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Radiologie MR-Neurographie – den Schmerzen auf der Spur Dr. med. Michael Ho*, PD Dr. med. Roman Guggenberger* Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UniversitätsSpital Zürich * Beide Autoren haben zu gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen. Hintergrund Die MR-Neurographie (MRN) ist ein auf der Magnetre- sonanztomographie (MRT) basierendes Verfahren zur Bildgebung der Nervenplexus und der peripheren Ner- ven. Durch dezidierte MRT-Sequenzen und spezielle, flexible Oberflächenspulen können hochaufgelöste Bilder angefertigt werden, die in vivo Einblicke in das periphere Nervensystem (PNS) ermöglichen. Für eine valide Diagnosestellung sind neben den technischen Voraussetzungen, eine exakte Planung der Unter- suchung, Kenntnisse der möglichen Differentialdia- gnosen des PNS und vor allem auch eine enge Zusam- menarbeit mit den klinischen Kollegen notwendig. Diagnostischer Zusatznutzen Die diagnostischen Grundlagen bei Verdacht auf eine Erkrankung des PNS sind die Anamneseerhebung sowie die klinisch-neurologische Untersuchung. Zur Eingrenzung von Differentialdiagnosen schliesst sich daran meist eine neurophysiologische Funktions- diagnostik an. Diese umfasst in der Regel die Nadel- elektromyographie (EMG), die motorische und sensible Elektroneurographie (ENG), die Messung evozierter Potenziale (EP) und die quantitative sensorische Tes- tung (QST). In den meisten Fällen sind diese Verfahren zur korrek- ten Diagnosestellung und Verlaufskontrolle ausrei- chend. Dennoch zeigen sich mitunter diagnostische Lücken. So ist eine Lokalisationsdiagnostik vor allem an proximalen, elektrophysiologisch schwer zugäng- lichen Nervensegmenten nur indirekt und nicht punktgenau möglich. Die Differenzierung zwischen monofokalem und multifokalem Geschehen kann hierbei schwierig sein, ist jedoch von therapieentschei- dender Relevanz. Weiterhin können meist keine unmittelbaren Aussagen über die Ätiologie einer Ner- venläsion, beispielsweise Entzündung oder Kompres- sion, getroffen werden. Bildgebende Verfahren wie die MRN, und mit Ein- schränkungen auch die Neurosonographie, ermögli- chen hingegen unmittelbare Aussagen über die Struk- tur und Beschaffenheit des PNS, über die innervierte Muskulatur und die umgebenden anatomischen Ver- hältnisse. Die hochauflösende MRN im Speziellen kann die routinemässige Diagnostik um folgende wichtige Informationen ergänzen [1, 2]: direkte, exakte und räumliche Lokalisation der Ner- venläsionen; Aufzeigen eines Läsionsmusters (Unterscheidung zwischen einem mono- und multifokalen Gesche- hen); Darstellung der Ursache einer Nervenläsion und da- durch schnellere ätiologische Abklärung der Patho- logie; Beurteilung des Nerven auf faszikulärer Ebene. Indikationen Darstellung der Plexus und proximaler Nervenstrukturen Klinische und neurophysiologische Untersuchungen ermöglichen oſtmals eine nur ungenaue Lokalisation von Nervenläsionen. Dies tri insbesondere auf schwer zugängliche proximale Nervensegmente wie die Arm- und Beinplexus, Nervenwurzeln und andere unmittelbar angrenzende Nervenstrukturen zu. Der klinische Verdacht auf eine Plexopathie stellt somit eine wichtige Indikation für eine hochauflösende MRN dar. Weiterhin lässt die MRN spezifische Aussagen über die Ursache der Läsion zu – so kann beispielsweise zwi- Michael Ho Roman Guggenberger Die MR-Neurographie hilſt durch unmittelbare Aussagen über die Struktur und Beschaffenheit des peripheren Nervensystems die Lücke im bisherigen Instrumen- tarium zur Diagnostik neuropathischer Nervenleiden zu schliessen. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(3):61–64 SCHLAGLICHTER 2017 61 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

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Page 1: Radiologie MR-Neurographie – den Schmerzen auf der Spur · Radiologie MR-Neurographie – den Schmerzen auf der Spur Dr. med. Michael Ho*, PD Dr. med. Roman Guggenberger* Diagnostische

Radiologie

MR-Neurographie – den  Schmerzen auf der SpurDr. med. Michael Ho*, PD Dr. med. Roman Guggenberger*

Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UniversitätsSpital Zürich * Beide Autoren haben zu gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen.

