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Institut für sportwissenschaftliche Beratung Sturzprävention im Alter WORKSHOP Bewegte Sturzprävention und theoretische Grundlagen Aktualisierte Ausgabe 1/2014 Harald Jansenberger, Sportwissenschafter, Trainer für Sturzrehabilitation www.jansenberger.at, 0043-650-5427253, [email protected]

Prävention im Alter - integra.at · Depressionen Medikamentöse Einstellung Gleichgewichts- und Kraftübungen in Sturzpräventionsgruppen ... bei der anderen Hälfte handelt es sich

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Institut für sportwissenschaftliche Beratung

Sturzprävention im Alter WORKSHOP

Bewegte Sturzprävention und theoretische Grundlagen Aktualisierte Ausgabe 1/2014

Harald Jansenberger, Sportwissenschafter, Trainer für Sturzrehabilitation www.jansenberger.at, 0043-650-5427253, [email protected]

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1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN ............................................................................... 3

1.1. EPIDEMIOLOGIE ............................................................................................................... 6

1.1.1. FRAKTUREN .................................................................................................................... 7

1.1.2. PSYCHISCHE FOLGEN ...................................................................................................... 8

1.2. BESTIMMEN DES STURZRISIKOS ...................................................................................... 9

1.3. STURZPRÄVENTION: ANSÄTZE UND MÖGLICHKEITEN ................................................. 10

1.3.1. STURZPRÄVENTION DURCH BEWEGUNGSSCHULUNG .................................................... 11

2. ÜBUNGSSAMMLUNG KOORDINATION ................................................................. 12

2.1. GLEICHGEWICHTSÜBUNGEN STATISCH ......................................................................... 12

2.2. GLEICHGEWICHTSÜBUNGEN DYNAMISCH ..................................................................... 17

3. LITERATURHINWEISE ............................................................................................... 21

3.1. WICHTIGE BÜCHER IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM: ................................................. 21

3.2. WICHTIGE LEITLINIEN: ................................................................................................. 21

3.3. EMPFEHLENSWERTE INTERNETADRESSEN: .................................................................. 22

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1. Theoretische Grundlagen

„Ein Sturz ist ein Ereignis, in dessen Folge eine Person unbeabsichtigt auf dem Boden oder einer tieferen Ebene zu liegen kommt.“ (Kellog International Work Group in the Prevention of Falls by the Elderly in: DNQP, 2006)

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Je mehr Risikofaktoren zugleich vorhanden sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Person zu stürzen, sowohl in der Situation, als auch bei dauerhaftem Vorhandensein von Risikofaktoren über einen längeren Zeitraum. Finden sich bei einer Person 4 oder mehr Risikofaktoren so kann man davon ausgehen, dass diese Person innerhalb eines Jahres mit knapp 80% Wahrscheinlichkeit zu Fall kommt (vgl. Tinetti, 1988). Finden sich bei einer Person gar 8 Risikofaktoren muss bei einem Sturz davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur verdoppelt ist. (vgl. Cauley et al., 2007) Diese Zahlen werden auch immer wieder durch aktuelle Studien bestätigt: Im Vergleich von postmenopausalen Frauen über einen Zeitraum von 6 Jahren stürzten von denjenigen, die keinen Risikofaktor aufwiesen, nur 22,6%, während 84,3% der Frauen mit mehr als 11 Risikofaktoren mindestens einen Sturz erlitten. (vgl. Barrett-Conner et al., 2009) Auch in Akutkliniken gilt: Je mehr Risikofaktoren, desto höher das Sturz- und Verletzungsrisiko. (vgl. Müller et al., 2009)

Abbildung 1.1: Sturzgeschehen (vgl. Jansenberger, 2011 in Anlehnung an Pierobon/Funk, 2007 und Runge, 1997)

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Es werden bis zu 400 potentielle Risikofaktoren für Stürze vermutet. (Oliver et al., 2000 in: Wilhuijzen, 2008) Die wichtigsten Risikofaktoren sind in folgender Liste zu finden. Dabei sind die Risikofaktoren, die auch das Verletzungsrisiko steigern fett gedruckt. Tabelle 1.1.: Risikofaktoren und Maßnahmen (vgl. Allan et al. 2009, Freiberger 2006, Thurman 2008, American

Geriatrics Society 2001, Watts et al. 2008, Dean et al. 2009, Grahn Kronhed et al. 2009, vgl. Currie, 2011, vgl. Bachner

et al., 2009).

Interne Risikofaktoren Externe Risikofaktoren

Risikofaktor Maßnahme Risikofaktor Maßnahme

Muskeldefizite Gleichgewichts- und Kraftübungen in Sturzpräventionsgruppen oder im Einzeltraining Gehhilfen anpassen und warten Anpassung des Schuhwerks

Medikamente (Sedativa, Antidepressiva, Neuroleptika)

Aufklärungsgespräch durch den behandelnden Arzt Medikamenten-anpassung Puls- und Blutdruckkontrolle

Stürze in der Vergangenheit

Ursachensuche Vermehrte Fürsorge Hüftprotektoren Patientenschulung Sturzpräventionstraining

Gebrauch von Gehhilfen

Gleichgewichts- und Kraftübungen in Sturzpräventionsgruppen Gehhilfen anpassen und warten

Gangstörungen Gleichgewichts- und Kraftübungen in Sturzpräventionsgruppen oder im Einzeltraining Gehhilfen anpassen und warten Anpassung des Schuhwerks

Innere und äußere Umgebungsfaktoren (Beleuchtung, Untergrund, Hilfsmittel)

