90
Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung

Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Psychiatrie

Grundlagen – Befunderhebung

Page 2: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

1. Anamnese

– Krankheitsgeschichte, Entwicklung der aktuellen Beschwerden

– Biographie, Lebenslauf einschließlich körperlicher Entwicklung und früherer Krankheiten

– Familienanamnese

– Fremdanamnese

Page 3: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

2. Befund

– körperlicher und neurologischer Untersuchungsbefund

– psychischer Befund – testpsychologischer Befund

– apparative Untersuchungsbefunde

Page 4: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

3. Psychischer Befund

– Äußeres Erscheinungsbild– Verhalten und Ausdruck– Bewusstseinslage, Orientierung inklusive

Aufmerksamkeit,

– Auffassungsvermögen und Konzentrationsfähigkeit.

– Affektivität (Fühlen und Werten), die Stimmung, die affektive Reaktivität, der Kontakt und das Kontakthalten

Page 5: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

3. psychischer Befund

– Antrieb „Wille und Psychomotorik“– Denken

• formale Denkstörungen (die Art und Weise wie gedacht wird)

• inhaltliche Denkstörungen (die Art und Weise was gedacht wird)

– Wahrnehmung: z. B. Störungen in Form von Illusionen, illusionärer Verkennung und Halluzinationen

Page 6: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

3. psychischer Befund

– Ich-Erleben: Störungen der Meinhaftigkeit, des Denkens, Strebens und Wollens

– Störung des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe

– Intelligenz

– Persönlichkeit

Page 7: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Äußeres Erscheinungsbild

– Verwahrlosung in Kleidung und Körperpflege– Bizarrheit in Kleidung und Erscheinung– Erschwerte Kontaktaufnahme

Verhalten und Ausdruck– Störungen im Auftreten, Erscheinen, Kontakt, Mimik

und Gestik

Page 8: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

1. BewusstseinsverminderungDefinition: Störung der Wachheit Benommenheit (verlangsamtes Denken, reduzierte Auffassungsgabe)Somnolenz (Patient ist schläfrig/benommen, herabgesetzte Konzentration/Auffassungsgabe)Sopor (tiefer Schlaf wobei der Patient nur auf Schmerzreize hin reagiert)Koma ( tiefe Bewusstlosigkeit, Patient nicht zu wecken, Reflexe nicht auslösbar) ).

2. BewusstseinstrübungDefinition: Qualitative Beeinträchtigung der Bewusstseinsklarheit. Die Fähigkeit ist gestört, verschiedene Aspekte von der eigenen Person und der Umwelt zu verstehen, sie sinnvoll miteinander zu verbinden, sich entsprechend mitzuteilen und sinnvoll zu handeln.

3. BewusstseinseinengungDefinition: Fokussierung des Denkens, Fühlens und Wollens auf wenige Themen. Charakteristisch ist die verminderte Ansprechbarkeit auf Außenreize.

4. BewusstseinsverschiebungDefinition: Es handelt sich um eine fast völlig im Subjektiven bleibende Form der Bewusstseinsstörung, bei der die Patienten berichten, ihr Erleben sei erweitert durch Steigerung der Wachheit, intensivierter Wahrnehmung von Raum und Zeit, Sinnesempfindungen und eines erweiterten Erfahrungshorizontes.

Page 9: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

5. Zeitliche OrientierungsstörungDefinition:Datum (Tag, Monat und Jahr), Wochentag und/oder Jahreszeit werden nicht oder nur teilweise gewusst.

6. Örtliche OrientierungsstörungDefinition:Der gegenwärtige Aufenthaltsort wird nicht oder nur teilweise gewusst.

7. Situative Orientierungsstörung Definition:Die gegenwärtige Situation wird in ihrem Bedeutungs- und Sinnzusammenhang für die eigene Person nur teilweise oder gar nicht erfasst.

8. Orientierungsstörungen zur eigenen PersonDefinition:Die aktuelle persönliche lebensgeschichtliche Situation wird nicht oder nur teilweise gewusst.

Page 10: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

9. Auffassungsstörungen Definition:Störung der Fähigkeit, Wahrnehmungen in ihrer Bedeutung zu begreifen und sinnvoll miteinander zu verbinden, im weiteren Sinne auch in den Erfahrungsbereich einzubauen (gedankliche Verarbeitung einer Wahrnehmung).

10. Konzentrationsstörungen Definition:Verminderte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ausdauernd einer Tätigkeit oder einem Thema zuzuwenden.

11. Merkfähigkeitsstörungen Definition:Herabsetzung bis Aufhebung der Fähigkeit, sich frische Eindrücke über eine Zeit von ca. 10 Minuten zu merken.

12. Gedächtnisstörungen Definition:Herabsetzung bis Aufhebung der Fähigkeit, Eindrücke oder Erfahrungen längerfristig (länger als ca. 10 Minuten) zu speichern bzw. Erlerntes aus dem Gedächtnis abzurufen.

Page 11: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

13. Konfabulationen Definition:Erinnerungslücken werden mit Einfällen ausgefüllt, die vom Patienten selbst für Erinnerungen gehalten werden.

14. ParamnesienDefinition:Unter “Paramnesien” werden folgende Merkmale zusammengefasst:-- Falsches Wiedererkennen bzw. vermeintliche Vertrautheit (schon einmal gesehen, gehört, erlebt, “déja-vu”) und vermeintliche Fremdheit (noch nie gesehen, “jamaisvu”);

-- Ekmnesien (Störungen des Zeiterlebens bzw. der zeitlichen Einordnung, wobei die Vergangenheit als Gegenwart erlebt wird);

-- Hypermnesien (Steigerungen der Erinnerungsfähigkeit)

Page 12: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Denkstörungen

15. GehemmtDefinition:Das Denken wird vom Patienten subjektiv als gebremst oder blockiert (wie gegen einen inneren Widerstand) empfunden.

16. VerlangsamtDefinition:Das Denken ist verlangsamt und schleppend.

17. UmständlichDefinition:Als umständlich bezeichnet man ein Denken, das bezogen auf den Gesprächsinhalt das Nebensächliche nicht vom Wesentlichen trennt. Der inhaltliche Zusammenhang bleibt dabei aber stets gewährt.

18. EingeengtDefinition:Einschränkung des inhaltlichen Denkumfanges, Verhaftetsein an ein Thema oder an wenige Themen, Fixierung auf wenige Zielvorstellungen.

