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DIE NATURWISSENSCHAFTEN WOCItENSCH.RII~r FOR DIE FORTSCHI~ DEN NATURWISSENSCHAFT, DEN MEDIZIN UND DEft TECHNIK
II]ll t US~II ~l l l l lN 'YON
DR. ARNOLD B E R L I N E R lIND PROF. DR. AUGUST P~rTTER
S i e b e n t e r J a h r g a n g . 15 . A u g u s t 1919. H e f t 33.
Probleme der experimentel len Psychologie.
t'oJ~, Prof. Dr. K. Koffka, Giefien.
I I .
i ~ b e r d e n ~ , inf luB d e r ~Erfahrung a u f d i e W a h r n e h m u n g .
(Beha, t~del:t am Problem des Sehens yon Be wegungen.*) )
]in der Einfi ihrun,g zu dieseu Bet raehtungen *) waren zwei t Iaup tprob lemkre i se der experimeu- telten Psyehologie untersehieden word.en: die Wahrnehmungs- und die Gediiehtnispsyehologie. Beide f i ihren aber n ieht ein gesondertes Da,sein, v ie lmehr ist sehon der e rs te n ieht ohne den zweiten ersehgpfend zu be~h~andeln. Denn das, was der erwaehsene 5Ienseh wahrnimmt, ist zwei- fellos n ieht nur bes t immt dureh den Reiz und die angeborenen Fnnkt ionsweisen des nervSsen Zentralorgans, sond'ern hiingt aueh ganz wes,enttieh yea der Entwiek]ung a'b, dureh die der N[enseh hindurehgegangen ist. I n d'i¢ heut ige Wahrneh- mung geht in i rgendeiner Fo rm die fr i ihere Er- f ahrung du tch dns Ged~iiehtnis ein. W]r wollen je tzt nael~ der A r t and den Grenzen dieser E in - wi rkung fragen. Di,es Problem. is t aufterordent- l ieh wieht ig ; meinte man doeh, in der Wahr- nehmungspsyehologie mi t den Begr.iffen der Emp- f indung und des Ged~iehtnisses aus'kommen zu kSnnen, ein Standpunkt , yon dem unser e rs te r Aufsatz dutch die E in f i ih rung de~ Gestal t - begri.ffes rad tka l abgewiehen war. Der dort ver- t re tenen Ansehauung seheint n~an nun leieht da- &lreh begegneu zu kSnnen, dal~ man sieh auf fol- gende Pos i t ion zurt iekzieht : Urspriing]~ieh reagier t der Organismus empfindungsm~ftig, erst die Er - f ah rung ~iihrt dazu, dal~ d,ie Emp.findungen sich zusammenschtieften, daft sie ve~'bin, d'ende VorsteI- lungen hinzutre ten, so daft der Schein entsteht , der Organismus reagi~re auf den Reiz al lein ~rfit Gestal ten. Den Naturwissenschaf. t lern ist dJese Ansicht dutch den yon Hel~holtz ver t re tenen Empi r l smus bekannt. U n s e r e neue Wahrneh- mungslehre dar f kelne al lgemeine Gel tung bean- spruchen, ehe sie zu dieser v i ta len F r a g e Stel- lung genommen hat. Dem heut igen S tand tier Forsehung entspreehend a, ollen wi t b ier an einem
*) Das psyehotog'ische P,roblemvder K inematographie wird M er prinzipiell ander,s gelSst als in dem Aufsatze von Mertg (Heft 25 ds. Jahrg:,). Der Anfsatz ist lunge vor dem Erscheinen des A.ufeatz~s yon Mcrld bei der Sehriftleitung eingegangen.
a) 5. Jahrg. 1917, tIeft 1, S. 1.
Spezialproblem die experimentel le Behandlung der F r a g e verfolgen, dazu 'bieten sieh die aueh an un4 fiir sieh 'dem N.aturwissensehaft ler in ter - e~santeu Tatsaehen des Sehens yon Bewegungen dar, wie sic in techniseh vollkommener F o r m im K[nematogra,phen hervortret, en~).
¥o rhe r massen wi t uns dariiber Mar sein, in ~veleher Weise nseh der herkbmmIiehen Ansieht die E r f a h r u n g ,arbeitet. ~{au pf legt E,rfahrung gleichzusetzeu mi t Assoziation, d. h. man ste[tt f i ir Mles Auf t re ten l~ieht d i rekt dureh den Roiz h,ervorgerufener Bewul]tseinsinhMte d:as Assozia- t ionsgesetz auf: Sind einmal z~vei Empf indungen A und B zusammeu (gleichzeit.ig ~o'der kurz naeh- e inander) im Bewufttsein gewesen, und t r i t t d.ie eine yon ihnen wieder auf - - als Empf i~dung oder als blol]e Vorste l lung -:-. so b'esteht die Ten- denz, dab aueh yon der anderen eine Vorst 'e lhmg auf t r i t t . Da nun -d'as zweite A niemals g a ~ dem ersten gleichen wird, so bed arf d i e s G e s e t z einer Erg~nzung: Ale reprod~zierendes Moment, so nennt man den wiederau~tauehen, den Inhal t , der dureg Assoziat ion den tand,eren naeh sieh zieht, k5nnen aueh Inha, lte wirken, die yon dem ur- spr i ingl iehen mehr oder weniger versehieden sind~ }st A als urspriing}iehe E mpf indung gegeben, so k5nnen aueh die Empf indungen AI, A.~, As, . . , An und die Vors te l lungen a~, a2, a3, • . . , c% das nr- spri ingl ieh mi t A verkni ipf te B repro'duzieren. Das gleiehe gi l t nun aueh fi ir ,des repro4uzier te Element , das ja sehon als ~v'orstellung yon tier nrspr i ingl iehen Empf indung in mehr als einer Ribh tung versehieden ist. Aus der ein~deutigen Yorausset, zung A-=B zieht man also eine sehr m, ehrdeut ige Fo tge rung A~ A.~ . . . A n ea a,., . . . % - - b~ G . • . b~ und sueht ,d'ie ]~indeutlgkeit 4adureh wiederherzustellen, daft man auf zahl- reiehe, an s ieh mehrdeut ige Repro 'duktionstenden- zen hinweist , die zusammen ein Mndeutiges Re- sul ta t ergeben. Die Amvendu, ng dieser Theor le auf die Wahrnehmung maft nun noeh Folgen,des beson- ders beaehten : t i l e r kann der F a l l elntreten, u n d e r ist sog~ar der gewShniiehe, dab des I~eproduzierte sieti n ieht vom Empfundenen son,d~ert, "vielmehr als gleiehwert iger Tell ,in die Wah . rnehmungsvof s te l lung eingeht. In der dunklen Eeke f l a t t e r t ein Handtueh , diese Empf indung reproduzier t 'd:ie ¥o r s t e l l ung eines sieh bewegenden 5[ensehen, rewoduzierendes Moment unk4 reprod'uzierte ~¢or- steHung verseh.melzen, ieh ,,glaube, einen sieh be- wegenden ~¢[.ensehen zu sehen". Sehon Helmhollz hat auf d:ie Unmit telbar ,kei t und Zwangsl~u~i.gkeit
1) Im vorigen Aufsatz, a. a. O., I-Ieft 2, 'S. 24 Mnd wlr ganz kurz sehon hier,auf eingegangem
Nw. 1919. 80
598 Koffka: Probleme der experimentellen Psvehologie. / Die Natur- [wissenschaften der reproduzierten Elemente in der Wahrm-hmung hingewiesen~) . und h.ervorgehoben, wie sehwierig es infolgedessen hiiu{ig ist, reproduzierte und empfundene Teile zu soudern. Wundt hat diese besondere Art yon assozistiver ReproduktJon Assi- milation genannt (13, I i I ) .
Der Kinematograph seheint nun ein Sehulbei- spieI ~fir solehe Assimilation zu sein, wahrbaft ein Apparat zur Erzengung yon Assimdlationen. Da- dureh, dab mir sehnell hintereina~der lauter eln- zelne, nahe beieinander gelegene Phasen einer Bewegung gez.eig~ werden, glaube ieh, Bewegu'ng
z a sehen. Es wird also auf Grund yon bestin~rn- ton r'uhenden Emp~indungen die Vorstel]nng yon ]3ewegtem erzeugt, au~ensehein.li.eh auf Grun,d yon Er~ahrucng (Assoziation), und diese ¥orstelhm'g versehmil.zt ,mit den Emp~iudun~en so lest, da~ i ehbe ide Arten yon Elementen gar nieht t rennea kann. Dies wird abet dureh eine k]e~ne Xnde- rung im Be~rieb der Apparatur ermbgl, ieht; ieh brauehe den Fi lm nu t langsamer lau~en zu ],assen, dana versehwin'det die Vorstellung, die Empfin- dungen bleiben.iibrig, .ieh sehe nae~einander die einzelnen Bilder (Linke [7, 8]).