Lichtanpassung Tag und Nacht, Automatisches Licht (Bewegungsmelder) Stolperfallen-beseitigung Ggf. ergotherapeutische Beratung zum Wohnumfeld Bett tief stellen Sturzmatten Im Notfall: Matratze auf den Boden Bei rutschigem Boden: Warntafeln, Absperrung Putzzeiten an Aktivität der Bewohner anpassen

eingeschränkte Mobilität und Gleichgewichtsprobleme

Gleichgewichts- und Kraftübungen in Sturzpräventionsgruppen oder im Einzeltraining Gehhilfen anpassen und warten

Kleidung und Schuhe

Aufklärung bezüglich Schuhwerk Schuhwerk anpassen

Seh-einschränkungen Sehhilfen reinigen und anpassen Kontrolle der Sehhilfe Anpassung der Umgebung

Freiheits-beschränkende Maßnahmen

Reduktion von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen Alarmsysteme (Bett, Sessel, Sensormatten usw.) Kontrollgänge Medikamenten-anpassung Hüftprotektoren

Krankheiten (Schlaganfall, Parkinson, Arthritis, rheumatische Erkrankungen usw.)

Krankheitsspezifische Intervention und Therapie (Medikamente und Physiotherapie)

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Einschränkungen im Alltag bzw. bei ADL (Waschen, Anziehen usw.

Hilfe beim Toilettengang: Vermehrte Fürsorge Nachts Stoppersocken Bei Akzeptanz: Toilettenstuhl Adäquates Schuhwerk

Depressionen Medikamentöse Einstellung Gleichgewichts- und Kraftübungen in Sturzpräventionsgruppen

kognitiv eingeschränkt, Verwirrung, Schwindel, Demenz, Unruhe

Vermehrte Fürsorge Medikamentenanpassung Puls- und Blutdruckkontrolle

Alter über 80 Jahre Altersangepasstes Kraft- und Koordinationstraining, Rücksichtnahme auf altersbedingte Veränderungen

Geschlecht (weiblich) Altersangepasstes Kraft- und Koordinationstraining, Rücksichtnahme auf altersbedingte Veränderungen

allein lebend

Inaktivität Motivation zu gezielter Bewegung (Kraft, Koordination und Selbsteinschätzung)

Angst vor Stürzen Angstreduktion durch Strategienvermittlung angstbesetzter Situationen, Gezielte Bewegung, Tai Chi

Vitamin-D-Mangel Vitamin-D Supplementierung

Probleme mit den Füßen (Schmerzen, Neuropathien)

Anpassung des Schuhwerk, Training der Oberflächen- und Tiefensensibilität, Kompensations-mechanismen

1.1. Epidemiologie

Bei selbständig lebenden Senioren bietet sich folgendes Bild: Wie in der Einleitung schon erwähnt stürzen ca. 1 Drittel aller Menschen über 65 Jahre mindestens einmal im Jahr. Mit zunehmendem Lebensalter erhöht sich der Prozentsatz auf gut die Hälfte. (vgl. u.a. Bürge et al., 2002, Mc Elhinney, 1998, Chu et al. 1999) In Alterskategorien aufgeschlüsselt, stürzen 28-35(-40)% der über 65jährigen (und davon 50% mindestens 2-mal pro Jahr), bei den über 70-jährigen stürzen 35% der Personen (vgl. Campbell, 1991, in: Downton, 1995, vgl. King, 2009) und 32-42% der über 75-jährigen (vgl. Tinetti et al., 1988 in: Downton, 1995), 45% der 80-89jährigen und 56% der 90-99jährigen mindestens einmal im Jahr. (vgl. Runge, 1997, vgl. Campbell et al., 1981; Prudham/Evans, 1981; Blake et al., 1988 in: Downton, 1995, vgl. Freiberger, 2010) Bei selbständig lebenden Senioren muss berücksichtigt werden, dass 50-66% der Stürze im häuslichen Umfeld passieren. (vgl. Richter, 2007) Ergänzend muss erwähnt werden, dass nach einem erstmaligen Sturz sich das Risiko wieder zu stürzen verdoppelt. Innerhalb eines halben Jahres stürzen 2/3 der Gestürzten wieder. Sturzfolgen

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Häufige Folgen von Stürzen sind Verletzungen, Angst vor weiteren Stürzen und die Einschränkung der Aktivitäten. „Direkte psychische Auswirkungen eines Sturzes sind die Ängste vor einem erneuten Sturz, einem drohenden Verlust der Selbständigkeit oder der Isolation.“ (Bürge et al., 2002, S.122) Auch wenn nur ein geringer Teil der Stürze mit einer schweren körperlichen Verletzung endet, so muss man sich bewusst machen, dass die Wahrscheinlichkeit einen Sturz mit Verletzung zu erleiden mit dem Alter steigt und dass die meisten Todesfälle bei alten Menschen auf Stürze zurückgehen (vgl. Tideiskaar, 2000, vgl. Freiberger, 2010) Je nach Untersuchung verletzen sich 22-60% und 10-15% schwer bei einem Sturz. 20% der Stürze müssen medizinisch abgeklärt werden. (vgl. Heinze, 2002 in: DNQP, 2006) 2-6% erleiden eine Fraktur und 0,2-1,5% eine Hüftfraktur (in Heimen 5%). (vgl. Lord et al., 2007, vgl. Price, 2007, vgl. Becker et al., 2006) 90% der Hüftfrakturen sind in der Alterskategorie 70+ zu finden und auf einen Sturz lassen sich 90% zurückführen. (vgl. Runge, 1997, vgl. McElhinney et al., 1998, vgl. Robinovitch et al., 2000) Stürze sind für immerhin 20-30% aller milden und ernsten Verletzungen und 10-15% aller Ambulanz (Notaufnahme) Besuche verantwortlich. (vgl. WHO, 2008) Geschlechtsspezifisch zeigt sich, dass Frauen ein erhöhtes Verletzungsrisiko nach einem Sturz haben, während Männer ein erhöhtes Risiko haben an den Folgen eines Sturzes zu sterben. (vgl. Price, 2007) Ungefähr 10-20%% der Stürze müssen medizinisch versorgt werden. Bei 50% handelt es sich um Frakturen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um chirurgisch zu behandelnde Wunden, Prellungen oder Schädel-Hirntraumata. Gesamt gesehen werden etwa 5% aller Krankenhausaufenthalte durch Stürze verursacht. (vgl. Becker, Scheible, 1998, Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2002 in: Richter et al. 2002)

