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z9. NOVEMBERx927 KLINISCHE WOCHENSCI-tRIFT. 6. JAHRGANG. Nr. 47 2229 eines sprungreifen Follikels tiberpflanzt wurde (zum gleichen l~esultate kommen ZONDZK und ASCHHEIM bei Implantation eines tlinderfollikels). Zu b): Die Implantationen der Corpora lutea s~imtlicher Entwicklungsphasen verliefen negativ. Nachdem wit bei ~berpilanzung yon Gewebsstflcken tierischer Corpora lutea des normalen Brunstzyklus Mormon in keinem Stadium nachweisen konnten, versuchten wir dasselbe in der Schleim- haut aufznfinden. Denn die histologische Untersuchung der Kuh- Uteri hatte uns dariiber belehrt, da[3 die Schleimhaut naeh der Brnnst, also dann, wenn wir kein Hormon im Corpus luteum nach- weisen konnten, keine Rfickbildungserscheinungen zeigt. Die Sekretionserscheinungen in der Uternsschleimhaut nehmen viel- mehr zu, und wit befinden uns in l~bereinstimmung mit ZIETSCH- ~IANN,der eine Steigerung der Sekretion bis etwa zum I2. Tage nach der Brunst geiunden hat. B. Implantation yon Uterusschleimhaut. 12 F~lle verschiedener Entwicklnngsstadien. Ergebnis: Die Implantation s/~mtlicher F~lle verlief negativ. ALLEN hat schon mitgeteilt, dab ihm der Nachweis des Brunsthormons im tierischen Corpus luteum nicht gelungen ist. Wit fanden ebenfalls Hormon nur bis zum Momente des Follikelsprunges in der Follikelwand. Nunmehr wurde das Genitalgewebe w/ihrend der Gravi- dit~t geprfiff. Gravidit~t. A. Ovarium. a) Corpora lutea~graviditatis. I2 F~lle verschiedenen Alters, s~mtlich yon der Kub. b) Ovarialgewebe. 2~F~lle mit atresierenden Follikeln. ]3. Placenta. 4 F~lle verschiedenen Alters. C. Decidua graviditatis. 6~F/~lle verschiedenen Alters. D. Fruchtwasser. Injektion yon 6 F/~llen. E. Blutserum. Injektion yon 2 F~llen fortgeschrittener Schwan~ gerschaft. Ergebnis: SXmtliche Versuche verliefen negativ. Betrachten wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen, so ergeben sich r~tselhafte Widersprfiche gegenfiber den Be- funden am menschlichen Genitalapparat. W/~hrend der tieri- sche Follikelsaft die gleiche brunstausl6sende Wirkung auf die Maus besitzt, wie menschlicher Follikelsaff, konnten wit dutch die Implantation yon tierischem Ovarialgewebe, auBer zur Zeit der Follikelbildung, niemals bei der Maus eine Brunst ausl6sen. ]3ei der Implantation der gleichen menschlichen Gewebe haben wir in l~lbereinstimmung mit ZONI)EK und ASCHHEIM das Brunsthormon stets im funktionierenden Cor- pus luteum, d.h. in den Stadien der Vascularisation, Ab- deckung und Blfite und in der Gravidit/tt bis zum 4. Monat nachgewiesen. Nach ALLEN bestehen die gleichen Unter- schiede bei Anwendung chemischer Extrakfionsverfahren auf das tierische Corpus luteum, so dab die negativen Resultate nicht der Implantationsmethode zur Last gelegt werden k6nnen. Die sp~tere histologische Untersuchung der Implan- tare hat nichts ergeben, was uns das unterschiedliche hormo- nale Verhalten zwischen Mensch und Rind verst~ndlich machen k6nnte. Der negative Ausfall der Versuche scheint uns deshalb bemerkenswert, well die histologischen Ver~nde- rungen sowohl der Schleimhaut des Uterus wie auch die des Corpus luteum bei den untersuchten Tieren gewisse Parallelen zu den gleichen Befunden an menschlichen Organen aufweisen. Die Rfickbildung der Schleimhaut beginnt nicht etwa mit dem Ende der Brunst, also mit dem Verschwinden des Hor- mons, sondern erst etwa 12 Tage sparer. Ebenso bildet sich das Corpus luteum unter dem Auftreten sichtbarer Fettstoffe erst 11--12 Tage nach der ]3runst zuriick. Es erhebt sich nun die Frage, ob bei den genannten Tieren in den yon uns geprfiften Stadien und Organen tats~chlich kein Mormon vorhanden ist, oder ob sich das Hormon auf eine bis heute nnbekannte Weise dem Abbau oder dem Nachweis entzieht. Welche Kr/ifte