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Rieselbettreaktoren unter künst- lichem Schwerkrafteinfluss – Prinzip, Umsetzung, Auswirkung und Anwendung Mugurel Catalin Munteanu, Markus Schubert und Faïçal Larachi* Die Anwendung von Magnetfeldern hat sich als vielversprechender Ansatz zur Beeinflus- sung von Gas/Flüssig-Strömungen erwiesen. Obwohl organische Flüssigkeiten gewöhnlich kein magnetisches Verhalten zeigen, kann durch starke Gradienten-Magnetfelder mittels supraleitender Magneten auch in katalytischen Mehrphasenreaktoren, wie zum Beispiel Rieselbettreaktoren, der Schwerkraft entgegengewirkt und damit die Strömung einer erdge- bundenen Mikrogravitation ausgesetzt werden. Unter diesen Bedingungen können der Flüssigkeitsanteil in der Katalysatorschüttung und der Benetzungsgrad an der Katalysator- oberfläche effektiv beeinflusst und damit Stofftransport und Umsatz einer katalytischen Reaktion deutlich gesteigert werden. Schlagwörter: Rieselbettreaktoren, Gas/Flüssig-Strömungen, Schwerkraft, Hydrodynamik, Gradientenmagnetfeld Eingegangen: 17. Februar 2009; revidiert: 2. April 2009; akzeptiert: 27. April 2009 1 Einleitung Rieselbettreaktoren zählen zu den am meisten verwendeten kontinuierlich betriebenen Mehr- phasenreaktoren für heterogen katalysierte Gas/Flüssig-Reaktionen in wasserstoff- oder sauerstoffbasierten Prozessen der Petro- und Feinchemie. Neue Anwendungsfelder liegen in der filtrativen und katalytischen Abwasser- behandlung sowie in der Biotechnologie zum Beispiel für enzymatische Reaktionen [1]. Auf- grund der komplexen und immer noch schwer zu beschreibenden Strömungs- und Stofftrans- portphänomene ist dieser konventionelle Reak- tor nach wie vor Gegenstand von intensiven Forschungsarbeiten. Generell liegt der Fokus der Forschung auf der Erhöhung der Katalysa- torstandzeit und der Raum-Zeit-Ausbeute, zum Beispiel durch die gezielte Beeinflussung hy- drodynamischer Größen wie Flüssigkeitsanteil und Katalysatorbenetzung zur Erhöhung der Stofftransportgeschwindigkeit gasförmiger und flüssiger Edukte an die Katalysatoroberfläche. Auf der Suche nach neuen Wegen zur Be- einflussung von Mehrphasenströmungen hat sich die Anwendung von Magnetfeldern als viel versprechend erwiesen. Während bei der Magnetohydrodynamik die Lorentz-Kraft auf elektrisch leitende Fluide, wie Flüssigmetalle, starke Elektrolyte und Plasmen wirkt [2], kann nach dem Prinzip von Beaugnon und Tournier [3] bei katalytischen Mehrphasenreaktoren mit elektrisch nicht-leitfähigen und nicht-magneti- schen Fluiden mit der Kelvin-Kraft je nach Ausrichtung des Magnetfeldes eine künstliche Mikro- bzw. Makrogravitation imitiert werden. Die Anwendung der Kelvin-Kraft zur Kompen- sation der Erdanziehung bei Gas/Flüssig-Strö- mungen in Katalysatorschüttungen ist jedoch nur in Ansätzen theoretisch untersucht und wurde noch nicht systematisch experimentell erforscht. [4, 5]. Iliuta und Larachi [4] formu- lierten ein hydrodynamisches eindimensiona- les Reaktormodell basierend auf Massen- und Momentenbilanzen, das den Einfluss eines Gradienten-Magnetfeldes auf die Rieselbett- hydrodynamik berücksichtigt. Die zugrunde- gelegten Prinzipien wurden von Munteanu et al. [5] mit ersten experimentellen Daten unter- legt. Anreize zur Erforschung des Einflusses der künstlichen Gravitation bietet außerdem die Raumfahrt, was sich in Schwerpunktprogram- men der NASA wie zum Beispiel dem Advan- ced Life Support und dem Human Exploration & Development of Space Program widerspiegelt. Für Langzeit-Aufenthalte wurden bereits mög- liche Lebenserhaltungssysteme und Konzepte evaluiert [6, 7]. Experimentelle Studien wurden beispielsweise für die Aufbereitung von Ab- wasser in Membranfestbettbioreaktoren und für die Abtrennung von Feststoffen in erneuer- baren Wirbelschichten unter dem Einfluss von Schwerelosigkeit durchgeführt [8, 9]. Auf der Suche nach neuen Wegen zur Beeinflussung von Mehrphasenströ- mungen hat sich die Anwendung von Magnetfeldern als viel versprechend erwiesen. Gradientenmagnetfeld 957 Chemie Ingenieur Technik 2009, 81, No. 7 © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.de DOI: 10.1002/cite.200900020

