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Reframing im Alltag, im Business-Kontext und im Coaching Claus Blickhan © 2009 Was ist Reframing? Wenn wir „Reframing“ ins Deutsche übersetzen wollen, kommt ein holpriger Begriff wie „Neurahmung“ dabei heraus. Deshalb benutzen wir als Fachwort weiterhin das englische Wort und auch die englische Schreibweise (und nicht die vermeintliche Eindeutschung „refraiming“, die wir dann auch eher „refräiming“ schreiben müssten). Der Begriff Reframing weist darauf hin, dass wir alle unsere Wahrnehmungen in einem bestimmten Kontext bewerten, also „in einen Rahmen setzen“. Bekannt ist das bei der Bedeutung von doppelsinnigen Wörtern; ein „Haus“ ist in der Architektur etwas anderes als in der Astrologie, und eine „Ente“ im Garten ist etwas anderes als die in der Garage oder in der Zeitung. Im NLP nutzen wir Reframing vor allem auch für den Umgang mit Verhaltensweisen, besonders wenn der Betroffene sie selbst als störend erlebt. Wenn wir ein Verhalten in einen anderen Kontext, einen anderen Rahmen setzen, können wir es neu bewerten. Wer sich in der Öffentlichkeit die Nase mit dem Taschentuch schnäuzt, verhält sich in Deutschland angemessen. In Japan dagegen ist öffentliches Schnäuzen verpönt, dazu geht man auf die Toilette. Oder ein anderes Beispiel: Wer etwas stiehlt, wird als Dieb angesehen. Wenn aber jemand Essen stiehlt, weil er sonst verhungern müsste, dann billigen wir ihm mildernde Umstände zu. Wir arbeiten beim Reframing mit der Hypothese, dass hinter jedem Verhalten eine innere Motivation als treibende Kraft wirkt. Und im NLP gehen wir davon aus, dass eine Kraft, die sogar Störungen in Kauf nimmt, für die Person selbst wohl eine gute Absicht haben muss. Dieses „Reframing“, das nicht das Verhalten oder die Störung in den Vordergrund stellt, sondern im größeren Rahmen die gute Absicht dahinter, macht eine Verhaltensänderung gezielt und lösungsorientiert möglich. Aus dieser Überlegung und aus Ansätzen von Virginia Satir haben Bandler und Grinder schon in den frühen Tagen des NLP ein Interventionsformat 1 entwickelt Hier wollen wir vor allem die Verbindung mit dem Modell der „Psychologischen Ebenen“ von Robert Dilts 2 diskutieren, um so das Verständnis des Reframing-Konzeptes zu vertiefen und einige Ideen zur praktischen Anwendung anzubieten. Wie „funktioniert“ Reframing? Wenn ein Klient ins Coaching kommt und über ein störendes Verhalten klagt, ist Reframing angezeigt. Solche Klage können heißen: „Ich bin immer so ungeduldig“ oder „Wenn ich einen Termin habe, werde ich immer erst auf den letzten Drücker fertig.“ Wenn dem Klienten sein störendes Verhalten bewusst ist, kann der Coach die guten 1 Da das Konzept in vielen Büchern und auch von uns bereits ausführlich beschrieben ist (z.B. in „Denken, Fühlen, Leben“, Kapitel 5), wollen wir es hier nur kurz umreißen. 2 Dilts, R.: Veränderung von Glaubenssystemen. Paderborn. Junfermann 1989

Reframing im Alltag, im Business-Kontext und im … · schon in den frühen Tagen des NLP ein Interventionsformat1 entwickelt ... Ebenen von Robert Dilts“ Artikel des Monats vom