Page 13: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

19. PerseverierendDefinition:Haften bleiben an zuvor gebrauchten Worten oder Angaben, die im aktuellen Zusammenhang nicht mehr sinnvoll sind.

20. Grübeln (nicht zwanghaft)Definition:Unablässiges Beschäftigtsein mit (nicht nur, aber meist) unangenehmen Themen.

21. GedankendrängenDefinition:Der Patient ist dem Druck vieler verschiedener Einfälle oder Gedanken ausgeliefert.

22. Ideenflüchtig Definition:Vermehrung von Einfällen, die aber nicht mehr von einer Zielvorstellung straff geführt werden. Das Ziel des Denkens kann aufgrund dazwischen kommender Assoziationen ständig wechseln oder verloren gehen.

Denkstörungen

Page 14: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

23. VorbeiredenDefinition:Der Patient geht nicht auf die Frage ein, bringt etwas inhaltlich anderes vor, obwohl aus Antwort und/oder Situation ersichtlich ist, dass er die Frage verstanden hat.

24. Gesperrt/Gedankenabreißen Definition:Plötzlicher Abbruch eines sonst flüssigen Gedankenganges oder des Sprechens ohne erkennbaren Grund, was vom Patienten erlebt (Gedankenabreißen) und/oder vom Interviewer beobachtet wird (gesperrt).

25. Inkohärent/zerfahrenDefinition:Denken und Sprechen des Patienten verlieren für den Untersucher ihren verständlichenZusammenhang, sind im Extremfall bis in einzelne, scheinbar zufällig durcheinander gewürfelte Sätze, Satzgruppen oder Gedankenbruchstücke zerrissen.

26. Neologismen Definition:Wortneubildungen, die der sprachlichen Konvention nicht entsprechen und oft nicht unmittelbar verständlich sind.

Denkstörungen

Page 15: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Befürchtungen / Zwänge

27. Misstrauen Definition:Wahrnehmungen werden ängstlich-unsicher auf die eigene Person bezogen. Anderen Menschen wird eine feindselige Haltung unterstellt.

28. Hypochondrie (nicht wahnhaft)Definition:Ängstlich getönte Beziehung zum eigenen Körper, an dem z.B. Missempfindungen wahrgenommen werden, mit offensichtlich unbegründeter Befürchtung, körperlich krank zu sein oder zu werden, normale Körpervorgänge bekommen oft eine übermäßige Bedeutung.

29. Phobien Definition:Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten, die meist Vermeidungsreaktionen zur Folge haben.

30. ZwangsdenkenDefinition:Immer wieder sich gegen inneren Widerstand aufdrängende Gedanken oder Vorstellungen, die als unsinnig erlebt werden. Sie lassen sich vom Patienten nicht oder nur schwer unterbinden.

Page 16: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Befürchtungen/Zwänge

31. ZwangsimpulseDefinition:Immer wieder gegen inneren Widerstand sich aufdrängende Impulse, bestimmte Handlungen auszuführen, die zwar abgelehnt werden, sich aber vom Patienten nur schwer unterbinden lassen.

32. Zwangshandlungen Definition:Zwangshandlungen müssen (aufgrund von Zwangsimpulsen oder -gedanken) immer wieder gegen inneren Widerstand ausgeführt werden und lassen sich vom Patienten nicht oder nur schwer unterbinden, obwohl sie als unsinnig erlebt werden.

Page 17: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Wahn

Wahn entsteht auf dem Boden einer allgemeinen Veränderung des Erlebens und imponiert als Fehlbeurteilung der Realität, die mit apriorischer Evidenz (erfahrungsunabhängiger Gewissheit) auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit und zur Erfahrung der gesunden Mitmenschen sowie zu ihrem kollektiven Meinen und Glauben steht. Der Kranke hat im allgemeinen nicht das Bedürfnis nach einer Begründung seiner wahnhaften Meinung, ihre Richtigkeit ist ihm unmittelbar evident.

(Definiton nach Scharfetter: Wahn ist eine private und privative lebensbestimmende Überzeugung eines Menschen von sich selbst und seiner Welt)

Page 18: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Wahn

33. WahnstimmungDefinition: Ist die erlebte Atmosphäre des Betroffenseins, der Erwartungsspannung und des bedeutungsvollen Angemutetwerdens in einer verändert erlebten Welt oder auch durch ein verändert erlebtes Ich. Diese Stimmung besteht in einem Bedeutungszumessen und Inbeziehungsetzen, Meinen, Vermuten und Erwarten, das von Gesunden nicht nachvollzogen werden kann. Dabei gibt es die verschiedenen Grundtönungen der Stimmung; am häufigsten ist die Stimmung der Unheimlichkeit, das Mißtrauen, des Verändertenseins (des Kranken selbst oder seiner Umgebung), des Erschüttert- und Erschrecktseins, der Bedrohung, der Angst, des Argwohns, der Ratlosigkeit, manchmal auch der Gehobenheit, Euphorie und Zuversicht. In der Wahnstimmung ist der Wahninhalt in der Regel nicht definiert, deshalb kann der Patient keine Gründe für sein Erleben angeben.

34. WahnwahrnehmungDefinition: Reale Sinneswahrnehmungen erhalten eine abnorme Bedeutung (meist im Sinne der Eigenbeziehung). Die Wahnwahrnehmung ist also eine wahnhafte Fehlinterpretation einer an sich richtigen Wahrnehmung.

Page 19: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Wahn

35. WahneinfallDefinition:Wahneinfall nennt man das gedankliche (im Gegensatz zur "Wahnwahrnehmung") Auftreten von wahnhaften Vorstellungen und Überzeugungen. Diese treten meist plötzlich und unvermittelt auf.

36. Wahngedanken Definition:Wahnhaftes Denken.

37. Systematisierter Wahn Definition:Beschreibt den Grad der Verknüpfung (logisch oder auch paralogisch) einzelner Wahnsymptome mit anderen Wahnphänomenen, Sinnestäuschen, Ich-Störungen oder auch nicht krankhaft veränderten Beobachtungen und Erlebnissen. Zwischen diesen einzelnen "Aufbauelementen" werden Verbindungen hergestellt, die oft einen kausalen oder finalen Charakter besitzen und vom Patienten als Beweise und Bestätigungen angesehen werden.

Page 20: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Wahn

38. WahndynamikDefinition:Die effektive Anteilnahme am Wahn, die Kraft des Antriebes und die Stärke der Affekte, die im Zusammenhang mit dem Wahn wirksam werden.