bewirken I2 Tage nach der Brunst, also 12 Tage, nachdem kein Hormon nachzuweisen ist, den Ab- ban der Schleimhaut ? Welche wiederum vorher den weiteren Aufbau der Schleimhaut und die Steigerung der Sekretion ? Welcher ~uBere AnlaB fiihrt zur Rfickbildung des Corpus luteum? Alle diese Vorg~nge werden doch im menschtichen Genitale mit dem Hormon in Zusammenhang gebracht, weil hier bis zum Beginn der Rfickbildung wirksames Hormon experimentell nachgewiesen werden kann. Wenn die Schleim- haut im tierischen Uterus ohne hormonalen EinfluB 12 Tage in Blfite bestehen bleibt, ja sogar noch eine Steigerung der Sekrefion aufweist, so k6nnte man im Zweifel sein, ob die gleichen Vorg~nge beim lVlenschen in wirklicher Abh~ngigkeit yon dem Hormon stehen. Da es jedoch beim Menschen ge- lingen soil, die Schleimhaut durch hormonale Zufuhr zu einem wirklichen Aufbau zu bringen, so mfissen wit vor- l~ufig die Frage often lassen, ob nicht trotz des negativen Ausfalls unserer Ergebnisse beim Rinde ein an anderer Stelle lokalisiertes Hormon vorhanden ist, das den Aufbau der Schleimhaut im tierischen Genitale bewirkt. Wenn wir zu dem Ausgangspunkte unserer Untersuchungen zurfickkehren, so war es insbesondere die Frage der physikalisehen Struktur- ver~nderungen der Fettstoffe im Stadium der Rfickbildung des Corpus luteum (Sichtbarwerden der Fettstoffe durch histologische F/~rbeverfahren), deren Kl~rung uns besch~ftig- re. W~hrend wit diese Vorg~nge im menschlichen Corpus luteum in einen Zusammenhang mit der Anwesenheit oder dem Fehlen yon Brunsthormon gebracht haben, mfissen wir diesen Zusammenhang ffir das tierische Corpus luteum vor- l~tufig in Frage stellen. Als vorl~ufiges Ergebnis sei kurz wiederholt : I. Die Mengenverh~iltnisse der Fettstoffe weisen im tieri- schen Corpus luteum in den verschiedenen Entwicklungs- stadien bis in die Gravidit~t hinein nur geringffigige Schwan- kungen auf. 2. Verestertes Cholesterin und Lecithin sind im Vergleiche zum menschlichen Corpus luteum in erheblich gr6Beren 1Vien- gen vorhanden. 3. Der histologische Fettnachweis im Corpus luteum des !Rindes zeigt insofern l[Ibereinstimmung mit dem des Men- schen, als sich in beiden in der Rfickbildung die histochemisch darstellbare Fettmenge erheblich vermehrt. 4. Dagegen besteht der bedeutsame Unterschied, dab sich Brunsthormon beim Rinde nur in dem Follikelsaft und in der Follikelwand findet, dagegen in keinem der weiteren Ent- wicklungsstadien, also weder im Corpus luteum vor und w~ihrend der Gravidit~t, noch dem der Rtickbildung. Beim Menschen verschwindet das Hormon bekanntlich erst in der Rfickbildung und in der 2. H~ilfte der Gravidit~t. 5. Die Rfickbildung des tierischen Corpus luteum, die histologisch mit der des 1Vienschen weitgehende ~bereinstim- mung aufweist, beginnt erst 12 Tage nach der Brunst, ebenso die Rfickbildung der Uterusschleimhaut. Da Hormon im tierischen Genitale nach der Brunst nicht nachweisbar ist, bleibt die Ursache der Rfickbildung yon Uterusschleimhaut und Corpus luteum beim Rinde vorl~iufig ungekl~irt. RESYNTHESE DER MILCHS/~URE BEI STORUNGEN DER LEBERFUNKTION. (Vorl~iufige Mitteilung.) Yon Prof. K. BECKMANN. Oberarzt der MedizinischenKIinik der Universit~t Greifswald (Direktor: Prof. Dr. H. STRAUB). In Mr. 28 dieser Wochenschr. verSffentlicht PERG~R Untersuchungen fiber die Resynthese der Milchsgure bei Kreislaufkranken. Er injizierte den Patienten 2o0 ccm einer 2proz. Natriumlaetati6snng und besfimmte in Ab- st~nden yon 5 Minuten den Milchsguregehalt im ven6sen Blute. Er land beim Normalen nach dieser Infusion eine ganz geringffigige Erh6hung des Milchsgurespiegels, die inner- halb weniger Minuten wieder verschwindet. Im Blute yon kreislaufdekompensierten Patienten kommt es dagegen naeh der Infusion zu einer Erh6hung bis auf den 3Iachen Betrag