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Reframing im Alltag, im Business-Kontext und im Coaching Claus Blickhan © 2009 Was ist Reframing? Wenn wir „Reframing“ ins Deutsche übersetzen wollen, kommt ein holpriger Begriff wie „Neurahmung“ dabei heraus. Deshalb benutzen wir als Fachwort weiterhin das englische Wort und auch die englische Schreibweise (und nicht die vermeintliche Eindeutschung „refraiming“, die wir dann auch eher „refräiming“ schreiben müssten). Der Begriff Reframing weist darauf hin, dass wir alle unsere Wahrnehmungen in einem bestimmten Kontext bewerten, also „in einen Rahmen setzen“. Bekannt ist das bei der Bedeutung von doppelsinnigen Wörtern; ein „Haus“ ist in der Architektur etwas anderes als in der Astrologie, und eine „Ente“ im Garten ist etwas anderes als die in der Garage oder in der Zeitung. Im NLP nutzen wir Reframing vor allem auch für den Umgang mit Verhaltensweisen, besonders wenn der Betroffene sie selbst als störend erlebt. Wenn wir ein Verhalten in einen anderen Kontext, einen anderen Rahmen setzen, können wir es neu bewerten. Wer sich in der Öffentlichkeit die Nase mit dem Taschentuch schnäuzt, verhält sich in Deutschland angemessen. In Japan dagegen ist öffentliches Schnäuzen verpönt, dazu geht man auf die Toilette. Oder ein anderes Beispiel: Wer etwas stiehlt, wird als Dieb angesehen. Wenn aber jemand Essen stiehlt, weil er sonst verhungern müsste, dann billigen wir ihm mildernde Umstände zu. Wir arbeiten beim Reframing mit der Hypothese, dass hinter jedem Verhalten eine innere Motivation als treibende Kraft wirkt. Und im NLP gehen wir davon aus, dass eine Kraft, die sogar Störungen in Kauf nimmt, für die Person selbst wohl eine gute Absicht haben muss. Dieses „Reframing“, das nicht das Verhalten oder die Störung in den Vordergrund stellt, sondern im größeren Rahmen die gute Absicht dahinter, macht eine Verhaltensänderung gezielt und lösungsorientiert möglich. Aus dieser Überlegung und aus Ansätzen von Virginia Satir haben Bandler und Grinder schon in den frühen Tagen des NLP ein Interventionsformat1 entwickelt Hier wollen wir vor allem die Verbindung mit dem Modell der „Psychologischen Ebenen“ von Robert Dilts2 diskutieren, um so das Verständnis des Reframing-Konzeptes zu vertiefen und einige Ideen zur praktischen Anwendung anzubieten. Wie „funktioniert“ Reframing? Wenn ein Klient ins Coaching kommt und über ein störendes Verhalten klagt, ist Reframing angezeigt. Solche Klage können heißen: „Ich bin immer so ungeduldig“ oder „Wenn ich einen Termin habe, werde ich immer erst auf den letzten Drücker fertig.“ Wenn dem Klienten sein störendes Verhalten bewusst ist, kann der Coach die guten

1 Da das Konzept in vielen Büchern und auch von uns bereits ausführlich beschrieben ist (z.B. in „Denken, Fühlen, Leben“, Kapitel 5), wollen wir es hier nur kurz umreißen. 2 Dilts, R.: Veränderung von Glaubenssystemen. Paderborn. Junfermann 1989