Naeh di'eser kurzen Kennzeiehnung der Theorie 'wenden wit ~ns zu den T.atsachen, um an ih'nen die-versehiedenen Ausgestaltnngen der ~lllgemeinen Prinzipien zu erpro'ben.- W,ir stiitzen uus ~'or allem auf d,ie experimentelleh Res~dtate Werthelmers (12) sowie des Yer~assers nnd sei- her N~itarbeitej~ Ken]~el und Korte (4, 5), ohne uns an die historisehe Reihenfolge zu halten, naeh weleher die Arbeit yon Wertheimer als Ausg:angsj)'m~kt und Grundlage ~i'tr a]le sp~teren Fo r sdmngen zu gelten hat..
Der Gruudversueh is't folgendei ' : ~it Hilfe einer geeigneten Vorriehtung (Tachistoakop) wer- den naeheinander zwei Objekte ,an{ gleiehfbrmi- gem Grunde ffir eine kurze Zeit exponiert, am einfaehsten je ein Strieh in zwel versehiedenen Lagen, en~weder, so meist ,bei Ko-rte (5), wie in Fi:g. 1, o,der, so vielfaeh bei Ige.rtheimer (].2), wie Fig. 2, erst a, ,dann b oder timgekehrt. Dutch unsere Ap~araiur kbnneu wi~ m m in-ein{aeh.er Weise die Dauer der E:~pps~ition yon. a und b (ei~ u'nd e~), die Pau'se zwisehen den Expositionen (p), die Ingensitbt der Striehe (i), die ,hell auf du~'l¢le.m Grun~e m:sehienen, ,und ihren Abstand (s) Variieren. ~ n k.ann dann die Yariablen se wiihlen, dtd.~ der Beobaehter nieht mehr zwei Strlehe sieht, sondemt einen, der sieh ans der Gage a in die Lag'e b bewegt*). Wir wollen die- se~r Eindruek den d e s opti.malvn Bewegungs., stadia.tins , kurz Opt~im~al'staflium ,(Opt) nennen. Ge%en wit yon 'dies.era aus , un& verliingern die :Pause zwisehen den Exposit ionen-von a und
then; wir wollen diese Erseheinung das Suk- iessivstadh~m, (S.ulc) neunen. Verkiirzen wir , u m -
~ekehrt ~die Pause, so wird bei einer best~immten Grbge der Vergnderung wieder eia neues Ph~- nmden Suf[reten: es werden wieder zwei Striche zesehen, (tie aber strung gleichzeitig auft~auehen und versebwinden, man sieht also im F,all der F,ig. 1 zwei I'al",all.ele, im Fall der Fig. 2 einen reehten Winkel. A.ueh dies is~ nieht ibberrasehend, da ja der Grenzfall der Pau~nverk t i rzung die ~!elehzeitige Darbietnng der beiden Striehe ist, und es im ganzen. Gebiet der Sinuespsychotogie Selrwellen g}bt. Wir nennen dies letzte Ph~inomen das Simulta~s'tadium (Si~t) nnd haben dmnit die drei t taupts tadien ebarakgerisiert.
N u n h a b e n d i e V e r s u e h e v o n . K o r t e ( 5 ) abet ergeben, .d.al] man yore Opt 'aus die be~den an- derr~ Haup~stadien nieht nur dutch Yer:find6xun,a' yon p, sondern, aueh dutch Ver~inderung der In- tensitiit (i) mad .des Abs~an(N (s) hervorrufen k, ann, w~ihrend p kenst~ant bleibt.. Und zwar ~and Korte fo]gendes: hm:rseht Opt, so ~erwandelt sieh dies in Suk, 5~enn die Intensitiit erhbht odin: tier Abstand veskleifiert wird, in Sire durch ttera%- setzung yon i oder VergrbBerung yon s. Vom
Fig. 1.
I ...... a ~ '
Fig. 2. Fig'. "3.
Suk kommt man also zum Op~ und sehl.ieglieI~ zum Sire auger dureh Verkiirzung yon p durch Setexiiehung yon i odor Yer,grgBerung yon s. Wit kbnnen ,diese Beziehungen in folgeuder Form aus,drtieken:
I. io~t ~ 1-/l, pOpt ~ l/i JI. P o m ' ~ s "~opt ~ p
I l L sopt ~ i iopt ~ s, wobei das Z e i e h e n ' ~ nur besagen so}t, daB, wenn wit yore Op~ a,usgehepd die re ehte" Seite der Formeln .ver~ndern, diese , Ver~nd:er&ng dureh eine gle~chsinnige der linkeu kempensiert Wer- dean mug. Uber die Art der Funkt ionen kann noeh keine Aussage gemaeht werden.
Wir fl~agen jet~zt, wie stehen diese Tatsaehen zu der Annahrne, daft es sick um ~assozia~iv erkliir-
b, so kommt es bei elner bestimmtm~ Grg.ge bare Erseheinungen handelt-")? Beginnen wir~mi~ dieser Yeriindermlg d~z.u, dal~, der WirkI~ehl~ei~ . . . . . . . . . . . .
1) Unsure Anordnung ,stellt also die einfachste Form entspr2chend, zwe{ S~riche gesehen werden, die des Kinematagraphen d~r. ~c]~ei~ander ,an versehiedenen Stellen ~m~i~au- ~) Theofi.en, die .durch diese un& ~rahere Vermmhe
.a) ~Ebenso d'ie englischen Assoziatlonspsyehologen, widerlegt sind, ~ber mit~ ~n.ser.em Ha.uptproblem nieht vor .all em J..St. MiU und X, Bairn it, Z~sammenhang stehn~ lassen wi r unbertieksiehf.igt.
H e f t 3a, ] 15. 8. 19191
Koffka: Probleme der experimentetlen Psyehologie. 599
der extremst empbistisehen Fassung, wie sie den Hetmholtzsehen Grun,ds~tzen ei~tsprieht. N,aeh Hetmhottz (3) erlehen wit Sinnesempfindungen ,nd lmmen d,ureh Erfahrung', sie auf Gegenstiinde der AuBenwett denten. L~ unserm Fall h~tten wir also erst Empfin, dung a, d~ann Empfindtmg b und legten dies auf Grund yon Erfahrung so ~us, dab sieh ein Objekt yon a naeh b bewegt hat. Auf die inneren psyehologisehen Sekwierigkeiten dieser Tbeorie wollen wir nieht eingehen - - n.ur kurz darauf hin, weisen, daft es so etwas in der Tat gibt, Sonne, Stundenzeiger ,der Uhr, daneben aber der Sekundenzeig~r! - - , sondeml nur fragen. wie steht sie zn den Tatsaehen? Nun, die drei l-Iauptstadien und ihre Umwandlung Mlein ttureh Vergnderung yon p khn'pte sie all6nfalls erklgren ; sind zwei Empfin.dungen J~ast g]eiehzeit, ig, so ei'seheinen sie noch ,als Zeiehen gleichzeitiger Objekte, {olgen sie in grogem AIbstand, so zwingt uns keine regelm:~igi, ge Erfahrung, sie dutch Be- wegung zu verbinden, ist ,abet p yon einem be- stimmten GrSgenbereieh, so entspricht es der Er- fakrung, ,dab solehe Empfindnnge~ yon einem be- we~en Objekt hervorgerufen wurden. Die Theorie versagt" aber sofort gegenf~ber den Xorteschen Gesetzem Aueh w e n n p unveriindert blei'bt, kann de~: Bewegnngseindruek ja durch blol?e ,Ver~inde- rung yon i oder s zerstSrt werden, und diese Tatsaehen, zumal sower sie i betreffen, k~ann die vorgesehlagene Theorie nieht erk]gren, wle nicht weitex ausgefiihrt zu werden bsaueht. Helmholtz ist tibrigens auf diese Dinge nieht ausftihrlieh eingegangen, er betmndel-t ganz kurz die stro'bo- skopisehen Sehei~ben (Lebensr,ad) und sleht da d~s Wesendiehe in der Versehm.eLzung ,der Bilder (3, I1 ~ 185), ohne darauf einzugehen, warum. wenn zwei oder mehr nieht vgllig iibereinstim- mende r~xhende Bi}der versehmelzen, der Ein- druek .der Bewegung entsteht; jedenfalls hat er ~ber an eine assoziative Erkliirung gedaeht.