Resynthese der Milchsäure bei Störungen der Leberfunktion

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z9. NOVEMBER x927 K L I N I S C H E W O C H E N S C I - t R I F T . 6. J A H R G A N G . Nr. 47 2229

eines sprungreifen Follikels tiberpflanzt wurde (zum gleichen l~esultate kommen ZONDZK und ASCHHEIM bei Implanta t ion eines tlinderfollikels).

Zu b): Die Implantat ionen der Corpora lutea s~imtlicher Entwicklungsphasen verliefen negativ.

Nachdem wit bei ~berpilanzung yon Gewebsstflcken tierischer Corpora lutea des normalen Brunstzyklus Mormon in keinem Stadium nachweisen konnten, versuchten wir dasselbe in der Schleim- haut aufznfinden. Denn die histologische Untersuchung der Kuh- Uteri hatte uns dariiber belehrt, da[3 die Schleimhaut naeh der Brnnst, also dann, wenn wir kein Hormon im Corpus luteum nach- weisen konnten, keine Rfickbildungserscheinungen zeigt. Die Sekretionserscheinungen in der Uternsschleimhaut nehmen viel- mehr zu, und wit befinden uns in l~bereinstimmung mit ZIETSCH- ~IANN, der eine Steigerung der Sekretion bis etwa zum I2. Tage nach der Brunst geiunden hat.

B. Implantation yon Uterusschleimhaut. 12 F~lle verschiedener Entwicklnngsstadien.

Ergebnis: Die Implantat ion s/~mtlicher F~lle verlief negativ. ALLEN hat schon mitgeteilt, dab ihm der Nachweis des

Brunsthormons im tierischen Corpus luteum nicht gelungen ist. Wit fanden ebenfalls Hormon nur bis zum Momente des Follikelsprunges in der Follikelwand.

Nunmehr wurde das Genitalgewebe w/ihrend der Gravi- dit~t geprfiff.

Gravidit~t. A. Ovarium.

a) Corpora lutea~graviditatis. I2 F~lle verschiedenen Alters, s~mtlich yon der Kub.

b) Ovarialgewebe. 2~F~lle mit atresierenden Follikeln.

]3. Placenta. 4 F~lle verschiedenen Alters.

C. Decidua graviditatis. 6~F/~lle verschiedenen Alters.

D. Fruchtwasser. Injektion yon 6 F/~llen.

E. Blutserum. Injektion yon 2 F~llen fortgeschrittener Schwan~ gerschaft.

Ergebnis: SXmtliche Versuche verliefen negativ.

Betrachten wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen, so ergeben sich r~tselhafte Widersprfiche gegenfiber den Be- funden am menschlichen Genitalapparat. W/~hrend der tieri- sche Follikelsaft die gleiche brunstausl6sende Wirkung a u f die Maus besitzt, wie menschlicher Follikelsaff, konnten wit dutch die Implantat ion yon tierischem Ovarialgewebe, auBer zur Zeit der Follikelbildung, niemals bei der Maus eine Brunst ausl6sen. ]3ei der Implantat ion der gleichen menschlichen Gewebe haben wir in l~lbereinstimmung mit ZONI)EK und ASCHHEIM das Brunsthormon stets im funktionierenden Cor- pus luteum, d .h . in den Stadien der Vascularisation, Ab- deckung und Blfite und in der Gravidit/tt bis zum 4. Monat nachgewiesen. Nach ALLEN bestehen die gleichen Unter- schiede bei Anwendung chemischer Extrakfionsverfahren auf das tierische Corpus luteum, so dab die negativen Resultate nicht der Implantat ionsmethode zur Last gelegt werden k6nnen. Die sp~tere histologische Untersuchung der Implan- tare hat nichts ergeben, was uns das unterschiedliche hormo- nale Verhalten zwischen Mensch und Rind verst~ndlich machen k6nnte. Der negative Ausfall der Versuche scheint uns deshalb bemerkenswert, well die histologischen Ver~nde- rungen sowohl der Schleimhaut des Uterus wie auch die des Corpus luteum bei den untersuchten Tieren gewisse Parallelen zu den gleichen Befunden an menschlichen Organen aufweisen. Die Rfickbildung der Schleimhaut beginnt nicht etwa mit dem Ende der Brunst, also mit dem Verschwinden des Hor- mons, sondern erst etwa 12 Tage sparer. Ebenso bildet sich das Corpus luteum unter dem Auftreten sichtbarer Fettstoffe erst 11--12 Tage nach der ]3runst zuriick. Es erhebt sich nun die Frage, ob bei den genannten Tieren in den yon uns geprfiften Stadien und Organen tats~chlich kein Mormon vorhanden ist, oder ob sich das Hormon auf eine bis heute nnbekannte Weise dem Abbau oder dem Nachweis entzieht. Welche Kr/ifte bewirken I2 Tage nach der Brunst, also 12 Tage, nachdem kein Hormon nachzuweisen ist, den Ab- ban der Schleimhaut ? Welche wiederum vorher den weiteren