Rieselbettreaktoren unter künstlichem Schwerkrafteinfluss – Prinzip, Umsetzung, Auswirkung und Anwendung

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Rieselbettreaktoren unter künst-lichem Schwerkrafteinfluss – Prinzip,Umsetzung, Auswirkung undAnwendungMugurel Catalin Munteanu, Markus Schubert und Faïçal Larachi*

Die Anwendung von Magnetfeldern hat sich als vielversprechender Ansatz zur Beeinflus-

sung von Gas/Flüssig-Strömungen erwiesen. Obwohl organische Flüssigkeiten gewöhnlich

kein magnetisches Verhalten zeigen, kann durch starke Gradienten-Magnetfelder mittels

supraleitender Magneten auch in katalytischen Mehrphasenreaktoren, wie zum Beispiel

Rieselbettreaktoren, der Schwerkraft entgegengewirkt und damit die Strömung einer erdge-

bundenen Mikrogravitation ausgesetzt werden. Unter diesen Bedingungen können der

Flüssigkeitsanteil in der Katalysatorschüttung und der Benetzungsgrad an der Katalysator-

oberfläche effektiv beeinflusst und damit Stofftransport und Umsatz einer katalytischen

Reaktion deutlich gesteigert werden.

Schlagwörter: Rieselbettreaktoren, Gas/Flüssig-Strömungen, Schwerkraft, Hydrodynamik,Gradientenmagnetfeld

Eingegangen: 17. Februar 2009; revidiert: 2. April 2009; akzeptiert: 27. April 2009

1 Einleitung

Rieselbettreaktoren zählen zu den am meistenverwendeten kontinuierlich betriebenen Mehr-phasenreaktoren für heterogen katalysierteGas/Flüssig-Reaktionen in wasserstoff- odersauerstoffbasierten Prozessen der Petro- undFeinchemie. Neue Anwendungsfelder liegen inder filtrativen und katalytischen Abwasser-behandlung sowie in der Biotechnologie zumBeispiel für enzymatische Reaktionen [1]. Auf-grund der komplexen und immer noch schwerzu beschreibenden Strömungs- und Stofftrans-portphänomene ist dieser konventionelle Reak-tor nach wie vor Gegenstand von intensivenForschungsarbeiten. Generell liegt der Fokusder Forschung auf der Erhöhung der Katalysa-torstandzeit und der Raum-Zeit-Ausbeute, zumBeispiel durch die gezielte Beeinflussung hy-drodynamischer Größen wie Flüssigkeitsanteilund Katalysatorbenetzung zur Erhöhung derStofftransportgeschwindigkeit gasförmiger undflüssiger Edukte an die Katalysatoroberfläche.

Auf der Suche nach neuen Wegen zur Be-einflussung von Mehrphasenströmungen hatsich die Anwendung von Magnetfeldern alsviel versprechend erwiesen. Während bei derMagnetohydrodynamik die Lorentz-Kraft aufelektrisch leitende Fluide, wie Flüssigmetalle,starke Elektrolyte und Plasmen wirkt [2], kannnach dem Prinzip von Beaugnon und Tournier[3] bei katalytischen Mehrphasenreaktoren mit

elektrisch nicht-leitfähigen und nicht-magneti-schen Fluiden mit der Kelvin-Kraft je nachAusrichtung des Magnetfeldes eine künstlicheMikro- bzw. Makrogravitation imitiert werden.Die Anwendung der Kelvin-Kraft zur Kompen-sation der Erdanziehung bei Gas/Flüssig-Strö-mungen in Katalysatorschüttungen ist jedochnur in Ansätzen theoretisch untersucht undwurde noch nicht systematisch experimentellerforscht. [4, 5]. Iliuta und Larachi [4] formu-lierten ein hydrodynamisches eindimensiona-les Reaktormodell basierend auf Massen- undMomentenbilanzen, das den Einfluss einesGradienten-Magnetfeldes auf die Rieselbett-hydrodynamik berücksichtigt. Die zugrunde-gelegten Prinzipien wurden von Munteanu etal. [5] mit ersten experimentellen Daten unter-legt.

