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E. Sternfeld: Hoffen auf die grüne Politik M. Schädler: Der steinige Weg zur „harmonischen Gesellschaft” C. Shi: Mit Erneuerbaren den Energiehunger stillen Juni 08_26. Jahrgang_14,90 Euro_23,80 sFr._ISSN 0933-5722_ISBN 978-3-86581-114-1_B 8400 F politische ökologie 110 4 194201 914900 80110 politische ökologie 110 China Wirtschaftsmacht vor dem ökologischen Kollaps?

politische ökologie 110 - die-gdi.de · Energie und Klimawandel Von Chuan Shi 35 Raubbau an lebenswichtigen Ressourcen Wasser und Boden Von Yeong Heui Lee 39 Grüner Anstrich oder

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E. Sternfeld: Hoffen auf die grüne Politik M. Schädler: Der steinige Weg zur „harmonischen Gesellschaft”

C. Shi: Mit Erneuerbaren den Energiehunger stillen

Renate Künast:(Bündnis 90/Die Grünen)

»Dieser Atlas ist einzigartig. Er zeigt die globalen Wirkungen unseres Handelns, und er zeigt, wie wir anders leben, produzieren und transportieren können. Wer aktiv sein will, findet hier seine Pflichtlektüre. Gleich morgen früh.«

10€ (D)

ISBN 978-3-937683-16-4, Broschiert, 96 Seiten, über 100 Karten und Schaubilder.

Bestellen: www.monde-diplomatique.de • Oder in Ihrer Buchhandlung.

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politische ökologie 110

ChinaWirtschaftsmacht vor dem ökologischen Kollaps?

Titel_poe 110_16_5_yinygoldgruen_RZ:Titel_poe100_6mm 19.05.2008 22:49 Uhr Seite 2

4

Inhalt

Reich der Mitte

6 Einstiege

12 Aufschwung mit Folgen

China in der Modernisierungsfalle

Von Björn Alpermann

ChinaWirtschaftsmacht vor dem ökologischen Kollaps?

Krise

28 Lilien neben der Autobahn

Ein Reisebericht

Von Wolfgang Haber

31 Höchste Zeit für die Trendwende

Energie und Klimawandel

Von Chuan Shi

35 Raubbau an lebenswichtigen

Ressourcen

Wasser und Boden

Von Yeong Heui Lee

39 Grüner Anstrich oder nachhaltiger Kern?

Stadtentwicklung

Von Jürgen Paulussen

Umbruch

16 Der steinige Weg zur

„harmonischen Gesellschaft“

Sozialer Wandel

Von Monika Schädler

20 Fehler im System

Politik

Von Helwig Schmidt-Glintzer

23 Vom Entwicklungsland

zum Global Player

Wirtschaft

Von Doris Fischer

politische ökologie 110 *China

4_5_Inhalt_19_5:Inhalt 19.05.2008 23:36 Uhr Seite 4

5

Inhalt

Hoffnungsschimmer

44 Vom Papiertiger zum Ökosieger

Umweltpolitik und Umweltrecht

Von Eva Sternfeld

48 „Viele Chinesen glauben, dass sich

nur Menschen mit Zeit und Geld um die

Umwelt kümmern können.“

Umweltbewegung

Ein Interview mit Wang Yongchen

50 Blauer Himmel über Peking?

Olympische Spiele 2008

Von Andreas Oberheitmann

53 Auch China heizt im Treibhaus

Internationale Klimapolitik

Von Dirk Rommeney und Jie Yu

Impulse

56 Projekte und Konzepte

Wie Unternehmen und NGOs kooperieren

Studie: CSR in China

China will die Ökosteuer

Umweltpolitik

60 Medien

Spektrum Nachhaltigkeit

64 Bequemlichkeit trotz Hitzestress

Lebensstile und Klimawandel

Von Felix Ekardt

66 Der Ökolandbau kappt seine Wurzeln

Land-Wirtschaft

Von Michael Machatschek

68 Über eine nützliche Leerformel

Nachhaltigkeit

Von Ulrich Eisel und Stefan Körner

Rubriken

3 Editorial

72 Reaktionen

73 Vorschau/Impressum

politische ökologie 110 *China

Für die finanzielle Unterstützung danken wir:

4_5_Inhalt_19_5:Inhalt 19.05.2008 23:36 Uhr Seite 5

23politische ökologie 110 *China

Umbruch

Von Doris Fischer

Seit seinem Beitritt zur Welt-

han delsorganisation bestimmt

China den globalen Markt ent-

scheidend mit. Der Handel flo -

riert und chinesische Unter-

nehmen investieren weltweit.