Aufbau der Schleimhaut und die Steigerung der Sekretion ? Welcher ~uBere AnlaB fiihrt zur Rfickbildung des Corpus luteum? Alle diese Vorg~nge werden doch im menschtichen Genitale mit dem Hormon in Zusammenhang gebracht, weil hier bis zum Beginn der Rfickbildung wirksames Hormon experimentell nachgewiesen werden kann. Wenn die Schleim- haut im tierischen Uterus ohne hormonalen EinfluB 12 Tage in Blfite bestehen bleibt, ja sogar noch eine Steigerung der Sekrefion aufweist, so k6nnte man im Zweifel sein, ob die gleichen Vorg~nge beim lVlenschen in wirklicher Abh~ngigkeit yon dem Hormon stehen. Da es jedoch beim Menschen ge- lingen soil, die Schleimhaut durch hormonale Zufuhr zu einem wirklichen Aufbau zu bringen, so mfissen wit vor- l~ufig die Frage often lassen, ob nicht trotz des negativen Ausfalls unserer Ergebnisse beim Rinde ein an anderer Stelle lokalisiertes Hormon vorhanden ist, das den Aufbau der Schleimhaut im tierischen Genitale bewirkt. Wenn wir zu dem Ausgangspunkte unserer Untersuchungen zurfickkehren, so war es insbesondere die Frage der physikalisehen Struktur- ver~nderungen der Fettstoffe im Stadium der Rfickbildung des Corpus luteum (Sichtbarwerden der Fettstoffe durch histologische F/~rbeverfahren), deren Kl~rung uns besch~ftig- re. W~hrend wit diese Vorg~nge im menschlichen Corpus luteum in einen Zusammenhang mit der Anwesenheit oder dem Fehlen yon Brunsthormon gebracht haben, mfissen wir diesen Zusammenhang ffir das tierische Corpus luteum vor- l~tufig in Frage stellen. Als vorl~ufiges Ergebnis sei kurz wiederholt :

I. Die Mengenverh~iltnisse der Fettstoffe weisen im tieri- schen Corpus luteum in den verschiedenen Entwicklungs- stadien bis in die Gravidit~t hinein nur geringffigige Schwan- kungen auf.

2. Verestertes Cholesterin und Lecithin sind im Vergleiche zum menschlichen Corpus luteum in erheblich gr6Beren 1Vien- gen vorhanden.

3. Der histologische Fettnachweis im Corpus luteum des !Rindes zeigt insofern l[Ibereinstimmung mit dem des Men- schen, als sich in beiden in der Rfickbildung die histochemisch darstellbare Fet tmenge erheblich vermehrt.

4. Dagegen besteht der bedeutsame Unterschied, dab sich Brunsthormon beim Rinde nur in dem Follikelsaft und in der Follikelwand findet, dagegen in keinem der weiteren Ent- wicklungsstadien, also weder im Corpus luteum vor und w~ihrend der Gravidit~t, noch dem der Rtickbildung. Beim Menschen verschwindet das Hormon bekanntlich erst in der Rfickbildung und in der 2. H~ilfte der Gravidit~t.

5. Die Rfickbildung des tierischen Corpus luteum, die histologisch mit der des 1Vienschen weitgehende ~bereinstim- mung aufweist, beginnt erst 12 Tage nach der Brunst, ebenso die Rfickbildung der Uterusschleimhaut. Da Hormon im tierischen Genitale nach der Brunst nicht nachweisbar ist, bleibt die Ursache der Rfickbildung yon Uterusschleimhaut und Corpus luteum beim Rinde vorl~iufig ungekl~irt.

RESYNTHESE DER MILCHS/~URE BEI STORUNGEN DER LEBERFUNKTION.

(Vorl~iufige Mitteilung.)

Yon

Prof. K. BECKMANN. Oberarzt der Medizinischen KIinik der Universit~t Greifswald

(Direktor: Prof. Dr. H. STRAUB).

In Mr. 28 dieser Wochenschr. verSffentlicht PERG~R Untersuchungen fiber die Resynthese der Milchsgure bei Kreislaufkranken. Er injizierte den Patienten 2o0 ccm einer 2proz. Natriumlaetati6snng und besfimmte in Ab- st~nden yon 5 Minuten den Milchsguregehalt im ven6sen Blute. Er land beim Normalen nach dieser Infusion eine ganz geringffigige Erh6hung des Milchsgurespiegels, die inner- halb weniger Minuten wieder verschwindet. Im Blute yon kreislaufdekompensierten Patienten kommt es dagegen naeh der Infusion zu einer Erh6hung bis auf den 3Iachen Betrag

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der vorher vorhandenen Milchs~iure. Die St~rke der Erh6hung sowie die L/inge der Dauer ist nach PERG~R proportional der St~rke der Dekompensation. PERGER land n/tmlich, dab of t nach 2o Minuten der Ausgangswert noch nicht erreicht war. PERGER ffihrt die Erscheinung auf eine Sch~idigung in der Resynthesefiihigkeit der Muskulatur zurtick. Da bet kom- pensierten IKreislaufkranken nut eine ganz geringe kurz- dauernde Erh6hung des Milchs/iurespiegels eintritt , h~ilt er sich zu der Schlul3folgerung berechtigt, dab diese Sch~idigung der Resynthesefi~higkeit der Muskulatur reversibel ist.

