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Prof. Dr. U. Scholz
Einführung in die Anthropogeographie:
Agrargeographie
Sommersemester 2004Geographisches Institut der
Justus-Liebig-Universität Gießen
21. Juni 2004
Prof. Dr. U. Scholz: Einführung in die Anthropogeographie – Agrargeographie, Sommersemester 2004 2
Programm
19.04. Einführung: Bedeutung, Aufgaben und Ziele der Agrargeographie, Veranstaltungsübersicht, Literaturhinweise
I. Bestimmungsfaktoren der landwirtschaftlichen Produktion
26.04. Ökologische Determinanten: Sonneneinstrahlung, Wasser, Boden, Relief
03.05. Grenzlinien der landwirtschaftlichen Produktion, natürliche Gunst- und Ungunsträume
10.05. Ökonomische Determinanten: Produktionsfaktoren (Land, Arbeitskraft, Kapital), Marktsituation, Transportaufwand, Risikominimierung usw.
17.05. a) soziale Determinanten (Besitzverhältnisse, Konsumgewohnheiten, Tabus
b) politische Einflussfaktoren (Instrumente staatlicher Agrarpolitik)
24.05. Zwischenklausur
31.05. Pfingstmontag – Veranstaltung fällt aus!
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Programm
II. Landwirtschaftliche Produkte und Betriebe
07.06. Die wichtigsten Nutzpflanzen und Nutztiere der Erde
14.06. Betriebstypen und –systeme, Produktionsformen und –techniken
III. Die Agrarzonen der Erde
21.06. Wirtschaftsformen in den Subpolargebieten und gemäßigten Breiten
28.06. Wirtschaftsformen in den Subtropen und Trockengebieten
05.07. Wirtschaftsformen in den wechselfeuchten und dauerfeuchten Tropen
12.07. Endklausur
19.07. Abschlussbesprechung und Evaluierung
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Themenblock III: Die Agrarzonen der Erde
Wirtschaftsformen in den Subpolargebieten und gemäßigten Breiten
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A) Subpolargebiete: - Tundra- Borealer Nadelwald
Nahezu Siedlungsfrei: - Nordamerika: Eskimos (Inuit)- Nordeuropa: Lappen und Samen- Nordasien: Sibirische Völker (Samojeden, Jakuten u.a.)
Wirtschaftsformen: - Fischer und Jäger- Nomadische Rentierhaltung (heute halbnomadisch)- Nord-Süd-Wanderung (Sommer/Winter)
Marginaler Ackerbau: - Gerste und Kartoffeln- in Nordfinnland nach dem Krieg (Agrarkolonisation)
Wirtschaftsformen in den Subpolargebieten und gemäßigten Breiten
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B) Gemäßigte Breiten (europ. Teil)
zwei Agrarzonen: - Gemischtbetriebe
- Intensive Grünlandwirtschaft
Wirtschaftsformen in den Subpolargebieten und gemäßigten Breiten
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1) Mittelalterliche Dreifelderwirtschaft
Erstes Jahr: WintergetreideZweites Jahr: SommergetreideDrittes Jahr: Brache
Risikoausgleich, AK-Ausgleich
Ziel: Eigenversorgung (Subsistenz) mit Nahrungsmitteln
Viehhaltung - extensiv (ergänzend)- Weide: Brache und Allmende (Wald, Heide)- fast keine Stallhaltung- kaum Viehdung, dadurch niedrige Erträge
z.B. in Nordwestdeutschland: Eschwirtschaft (Drubbel-Siedlung)
Düngung mit Plaggen (aus der Allmende)Anbau von Roggen (ewiger Roggen)
Vorgänger der modernen Gemischtbetriebe
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Verbreitung: - Mittelgebirge mit Erzvorkommen- Ackerbaulicher Ungunstraum
Voraussetzungen: - viel Wald (Holz)- Erz (Eisen)- Bachläufe (Wasserkraft)
Nutzung: - Rodung (Baumstümpfe bleiben im Boden, Stockausschlag)
- Gewinnung von Holzkohle für Erzgewinnung (Kohlenmeiler)
- Ackerbau für ein Jahr (Roggen, Buchweizen)- Gewinnung von Lohe aus Eichenrinde zur Ledergerbung- Waldweide für Vieh (Rinder, Schweine)- Erneute Rodung nach 15 - 20 Jahren- heute: Feuerholz und Rohstoff für Gartenmöbel-Industrie
Sonderform: Hauberge
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Exkurs: Die „Tragik der Allmende“
Menschen leisten weniger, wenn sie kollektiv tätig sind und der individuelle Ertrag nicht kontrolliert wird.
