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Referat
THEORIEN DER EUROPÄISCHEN INTEGRATION
Lilian Pungas und Mario Wienke 09.01.2012
Dr. Anne Faber
Internationale Beziehungen
WS 2011/2012
I - Europäische Integrationstheorien II - Föderalismus III - Funktionalismus/Neofunktionalismus IV - Intergouvernementalismus V - Weg in die Zukunft
Europäische Integrationstheorien
• Europäischer Einigungsprozess einzigartig / EU = System sui generis
• 5 Phasen der Theorieentwicklung im Ursprung durch europolitische Ereignisse • 1. Phase: Funktionalismus • 2. Phase: Neofunktionalismus • 3. Phase: Intergouvernementalismus (versus Neofunktionalismus) • 4. Phase: Liberaler Intergouvernementalismus • 5. Phase: Multi-Lever Governance Ansatz, Sozialkonstruktivismus, etc.
Eine wissenschaftliche Theorie…
• Eine wissenschaftliche Theorie? => „Sätze von Aussagen, die in einem logischen Zusammenhang stehen, die einer wissenschaftlichen Untersuchung als Bezugsrahmen dienen, eine begrifflich-systematische Ordnung der Ergebnisse ermöglichen und zu praktischem Handeln befähigen können.”
Haftendorn, Helga 1975: „Theorie der Internationalen Politik. Gegenstand und Methoden der Internationalen
Beziehungen.”, Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 9f.
• 4 Funktionen einer Theorie:
- Selektionsfunktion (relevante Daten auswählen)
- Ordnungsfunktion (Beobachtungen strukturieren)
- Erklärungsfunktion (Zusammenhänge, Ursachen, Gründe)
- operative Funktion (Anwendung der Information in der Praxis)
• Zu (?) viele Theorien über die europäische Integration => gut?
=> Ausdruck eines “guten Gesundheitszustandes”, wegen des Pluralismus wissenschaftstheoretischer Positionen und der Multidimensionalität des Gegenstandes.
Rosamond, Ben 2000: „Theories of European Integration”, New York: St. Martins Press, S. 197.
• Die Frage: Sind einige Theorien auch komplementär (wechselseitig ergänzend) oder schließen sie sich gegenseitig aus?
FÖDERALISMUS
• Entstand: II Weltkrieg, Widerstandsgruppen gegen Nationalsozialismus
• Vorbild: The Federalist Papers (USA, 1787/88)
=> Altiero Spinelli „Ventotene-Manifest” • Idee: zwischenstaatliche Anarchie und das Prinzip des Nationalstaats
müssen überwunden werden, um einen erneuten Krieg zu verhindern
(Sicherheitsdilemma)
=> Wie?: durch einen konstitutionellen Akt (function follows form)
=> Ziel? ein föderaler europäischer Bundesstaat [ Vgl.: Mitrany- Schrittweise und keine „neue” Grenzen! ]
Das Ziel: Ein föderaler europäischer Bundesstaat • „Eine gegliederte Struktur gesellschaftlicher, politischer oder staatlicher
Zusammenschlüsse, in der alle Einheiten über je eigene Rechte, Autonomie und Legitimität verfügen”.
Reichhardt, Wolfgang 1995: „Föderalismus.“, In: „Lexikon der Politik”, Band 1, Hrsg. von Dieter Nohlen und Rainer-Olaf Schultze, München: C.H. Beck, S. 102-110.
• Ein besonderes Verhältnis von Zentralstaat und Gliedstaaten: die Aufteilung von Kompetenzen und Ressourcen zwischen verschiedenen politischen Ebenen
(ein spezifisches Arrangement aus “self rule and shared rule”)
Hüttmann, Martin Grosse und Fischer, Thomas 2006: „Föderalismus.“, In: „Theorien der europäischen Integration”, Hrsg. von Hans-Jürgen Bieling und Marika Lerch, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 42.
• Kombination aus autonomer und gemeinsam ausgeübter Herrschaft Elazar, Daniel J. 1987: „Exploring Federalism.”, Tuscaloosa/London: The University of Alabama Press, S. 5.
• „Bündigung zentralistischer Tendenzen durch die Festlegung gemeinsamer Grundrechte
und –werte, eine vertikale und horizontale Gewaltenteilung demokratischer
Institutionen sowie eine klare Kompetenzordnung, die autonomieschonend nach dem
Prinzip der Subsidiarität allen beteiligten politischen Ebenen eigene Aufgabenbereiche
zuweist” Weidenfeld, Werner und Wessels, Wolfgang 2007: „Europa von A bis Z.”, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 286.