1.1.1. Frakturen

Die Hälfte aller Frauen und ein Drittel aller Männer erleiden in ihrem Leben zumindest eine Fraktur aufgrund Gebrechlichkeit. Mit daraus resultierendem erhöhten Mortalitätsrisiko. (vgl. Karlsson, 2008) Das Durchschnittsalter für eine Hüftfraktur beträgt 83 Jahre. (vgl. Rizzoli et al., 2009) Abbildung 1.2: Fähigkeiten 6 Monate nach einer Oberschenkelhalsfraktur (vgl. Marottoli et al., 1992)

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1.1.2. Psychische Folgen

„Es brechen nicht nur die Knochen, sondern oft auch das Selbstvertrauen.“ (Runge, 1997, S.268) Dieser Satz, der in ähnlicher Form häufig erwähnt wird, spricht die Folgen an, die nicht körperlichen Naturen sind. Neben den Verletzungen am Körper erlegen sich gestürzte Menschen häufig selbst Restriktionen ihrer körperlichen Aktivität auf. (vgl. Downton, 1995) Dies führt in weiterer Folge zu einer Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und Kontrolle, was wiederum das Sturzrisiko erhöht. 73% der Gestürzten geben zum Beispiel an sich vor weiteren Stürzen zu fürchten. Ungefähr 40% reduzieren nach einem Sturz ihre körperliche Aktivität für mehrere Monate. (vgl. Runge, 1997, vgl. Skelton/Beyer, 2003, vgl. Freiberger, 2010) Es wird ein „Post-Fall-Syndrom“ beschrieben, das sich durch mehrere Merkmale äußert. Hauptmerkmale sind Panik, Unsicherheit, stockende Erholung nach einem Sturz, Festklammern und Verkrampfen beim Gehen, Depressionen, Verlust von Selbständigkeit und Mobilität. Personen, die ein solches Syndrom entwickeln, haben eine höhere Mortalitätsrate als andere. (vgl. Murphy/Isaacs, 1982 in: Downton, 1995, vgl. Lord et al., 2007, WHO, 2008)

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1.2. Bestimmen des Sturzrisikos

Um das Sturzrisiko zu bestimmen gibt es mehrere Möglichkeiten. So kann mittels motorischer Tests (Berg Balance Scale, Tinetti Test, Timed up and go test (modifiziert), …) das Sturzrisiko bestimmt werden, oder mittels Fragebögen (MORSE-Skala, STRATIFY, …) das Risiko eruiert werden, oder mittels der individuellen Einschätzung durch das Personal gearbeitet werden. Allgemein beschreiben Schwendimann et al., 2008 Personen mit besonders hohem Sturzrisiko folgendermaßen: Diese Personen haben multiple Risikofaktoren, einen sehr geringen oder sehr hohen Aktivitätsgrad, befinden sich gerade während oder nach einer Verlegung, oder haben einen langen Spitalsaufenthalt oder lange Bettlägrigkeit hinter sich. Generell ist es empfehlenswert, die wichtigsten Sturzrisikofaktoren abzufragen und zusätzlich dazu mittels motorischer und kognitiver Tests die Einschätzung zu untermauern.

Abbildung 1.1.3.: Ablauf zur Erhebung des Sturzrisikos (vgl. Jansenberger, 2011)

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1.3. Sturzprävention: Ansätze und Möglichkeiten

Sturzprävention kann auf mehrere Risikofaktoren (multifaktoriell) oder einzelne Risikofaktoren (monofaktoriell) abzielen. Je nach Zielgruppe müssen die Zugänge immer individuell erfolgen. „Reagiere auf den ersten Sturz um den zweiten zu vermeiden!“ (vgl. Oliver, 2009) Folgende Interventionsansätze haben sich als effektiv erwiesen (vgl. Freiberger, 2006, Gillespie et al., 2009, Gillespie et al., 2012):

Multi-Komponenten Gruppentraining reduziert das Sturzrisiko und die Sturzzahl.

Multi-Komponenten Training zu Hause erreicht ähnliche Ergebnisse.

Taiji reduziert das Sturzrisiko, bei der Sturzzahl gibt es statistische Einschränkungen.

Multifaktorielle Programme mit individueller Risikoanalyse, reduzieren die Sturzzahl aber nicht das Sturzrisiko.

Vitamin-D Supplementierung reduziert weder Sturzrisiko noch Sturzzahl. Effektiv bei nachweisbarem Mangel.

Wohnraumanpassung effektiv hinsichtlich Reduzierung der Sturzzahl und des Sturzrisikos. Besonders effektiv bei Hochrisiko-Personen und mit starken Seheinschränkungen.

Wohnraumanpassung ist effektiver wenn von Ergotherapeuten durchgeführt.

Behandlung von Sehproblemen (1 Untersuchung) führte zu einer signifikant erhöhten Sturzzahl. Personen, die regelmäßig Aktivitäten draußen durchführen, hatten deutlich reduzierte Sturzzahl bei Umstellung von multifokalen Brillen auf Einfache Brillen. Gegenteiliger Effekt bei Stürzen im Freien bei Personen, die nicht regelmäßig draußen aktiv sind.

