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des Münchner Arztes und Bergsteigers Karl Ma- ria Herrligkoffers (1916–1991) vor, der während des IGJ 1957 / 58 eine „Deutsche Südpolarexpedi- tion“ durchführen wollte. Aber schon zu Beginn seiner Propaganda und Sponsorensuche sprach der Geographentag 1955 eine Empfehlung aus, Herrligkoffers Plan wegen mangelnder Sachkom- petenz nicht zu unterstützen. Auch Wilhelm Filchner wurde als Vermittler eingespannt, um Herrlgkoffer eine Vereinbarung abzuringen, daß er sich mit seiner Expedition keinesfalls in den of- fiziellen Rahmen des IGJ stellen würde. Mangels finanzieller und wissenschaftlicher Unterstützung mußte Herrligkoffer seinen Plan aufgeben. Ein Band mit den Tagungsbeiträgen ist bereits für die Publikation in den Beiträgen zur Polar- und Meeresforschung des Alfred-Wegener-Insti- tuts in Bremerhaven in Vorbereitung. Cornelia Lüdecke Anschrift der Verfasserin: PD Dr. Cornelia Lüdecke,Valleystraße 40, D-81371 München DOI: 10.1002/bewi.200601197 Quellen und Arbeiten zur Geschichte der Meteorologie Bericht über die 5. Tagung des Fachausschusses Geschichte der Meteorologie, 11. und 12. Oktober 2005, Lindenberg Am 11. und 12. Oktober 2005 fand mit freund- licher Unterstützung des Deutschen Wetterdien- stes die 5. Tagung des Fachausschusses Geschichte der Meteorologie am Meteorologischen Observa- torium Lindenberg zum Thema „Quellen und Ar- beiten zur Geschichte der Meteorologie“ statt. Die Tagung stand zudem unter dem Zeichen des hundertjährigen Jubiläums des Observatoriums, das mit einem offiziellen Festakt in der zweiten Wochenhälfte begangen wurde. Zu Beginn der Tagung präsentierte Cornelia Buschmann vom Forschungszentrum Europäische Aufklärung (Potsdam) meteorologische Preisauf- gaben von Akademien und gelehrten Gesellschaf- ten in Europa im 18. Jahrhundert. In der Entste- hungszeit der Beobachtungsnetze wurden zu- nächst Verbesserung, Nutzung und Aussagefähig- keit meteorologischer Instrumente Gegenstand der Erörterung. In den Kontext des naturzuge- wandten Aufklärungsdenkens gehörte die Ausein- andersetzung mit Wetterprognosen aus dem Vo- gelzug, aus Tierlauten und ähnlichen Vorzeichen. Zahlreicher sind daneben die Fragen nach physi- kalischer Erklärung und Theorie einzelner Witte- rungserscheinungen wie Hagel, Blitz und Nord- licht wie auch das allgemein interessierende Ge- biet von Elektrizität und Magnetismus. Die Preis- fragen belegen einen bedeutsamen Abschnitt des sich konstituierenden Wissenschaftsverständnisses in der Aufklärung und stellen eine bisher nicht genutzte Quelle zur Geschichte der Meteorologie dar. Der nächste Beitrag von Hannelore und Karl- Heinz Bernhardt (Berlin) stellte Publikationen, Archivdokumente und Zeitzeugenaussagen als Quellen zur Geschichte der Meteorologie am Bei- spiel des Ostberliner Professors Hans Ertel (1904–1971) vor. Private Informationen ergänzten die Charakterisierung, die Ertels gesellschaftliche Stellung, seine nicht immer problemlosen Bezie- hungen zu Vorgesetzten und seine soziale Lage beschrieben. Eine Gegenüberstellung von Publi- kations- und biographischen Daten ermöglicht detailliertere Einblicke in den ungewöhnlichen Entwicklungsgang Ertels und machte die Ver- flechtung von Forschungs- und administrativer Tätigkeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich. Michael Börngen (Leipzig) und Cornelia Lü- decke (Hamburg) setzten sich mit der Biographie einer der erster deutschen Meteorologinnen, Luise Lammert (1887–1946), auseinander, über die bisher noch keine Lebensbeschreibung vor- liegt. Sie war an der Universität in Leipzig Schü- lerin von Vilhelm Bjerknes (1862–1951) und ist bekannt geworden durch ihre Dissertation über den mittleren Zustand der Atmosphäre bei Süd- föhn und ihre Untersuchungen von Polarfronten in Australien 1928–1929, bei denen sie die Bjerk- nes’sche Fronttheorie auf die Verhältnisse der Südhemisphäre anwandte. Andere, weniger wis- senschaftliche Aufgaben wie die Erstellung eines Sach- und Namensregister der Meteorologischen Zeitschrift (1909–1928) und der auch am Meteo- rologischen Institut in Leipzig einsetzende Stellenabbau an den Hochschulen unter den Na- tionalsozialisten verhinderten jedoch eine vielver- sprechende Karriere. Rudolf Ziemann (Potsdam) berichtete über die Arbeiten an der 1992 begonnenen Chronik des 161 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA,Weinheim Ber.Wissenschaftsgesch. 29 (2006) 155–164 Dokumentation und Information