Die letzte Betraeht'ung fiihrt uns zu einer anderen Theorie, die sehr hiiufig vertreten w o f den ist, und die den strobos,kop~sehen Bewegungs- eindruek in Beziehung zu den positiven Naeh- biidern tier eiuzelnen Phasenbi-lder bringt. So sing naeh Wundt (13, I I ) die Bedlngungen fiir ~lie Ent, stehung des Bewegungseindrueks d,ann am giinstigsten, ,,wenn gas positive Naehbi]d der vorangeg'angenen Phase in dem ~forr~en~ ver- .schwindet, wo das neue Bi~]d a~ftritt" (S. 615). In @n hier ,beseh,riebenen Versuehen khn.nen aber die Naehbilder keine k0nstitutR% Rolte gespielt haben, ha'ben wit es doeh mit r~iumlleh stark ge- trennten Reizobjekten zu tun, nnd die Bewegung, gerade das zentrale Phiinomen, wir& zwischen diesen Objekten gesehen (s . .a .u.) , wo ii~berl~aupt keine Naehbilder ~ liegen khnnen. Aueh sprieht wieder eins der Kortesehen Gesetze direkt gegen d4¢~e ErMiirung. Je starker tier Reiz,-rim so stg.rker and ]anger dauern4 das positive Naeh- biM. ]~Ian miil3te also im Sinne der Wundtsehen Theorie erwarten, d~g eine zu grol]e Pause dutch
E~dl~:hung ger Re~zintensitgt kompensier,t wiirde, wii.hrend, wie wir sahell, gas Umgekehrte der Fall ist: ist p zu grog, d. h. herrscht Sit~c, so kommt man zum Opt durch Itecabsetzung yon /.
Wu.ndt selbst Iegt freilieh kein allzugroges Gewieht auf gas N,aehbild, ,,,die entseheigende Rolle spielt db assimilative Assoziation der Be- wegungsvorstelhmgen, die yon der Naehbildwir- kung nur insoweit nnterstCttzt wird; .als diese die Auffassung einer kontinaierlietlen Bewegung be- giinstigt" (13. I I . S. 619). W,~ndt deutet also in der Hauptsaehe unsere Erseheinun,g so, wie w i r e s in der Einleitung &argestellt haben, a]s Sehulbeispiel fiir die Teilnahme yon GediieRt.nis- elementen an der Wahrnehmung. Nun ist Bins klar: wenn reproduzierte Elemente in die Wahr- nehmui~g ein,gehen sollen, so k, ann die Rep}odnk- tion (in nnseren Versueh.en) n ur yon beide~ Reizobjekten gemsinsam, ausgelSst werden, das reproduzi.erende Moment wih'en also die bsiden Striehe. Dies~ Folgerung ist am sehiirfst%n in der Linkesehen I d e n t i f i k a t i o n s t h e o r i e ausgedriiekt: l~onstitufiv, eon,d'itio sine qua non des Bewegungseindr~eks ist f ib Linke die Identi- fikation tier zwei ~gesehenen Objekte; ieh sehe nut ein Ob~ekt, daher sehe ieh B.ewegung. Dies ,,daher" hat aueh fiir Lin./ce friil~er (7) die Be- deutung geha'bt: dureh ~Assoziation; wenn aueh, wie wit sehen werden, mit einiger Einsehriinktmg. Heut (8) liilR er es dahingestellt, die assoziat.ive Erkl~irung erseheint ihm sogar unwahrseheinlieh.
Gegen die assoz~ative Erkliirung spreehen nun in tier Tat zahlreiehe Tatsaehen. Wit khnnen kinematoskopiseh Bewegungseindriieke e}'leben, die wir in-friiherer E~rfahrung sieher nicht er- ]ebt haben: Bieten wir als Exposition a .ein Quadrat, als b ei'ne.n Krei's, so sehen wit i m Opt ein Quadrat sieh in einen Kreis verwandeln, ein vSllig neues Erlebnis. Das hatte sehon Linlce (7) beobachtet und dara'ufhin seine, damals n0eh vertretene, Assozi, atio~stheorie ~bgesel~wiicht: es wird hiiufig nichf die Bewegung in ihrer spe- zie]Ien Form, sondern nui' die Vorstellung einer Bewegu~zg iiberhaupt assoziativ ergiinzt. Wit mtissen daher weRer fragen: was i s f e s iiber- haupt,, das, dutch ReproduCtion hinzugef£gt wird? .Die primitive Antwort ]autet: natiirlieh die zwisehenliegenden (fehlenden) Phasen. So selbstverstiindtieh diese Behaupt'ung klingt, so wenig hiiR sie einer geaanen Tatsaehenforsehung stand. ]Vertheimers Yersuehe zeigten, daft im Opt bei auf gas Zwischenfeld gerichteter Auf- mel~ksamkeit ia diesem ZwischenfeId hie'hrs, yon ,,Phasen" gesehen wird; im Fe]d ist nichts yon Objekten, das Objekt geht aus seiner Lage a heraus, kommt ill seine Lage b, dazwischel~ i s t e s nlcht vorl~anden, wohl aber die Bewegung, die vol~ommeu einheit]ieh bleib~t. Der Grund, tiber den sik:h das Objekt bewegt, urn yon a nach b zu ge]angen, wird yon seiner Farbe nieht tan- giert.. Ein schSner -Versueh Wertheimers maeht gas besonders deu~lieh (vgl. Fig. 3). Dei- kleine
600 Koffka: Probleme der experimen~ellen Psyehologie. [ Die Igatur- [wissensehaften
Strieh b' war such nieht ftir einen Augenblick zu einen~ vollen Balken erg~inzt, obwohl optim~,te Drehung yon a nach b gesehen wurde. Li~ke, der friiher sehou ~ihnliehe tleobaehtungen ge- maeht hat, bestgtigt jetzt die Besehrei'buna' Were- helmets vollkommen, ohne freilieh seine Konse- quenzeu daraus zu ziehen. ])enn wir mitssen doeh sehtiegen: reproduktive Erg~inzuug Ton Zw}seh,enphasen liegt ~icht vor. Lbnl,,e abe," verstel~t trotzdem unter BewegungsverstelhmR" gar niehts weite~, ,,sis alas Bewufitsein, dab zwi- schen den vorgestellten ~bzw. u~ahrgenoramenen Figuren Zwischenphasen bestehe~" (7, S. 553), und er h~lt (2. u.) au.eh heut noeh an dieser Ansieht t'est und modi~iziert .sie nttr dadureh, dab .er die Erggnzung als unansehaulieh kehn- zeiehnet .(8, S. 282, 301). Eutfgll t fiir die Asso- ziation:~neorie, did Ergiiu:zun,,~ tier Zwis.ehen- phasen, so kann sie n u r m e h r behaupten, dab Be- wegung sis Inhalt eigener A'rt reproduziert wird, eine Xonsequenz, auf die wir ba]dzurf~ek- kommen werden.