Präventionsprogramme nur mit schulendem Inhalt haben keinen nachweisbaren Effekt auf Sturzzahl und –risiko.

Auswirkungen auf Sturzbezogene Frakturen bleiben unklar.

Übungsprogramme für Sprunggelenk und Fuß reduzieren die Sturzzahl.

Kein Nachweis für kognitive und verhaltensbezogene Interventionen auf Sturzrisiko und –zahl.

Schulungsprogramm für Pflegepersonal hinsichtlich Heimbewohnern mit und ohne kognitive Einschränkungen (vgl. Bouwen et al., 2008)

ACHTUNG: Angebote zur Sturzprävention werden von Älteren nicht immer als uneingeschränkt positiv erlebt. Neben der falschen Einschätzung, dass Sturzprävention nur das Beseitigen von Stolperfallen und das Einschränken von Aktivitäten seien, werden häufig Anweisungen zur Prävention als mit dem Hausverstand lösbar abgetan. Zusätzlich ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Sturz häufig mit der Angst vor Stürzen und dem Verlust von Autonomie und Identität verbunden. Deshalb sollten bei Sturzpräventionsangeboten immer die Empfehlung vom Hausarzt und die Unterstützung der Familie mit einbezogen werden. Zusätzlich sollten die positiven Effekte der Maßnahme auf Kraft, Gleichgewicht und Wohlbefinden betont werden. Positive Bestätigung wirkt weitaus besser und verhindert so den gegenteiligen Effekt, dass die Sturzangst sogar steigen kann. (vgl. Yardley, 2006,vgl. Laybourne et al, 2008, vgl. Horne et al., 2009)

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1.3.1. Sturzprävention durch Bewegungsschulung

Sturzprävention durch Bewegungsschulung ist nachgewiesenermaßen höchst effektiv. Wie mehrmals erwähnt kommt der Bewegungsschulung zur Sturzprävention ein entscheidender Stellenwert zu. Wichtig ist, dass die Bewegungsschulung Zielgruppen orientiert aufgebaut wird. (vgl. Freiberger et al., 2007) Ansonsten verpuffen die Effektivität und in weiterer Folge die Akzeptanz der Teilnehmer (vgl. Yardley, 2006). Inhalte effektiver Sturzprävention

Elemente

Inkludierte Übungsformen Gleichgewichtsübungen mit moderaten bis hohen Anforderungen (Standfläche sukzessive reduzieren, Bewegungen des Körperschwerpunkts (Gegenstände erreichen, Gewichtsverlagerung von einem Bein zum anderen, auf Stufen steigen, …) Kraftübungen (mit entsprechender Intensität: 60% der Fmax oder 10-15 WH) Übungen mit dem Ziel der Reduzierung der Armstützfunktion Verbesserung und Modifizierung der Gehfähigkeit Funktionelles Training (Treppensteigen, Alltagsaktivitäten) Multitasking (Verbesserung der Bewegungshandlung in komplexen Situationen) Tai Chi an Senioren angepasste Sprungübungen An das Befinden angepasst. Ergänzend: Ausdauertraining, ACHTUNG: Hochrisikogruppen sollten kein zusätzliches Gangtraining durchführen!

Übungsdurchführung Progressive Steigerung Individuelle Intensitätssteuerung Übungen auf Hauptrisikofaktoren der Teilnehmer ausgerichtet Zusätzlich ein einfaches Heimübungsprogramm

Eckdaten des Bewegungsangebots

Trainingseinheiten möglichst 60 min 2-3-mal pro Woche (Möglich einmal in der Gruppe und einmal allein zu Hause) 10–12 Wochen minimale Durchführung Ideal: 50 Einheiten über ein halbes Jahr verteilt Entweder individuelles oder Gruppentraining SturzpräventionstrainerInnen sollten auf andere Risikofaktoren verweisen, wenn notwendig! Unterstützende Maßnahmen zur Erhaltung der Motivation (Gruppendynamik, Telefonanrufe usw.)

Programmdesign und Trainerqualifikation

Programm durch ausgebildete Fachkraft ausgearbeitet Programm gehalten durch ausgebildeten Sturzpräventionstrainer

Einschlusskriterien der TeilnehmerInnen

Positive Sturzanamnese (in den letzten 12 Monaten) oder bei Interesse Positive Frakturanamnese (letzte 10 Jahre) Moderate Beeinträchtigungen beim Transfer vom Sitzen zum Stehen Gangunsicherheiten (subjektiv und objektiv)

Ausschlusskriterien der TeilnehmerInnen

Kein selbstständiges Stehen möglich (auch nicht mit Hilfsmitteln oder -personen) Nicht gruppenfähig

Tabelle 1.2.: Inhalte von Bewegungsangeboten zur Sturzprävention (Lord 2007, Skelton u. Beyer 2003, Karlsson 2004,

Gillespie 2007, Freiberger 2010, Granacher et al. 2010, Sherrington et al. 2008 und 2011, Cakar et al., 2010,

Jansenberger, 2011, vgl. Becker et al., 2009 )

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2. Übungssammlung Koordination

2.1. Gleichgewichtsübungen statisch

Standübung Ziel: Das stabile Stehen ist eine Grundvoraussetzung für ein sicheres Gehen. Außerdem dient die Übung als Vorübung für einige andere Übungen, für die allerdings die oben angeführten Standarten zuerst geklärt werden müssen. Vorbereitung: Die übende Person stellt sich zwischen zwei Stühlen auf, deren Lehnen zu einander zeigen. Dann wird die angegebene Position zuerst mit und dann ohne Anhalten versucht, um Überraschungen zu vermeiden. Übung: Die übende Person steht in Ausgangsstellung und versucht möglichst ruhig zu stehen. Dann wird schrittweise die Standfläche erschwert. Zuerst hüftbreit, dann enger Parallelstand, dann Semitandemstand und schließlich der Tandemstand. Erweiternd kann dann auch noch der Einbeinstand gewählt werden, der allerdings nie länger als 10sec gehalten werden sollte. Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick gerade oder leicht zum Boden gewandt.