Auf der diesj/ihrigen G6ttinger Tagung der nordwest- deutschen Gesellschaft ffir innere Medizin berichtete ich fiber zusammen mit Frl. cand. med. MmSALIS ausgeffihrte Ver- suche mit Milchs~urebelastung, die ausffihrlich an anderer Stelle ver6ffentlicht werden Sollen. Wir untersuchten den Kurvenverlauf der Milchs~iure bet Sthrungen der Leberfunk- tion im Tierexperiment an Hunden nach Injektion yon 20 ccm einer o, ~55 n-Calciumlactatl6sung, beim Menschen nach Injektion yon 2o ccm einer o,2 n-Natriumlactatt6sung. Wir ffihrten die Nilchs~urebestimmung nach der Methode yon MENDEL und G O L D S C H E I D E R 1 sofort, 5 und IO Minuten nach der Injektion aus. Beim normalen Tier und Menschen finder sich nach der Injektion yon milchsauren Salzen in den angewandten Mengen ein v611iges Gleichbleiben des Milch- s~iuregehaltes, wie es MENDEL und BAUC~ ~ in Injektionsver- suchen am Hunde ebenfalls feststellten. Die zugeffihrte Milch- s~iure verschwindet sofort vOltig. Gelegentlich t r i t t s0gar, wahrscheinlich infolge der leichten Biutverdfinnung durch die Injektion, ein geringer Abfall ein. Grundbedingung ist natfirlich, dab jede Muskelt~itigkeit w/ihrend des Versuchs ausgeschaltet bleibt, was besonders ffir das Tierexperiment die Wahl ruhiger Tiere erforderlich macht. Beim Menschen wurde auf das Innehal ten einer mindesten halbstfindigen vhlligen K6rperruhe vor dem Versuch geachtet. Das Blut wurde beim Menschen aus der ungestauten Armvene, beim Hunde aus der freigelegten Unterschenkelvene oder Femoral- arterie entnommen.

"Im Gegensatz zu den Befunden bet normater Leber ergab sich nun fibereinstimmend sowohl im Tierexperiment als auch am kranken lenschen, .daB proportional der Starke der Leber- schadigung eine Erh6hung des Mflchs~iurespiegels sofort nach der Injekt ion eintri t t und dab auch der Abfall zu dem Ruhe- weft je aach der Schwere der Erkrankung mehr oder weniger verz6gert eintritt . Bet leichten Lebersch~idigungen bleibt der Ruhewert noch innerhalb der normalen Grenzen, bet schweren ist anch er deutlich erh6ht.

Die Leberschgdigung wurde im Tierexperiment bet ver- schiedenen Tieren durch Phosphorvergiftung, Chloroform- narkose u n d Gaben yon Athyl- und Amylalkohol erzeugt. W/~hrend nach Chloroformnarkose yon nur 20 Minuten Dauer nur ein geringffigiger Anst ieg der Milchs~iure beobachtet wurde, der noch innerhaIb der methodischen Fehlerquellen liegen konnte , zeigten sich n a c h Phosphor- and Alkohol- vergiftung schon in geringen Dosen deutliche Unterschiede gegenfiber dem normalen Befnnd. Bet schwerer Phosphor- vergiftung kreis ~ zun~ichst die ganze injizierte Milchs~ure- menge unvert indert im Blute. Nach 5 und 15 Minuten war nu t ein verh~iltnism~gig kleiner Tefl dieser Milchs~iure aus dem Blute entfernt. Der Ruhewert der Milchs~iure war im End- s t a d i u m der Vergiftung auf 65 mg erh6ht gegeniiber dem normalen Ausgangspunkt yon IO mg.

Von menschlichen Lebererkrankungen wurden l~alle yon Leberlues, katarrhalischem Ikterus und subakuter getber Leberatroplfie untersucht. Der starkste Bemnd lieB sich bet der gelben Leberatrophie erheben. Bet einem Patienten, der Mch zur Zeit der Untersuchuhg im Coma hepaticum befand, stieg der an sich schon deutlich erh6hte Milchs~ure- geha!t v0n 29,0 mg auf 51,5 mg sofort nach der Injektion. Nach 5 Minuten betrug er 37,o mg, nach !5 Minuten 34,o mg. Es zeigt sich also auch hier wie im Tierexperiment bet der schweren Phosphorvergiftung der stark verzhgerte Abfall der Btutmflchsaure nach der Injektion. In den fibrigen F~ilien bes tand ebenfalls eine deutliche Parallelith.t zwischen Hhhe und zeitlichem Abfall der Milchs~iurekurve und der Schwere