Anreize zur Erforschung des Einflusses derkünstlichen Gravitation bietet außerdem dieRaumfahrt, was sich in Schwerpunktprogram-men der NASA wie zum Beispiel dem Advan-ced Life Support und dem Human Exploration &Development of Space Program widerspiegelt.Für Langzeit-Aufenthalte wurden bereits mög-liche Lebenserhaltungssysteme und Konzepteevaluiert [6, 7]. Experimentelle Studien wurdenbeispielsweise für die Aufbereitung von Ab-wasser in Membranfestbettbioreaktoren undfür die Abtrennung von Feststoffen in erneuer-baren Wirbelschichten unter dem Einfluss vonSchwerelosigkeit durchgeführt [8, 9].

Auf der Suche nachneuen Wegen zurBeeinflussung vonMehrphasenströ-mungen hat sich dieAnwendung vonMagnetfeldern alsviel versprechenderwiesen.

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Eine Möglichkeit zur Untersuchung desEinflusses der Mikrogravitation auf die Strö-mung in Mehrphasenreaktoren ist die Durch-führung von Parabelflügen [10, 11], mit denenjedoch aufgrund der hohen Kosten und derkurzen Zeitdauer mit verminderter Gravitation(ca. 25 s) keine umfassende Datenbasis ange-legt werden kann. Im Rahmen der vorliegen-den Forschungsarbeit wird daher die Anwen-dung eines supraleitenden Magneten zurErzeugung eines Gradienten-Magnetfeldes fürdie Beeinflussung der Hydrodynamik in Rie-selbettreaktoren mittels Mikrogravitation vor-gestellt.

2 Prinzipien der künstlichenSchwerkraft in Mehrphasenströ-mungen mittels Magnetfeld

Die meisten Fluide, die in Mehrphasenreak-toren zum Einsatz kommen, zeigen kein mag-netisches Verhalten, was sich in niedrigenWerten im Bereich 10–6 bis 10–7 für diemagnetische Volumensuszeptibilität, v, wider-spiegelt. Solche nicht-magnetischen Fluidekönnen jedoch mit starken Gradienten-Ma-gnetfeldern angeregt werden. Wird ein Fluideinem starken inhomogenen Magnetfeld aus-gesetzt, so bewirkt dieses ein magnetischesKelvin-Kraftfeld [12], das in Analogie zumKraftfeld durch die Erdanziehung (q g) ent-sprechend Gl. (1) formuliert ist.

FM ≈vl0

∇� B � B (1)

Der entscheidende Unterschied zur Schwer-kraft besteht in der möglichen Ausrichtungder Kelvin-Kraft, um künstliche Mikro- bzw.Makrogravitation zu imitieren. Zur Abschät-zung des Einflusses der magnetischen Kelvin-Kraft auf die fluiden Phasen (G – Gas, L –Flüs-sigkeit) im Vergleich zur Schwerkraft wird einGravitationsverstärkungsfaktor definiert, beidem FM als scheinbare Erdbeschleunigung be-trachtet wird (s. Gl. (2)).

ci �qig � FM�i

qig� 1� vi

qigl0Bz

∂Bz

∂z� i ∈G� L

(2)

Bz stellt dabei die vertikale Komponente derMagnetflussdichte dar, die gleich- oder entge-gengerichtet zur Schwerkraft sein kann, l0 istdie magnetische Permeabilität im Vakuum. InAbhängigkeit vom Vorzeichen der magneti-schen Volumensuszeptibilität (paramagne-tisch: vi > 0 diamagnetisch: vi < 0) und desGradienten der Magnetflussdichte lassen sichvier mögliche Fällen unterscheiden:

1. ci > 1: Makrogravitation2. 0 < ci < 1: Mikrogravitation3. ci = 0: Schwebezustand (Levitation)4. ci < 0: die Gewichtskraft ist geringer

als die entgegengesetzt wirkendeMagnetkraft

In Rieselbettreaktoren scheint vor allem dieMikrogravitation von Bedeutung, um die hy-drodynamischen Parameter Phasenanteil, Ka-talysatorbenetzung und Druckverlust zu beein-flussen.