In noeb grSl.~ere Schwierigkeiten ger:,it (tie Theorie, wenn wit noch dem reprodt~zierenden '.],foment fragen. Ats solehes kSnnen ja, ,ihr zu- ~olge, nur beide Objekte gemein,am wi~ken:, ein einzelnes ruhendes Objekt trot keinen Anl/aB, V e t stellung yon Bewegm~g zu reproduzieren. "Wir sahen auch ,schon, ,dal~ d ieser Standpunkt yon der Identifil~ationstheorie priignant vertreten wird. Sie kalm sieh ant die nn'besCre)tbare Tat- sache stiitzen, dab fiberall, we I'de.ntit~it gesehen wi rd , - auch Bewegung gesehen w~d. Bewiesen w[~}e sie abet erst, wenn aueh die. Ur~ke~hrung gelten wiirde; es ist aber gerade eins der. wieh- tigsten experimentellen Ergebuisse l,I[ertheimers, daft :dies n.ieht de~" Fal l ist. Wertheimers Gegen- beweis ist. ira Grund furehtbar einfaeh. Wir ken- nen die drei IIauptstadieu Sire, Opt, S.M,'. Weft- helmet ste]lt nun die Frage, was ia~ gegeben, wenn eewa p ftir Opt zu klein, ~tir Sire zu t~'rol.l ist ? Man kSnnte meinen, ~die Eindriieke miifiten dana zu besehreiben sein als nndeutliehere, nnsieherere, sehlechtere ]),eweg'ung. der Beobaehter etwa im Zweife], 'ob Bewegung oder Simultanit~t vor- ]iegt, und diese Neinung hat wohl such eine weitere Ergorselmng des Phiinomens s o lange verhindert. Eingelmnde :Beobaehtung zeigt aber, daft sie fa]seh ist, daf~ hier vielmehr_Phiinomene yon qua]itativer E,i~enart auftreten, allgemein zu eharakterisierer~ als Teilbeweg'ung. Mkn sieh} nieht mehr ein Objek L dss sleh aus .Gage a in Lage b bewegt, sondern uwei Objekte (~ m~d b, s'on denen sieh das erste aus selner An%ngslage heraus ein Stiiek in ~ iehtung ant b h i n bewegt, das zweite aus der Riehtung yon a ein Stiiek herkommend sleh in seine End'lage begibt, un, d zwar-zwisehen den Grenzen, d.al~ a und b jedes- nur einen Ruek maehen, his zur vSlligen Ans- fiillung der Bewegungslbahn, wobei, ,damn jeder Tell die I t~lf te des Wegs zuriieklegt. Wi t be- zeiehnen diese Phi inomene-als duale Teilbeu'e-
gu,g. Sie beweist, daft der Satz: kelne Bewegung ohne Identffikation, falsch ist; wird doch bier Bewegung der beiden Objekte a uud b gesehen. ohne dM3 diese identifiziert werdem Andererseits kSnnte man, da ja doch beide O'bjekte bewegt And, sis-reproduzierendes ~5oment far ,(tle Be- weguugsvorstellungen immer noeh beide Objekte gemeinsam ansehen, h'eilieli ohne Ident,ifikation. /)agegett sprechm~ abet folgende Tatsaehen. Ver- lgngern wit fin Ol)lJ etwa die Exposi t ion des ersten Striehs, so wird wieder die Identitiit zer- stSrt: man sieht zwei Striehe, und zwar den ersten in Ruhe, den zweiten in Bewegu'ng; er geht aug a heraus naeh b, Xndert man jetzt p, so kann man es erreiehen, dab wieder a in tl~he bleibt m~d b sieh bewegt, diesmat ~ber nut fiber ein Stiiek des Wegs; man kann die Xnderung yon p so lange forfsetzen, bis aueh b nur noeh einen ]{uek maeht. Wir spreehen hier you sin- gularer Teilbewegung~). Sie beweist , daft die Bewegung gar nieht beide Objekte zn betreffen braueht, sondern nur das eine; das. macht es aehr nnwahrseheinti.eh, dab bier bei~de O;bj.ekte g'emeinsam reprodnktiv auf Be~egung wirken, wird doeh das eine ill Ruhe gesehen. Wertheimer ist f~oeh einen Sehrit t weiter gegangen: er hat Bewegungseindruck erzie]t, ~venn fi, berhaupt nu t ein Objekt geboten war, und zwar auf fo]gende Weise: X~{an exponiert mehrma]s nacheinander ei~e Objektfolge a~-b (Winkel, Paratlel.versehie- bung) und ]~.St dann plStz]~ieh oh~e Wissen .des Beobachters eine tier beiden Expositionen fort. Der .Beo~baehter sieht n..un naeh wie vor ein be- wegtes Objekt, nur geht die Bewegung fiber eine kleinere Streeke, und wiederholt man nun die Ex- positi:on d.es einen Objekts, ~so bleibt ;die Be- wegung immer k]ei.n,er werden'd noeh w~hrend 3- -4 Expositionen erhalten und hSrt erst bei dec vierten o'der fiinften gan.z ,auf. Aueh dieser ¥er- suelx seheint ant den ersten Bliek nieht geg'en eine As'soziationstheorie zu spreehen: ma'n hat so oft zwei Striehe mit Bewegung geseh.en (man ~beaehte den DoppeMnn yon ,,gesehen", denn man hat ja such bei Exposition yon 2 Striehen nu t e inen bewegteu ,,gesehen"). dab jetzt, sobald der crate Strieh exponiert wird, auel~ sehon die Re- produktion tier-Beweg'ung zustande komm~, naeh dem Gesetz der Substitution. Diese Erklgrung: seheitert aber an der T.atsaehe, daft ja gar nieht die nrspriinglieh gesehene Bewegung jetzt wieder auftr i t t , sondern eine 'kleinere, fo r die- gar keine Reproduktionsgrun~dlage vorhanden sein kam b
A]s ~esultat dieser Betrae]ltungel> ergibt sieh: der Bewegungseindru-ck ist wedgr an 'die Identi- Yikation, uoeh f iberhaupt-an beide Objekte not-
1) Linke bes4reitet die Existenz solcher Teilbewe- o ~ c ¢ .~un~; ihre Fest~tellun,g ,beruhe auf Versuchsfehlern ml4 Irrtiimern von Wertheimer ~nd ~seinen Beob~ch- fern. Wie merkwiirdi,g, dab meine Beobaehter dasselbe gesehen"-and ~ingehencI beschrieben haben. Vo.n ~n- kl'ar.en P]lgnomenen, wle Linl;e beh~uptet, ist ~ar keihe Retie, es ~handelt sieh mn yon jed.ermann unter den an- gegebenen Bedingungen beobaehtbare T~atsachen.
we~dig gebunden, die assoziat iv-reprodukt ive Er - kliirung f inde t keine Grundl.age in den Tatsaehen.
Ehe wir d~esen Gedankengang wei ter fort- setzetb ver lohnt es sieh, kurz .einem Ein.wand fol- g e n d e r Ar t zu begegnen: wir quiilten uns hier mi t gar n ieht vorh.andenen Problemen, der Tat- bestand l iege sieh viel ein~aeher so aUsdriieken: wir sehen eine Mehrhei t yon Pha.sen einer Be- wegung und .merken nJeht, clag die Bewegung fehlt. Wiede r woll,en wi t anf die inneren psy- cholog'isehen Sehwier igkei ten dieser Theorie n ieht ausf i ihr l ieh ein~gehen, nur kurz da rauf hinweisen, dab sie auf .den Orundsatz h inauskommt: ieh merke nicht, .dug et.was nicht ist, ist dasselbe, wie: ieh merke, dab etwas ist. Aber viel sehSner wider?eg't siell die Theorie dureh Exper imente yon Wertheimer. .]st ein Nichtbemerken fiir den Bewegungseindruek konst i tu t iv , so n~iit~te die Aufmerksamke i t ganz best immte Wirkungen haben, dergestal t , dab dann, wean sie auf alas Zwisehenfe]d ger iehte t ist, wo ja gerade alas Feh- ]en- der Bewegung n ieht ~bemerkt werden soll, gerad.e dies Fehlen bemerkt werden, der Bewe- gungseindruek ,also versehwinden miigte. Tat- s~ehlieh tr i t~ nun ~olgendes ein: H a t man aus- geswoehe,nes Off, ~ao ~.nd.ert die Aufme~,ksam-
.keit daran so gut wie gar niehts. E in staz:ker E inf ]ug der Aufmerksamke i t ist aber sofort zu konsta t ieren, sebald man die Bedingungen fi ir Opf etwas ung/ inst iger macht. Richter man jetzt die Aufmerksam~keit~ au f alas Z~dselaenfeld, so sieht man optimale Bewegung , r ichter man sie auf Bins der Objekte, so t r i t t eins der Zwisehen- st adien ein, Teilbewegung, und zwar im al]ge- meinen so, dal~ sieh das Objekt bewegt, auf das d~e Aufmerksamke i t ger iehte t ist. Die Tatsaehen stehen also im krassen Widerspruel~ zur Theorie des Niehtbemerkens, gerade ,da, wo die Aufmerk- samkeit ]iegt, is t .die Bewegung begttnstigt. I m setben Sinn spreehen die Befunde yon Korte. Is t der A b s t a n d der ,beiden Objekte sehr grog, so mug das Niehtbemerken der feMenden ]3ewegung erschwert sein; ma:n miigte es durcl~ Verkleine- rung' der Pause begiinst igen kgnnen . . Die Er fah- rung zeigt das Gegentei! : i st s zu grog, s.o sieht man Sire und kommt dutch Vergr6flerung yon p zum Opts).