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Absicht dahinter ansprechen: „Wenn Sie das (=Verhalten) schon so lange Zeit so machen, dann wäre es ja denkbar, dass es irgendwann einmal hilfreich war, um etwas sicherzustellen (=Absicht)…“. Zusätzlich kann der Coach dem Klienten das Konzept der verschiedenen Persönlichkeitsteile erklären, um dann denjenigen inneren Anteil anzusprechen, der für das betreffende Verhalten zuständig ist. Wenn dieser innere Anteil seine gute Absicht „hinter“ dem Verhalten nennt, ist der erste und wichtigste Schritt im Reframing bereits getan. Die Grundlage der Umbewertung ist damit gelegt. Der innere Anteil wird dann gefragt, ob er in Zukunft vielleicht andere, neue Verhaltensmuster zum Erreichen seiner guten Absicht nutzen möchte und an neuen Lösungen mitarbeiten will. Dazu kann er sich von einem weiteren inneren Anteil, dem „kreativen Teil“, andere Lösungsideen nennen lassen, unter denen er dann die für ihn passenden auswählt. Wie in jedem NLP-Coaching wird die Arbeit durch einen Ökologie-Check überprüft und mit einem „Future Pace“, einer Anwendungsvorstellung in der nahen Zukunft, überprüft. Da sich dieses Vorgehen in 6 Schritten beschreiben lässt, wird es gerne „6-step-reframing“ genannt. Der Ablauf ist leicht zu verstehen und auch für wenig erfahrene Klienten sehr einleuchtend. Für den Coach wird seine Struktur besonders deutlich, wenn man sie mit dem Modell der psychologischen Ebenen vergleicht. Dieses Persönlichkeitsmodell3 postuliert verschiedene Abstraktionsebenen der psychischen Verarbeitung: • Verhalten: was tue ich konkret - das ist auch meist von außen beobachtbar • Fähigkeiten: was kann ich - incl. Fertigkeiten, Gewohnheiten, Strategien… • Werte: was will ich - Motive, Interessen, Absichten • Identität: wer bin ich - einschließlich Persönlichkeitsanteile Nur mit dem Verhalten, das ja direkt beobachtbar ist, treten wir in Interaktion mit unserer Umwelt. Die „inneren Ebenen“ (Fähigkeiten, Werte, Identität) können wir nur mittelbar erschließen. Die „Störung“, die das negativ bewertete Verhalten begleitet, kann intern auftreten: dann ist der Klient selbst mit seinem Verhalten unzufrieden. Sie kann aber auch in der Umwelt wirksam werden, weil sich etwa Mitmenschen an diesem Verhalten stören. Deshalb können wir die Umwelt als zusätzliche Ebene betrachten, und dabei wird der Kontext – der Rahmen – auch wieder deutlich: • Umwelt: Wo, wann, mit/ bei wem verhalte ich mich (so) - Situation, Kontext usw. Was hilft das Konzept eines „verantwortlichen Teils“? Mit dem Konzept eines „verantwortlichen Teils“ nutzen wir die psychologischen Ebenen optimal. Der Ansprechpartner für den Coach bleibt immer der Klient in seiner Identität als Ganzes. Die Persönlichkeitsanteile darin lassen sich gut mit der Metapher eines

3 Zur kritischen Würdigung des Modells siehe auch „Claus Blickhan: Das Modell der logischen Ebenen von Robert Dilts“ Artikel des Monats vom Februar 2007 www.inntal-institut.de/literatur_artikel_des_monats.php

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„inneren Teams“ beschreiben4. Dieses Bild nehmen die meisten Klienten gerne an; das Konzept ist überhaupt populärwissenschaftlich sehr beliebt. Schon der bekannte Kommunikationspsychologe Friedo Schulz von Thun hat vor Jahren dazu ein Buch veröffentlicht, und zur Zeit ist das Buch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele“ in den Bestsellerlisten. Wir können das Bild des inneren Teams noch weiter ausbauen. Wenn der Klient gewissermaßen der Präsident des gesamten Organismus ist, dann sind die inneren Anteile die Minister, die gewisse Abteilungen leiten. So kann man z.B. einen Sicherheitsminister, einen Sozialminister, einen für Entwicklung u.a.m. definieren. Diese sind dann jeweils für ihre „Bereiche“ zuständig. Manche Berater, speziell mit hypnotherapeutischen Hintergrund, sprechen direkt mit den inneren Anteilen des Klienten (und der Klient bleibt dabei Zuhörer). Diese Methode hat vor allem dann Vorteile, wenn es im Wertsystem des Klienten Vorbehalte gibt, bestimmte Inhalte oder Absichten bewusst werden zu lassen. Die andere Methode, bei der der Klient selbst in Dialog mit dem inneren Anteil geht, ziehen wir im Allgemeinen vor, denn sie hat entscheidende Vorteile für die Selbstorganisation: Wenn wir den Klienten bitten, mit dem jeweils zuständigen Teil zu reden, lassen wir zum einen die Verantwortung für die funktionierende innere Kommunikation bei ihm selbst. Zusätzlich lernt er so, die intrapsychische Kommunikation und damit auch die innere Kooperation zu verbessern. Das hilft ihm nicht nur in dem besprochenen Fall, sondern generell im Umgang mit sich selbst. Wenn der Klient also einen solchen inneren „Ansprechpartner“ findet, dann kann dieser sich auf verschiedene Weise repräsentieren. Das kann ein inneres Bild sein (z.B. eine Wolke), eine Person („mein Freizeitmanager“), ein Symbol, was auch immer. Es kann ein relativ abstrakter Begriff sein, der durch seinen Namen definiert ist (z.B. „der Stolz“). Es kann auch ein bestimmtes Gefühl sein, dass an einer bestimmten Stelle auf eine bestimmte Weise zu spüren ist. In der Regel kann der Coach gut beobachten, wenn der Klient den Kontakt mit diesem Teil aufgenommen hat. Nun kann der Klient mit dem inneren Anteil über die wichtigen Themen reden. Er trifft auch später die Entscheidung, welche neuen Verhaltensweisen die gute Absicht des Anteils auf angemessene Art und Weise realisieren sollen, also welche Lösungen ihm am besten scheinen. Was ist wichtig? Werte und Motive Die gute Absicht, also gewissermaßen die Motivation, ist auf der Werteebene angesiedelt. Das erklärt, weshalb eine beliebige Verhaltensänderung nicht ohne weiteres durch einen beliebigen Austausch von Verhaltensweisen möglich ist. Neue Verhaltensweisen müssen die gute Absicht genau so gut oder noch besser verwirklichen, um angenommen und beibehalten zu werden. Die gute Absicht wirkt auf einer höheren psychologischen Ebene, sie ist also zentraler und deshalb wichtiger als jedes Verhaltensmuster. Und die Kriterien für die Bewertung gehören ebenfalls zu dieser Ebene.