Funktionen des Föderalismus
• Machtaufgliederung mittels vertikaler Gewaltenteilung (und Minoritätenschutz mittels territorialer Eigenständigkeit)
• Integration heterogener Gesellschaften, wobei meist ökonomische (aber auch politische und militärische) Integration bei gleichzeitiger soziokultureller Eigenständigkeit und/oder politischer Autonomie er Gliedstaaten/Provinzen angestrebt wird.
Nohlen, Dieter und Grotz, Florian 2008: „Kleines Lexikon der Politik.”, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 146.
Die Stärken / Schwächen des Föderalismus
• politische Gewaltenteilung, checks & balances
• gezielte Suche nach „best practices” (zw. A-B und B1-B2)
• effiziente politische Steuerung => effektive Lösungen
• „Vielfalt in der Einheit”: Schutz der Minoritäten vor Majorisierung
• Theorieferne des Föderalismus
=> eher normative, programmatisch-ideale Ausrichtung
=> Hodges: „The federalist approach is more a strategy for fulfilling a common purpose and common needs than a theory explaining how these integrative forces arise.”
• Abschaffung von Staaten VERSUS Wiedergeburt eines supra-nationalen Staates
(„neue” mächtigere Grenzen => größere Gefahr?)
• Utopisch!? (historisch gewachsene u. verwurzelte Nationalstaaten versus USA)
FUNKTIONALISMUS
• David Mitrany 1943: „A Working Peace System”:
=> nur globale/universale Lösungen für das Sicherheitsdilemma =>
damit war er gegen die europäische regionale Integration.
=> Formen der regional begrenzter Integration verstärken noch mehr das politische System belastende politische Spaltung.
=> „Mitrany was vehemently opposed to the divisive organization of states in the international states, which he described as arbitrary (=eigenwillig) ,political amputations’ ”.
=> „Peace will not be secured if we organize the world by what divides it.“
Ziele / Ideen
• Ein positives Menschenbild (kooperativ, gleiche Grundinteressen)
• Ein inkrementeller, prozeduraler und technokratischer Ansatz
• Moderne Industriegesellschaften können nur dann zusammenwachsen, wenn zunächst einzelne Funktionsbereiche (wie z.B. Verkehr, Kohle oder Stahl) verschmelzen würden.
• Es bildet sich dann ein Netzwerk internationaler, funktionsspezifischer Organisationen heraus. Diese Form von Kooperation würde dann auch auf andere Bereiche (wie z.B. Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik; verschiedene Institutionen dafür) überspringen und letztlich zu einer Erosion des Nationalstaates führen.
=> Spill-over Effekt!
• Zunehmend intensivere Verflechtung der europäischen Gesellschaften und transnationale Kooperation zwischen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Eliten => europäische Integration
• „High politics” passen sich an, wenn die „low politics” im Kooperationsgeflecht aufgehen („Übertragungseffekt”).
=> Unterscheidung zwischen:
- High politics: Sicherheitspolitik, Außenpolitik, Diplomatie etc.
- Low politics: Bildungspolitik, Kulturpolitik, Währungspolitik etc.
Der Spill-over Effekt
• Annahme des „Überschwappens” erfolgreicher Integrationsprozesse aus einem Politikfeld auf angrenzende Bereiche
• Ablauf: Der Integrationsprozess beginnt dabei mit einer Interaktion in einem
genau definierten Politikbereich (normalerweise in „low politics”) und führt dadurch zu wachsenden Interdependenzen zwischen den beteiligten Akteuren. Die Verstetigung dieser Interaktionen führt zu der Schaffung integrierter Systeme, welche auf regionaler Ebene am erfolgversprechendsten zu erreichen sind.