Doch der rasante Aufholpro-

zess stellt das Land und die

Welt vor große Herausforde-

rungen.

Im Dezember 1978 beschlossdas XI. Zentralkomitee der Kommunisti-schen Partei China die sogenannte Re-form- und Öffnungspolitik. Das planwirt-schaftliche System sollte reformiert unddadurch die Mängelwirtschaft beendetund die Bevölkerung besser versorgt wer-den. Weder die chinesische Bevölkerungnoch der Rest der Welt gingen zu diesemZeitpunkt davon aus, dass nur 30 Jahrenach diesem Beschluss die Welt auf ein

ganz anderes China blicken würde. Gabes Ende der 1970er-Jahre nur die nötigs -ten Güter des täglichen Bedarfs – zumTeil nur rationiert –, verschifft China heu-te Waren in alle Welt. Mussten vor 30Jahren internationale Telefongesprächenoch Stunden im Voraus angemeldetwerden, wählen die Menschen in ChinasStädten heute zwischen Mobil-, Festnetz-und Internetverbindungen.

Skeptisch beäugte Aufholjagd Mit Erstaunen hat die Welt in den letztenJahren feststellen müssen, dass China beiallen wichtigen weltpolitischen Fragenund an vielen Orten auftaucht und mitins Kalkül gezogen werden muss oder will.Dies fällt zum Teil schwer. Denn unge-achtet der wirtschaftlichen Entwicklungist die chinesische Sprache nicht einfachergeworden und viele substanzielle Infor-

mationen über China und seine Bevölke-rung sind vor allem auf Chinesisch erhält -lich. Auch das politische System und diepolitischen Entscheidungsfindungen er-scheinen häufig wenig transparent, wasleicht Spekulationen und Gerüchte überMotive und Strategien Vorschub leistet. In China wiederum erkennt man mit einergewissen Überraschung, dass die rasche,nachholende Entwicklung des Landesweltweit nicht nur Begeisterung auslöst,sondern auch Ängste und Abwehrreak-tionen (vgl. S. 16 ff.). Chinas neue Rolle in der Welt stellt diechinesische Regierung vor Aufgaben undHerausforderungen, für die sie nur be-dingt gewappnet ist, zumal auch großeProbleme im Inland, wie soziale Un-gleichgewichte, Einkommensunterschiedeund Umweltprobleme zu bewältigen sind.Die internationale Staatengemeinschaft

Vom Entwicklungsland zum Global Player

Wirtschaft

_ Markttag in Shaping, in der Provinz Yunnan. Der regionale Handel fällt nicht ins Gewicht,

den großen Reibach macht das Land mit der Produktion für den Westen.

A_23_26_Fischer_19_5:•muster ab13 19.05.2008 23:57 Uhr Seite 23

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Umbruch

politische ökologie 110 *China

erwartet von China, dass es sich seinerweltwirtschaftlichen und -politischen Ver-antwortung stellt, indem es zum Beispielkonstruktiv in internationalen Steue-rungsprozessen (Global Governance) mit-arbeitet und sich an etablierte Spielregelnder internationalen Beziehungen und derWeltmärkte hält. Dem Gebaren Chinaskommt große Bedeutung zu, weil dasLand aufgrund seiner großen Bevölkerung– wenn auch bei einem pro Kopf nochniedrigen Bruttoinlandsprodukt – heuteschon Angebot und Nachfrage auf denWeltmärkten beeinflusst, zum Klimawan-del beiträgt und der Menschheit die Gren-zen einer auf fossilen Brennstoffen basie-renden Entwicklung vor Augen führt (vgl.S. 31 ff.). Diese Aspekte sollten berück-sichtigt werden, wenn im Folgenden auf-gezeigt wird, wie China heute in der Welt-wirtschaft mitspielt.

WTO-Beitritt schafft VertrauenDie Öffnungspolitik, welche die Reformendes chinesischen Wirtschaftssystems seit1978 begleitet hat, zielte darauf ab,durch ausländische Investitionen Kapitalund Know-how nach China zu bringen,um so einen wirtschaftlichen Aufholpro-zess einzuleiten. Mit dem Erfolg der erstenReformen und der Öffnung wuchs dasVertrauen in den gewählten Weg. Ab Mit-te der 1980er-Jahre wurden die Reformen