3 Experimentelle Umsetzung dererdgebundenen Mikro-gravitation

Die erforderlichen starken Gradienten-Ma-gnetfelder können in supraleitenden Magne-ten generiert werden. Abb. 1a zeigt den experi-mentellen Aufbau, mit dem ein inhomogeneszweidimensionales asymmetrisches Magnetin-duktionsfeld B � Br 0 Bz� � bis zu einer ma-gnetischen Flussdichte von 9 Tesla um einenLaborrieselbettreaktor in einem vertikal posi-tionierten supraleitenden NbTi-Magnetspulen-system (American Magnetics, Inc.) erzeugtwerden kann. Mit flüssigem Stickstoff undHelium wird die Spulentemperatur auf 4,2 Kreduziert und mittels Hochvakuum nachaußen abgeschirmt. Das Magnetfeld wird com-putergesteuert aufgebaut und über die Strom-dichte in der Spule geregelt. Die Magnetfeld-richtung ist vertikal und erreicht bei 9 Tesla imZentrum des 2,5 cm großen Kerns maximale/minimale Produktgradienten (Bz·dBz/dz, s.Gl. 2) von +/– 650 T2/m jeweils 12,5 cm ent-fernt vom Spulenzentrum (Punkt A/B inAbb. 1). Die Gesamtlänge des Spulenkernsbeträgt 30 cm. Der gradientenfreie Bereich (ca.– 5 cm bis + 5 cm vom Magnetzentrum ent-fernt) ist nicht für die Nachahmung von Mi-krogravitation geeignet (s. Gl. (2)).

Der 4 cm lange Rieselbettreaktor (Innen-durchmesser von 1,6 cm) ist entlang derSymmetrie-Achse im Kern des Magneten ver-schiebbar, um Untersuchungen bei unter-schiedlichen künstlichen Gravitationen durch-zuführen. Die Reaktorpackung besteht ausGlaskugeln (Partikeldurchmesser ca. 1,0 mm,Packungsporosität 0,37). Für die reaktionstech-nischen Experimente wurde eine Katalysator-schüttung (Royer Pd-Katalysator, 1 wt % Pd/Polyäthylenimin/SiO2, Partikeldurchmesserca. 0,91 mm, Porosität 0,37, GFS Chemicals)mit einer Länge LK von 10 mm in der Mittedes Reaktors in der Glaskugelschüttung einge-bettet. Der Rieselbettreaktor wird innerhalbdes Kerns so positioniert, dass er sich axial imBereich + (10–14 cm) bzw. – (10–14 cm) befin-

Die meisten Fluide,die in Mehrphasen-reaktoren zum Ein-satz kommen, zei-gen kein magne-tisches Verhalten.

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det (s. Abb. 1). Dabei ist die Mitte (axial) derSchüttung auf Höhe der Produktgradienten-Peaks (Punkt A bzw. B in Abb. 1). Die relativgeringe Katalysatorschüttungslänge LK stellteinen Kompromiss dar, bei der das kompletteVolumen der Katalysatorschüttung annäherndder gleichen künstlichen Gravitation ausge-setzt ist, gleichzeitig jedoch noch ausreichendUmsatz bei der Modellreaktion (Alpha-Methyl-styrol-Hydrierung) erzielt wird.

4 Paramagnetische und dia-magnetische Stoffsysteme

Damit Gas- und Flüssigphase in gleicher Weiseder Mikrogravitation ausgesetzt sind, müssenzwei Bedingungen erfüllt sein, die sich ausGl. (2) ableiten lassen. Die Massensuszeptibili-tät, die das Verhältnis der Volumensuszeptibili-tät zur Dichte darstellt, muss für beide fluidenPhasen übereinstimmen (vLq�1

L ≈vGq�1G ). Vo-

raussetzung ist, dass Gas- und Flüssigphaseentweder paramagnetisch oder diamagnetischsind. Bei katalytischen Hydrierreaktionen han-delt es sich hauptsächlich um diamagnetischeGase und Flüssigkeiten, während die Gasphasebei katalytischen Oxidationen (zum BeispielLuft und Sauerstoff) meist paramagnetisch ist.Außerdem muss angestrebt werden, dass aufdie fluiden Phasen über die ganze Länge der

Schüttung ein annähernd konstanter Gravita-tionsverstärkungsfaktor wirkt.

Paramagnetisches Modellsystem: Luft/WasserDa Luft bei Umgebungsbedingungen parama-gnetisch ist und eine Massensuszeptibilitätvon 3,15·10–7 m3/kg [13] aufweist, musste dasdiamagnetische Wasser angepasst werden, in-dem paramagnetisches MnCl2·4H2O gelöstwurde (34,5 % w/w). Bei der Positionierungdes Rieselbettreaktors im oberen Bereich (Po-sition B) des Kerns (Produktgradient < 0) sinddie fluiden Phasen einer Mikrogravitation aus-gesetzt. Für den Mikrogravitationsbereich sinddie Gravitationsverstärkungsfaktoren beiderfluider Phasen in Abhängigkeit von der Positi-on im Magnetkern bei einer magnetischenFlussdichte von 0,36 Tesla und die zugehörigeProduktgradienten in der Abb. 2 dargestellt.An der Position B entspricht der über die Län-ge LK gemittelte Gravitationsverstärkungsfak-tor ci = 0,42 m/s2 ungefähr den Verhältnissenauf dem Mars (0,38 m/s2).