39. Beziehungswahn Definition:Wahnhafte Eigenbeziehung, selbst belanglose Ereignisse werden ich-bezogen gedeutet.

40. Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn Definition:Der Kranke erlebt sich selbst als Ziel von Feindseligkeiten. Er wähnt sich von seiner Umwelt bedroht, gekränkt, beleidigt, verspottet, verhöhnt, die Umgebung trachte nach seinem Hab und Gut, nach seiner Gesundheit oder gar nach seinem Leben.

41. Eifersuchtswahn Definition:Wahnhafte Überzeugung, vom Lebenspartner betrogen und hintergangen zu werden.

Page 21: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Wahn

42. SchuldwahnDefinition:Wahnhafte Überzeugung, Schuld auf sich geladen zu haben.

43. Verarmungswahn Definition:Wahnhafte Überzeugung, nicht genug Mittel zum Lebensunterhalt zu haben.

44. Hypochondrischer WahnDefinition:Wahnhafte Überzeugung, krank zu sein.

45. GrößenwahnDefinition:Wahnhafte Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung.

46. Andere InhalteDefinition:Wahnthemen, die nicht in die obigen Kategorien passen.

Page 22: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Sinnestäuschungen

47. IllusionenDefinition:Verfälschte wirkliche Wahrnehmungen. "Die Sache" (Reizquelle) wird verkannt (im Gegensatz zur Wahnwahrnehmung).

48. Stimmenhören (Phoneme)Definition:Wahrnehmung menschlicher Stimmen, ohne dass tatsächlich jemand spricht.

49. Andere akustische Halluzinationen (sog. Akoasmen)Definition:Akustische Halluzinationen, die nicht Stimmenhören beinhalten.

Page 23: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Sinnestäuschungen

50. Optische HalluzinationenDefinition:Wahrnehmen von Lichtblitzen, Photismen, Mustern, Visionen, Gegenständen, Personen oder ganzen Szenen ohne entsprechende Reizquelle. Auch optisch-szenische Halluzinationen (können kombiniert mit akustischen Sinnestäuschungen auftreten).

51. Körperhalluzinationen Definition:Taktile Halluzinationen (Taktiles Wahrnehmen von nicht vorhandenen Objekten) und Störungen des Leibempfindens (Coenästhesien).

52. Geruchs- und GeschmackshalluzinationenDefinition:Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen, ohne dass eine entsprechende Reizquelle ausgemacht werden kann.

Page 24: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Ich-Störungen

53. DerealisationDefinition:Personen, Gegenstände und Umgebung erscheinen unwirklich, fremdartig oder auch räumlich verändert. Dadurch wirkt die Umwelt z.B. unvertraut, sonderbar, oder gespenstisch.

54. DepersonalisationDefinition:Störung des Einheitserlebens der Person im Augenblick oder der Identität in der Zeit des Lebenslaufs. Die Person kommt sich selbst fremd, unwirklich, unmittelbar verändert, als oder wie ein anderer und/oder uneinheitlich vor.

55. GedankenausbreitungDefinition:Die Gedanken gehören nicht mehr dem Patienten alleine, andere haben daran Anteil und wissen, was er denkt (Gedankenlesen).

Page 25: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Ich-Störungen

56. GedankenentzugDefinition:Dem Patienten werden die Gedanken weggenommen oder "abgezogen".

57. GedankeneingebungDefinition:Gedanken und Vorstellungen werden als von außen her beeinflußt, gemacht, gelenkt, gesteuert, eingegeben, aufgedrängt empfunden.

58. Andere FremdbeeinflussungsergebnisseDefinition:Fühlen, Streben, Wollen oder Handeln werden als von außen gemacht erlebt.

Page 26: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Störungen der Affektivität

59. RatlosigkeitDefinition: Der Patient wirkt stimmungsgemäß wie jemand, der sich nicht mehr zurechtfindet und seine Situation, seine Umgebung oder Zukunft kaum oder nicht mehr begreift. Er versteht nicht mehr, was mit ihm geschieht und wirkt auf den Beurteilter "staunig" (verwundert, hilflos).

60. Gefühl der GefühllosigkeitDefinition: Hierbei handelt es sich um eine vom Patienten angegebene Reduktion oder einen Verlust affektiven Erlebens, um subjektiv erlebte Gefühlsleere. Der Patient erlebt sich als gefühlsverarmt, -leer, -verödet, nicht nur für Freude, sondern auch für Trauer.

61. AffektarmDefinition: Die Anzahl (das Spektrum) gezeigter Gefühle ist vermindert. Wenige (z.B. nur Wut, Hass, Fixation in depressiver Stimmung) oder nur sehr dürftige Affekte (z.B. gleichgültig, unbeteiligt, teilnahmslos) sind beobachtbar.

62. Störung der VitalgefühleDefinition: Herabsetzen des Gefühls von Kraft und Lebendigkeit der körperlichen und seelischen Frische und Ungestörtheit.

Page 27: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Störungen der Affektivität

63. Deprimiert Definition:Negativ getönte Befindlichkeit (niedergedrückt, niedergeschlagen).

64. HoffnungslosDefinition:Pessimistische Grundstimmung, fehlende Zukunftsorientierung. Der Glaube an eine positive Zukunft ist vermindert oder abhanden gekommen ("Schwarz- sehen").

65. ÄngstlichDefinition:Der Patient hat Angst, manchmal ohne angeben zu können, wovor.

66. Euphorisch Definition:Zustand des übersteigerten Wohlbefindens, Behagens, der Heiterkeit, der Zuversicht, des gesteigerten Vitalgefühls.

67. Dysphorisch Definition:Missmutige Verstimmtheit. Der Patient ist übellaunig, mürrisch, moros, nörgelnd, missgestimmt, unzufrieden, ärgerlich.

Page 28: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Störungen der Affektivität

68. GereiztDefinition:Der Patient ist in einem Zustand erhöhter Reizbarkeit bis hin zur Gespanntheit.

69. Innerlich unruhigDefinition:Der Patient spürt innere Aufgeregtheit, Spannung oder Nervosität.

70. Klagsam/JammrigDefinition:Schmerz, Kummer, Ängstlichkeit werden ausdrucksstark in Worten, Mimik und Gestik vorgetragen ("Wehklagen").

71. InsuffienzgefühleDefinition:Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit oder den eigenen Wert ist vermindert oder verloren gegangen.

