1
Prävention vaskulärer Krankheiten „Polypille“ verbessert Adhärenz, Lipid- und Blutdruckwerte Fragestellung: Die UMPIRE-Studie untersuchte, inwieweit die „Polypille“ bei Patienten mit vaskulären Risikofaktoren die Ad- härenz an die medikamentöse erapie verbessern kann. Hintergrund: Viele Menschen im mittleren Lebensalter und Äl- tere weisen Risikofaktoren für vaskuläre Erkrankungen wie Blut- hochdruck, Hyperlipidämie oder Diabetes mellitus auf. Mittler- weile gilt dies auch für Menschen in Ländern der Dritten Welt. Das Auſtreten „gebündelter“ Risikofaktoren erfordert sehr häufig eine polypragmatische erapie mit mehreren Antihypertensiva, Statinen und Antidiabetika sowie rombozytenfunktionshem- mern. Es gibt viele Studien die belegen, dass eine Polytherapie mit einer geringeren Adhärenz als eine Monotherapie einhergeht. In vielen Ländern kommt hinzu, dass Patienten ihre Medikamente entweder vollständig selbst zahlen müssen oder für jedes einzel- ne Medikament Zuzahlungen erforderlich sind. Vor diesem Hin- tergrund erscheint eine Polypille, die mehrere Substanzen zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall enthält, attraktiv. Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine randomi- sierte offene Studie, die in Indien, England, Irland und den Nie- derlanden durchgeführt wurde. Die Erhebung der Endpunkte erfolgte verblindet. Einge- schlossen wurden Menschen im Alter über 80 Jahren mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, definiert entweder durch eine bestehende ko- ronare Herzerkrankung (KHK), einen ischämischen Insult oder eine arterielle Verschlusskrankheit. Aufge- nommen wurden auch Patienten mit einem Fünf-Jahres-Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis von 15% oder höher. Die Stu- dienteilnehmer erhielten entweder eine „Polypille“ mit 75 mg Aspirin, 40 mg Simvastatin, 10 mg Lisinopril und 50 mg Ateno- lol oder 50 mg Acetylsalicylsäure (ASS), 40 mg Simvastatin, 10 mg Lisinopril und 12,5 mg Hydrochlorothiazid oder die üb- liche Behandlung durch den Hausarzt. Studienendpunkte wa- ren die Adhärenz bezüglich der Medikation sowie Veränderun- gen von systolischem Blutdruck und LDL-Cholesterin im Ver- gleich zum Studienbeginn. In die Studie wurden 2.004 Patien- ten aufgenommen, die ein Jahr lang behandelt wurden. Der primäre Endpunkt wurde nach zwölf Monaten erfasst, die Pa- tienten aber über 24 Monate nachbeobachtet. Ergebnisse: Die Patienten waren im Mittel 62 Jahre alt. 76 % hat- ten eine KHK, 15% einen Schlaganfall, 5% eine periphere arte- rielle Verschlusskrankheit und 28% einen Diabetes mellitus. Der mittlere systolische Blutdruck lag zu Beginn der Studie bei 137/78 mmHg, das LDL-Cholesterin bei 91,5 mg/dl. Die Adhärenz nach zwölf Monaten betrug mit der Polypille 86 % versus 65 % mit der Standardtherapie (relatives Risiko 1,33). Der systolische Blut- druck nahm unter der Standardtherapie um 2,6 mmHg ab, un- ter der „Polypille“ um 4 mmHg. Das LDL-Cholesterin wurde durch die Standardtherapie um 4,2 mg/dl reduziert, durch die „Polypille“ um 6,5 mg/dl. Bezüglich vaskulärer Ereignisse erga- ben sich in diesem Zeitraum keine Unterschiede. Schlussfolgerungen: Die Autoren folgern, dass der Einsatz einer „Polypille“ bei Patienten mit kardiovaskulären Erkran- kungen oder multiplen Risikofaktoren die Adhärenz verbessert und zu einer ausgeprägteren Reduktion vom systolischen Blut- druck und LDL-Cholesterin führt. Thom S, Poulter N, Field J et al; UMPIRE Collaborative Group. Effects of a fixed-dose combina- tion strategy on adherence and risk factors in patients with or at high risk of CVD: the UMPIRE randomized clinical trial. JAMA 2013; 310: 918 – 29 -Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen Vielversprechende Strategie Diese Studie aus Indien und ausgewählten europäischen Län- dern zeigt, dass der Einsatz einer „Polypille“, welche mit einem Thrombozytenfunktionshemmer, einem Statin und Antihyper- tensiva die wichtigsten Medikamente zur kardiovaskulären Prävention zusammen in einer Tablette enthält, zu einer hö- heren Therapieadhärenz führt, als die Verordnung bezie- hungsweise die Einnahme der Einzelmedikamente. Die Surro- gatparameter für den Erfolg dieser Strategie waren die ausgeprägtere Senkung des systolischen Blutdrucks und des LDL-Cholesterins. Allerdings war die Studie zu kurz und wies eine zu geringe Patientenzahl auf, um beurteilen zu können, ob diese Strategie auch vaskuläre Endpunkte wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder vaskulären Tod reduziert. Anzeige journal club 13 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2013; 15 (12)

„Polypille“ verbessert Adhärenz, Lipid- und Blutdruckwerte

Embed Size (px)

Citation preview

Prävention vaskulärer Krankheiten

„Polypille“ verbessert Adhärenz, Lipid- und BlutdruckwerteFragestellung: Die UMPIRE-Studie untersuchte, inwieweit die „Polypille“ bei Patienten mit vaskulären Risikofaktoren die Ad-härenz an die medikamentöse �erapie verbessern kann.