4 Die Metapher ist von Virginia Satir übernommen, die eines ihrer Interventionsmuster „Part’s Party“ nennt, also „Party der inneren Anteile“.

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Wie geht man damit um, wenn der Teil keinen positiven Namen hat? Hier kommen wir zu einem wichtigen praktischen Aspekt. Wer den verantwortlichen Teil mit einem negativ besetzten Namen anspricht, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich dessen Kooperation in Grenzen hält. Wer arbeitet schon gerne und hochmotiviert in einem Team mit, das ihn ständig als „inneren Schweinehund“ diffamiert? Eine Lösung, nämlich zunächst einmal abstrakt von einem „Teil X“ zu reden, ist durchaus denkbar und in der älteren NLP-Literatur auch verbreitet. Wir verwenden diese Sprechweise in Ausbildungskursen auch absichtlich so plakativ, wenn wir darüber reden, die Notwendigkeit eines zumindest neutralen Namens zu betonen. In der direkten Ansprache des Klienten wirkt das „X“ allerdings nach unsern Erfahrungen zu abstrakt oder zu rational. Da empfiehlt es sich eher, vom „Verantwortlichen Teil“ oder von „diesem bestimmtem Teil“ zu reden. Manche Klienten haben auch dazu eigene Vorstellungen. Eine Klientin sprach einmal an, dass ein „Teil“ ja männlich wäre, dass bei ihr aber die Sache etwas weiblicher zu sein hätte. Also haben wir gesucht, was bei ihr „die Seite“ ist, die für das Verhalten verantwortlich zeichnet. Das ging dann sehr gut. Wenn wir erst einmal eine gute Absicht haben, können wir für die Namensgebung auch eine Interimslösung benutzen. Wir kennen von den Indianern die Sitte, einen Namen nach typischen Verhaltensweisen oder Eigenschaften zu verleihen, z.B. „Der mit dem Wolf tanzt“ oder „Die starke Hand“. Natürlich nehmen wir für diesen Namen nicht die problematische Verhaltensweise – „Der immer nachgibt“ – sondern die gute Absicht: „Der für Harmonie sorgt“. Dadurch, dass wir dem Teil einen Namen geben, stellen wir sicher, mit wem – „der, der sorgt“ – wir über was – „Die Harmonie“ – reden. Das Benutzen eines positiven Namens ist so etwas wie ein Reframing im Reframing. Allein die Tatsache, dass dieser Teil in Zukunft mit einem positiven Namen bezeichnet wird, kann schon ein ganz entscheidendes future pace sein, auch wenn das dem Klienten gar nicht so bewusst wird. Welche Rolle spielen dabei die Fähigkeiten? Die Fähigkeiten spielen eine doppelte Rolle im Reframing. Auf der Ebene der Fähigkeiten hilft grundsätzlich Kreativität als Schlüsselressource, wenn es darum geht, neue Verhaltensweisen zu finden: Sie ist der Schlüssel zu neuen Lösungen. Die Fähigkeit, kreativ nach neuen Lösungen für die gute Absicht zu suchen, führt zu neuen Vorschlägen für alternative Verhaltensweisen. Damit die Mitarbeiter des „inneren Teams“ sich gewissermaßen auf Augenhöhe begegnen, wird nun die Kreativität nicht einfach als „Hilfsmittel“ auf Fähigkeitsebene eingeführt. Vielmehr stellt der „kreative Teil“ als gleichwertiger Partner seine Fähigkeiten für die Lösung zur Verfügung. Bei der Auswahl und Entscheidung, welche Verhaltens-Alternativen tatsächlich in Frage kommen, wird der verantwortliche Teil dann automatisch die Lösungen wählen, die der Klient mit seinen Fähigkeiten auch realisieren kann. In einigen Fällen ist auch schon eine „generative Lösung“ vorgekommen: Der Klient nimmt sich vor, etwas Bestimmtes zu lernen, also eine zusätzliche Fähigkeit zu erwerben, um eine neue Lösung generieren zu können. Ein Manager im Ausland könnte zum Beispiel erkennen, dass es wirklich hilfreich ist, die Landessprache zu lernen.