Diamagnetische Modellsysteme:Wasserstoff/Alpha-Methylstyrol/Kerosin & Wasser-stoff/Kerosin/PhenylacetylenZur Untersuchung des Einflusses der künstli-chen Gravitation auf katalytische Reaktionenwurde die Hydrierung von Alpha-Methylstyrol(AMS) zu Cumol als Beispielsystem einge-

Abbildung 1. Experimenteller Aufbau (0 – Zentrum, 1 – Magnet, 2 – Flüssig-Helium, 3 – Hochvakuum, 4 – Flüssig-Stickstoff,5 – Rieselbettreaktor), axiale Komponente des Magnetfeldes (Bz) und axialer Verlauf des Produktgradienten (Bz·dBz/dz) bei9 Tesla.

Zur Untersuchungdes Einflusses derkünstlichen Gravita-tion auf katalytischeReaktionen wurdedie Hydrierung vonAlpha-Methylstyrol(AMS) zu Cumol alsBeispielsystem ein-gesetzt.

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setzt. Dieses wird aufgrund messbarer Um-sätze bereits bei Umgebungsbedingungen oftals Modellreaktionssystem für Grundlagenun-tersuchungen in Festbettreaktoren, im Speziel-len für Studien zu Stofftransport und Katalysa-torbenetzung, verwendet. Da der erzielteUmsatz bei Reaktionen mit Limitierung desStofftransports der Flüssigphasenkomponentedirekt mit der Katalysatorbenetzung verknüpftist, können Rückschlüsse auf die hydrodyna-mischen Verhältnisse gezogen werden.

Der diamagnetische Wasserstoff hat eineMassensuszeptibilität von –2,52·10–8 m3/kgunter Umgebungsdruck bei 20 °C. Um dieMassensuszeptibilität von reinem AMS(–8,50·10–9 m3/kg) an die von Luft anzupas-sen, wurde AMS in Kerosin (–2,56·10–8 m3/kg) verdünnt (0,16 molAMS/LKerosin).

Weitere hydrodynamische Untersuchungenzum Übergang vom Riesel- zum Pulsregimein der Glaskugelschüttung wurden mit einemzweiten diamagnetischen Modellstoffsystemdurchgeführt. Hier wurde die Massensuszep-tibilität von Kerosin an die von Wasserstoffdurch die Zugabe von Phenylacetylen (0,15 MPA) angepasst.

Für die Verhältnisse mit Mikrogravitation(Position A) sind für alle verwendeten diama-gnetischen Systeme die Gravitationsverstär-kungsfaktoren sowie die Produktgradienten inAbhängigkeit von der Position im Kern desMagneten bei der jeweils verwendeten magne-tischen Flussdichte in der Abb. 2 dargestellt.Tab. 1 fasst die charakteristischen Kenngrößender künstlichen Gravitation für die diamagne-tischen Systeme sowie für das paramagneti-sche System zusammen.

5 Auswirkungen der künstlichenGravitation auf hydrodyna-mische und reaktionstechnischeKenngrößen

Die vorgestellten Stoffsysteme wurden in Be-zug auf die wichtigsten auslegungsrelevantenhydrodynamischen und reaktionstechnischenKenngrößen untersucht (s. Tab. 2). Auf die Er-läuterung der herkömmlichen Messmethodenwird verzichtet.

Abbildung 2. Mikrogravitation: Gravitationsverstärkungsfaktor c und Produktgradient (Bz·dBz/dz) im Kernzentrum für dieuntersuchten Stoffsysteme und Magnetfeldstärken.

Die vorgestelltenStoffsysteme wur-den in Bezug auf diewichtigsten aus-legungsrelevantenhydrodynamischenund reaktionstech-nischen Kenn-größen untersucht.

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Flüssigkeitssättigung, Druckverlust undKatalysatorbenetzungDie wichtigsten hydrodynamischen Kenngrö-ßen im Rieselbettreaktor sind Druckverlust,Katalysatorbenetzung und Flüssigkeitssätti-gung. Die Flüssigkeitssättigung beschreibt denAnteil des Lückenvolumens in der Schüttung,der von Flüssigkeit eingenommen ist. Abb. 3azeigt die Flüssigkeitssättigung im Rieselbett-reaktor für Erdanziehungskraft (ci = 1) undMikrogravitation mit einem mittleren Gravita-tionsverstärkungsfaktor ci = 0,42 (1 mm Glas-

kugelschüttung) für das paramagnetischeStoffsystem. Bei Einphasenströmung (uG =0 m/s) füllt die Flüssigphase schon bei gerin-gen Strömungsgeschwindigkeiten unter demEinfluss der Mikrogravitation nahezu das gan-ze Lückenvolumen in der Schüttung aus (Sätti-gung ≈ 1).