Beispiel:
EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl)
1952 gegründet, Vorläufer der EG die erste supranationale Organisation, mit einer „Hohen Behörde“ (der erste Präsident Jean Monnet => Spill-over Effekt auch als
Monnet-Methode bekannt)
NEOFUNKTIONALISMUS
Übernommen vom
Funktionalismus:
• das spill-over als Motor
• den Interdependenzansatz
• Form follows function
• prozedurale Analyseperspektive
• einmal begonnener Integrationsprozess zieht immer weitere Integrationsmaßnahmen nach sich (Triebkraft: Sachzwang)
• Ziel: Überwindung des Nationalstaates
Neu beim
Neofunktionalismus:
• eine empirisch-analytische bzw. szientistische Theorie
(vgl. normativ-präskriptiv Theorien)
• betont wird die Bedeutung supranationaler Institutionen / politischen Eliten für den Integrationsfortschritt
INTERGOUVERNEMENTALISMUS • Stanley Hoffmann
• „Politik des leeren Stuhl“ – 1965/1966 • Infragestellung des Neofunktionalismus • Nationalstaaten nach wie vor zentrale Akteure im Integrationsprozess • Gemeinschaftspolitik wird von nationalen Regierungen bestimmt • kein gemeinsames Interesse > keine Integration • Integration in „low politics“ möglich, in „high politics“ ausgeschlossen • Abgabe Souveränität an supranationale Institutionen, wenn Interesse für den Staat besteht
• Andrew Moravcsik • Ende 1980‘er Jahre „Verfeinerung“ zum liberalen Intergouvernementalismus • EU-Staaten nach Außen geschlossen, im Innern eigene Interessenvertretung • 3-stufiges Verhaltensmodell im europ. Integrationsprozess • supranationale Institutionen entwickeln keine politische Autonomie • europäische Politik = Fortsetzung nationalpolitischer Interessenpolitik mit anderen Mitteln
Weg in die Zukunft
Föderalismus (strukturorientierte Ansätze)
(Liberaler) Intergouverne-mentalismus
(nationalstaatsorientierte Ansätze)
(Neo-) Funktionalismus (prozessorientierte Ansätze)
Motive (Warum?)
Frieden Demokratie Idealismus
Machterhalt / Souveränität
Sicherheit Balance of Power
Frieden / Macht der Nationalstaaten überwinden
Wohlstand
Prozess (Wie?)
Einmaliger Verfassungssprung / schrittweise Föderalisierung
“Function Follows Form”
Gipfeltreffen Regierungskonferenzen “Der Staat als zentraler
Akteur”
“Spill-over” Paketlösungen “Form follows
Function”
Akteure (Wer?)
Alle politischen Ebenen
Gesellschaftliche Gruppen
Nationalstaaten Innerstaatliche
Willensbildung
Supranationale Institutionen
Eliten
Ziele / Leitbilder (Wohin?)
Bundesstaat Vereinigte Staaten
von Europa Subsidiaritäts-
prinzip Mehrebenensystem
Staatenbund / Konföderation
Europa der Vaterländer Europa der Nationen
Politische Union Binnenmarkt
(Europa 1992)
Abb. 1
Sind die Theorien auch komplementär (wechselseitig ergänzend) oder schließen sie sich gegenseitig aus?
Quellen
• Abb. 1: Weidenfeld, Werner und Wessels, Wolfgang 2007: „Europa von A bis Z.”, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 288. • Literatur:
• Cram, Laura 2006: „Integration Theory and the study of the European policy process.“, In: Richardson, Jeremy J. (Hrsg.): „The European Union: Power and policy-making.”, London and New York. • Elazar, Daniel J. 1987: „Exploring Federalism.”, Tuscaloosa/London: The University of Alabama Press. • Ferdowski, Mir A. (Hrsg.) 2010: Weidenfeld, Werner - Die Europäische Union, Paderborn: Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG. • Friedrichs, Carl J. 1968: „Trends of Federalism in Theory and Practice.”, London. • Giering, Claus 1997: Europa zwischen Zweckverband und Superstaat, Bonn: Europa Union Verlag. • Haftendorn, Helga 1975: „Theorie der Internationalen Politik. Gegenstand und Methoden der Internationalen Beziehungen.”, Hamburg: Hoffmann und Campe. • Hüttmann, Martin Grosse und Fischer, Thomas 2006: „Föderalismus.“, In: „Theorien der europäischen Integration.”, Hrsg. von Hans-Jürgen Bieling und Marika Lerch, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. • Nohlen, Dieter und Grotz, Florian 2008: „Kleines Lexikon der Politik.”, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. • Reichhardt, Wolfgang 1995: „Föderalismus.“, In: „Lexikon der Politik”, Band 1, Hrsg. von Dieter Nohlen und Rainer- Olaf Schultze, München: C.H. Beck.
• Rosamond, Ben 2000: „Theories of European Integration”, New York: St. Martin’s Press. • Weidenfeld, Werner und Wessels, Wolfgang 2007: „Europa von A bis Z.”, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
• Internet: • http://www.europarl.europa.eu/brussels/website/content/modul_10/zusatzthemen_05.html