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Dieser Beitrag wurde erstpubliziert in Orthopä- de 2012, 41:11–14. Arthroskopie 2013 · 26:251–255 DOI 10.1007/s00142-013-0772-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 S.W. Lemmen Zentralbereich für Krankenhaushygiene und Infektiologie, Universitätsklinikum Aachen (RWTH), Aachen Prävention von  Wundinfektionen Basismaßnahmen In Deutschland wurden 2008 ca. 13,6 Mio. operative Eingriffe durchgeführt [21]. Nach den Ergebnissen der ersten natio- nalen deutschen Studie (NIDEP) beträgt die Häufigkeit nosokomialer Infektionen insgesamt 3,5%. Der Anteil postoperati- ver Wundinfektionen liegt bei 15% und ist damit die dritthäufigste nosokomiale Infektion in deutschen Krankenhäusern [18]. Die Daten des Krankenhaus-Infek- tions-Surveillance-Systems (KISS) geben ca. 130.000 postoperative Wundinfektio- nen/Jahr an [8]. D Postoperative Wundinfektionen  erhöhen die Morbidität und  Letalität, verlängern den stationären  Aufenthalt von Patienten und  führen somit zu einer Erhöhung der  Therapie- und sozialen Folgekosten. Die Risiken für eine postoperative Wund- infektion lassen sich in prä-, peri- und postoperative Faktoren unterscheiden. Während patienteneigene Faktoren wie z. B. Körpergewicht, Nikotin oder Ange- wohnheiten meistens nicht oder nur sehr gering beeinflussbar sind, lassen sich in- fektionspräventive Vorgaben oder räum- lich-technische Voraussetzungen deut- lich suffizienter umsetzen. Im folgenden Beitrag werden die jeweiligen Risikofak- toren sowie präventive Maßnahmen be- schrieben. Surveillance Für die Teilnahme an Surveillancepro- grammen konnte ein infektionspräven- tiver Effekt nachgewiesen werden. Zehn Jahre nach Einführung des Krankenhaus- Infektions-Surveillance-Systems (KISS) in Deutschland konnte ein Rückgang von 20–30% bei Wundinfektionen dokumen- tiert werden [9]. Wichtig ist insbesondere die Rückmel- dung über die erhobenen Daten und Er- gebnisse an das beteiligte ärztliche Per- sonal und Pflegepersonal im Sinne eines internen Qualitätsmanagements. In Deutschland ist seit 1997 das KISS etab- liert, das verschiedene Module zur Infek- tionserfassung anbietet. Für die Erfassung postoperativer Wundinfektionen steht das Modul OP-KISS zur Verfügung. Die Teil- nahme am KISS-Projekt ist kostenlos und wird durch §23 des Infektionsschutzge- setzes u. a. für Krankenhäuser, Arztpra- xen und ambulante Operationen verbind- lich gefordert [7]. Präoperative Maßnahmen Adipositas Eine Adipositas mit einem Body Mass In- dex (BMI) von >35 geht mit einem er- höhten Risiko einer Wundinfektion ein- her. Bei adipösen Patienten kommt es wei- terhin häufiger zu Wunddehiszenzen, Hä- matomen und Druckstellen [2]. Als ur- sächlich dafür wird eine Minderperfusi- on des adipösen Gewebes angesehen, was auch die Wirkung von Antibiotika beein- trächtigen kann [10]. Alkoholabusus Ein erhöhter Alkoholkonsum beeinträch- tigt die Wundheilung und erhöht das Risi- ko für Wundinfektionen. Der Genuss von Alkohol verändert u. a. die Zytokinaus- schüttung im Rahmen inflammatorischer Reaktionen, die Funktion neutrophiler Granulozyten sowie die Angiogenese und Kollagenproduktion in Wunden [10]. Nikotinabusus Von den über 4000 Substanzen im Ta- bakrauch können v. a. Nikotin, Kohlen- monoxid und Blausäure die Wundheilung beeinflussen. Durch Nikotin werden bei- spielsweise eine periphere Vasokonstrik- tion mit verminderter Durchblutung und eine erhöhte Blutviskosität verursacht [1]. Der Einfluss von Rauchen auf die Wund- heilung ist komplex und die Wirkungen sind nicht durch die einzelnen toxischen Anteile des Tabakrauchs alleine, sondern durch deren Zusammenspiel erklärbar. So sollten Raucher 30 Tage vor einem elek- tiven Eingriff den Tabakkonsum einstel- len. Die Anwendung von Nikotinpflas- tern zur Entwöhnung ist nicht mit einem erhöhten Risiko von Wundinfektionen oder Wundheilungsstörungen verbun- den [20]. Mangelernährung Mangelernährte Patienten zeigen häufig eine verzögerte Wundheilung oder gar chronische Wunden. Durch eine präope- rative hochkalorische und proteinreiche Ernährung konnte ein positiver Effekt auf die Wundheilung gezeigt werden [5]. Leitthema Redaktion P. Lobenhoffer, Hannover S. Rupp, Blieskastel 251 Arthroskopie 4 · 2013|