Bei der Zweiphasenströmung nimmt dieSättigung mit steigender Gasgeschwindigkeitab und zeigt damit das klassische Verhaltenvon Rieselbettreaktoren. Unter dem Einflussder Mikrogravitation ist der Einfluss der Flüs-

Luft / MnCL2-Lösung H2/AMS/KerosinH2/Kerosin/ PA

Klassifizierung paramagnetisch diamagnetisch

Massensuszeptibilität (m3/kg) 3,15·10–7 –2,52·10–8

Magnetische Flussdichte (T) 0,36 a) 6,78

b) 6,76

c) 6,72

d) 6,10

Produktgradienten-Bereich (T2/m) –26,3 ... + 26,3 a) –489,4 ... + 489,4

b) –488,6 ... + 488,6

c) –485,0 ... + 485,0

d) –440,0 ... + 440,0

Gravitationsverstärkungsfaktor-Bereich (–) 0,32 ... 1,67 a) 0,0001 ... 1,9999

b) 0,0010 ... 1,9990

c) 0,0100 ... 1,9900

d) 0,1000 ... 1,9000

Reaktorposition j B A

Mittlerer Gravitationsverstärkungsfaktor beiReaktorposition j exemplarisch fürLK = 10 mm

0,42 a) 0,137

b) 0,146

c) 0,144

d) 0,223

Anmerkung: der nachfolgende Text bezieht sich auf die unterstrichenen (mittleren) Gravitationsverstärkungsfaktoren

Tabelle 1. Stoffdaten der verwendeten Modellstoffsysteme.

Messgröße MessmethodeLuft / MnCL2

(paramagn.)H2/AMS/Kerosin‡

(diamagn.)H2/Kerosin/ PA†

(diamagn.)

Flüssigkeitssättigung Wägemethode � �

Druckverlust Differenzdruck �

Katalysatorbenetzung Farbtracer � �

StrömungsregimeStrömungsvisualisierung,

Grauwert-Analyse

Pulsfrequenz �

Reaktionsumsatz Chromatographie �

† Glaskugelpackung [1 mm], ‡ Katalysatorpackung (Pd-Katalysator [0,93 mm] zwischen Glaskugelpackungen [1 mm])

Tabelle 2. Matrix der Untersuchungsschwerpunkte.

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sigkeitsgeschwindigkeit deutlich geringer, dieSättigungswerte sind durchweg hoch und esbesteht eine starke Tendenz zum Fluten desReaktors und damit auch zu einem früherenÜbergang vom Rieselregime in das pulsieren-de Regime.

Das diamagnetische System verhält sichähnlich (s. Abb. 3b). Die Flüssigkeitssättigungsteigt mit steigender Flüssigkeits- und abneh-mender Gasgeschwindigkeit. Unter dem Ein-fluss des Magnetfelds (Mikrogravitation) stei-gen die Sättigungswerte aufgrund desgrößeren Widerstands gegen die Flüssigkeits-strömung durch die Kelvin-Kraft um bis zu

20 % an und die Flüssigkeitsverweilzeiten wer-den entsprechend größer. Die angegebenenMinimalwerte für den Gravitationsverstär-kungsfaktor (cpeak) in Abb. 3b repräsentierenaufgrund der großen Spanne des Produktgra-dienten nicht die Verhältnisse im gesamtenReaktorbett (s. Abb. 2), die Ergebnisse spie-geln jedoch den Einfluss der Mikrogravitationtendenziell wider.

Für das paramagnetische Stoffsystem ist derDruckverlust in Abb. 4 dargestellt. Sowohl beiErdanziehung als auch bei Mikrogravitationsteigt der Druckverlust monoton mit dem Gas-bzw. Flüssigkeitsdurchsatz an. Für die „Was-sersäulen“ gilt qLeLcLg� �cL�1�00≈ qLeLcLg� �cL�0�42,was darauf schließen lässt, dass die höherenDruckverlustwerte bei Mikrogravitation durchdie stärkere Interaktion zwischen den fluidenPhasen und der Schüttung hervorgerufen wer-den. Es ist anzunehmen, dass die Gasphaseaufgrund des höheren Flüssigkeitsanteilseinem größeren Widerstand ausgesetzt ist, sodass die Wechselwirkungen zwischen Gas-und Flüssigphase signifikant werden und sichdas Strömungsregime deutlich vom konventio-nellen Rieselregime unterscheidet. Nimmtman den höheren Druckverlust in Kauf, kanndie Verringerung der Gravitation eine geeig-nete Methode sein, um die Kontaktierung derGas- und Flüssigphase sowie der Flüssigphasemit dem Katalysator und damit die Katalysator-benetzung zu verbessern.