des klinischen Brides. Auch mit dem Ausfall der Leberfunk. tionsprfifung mit Tetrachlorphenolphthalein und Gataktose standen die Befunde in ~)bereinstimmung, doch zeigte sich, dab selbst in F~illen, bet denen die Galaktoseprfifung versagte, und die Farbstoffprfifung ein nu t schwach positives Resultat ergab, die Blutmilchs~iure nach der Injektion deutlich, wenn auch nut kurz dauernd anstieg. Bet Wiederholung des tn- j ektionsversuchs bet ein und demselben Kranken zeigte sich weiterhin, dab mit Besserung des Krankheitsbildes auch die Milchs~iureerh6hung im Blute geringer und yon kfirzerer Dauer war. Bet einer normalen Versuchsperson, die in einem Vorversuch normale Verh~iltnisse ergeben hatte, fund sich am Tage nach einem starken aIkoholischen ExzeB, der bis zur BewuBtseinstrfibung geffihrt hatte, nach der Injektion ein Anstieg der Milchsfiure um 9 mg und eine leiehte Retention auch noch nach 15 Minuten. Auch diese Beobachtung l~Bt sich mit einer~ akuten St6rung der Leberfunktion nach Alko- holabusus entsprechend den yon vo• ]~ERG,'VIANN iI vor kurzem berichteten Befunden EI~BOTTS fiber die St6rung der Bili- rubinausscheidung gut in ~lbereinstimmung bringen.

Auch P~RGER denkt an die M6gtichkeit, dab fiir die Er- h6hung der Milchs~iure im Blute eine Lebersch~digung ver- antwortlich gemacht werden k6nne. Er lehnt jedoch diesen Gedanken auI Grund der Befunde bei 2 Leberkranken ab. Bet einem katarrhalischen Ikterus land er keine Erh6hung. Bei einer akuten gelben Leberatrophie blieb der Milchs~ture- spiegel l~ingele Zeit erh6ht. Dieses mit unseren Befunden fibereinstimmende Resultat erscheint jedoch PEP, GER nicht ohne weiteres vergleichbar, da es sich um einen schwer kachek- tischen Menschen handelt. Tats~ichlich s t immt jedoch diese Beobachtung PER~ERS gut fiberein mit unseren erw~ihnten Befunden an nicht kachektischen Leberkranken, so dab die St6rung der Milchs~ureresynthese vim wahrscheinlicher auf die schwere Lebererkrankung zu beziehen sein dfirfte. DaB bet leichten F~illen der Versueh normal ansfii!lt, hubert auch wir gelegentlich beobachtet. Diese Tatsache best~irkt uns jedoch nut in unserer Annahme, dab die gest6rte Re- synthese der Milchs~ture mit St6rungen der Leberfunktion in Zusammenhang zu bringen sind. Wissen wir doch bekannt- lich yon einer Reihe anderer Part ialfunktionen der Leber, dab sie erst bei st~irker(r und diffuser Sch~idigung der Leber St6rungen aufweisen. Immerhin scheint diese Funkt ion der Leber zur Milchs~iureresynthese in mancher Beziehung empfindlicher, als andere Funkt ionen zu sein.

PERGER fibertr~gt die ]3efunde EMBDENS und seiner Mit- arbeiter~ yon der St6rung der Lactacidogensynthese in der Mnskulatur bet Ermfidung und bet Ileus aui die Verh~iltnisse beim dek0mpensierten 1Kreislaufkranken. Durch die Ver- ~inderungen des Blutmilchs~iurespiegels dfirfte diese Annahme jedoch, so wabrscheinlich sie an sich auch erscheint, noch keineswegs erwiesen sein. Nach JANSSEN und JosT a sind zwar, wie PERGER anffihrt, die Gewebe, d .h . die Muskulatur in der Lage, groBe Nengen infundierter Milchs~ure zu speichern. Unmit telbar nach Beendigung der Milchsiiureinfusion h6rt aber die Aufnahme der Milchs~iure in die Muskulatur auf und es t r i t t eine andauernde Ausschwemmung de r aufgenommenen Milchs~ure ein. Ausdrficklich bemerken JAESSEN und JosT, daft nicht die Muskulatur, sondern andere Organe den Haupt- tell der Milchs~ure aus dem K6rper entfernen. Da die Nieren nur einen anwesentlichen Prozentsatz entfernen, kommt nach ihrer Ansicht in erster Linie die Leber in Betracht. Theoretisch bestehen ffir das VerhaIten der Muskulatur nach Milchs~ureinjektionen unter krankhaften VerMiltnissen nur zwei Mfiglichkeiten der Abweichung yon diesem Normal- verhalten. Entweder ist die Speicherungsfiihigkeit der Mus- kulatur ffir Milchsgure herabgesetzt. Dann wird dieselbe Milchs~iuremenge frfiher und ohne den anf~nglichen Umweg fiber die Muskulatur ins Blut kommem Es wird jedoch diese Milchsi~uremenge wie unter normalen Verh~iltnissen aus dem K6rper entfernt werden miissen. Es wird also unter tier Voraus- setzung einer normalen Beschaffenheit yon Nieren und Leber der Milchs~iuregehalt des Blutes trotzdem gleichbleiben oder, wie bet den grhBeren Mengen, die PERGER injiziert, nu t ein leichter Anstieg eintreten mfissen. Die zweite Mhg-

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]ichkeit w~re eine Steigerung des Speicherungsverm6gens der Muskulatur im Sinne einer Retent ion yon Milchs~ure in den Geweben. Eine solche mfil3te jedoch eher mit einer IIerabsetzung des Blutspiegels einhergehen und k6nnte zum mindesten die beobachteten Erh6hungen des Milchs~ure- spiegels nicht erkl~iren.