Dami t kehren wi t zur Reprodukt ' ionstheorie zuriiek. Von allen .speziell~n Mangeln absehend wollen wir je tz t ihren al lgemeinsten Gehal t be- i r aeh ien ; der is t folgender: I n der Bewegungs- wahrnehmung si'nd zweierlei Bestandtei le ent- halten, e in eigentlich wahrnehmungsmii~iger (empfundener) und ein blo# eorgestdlter, beide zu einer ununterseheid'baren. E inhe i t vecbu.nden, in der die Vors te l lungselemente am Wirkl ich- kei tscharakter der Wahrnehmung teilhabeu. Jener F a k t o r sei der Ortswechsel eines Men- t isehen Gegens~andes, dieser das bewegte Objekt im Zwlsehenfeld (Linke [8], S. 282). Das Fun -
~-) Den gleiehen Ei~iwand kann man aueh gegen die Identi fikatiomstheorie erheben.
Koffka: Probleme der experimentel len Psychologie. 601
dament dieser Theorie bitdet die Tatsache, dab J3ewegung gesehen werden kann, ohne dab die bewegten Zwisehenphasen gesehen werden, was so ausgedrfiekt wird : ,,ieh nehme elne deufl iehe Bewegung wahr, tier gleiehwohl die wesentliehen. Keflnzeiehen der ]3ewegung fehlen" (Lin~e [8], S. 279), denn zu einer Bewegung, das t iegt i a ihrem Wesen, ihrem Begr i f f , gehSrt es, dab ein Objekt seine Bahn durehl~iuft. Diese Paradox ie soll nun du tch die eben dargestel]te Theorle i~berwunden werden; im e igent l ichen ,Sinn wi rd danach ja Bewegung gar nicht gesehen, sondern nur vorgesteIlt. Dami t ist die Theorie auf eine ganz neue Grund]age gestellt woi-den: n ieht meh~ die EmpirJe wird angerufen, sondern b e g r i f f - liehe lJ%erlegungen, die v o r a l l e r E m - p i r i o Oel tung beanspruehen. Dadureh ist die Theo,rie dem Urte i lssprueh der Tatsaehen entzogen, Tatsaeher~ kSnnen sie nieht widerlegen, aber aueh nieht, best~ti.gen~), un.4 sie kan,n mi th in aueh keine Voraussagen fiber Tatsaehen liefern., D,er Naturw]ssen:sehaftler wird solehe Theorie mit Reeht yon vornh.erein a,bl,ehnen. In der Tat seheint mir diese Nethode Linkes, aus ,,Wesengesetzen'" psyehologisehe Theorier~ zu ~bau.en. wi.e ieh h ie r f re i l i eh nieht, weiter begriindezl kann, ein aus- siehtsloser Irrweg.
Feh] t es der Theorie yon der Zusammen- gesetzthe]t der Bewegungswahrnehmung somit an einem Tatsaehenf lmdament , so ist es doeh aueh seh, wer, sie zu widerlegen. A;ber e s - g N t doeb g'enug Tatsaehen, die eben dureh diese Theor ie so gay nieht erkliir t , werden, also als Gegenargu- meute anzusehen .sind. W i t t.eilen diese Argu- mente in zwei Gruppen: 1. die deskriptive, 2 . .d ie funkt ionale . I n der ers ten tei len wir sehlieht beobaehtbare 5ferkmale, Beson.derheiten der Ph~- nomen,e selber mit, ha der zweiten gehen wit auf die Ents tehungsbedingungen und au{ die Naeh- wii'km~gen der Phanomene ,elm 1. Die Theorie der Znsammengesetzthei t ver langt nieht, dag wi t am Phfinomen di rekt erkennen k~nnen, was Emp- f indung, was blol3e Vorst.ellung ist, abet sie ver- langt, dab beide Ar ten yon Elementen, die Emp- f induagen sowohl wie die Vorstel lungen, im Ge- samterlebnis ,enthalten sein massen. Wertheimer ha t dagegen eine Reihe yon Yersuehen angef[lhrt , in denen die , ,Empf indungen" tei~weise oder ganz fehlen: a) Es i s t bekannt , z. B. yon Lese~,er- suchen her, dug yon tachistostkopisch exponierten Objekten h~iufig ein Tel l gar nieht zur W a h r - ne'hmtmg gelangt. Dies kam in den Versuch~n yon Werfheimer such vor; das elne Objekt {ieI aus, der Beobaehter gab an: W i n k e l a n o r d n n n g ; diesmal w:ar nur ein St r ieh exponiert , der sieh um ca. 30 o gedreht hat. }Iier t:ehlt also 'die e[ne ,,Empfi'ndung", ohne 4aB de r 'Bewegungse ind ruek versehwindet, b) :~'[an exponiert h~iufig h in te r -
1) So fiigt L,inke die'Kortesehen Gesetze seiaer Theorie in einer Weise ein,' dab Me tiber ihre Richtig- kei~ oder Falsehheit nichts ent.scheiden ki~nnen (8, S. 323), aber d,afiir wird ,auch gar keine ErkP, i~rung ffir diese Oesetze ~¢ersucht.
Nw. 1919. 8l
~ 0 2 Koffka: Probleme der experimentellen Psvehologie. r Die Natm'- " [ w i ~ o n s o b a f t e n
einander a b a b a b . . , dana sieht .man, wean opti.male Verhiiltnisse herrsehen, bald nieht mehr die Lagen c~ und b and dazwisehea die Hin- und :Riickbeweg:ung, sondern das Objekt kommt schon als bewegtes an- und verschwindet noch in Be- wegung, e) War ]~ier yon den ,,Empfin~dungen" a nnd b kaum ' mehr e~was iibrig geblieben, so kann der Ausfall ' noch r adikaler werden. Be- sonders wenn die Expositionszeiten kurz sin d, kann man l=~hiinomene hervorbringen, wo der Be- vbachter bei k lars tem-Bewegungsei~druck iiber- haup~ l~ein Ob]elct sieht. Also: Bewegung ,wir,d gesehen, nieht a.ber ein bewegter Gegenstac~<P.).
2. a) 3gun kann Opt auch dana erzielen, wenn sieh et und es zeitlich iiberlappen, also p n.egativ wirct. Warum soll ~hier zu den ruhenden Emp- dindun~en, die ja doeh sogar eine Zeitlang gleich.zeitig da sind, noeh die Vorstellung der Bewegung treten? b) Eiu noeh nicht esw~hntes Gese~z yon Korte besagt: Expositionszeit ~tnd Pause miissen gegeneina~der vari iert werdeh : tatxge :Exposition - - kurze Pause und ,umgekehrt. Bet rug z. B. p 37a ( l s = ~/~soo see), so sah man bei e : 1 8 3 ~ Opt, bei e : 3 7 ~ Sire. Seh0n dies ist sehwer zu verstehen. Vollends rgtselhaft wird es aber, wenn .man -nut eine Expositionszeit auf 183a bringt. Dann sieht man wieder Opt, un~l zw~ar sowohl wenn e~, wie wenn e~-allele vet: ]gngert wird. Man denke doc:[~: re'st erseheint Str ieh a ffir 37q, dann kommt die Pause yon 370, dann Str ich b; wiihrend, der ersten 37~ seiner Dauer ist noch nicht entsehieden, abun ,& was fiir eine Vorstellung zu den Empfindungen hin- zutreten sol]; die Entsche~dung ist such noch nieht gefallen, wenn e~ ,110 a g~dauert hat (e~ ~- 110 ~ "ergibt ~duale Teitb~wegung), drs~ die tetzten 73a yon den 257a 5ringen die Entsehei- dung, die die ersten 174s nieht herbeifii~ren konnten. N:ir ist kein Meehanismus fiir die Ver- bi~dung yon Empfindungen a nd Vorstellungen bekannt, der so etwas erkli iren kSnnte, c) Auf stroboskopisehem Web lassen sich Bewega~ngs- nachbilder erzielen. Es ist beksnnt, ,dab man, ~enn man lgngere Zeit bestimmt gerichtete Be- wegung gesehea hat nnd nun auf einen ruhen- den t I in t e rg rund ,b]iekt, die entgegengeriehtete Bewegung 'sieht. Bekannte Beisp"iele sind die gedrehte Spirale, die s'ieh, je naeh der Drehrich- tung', auszudehnen oder zusammenzu~iehen s~heint ~md s~eh, wenn .man sie dana plStzlieh anMlt, zusammenzieh~ bzw. ausdehnt, oder .das Vortiber- gleiten yon vertikalen Einien dureh das Geslehts- feld, denen bei objektivem Stillstand ein sehein- bares Raekgleiten folgt. Das gleiche negative Bewegungsnachfbild erhiilt man nun aueh / wie Exn, e~" and Wertheimer gezeigt haben, wenn man das Bewegungsvorbild kin~mato.graphisch dar- bietet. Dieser Yersueh stellt uns vor die Alter- nati~ve :'enl~weder wit n'ehmen such b e i de} Wahr-
~) Benussi ~m¢~ Linke leugnen d~s ~orkommen solcher teiner Bew.%o~ung, B. k~ante es nicht be~b~ch- ten, ftir L. ist es a priori unmSglich. Ieh selbst war einer der BeM~achter Wertheimers .and kann ~icht an- der.s als meinen oft wiedeyholten Beob~chtungen traaen.