Hintergrund

Die MR-Neurographie (MRN) ist ein auf der Magnetre-sonanztomographie (MRT) basierendes Verfahren zur Bildgebung der Nervenplexus und der peripheren Ner-ven. Durch dezidierte MRT-Sequenzen und spezielle, flexible Oberflächenspulen können hochaufgelöste Bilder angefertigt werden, die in vivo Einblicke in das periphere Nervensystem (PNS) ermöglichen. Für eine valide Diagnosestellung sind neben den technischen Voraussetzungen, eine exakte Planung der Unter-suchung, Kenntnisse der möglichen Differentialdia-gnosen des PNS und vor allem auch eine enge Zusam-menarbeit mit den klinischen Kollegen notwendig.

Diagnostischer Zusatznutzen

Die diagnostischen Grundlagen bei Verdacht auf eine Erkrankung des PNS sind die Anamneseerhebung sowie die klinisch-neurologische Untersuchung. Zur Eingrenzung von Differentialdiagnosen schliesst sich daran meist eine neurophysiologische Funktions-diagnostik an. Diese umfasst in der Regel die Nadel-elektromyographie (EMG), die motorische und sensible Elektroneurographie (ENG), die Messung evozierter Potenziale (EP) und die quantitative sensorische Tes-tung (QST). In den meisten Fällen sind diese Verfahren zur korrek-ten Diagnosestellung und Verlaufskontrolle ausrei-chend. Dennoch zeigen sich mitunter diagnostische Lücken. So ist eine Lokalisationsdiagnostik vor allem an proximalen, elektrophysiologisch schwer zugäng-lichen Nervensegmenten nur indirekt und nicht punktgenau möglich. Die Differenzierung zwischen mono fokalem und multifokalem Geschehen kann hierbei schwierig sein, ist jedoch von therapieentschei-

dender Relevanz. Weiterhin können meist keine unmittel baren Aussagen über die Ätiologie einer Ner-venläsion, beispielsweise Entzündung oder Kompres-sion, getroffen werden. Bildgebende Verfahren wie die MRN, und mit Ein-schränkungen auch die Neurosonographie, ermögli-chen hingegen unmittelbare Aussagen über die Struk-tur und Beschaffenheit des PNS, über die innervierte Muskulatur und die umgebenden anatomischen Ver-hältnisse. Die hochauflösende MRN im Speziellen kann die routinemässige Diagnostik um folgende wichtige Informationen ergänzen [1, 2]:– direkte, exakte und räumliche Lokalisation der Ner-

venläsionen;– Aufzeigen eines Läsionsmusters (Unterscheidung

zwischen einem mono- und multifokalen Gesche-hen);

– Darstellung der Ursache einer Nervenläsion und da-durch schnellere ätiologische Abklärung der Patho-logie;

– Beurteilung des Nerven auf faszikulärer Ebene.

Indikationen

Darstellung der Plexus und proximaler NervenstrukturenKlinische und neurophysiologische Untersuchungen ermöglichen oftmals eine nur ungenaue Lokalisation von Nervenläsionen. Dies trifft insbesondere auf schwer zugängliche proximale Nervensegmente wie die Arm- und Beinplexus, Nervenwurzeln und andere unmittelbar angrenzende Nervenstrukturen zu. Der klinische Verdacht auf eine Plexopathie stellt somit eine wichtige Indikation für eine hochauflösende MRN dar. Weiterhin lässt die MRN spezifische Aussagen über die Ursache der Läsion zu – so kann beispielsweise zwi-

Michael Ho

Roman Guggenberger

Die MR-Neurographie hilft durch unmittelbare Aussagen über die Struktur und Beschaffenheit des peripheren Nervensystems die Lücke im bisherigen Instrumen-tarium zur Diagnostik neuropathischer Nervenleiden zu schliessen.

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(3):61–64

SCHLAGLICHTER 2017 61

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schen tumorösen Prozessen, multifokal inflammatori-schen Geschehen und Kompressionen unterschieden werden [3, 4].