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Soll der Klient eine Lösung aus den Vorschlägen auswählen oder sie priorisieren? Für die Flexibilität des Klienten ist es sicher besser, wenn er mehrere mögliche Verhaltensalternativen kennt. Wenn der Klient allerdings von sich aus eine „1-A-Lösung“ definiert, müssen wir sie ihm nicht wegdiskutieren. Wahrscheinlich liegt es dann an seinen gewohnten Denkmustern („Sorting Styles“), dass er eine erste Wahl haben möchte. Der Coach kann dann beim Ökologie-Check testen, wie es mit der Flexibilität steht. Es liegt aber auf der Hand, dass es eher vorteilhaft ist, für verschiedene Kontexte und Umweltsituationen auch verschiedene Verhaltensmuster im Repertoire zu haben, um die gute Absicht angemessen umzusetzen. Kann man das 6- Step-Reframing auch mit sich selbst machen? Die einfachste Antwort lautet: Wenn man es kann, dann ja! Das Reframing ist eines der Formate, das man bei einer gewissen Übung auch ganz gut mit sich selbst machen kann. Es geht dabei auch darum, dass sich durch diese Art der Zusammenarbeit im „inneren Team“ die Kooperation dort insgesamt verbessert. Das bedeutet, dass der Klient in Zukunft auch Verhaltensweisen, an denen er sich bisher gestört hat, eher und leichter reframen kann. Für uns als NLPler gilt das natürlich auch: Wenn wir unsere „gute Absicht“ akzeptieren, können wir unsere Kreativität nutzen, um andere, angemessenere Verhaltensweisen zu finden oder zu entwickeln. Und wenn wir die guten Absichten anderer erkennen, fällt es uns leichter, mit Verhaltensweisen anderer Menschen toleranter und flexibler umzugehen. Merkwürdigerweise soll das manchmal dazu führen, dass auch die anderen dann flexibler reagieren… Ist das Reframing nur in der Beratung brauchbar? Das ist eine ganz wichtige Überlegung. Dafür unterscheiden wir zwischen dem Reframing als Prinzip, das wir in der Kommunikation generell einsetzen können und dem 6-Step-Reframing als Interventionsformat. In seiner vollständigen Form bleibt es eher einer expliziten Beratung oder einem Coaching im entsprechenden Rahmen vorbehalten. Das gilt auch für andere Reframing-Formate wie z.B. das Verhandlungsreframing, oder ein Trance-Reframing, das wegen der Trance-Induktion einen besonderen Rahmen braucht. Das Reframing als Prinzip können wir durchaus im Alltag anwenden. Dafür gibt es wie immer eine wichtige Voraussetzung: Kontakt. Wenn wir diesen guten Draht zu unserem Gesprächspartner haben, können wir die gute Absicht auf geeignete Weise ansprechen, z.B. in Begriffen, die der Partner selbst benutzt. Dann könnten wir durchaus Reframings anbieten und beobachten, wie der Partner darauf reagiert. In der NLP-Ausbildung machen wir dies generell als Vorübung zu den komplexeren Reframing-Interventionen. Dabei empfehlen wir keine Fragen, die Antworten provozieren, und keine „Vorschlag-hammer-Interpretationen“ wie „das ist doch ganz bestimmt….“, sondern eine beiläufige Formulierung „Weichmachern“: „Vielleicht könnte es auch sein, dass…“. Was im Alltag natürlich nicht sinnvoll wäre, ist das Überfluten mit allzu vielen Vorschlägen, dann leidet der Rapport. Wohlgemerkt: hier geht es um Reframing, nicht um konkrete Verhaltens-vorschläge – die sind völlig abwegig, vor allem, wenn noch keine gute Absicht bekannt ist. Es ist sogar möglich, einen Gesprächspartner zu unterstützen, sich über ein Verhalten Dritter nicht zu ärgern, sondern auch das zu reframen: „Vielleicht tut er das gar nicht wegen dir, sondern er würde es bei jedem so machen, warum auch immer…“