Blick zur Seite oder nach oben

Augen schließen

Handposition Anhalten erlaubt Ohne anhalten

Kniewinkel Leicht gebeugte Knie Stark gebeugte Knie

Standposition Breite Fußposition Enger Parallelstand

Semitandemstand

Tandemstand

Einbeinstand

Fußsohlen Ausblancierter Stand Fußaußenkante belasten

Fußinnenseite belasten

Zusatzaufgaben Keine Aufgaben Buchstaben zeichnen

Ballwerfen, Fußball

Luftballon werfen …

Hüftbreiter Stand Parallelstand

Semitandemtand Tandemstand

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Sprunggelenksstrategie Ziel: Diese Übung dient zur (Re-)Aktivierung der Sprunggelenksstrategie. Über das Verschieben des Körperschwerpunkts entlang der Fußsohle werden reflektorisch Muskel angespannt, die das Gleichgewicht erhalten helfen. Durch physiologische und pathologische Veränderungen bei alten Menschen und im Gangbild und in der Strategienverschiebung in Richtung Hüftgelenksstrategie wird eben diese Aktivierungsfolge vernachlässigt und sogar verloren. Für ein stabiles Stehen und Gehen ist die Sprunggelenksstrategie aber besonders wichtig. Vorbereitung: Die Stühle werden hintereinander aufgestellt, sodass der vordere Stuhl mit der Lehne zur übenden Person zeigt und der Hintere mit der Sitzfläche. Da bei dieser Übung die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, vor oder zurück zu kippen, sollte nach vorne und hinten abgesichert werden. Außerdem sollte die Bodenbeschaffenheit berücksichtigt werden, falls die Stühle nicht rutschen können, sollte der hintere Stuhl unbedingt an einer Wand platziert werden. Im Falle eines überraschenden Hinsetzens wird so ein Umkippen verhindert. Übung: Aus dem geübten stabilen Stand wird nun versucht die Grenze auszuloten, bei der die Person unweigerlich nach vorne kippen würde. Wichtig ist daher eine aufrechte Körperposition aus der wir dann den Körperschwerpunkt nach vorne verlagern. Ähnlich einem Klippen- oder Skispringer lehnt sich die Person nach vorne und versucht den Grenzpunkt heraus zu finden. Die Arme sind dabei leicht nach vorne erhoben und die Hände nur Zentimeter von der Lehne des vorderen Stuhls entfernt. Ist der Grenzpunkt gefunden wird langsam zwischen dem Grenzpunkt und dem stabilen Stand gependelt. Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick gerade oder leicht zum Boden gewandt.

Blick zur Seite oder nach oben

Langsame Kopfdrehung während der Übung

Augen schließen

Augen schließen und langsame Kopfdrehung

Handposition Anhalten erlaubt Ohne anhalten

Spurbreite Breite Standposition Schmale Standposition

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Körperschwerpunkt in der Standfläche verlagern Wird der Körper in der Standfläche verlagert, sind deutliche Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Personen zu sehen. Quantifizierbar wird das durch die Posturographie auf einer Kraftmessplatte. Dieses Feedback, das am Computer dargestellt werden kann, ist für Senioren hilfreich, um wahrzunehmen, wie sich die Sprunggelenksstrategie zu Gunsten der Hüftgelenksstrategie verändert. Besonders deutlich werden die Unterschiede bei der fortgeschrittenen Übung „KSP-Kreisen“. Dabei wird der Körperschwerpunkt am Rande der Standfläche im Parallelstand kreisförmig bewegt.

KSP Kreisen Augen offen

Mann, 83 Jahre, Mehrfachstürzer, Insult, Htep bds., Schmerzpatient LWS, BWS (degen.), Rollator

Frau, 83 Jahre, Mehrfachstürzerin, Insult, Polyneuropathie, Unterarmgehstützen, Rollator

Augen offen Augen zu (2x Gleichgewichtsverlust)

Zum Vergleich: Mann, 34 Jahre, gesund

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Verlagern des Körperschwerpunkts vorwärts und rückwärts innerhalb der Standfläche:

Hintergrund: Diese Übung simuliert in einfacher Weise die Bewegungsinitiierung und das Abstoppen eines Schrittes, wie sie im Alltag in mehreren Situationen auftritt: Beim Überqueren der Straße, beim Einkaufen, …). In dieser Ausführung ist sie sowohl für Personen mit als auch ohne Hilfsmittel durchführbar. Setzt allerdings in der beschriebenen Weise den freien Stand voraus. Vorbereitung: Die übende Person stellt sich zwischen zwei Stühle, die zur Sicherheit mit der Lehne zueinander aufgestellt werden. Dann nimmt sie eine Schrittposition ein und löst die Hände einige Zentimeter von der Lehne ab, um jederzeit zu greifen zu können. Zuerst wird beobachtet, ob die Person die Ausgangsstellung halten kann, erst dann wird mit der eigentlichen Übung begonnen. Übung: Die Person beugt leicht beide Knie und beginnt langsam und gleichmäßig abwechselnd das vordere Bein und dann das hintere Bein zu belasten. Wichtig ist, dass die Bewegung kontrolliert also nicht zu hastig ausgeführt wird, damit der Verschub des Körperschwerpunkts bewusst wahrgenommen werden kann. Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick gerade oder leicht zum Boden gewandt.