neh.mung wirk]ieher Bewegun~ die Vereiaigung yon vorgestellten und empfundenen Elementeu an nnd miissen dana das Nachbild auf Grund dieser Annahme erkliiren, was ungeheuer schwierig ~sein di]rfte, oder wit geben die Annahme aueh fiir die stroboskopische Bewegungswahrneh.mung auf, was uns naeh allem Gesagteri nicht me'hr schwer fallen wird. Nun kSnneu wit die erste Alter- native wil~klieh ausschlieBen durch einen Vet- such Exners aus dem Jahre 1875: ,,Wenn man die weil3e Marke in den unteren iiuflersten Tell des Sehfelds bewegt, so kann man diese Bewegung noeh da erkennen, wo man die ~[arke tiberhaupt nicht mehr sieht, ~ . h. wo man weder etwas irgendwie ]3egrenztes, noch auch etwas Weil3es sieht. Es klingt fast ,ko.misch, dab ,man nut die Be~gegung, niehts Bewegtes sehen soll, doeh :kann ieh den Eindruek, den ieh babe, nieht anders %e- seilrei'ben" (2. S. 163). Aul3er tier Besfiitigung der reinen, objektlosen Bewegung liefert uns dieser Versuch einen Fall, wo Bewegung auftr i t t , ohne dab eine Empf indung im iiblichen Sinn da war, ja unter Bedingungen, unter denen versehie- den lokalisierte Empfindungen wegen der ge- ringen Se}.lschiirfe ~ler peripheren Netzhautteile gar nicht zustande kommen kSnnen. Exner sehliel~t denn such, dal3 der Bewegungseindruek nieht auf Vdrstellungstiitigkeit beruht, sondern a]s Empf indung anzusehen ist. Wertheimer hat ~hnliches nun such bei kinematoskopischer Dar- bietung erreicht, s9mi t den gleiehen Beweis fiir die Wahrnehmung nichtwirkI'ieh6r Bewegung er- braeht. Wit sind somit ber~chtigt, di,e Theorie den" stroboskopisehen B~ 'egungswahrnehmuagl die eine Zusammenset~ung dieser ,aus Empfindungs- und Vorstellungselementea behanptet, s ls unzu- reiehend abzulehnen.
So.mit bleiben uns noeh zwei Fragen: 1. Wie muB eine Theorie besehaffen sein, die allen Tat- saehen gerecht wird, und 2. .wie ha~ben wit uns dann den Einflufl der Er fah rung auf die Be- wegung~wahrnehmung zu denken?
I. D i e B e w e g ~ n g s w a h r n e h m ~ . n g i s t e t w a s E i n h e i t l i e h e s , in ihr trit't uns ein Inhal t s ~ generi's mit spazifisehen Qualit~iten gegeni~ber, der:en Charakteri,stikum es i ,st , dynamiseh zu .sein. E'ine Bewegung kann in itsrer an.sehanliehen Gegebenheit tang- sam und triige oder sehnell un.g te'bendig sein, sie kann sieh. leicht vollziehen oder wie aus mgchti,ger ~innerer St>antmng, um nut einige solche spezifiseher/ Bewegm~gsqualitiiten anzn- deuten. Und dies Erlebnis sui generis steht in ebenso direkter .Beziehung zi~ den Reizen, wie nur irgendeine Empfindung. Wi t brauchen nicht mehr 'zwischen der Wahrnehmung wirMieher und stroboskopiseher Bewegung zu scheiden, psycho- logiseh sind 'beide gleiehartig, "beide erxeugen ja negative Naeh~bilder, aueh sind beide, unter giin- stigen Umstiinden, ununterseheidbar, wie ~vieder Wertheimer in besonderen Yersuehen gezeigt hat. Wir kSnnten mit Ex'ner yon Bewegungsempfin-
I-I4ft 3~ l ]5. 8. 1919J
dungen sprechen, doeh ist der Sitz des physlo- ]ogischen Kor re la ts der Bewegung~vorstel ]ung re la t iv zentral an'zunehmen - - stroboskopisches Bewegungssehen kommt n i iml ieh-aueh d a n a zu- stande, wenn man Objekt a dem einen, b dem anderen Auge bietet - - , auf Netzhantvorgi inge kann man ]l ier n ieht rekurrieren, , wie ,bei den Farben, so dug man s i eh m i t der i i~liehen Ter- minologie in Widersprueh setzen wfirde.
I T ~ s e r e T h e o r i e m.uB a l s o p h y - s i o t o g i s e h s e i n - - da wir Bewegung als psychologkseh irreduzi,bel erkannt habes - - , and sie mug zentral osein. Solche Theo- r ie ha t Wertheinte,r entworfen: Er n immt naeh neueren hicnphysiologisehen Forsehun- gen aN wahrseheinl ieh an, dab :nit einer E r r e g u n g einer zentralen Stel le a eine physiolo- gisehe Wirkung \ in gewissem Umkreis um a ge- ~etzt wird. Wi rd nun naeh a eine Stelle b ge- reizt , die ~o nahe liegt, dug die U.mkreis~qrkungen ine inandergre i fen kSnnen, so l iegen mehrere MSg- l iehkei ten vor. Entw'eder die Pa~se zwischen den Reiznngen ist so grol3, dag die ,Um~kreiswirkung um a sehon 'erlosehen ist, wenn die E r r e g u n g yon b einsetzt , dann t r i t t Su/~ e in ; oder die Pause ist kfirzer, die E r r e g u n g yon a ist beim Einsetzen yon b etwa auf ihrem t t5hepunkt , dann t r i t t ein pkysiotogischer ger iehte ter Kurzsehlnl] ein, die Er regungen flieflen ine inander , und dies Hin i iber yon Er r egung ist das Xor re la t des Opt; is t die Pause noeh kiirzer, so sin, d die E r r egnngen f a r eine~ gerichtetes Eurzsehlul~ zu gleiehzeit ig, Zu- sammenflieBen f inde t statt , es )mrrseht auf dem ganzen Gebiet zwisehen den gereizten Stetlen ein Erregungsg]eiehgewieht , womit dana das Sire er- k]iirt wiire. Auger den drei Haup t s t ad ien e rk lgr t diese Theorie eine Reihe wei terer Tatsachen aug das einfachste, so ,die Zwischenstadien, die ~ u n g (s. u.), die W i r k u n g tier Aufmerksamke i t (s. u.) und das negat ive Naehbi ld (Zuri~ckfluten der Erregun~:).
Die En tdeekung der Korteseheu ,Gesetze tegte es nahe, d i e ~ Theorie wel ter zu entwickeln. Ich babe an einem geometrisuh-mechanischen Bi td untersucht , in welcher Weise der Oft des Zu- .sammentreffens .der zwei Esregungen yon de~) Fak to ren e, p, i: s abh~ingt, und h~be verschiedene Tre f fpunkte au{ der ¥e rb indungs l in i e ab den verschiedenen Stadien hypothet isch zugeordnet. N i t gewissen ein~achen Annahmen ist es mir ge- lungen, F o r m e l n zn ~inden, die n ich t nur d i e Kortesehen Geset~e, sondern aueh die i ibrlgen bier raitgeteilte~x Tatsachen ab]eitbar machen~). Auch sei bemerkt , ,dug gew.isse yon mi¢ fortge- ff ihrte :Experimente yon Kennel (4) die Grund- annahme der Wer the imersehen Theorie, d i e Er- regungsausbrei tung, / z u " bestgt igen scheinen. Exponie r t man niim]ieh ein einzlges Objekt, Linie , K r e i s usw., sehr kurze Zeit, so erschelnt es mi t
• a) In einer kleinen Arbeit, die am 21. April 1918 Carl Stu'mpf in einer~ F~stsch,rift Ms C~be seiner Schiller zum 70. G.eburtstage fiberreieht wurde, aber der sehlechten P~tpier-VerMtltni~se wegen noeh i.mmer nieht, gedruekL wer de~ konnte.
Koffka: Probleme der experimentel len Psychologie. 603
einer Ausdehnungs- und verschwindet mit e iner Z usammenziehbewegung.