Angenommen, eine größere Gruppe bewirtschaftet gemeinsam ein Feld. Alle Gruppenmitglieder haben durch ihre Arbeit einen Aufwand, ziehen jedoch auch einen Ertrag aus der Ernte, die sie in gleichen Teilen erwirtschaften. Bei Unfall oder Krankheit sind sie sozial abgesichert.
Die Tragik der Allmende besteht darin, daß bei genügend großer Gruppengröße die Faulheit eines einzelnen Mitglieds die Ernte pro Gruppenmitglied nur noch unwesentlich verringert, der Aufwand für das faule Gruppenmitglied aber stark abnimmt. Der Nutzen des faulen Gruppenmitglieds steigt.
Es ist nun aber zu erwarten, daß jedes Gruppenmitglied sich faul verhält und der Gruppenertrag noch weiter sinken wird. Die Tragik der Allmende schaukelt sich also weiter hoch.
Gegenmaßnahmen: Kontrolle oder Besitz.
Vorgänger der modernen Gemischtbetriebe
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2) Verbesserte Dreifelderwirtschaft des 19. Jh. („agrare Revolution)
Ursachen: - Bevölkerungszuwachs- Verstädterung- Beginnende Marktorientierung
Beginn: ab 18. Jahrhundert in England
Innovationen: - Verzicht auf die Brache- Hackfrüchte (Kartoffeln, Rüben), Futterpflanzen (Klee, Gras)- Stallhaltung (Dünger)
Verbesserte Fruchtfolge: Wintergetreide, Sommergetreide, Hackfrüchte
Vorteile: - höhere Erträge (Dung)- höherer Viehbesatz (Futterpflanzen)- Überschußproduktion (Vermarktung)
Vorgänger der modernen Gemischtbetriebe
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Typischer europäischer Bauernhof (Vorbild für Auswanderer nach Übersee)
- Integration von Ackerbau und Viehhaltung
- Familienbetrieb (2-3 Arbeitskräfte)
- Vielfalt von Feldkulturen und Nutztieren
- Marktorientierung
Gemischtbetriebe des 20. Jahrhunderts
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A) Ackerbau
- überwiegend zur Futtererzeugung (z.B. Dänemark 90% des Getreides als Viehfutter)
- Wichtigste Feldpflanzen:
- Getreide (Weizen, Gerste, Mais)
- Hackfrüchte (Zuckerrüben, Kartoffeln, Runkeln)
- Futterpflanzen (Grünmais, Klee, Luzerne)
B) Dauergrünland
- oft in Bach- und Flußauen
- Viehwirtschaft (Rinder, Schafe)
Gemischtbetriebe des 20. Jahrhunderts
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- Gründe für Vielseitigkeit (Diversifizierung):- Risikominimierung- AK-Ausgleich (Verteilung über das ganze Jahr)- Erhalt der Bodenfruchtbarkeit durch Fruchtwechsel
- Durchschnittliche Betriebsgröße in W-Deutschland ca. 40 ha (USA: 200 ha)
- Besitzverhältnisse: Familieneigentum und Zupacht
- Abhängig von Vererbungsregelung (Realerbteilung, Anerbenrecht)
- Tendenz: Spezialisierung und Vergrößerung (Marktfruchtbetriebe)
Gemischtbetriebe des 20. Jahrhunderts
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Fortentwicklung der „traditionellen“ Gemischtbetriebe
Neuerungen: - Ersatz von AK durch Großmaschinen (arbeitsextensiv)- Vergrößerung der Wirtschaftsflächen- Abschaffung der Viehhaltung- Spezialisierung auf wenige Produkte- Weniger Fruchtfolgen („Vergetreidung“)- Bauer = Manager