72. Gesteigertes Selbstwertgefühl Definition:Ein positiv erlebtes Gefühl von Steigerung des eigenen Wertes, der Kraft und/oder der Leistung.

Page 29: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Störungen der Affektivität

73. SchuldgefühleDefinition:Der Patient fühlt sich für eine Tat, für Gedanken oder Wünsche verantwortlich, die seiner Ansicht nach vor einer weltlichen oder religiösen Instanz, anderen Personen oder sich selbst gegenüber verwerflich sind.

74. VerarmungsgefühleDefinition:Der Patient fürchtet, ihm fehlten die Mittel, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, er sei verarmt.

75. AmbivalenzDefinition:Koexistenz widersprüchlicher Gefühle, Vorstellungen, Wünsche, Intentionen und/oder Impulse des Patienten, die er als gleichzeitig vorhanden und meist auch als quälend erlebt.

76. ParathymieDefinition:Gefühlsausdruck und berichteter Erlebnisinhalt stimmen nicht überein (paradoxe Affekte, inadäquate Gefühlsreaktion).

Page 30: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Störungen der Affektivität

77. AffektlabilitätDefinition:Schneller Stimmungswechsel, der auf einen Anstoß von aussen erfolgt (Vergrößerung der affektiven Ablenkbarkeit) oder auch scheinbar spontan auftritt.

78. AffektinkontinenzDefinition:Affekte können bei geringem Anstoß überschießen, vom Patienten nicht beherrscht werden und manchmal eine übermäßige Stärke annehmen.

79. AffektstarreDefinition:Verminderung der affektiven Modulationsfähigkeit. Hier ist die Schwingungsfähigkeit (Amplitude) verringert.

Page 31: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Antriebs- und psychomotorische Störungen

80. AntriebsarmutDefinition:Mangel an Energie, Initiative und Anteilnahme.

81. AntriebshemmungDefinition:Energie, Initiative und Anteilnahme werden als gebremst/blockiert erlebt.

82. AntriebssteigerungDefinition:Zunahme an Energie, Initiative und Anteilnahme.

83. Motorische UnruheDefinition:Gesteigerte und ungerichtete motorische Aktivität.

Page 32: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Antriebs- und psychomotorische Störungen

84. ParakinesenDefinition:Parakinesen sind qualitativ abnorme, meist komplexe Bewegungen, die häufig die Gestik, die Mimik und auch die Sprache betreffen.Stereotypien: Äußerungen auf sprachlichem und motorischem Gebiet, die die Tendenz aufweisen, oft längere Zeit hindurch in immer gleicher Form wiederholt zu werden. Im Gegensatz zur Perseveration ist hier kein Zusammenhang zu früher im Gespräch gebrauchten Worten und Gesten erkennbar. Hierunter fallen auch Verbigerationen (Wortstereotypien), Katalepsie (Haltungsstereotypien) und die "flexibilitas cerea" (wächserne Biegsamkeit).Befehlsautomatismus: Der Patient führt automatisch Handlungen aus, die er selbst als nicht von ihm intendiert empfindet, sofern er sich überhaupt dazu äußert (äußern kann).Negativismus: Negativistische Kranke tun gerade das nicht, was man von ihnen erwartet oder verlangt (passiver Negativismus), oder sie tun genau das Gegenteil (aktiver Negativismus). Negativistische Kranke kann man in gewissen Fällen zur gewünschten Handlung bringen, wenn man ihnen diese Handlung verbietet oder ihnen das Gegenteil befielt (Befehlsnegativismus).

Page 33: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Antriebs- und psychomotorische Störungen

85. Manieriert/bizarrDefinition:Alltägliche Bewegungen und Handlungen (auch Gestik, Mimik und Sprache) erscheinen dem Beobachter verstiegen, verschroben, possenhaft und verschnörkelt, werden manchmal mit einer ausgesprochen spielerischen Note ausgeführt.

86. Theatralisch Definition:Die Patienten erwecken den Eindruck, als würden sie sich selber darstellen.

87. MutistischDefinition:Wortkargheit bis hin zum Nichtsprechen (Verstummen).

88. LogorrhoischDefinition:Verstärkter Redefluss.

Page 34: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Zusammenfassung

Bewusstseinsstörungen:BewusstseinsverminderungBewusstseinstrübungBewusstseinsverschiebung

Orientierungsstörungen:zeitlichörtlichsituativüber die eigene Person

Aufmerksamkeits- undGedächtnisstörungen:AuffassungsstörungenKonzentrationsstörungenMerkfähigkeitsstörungenGedächtnisstörungenKonfabulationenParamnesien

Formale Denkstörungen:gehemmtverlangsamtumständlicheingeengtperseverierendGrübelnGedankenverdrängenideenflüchtigVorbeiredengesperrt/Gedankenabreißeninkohärent/zerfahrenNeologismen

Page 35: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

ZusammenfassungBefürchtungen und Zwänge:MisstrauenHypochondrie (n. wahnhaft)PhobienZwangsdenkenZwangsimpulseZwangshandlungenWahn:WahnstimmungWahnwahrnehmungWahneinfallWahngedankensystematischer WahnWahndynamikBeziehungswahnBeeinträcht.-Verl. WahnEifersuchtswahnSchuldwahnVerarmungswahnhypochondrischer WahnGrößenwahn

Sinnestäuschungen:IllusionenStimmenhörenand. akust. Halluzinationenoptische HalluzinationenKörperhalluzinationenGeruchs-/Geschmackhalluzinationen

Ich-Störungen:DerealisationDepersonalisationGedankenausbreitungGedankenentzugGedankeneingebungand. Fremdbeeinfluss.-erl.

Page 36: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

ZusammenfassungStörungen der Affektivität:ratlosGefühl der GefühllosigkeitaffektarmStörungen der Vitalgefühledeprimierthoffnungslosängstlicheuphorischdysphorischgereiztinnerlich unruhigklagsam/jammerigInsuffizienzgefühlegesteigerte SelbstwertgefühleSchuldgefühleVerarmungsgefühleambivalentParathymieaffektlabilaffektinkontinentaffektstarr

Antriebs- und psychomot. Störungen:antriebsarmantriebsgehemmtantriebsgesteigertmotorisch unruhigParakinesenmaniriert/bizarrtheatralischmutistischlogorrhoisch

Page 37: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Intelligenz

OligophrenieImbilizitätGenialität

Page 38: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Persönlichkeit

– Die Gruppe A: denen die exzentrischen Störungen angehören, beinhalten die paranoide und schizoide Persönlichkeitsstörung.