Prävention von Wundinfektionen; Prevention of wound infections;

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Page 1: Prävention von Wundinfektionen; Prevention of wound infections;

Dieser Beitrag wurde erstpubliziert in Orthopä-de 2012, 41:11–14.

Arthroskopie 2013 · 26:251–255DOI 10.1007/s00142-013-0772-x© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

S.W. LemmenZentralbereich für Krankenhaushygiene und Infektiologie, Universitätsklinikum Aachen (RWTH), Aachen

Prävention von WundinfektionenBasismaßnahmen

In Deutschland wurden 2008 ca. 13,6 Mio. operative Eingriffe durchgeführt [21]. Nach den Ergebnissen der ersten natio-nalen deutschen Studie (NIDEP) beträgt die Häufigkeit nosokomialer Infektionen insgesamt 3,5%. Der Anteil postoperati-ver Wundinfektionen liegt bei 15% und ist damit die dritthäufigste nosokomiale Infektion in deutschen Krankenhäusern [18]. Die Daten des Krankenhaus-Infek-tions-Surveillance-Systems (KISS) geben ca. 130.000 postoperative Wundinfektio-nen/Jahr an [8].

D Postoperative Wundinfektionen erhöhen die Morbidität und Letalität, verlängern den stationären Aufenthalt von Patienten und führen somit zu einer Erhöhung der Therapie- und sozialen Folgekosten.

Die Risiken für eine postoperative Wund-infektion lassen sich in prä-, peri- und postoperative Faktoren unterscheiden. Während patienteneigene Faktoren wie z. B. Körpergewicht, Nikotin oder Ange-wohnheiten meistens nicht oder nur sehr gering beeinflussbar sind, lassen sich in-fektionspräventive Vorgaben oder räum-lich-technische Voraussetzungen deut-lich suffizienter umsetzen. Im folgenden Beitrag werden die jeweiligen Risikofak-toren sowie präventive Maßnahmen be-schrieben.

Surveillance

Für die Teilnahme an Surveillancepro-grammen konnte ein infektionspräven-tiver Effekt nachgewiesen werden. Zehn

Jahre nach Einführung des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) in Deutschland konnte ein Rückgang von 20–30% bei Wundinfektionen dokumen-tiert werden [9].

Wichtig ist insbesondere die Rückmel-dung über die erhobenen Daten und Er-gebnisse an das beteiligte ärztliche Per-sonal und Pflegepersonal im Sinne eines internen Qualitätsmanagements. In Deutschland ist seit 1997 das KISS etab-liert, das verschiedene Module zur Infek-tionserfassung anbietet. Für die Erfassung postoperativer Wundinfektionen steht das Modul OP-KISS zur Verfügung. Die Teil-nahme am KISS-Projekt ist kostenlos und wird durch §23 des Infektionsschutzge-setzes u. a. für Krankenhäuser, Arztpra-xen und ambulante Operationen verbind-lich gefordert [7].