Fallbericht neurogenes Thoracic-Outlet- Syndrom (neurogenes TOS; Abb. 1)26-jährige Patientin mit diskreter Atrophie der media-nusversorgten Thenarmuskulatur und diskreter Pa-rese der ulnarisversorgten, intrinsischen Handmusku-latur auf der linken Seite. Die erhobenen klinischen und neurophysiologischen Befunde ergaben den Ver-dacht auf ein neurogenes Thoracic-Outlet-Syndrom. Die Patientin wurde mit der Fragestellung nach einer Läsion im Plexus brachialis respektive zur anatomi-schen Evaluation desselben der MRN zugewiesen. In der sagittalen MRN (Abb. 1A) konnte auf der linken

Seite ein vergrösserter Processus transversus mit ak-zessorischer Halsrippe des Halswirbelkörpers (HWK) 7 mit Kontakt zur 1. Rippe nachgewiesen werden, welche den supraklavikulären Plexus brachialis komprimiert. Als Folge der Kompression ist der supraklavikuläre Ple-xus brachialis fokal verdickt und signalgesteigert (Pfeil). Zur operativen Planung wurde eine Computer-tomographie der Halswirkbelsäule (HWS) mit 3D-Re-konstruktion der knöchernen Strukturen angefertigt (Abb. 1B). In dieser zeigt sich die bereits in der MRN nachgewiesene Halsrippe des HWK 7 links.

Faszikuläre Nervenläsionen Nervenfasern und Faszikel sind im peripheren Nerven somatotop angeordnet. So verlaufen Nervenfasern, die eine Muskelgruppe innervieren, bereits proximal be-nachbart im Nerv und behalten diese Ordnung im ge-samten Nervenverlauf bei [2]. Diese Somatotopie im peripheren Nerven hat zur Folge, dass eine proximale Schädigung eines einzelnen Faszikels zu einem Ausfall des weiter distal gelegenen Kennmuskels führen kann. Diese Läsionen auf faszikulärer Ebene sind neurophy-siologisch nur schwer zu diagnostizieren.

Kompressionsneuropathien unklarer ÄtiologieKompressionsneuropathien wie beispielsweise das Karpaltunnelsyndrom lassen sich meist hinreichend mithilfe klinischer und neurophysiologischer Unter-suchungen oder der Neurosonographie diagnostizie-ren [1]. Die MRN ist im Rahmen von Kompressions-neuropathien vor allem dann indiziert, wenn die klassischen Untersuchungsverfahren in der Zusam-menschau keinen eindeutigen Rückschluss auf die Ursache der Beschwerden erlauben.

Multifokale NervenläsionenDank der grossflächigen und langstreckigen Abbil-dung von Nervenverläufen mittels MRN können nicht nur fokale Läsionen, sondern auch komplexe Läsions-muster identifiziert werden. Die räumliche Verteilung, zeitliche Dynamik und die Morphologie der Nervläsio-nen sowie eine mögliche Kontrastmittelanreicherung (als Hinweis auf eine Blut-Nerv-Schrankenstörung) können dabei weitere Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Erkrankung zulassen.

Fallbericht chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP; Abb. 2)64-jähriger Patient mit seit acht Jahren bestehenden, langsam progredienten, distal betonten Atrophien und Paresen, ausgeprägtem Haltetremor sowie Stand- und Gangunsicherheit. In der Elektrophysiologie fan-den sich reduzierte Nervenleitgeschwindigkeiten so-

Abbildung 2: MR-Neurographie des Plexus lumbosacralis (A) und des Plexus brachialis

(B): inhomogene Kaliberauftreibungen der Plexusanteile beidseits (Pfeile) mit patho-

logischen, spindelförmigen Signalsteigerungen.

Abbildung 1: A) Sagittale MR-Neurographie-Aufnahme. Vergrösserter Processus trans-

versus mit akzessorischer Halsrippe des HWK 7 (*) mit Kontakt zur 1. Rippe, welche den

supraklavikulären Plexus brachialis (Pfeil) komprimiert. Als Folge der Kompression ist

der supraklavikuläre Plexus brachialis fokal verdickt und signalgesteigert (Pfeil).

B) Computertomographie der Halswirkbelsäule mit 3D-Rekonstruktion der knöchernen

Strukturen: Der Pfeil zeigt auf die bereits in der MRN nachgewiesene Halsrippe des

HWK 7 links.

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wie axonale Schädigungen des Nervus medianus beidseits, des Nervus ulnaris beidseits und des Nervus peroneus beidseits. Bei zusätzlich Proteinerhöhung in der Liquoranalyse wurde die Verdachtsdiagnose der CIDP gestellt. Es zeigten sich in der MRN des Plexus lumbosacralis (Abb. 2A) und des Plexus brachialis (Abb. 2B) deutliche inhomogene Kaliberauftreibungen der Plexusanteile beidseits mit pathologischen, spin-delförmigen Signalsteigerungen.