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Sind auch Verhaltensänderungen bei Dritten möglich? Selbst eine Reframing-Instruktion zur Anwendung bei einem Partner ist möglich, um diesen zu einer Verhaltensänderung anzuregen. Bei diesem Ansatz ist es besonders wichtig, darauf zu achten, dass neue Lösungen für alle Betroffenen und Beteiligten ökologisch und sozialverträglich sind. Ich erinnere mich an einen Manager, der sich mit einem Mitarbeiter schwer tat, weil es wegen dessen überhöhten Qualitätsanspruchs in der Zusammenarbeit mit andern immer wieder zu Reibereien kam. Alle Appelle, er möge sich gemäßigter geben, hatten wenig gefruchtet. Also erklärte ich dem Manager, dass sein Mitarbeiter in seinem Qualitätsanspruch ja eine ausgesprochen gute Absicht5 habe, was er sofort bejahte. Darauf schlug ich ihm vor, den Mitarbeiter für diesen Qualitätssinn zu loben und ihn dann zu bitten, diesen Qualitätsmaßstab auch für die Qualität der Zusammenarbeit anzustreben und in den Gesprächen mit Kollegen ein entsprechendes Verhalten an den Tag zu legen. In einem späteren Treffen erzählte mir der Manager, dass er das angesprochen hatte und von dem Ergebnis sehr positiv überrascht wurde. Das Problem war zwar noch nicht ganz gelöst, aber das Kooperationsverhalten des Mitarbeiters hatte sich sehr deutlich gebessert. Fazit Zusammenfassend können wir feststellen: Reframing ist ein für viele Gesprächspartner gut verständliches und wirksames Konzept, das die Arbeit auf mehreren psychologischen Ebenen einbezieht und die Zusammenarbeit zwischen „inneren Anteilen“ verbessert. Und wir können mit etwas Übung Reframings auf verschiedene Weise nutzen:

1. Das Reframing-Prinzip generell als Gesprächsmuster im Alltag und Business – um Gesprächspartner anzuregen, ihr Verhalten zu ändern, oder um selbst mit dem Verhalten Dritter besser zu recht zu kommen.

2. Die verschiedenen Reframing-Formate als Berater im Coaching – mit den gleichen Zielen wie bei (1)

3. und schließlich im Selbstcoaching mit uns selbst. Literatur: Bandler, R. & Grinder, J.: Reframing. Ein ökologischer Ansatz in der Psychotherapie. Junfermann, Paderborn 2005(8. Auflage) Blickhan, C. & Blickhan, D.: "Denken, Fühlen, Leben", mvg-Verlag, Landsberg, 2007 (7. Aufl.) darin vor allem Kap. 5 Dilts, R.: Veränderung von Glaubenssystemen. Paderborn. Junfermann 1989

5 Hier handelt es sich genau genommen um ein „rekursives Reframing“, siehe Artikel des Monats vom August 1999 Mach den Bock zum Gärtner - Rekursives Reframing www.inntal-institut.de/literatur_artikel_des_monats.php