im Inland ausgedehnt und die Öffnungfür ausländische Investoren vorangetrie-ben. Auch die Idee der Exportorientie-rung gewann an Gewicht. Der Beschlussim Jahr 1992, das Wirtschaftssystem ineine sozialistische Marktwirtschaft zuüberführen, stärkte das Vertrauen desAuslands und das Interesse, in China zuinvestieren, stieg schlagartig an. Sowohlder Außenhandel als auch die ausländi-schen Direktinvestitionen (ADI) verzeich-neten in den Folgejahren hohe Wachs-tumszahlen. Das große Angebot an Ar-beitskräften in China wurde zunehmendals Wettbewerbs- und Standortfaktor ge-nutzt, indem chinesische Betriebe undUnternehmen mit ausländischem Kapitalarbeitsintensive Produktionen oder Pro-duktionsschritte für Exportprodukte über-nahmen. Erst die asiatische Finanzkrise 1997-1998dämpfte die Investitionstätigkeit des Aus-lands in China. Das Vertrauen in die chi-nesische Wirtschaftsordnung ließ nach,zugleich litt die Binnenwirtschaft unter einem Reformstau. Die chinesische Re-gierung bemühte sich daher stärker umeinen Beitritt Chinas zur Welthandelsor-ganisation (WTO). Nach intensiven Ver-handlungen, die sich vor allem um Zuge-ständnisse für die Öffnung des chinesi-schen Agrar- und Dienstleistungssektorsdrehten, aber auch um den besseren

Schutz geistiger Eigentumsrechte, wurdedie Volksrepublik im Dezember 2001 indie WTO aufgenommen. Schon die Aus-sicht auf den Beitritt löste bei ausländi-schen Investoren einen Vertrauensschubaus. Da der Beitritt den Zugang zu denMärkten der WTO-Mitglieder erleichterte,profitierte auch der chinesische Außen-handel. Die rasante Ausdehnung der Pro-duktion und des chinesischen Außen-handels hat aber auch die Kehrseite derIndustrialisierung deutlicher hervortretenlassen. Die beschleunigte Umwandlungvon Agrar- in Industrie- und Siedlungs-flächen, die schwache Durchsetzung vonUmwelt- und Arbeitsschutzbestimmun-gen oder die ausbeuterische Beschäfti-gung von Wanderarbeiter(inne)n sind dieherausragenden Probleme Chinas imneuen Jahrhundert. Hieraus resultierenimmer häufiger Proteste der Bevölkerung,aber auch die Einsicht der chinesischenRegierung in die Grenzen eines extensi-ven Wachstumsprozesses.

China investiert ins Ausland Die chinesische Außenwirtschaftspolitikänderte sich bereits im Zuge der Bei-trittsvorbereitungen zur WTO in einemwichtigen Punkt, der im Ausland zu -nächst kaum wahrgenommen wurde: DieRegierung ermutigte nun chinesische Un-ternehmen, im Ausland zu investieren

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25politische ökologie 110 *China

Umbruch

und lockerte die Auflagen. ChinesischeUnternehmen gaben in den FolgejahrenAngebote für die Übernahme von und Beteiligung an einigen bekannten Mar-kenunternehmen im Ausland ab und be -mühten sich intensiv um Beteiligungenund Investitionen im Energie- und Roh-stoffsektor. Seit dem WTO-Beitritt strebt die chinesi-sche Regierung auch den Abschluss bila-teraler Handelsabkommen mit ausge-wählten Ländern und Regionen an. So un-terzeichnete sie bereits im Jahr 2002 mitder Vereinigung Südostasiatischer Staa-ten (ASEAN) ein Abkommen zur Errich-tung einer Freihandelszone. Das im Früh-jahr 2008 abgeschlossene bilaterale Han-delsabkommen mit Neuseeland zieltebenfalls auf die Errichtung einer Frei-handelszone ab. Investitionen und Pro-duktionsverlagerungen ins Ausland kön-nen aus chinesischer Sicht zugleich eineStrategie in Anbetracht steigender Löhneund strikterer Umweltauflagen sein.Umstritten ist in China die zukünftigeAusrichtung der Außenwirtschaftspolitik.Einerseits liegt der Vorteil der arbeitsin-tensiven weiterverarbeitenden Produktionauf der Hand, wenn man die Größe derBevölkerung und die heutige Altersstruk-tur in China betrachtet. Insbesondere fürArbeitskräfte, die in der Landwirtschaftnicht mehr benötigt werden, müssen Ar-beitsplätze in den Städten geschaffenwerden. Außerdem ist es aus chinesischerSicht nicht unbedingt erstrebenswert, die„Fabrik der Welt“ zu sein, sofern damit in-ternational das Image arbeitsintensiverProdukte mit geringen technologischenoder Know-how-Anforderungen und man-gelhafter Qualität verbunden ist. Vielechinesische Politiker(innen) und Wissen-schaftler(innen) plädieren dafür, auf Wis-senschaft, Forschung und Innovation zusetzen, um so den Anteil lokalen Know-hows an in China produzierten Gütern zuerhöhen und die Abhängigkeit von aus-ländischen Patenten, Lizenzen und im-portierter Technologie zu verringern. China erwägt derzeit, den Export von ener gie- und rohstoffintensiven Produktenzu reduzieren und den Import solcher Pro-