Traumatische Läsionen und postoperative KomplikationsabklärungMit der MRN lassen sich schon frühzeitig traumatische Verletzungen der Nerven lokalisieren (von intradura-len Verletzungen der Nervenwurzelfilamente bis hin zu distalen Schädigungen) und deren Ausmass be-stimmen (von Traktionsverletzungen mit erhaltener Nervkontinuität bis hin zu Nervenausrissen mit Stumpfneuromen). Die MRN kann daher für die Opera-tionsindikation eine wichtige Rolle spielen. Postopera-tiv kann selbst noch nach Einlage von Osteosynthese-material – dank moderner Sequenzen zur Reduzierung von Metallartefakten – das Behandlungsergebnis kontrolliert werden.

Fallbericht Cerclage des Nervus radialis (Abb. 3)28-jähriger Patient mit Status nach schwerem Poly-trauma mit Luxationstrümmerfraktur des proxima-len Humerus links. Die Fraktur wurde initial mit einer

Plattenosteosynthese und einer Cerclage behandelt (Abb. 3A). Aufgrund der klinischen Symptomatik und des ENMG-Befunds wurde postoperativ der Verdacht auf eine komplett erscheinende Läsion des Nervus ra-dialis gestellt. In der MRN zeigte sich ein langstreckig im Kaliber aufgetriebener und signalgesteigerter Nervus radialis proximal und distal der Cerclage mit konsekutiv neurogenem Ödem der innervierten Mus-kulatur im Sinne einer traumatisch iatrogenen Stran-gulation. In der hochauflösenden Nervensonographie konnte der Befund eines pathologisch verdickten Ner-vus radialis proximal der Cerclage verifiziert werden. Intraoperativ bestätigte sich der Befund einer Strangu-lation des Nerven durch die Cerclage. Nach erfolgter Cerclage-Entfernung und Neurolyse zeigte sich im kli-nischen Verlauf ein erfreulich signifikanter Rückgang der Symptomatik.

InterventionMinimalinvasive Behandlungen, deren präzise Steue-rung einen hohen Weichteilkontrast erfordern, sind mit der MRN in ausgewählten Zentren ebenfalls mög-lich und eröffnen bereits heute schonende Therapie-optionen. Insbesondere im Bereich der Plexus und bei körperstammnahen Nervenstrukturen hat die MR-neurographisch gesteuerte Intervention gegenüber sonographisch gesteuerten Interventionen aufgrund der hohen Auflösung in der Tiefe und der synchronen Darstellung der Läsion Vorteile.

Fallbeispiel Pudendusinfiltration (Abb. 4)48-jährige Patientin mit seit Jahren bestehendem Her-pes Zoster genitalis und Schmerzen vaginal und ingui-nal links im Sinne einer chronischen Neuropathie des Nervus pudendus. In der MRN zeigen sich nur diskrete Befunde mit im Seitenvergleich zu rechts leichter Atro-phie des Nervus pudendus links (Pfeil in Abb. 4A), ver-mutlich als Folge einer chronischen Entzündung. Der Nervus rectalis inferior ist lediglich auf der Gegenseite zu erkennen (Pfeilspitze in Abb. 4A).Aufgrund der Beschwerderesistenz auf konservative, orale Medikation wurde die Indikation zur MR-geziel-ten Infiltration des Nervus pudendus links gestellt. Unter sterilen Bedingungen wurde dieser unter wie-derholter visueller Kontrolle im MRT auf Höhe der Spina ischiadica anvisiert (Asterisk in Abb. 4B). Nach gezielter Injektion des Lokalanästhetikums in den Raum zwischen Ligamentum sacrospinale und Liga-mentum sacrotuberale entlang des Nervus pudendus bis in den Alcock-Kanal (Pfeil in Abb. 4B) berichtete die Patientin über vollständige Regredienz der Schmerzen und konnte in zufriedenem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden.

Abbildung 3: A–C) MR-Neurographie Humerus links. Langstreckig im Kaliber aufge-

triebener und signalgesteigerter Nervus radialis (Pfeil in B und C) proximal und distal

der Cerclage mit konsekutiv neurogenem Ödem der innervierten Muskulatur (* in C) im

Sinne einer traumatisch iatrogenen Strangulation. D) In der hochauflösenden Nerven-

sonographie pathologisch verdickter Nervus radialis (Pfeil) proximal der Cerclage (*).

E) Intraoperative Bestätigung des Befundes einer Strangulation des Nerven (Pfeil)

durch die Cerclage (*).