D e r H a u p t w . e r t d e r W e r t h e ~ m e r - e h ' e n T h e o r i e i s t a.ber ein heur is t i -
scher; sie ~stellt neue Fragen, fordert ,~o- mi~ imm~r Wieder zu experimente] len Ent - seheid'ungen i~ber 'ihre Geltu~ng auf~. was wir gerade bei der psyehologisehen Theorie yon L/n,~,e, vermiflten. I h r e F rueh tba rke i t l iegt nun r o t al lem .darin, dab sie ein neues PriIszip in die phy- sio]ogisehe Hypothesenbi ldung .ein~fihrt. S ic sieht, zum ersten Nal , n ieh t in Einze]erregungen oder der Summe vgg dureh Assozlat ionsbahnen verbundenen Einzelerreg, ungen dss physiologisehe Korre la t bes t immter psyehiseher Ph~inomene, son- dern n immt dafi i r spezifische Ouerf'un~fio~;en an~ Gesamtvorggnge mit spezifisehen Eigensehaften~ nieht Summen versehicden kombinier ter Einzel-- erregungen. Und zwar rut sie ~ties such ffir das Sire, d. h. f/dr die ruhende Gesta l t . II ist, s u c k phys~ologiseh, n icht bloB zwei JAnien bzw. die. zwei Lin ien entsprechenden physiologisehen Vor- giinge, sondern ein spezi i iseher Gesamtvorgang, eirle best immte, .riiumlich-zeitliche Erregungsver- tei lung, Erregungsmelodie , entspreehend dem Phi inomen: 9 Para l le le (analog beim WinkeD, Dies is t nun fundamenta l ffir nnseren Empfin* dungsbegr i f f ; unter nat i i r l iehen Umsti inden er: leben wir j a immer mehr oder weniger ges ta l te te Komplexe. Die Psychologic driickt das so aus, dag sic sagt : die Empf indung sei ein A b s t r a k - ~ionsprodn'kt, g laubt abet t rotzdem, die Xomplexe dutch Zusammense~zung d e r - E m p f i n d u n g e n er- kliiren zu miissen. W i t werden dagegen prim.& ~ sis Grundlage der Wahrnehmungs.i>hiinomene. solehe spezifisehen Quer funkt ionen anzunehmeu haben, aus denen die , ,Empf indungen" ki inst l ich dureh A'bspaltung he_rvorgehen. Xhnliche Vor- giinge Gaben wi t in den Wer the imersehel i Ver- suehen fiber Aufmerksamke i t kennen gelernt. W i t sahen, un te r gewissen iiufleren Umstiinden t r l t t j e naeh der S te l lung der A/~fmerksamkeit bald dies, 1)aid jenes Ph~inomen auf. Aufmerksamke i t l~i~: also das, worauf sic sieh r ichtet , nicht unver- andert , sie gehSrt zn den Fa'ktoren, die mi t - 'bestimmen, was ffir ein Phi inomen '.bei e inem Reizbes tand auf t r i t t . Was heil~t das physiologiseh im Sinne der Wer the imersehen Theorie? Zu ngehst fg r den Fa l l der Bewegung: , ,Wie immer man zentrMe F u n d i e r n n g der Aufmerksamkei~ denken moehte, immer ist zu fo rmul ie ren : e iser StelIe, an der das Aufmerksamkei tsfnndieref l .de
. . vorhanden ist, kommt erh6hte Disposition fiir Erregungen zu" (12, S. 88/9). Darans folgen die mi tge te i l t en Ergebnisse. Al lgemein ge- sprochen: Aufmerksamke i t kann die Quer funk- t ionen veriindern, sie erwei tern oder zusammen.- ziehen, l~aeh nnserer Theorie sind die E m p f i n - dungen also pr inzipie]I Vm~'iinge der gleiehen A r t wie die hSehsten Gestal ten, Vorgg'zkge, die nm ~ Ms-nahe an die Grenze des physiologiseh 3Igg- l ichen eingeengt, gehemmt worden sind, also Ph~nomene, die im Verh[il tnis zu den G e s t a ] t ~
604 Koffk~: Probleme der experimentellen Psychologic. Die Natur- wissensehaften
niche prim~ir, sondern sekundiir sind, da sic ja dureh ktinstliehe Isolierung aus ihnen hervor- gehen. Der Untersehied zwisehen dem ,,bildungs- gesetzlieh Festgelegten" und dem dureh Eiuhbung Erworbenen, um die dutch v. Kries (6) neuer- dings eingefiihrten Begriffe zu verwe~den, be- steht jedenfalts zwisehen Empfindungen und Ge- stalten nieht.
2. Und nun wenden wir uns zur letzteu Frage, die ja den Ausgangspunkt unserer ganzen Unter- suehung b~ldete. W i e h a b e n w i r u n s a e n E i n ~ l u l ~ d e r E r f a h r u n g zu d , e n k e n ? t-Iier mtissen wit nns auf unser spezielles P, roblent beschriinker~ und noeh ein paar T,at,saehen anfiihren. W~r. vel~veisen ~uf Wertheimers Einstellun~svei, sueh mit Dar- bietung nur eines Objekts. Hier ist der Einfluf des Erfahrung deutlieh: h~tte man vorher niche mehrmals zwei Objekte unter Bedingungen des Opt exponiert, so wiirde jetzt das eine nieht den Eindruek tier Bewegung hervorrufen. Ein anderer ~Tersuch Wertheimers ist in Fig. 4 vera'nsehau-
b b b b Fig. 4.
tieht. Mehrmals wird Nr. 1 geboten, man sieht Balken a in der Pfeilriehtung umklappen, man bietet nun fortl,aufend Nr. 2, 3 und 4, und aueh bier, wo der Winkel grSl3er als 90 ° ist, erfolgt die Drehung im gleiehen Sinn, wiihrend Exposi- tion yon Nr. ~ ohne vorangegangene Nr. 1---3 .die entgegengesetzte Drehrichtung ergdben hiitte. Der Einflng.der Erfahrung iiul~ert sich also bier so, dal~ met~rfaeh wiederholte A:ktua]isierung .be- stimmt gearteter Yorgiinge Dispositionen'sehafft ~iir gleichartige Vorgiinge,~ so dug solc~le auch d~nn auftreten, wenn die Ileiz}age atlein andere }~eaktionen hervorgerufen hiitte. Die Erfahrung bra~ueht n attirlieh niche aus den Versuehen zu stammen, sic kann dem gewShnlichen 'Lebgn ent- nommea sein. Dafiir braehte Lintce (7) u. ~: fol~ gendes Beispie]: Di-e einzelnen BHder der Fig. 5
' L J %_2 % j Fig. 5.
werden im Stroboskop dargeboten, naeh 4 ~qeder :1 usL; es entsteht der Eindruek miner auf der, wie eine t~inne aussehenden, Peripherie entlang- rellenden Kug'el; exponiert man die Punkte ohne I-Ial%kreise, so hiipft ein Punkt immer auf dem kiirzes~en Wege, also in gerader LiMe, yon einer Ste]le zur andern. Daft die Bewegung entlang tier Peripherie a u f Erfahrung beruht, ist damit freilieh noeh niche bewiesen,, vim wahrsehein- lieher ist, dug der Bogen, yon aller Erfahrung ~bgesehen, die Bewegungsform modifiziert, wie man durch etwas veriinderte Versuche teieht naet~weisen kSnnte, abet es gibe zwei,fellos Fiille, ~hntieh ,diesem, we in der Tat die Bewegungsform dutch Erfahrung bestimmt ist. Dann aber ist
diese Wirknng~ ger~deso zu verstehen wie oben. Es liegt eiue Disposition vor zu Querfunktionen, die dem tlelzbestand ad~quat, wenn aueh nieht notwendigerweise am adiiquatesten, ~st, und diese Disposition beeinflugt die Reaktion. Es ist nicht so, dal~ friihere Erfahrungen gesondert lebendig wel~den und mit dem Reizg6bundenen verschmelzen, sondern anf Grund der Reize und der Mteu Dis- position entsteht ein fbestimmter spezifischer Ge- samtvor,gang.