dukte auszudehnen (vgl. S. 53 ff.). Der -artige Überlegungen zielen darauf, dieEnergie- und Umweltbilanz des Außen-handels zu verändern. Reagiert wird damit zum einen auf Vorwürfe aus demAusland, China würde Umweltdumpingbetreiben. Zum anderen sollen so die Energiesicherheit und die Verhandlungs-position Chinas in der Klimadebatte ver-bessert werden. Kritiker der Strategie, denAußenhandel umwelt- und energiepoli-tisch zu steuern, weisen darauf hin, dassdies lediglich zu einer Verlagerung vonumweltschädlichen und energieintensivenProduktionsweisen ins Ausland führt, abernicht zu einer Lösung von globalen Um-welt- oder Energieproblemen.

Neue Handelspartner Seit Beginn der Öffnungspolitik hat sichChinas Rolle in der Weltwirtschaft ge-messen am Handel und an den Investiti-onsflüssen dramatisch verändert, wobeidie Dynamik seit dem WTO-BeitrittChinas noch einmal deutlich zugenom-men hat. Zu den Besonderheiten deraußenwirtschaftlichen Entwicklung gehö -ren der zwischen 2000 und 2007 dra-matisch gestiegene Außenhandelsüber-schuss, die große Bedeutung der Unter-nehmen mit ausländischem Kapital für

den Außenhandel und der rasante An-stieg der Devisenreserven (vgl. Abb. 1).Da sowohl der Anstieg des Außenhan-delsüberschusses als auch der Devisenre-serven mit der festen Bindung der chine-sischen Währung Renminbi, kurz RMB,an den Dollar zusammenhängt, hat dieRegierung Mitte 2005 den Wechselkursleicht flexibilisiert und seither eine all-mähliche Aufwertung des RMB akzep-tiert. Während in der Vergangenheit vorallem die USA mit Nachdruck den Export -überschuss Chinas gegenüber den USAabbauen wollten, steigt gegenwärtig inChina das Interesse an einer geringerenAbhängigkeit von amerikanischen Im-porten. Es wird befürchtet, dass eine sichabzeichnende Rezession in den USA diechinesische Wirtschaft empfindlich tref-fen könnte. Tatsächlich zeigen Daten fürdie Jahre 2007 und 2008 bereits einenRückgang der ADI aus den USA und Eu-ropa sowie einen langsameren Anstiegdes bilateralen Handelsüberschusses mitden USA. Währenddessen haben die Wirtschafts-beziehungen Chinas zu Afrika und La -teinamerika an Bedeutung gewonnen.Der Anteil Afrikas am chinesischenAußenhandel stieg zwischen 2000 und2007 von 2,2 auf 3,4 Prozent an, der An-

_ Quellen: National Bureau of Statistics: China Statistical Yearbook. Peking. Verschiedene Jahrgänge.

www.stats.gov.cn, www.mofcom.gov.cn, 1 Yuan ist eine der drei chinesischen Währungseinheiten, 2 Renminbi ist die Währung der Volksrepublik China.

1 Eckdaten der Außenwirtschaft 1990-2007

1990 1995 2000 2005 2007

Bruttosozialprodukt (BSP) in Milliarden Yuan1 1.867 6.079 9.921 18.387 24.66280

BSP pro Kopf in Yuan 1.644 5.046 7.858 14.040 18.66960

Handelsvolumen in Milliarden US-Dollar 115 281 474 1.422 2.174

Exporte in Milliarden US-Dollar 62 149 249 762 1.218

Importe in Milliarden US-Dollar 53 132 225 660 956

Ausländische Direktinvestitionen (ADI) in Milliarden US-Dollar 3 38 41 60 75

Anteil ADI am Handelsvolumen in Prozent – 39 50 58 58

Wechselkurs (1 Renminbi2: 1 US-Dollar) 4,78 8,35 8,27 8,19 7,31

Devisenreserven in Milliarden US-Dollar 11 74 166 819 1.530

Chinesische Investitionen im Ausland – – – 12 19

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teil Lateinamerikas von 2,7 auf 4,7 Pro-zent. Im gleichen Zeitraum stieg der An-teil der beiden Kontinente in der chinesi-schen Wirtschaftskooperation mit demAusland von 21,82 auf 31,09 Prozent(Afrika) und von 0,86 auf 6,57 Prozent(Lateinamerika). (1)