– Die Gruppe B: die sogenannten dramatischen Störungen, beinhalten die dissoziale, emotional instabile, die histrionische und die in der ICD 10 nicht gelistete narzisstische Störung.

– Die Gruppe C: den sogenannten ängstlichen Störungen, gehören die anankastische, ängstlich-selbstunsichere, asthenisch-abhängige oder dependente, und die ebenfalls in der ICD 10 nicht gelistete depressive Persönlichkeitsstörung an.

Page 39: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Psychiatrische Notfälle Suizidalität

Page 40: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Definition

Ein psychiatrischer Notfall ist ein Zustand, der häufig durch eine psychische Krankheit bedingt ist und der einen unmittelbaren Handlungszwang zur Abwendung von Lebensgefahr oder von anderen schwerwiegenden Folgen mit sich bringt. Er erfordert eine sofortige, an der akuten Symptomatik orientierte, gezielte Therapie, um eine Gefahr für die Gesundheit des Patienten und evtl. anderer Personen abzuwenden.

Page 41: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Krise

Die psychiatrische Krise hingegen ist in geringerem Ausmaß durch direkte vitale Bedrohung gekennzeichnet. Im Vordergrund steht vielmehr das Fehlen oder das Zusammenbrechen individueller u./o. sozialer Bewältigungsstrategien im Rahmen belastender Krankheits- bzw. Umbebungsbedingungen.Aufgabe der psychiatrischen Krisenintervention ist es, in mehreren Schritten, innerhalb von Tagen oder Wochen, eine auch ursächliche Veränderung der zu Grunde liegenden Bedingungen zu erreichen.

Page 42: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Gründe für die Konsultation eines psychiatrischen Notfall- und Krisendienstes (Häfner und Rössler 1987)

• 57% Auswirkungen einer bestehendenpsychiatrischen Erkrankung (v.a. Schizophrenieund Suchterkrankungen)• 25% zwischenmenschliche Konflikte• 23% Alkoholmißbrauch• 22% „seelische Krise“• 17% Z.n. Suizidversuch• 13% Suizidalität

Page 43: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Rechtliche Aspekte

• Einwilligungsfähigkeit• Mutmaßliche Einwilligungsfähigkeit, rechtfertigender Notstand (§34 StGB)• Unterbringung (PsychKG)• (Eil-) Betreuung (BGB)

Page 44: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Die wichtigsten psychiatrischenNotfälle:

• Erregungszustände• Suizidalität• Bewusstseinsstörungen• Kataton-stuporöse Zustände

Page 45: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Erregungszustände

Hauptcharakteristika sind:•Steigerung von Antrieb und Psychomotorik•Affektive Enthemmung und Gereiztheit•Kontrollverlust evtl. mit raptusartigen Gewalttätigkeiten („Gespanntheit“)

Page 46: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Die wichtigsten Ursachen sind:

• Schizophrene Psychosen (z.B. erregte Katatonie)• Manie• Agitierte Depression• Intoxikationen (Alkohol, Drogen)• Hirnorganische Psychosyndrome (z.B.epileptischer Dämmerzustand)• Psychogene Reaktionen im Rahmen von akutenBelastungsreaktionen oder Persönlichkeitsstörungen• Internistische Erkrankungen (z.B. Hyperthyreose,Hypoglykämie, Porphyrie)

Page 47: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Diagnostik:

• Körperlich-neurologische Untersuchung. Zur beachten istauch die äußere Erscheinung (Einstichstellen, Kleidung,Verletzungen)• Vegetative Elementarfunktionen (Puls, Atmung, Temperatur, Tremor, Hyperhidrosis, Hautfarbe und-turgor, Pupillen)• das dominierende psychopathologische Befundbild(Bewusstseinslage, Zerfahrenheit, Auffassungsstörungen,Halluzinationen, Abhängigkeit der Symptomatik vonUmgebungsfaktoren wie z.B. Angehörige)• Labordiagnostik, EEG, Bildgebung, wenn möglich

Page 48: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Therapie

A. Erstkontakt: Nach Berzewski (1996) müssenwährend des Erstkontaktes folg. Aspekte unbedingtberücksichtigt werden:• Ausmaß und unmittelbare Bedrohung von Personendurch den Patienten (Angriff auf Bezugspersonen,Tragen von Waffen, Äußerungen über beabsichtigteAggressionen)• Maßnahmen, um die Sicherheit von Personal undBezugspersonen zu gewährleisten (z.B. Fixierung)• Klärung der Bewusstseinslage, da bei Erregten mitBewusstseinsstörungen mit überraschendenaggressiven Durchbrüchen zu rechnen ist

Page 49: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Therapie

• Reizabschirmung (den Pat. in eine ruhige und ungestörteAtmosphäre bringen, ihn von Bezugspersonen, Angehörigetrennen)• Abklärung der Bereitschaft zu einem Gespräch und zueiner körperlichen Untersuchung• Ruhe und Zeit für die Exploration einräumen sowieeindeutige Vermittlung des geplanten therapeutischenVorgehens.

Page 50: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Cave:

• Zu forsches Auftreten kann die Aggressivitätsteigern (sicheres und ruhiges Auftreten besser)• Keine Selbstüberschätzung, stattdessenrechtzeitig Helfer (Pflegepersonal, Polizei)heranziehen• Erregungszustände können kurzfristig abklingen(„Ruhe vor dem Sturm“) und so ein falsches Bildvon der tatsächlichen Gefährdung geben

Page 51: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Therapie

B. Pharmakotherapie:Die entscheidende und wirkungsvollsteBehandlung akuter Erregungszustände ist einerasche pharmakologische Sedierung.Grundsätzlich sollte versucht werden, denPatienten zur freiwilligen Einnahme einer oralenDosis zu bewegen, ansonsten kann eineparenterale Applikation erfolgen z.B. Levopromazini.m., Haloperidol i.m. oder i.v., Diazepam i.v. oderrektal.