Präoperative Maßnahmen

Adipositas

Eine Adipositas mit einem Body Mass In-dex (BMI) von >35 geht mit einem er-höhten Risiko einer Wundinfektion ein-her. Bei adipösen Patienten kommt es wei-terhin häufiger zu Wunddehiszenzen, Hä-matomen und Druckstellen [2]. Als ur-sächlich dafür wird eine Minderperfusi-on des adipösen Gewebes angesehen, was auch die Wirkung von Antibiotika beein-trächtigen kann [10].

Alkoholabusus

Ein erhöhter Alkoholkonsum beeinträch-tigt die Wundheilung und erhöht das Risi-

ko für Wundinfektionen. Der Genuss von Alkohol verändert u. a. die Zytokinaus-schüttung im Rahmen inflammatorischer Reaktionen, die Funktion neutrophiler Granulozyten sowie die Angiogenese und Kollagenproduktion in Wunden [10].

Nikotinabusus

Von den über 4000 Substanzen im Ta-bakrauch können v. a. Nikotin, Kohlen-monoxid und Blausäure die Wundheilung beeinflussen. Durch Nikotin werden bei-spielsweise eine periphere Vasokonstrik-tion mit verminderter Durchblutung und eine erhöhte Blutviskosität verursacht [1]. Der Einfluss von Rauchen auf die Wund-heilung ist komplex und die Wirkungen sind nicht durch die einzelnen toxischen Anteile des Tabakrauchs alleine, sondern durch deren Zusammenspiel erklärbar. So sollten Raucher 30 Tage vor einem elek-tiven Eingriff den Tabakkonsum einstel-len. Die Anwendung von Nikotinpflas-tern zur Entwöhnung ist nicht mit einem erhöhten Risiko von Wundinfektionen oder Wundheilungsstörungen verbun-den [20].

Mangelernährung

Mangelernährte Patienten zeigen häufig eine verzögerte Wundheilung oder gar chronische Wunden. Durch eine präope-rative hochkalorische und proteinreiche Ernährung konnte ein positiver Effekt auf die Wundheilung gezeigt werden [5].

Leitthema

RedaktionP. Lobenhoffer, HannoverS. Rupp, Blieskastel

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Diabetes mellitus

Patienten mit bekanntem Diabetes melli-tus sowie einer präoperativen Hyperglyk-ämie von über 200 mg/dl sind häufig von Wundheilungsstörungen und Wundin-fektionen betroffen [11]. Auslösende Fak-toren sind bei Diabetikern Gewebehypo-xie, Dysfunktionen von Fibroblasten so-wie Störungen der Angiogenese und Vas-kularisation. Es wird daher eine Messung des Blutzuckerspiegels am Operationstag mit einer entsprechenden Blutzuckerein-stellung auf <200 mg/dl sowie für die bei-den nachfolgenden postoperativen Tage empfohlen [3].

Anämie

Eine prä- und perioperative Anämie ist ein signifikanter Risikofaktor für eine postoperative Wundinfektion. Bei elek-tiven Eingriffen sollte im Vorfeld eine ent-sprechende Anämiediagnostik erfolgen. Eine präoperative Anämie sollte durch Anwendung von Blutprodukten ausgegli-chen werden. Auch die Gabe von Eisen-präparaten oder Erythropoetin kann er-wogen werden [12].

Immunsuppression

Eine Immunsuppression kann durch ver-schiedene Medikamente (Glukokortiko-ide, Nukleosidanaloga), durch Erkran-kungen (HIV, Neoplasien, Antikörper-mangel) oder durch onkologische The-rapien mit Neutropenie hervorgerufern werden.

Bereits präoperativ sollte eine indivi-duelle Einschätzung der Risikofaktoren eines Patienten erfolgen, um entspre-chende Präventionsmaßnahmen einzu-leiten.

» Präoperativ sollte eine individuelle Einschätzung der Risikofaktoren eines Patienten erfolgen, um entsprechende Prä-ventionsmaßnahmen einzuleiten.

Bei immunsupprimierten Patienten muss nicht nur mit einem erhöhten Risiko post-operativer Wundinfektionen, sondern auch mit anderen Infektionserregern ge-

rechnet werden als bei immunkompe-tenten Patienten. Bei elektiven Opera-tionen wird ein interdisziplinäres Pati-entenmanagement empfohlen, um die Möglichkeit einer präoperativen Reduk-tion der Immunsuppression sowie spezi-fische Maßnahmen zur antimikrobiellen Prophylaxe und ggf. Therapie festzule-gen [15].