Verbreitung: a) in Börden (traditionelle Ackerbaubetriebe)b) in Ostdeutschland (frühere LPG-Beriebe)
- große Feldeinheiten- Durchschnittsgröße: ca. 300 ha (Mecklenburg-Vorpommern: > 400 ha)- Durchschnitts-AK-Aufwand: 1 AK / 100 ha (Westdeutschland: 3 AK / 100 ha)- ca. 1 Tag / 1 ha Getreide (Java: 200 Tage / 1 ha Reis)
Moderne spezialisierte Marktfruchtbetriebe
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Grünland: Gemischte Pflanzengesellschaft: - Gräser- Kräuter- Leguminosen (z.B. Klee)
a) Großräumiges Vorkommen
- Atlantischer Saum (Westeuropa)
- maritimes Klima: niederschlagsreich, kühle Sommer, milde Winter (kaum Frost)
- v.a. Britische Inseln (spez. Irland, „grüne Insel“)
- Vorteile: ganzjährige Beweidung, keine Stallhaltung
- ferner: Nordwestdeutscland, Benelux, Nordwestfrankreich
Intensive Gründlandwirtschaft
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b) Kleinräumiges Vorkommen (ungünstig für Ackerbau)
- Auen (überschwemmungsgefährdet, Staunässe)
- Höhenlagen über 800 m (Mittelgebirge, Alpen)
- Hanglagen (kein Traktoreinsatz)
Kulturvegetation (anthropogen), kaum natürliche Vorkommen
Ökologische Vorteile (gegenüber Ackerland):
- guter Erosionsschutz (ganzjährige Bedeckung)
- Artenvielfalt
- Resistent gegen Krankheiten und Schädlinge
Intensive Gründlandwirtschaft
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Nutzungsformen:- Wiesen werden gemäht (Heugewinnung, Winterfutter)- Weiden (Beweidung durch Vieh)- In Alpen Zweiteilung: - Talsohlen mit Wiesennutzung
- Höhenlagen mit Sommerweide (Almen)- Wechselgrünland, Feldgraswirtschaft
Vorteile von Wiesen: - mehr Stallmist (Dung)
Vorteile von Weiden: - weniger AK-Aufwand (keine Ernte)- kein Aufwand für Transport und Lagerung- witterungsunabhängig
Allmählicher Rückgang gegenüber Ackerland (z.B. Flußauen)Grund: Acker weit produktiver; mehr Futter/haTrend: Intensive Milchwirtschaft mit Futterbau auf Äckern
Intensive Gründlandwirtschaft
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In Deutschland: Wein, Obst, Hopfen
Kennzeichen: - Langlebigkeit (15- 40 Jahre)
- Fehlende Einnahmen bis zur ersten Ernte (3-4 Jahre)
- Risiko: geringere Flexibilität gegenüber Markt)
- Hohe Einnahmen pro Fläche: - Wein ca. 10.000 Euro/ha- Obst ca. 9.000 Euro/ha(- Getreide ca. 500 Euro/ha)
- Hoher AK-Aufwand; Weinbau: ca. 15 AK / ha (Getreide: ca. 1-3 AK / ha)
- Kleine Betriebsgrößen (Ca. 3-4 ha Rebland)
- Ausgeprägte Arbeitsspitzen, Saisonarbeitkräfte (früher Türken, heute Polen)
Dauerkultur-Betriebe (Sonderkulturen)
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- Fehlende Einnahmen bis zur ersten Ernte (3-4 Jahre)
- Hohe Einnahmen pro Fläche: - Wein ca. 10.000 Euro/ha- Obst ca. 9.000 Euro/ha(- Getreide ca. 500 Euro/ha)
Dauerkultur-Betriebe (Sonderkulturen)
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nächste Sitzung am 28. Juni:
Wirtschaftsformen in den Subtropen und Trockengebieten