere Wissenschaft eindr/ingen, das Handwerk zu legen.

Nachtrag zu der Arbeit: ,,ZUR DUODENALSONDIERUNGt)"

V o n

H E R B E R T ]~�99

Herr Dr. CARL FUNCK aus K6h] macht darauf aufmerksam, daB er bereits vor JUTT]~ in der Dtsch. med. Wochenschr. Nr. 27 unter der Bezeichnung ,,Permanente Drainage" die von Ju�9 ,,Transduodenalspfitung" genannte Methode angegeben habe. Die Durchsicht der Originalarbeiten ergibt tats~chlich die Prioritiit FUNCKS, der seine Ansprflche auch schon wiederholt verfochten h a t (Arch. f. Verdaum~gskrankh., Heft 8, 1914, und Therap. Halb- monatshefte Heft 22. 1921 ).

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N . EINE METHODE ZUR BESTIMMUNG DER GALLENSAUREN

IM DUODENALSAFT (GALLE). V o n

E R N S T C H R I S T O P H M E Y E R .

Es fehl te bisher noch immer an einer e inwandfreien Me- thode der B e s t i m m u n g der Gallens/iuren. Ich u n t e r n a h m es daller, eine solche Methode auszuarbei ten. N a c h d e m einige Versuche, die Gallens/~uren durch F/i l lung bzw. Adsorpt ion zu isolieren und dann zu bes t immen, fehlgeschlagen waren, benu tz te i ch die auBerordent l ich groBe oberf l / ichenakt ive Kra f t der Gallens/iuren zu ihrer Bes t immung. Bekannt l i ch

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Kurve I .

se tz t eine cap i l la rak t ive Subs tanz zun/ichst mi t zu- nehmender t™ die Oberf l / ichenspannung der L6sung sehr s tark herab, bei wei terer ErhS- hung der Konzen t ra t ion / indert sich a lsdann die Oberfl/~chenspannnng nur wenig. Wil l man also die Ober fl/~chenaktivit/it einer Subs tanz dazu benutzen, ste zu bes t immen, so roui3 man die Bes t immung bei einer solchen Konzen t ra t ion vornehmen, bel der sich die Oberf t / ichenspannung der LSsung bei geringer

Konzentrat ions:Lnderung deut l ich genug/~ndert . Wie die Versuche, welche in meiner ausfi ihrl ichen 1) Ar- bei t mi tge te i l t werden, tehren weis t der normaler - weise gewonnene unver - dfinnte Duodena lsa f t eine

Oberf lgchenspannung auf, die wegen ihrer Kons tanz bei Konzent ra t ions / inderung fiir eine Bes t immung n ich t zu ge- brauchen ist, auBerdem erweist ste sich nicht nur von gallen- sauren Salzen, sondern auch von anderen oberf l / ichenakt iven Subs tanzen des Duodenalsaf tes von Salz- und Schle imgehal t abh/ingig. Auch h ie r i ibe r gebe ieh Belege in meiner ausffihr- l ichen Arbei t . Hie r nur ku rz die Ergebnisse und die Ans- ff ihrung der Methode. Es stel l te sich h e r a u s , daB nach hin- re ichender Verdf innung des D u o d e n a l s a f t e s - u n d ~ bei •

t) Erscheint demngtchst in der Biochemischen Zeitschrift.

Wassers toff ionenkonzentra t ion, bel welcher Kongopapier ge- rade deut l ich blau gef/ irbt wird, die Oberf l / ichenspannung des so verdf innten und dann anges/ iuerten Duodenalsaf tes unabh/ingig ist von den iibrigen capi l la rak t iven und den die Capi l la rakt iv i t~ t beeinflussenden Substanzen des Duodena l - saftes. Es ist also, u m die Gallens/inren zu bes t immen, nur notwendig, den Duodenalsaf t zu verdf innen und anzus/iuern, bis I™ blau ~drd. Die Verdi innung mul3 soweit geschehen, daB der kongosaure Duodena l sa f t im Traubeschen S ta lagmomete r Io 4 bis h6chstens 135 Normal t ropfen gibt. Alsdann liest man in der beigegebenen t™ den zur Tropfen- zahl geh6rigen Prozen tgeha l t an Na t r iumglycocho la t ab und mul t ip l iz ier t diese Zahl mi t d e m Verdf innungsgrad u m den Prozentgeha l t im urspri inglich ve rwende ten Duodena lsa f t bzw. Galle zu erhalten. Uber die Technik der Duodena l - sondierung und des Gebrauchs des S ta lagmomete r s verweise ieh auf die einschl/igigen Lehrbi icher (Abderhaldens Biochem. Arbe i t smethoden Bd. V, S. 1358; u. Bd. VI, S. 458), auf die bisher angegebenen Methoden der Gallens/~urebestimmung bzw. Sch/~tzung (BETHE, LEPEmqE) gehe ich in meiner aus- ffihrlichen Arbe i t n~.her ein. (Aus der Medizinisehen Uni- versitiitslclinik Grei]swald [Direktor: Pr@ Dr. H. Straub].)

UNTERSUCHUNGEN 0BER DIE INIRAMOLEKULARE ATMUNG VON MIKROORGANISMEN~).

V o n

R. BIELING.

Die Unte r suchungen setzen sich zum Ziel, Aufschliisse liber die Ausni i tzung jener Sauers toIfquel len zu verschaffen, welche die Bakte r ien sich dadurch erschlieBen, daB ste sauer- s toffhal t ige chemische Verb indungen ihres N/~hrbodens redu- zieren. Dies wird dadurch erreicht , dag analog der Meta- d in i t robenzo lmethode von LIPSCHI~Z die St/irke der Reduk- t ion eines zu den Bak te r i en zugese tz ten Ni t roan th rach inons b e s t i m m t wird. Die lebenden Mikroorganismen bi lden aus diesem in den notwendigen Mengen prakt isch farblosen und nicht f / i rbenden K6rper durch ihre Lebenst/~tigkeit einen t ie I ro ten echten Wollfarbstoff , ein Amidoan th rach inon . Die color imetr ische Bes t immung dieses K6rpers gibt dann ein MaB der in einer gewissen Zei t reduz ie r ten Substanz und da ta i t auch ein IV[aB der Sauerstoff- , bzw. Wassers tof �8 also der Stgrke der in t ramoleku la ren A t m u n g .der betreffen- den Mikroorganismena).

1) Klin. Wochenschr. Jg. 2. Nr. 15, S. 692. 1923. ~) Ausfiihrliche Mitteilung der Versuche erfolgt in der Zeitschr. f. Hyg. u, Infektions- krankh. a} B ie l i ng , Zentralbl. f. Bakteriol. ™ I, 49. I923.