Page 52: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

TherapieLevopromazin (Neurocil): 50mg i.m. bzw. 100mg oral. Inden ersten 24 Std. sollte eine Dosis von 200mg nichtüberschritten werden. Insbesondere bei der parenteralenGabe muss auf RR-Abfall, Tachykardie und Kollapsneigunggeachtet werden.Haloperidol (Haldol): 5-15 mg i.m oder i.v. Cave:FrühdyskinesienDiazepam (Valium): 5-10mg i.v.; Tageshöchstdosis 40-60mg. Langsame Injektion, da atemdepressorischeBegleitwirkungen auftreten können.Zuclopenthixol (Ciatyl Acuphase): 100-200mg i.m. alsKurzzeitdepotneuroleptikum v.a. bei Erregungszustände im Rahmen akuter schizophrener Psychosen.

Page 53: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Suizidalität

Unter Suizid versteht man die absichtlicheSelbsttötung. Beim Suizidversuch kann dieSelbsttötung beabsichtigt sein, oder dassuizidale Verhalten ist „nur“ Ausdruck desWunsches nach Ruhe. Sie kann auch durch denImpuls, sich zu verletzen ohne Tötungsabsichtverursacht sein (Parasuizid).Suizidideen = Nachdenken über Tod,Todeswünsche bis Pläne.Erweiterter Suizid = Tötung der eigenen undfremder Personen.

Page 54: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Suizidalität

Suizide treten manchmal raptusartig auf (v.a. beiSchizophrenien, melancholische Depression), inder Regel aber findet sich eine suizidale Entwicklung.Dabei unterscheidet man nach Pöldinger folgendePhasen:Phase der Erwägung von SuizidPhase der Möglichkeit des eigenen SuizidsPhase der AmbivalenzPhase des Entschlusses

Page 55: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Präsuizidales Syndrom (Ringel)Gekennzeichnet durch:

• zunehmende Einengung von Verhalten, Affekt,zwischenmenschliche Beziehungen• Aggressionsstau und Wendung der Aggression gegen das eigene Ich• Selbstmordphantasien und Selbstmordpläne und -impulse80% der Menschen, die einen Suizidversuch begangen haben, haben ihn vorher angekündigt, etwa 30-40% der Suizidopfer hatten einen SV in der Vorgeschichte.

Page 56: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Epidemiologie (Suizide):

• Im Jahr suizidieren sich 10000-14000 Menschen(Männer:Frauen=3:1).• Die Suizidraten steigen mit zunehmendem Alter und sindhöher in der Stadt, bei Alleinlebenden, Verwitweten,Geschiedenen und getrennt Lebenden.• Besonders im Frühling und Sommer häufen sich Suizide.• Suizide sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenennach Unfällen die häufigste Todesursache.• Etwa 98% sind beim Suizid psychisch oder körperlich krank: Depression 40-60%, Alkoholabhängigkeit 20%,Schizophrenie 10%.• Bei den Suiziden überwiegen „harte“ Methoden wieErhängen, Erschießen.

Page 57: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Epidemiologie (Suizidversuche):

• Suzidversuche sind etwa 5-30fach häufiger als Suizide(Schätzungen bei hoher Dunkelziffer).• Sie werden häufiger von Frauen (3:1) und in jüngerenJahren begangen.• Bei den Suizidversuchen überwiegen „weiche“ Methodenwie Vergiftungen, „Schneiden“ aber auch Kfz-Unfälle(geschätzt werden ca. 1000 Unfälle (pro Jahr), die insuizidaler Absicht durchgeführt werden).

Page 58: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Ätiologie:

Suizidalität ist multifaktoriell bedingt. Zurpathogenetischen Erklärung werden

• soziale• psychologische• biologische

Modelle herangezogen.

Page 59: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Soziale Erklärungsmodelle

Durkheim beschreibt 4 Suizidarten, die sich ableiten von der nicht geglückten Anpassung des Individuums anverschiedenen Gesellschaftsformen:• Egoistischer Suizid: Egoismus d.h. übermäßigerIndividualismus beding Isolation.• Altruistischer Suizid: Resultiert bei schwacher Individuierung.• Fatalistischer Suizid: Wird bedingt durch zu enge sozialeNormen (z.B. Märtyrer, Kamikazeflieger).• Anomischer Suizid: Wird begünstigt durch zu weite bzw.unbestimmte Normen (das Individuum verliert dabei dieOrientierung, welche Zwecke und Mittel gesellschaftlicherwünscht sind).

Page 60: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Biologische Erklärungsmodelle

• Vielzahl von unterschiedlichen Befunden.• Aus Zwillings-u. Adoptivstudien lässt sich ableiten, dass es eine erbliche (serotonerge) Komponente für Suizidalität gibt, die wohl mit der Unfähigkeit zur Impulskontrolle zu tun hat.• Veränderte Anzahl von 5HT2-Rezeptoren in präfrontalenKortex• Konsistent aber wenig spezifisch für Suizidalität sind dieBefunde einer erniedrigten 5-Hydroxyindolessigsäure imLiquor und einer erniedrigten elektrodermalen Aktivität.

Page 61: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Psychologische Erklärungsmodelle

Psychodynamisch:Suizidales Verhalten und Depression entsprechen einer Wendung der Aggression gegen das eigene Ich, ausgedrückt durch Schuldgefühle, Selbstentwertung und schließlich in letzter Konsequenz Selbsttötung.Kognitiv: Suizidales Verhalten und Depression sind das Resultat verzerrter Denkschemata, d.h. der Betroffene sieht sich, die Welt und die Zukunft negativ (negative Triade) bis hin zur Hoffnungslosigkeit, so dass ihm schließlich nur noch der Suizid als Lösung übrig bleibt.

Page 62: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Selbstpsychologisches Modell:

Suizidalität als Ausdruck bzw. Reaktion einer narzisstischen Krise. Narzisstische Menschen sind sehr leicht kränkbar aufgrund eines schwach ausgebildeten Selbstwertgefühls.Der Suizid nach einer vermeidlichen Kränkung istder Versuch das Selbstwertgefühl zu „retten“. WeitereCharakteristika der Narzissten sind eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, eine unrealistische Einschätzunganderer Personen und die Tendenz bei Kränkung unddrohendem „Liebesentzug“ die Aggression gegen daseigene Ich zu richten.

Page 63: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Verlauf:

Zwischen 12-35% der Patienten mit einem Suizidversuch(SV) begehen in den ersten 2 Jahre erneut einen SV. DerProzentsatz derjenigen, die sich suizidierten und schonvorher einen SV unternommen hatten, wird auf 20-50%geschätzt.