Problematischer Energiehunger In der internationalen Debatte umChinas wirtschaftlichen Aufholprozessund seine Auswirkungen auf die Welt-wirtschaft wird das Augenmerk häufigrecht einseitig auf die Handelsbilan z -überschüsse gegenüber den USA und Europa gelegt. Ferner wird eine geopoli -tische Einflussnahme der chinesischenRegierung auf die Handels- und Investi -tionstätigkeiten chinesischer Unterneh-men im Ausland vermutet, die darauf ab-ziele, China den Zugang zu Energie- undan deren Rohstoffressourcen zu sichern. Obwohl weder die Handelsbilanzüber-schüsse noch die Bemühungen der chi-nesischen Regierung um Energieversor-gungssicherheit zu leugnen sind, erfor-dert und erlaubt dies keine Vorwürfegegen China: Die Handelsbilanzüber-schüsse entstammen zum größten Teil ei-ner Verlagerung und Vernetzung von Pro-duktionsprozessen innerhalb Asiens. Pro-dukte, die früher ausschließlich Japan,Korea oder Taiwan herstellten, entstehenheute in China. Oder sie werden in über-regionalen Produktionsnetzwerken her-gestellt, wobei die Montage dann häufigin China erfolgt. Die Abhängigkeit Euro-pas oder der USA von Asien hat sich imZuge dieser Entwicklung aber nicht we-sentlich verändert. Da die chinesischenIm- und Exporte außerdem zu deutlichmehr als 50 Prozent auf Unternehmenmit ausländischem Kapital, also auchwestliche Unternehmen zurückgehen, istes äußerst fraglich, ob durch einen er-zwungenen Abbau der Handelsbilanz -überschüsse ein Vorteil für Europa unddie USA entstünde. Dass die chinesische Regierung darumbemüht ist, über Investitionen im Aus-land China mit Energie zu versorgen, istauch nicht ungewöhnlich. Im Detail rich-

ten sich die Vorwürfe meist gegen die Zusammenarbeit der chinesischen Regie-rung mit Ländern, deren Regierungenund politische Systeme im Auslandgeächtet sind, etwa wegen des Genozidsim Sudan. Doch spiegelt dies aus Sichtder chinesischen Regierung lediglich dieSchwierigkeiten wider, denen sich ein auf-holendes Land gegenübersieht, das sichZugang zu Ressourcen verschaffen muss.Problematisch ist Chinas Energiehunger,weil er die Grenzen eines Entwicklungs-und Industrialisierungspfades aufzeigt,der auf fossile Brennstoffe setzt. Insofernist Chinas nachholende Entwicklung eineHerausforderung für die Welt, die nichtmit Vorwürfen an China oder mit Versu-chen, die chinesische Entwicklung einzu-dämmen, erfolgreich zu bewältigen ist.Sonst gewinnen Ausweichstrategien Auf-trieb wie die Strategie, den Außenhandelso zu steuern, dass weniger sehr ener-gieintensive Produkte exportiert und be-sonders klimaschädliche Produkte imAusland produziert und dann importiertwerden. Kurzfristig können solche Strate-gien eventuell die Energie- und CO2-Bi-lanz eines Landes verbessern, nicht aberden globalen Klimawandel stoppen.

Zur Autorin

Doris Fischer, geb. 1965, studierte Betriebswirt-

schaftslehre und Sinologie. Von 1996 bis 2007

arbeitete sie an der Universität Duisburg als As-

sistentin im Fachgebiet Wirtschaft und China.

2007 war sie als Gastprofessorin an der Seikei-

Universität Tokio tätig. Derzeit ist sie Senior-

Expertin am Deutschen Institut für Entwick-

lungspolitik in Bonn.

Kontakt

Dr. Doris Fischer

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Tulpenfeld 6

D-53113 Bonn

Fon ++49/(0)228/949 27 -236, Fax -130

E-Mail [email protected]

Anmerkung(1) Die statistische Kategorie „Wirtschaftskoopera-tion mit dem Ausland“ listet Bauprojekte von chi-nesischen Unternehmen im Ausland ebenso wie Entwicklungshilfeprojekte.

politische ökologie 110 *China

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