Quellen und Arbeiten zur Geschichte der Meteorologie

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Page 1: Quellen und Arbeiten zur Geschichte der Meteorologie

des Münchner Arztes und Bergsteigers Karl Ma-ria Herrligkoffers (1916–1991) vor, der währenddes IGJ 1957/58 eine „Deutsche Südpolarexpedi-tion“ durchführen wollte. Aber schon zu Beginnseiner Propaganda und Sponsorensuche sprachder Geographentag 1955 eine Empfehlung aus,Herrligkoffers Plan wegen mangelnder Sachkom-petenz nicht zu unterstützen. Auch WilhelmFilchner wurde als Vermittler eingespannt, umHerrlgkoffer eine Vereinbarung abzuringen, daß

er sich mit seiner Expedition keinesfalls in den of-fiziellen Rahmen des IGJ stellen würde. Mangelsfinanzieller und wissenschaftlicher Unterstützungmußte Herrligkoffer seinen Plan aufgeben.

Ein Band mit den Tagungsbeiträgen ist bereitsfür die Publikation in den Beiträgen zur Polar-und Meeresforschung des Alfred-Wegener-Insti-tuts in Bremerhaven in Vorbereitung.

Cornelia Lüdecke

Anschrift der Verfasserin: PD Dr. Cornelia Lüdecke,Valleystraße 40, D-81371 München

DOI: 10.1002/bewi.200601197

Quellen und Arbeiten zur Geschichte der Meteorologie

Bericht über die 5. Tagung des Fachausschusses Geschichte der Meteorologie,11. und 12. Oktober 2005, Lindenberg

Am 11. und 12. Oktober 2005 fand mit freund-licher Unterstützung des Deutschen Wetterdien-stes die 5. Tagung des Fachausschusses Geschichteder Meteorologie am Meteorologischen Observa-torium Lindenberg zum Thema „Quellen und Ar-beiten zur Geschichte der Meteorologie“ statt.Die Tagung stand zudem unter dem Zeichen deshundertjährigen Jubiläums des Observatoriums,das mit einem offiziellen Festakt in der zweitenWochenhälfte begangen wurde.