Infektionen und Keimlastreduktion

Bei elektiven Eingriffen sollten klinisch manifeste Infektionen im Vorfeld behan-delt werden. Auch Infektionen, die außer-halb des Operationsgebiets liegen, können zur Quelle postoperativer Wundinfekti-onen werden [15].

Weiterhin wurde nachgewiesen, dass eine nasale Kolonisation mit Staphylococ-cus aureus mit einem signifikant höheren Risiko für eine postoperative Infektion mit Staphylococcus aureus einhergeht [16]. Durch eine präoperative Behandlung von Patienten mit nachgewiesener Kolonisa-tion konnte durch Anwendung von Mu-pirocin-Nasensalbe (3-mal täglich über 5 Tage) und einer Ganzkörperwaschung mit einer desinfizierenden Waschlotion (Chlorhexidin) einmal täglich über 5 Ta-ge die Rate an postoperativen Wundinfek-tionen gesenkt werden [4].

Präoperativer Aufenthalt im Krankenhaus

Eine verlängerte präoperative stationäre Verweildauer im Krankenhaus ist mit einem erhöhten Risiko für Wundinfekti-onen vergesellschaftet und sollte daher so kurz wie möglich gehalten werden [15].

Haarentfernung des Operationsgebiets

Prinzipiell stellen adäquat desinfizierte Haare keinen Risikofaktor für eine Wund-infektion dar; stören diese jedoch den Operateur, sollte eine Rasur vor einem operativen Eingriff erfolgen.

Mikroskopische Verletzungen durch eine „scharfe Rasur“ mit einem Einmal-rasierer am Vortag eines operativen Ein-griffs führen durch deren bakterielle Be-siedlung (Mikroabszesse) zu einer erhöh-ten Rate an Wundinfektionen; eine sol-

che „scharfe Rasur“ ist daher obsolet. Ei-ne mechanische Kürzung mit einem elek-trischen Langhaarschneider kann präope-rativ vorgenommen werden. Eine Alter-native ist die Anwendung einer Enthaa-rungscreme, die jedoch zu allergischen Reaktionen oder Hautirritationen führen kann [15, 17].

Hautdesinfektion

Die Haut des Patienten ist ein wichtiges Erregerreservoir, eine optimale präopera-tive Hautdesinfektion ist daher von groß-er Bedeutung.

Für die korrekte Anwendung und Wirksamkeit von Antiseptika auf der Haut ist die Einhaltung der produktspe-zifischen Mindesteinwirkzeit erforder-lich, die Haut muss für diesen Zeitraum satt benetzt und feucht gehalten werden.

Alkoholbasierte Präparate haben hier mit einer Einwirkzeit von nur wenigen Minuten einen Vorteil gegenüber alko-holfreien reinen wässrigen Povidon-Jod-Lösungen, die erst nach ca. 10 min adä-quat Bakterien abgetötet haben [6].

Als Standard zur Hautdesinfektion gelten daher heute Präparate auf der Ba-sis von Jod-Alkohol oder Chlorhexidin-Alkohol.

Antibiotikaprophylaxe

Eine präoperative i.-v.-Gabe eines Antibi-otikums reduziert signifikant die Wundin-fektionsrate. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich dabei nach der Lokalisation des Eingriffs und dem zu erwartenden Erregerspektrum; da Staphylococcus au-reus einer der häufigsten Infektionserre-ger in der Orthopädie/Unfallchirurgie ist, wird oft ein Cephalosporin der 1. Genera-tion mit hervorragender Aktivität gegen diese Erreger, wie z. B. Cefazolin, einge-setzt. Die Gabe sollte in normaler Dosie-rung, 30–60 min vor dem Schnitt erfol-gen. Bei einer Operationsdauer von mehr als 3 h sollte eine 2. Gabe intraoperativ er-folgen [24].