Die Mehrheit der Patienten nach einem SV leiden imVerlauf gehäuft an Depressionen, weisen Probleme amArbeitsplatz und in der Partnerschaft auf oder sind sozialisoliert und vereinsamt.

Page 64: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Prädiktoren für suizidales Verhalten:

• Vorangegangener SV• Vorangegangene psychiatrische Behandlung• Suchterkrankung• Persönlichkeitsstörung

Page 65: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Therapie:

A. Krisenintervention:Zentraler Aspekt hierbei ist die Herstellung einer hilfreichen,tragfähigen Beziehung. Suizidale Patienten neigen dazu,ihnen angebotene Hilfe nicht wahrzunehmen oderabzulehnen, und zwar um so häufiger, je größer der zeitlicheAbstand zwischen dem SV und dem therapeutischenAngebot ist. Die Beziehung zum Pat. umfasst:• Fürsorge und Schutz• Klärung von Konflikten• Medizinische Versorgung• Diagnosestellung und Therapie einer zugrunde liegenden psychischen Störung

Page 66: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Therapie:

B. Pharmakotherapie: Wesentliches Ziel hierbeiist eine symptomatische Sedierung mittels:• Antidepressiva• Neuroleptika• Tranquilizer (v.a. Benzodiazepine)Zu beachten ist, daß der Patient die Medikamente nichtfür einen erneuten SV sammelt, d.h. hier ist die Gabe füreinen oder wenige Tage unter engmaschiger Kontrolledes Arztes sinnvoll.

Page 67: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Therapie:

C. Psychotherapeutische Behandlung in Einzel- oderGruppentherapie und wenn möglich unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes.

D. Weiterbetreuung !!!(Suizidpakt, Terminvereinbarung, personelleKontinuität)

Page 68: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Häufige Fehler (Bronisch 1998):

• Trennungsängste übersehen (z.B. Stationswechsel,Urlaub, Entlassung)• Provokation persönlich nehmen (Agieren von Ablehnung)• Einseitige Betonung der Aggressionsproblematik(Übersehen der Beziehungsproblematik)• Bagatellisierungstendenzen des Pat. mitmachen• Mangelnde Exploration der jetzigen und evtl. früherenUmstände, die zu Suizidalität geführt haben• Zu rasche Suche nach positiven Veränderungsmöglichkeiten• Überhöhte Ansprüche an die eigenen therapeutischenFähigkeiten (Omnipotenzgefühl des Therapeuten).

Page 69: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Die Fehler hängen sehr von der Sichtweise desTherapeuten ab, wobei die Angst vor weiteren SV desPatienten eine wesentliche Rolle spielt.

Eine weitere Ursache hierbei spielt auch die Ambivalenz vonSeiten des Patienten, der einerseits an dieHilfsbereitschaft des Therapeuten appelliert und diemenschliche Bindung zu ihm sucht, andererseits aber dieHilfestellung und Zuwendung des Therapeuten abwehrt.

Ambivalenz muss stets berücksichtigt werden, wieauch die Einstellung, dass man einem Pat. nicht von einemSV oder Suizid abhalten kann.

Page 70: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Bewusstseinsstörungen

Def.: Bewusstseinsstörungen sind ein Leitsymptom akutersymptomatischer oder organischen Psychosen. Sieschließen in der Regel das Vorliegen einer funktionellenPsychose oder einer psychoreaktiven Störung aus. DieBewusstseinsstörung ist eine unspezifische Reaktionsweisedes Gehirns auf zahlreiche mögliche verursachendekörperliche Erkrankungen oder Noxen.

Page 71: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Nach Bleuler unterscheidet man:

• Zustände verminderten Bewusstseins (quantitativeBewusstseinsstörungen) (Benommenheit, Somnolenz, Sopor, Koma)

• Zustände veränderten Bewusstseins (qualitativeBewusstseinsstörungen)(Delir, Dämmer- und Verwirrtheitszustände)

Page 72: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Quantitative Bewusstseinsstörungen

Charaktierisiert duch verminderte Vigilanz (Wachheit),welche mit einer Verlangsamung und Verminderung allerpsychischen Partialfunktionen einhergeht.

Bei Benommenheit und Somnolenz muss die diagnostischeAbklärung im Vordergrund stehen, Psychopharmaka sindhier kontraindiziert.

Leitsymptom der Somnolenz ist die Verlangsamung allerpsychomotorischen Funktionen, die verminderteAuffassungsfähigkeit sowie zeitliche und örtlicheOrientierungsstörungen. Als DD sind v.a. eine beginnendeSchizophrenie sowie eine Narkolepsie zu beachten.

Page 73: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Quantitative Bewusstseinsstörungen

Die Therapie beschränkt sich auf die Sicherstellung derregelmäßigen Überwachung der Vitalfunktionen, bis dersomnolente Zustand abgeklungen ist.

Bei persistierenden Vigilanzstörungen älterer Patientenkann ein Behandlungsversuch mit Antidementiva/Nootropika unternommen werden.

Page 74: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Qualitative Bewusstseinsstörungen

Dämmerzustände sind zeitlich begrenzte, Sekunden bisWochen anhaltende Bewusstseinsstörungen, bei denen derPatient handlungsfähig bleibt:• Sie treten in erster Linie in Zusammenhang mit Epilepsien auf (Status non-convulsivus)• Symptome: Die Pat. bewegen sich „traumwandlerisch“.Verlangsamte, automatenhafte Bewegungen, versonnen-träumerisches Verhalten, abrupte Erregungszustände.Verminderte Steuerungsfähigkeit (Gewalttaten, sexuelleEnthemmung). Amnesie.• Therapie: Antiepileptika, Haloperidol, Diazepam• DD: Psychogene Dämmerzustände. Somnabulismus(Schlafwandeln) bei Kindern/Jugendlichen.