Zu Beginn der Tagung präsentierte CorneliaBuschmann vom Forschungszentrum EuropäischeAufklärung (Potsdam) meteorologische Preisauf-gaben von Akademien und gelehrten Gesellschaf-ten in Europa im 18. Jahrhundert. In der Entste-hungszeit der Beobachtungsnetze wurden zu-nächst Verbesserung, Nutzung und Aussagefähig-keit meteorologischer Instrumente Gegenstandder Erörterung. In den Kontext des naturzuge-wandten Aufklärungsdenkens gehörte die Ausein-andersetzung mit Wetterprognosen aus dem Vo-gelzug, aus Tierlauten und ähnlichen Vorzeichen.Zahlreicher sind daneben die Fragen nach physi-kalischer Erklärung und Theorie einzelner Witte-rungserscheinungen wie Hagel, Blitz und Nord-licht wie auch das allgemein interessierende Ge-biet von Elektrizität und Magnetismus. Die Preis-fragen belegen einen bedeutsamen Abschnitt dessich konstituierenden Wissenschaftsverständnissesin der Aufklärung und stellen eine bisher nichtgenutzte Quelle zur Geschichte der Meteorologiedar.

Der nächste Beitrag von Hannelore und Karl-Heinz Bernhardt (Berlin) stellte Publikationen,Archivdokumente und Zeitzeugenaussagen als

Quellen zur Geschichte der Meteorologie am Bei-spiel des Ostberliner Professors Hans Ertel(1904–1971) vor. Private Informationen ergänztendie Charakterisierung, die Ertels gesellschaftlicheStellung, seine nicht immer problemlosen Bezie-hungen zu Vorgesetzten und seine soziale Lagebeschrieben. Eine Gegenüberstellung von Publi-kations- und biographischen Daten ermöglichtdetailliertere Einblicke in den ungewöhnlichenEntwicklungsgang Ertels und machte die Ver-flechtung von Forschungs- und administrativerTätigkeit vor und nach dem Zweiten Weltkriegdeutlich.

Michael Börngen (Leipzig) und Cornelia Lü-decke (Hamburg) setzten sich mit der Biographieeiner der erster deutschen Meteorologinnen,Luise Lammert (1887–1946), auseinander, überdie bisher noch keine Lebensbeschreibung vor-liegt. Sie war an der Universität in Leipzig Schü-lerin von Vilhelm Bjerknes (1862–1951) und istbekannt geworden durch ihre Dissertation überden mittleren Zustand der Atmosphäre bei Süd-föhn und ihre Untersuchungen von Polarfrontenin Australien 1928–1929, bei denen sie die Bjerk-nes’sche Fronttheorie auf die Verhältnisse derSüdhemisphäre anwandte. Andere, weniger wis-senschaftliche Aufgaben wie die Erstellung einesSach- und Namensregister der MeteorologischenZeitschrift (1909–1928) und der auch am Meteo-rologischen Institut in Leipzig einsetzendeStellenabbau an den Hochschulen unter den Na-tionalsozialisten verhinderten jedoch eine vielver-sprechende Karriere.

Rudolf Ziemann (Potsdam) berichtete über dieArbeiten an der 1992 begonnenen Chronik des

161 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, WeinheimBer.Wissenschaftsgesch. 29 (2006) 155–164

Dokumentation und Information

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Meteorologischen Dienstes (MD) der DDR fürden Zeitraum 1987–1990 und über die 1998 ein-setzenden Archivarbeiten zur Aufnahme derDienstakten des MD in das Bundesarchiv.

Zusätzlich zu den Vorträgen stellte Ralf Kraak(Berlin) in einem philatelistischen Beitrag aufzwei Tafeln postalische Mosaiksteine aus der hun-dertjährigen Entwicklung des Lindenberger Ob-servatoriums zur Außensicht auf die Meteorolo-gie vor. Es handelte sich dabei um Beobachterpostin Form von Postkarten, um Briefe mit Auswer-tungen und Übersichten über Meßreihen oder -zeiträume sowie um Funksprüche, wie sie vorallem für die Navigation wichtig waren, bezie-hungsweise Telegramme, die zu verschiedenstenZwecken als Dienstpost verschickt wurden.