Blick zur Seite oder nach oben

Langsame Kopfdrehung während der Übung

Augen schließen

Augen schließen und langsame Kopfdrehung

Handposition Anhalten erlaubt Ohne anhalten

Kniewinkel Leicht gebeugte Knie Stark gebeugte Knie

Spurbreite Breite Schrittstellung Schmale Schrittstellung

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Im Stand den Zug eines Partners ausgleichen Ziel: Im Gehen und Stehen sind wir ständig unterschiedlichen Herausforderungen gegenüber gefordert. Beim Spaziergang mit dem Hund zum Beispiel müssen wir wechselndem Zug Stand halten und diesen ausgleichen. Bei dieser Übung werden genau solche Situationen geübt. Vorbereitung: Diese Partner Übung ist für Fortgeschrittene bzw. nur für körperlich und geistig belastbare Personen gedacht. Die Teilnehmer stellen sich gegenüber auf und verbinden sich mit einem Theraband oder einem Seil. Es sollte auf einen stabilen Stand geachtet werden. Übung: Ein Partner beginnt nun an dem Seil/Theraband zu ziehen, und das in wechselnder Intensität. Die andere Person versucht den Zug auszugleichen und stabil stehen zu bleiben. Anfangs sollten die Zugstärken nicht zu schnell wechseln, um dem Partner die Möglichkeit zu geben sich anzupassen. Besonders schwierig ist es auf einen plötzlich wechselnden Zug zu reagieren. Später kann auch die Zugrichtung variiert werden. Achtung bei zu schnellem Wechsel bei Zug von vorne! (Gefahr nach hinten zu kippen!) Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick auf den Partner gerichtet.

Blick nach vorne

Blick nach unten

Blick zur Seite

Blick nach oben

Langsames Kopfdrehen

Fußstellung Sicherer Hüftbreiter Stand Enger Parallelstand

Semitandemstand

Tandemstand

Einbeinstand

Unterlage Fester Untergrund Labile Unterlage

Zugrichtung Zug von Vorne Zug aus anderen Richtungen

Zahl der Bänder Ein Band/Seil Ein Band am Arm und ein Band am Bein

Anmerkung: Diese Übung geht auch mit Druck – Ausweichen – Bewegungsfolgen!

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2.2. Gleichgewichtsübungen dynamisch

Schritte in Zeitlupe Ziel: Das Gehen ist für einen sicheren selbständigen Menschen eine alltägliche Fortbewegungsform, der kaum noch bewusste Wahrnehmung geschenkt wird. Da im Laufe des Lebens das Gehen immer mehr unserer bewussten Kontrolle entgleitet, ist es speziell bei Hochbetagten wichtig, unterschiedliche Ganggeschwindigkeiten kontrolliert zu üben, um auch bei einem Gehtempo, das aufgezwungen wird (z.b.: beim Einkaufen oder beim Spazierengehen), noch sicher unterwegs sein zu können. Vorbereitung: Je nach Fähigkeit der Teilnehmer muss zuerst die Sicherheit gewährleistet sein. Bei unsicheren Teilnehmern sollten links und rechts jeweils ein Stuhl mit der Lehne zum Teilnehmer aufgestellt werden. Bei sichereren Teilnehmern reicht ein Stuhl vor dem Teilnehmer, der mit der Lehne zur übenden Person aufgestellt wird. Bei selbständigen Personen, die ausreichend Gangsicherheit aufweisen, kann wie abgebildet ohne Haltegriffe geübt werden. Die Vorübungen zum Wahrnehmen des eigenen Körperschwerpunkts müssen unbedingt zuerst geübt werden, um Überraschungen für die Teilnehmer zu vermeiden. Übung: Die Person geht leicht in die Knie und verlagert das Körpergewicht durch Beckenverschub auf ein Bein. Es sollte versucht werden, den Oberkörper möglichst gerade zu halten. Dann wird das unbelastete Bein gehoben und langsam und kontrolliert nach vorne geführt. Diese stark verlangsamte Schwungbeinphase kann bis zu 5sec dauern. Es sollte darauf geachtet werden, dass in jeder Phase der Bewegung gestoppt werden kann. Das ist ein Zeichen für eine kontrollierte Bewegung. Berührt das nach vorne geführte Bein den Boden, wird das Körpergewicht langsam darauf verlagert. Das zweite Bein wird ebenso langsam gehoben und nachgeführt. Dann wird das Körpergewicht auf beide Beine gleichmäßig verteilt und die Bewegung rückwärts in die Ausgangsposition durchgeführt. Vor allem bei der Vorwärtsbewegung ist auf eine deutliche Abrollbewegung zu achten. Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick gerade oder leicht zum Boden gewandt.

Blick zur Seite oder nach oben

Langsame Kopfdrehung während der Übung

Handposition Anhalten erlaubt Ohne anhalten

Spurbreite Breite Schrittstellung Schmale Schrittstellung

Geschwindigkeit Eigene Geschwindigkeit Zeitlupe

Bewegungsrichtung Gerade vor Seitwärts

Rückwärts

Drehende Schritte

Unterlage stabil labil

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Übung Ziffernblatt Ziel: Im Alltag muss mehrmals die Richtung abrupt gewechselt werden, und das häufig aufgrund unterschiedlicher Einflüsse. Diese Gleichgewichtsanforderungen werden in dieser Übung mit der Reaktion und dem Gedächtnis gekoppelt und üben somit effektiv das Lösen von Mehrfachaufgaben unter schwierigen Bedingungen. Vorbereitung: Für diese Übung sollte die übende Person eine gewisse Stand und Gangsicherheit aufweisen. Es kann für eine stabile Möglichkeit sich vorne anzuhalten gesorgt werden. Rund um die Person werden vier farbige Flächen aufgelegt. Eine vorne, eine links, eine hinten und eine rechts – Diese sollten jeweils eine andere Farbe haben. Übung: Die Person stellt sich in Ausgangsstellung auf. Dann versucht sie einen langsamen Schritt nach vorne auf die färbige Fläche zu machen, das Bein langsam zu belasten und dann wieder zurück zu bewegen. Das Standbein in der Mitte sollte dabei den Bodenkontakt nie verlieren. Die Schrittbewegung wird im Uhrzeigersinn mehrmals durchgeführt. Dann werden die Farben bewusst wahrgenommen und gemerkt. Es wird vom Übungsleiter dann nur noch eine Farbe genannt und die Übung wiederholt durchgeführt, ohne dass die übende Person auf den Boden sehen darf. Die Übung kann später mit unterschiedlichen Blickrichtungen versehen werden, bzw. dann auch unter Zeitdruck durchgeführt werden. Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick leicht zum Boden gewandt.