Eine postoperative Weitergabe von Antibiotika zur „Pseudoprophylaxe“ re-duziert nicht Infektionen, erhöht aber die Rate an Nebenwirkungen, Infektionen mit Clostridium difficile, die bakterielle Re-

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Leitthema

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sistenzrate und die Kosten – also ausrei-chend Gründe, dies nicht zu machen.

Chirurgische Händedesinfektion

Vor dem ersten operativen Eingriff des Arbeitstags sollten Hände und Unter-arme bis zum Ellenbogen gewaschen wer-den. Bei sichtbarer Verschmutzung kann eine Bürste zur Reinigung der Fingernägel und Nagelfalze benutzt werden. Gründ-liches Abtrocknen reduziert Unverträg-lichkeiten und die seltenen Allergien ge-gen Alkohol im Desinfektionsmittel; es folgt die chirurgische Händedesinfektion mit einem alkoholischen Händedesinfek-tionsmittel für 1,5 min. Vor dem nächsten operativen Eingriff ist eine erneute Hän-dewaschung nur bei Verschmutzung not-wendig [23].

Eine ergänzende Hautpflege sollte nach den Vorgaben des Hautschutzplans durchgeführt werden. Das Tragen von Schmuckstücken sowie künstlichen, la-ckierten oder Gel-Fingernägeln muss un-terbleiben [22].

Perioperative Maßnahmen

Vermeidung von Hypothermie

Durch Eröffnung von Körperhöhlen, die Immobilität des Patienten, die Klimati-sierung des OPs sowie durch die Begleit-wirkungen der verabreichten Anästheti-ka kommt es häufig bei Patienten zu ei-ner Hypothermie. Bereits bei einer nur milden perioperativen Hypothermie (bis zu 2° C unter der normalen Körperkern-temperatur) ist die Rate an Wundinfekti-onen erhöht, da durch eine gegenregula-torische Vasokonstriktion die Sauerstoff-spannung im Gewebe herabgesetzt wird. Durch Aufrechterhaltung der Normo-thermie während einer Operation konnte die Rate an Wundinfektionen signifikant gesenkt werden [13, 14].

Asepsis und Operationstechnik

Einen wesentlichen Einfluss auf die Wundinfektionsrate hat der Operateur selbst: ein zügiges und atraumatisches Vorgehen mit effektiver Blutstillung und Entfernung von devitalisiertem Gewebe begünstigt das Operationsergebnis.

Der Operateur muss davon ausge-hen, dass alle chirurgischen Instrumen-te und invasiv eingesetzten Medizinpro-dukte (z. B. Fremdkörper) adäquat wie-deraufbereitet bzw. steril sind. Je nach Art des operativen Eingriffs ist die Aus-stattung des OPs mit einer raumlufttech-nischen Anlage (RLT) notwendig (z. B. Knie- oder Hüfttotalendoprothese). Für eine turbulenzarme laminare Strömungs-richtung der Luft ist es notwendig, die Tü-ren geschlossen zu halten. Auch ein um-sichtiges Verhalten des Personals im OP trägt zur Infektionsprophylaxe bei: so soll-te sich nur die notwendige Anzahl an Mit-arbeitern im OP aufhalten und leise oder gar nicht gesprochen werden [15].

Postoperative Maßnahmen

Verbandswechsel

Der erste postoperative Verbandswechsel findet in der Regel 24–48 h nach der Ope-ration statt, durchgeblutete oder feuchte Verbände sollten sofort gewechselt wer-den.

D Eine hygienische Händedesinfektion muss vor und nach jedem Verbands-wechsel durchgeführt werden.

Die Entfernung des alten Wundverbands wird mit keimarmen Handschuhen vor-genommen. Nach einer erneuten Hän-dedesinfektion sollte der weitere Kon-takt mit der Wunde entweder mit ste-

Zusammenfassung · Abstract

Arthroskopie 2013 · 26:251–255 DOI 10.1007/s00142-013-0772-x© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