Hintergrund: Viele Menschen im mittleren Lebensalter und Äl-tere weisen Risikofaktoren für vaskuläre Erkrankungen wie Blut-hochdruck, Hyperlipidämie oder Diabetes mellitus auf. Mittler-weile gilt dies auch für Menschen in Ländern der Dritten Welt. Das Au�reten „gebündelter“ Risikofaktoren erfordert sehr häu�g eine polypragmatische �erapie mit mehreren Antihypertensiva, Statinen und Antidiabetika sowie �rombozytenfunktionshem-mern. Es gibt viele Studien die belegen, dass eine Polytherapie mit einer geringeren Adhärenz als eine Monotherapie einhergeht. In vielen Ländern kommt hinzu, dass Patienten ihre Medikamente entweder vollständig selbst zahlen müssen oder für jedes einzel-ne Medikament Zuzahlungen erforderlich sind. Vor diesem Hin-tergrund erscheint eine Polypille, die mehrere Substanzen zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall enthält, attraktiv.

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine randomi-sierte o�ene Studie, die in Indien, England, Irland und den Nie-derlanden durchgeführt wurde. Die Erhebung der Endpunkte

erfolgte verblindet. Einge-schlossen wurden Menschen im Alter über 80 Jahren mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, de�niert entweder durch eine bestehende ko- ronare Herzerkrankung (KHK), einen ischämischen Insult oder eine arterielle Verschlusskrankheit. Aufge-

nommen wurden auch Patienten mit einem Fünf-Jahres-Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis von 15% oder höher. Die Stu-dienteilnehmer erhielten entweder eine „Polypille“ mit 75 mg Aspirin, 40 mg Simvastatin, 10 mg Lisinopril und 50 mg Ateno-lol oder 50 mg Acetylsalicylsäure (ASS), 40 mg Simvastatin, 10 mg Lisinopril und 12,5 mg Hydrochlorothiazid oder die üb-liche Behandlung durch den Hausarzt. Studienendpunkte wa-ren die Adhärenz bezüglich der Medikation sowie Veränderun-gen von systolischem Blutdruck und LDL-Cholesterin im Ver-gleich zum Studienbeginn. In die Studie wurden 2.004 Patien-ten aufgenommen, die ein Jahr lang behandelt wurden. Der primäre Endpunkt wurde nach zwölf Monaten erfasst, die Pa-tienten aber über 24 Monate nachbeobachtet.

Ergebnisse: Die Patienten waren im Mittel 62 Jahre alt. 76% hat-ten eine KHK, 15% einen Schlaganfall, 5% eine periphere arte-rielle Verschlusskrankheit und 28% einen Diabetes mellitus. Der mitt lere systolische Blutdruck lag zu Beginn der Studie bei 137/78 mmHg, das LDL-Cholesterin bei 91,5 mg/dl. Die Adhärenz nach zwölf Monaten betrug mit der Polypille 86% versus 65% mit der Standardtherapie (relatives Risiko 1,33). Der systolische Blut-druck nahm unter der Standardtherapie um 2,6 mmHg ab, un-ter der „Polypille“ um 4 mmHg. Das LDL-Cholesterin wurde durch die Standardtherapie um 4,2 mg/dl reduziert, durch die „Polypille“ um 6,5 mg/dl. Bezüglich vaskulärer Ereignisse erga-ben sich in diesem Zeitraum keine Unterschiede.

Schlussfolgerungen: Die Autoren folgern, dass der Einsatz einer „Polypille“ bei Patienten mit kardiovaskulären Erkran-kungen oder multiplen Risikofaktoren die Adhärenz verbessert und zu einer ausgeprägteren Reduktion vom systolischen Blut-druck und LDL-Cholesterin führt.

Thom S, Poulter N, Field J et al; UMPIRE Collaborative Group. Effects of a fixed-dose combina-tion strategy on adherence and risk factors in patients with or at high risk of CVD: the UMPIRE randomized clinical trial. JAMA 2013; 310: 918–29

−Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Vielversprechende StrategieDiese Studie aus Indien und ausgewählten europäischen Län-dern zeigt, dass der Einsatz einer „Polypille“, welche mit einem Thrombozytenfunktionshemmer, einem Statin und Antihyper-tensiva die wichtigsten Medikamente zur kardiovaskulären Prävention zusammen in einer Tablette enthält, zu einer hö-heren Therapieadhärenz führt, als die Verordnung bezie-hungsweise die Einnahme der Einzelmedikamente. Die Surro-gatparameter für den Erfolg dieser Strategie waren die ausgeprägtere Senkung des systolischen Blutdrucks und des LDL-Cholesterins. Allerdings war die Studie zu kurz und wies eine zu geringe Patientenzahl auf, um beurteilen zu können, ob diese Strategie auch vaskuläre Endpunkte wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder vaskulären Tod reduziert.

Anzeige

journal club

13In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2013; 15 (12)