Blick zur Seite oder nach oben

Blickänderungen mit Schritten gekoppelt (z.b: vorwärts gehen nach oben sehen)

Handposition Anhalten erlaubt Ohne anhalten

Spurbreite Breite Schrittstellung Schmale Schrittstellung

Geschwindigkeit Eigene Geschwindigkeit Zeitlupe

Später dann unter Zeitdruck nach Farben zurufen

Felder am Boden Eine Farbe

Farben ohne Bedeutung

Mehrere Farben

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Schritt über labile Unterlage

Ziel: Diese Übung trainiert insbesondere das „Standbein“ und dient dazu die Beinachsen zu stabilisieren. Mit den Zusatzkombinationen (Blick, Arme, Kognition, …) wird wiederum eine Multitasking Aufgabe daraus, die das bewältigen überraschender Situationen auf schwierigem Terrain erleichtert. Vorbereitung: Die Person stellt sich stabil auf. Seitlich von ihr etwa einen Schritt nach vorne werden zwei Stühle mit der Lehne zueinander aufgestellt. Dazwischen wird eine labile Unterlage aufgelegt. Die Arme werden leicht erhoben und die Hände bleiben die gesamte Übung knapp über den Stuhllehnen. Dann wird ein Bein auf die labile Unterlage gestellt und somit als Standbein definiert. Das hintere Bein bleibt allerdings belastet. Übung: Aus dieser Standposition wird nun das vordere Bein langsam belastet bis schließlich das hintere Bein abgehoben werden kann. Dieses wird dann langsam nach vorne über die labile Unterlage geführt und mit einer kontrollierten Abrollbewegung auf den Boden aufgesetzt. Dann wird die Bewegung rückwärts ausgeführt. Das definierte „Standbein“ bleibt immer auf der labilen Unterlage stehen. Die Übung kann durch die Kniewinkel erheblich intensiviert werden: Ausgangsposition ist nun der Ausfallschritt, die Beine werden gestreckt und das Bein nach vorne geführt. Dann werden wieder beide Beine gebeugt. Auch diese Bewegung wird wiederum rückwärts ausgeführt. Variationsmöglichkeiten: Erleichtern durch: Erschweren durch:

Kopfdrehung, Blickrichtung Blick gerade oder leicht zum Boden gewandt.

Blick zur Seite oder nach oben

Blick mit Schritten kombiniert (z.B.: nach links gehen und nach rechts sehen)

Langsame Kopfdrehung während der Übung

Handposition Anhalten erlaubt Ohne anhalten

Arme Arme stabil Arme schwingen mit

Kniewinkel Knie leicht gebeugt Ausfallschritt in ASTE und ESTE (Siehe Variante B)

Geschwindigkeit Eigene Geschwindigkeit Zeitlupe

Unterlage Einfache labile Unterlage Anspruchsvolle labile Unterlage

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Zonen Steigen Ziel: Diese Übung trainiert neben dem Gleichgewicht auch die Reaktion und die Präzision unter Zeitdruck. Durch die vielen möglichen Schrittkombinationen werden komplexe Bewegungsmuster geübt, die im Alltag von Nutzen sein können. Gerade in einer Situation, wenn auf dem Weg Hindernisse liegen, der Weg aber unter Zeitdruck (z.B.: starker Regen) bewältigt werden muss, profitiert man von dieser Übung. Vorbereitung: Für diese Übung wird entweder ein gut fixierbarer schwerer Teppich benötigt, auf den Zonen bzw. Quadrate auf geklebt werden können. Oder aber die Zonen werden direkt auf dem Boden befestigt. Dazu wird ein gut sichtbares Klebeband benötigt, das auch wieder leicht zu entfernen ist. Die Übung ist in mehreren Varianten möglich:

1. Es werden quadratisch Zonen aufgeklebt, wobei eine Zone die Mitte markiert, in der sich die übende Person zu Beginn hineinstellt. (siehe Abbildung 20) Die Zonen können mit Nummern versehen werden, um die Bewegungsangaben zu erleichtern.

2. Es werden zwei bis drei Reihen Quadrate nebeneinander aufgeklebt, die die übende Person dann im Gehen zu bewältigen hat. Die übende Person nimmt in dieser Variante vor den Reihen Aufstellung. Bei dieser Variante werden die Zonen nach Schrittvorgaben bewältigt.

Übung: Die Person wird nun angewiesen kontrollierte Schritte in die vorgegebenen Zonen durchzuführen. Diese können in für die Person komfortabler Geschwindigkeit, in Zeitlupe aber auch unter Zeitdruck durchgeführt werden. Die Übung kann nun nach Varianten gegliedert folgendermaßen durchgeführt werden:

1. Aus der Ausgangsstellung werden nun die Schrittvorgaben vom Übungsleiter angesagt, und dann von der übenden Person durchgeführt. Beispielsweise lautet die zu bewältigende Aufgabe: „1 dann 6 dann 3“. Diese Aufgabe kann nun in unterschiedlicher Geschwindigkeit erfolgen.