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Diffusion Tensor Imaging: Von der Morphologie hin zur FunktionErweiterte, neue Möglichkeiten, physiologische von pa-thologischer Nervenfunktion zu unterscheiden, bietet das «Diffusion Tensor Imaging» (DTI; Abb. 5). Beim DTI werden mit einer speziellen MR-Technik Informationen über die Diffusion von Wasserstoffmolekülen im Nerv gewonnen. Ist die Diffusion innerhalb eines Nerven ge-stört, ist in der Regel auch die Nervenfunktion gestört – auch wenn der Nerv möglicherweise in den morphologi-schen MR-Bildern oder der Sonographie noch normal erscheint. DTI-Bilder werden oftmals aufwendig nachbe-arbeitet, um daraus (teils farbkodierte) Para meterkarten für die Visualisierung der Diffusions parameter zu er-stellen. Überwiegend nichtphysiologische Diffusions-bewegungen, wie sie in geschädigten Nerven abschnitten zu finden sind, können Hinweise auf eine Mikrostruk-turstörung des Nerven geben. Die DTI hat sich als valide Technik erwiesen [5] und wird in spezialisierten Zentren bereits heute routinemässig angewandt [6].

Korrespondenz: PD Dr. med. Roman Guggenberger Leiter muskuloskelettale Radiologie, Diagnostische und Inter-ventionelle Radiologie UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich roman.guggenberger[at]usz.ch und Dr. med. Michael Ho Bereich MR-Neurographie, Diagnostische und Inter-ventionelle Radiologie UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich michael.ho[at]usz.ch

Abbildung 4: MR-Neurographie der Pudendusregion. A) Im Seitenvergleich leichte Atrophie des Nervus pudendus links (Pfeil).

Der Nervus rectalis inferior ist nur auf der Gegenseite zu erkennen (Pfeilspitze). B) MR-gesteuerte Infiltration des Nervus

pudendus links auf Höhe der Spina ischiadica (*): gezielte Injektion des Lokalanästhetikums in den Raum zwischen Ligamentum

sacrospinale und Ligamentum sacrotuberale entlang des Nervus pudendus bis in den Alcock-Kanal (Pfeil).

Diskussion

Die MRN hilft, die diagnostische Lücke zu schliessen, die das bisherige Instrumentarium zur Diagnostik bei neuropathischen Leiden offen lässt. Über die klinische Untersuchung und die elektrophysiologischen Metho-den hinaus lassen sich anhand der Bildgebung wich-tige zusätzliche Informationen gewinnen, die eine Eingrenzung der potentiellen Diagnosen zulassen. Minimalinvasive Behandlungen, bei deren präziser Steuerung ein hoher Weichteilkontrast erforderlich ist, sind mit der MRN in ausgewählten Zentren ebenfalls möglich und eröffnen bereits heute schonende Thera-pieoptionen. Die moderne MR-Bildgebung überspringt zudem die Grenze der rein morphologischen Darstel-lung und bietet mit der DTI funktionelle Biomarker zur Evaluierung der Nervenintegrität.

Disclosure statementDie Autoren haben keine finanziellen oder persön lichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Literatur1 Pham M. MR neurography for lesion localization in the peripheral

nervous system. Why, when and how? Nervenarzt. 2014;85:221–35.2 Godel T, Weiler M. Klinische Indikationen hochauflösender

MRT-Diagnostik des peripheren Nervensystems. Der Radiologe. 2017;57(3):148–56.

3 Ho M, Andreisek G. Moderne Bildgebung von Läsionen des peripheren Nervensystems. Rheuma Schweiz. 2015;28–34.

4 Bäumer P. Diagnostische Kriterien in der MR-Neurographie. Der Radiologe. 2017;57(3):176–83.

5 Ho M, Manoliu A, Kuhn F, Stieltjes B, Klarhöfer M, Feiweier T, Marcon M, Andreisek G. Evaluation of Reproducibility of Diffusion Tensor Imaging in the Brachial Plexus at 3.0 T. Investigative Radiology. 2017;52:482–7.

6 Guggenberger R, Markovic D, Eppenberger P, Chhabra A, Schiller A, Nanz D, et al. Assessment of median nerve with MR neurography by using diffusion-tensor imaging: normative and pathologic diffusion values. Radiology. 2012; 265(1):194–203.

Abbildung 5: «Diffusion Tensor Imaging» des Nervus ulnaris (Pfeil) bei Sulcus ulnaris

Syndrom. Hier dargestellt sind Parameterkarten für die Diffusionsparameter «apparent

diffusion coefficient» (A) und «fractional anisotropy» (B), die als Biomarker für die Nerv-

integrität gelten. Punktgenaue Messungen dieser Para meter im Nervus ulnaris sind

anhand dieser Karten möglich.

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