Page 75: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Verwirrtheitszustände

• Oft bei alten Menschen.• Gekennzeichnet durch Denkstörungen, wechselndeDesorientiertheit, Unruhe und Affektlabilität.• Häufige Ursachen: Internistische Erkrankungen, inadäquate Medikation, Flüssigkeitsmangel (!).• Therapie: der Grunderkrankung, Flüssigkeit, evtl. Sedierung (Pipamperon, Melperon, Haloperidol)

Page 76: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Delir

Symptome: Desorientiertheit, Verwirrtheit, ängstliche Erregung, Agitiertheit, optische Halluzinationen, illusionäre Verkennungen („Erlkönig“), Suggestibilität, vegetative Symptome, Nesteln, Reduktion von Aufmerksamkeit, Auffassung, Konzentration und Kritikfähigkeit

Entzugsdelire ca. 48-72 Stunden nach Absetzten der Noxe

Page 77: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Ursachen eines Delirs

•Toxische Ursachen (Intoxikation oder Entzug)•Medikamente (insbesondere Psychopharmaka)•Metabolische Ursachen•Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts•Endokrine Störungen•Vitaminmangel•Infektionen•Kardiovaskuläre Störungen•Neurologische Erkrankungen•Sauerstoffmangel

Page 78: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Behandlung eines Delirs

Clomethiazol (Distraneurin)• Senkte Mortalität des Delirium tremens• Sehr gut wirksam gute Steuerbarkeit wegen kurzerHWZ• Gut antikonvulsiv wirksam und gute Sedierung• UAW: bronchiale Hypersekretion, Atemdepression,Abhängigkeitspotential• Dosierung: 2-4 Kps alles 2-4 h (24 Kps Höchstdosis)

• Alternativen oder zusätzlich: Diazepam, Haloperidol,Carbamazepin /(Valproat), Clonidin

Page 79: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Drogennotfall

• Ursachen für Notfall: Mangelernährung, Sepsis, etc.Entzugserscheinungen, Intoxikation, Suizidalität,Psychosen oder Delir• Notfalluntersuchungen plus Drogenscreening(Toxikologie)• Polytoxikomanie

Page 80: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Malignes neuroleptisches Syndrom

• Inzidenz: 1-2% neuroleptikabehandelter Patienten• vor allem durch klassische Neuroleptika• Letalität 15-20%• Therapie: Absetzten aller Neuroleptika, Fiebersenkung (Eispackungen), Intensivpflege, Dopaminagonisten (z.B. Bromocriptin), Dantrolen, Benzodiazepine hochdosiert

Page 81: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Frühdyskinesien (Parkinsonoid)

• vor allem durch klassische Neuroleptika

• EPMS auch bei von Allgemeinärzten und Internisten verordneten Antiemetika wie Metoclopramid möglich

• Therapie: Parenterale Gabe von Biperiden(Akineton) 1-2 Ampullen i.v. (oder i.m.) (oder oral)

Page 82: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation Hyperventilation

Grad 1 mit erhöhter Atemfrequenz, flacher Atmung, ohne Atempausen, erhöhter Erregungszustand, schnellem Reden klarer Ansprechbarkeit

Page 83: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation Hyperventilation

Grad 2 mit Verkrampfung von Kiefer und Händen, Kribbelgefühl in Händen und Füßen, Schwindelgefühl, vegetativer Instabilität, Verkennen der äußeren Situation eingeschränkter Reaktion auf Ansprache

Page 84: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation Hyperventilation

Grad 3 mit Panik, Erstickungsgefühl "kopflosem" Agieren, extremer Erregtheit Gefahr der Selbst- und Fremdverletzung zunächst keine Reaktion auf Ansprache

Page 85: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation Dissoziation

Grad 1 mitverringerter Körperwahrnehmung (z.B."wie im Nebel","alles ist weit weg" o.ä.)Entfremdungs- oder Verzerrungsempfinden im Körperfluchtartigem Rückzug aus einer Situationklarer Ansprechbarkeit

Page 86: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation Dissoziation

Grad 2 miterlebtem Verlust der Köperwahrnehmung (z.B. "spüremich gar nicht mehr", "weiß nicht wo ich bin")Wegdrehen der Augen, Einigelnplötzlichem Tonusverlust, ZusammenklappenVerkennen der äußeren Situationeingeschränkter Reaktion auf Ansprache

Page 87: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation Dissoziation

Grad 3 mit reflexhaften Bewegungen (Saugbewegungen, Schaukeln, Zuckungen, ungezielte Bewegungen) unartikulierten Lauten "wildem Blick" oder Augen geschlossen Gefahr von Selbst- und Fremdverletzung zunächst keiner Reaktion auf Ansprache

Page 88: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation: Intervention

Grad 1 beruhigende Ansprache- Blickkontakt fordern - Positionsveränderung zum aufrechten Sitzen oder Stehen fordern- bei Hyperventilation: Achtsamkeit vom Atem weglenken z.B. zu Füßen (Grounding), Achtsamkeit in den Kontakt durch Fragen (evtl. auch in Körperkontakt gehen, "spüren Sie meine Hand?" o.ä.)

bei Hyperventilation, wenn das kein Atemberuhigung bringt: - "Atmen Sie langsamer, Sie können das!" - evtl. zusammen atmen und selbst langsamer werden

oder Mitzählen lassen beim Ein- und Ausatmen, dabei längere Zeiten vorgeben

Page 89: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation: Intervention

Grad 2 - klare, führende und direkte Ansprache ("machen Sie die Augen auf", "schauen Sie mich an" ,"Kopf hoch nehmen" o.ä.) - Regulierung der eigenen Lautstärke je nach Reaktion des Patienten - fragen was gerade los ist ("wo sind Sie gerade?", "was erleben Sie?") - ggf. Korrektur der Wahrnehmung ("Sie sind jetzt hier in der Klinik", "jetzt tut Ihnen niemand etwas an", "ich bin Ihr Therapeut" o.ä.) - Korrektur des Verhaltens ("das tut Ihnen jetzt nicht gut", "das ist Vergangenheit", "gehen Sie innerlich jetzt nicht dahin zurück") - evtl. die Hand nehmen und vom Patienten selbst drücken lassen zur Sicherung des Kontaktes - Körperinterventionen in Richtung Sitzen - Stehen - Gehen und Interventionen Grad 1

Page 90: Psychiatrie Grundlagen – Befunderhebung · 3. Psychischer Befund –Äußeres Erscheinungsbild –Verhalten und Ausdruck –Bewusstseinslage, Orientierung inklusive Aufmerksamkeit,

Regressive Dekompensation: Intervention

Grad 3 mit - Selbst- und Fremdschutz gewährleisten

- Ansprache bestimmt und klar, aber eher ruhig und nicht fordernd ("keine Angst, ich bin jetzt bei Ihnen", "niemand tut Ihnen was" o.ä.) - fragende, behutsame Kontaktaufnahme und immer wieder beruhigen - Einschätzung eines evtl. akuten psychotischen Zustands - erst bei abklingender Panik oder Erregtheitszustand zu Interventionen Grad 2