WJr haben es bier mit sehr einfaehen Er- fahrungseinfliissen zu tun, u nd es ist eine unge- heuer wichtige urM brennende Aufgabe der Psychologie, ganz allgemein den Einlluf der Er- fahrung auf die Wahrnehmung zu erforsehen. Wir ha'ben bier wenigstens eiheu Ausblick ge- wonnen auf die ltichtung, irL der die LSsung liegen mug. Erfahrung, als Grundlage des Ge- d[ichtnisses, ist nicht ein rein passives Yerhalten, es kommt d,arauf an, dab Spezifisches geschieht, es wird, schon bei der ersten Wahrneh~ung, yore Organismus eine Leistung verlangt~). Diese Lei- stung, darln besteht die Wirkung des Gediieht- nisses, geht nach ihrer Beendigung dem Organis- mus nich~ vS]lig verloren, sondern der-Organis- mus reagiert, wenn er wieder in iihfiliche Situ~- tionen versetzt wird, jetzt Ieichter und sehneller, er reagiert im Sinn der nrspriingliehen Situation, aueh wenn die neue Situation, yon sick aus be- trachtet, ein anderes Verhalten -na helegen wiirde. Aber wit h aben keinen Grund anzunehmen, dug dureh Erfahrung, d. h. a~lein dutch Wiederholung einer und derselben Wahrnehmung (oder mehrerer Wahrnehmungen), und sei sic noch so h iiufig, etwas spezifisch Neues geschaffen wiirde, eine Annahme, die ja im ursprtingliehen Empirismus enthalten wa~").
Und so mug denn ein Hinweis allgemeiner Art diese Ausfuti}ungen besehlieflen: v. Kries, der mederne Empirist, sieht d/as Grundmerkmal des Empirismus gegentiber dem Nativismus darin, dab er die riiumlichen Bestimmungen unserer Sirmeseindriieke ihren qualitativen und intensiven als etwas grunds~t'zlich anderes gegeniiberstellt, versehieden in bezug auf ihre psychologisehe Natur, ihre Entstehung und besonders ihre Ab- h~ngigkeit yon der Erfahrung (6, S. 533), we- minter v. Kries ihre Wandelbarkeit und Aus- bildungsfiihigkeit versteht (S. 5~8). Ftir uns scheint abet d{eser Untersehied zu sehwinden. Der Nativismus maehte nae}l unserer Auffassung den FeMer, dab er ,di.e ,riiumliehen Best.immungen" der Empfindungen naeh dem N[uster der quali- tativen und intensiven deutete, daft er, mit an-
1) Auf einen verwandten Gesiehtspunkt, Anpassung des Organism, s an die Reize zttr Verhinderung yon Ver~,naerungen, sueht neuerd'ings Pikler (9, 10) die gauze Wahrnehmungspsychologie z~t grtinden. Die Au~ftih.rung weicht radikM yon den bier vertretenen Ansctr~tmngen ab, eine Diskussion ist bier niche m~glieh.
e) Diese Annahme hat der Nativismas mit Reeht bek~mpft. Eine ausffihrliehe Diskussion flndet man schon bei St~tmpf (11).
ttett 3~.1 SchrSder: Uber 15. S. 19191
dern Worten, diese Phiinomene mi t dem alten Empf indungsbegr i f f bes t immen wollte. W i t sind aber atff dem umgekehrten Weg, wir streben da- naeh, das, was man frf iher Empf indung nannte, yon der Gesta l t aus zu begreifen. D a n a fiillt aber der Gegensatz zwisehen Empir i smus ~and Nat lvismus, win ihn v. Kries formul ier t , in sick zusammen, ~bera l l haben w i r e s mi t plast isehen Gebilden zu tun, a n d aus ,der Vere in igung zweier getrennter Gebiete, die auch der Nativis.mus nleh~ fi.be~brficken konnte, en ts teh t nine miiebt.ige t : a l le yon neuen Prob lemen ffir die Fo r sehung
Lite~'a[~t rverzeicl* ~is. 1. V. Benu~si, Versuche zur Analy~se tak±.il er-
weekter Seheinbewegcmgen. Arch. i d. ges. Psyehol. 36, 1916.
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Ober Meteorpapier. Von Dr. ~rzt~o Schrgder, Breslaur.
t a einer Zeit , in der einerseits empfindl iche Pap ie rknapphe i t a n d anderersei ts beiuahe aus- schliel31ieher Pap ie rge ]dumlauf herrschen, in der wi t in E r m a n ~ e h n g anderer Rohstoffe unsere W~sche, Kle ider , Decken, Vorh~nge und selbst Bindfaden aus Pap ie r herstel len, i s t e s viel]eicht angebracht , einer besonderen Ar t yon Pap ie r zu gedenken, das fas t unbekannt ist, yon dem abet selbst e rns tha f t zu nehmen.de Leute frf iherer Zei- ±en glaubten, dab es vom H i m m e l gefal len sei, uad es deshalb Meteorpapier genannt hubert.
Die erste dem Verfasser- darfiber bek~nnt gewor- den.e Nachr ich t s t ammt aus dem Jahre 1639. Da- ma t s l and man auf Fe ldern in der N~he nines Sees
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in Norwegen nine dichte, weige, der englischen tel- hen Leinwand oder dem chinesisehea Pap ie r £hn- liehe ~iasse, die an Simon Paul i, Professor der Botan lk in Rostock, gesendet wurde, der jedoeh nichts mi t ihr anzufangen wuflte.
~Veit bekannter wurde e ine papierar t ige Masse aus Kur]and. Es wi rd ,darfiber erz ihl t , dal~ e in Arbei te r am 31. J a n u a r 1686 nachmi t t ags w~ihrend eines s t i i rmisehen Schneewetters die gauze Fl~ehe sn ein~m Teiche bei dem Dorfe Rauden, sieben ~[eilen nSrdl ieh yon 3lemel, mi t einer kohlschwarzen, blf i t t r igen oder pap ie ra r t igen Substanz bedeckt sah, die vormi t tags noch nicht da war. Von ihr erz~hlte ihm sein Nachbar, dab er sin flockenweise habe aus der L u f t fa l len sehen. Die Kunde davon verbrei te te s ick sehnell, und viele g ingen kin , um sich diese r i i tselhafte Ersche inung anzusehen. Man fund dor t aueh Stfmke, die win ein Tisch gro~ waren und f inger- dick i ibereinander ]agen. Sin ware~ in feuchtem Zustande ii,belriechend wie Seetang, der faul t , trocken jedoch geruch]os. Beim Zerreil3en waren sin faser ig fast win L5sch- oder Druckpapier .
Anch die damal ige gelehrte Welt ger ie t fiber diesen , ,Papiersehnee" in ziem]iche Aufregung . Dr. Johann George Weygand, ein Arz t zu GoI, din- f e n in Xur tand, meinte, man habe es bier mi~ wirkl ichem Pap ie r zu tun, das yon e inem in der Ostsee gestrandeten Sehif fe aus ans Land gespfilt sei. Es hiitte dann in Bal len eine Ze i t lang zwischen Seetang an der Kfis te ge fau l t und da- her F a r b e a n d Geruch bekommen. Nach dem Trocknen w~re es wahrseheinl ieh dnreh die ge- f ade zu dieser Zei t wehenden o rkanar t igen Nordostwinde in der Lu f t wel t fo r tgef t ih r t wor- den.
]~'[it dieser E r k l a r u n g konnte sick .der Pro- fessor der hfedizin Dr. Philipp Jakob Hartma~n ia K6nigsberg in seiner Exercitalio generatione mineralium, vegetabilium et animalium in a~re 1688 n icht zufr ieden geben, sondern er behaup- tete, dag hier ein Neteor s ta t tgehabt h~tte, indem die papierar t ige Nasse aus .der L u f t in zusammen- hiingenden Sti icken niedergefa l len sei, die der S tnrm l~ach~riigllch zerrissen babe. Der Phys iker Chtadni, der dutch die naeh ibm benannten Klangf igu ren auch heute hock al lgemein bekannt ist, f[ ihrte dlese Naehr icht in seinen Untersuelmn- gen frber die F.euermeteore yon 1819 an a n d Zahlte jene vom Himmel gefallenen Papiermassen zu den weleh'en ~feteoren, jedoeh ,~fraglich". N o & 18~5 reehnete Nees von Esenbeck, der Pr i i s ident der Leopoldiniseh-karol lnisehen GeseIlsehaft zu Hal le , in dem Anhange fiber A{eteororganismen zu Robert Browns Aufsatz fiber den roten Sehnee die 3z[asse des kurl~indlsehen ]~feteorpapiers ,,zu den wahrsehein] iehea Aerophyten",
3~ittlerweile war suck die Ohemie der F rage naeh der Besehaffenhei t des 2~'Ieteorpapiers niihm.- getreten. 1[. v.. Grotthu~ steltte 18t9 e ine eheml- sehe Unte r suehung der Pap ie rmasse aus K u r l a n d an, yon der er e inige Reste im Naehlasse seines