In Abb. 5 ist die Katalysatorbenetzung fürdas paramagnetische Stoffsystem (a) und dasdiamagnetische Stoffsystem H2/AMS/Kerosin(b) unter dem Einfluss der Mikrogravitationim Vergleich zur Erdanziehung dargestellt. Esist hinlänglich bekannt, dass die Erhöhung der

γγ

Abbildung 3. Flüssigkeitssättigung unter dem Einfluss von Mikrogravitation für ein a) paramagnetisches Stoffsystem und ein b) diamagne-tisches Stoffsystem (H2/AMS/Kerosin).

γ

Abbildung 4. Druckverlust unter dem Einfluss von Mikrogravitation bei demparamagnetischen Stoffsystem.

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Strömungsgeschwindigkeiten einen Anstiegder Katalysatorbenetzung bewirkt. Unter demEinfluss der Mikrogravitation erfolgt aufgrunddes höheren Flüssigkeitsanteils (s. Abb. 3) zu-sätzlich eine deutliche Zunahme des Benet-zungsgrades um bis zu ca. 40 %, jedoch nichtzwangsläufig eine vollständige Benetzung.Eine sukzessive Verringerung des Gravitati-onsverstärkungsfaktors führt zu einem weite-ren Anstieg der Benetzung (s. Abb. 5b).

Übergang zur Pulsregime und PulsfrequenzZur Untersuchung des Regimeübergangs undder Pulsfrequenz unter dem Einfluss von Mi-krogravitation wurden Experimente mit demdiamagnetischen Stoffsystem H2/Kerosin/PA

durchgeführt. Mittels Boroskop an der Reak-toraußenwand wurde die Strömung visua-lisiert. Die Variationskoeffizienten (VK) deraufgenommenen Graustufenbilderfolge wurdeanalysiert und den Strömungsregimen zuge-ordnet. Abb. 6a zeigt den Übergang zwischenRiesel- und Pulsregime.

Unter der Einwirkung eines magnetischenFeldes wird bei konstantem Gasdurchsatz dasPulsregime bereits bei geringeren Flüssigkeits-geschwindigkeiten erreicht. Bei der Mikrogra-vitation steigen der Flüssigkeitsanteil in derSchüttung (s. Abschnitt zur Flüssigkeitssät-tigung) und damit der Widerstand für dieGasphase, was zwangsläufig eher zu einer pul-sierenden Strömung führt. Mit kleiner wer-

γγ

Abbildung 5. Katalysatorbenetzung unter dem Einfluss von Mikrogravitation für ein a) paramagnetisches Stoffsystem und ein b) dia-magnetisches Stoffsystem (H2/AMS/Kerosin).

γγγ

γ

Abbildung 6. a) Regimeübergang unter dem Einfluss von Mikrogravitation von der Riesel- zur Pulsströmung mit typischem Verlauf desVariationskoeffizienten (VK) und b) Pulsfrequenz unter dem Einfluss von Mikrogravitation bei dem diamagnetischen Stoffsystem(H2/Kerosin/PA).

Unter der Einwir-kung eines magne-tischen Feldes wirdbei konstantemGasdurchsatz dasPulsregime bereitsbei kleineren Flüs-sigkeitsgeschwin-digkeiten erreicht.

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dendem Gravitationsverstärkungsfaktor ver-schiebt sich der Übergang weiter zu kleinerenFlüssigkeitsgeschwindigkeiten. Obwohl sichdie maximalen Gravitationsverstärkungsfakto-ren bei der Mikrogravitation mit c = 1�10–2 undc = 1�10–4 stark unterscheiden, liegen die Mit-telwerte mit 0,144 und 0,137 relativ nah bei-einander. Die deutliche Verschiebung des Re-gimeübergangs deutet darauf hin, dass derEinfluss besonders bei geringen Gravitations-verstärkungsfaktoren stark ausgeprägt ist. Auf-grund der Inhomogenität des Produktgradien-ten über der Reaktorlänge sind lokaleVerhältnisse nicht zu vernachlässigen. Dahersind die Ergebnisse in erster Linie qualitativ zubewerten.