Der zweite Tag widmete sich dem hundertjähri-gem Jubiläum des Aëronautischem Observatori-ums in Lindenberg. Bernd Stiller (Langewahl)stellte seine Vision eines Wettermuseums vor, dasin unmittelbarer Nachbarschaft zum Observato-rium Lindenberg entstehen könnte. Sein Konzeptumfaßt die Bereiche Geschichte der Meteorologie,von der Messung zur Vorhersage, und das Klimamit seinen Extremen beziehungsweise Änderun-gen. Anschließend folgte Hans Steinhagen (Lin-denberg) mit neuen wissenschaftshistorischenQuellen zum Lebenswerk Richard Aßmanns(1845–1918), der als Vater der Aërologie, dasheißt der Erforschung der höheren Luftschichten,gilt. Leider wurde sein Nachlaß bei einem Bom-benangriff auf Berlin ein Opfer der Flammen.Nach mehrjähriger Recherche konnte eine Reihevon bisher unbekannten Quellen erschlossen wer-den, die neue Einblicke in das Leben und WerkAßmanns vermitteln. Steinhagen beschrieb seinenWerdegang vom Arzt zum Meteorologen, dieEntwicklung seines Aspirations-Psychrometersum 1890, die von ihm initiierten Berliner wissen-schaftlichen Luftfahrten (1893/94, 1895–1899)und die aus den Ergebnissen dieser Aufstiege ab-geleitete Existenz der Stratosphäre, sowie dieGründung des Aëronautischen Observatoriums inTegel, das 1905 nach Lindenberg übersiedelte.

C. Lüdecke widmete sich dann der ersten per-manenten aërologischen Station auf Spitzbergen(1911–1914), die im Zusammenhang mit künfti-gen Forschungsflügen von Luftschiffen in derArktis vom Vorsitzenden der Internationalen Aë-ronautischen Kommission Hugo Hergesell (1859–1938) eingerichtet wurde. Im jährlichen Wechselüberwinterten 1911/12 in der Advent Bay und ab1912 in Ebeltofthamna (Cross Bay) je zwei Wis-senschafter und zwei Assistenten in Westspitzber-gen. Unter anderem arbeiteten hier während derSaison 1912/1913 die Mitarbeiter des Lindenber-ger Observatoriums Kurt Wegener (1878–1964)und Max Robitzsch (1887–1952). Das DeutscheGeophysikalische Observatorium war das erste,das einen kontinuierlichen Stationsbetrieb in derArktis realisierte.

Zum Abschluß der Tagung stellte Herwig Nig-germann (Bochum) die Gründung und den Aufbaudes Observatoriums in Apia (Samoa) durch OttoTetens (1865–1945) in den Jahren 1902–1905 mithistorischen Bildern vor. Hier sollten meteorologi-sche und magnetische Beobachtungen durchge-führt und seismischen Messungen gemacht wer-den. Tetens hatte nicht nur die Entstehung des Ob-servatoriums fotografisch dokumentiert, sondernauch das Leben der Einwohner um ihn herum mitviel Einfühlungsvermögen auf Glasplatten ver-ewigt. Diese Fotos sind von außerordentlicher eth-nologischer Bedeutung und beschreiben ein faszi-nierendes Kapitel aus der deutschen Kolonialzeit,in der die Wissenschaft als Kulturträger eine wich-tige Rolle gespielt hat. Tetens wurde später lang-jähriger Mitarbeiter des Lindenberger Observato-riums. Das noch heute betriebene Apia Observa-tory stand bis 1926 unter deutscher Leitung.

Bei herrlichstem Wetter schloß sich am Nach-mittag unter sachkundiger Führung eine Besichti-gung der historischen Ballonhalle und des reno-vierten Windenhauses für die früheren Ballon-und Drachenaufstiege zur Untersuchung der hö-heren Atmosphärenschichten sowie der modernenEinrichtungen wie des Strahlungsmeßzentrumsan. Cornelia Lüdecke

Anschrift der Verfasserin: PD Dr. Cornelia Lüdecke,Valleystraße 40, D-81371 München

162 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Ber.Wissenschaftsgesch. 29 (2006) 155–164

Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 29 (2006)