Da wir aus den Leberdurchsp/ilungsversuchen ES~BOE~S gerade die Bedeutung der Leber ftir den Aufbau der Milch- sXure zu h6heren Kohlehydraten kennen, erscheint es an- gesichts unserer Befunde bei Lebersch~digungen im Tierex- periment und am leberkranken Menschen viel ungezwungener, den Abstrom der Milchs~ure aus dem Blute in Beziehung zu der Leberfunkt{on zu setzen. Unter diesem Gesichts- punkt besteht zweifellos auch die M6glichkeit, die Befunde PEROERS bei dekompensierten Herzkranken durch das Be- stehen einer Stauungsleber mit entsprechender Funktions- st6rung zu erkl~iren. Wenn such unser eigenes Materiat in dieser Richtung noch klein ist und weiterer Erg/inzung bedarf, so best~rkt uns doch in dieser Annahme ein Fall yon hochgradiger Herzinsuffizienz mit erheblicher Leber- stauung, bei dem auch wit eine 5hnliche Erh6hung des Milch- sXurespiegels nach der Injektion beobachteten, wie sie PZRGER bei seinen F~llen mitteil t .

Zusammenfassung: Bei St6rungen der Lebelfunktion fin- det sich sowohl im Tierexperiment als such beim Menschen nach Injektion yon milchsauren Salzen eine deutliche St6rung des Abstromes der Milchs~ure aus dem Blute. Diese Befunde lassen darauf schlieBen, dab auch bei dekompensierten Herz- kranken beobachtete ~hnliche St6rungen in erster Linie auf die St6rung der Leberfunktion dutch Stauung zu beziehen sind.

L i t e r a t u r : ~ I~-ENDEL und GOLDSCHEIDER, Biochem. Zeitschr. ~64, 163. 1925. -- 2 MENDEL und BAUC~, Klin. Wochenschr. 1926, Mr. 28. -- ~ YON BERGMANN, l~lin. Wochenschr. 1927, Mr. 17, S. 776. -- ~ ENBD~ und JOST, Zeitsehr. f. physiol. Chem. i65, 224. 1927: PERGER, Zeitsehr. f. physiol. Chemie I62, 122, t927; Dtsch. reed. Wochenschr. I925, Mr. 17. -- ~ JA~ssE~ und JosT, Zeitschr. f. physiol. Chem. x48, 41. 1925. --

RETENTIO TESTIS UND INGUINALHERNIE ALS ZEICHEN D E R INTERSEXUALITAT.

Grundzfige einer chirurgischen Konstitutionspathotogie*.

Von

L. MoszKowlcz, Wien.

In den letzten Jahrzetmten haben Internisten und Gyn~- kologen auf dem Gebiete der Konstitukionspathologie so viele ungeahnte Erkenntnisse gewonnen, dal3 man es bedauern muB, dab ihnen die Chirurgie nicht mit gleicher Schnelligkeit gefolgt ist. Man finder zwar in einzelnen Arbeiten, die sich mit den Erkrankungen des Knochensystems, des Verdaungs- traktes, der Schilddrtise befassen, die konstitutionelle Dis- position berttcksichtigt. E. PAYR und K. H. BAUER sind hier vorangegangen. Es ist aber zu erwarten, dab auI allen Gebieten der Chirurgie durch eine mehr biologische Betrach- tungsweise neue Gesichtspunkte gewonnen werden kSnnten. Es wiirde dadurch nieht blo13 die Genese vieler Erkrankungen aufgehellt, sondern zuletzt auch unser chirurgisches Handeln beeinflut3t.

Diese, wie ich glaube, sel~r aussiehtsreiche Forschungs- richtung erfordert selbstverst~indlich die Kenntnis der For- schungsmethoden und bisherigen Ergebnisse der Internisten und Gyn~kologen, vor allem abet der neuen Vererbungslehre. Andauernd mfissen wit ferner die Fortschrit te der allgemeinen Biologie verfolgen und f/Jr nnsere besondere chirurgische Fragestellung velwcerten. Im Iolgenden will ich es versuchen, zu zeigen, wie zwei noch ungel6ste Fragen der Chirurgie, die kausale Genese der Retentio testis und der Entstehung der Inguinalhernie in biologischer ]~eleuchtnng erscheinen.

* Auszu~weise vorgetragen auf der dritte~ Tagung der freien Vereinigung aIpen- l~ndischer Chirurgen in Innsbruek. September 1927.