2. Bei Bewältigung der Reihen wird zuerst das Gehen von Feld zu Feld vorgegeben, wobei nun abwechselnd der linke und der rechte Fuß in jeweils die linke bzw. die rechte Reihe gesetzt werden. Später kann erschwerend eine Schrittkombination eingesetzt werden. Die Aufgabe könnte lauten: „ Gehen Sie zuerst drei Schritte vorwärts und gehen Sie dann wieder einen Schritt zurück, wobei sei beim vorwärts gehen in einer Reihe jeweils ein Feld auslassen.“ Es ist auch hier empfehlenswert zuerst die komfortable Geschwindigkeit, dann die Zeitlupe und zuletzt das Üben unter Zeitdruck einzusetzen.

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3. Literaturhinweise

Anmerkung: Komplettes Literaturverzeichnis liegt beim Verfasser auf. Bei Interesse anfordern.

3.1. Wichtige Bücher im deutschsprachigen Raum:

1. Becker C., Lindemann U., Rißmann U., Warnke A., 2006: Sturzprophylaxe – Sturzgefährdung und Sturzverhütung in Heimen, Vincentz Network, Hannover

2. Blonski, H. (Hrsg.), 1995: Alte Menschen und ihre Ängste: Ursachen, Behandlung, praktische Hilfen, München

3. Downton J.H., 1995: Wenn alte Menschen stürzen – Ursachen und Risiko, Pflege und Prävention, Ernst Reinhardt Verlag, München

4. DTB (Deutscher Turner Bund) (Hrsg.), 2010: Sturzprophylaxe Training, Meyer und Meyer Verlag, Aachen

5. Freiberger E., Schöne D., 2010: Sturzprophylaxe im Alter – Grundlagen und Module zur Planung von Kursen, Deutscher Ärzteverlag

6. Jansenberger H., 2011: Sturzprävention in Therapie und Training, Thieme Verlag, Stuttgart 7. Jansenberger H., Mairhofer J., 2012: Hausaufgaben für sturzgefährdete Patienten, Hofmann

Verlag, Schorndorf 8. Jansenberger H., Mairhofer J., 2014: Hausaufgaben für Patienten mit Parkinson, Hofmann

Verlag, Schorndorf 9. KKH Kaufmännische Krankenkasse (Hrsg.): Beweglich ? Muskel-Skelett-Erkrankungen -

Ursachen, Risikofaktoren und präventive Ansätze - Weißbuch Prävention 2007/2008, 2008, Springer Medizin Verlag, Heidelberg

10. Kirchner, Rohm, Wittemann, 1998: Seniorensport – Theorie und Praxis, Aachen 11. Köhler R.: Osteoporose und Sturzprävention durch Minimierung medizinischer und

motorischer Risikofaktoren mittels sportlicher Intervention, 2008, Sierke Verlag, Göttingen 12. Pierobon A., Funk M., 2007: Sturzprävention bei älteren Menschen, Thieme, Stuttgart 13. Steidl S., Nigg B.: Gerontologie, Geriatrie und Gerontopsychiatrie - Ein Lehrbuch für Pflege

und Gesundheitsberufe, 2. überarbeitete Auflage, Facultas Verlag, Wien, 2008 14. Tideiskaar, R., 2000 : Stürze und Sturzprävention, Bern 15. Tragl, K., 2001: Stürze im Alter, Wilhelm-Maudrich Wien 16. Van den Berg F., Wulf D., 2008: Angewandte Physiologie 6 – Alterungsprozesse und das Alter

verstehen, Thieme, Stuttgart 17. WHO, WHO Global report on falls prevention in older age, 2008 18. Zeyfang Andrej, Hagg-Grün Ulrich, Nikolaus Thomas, 2008: Basiswissen Medizin des Alterns

und des alten Menschen, Springer Verlag, Heidelberg 19. Ziganek-Soelhlke, 2008: STUBS – Sturzprophylaxe durch Bewegungsschulung: Mehr

Bewegungssicherheit im Alltag, Pflaum

3.2. Wichtige Leitlinien:

1. Becker C et al. Bundesinitiative Sturzprävention - Empfehlungspapier für das körperliche Training zur Sturzprävention bei älteren, zu Hause lebenden Menschen; 2009: www.richtigfitab50.de/..._/Empfehlungspapier%20Sturzprävention%20.pdf, Zugriff am: 26.6.2010

2. Bachner D, Haas W, Schaffer S, Semlitsch B, Uhl C, Weiß R. Sturzprophylaxe - Evidence based Leitlinie LKH Universitätsklinikum Graz. Evidence Based Nursing; 2009. www.ebn.at, Zugriff am: 28.6.2009

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3. DNQP (Hrsg.): Elsbernd A., et al., 2005: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, Entwicklung-Konsentierung-Implementierung, DNQP, Osnabrück

4. Schwendimann R., Frank O., 2008: Sturzprävention - Orientierungshilfe und Empfehlungen für: stationäre Gesundheitseinrichtungen, Einrichtungen der Langzeitbetreuung, Institutionen der primären Gesundheitsversorgung (Spitex und Hausärzte), Schriftenreihe Patientensicherheit Schweiz, Nr.2, Februar 2008

3.3. Empfehlenswerte Internetadressen:

www.profane.co

Nachfolgeadresse des Netzwerks für Sturzprävention Europa – Untersuchungsergebnisse,

Austausch mit Experten, Informationen zu Testverfahren und weiteren Übungsseiten

www.aktivinjedemalter.de

Plattform zum Thema Bewegung, Sturzprävention im Alter, Informationen zu

Forschungsschwerpunkten und –inhalten.

www.sturz-praevention.at

Seite des Autors mit Übungsanregungen und einer Broschüre zum Download.