S.W. LemmenPrävention von Wundinfektionen. Basismaßnahmen

ZusammenfassungFür die Vermeidung von Wundinfektionen stehen verschiedene Maßnahmen zur Ver-fügung. Die Teilnahme an einem Infektions-surveillanceprogramm, wie z. B. dem Kran-kenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), ist gesetzlich verbindlich gefordert, hier steht ein spezielles Modul für die Erfas-sung postoperativer Wundinfektionen zur Verfügung. Patienteneigene Faktoren, wie z. B. Immunsuppression, Alkoholabusus, Ni-kotingebrauch oder Adipositas lassen sich meist nur in geringem Maße beeinflussen. Zu den präoperativen Maßnahmen gehö-ren u. a. eine optimale Blutzuckereinstellung, Ausgleich einer Anämie oder einer Mangel-ernährung und die Behandlung von Infektio-nen bei elektiven Eingriffen. Auch eine Keim-

lastreduktion durch desinfizierende Kör-perwaschungen, Vermeidung einer schar-fen Haarrasur, die Durchführung einer ad-äquaten Antibiotikaprophylaxe und eine kor-rekt durchgeführte chirurgische Hände- und Hautdesinfektion des Operationssitus stellen wichtige Maßnahmen dar. Intraoperativ sind ein Auskühlen des Patienten zu vermeiden und auf die strikte Einhaltung der Asepsis zu achten. Postoperative Maßnahmen umfassen eine sachgerechte Wundversorgung sowie ein zügiges Entfernen von Wunddrainagen.

SchlüsselwörterWundinfektion · Prävention · Risikofaktoren · Infektionspräventive Maßnahmen · Hygiene

Prevention of wound infections. Basic measures

AbstractIndividual patient risk factors for wound in-fections, such as alcohol abuse, smoking or obesity can usually only be modified to a small extent. Studies have shown a reduc-tion of surgical site infections due to the im-plementation of a benchmarking surveillance system. In order to prevent surgical site infec-tions a variety of interventions are available, such as glucose control, correction of anemia and malnutrition and antibiotic therapy of in-fections before elective surgery. Reduction of the microbial skin flora by whole body wash-

ing procedures, avoidance of sharp razor shaving, application of antibiotic prophylaxis and correct surgical hand disinfection are ad-ditional measures. Intraoperative hypother-mia should be avoided and strict compliance with asepsis is mandatory. Postoperative pre-ventive measures include appropriate wound care and rapid removal of wound drainage.

KeywordsSurgical site infection · Prevention · Risk factors · Infection prevention · Surveillance

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Leitthema

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rilen Handschuhen oder in der sog. Non-touch-Technik, d. h. ohne direkten Hand- oder Wundkontakt, durchgeführt werden. Der Verbandswagen kann mit ins Zim-mer genommen werden, die Anwesen-heit einer zweiten Person zur Unterstüt-zung ist sinnvoll.

Drainagen sollten so früh wie mög-lich entfernt werden, ein routinemäßiger Wechsel der Auffangbehältnisse sollte nicht stattfinden. Manipulationen an den Drainagen sollten unter aseptischen Be-dingungen erfolgen, das Infektionsrisiko steigt mit der Zahl der Manipulationen sowie der Liegedauer der Drainagen [19].

Fazit für die Praxis

Für die Prävention postoperativer Wund-infektionen stehen vielfältige Möglich-keiten und Maßnahmen zur Verfügung. Die eigene Infektionsstatistik im Rahmen eines Benchmarksystems (z. B. KISS) lie-fert eine valide Grundlage für eine Inter-vention. Bei elektiven Eingriffen sollte bereits präoperativ eine individuelle Ein-schätzung der Risikofaktoren eines Pa-tienten erfolgen, um entsprechende Prä-ventionsmaßnahmen einzuleiten. Intrao-perativ sollte eine Auskühlung des Pa-tienten vermieden werden. Weitere wich-tige Maßnahmen sind hier die korrek-te chirurgische Händedesinfektion sowie eine gute Operationstechnik. Postope-rative Präventionsmaßnahmen umfas-sen eine sachgerechte Wundversorgung und das zügige Entfernung von Wund-drainagen.

Korrespondenzadresse

Dr. S.W. LemmenZentralbereich für Kranken-haushygiene und Infektiologie, Universitätsklinikum Aachen (RWTH)Pauwelsstraße 30, 52074 [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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