Wir wollen zun~chst fiberlegen, wit man sich bisher den mangelhaften Descensus testiculi zu er!d/iren suchte. Man hat angenommen, dab der Hoden in der Bauchh6hle dutch Adh~sionen infolger fetaler Peritonitis zur/ickgehalten wird (EIsENDRAT~, BDDINGER), man stelle sich vor, dab abnorme Hal tung des Fetus infolge yon Raumbeengung in utero den Descensus aufhalten k6nne (TURNER) oder dab Enge des Leistenkanals oder des Scrotums anzuschuldigen sei. Kiirze des Samenstranges, der Blutgef~13e, Abnormit~ten der Apo- neurose des Obliquus externus wurden yon anderen Autoren als das Wesenfliche angesehen. Alle diese Vorstellungen vernachl~ssigen die Tatsache, dab der Testis selbst in den weitaus meisten F~llen unterentwickelt ist. Seitdem dies nachgewiesen ist (KYRLE, TANDLER), wird yon den meisten Autoren ehae EntwicklungsstSrung als Ursache erwogen.

Neuere Experimentalforschung hat nns gelehrt, dab ein nor- rosier Hoden, wenn er aus dem Scrotum in die Bauchll/Shle verlagert und durch Naht des inneren Leistenringes amVerlassen der Bauch- h6hle gehindert wird,~seine Spermatogenese einstellt. Man k6nnte also annehmen, dab die Retention des Hodens in der Bauchh6hle die Ursache der mangelhaften Entwicklung und Funktion sei. Aber auch das wfirde nur ffir den Bauchhoden gelten und kOnnte nicht erM~iren, warum auch der Leistenhoden unterentwickelt ist.

ttOFSTATTER~ kommt zu dem Schlusse, dab die Retentio testis ,,gleichsam nur ein Symptom, eben das am meisten in die Augen springende der Hypoplasie darstell t". Den Ursaehen dieser Entwicklungsst6rung scheint bisher, soweit ich die Literatur kenne, kein Autor nachgegangen zu sein. Auch der Umstand, dab die Retentio testis in manchen Fami- lien geh~uft vorkommt, ist vielen Autoren aufgefallen (BO- DINGER, ZIEBtgRT, I~OCHER n . a . ) . Bei Menschen und bei Tieren ist wiederholt die Erblichkeit dieser Entwicklungs- st6rung nachgewiesen worden.

Eine Erldarung der kausalen Genese der t tetentio testis muB alien diesen Umstanden gerecht werden und darlegen, bei welcher Kombination yon Eigenschaften der Eltern und Ahnen eine St6rung des Descensus testiculi zu erwarten ist. Um allgemein verstandlich zu sein, mtissen hier einige Grund- tatsachen der Vererbungslehre kurz wiederholt werden.

DaB die Eigenschaften der Ahnen nach best immten Ge- setzen (Spaltungsregeln yon GREGO~ MENDEL) auf Kinder und Kindeskinder verteil t werden, ist heute allgemein an- erkanntes Gemeingut. Ebenso sicher ist, dab die Erbfaktoren (Gene) bei jeder Zeugung yon den El te rn auf die Kinder, abet auch bei jeder Zeliteitung yon Zelle zu Zelle weiter- gegeben werden, durch Vermittlung k6rperlicher, in den Zellkernen gelegener Elemente, der Chromosomen und ihrer UnterteiIung der Chromomeren.

Durch eine unendliche Zahl yon t~reuzungsversuchen an Tieren und Pflanzen haben die modernen Biologen, MORaAN, COR~ENS, GOLDSCttMIDT und ihre~Schuten sogar nachweisen kOnnen, dab die verschiedenen Erbfaktoren in bestimmten Chromosomen und in bestimmter:Anordnung lokalisiert sind. Jedes Spermatozon, jedes Ovulum fibernimmt ausder Unzahl der Erbfaktoren der Ahnen eine bestimmte, nur ibm eigentfimliche Kombination, die in seinem Chromosomensatz verankert ist. Durch das ZusammenflieBen yon Ovulum und Sperma entsteht ein~heues Individuum, das in allen seinen Zellen in einem doppelten (diploiden) Chromosomensatz die elterlichen Erbfaktoren in buntem Gemisch vereinigt. In einer gemischten Popalation, wit es~die menschliche ist, in tier Inzucht sorgf~ltig vermieden ist, fibernimmt jedes Individuum v0n seinen Eltern verschiedene Gent. Es ist i n bezug auf allerlei morphologische und physiologische Erscheinungen heterozggot, d. h. die yon den Eltern geerbten Faktoren sind nicht gleich, sie streiten wider- einander, und einer siegt fiber den anderen, ist dominant: Es ist daher in der Erscheinung (PhXnotypus) der Nachkommenschaft nieht eine Mischung der elterlichen:~Eigenschaften zu erkennen, sondern man erkennt in der ersten Generation scheinbar nur die Wirkung tines Erbfaktors des einen Elternteiles, und erst in der nAehsten Generation kommt an einzelnen Individuen der bis damn unterdrfickte (recessive) Erbfaktor des anderen Elternteiles zur Geltu ng.

Diese aus ungez&hlten Kreuzungsversuchen yon Tieren und Pflanzen abgeleiteten Tatsachen gelten unzweifelhaft auch ffir den Menschen, es wird auch kaum mehr bes~ritten, dab der Chromosomenmechanismus bei der Vererbung tgtig ist. Weniger geklgrt ist, in welcher Weise die Wirkung