Abb. 6b zeigt die Pulsfrequenz mit undohne Magnetfeldeinfluss in Abhängigkeit vonGas- und Flüssigkeitslehrrohrgeschwindigkei-ten. Die Pulsfrequenz steigt in beiden Fällenmit der Flüssigkeitsgeschwindigkeit und nahe-zu linear mit der Gasgeschwindigkeit. DasMagnetfeld beeinflusst die Pulsfrequenz nichtsignifikant, was sich vor allem auf den dämp-fenden Effekt des inhomogenen Produktgra-dienten und damit des breiten Bereiches anGravitationsverstärkungsfaktoren von c= 3�10–1

bis c = 1�10–4 über der gesamten Reaktorlänge(s. Abb. 2) auf die Pulse zurückführen lässt.

Chemische ReaktionDer Einfluss der Mikrogravitation auf den Um-satz einer katalytischen Reaktion wurde mitdem diamagnetischen Stoffsystem H2/AMS/Kerosin untersucht.

Die katalytische Hydrierung von AMS istunter den vorliegenden Reaktionsbedingun-gen stofftransportlimitiert. Dementsprechend

ergibt sich für das Weisz-Modul UWe, bei demdie effektiven Diffusionsterme mit der beob-achteten Reaktionsgeschwindigkeit verglichenwerden, UWe < 1. Zur Identifikation des trans-portlimitierten Reaktanden wurden die Diffu-sionsströme der Reaktanden (H2, AMS) be-rechnet. Das Verhältnis d � De�AMS � CAMS

� ��

De�H2� C�

H2

� �gibt Auskunft über die relative

Verfügbarkeit der Spezies am Reaktionsort[14]. Ein Wert d �� 1 impliziert Limitierungender Reaktion durch den Stofftransport der Gas-phase, während d �� 1 auf Limitierungendurch den Flüssigphasentransport hindeuten.Bei den gewählten Reaktionsbedingungen er-gab der Vergleich der Diffusionsströme einegeringe Limitierung des Stofftransports derFlüssigphasenkomponente (d � 0�92). Damitlassen sich Änderungen bei der Katalysatorbe-netzung durch den Umsatz der Reaktion nach-weisen.

In der Abb. 7a sind die erzielten AMS-Um-sätze in Abhängigkeit von den Gas- undFlüssigkeitsdurchsätzen bei unterschiedlichenGravitationsverstärkungsfaktoren dargestellt.Ohne angelegtes Magnetfeld steigen die Um-sätze bei Erhöhung der Gasgeschwindigkeit,was unter der Annahme, dass der Umsatzvom Anteil des Flüssigphasenedukts an denaktiven Zentren abhängt, auf den höheren Be-netzungsgrad (s. Abb. 5b) zurückzuführen ist.Bei höheren Flüssigkeitsgeschwindigkeitensinkt der Umsatz aufgrund der geringerenVerweilzeit der Flüssigphase geringfügig.

Durch das Anlegen des magnetischen Fel-des mit einem maximalen Gravitationsverstär-kungsfaktors von c = 1�10–1 (0,223 im Mittel-wert über die Katalysatorschichtlänge) wirdder Umsatz bei sonst gleichen Versuchsbedin-

γ

γγ

Abbildung 7. a) AMS-Umsatz unter dem Einfluss von Mikrogravitation, b) Umsatz-Vergleich in Aufwärts- und Abwärtsströmung bei glei-cher Katalysatorbenetzung.

Der Einfluss derMikrogravitationauf den Umsatzeiner katalytischenReaktion wurde mitdem diamagneti-schen StoffsystemH2/AMS/Kerosinuntersucht.

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gungen geringfügig gesteigert. Hier führt dieMikrogravitation ebenfalls aufgrund des höhe-ren Flüssigkeitsanteils zu einer Verbesserungder Katalysatorbenetzung und damit zu einembesseren Zugang der Flüssigphasenkompo-nente an die Katalysatoroberfläche. Dieser Ef-fekt ist bei einem mittleren Gravitationsver-stärkungsfaktor von 0,146 (cpeak = 1�10–3) nochdeutlicher ausgeprägt. Eine maximale Umsatz-steigerung von 300 % wird erzielt. Damit stelltdie Erzeugung künstlicher Mikrogravitationeine interessante Methode zur Prozessinten-sivierung bei Reaktionen dar, die durch denStofftransport der Flüssigphase begrenzt sind.

Um nachzuweisen, dass das Magnetfeldausschließlich auf die Hydrodynamik im Rie-selbettreaktor wirkt und nicht die chemischeReaktion beeinflusst, wurden Experimente inAufwärtsströmung ohne künstliche Mikrogra-vitation und in Abwärtsströmung mit einge-schaltetem Magneten bei jeweils gleichen Wer-ten für die Katalysatorbenetzung durchgeführtund die erzielten Umsätze verglichen. Um je-weils gleiche Katalysatorbenetzungen zu errei-chen, wurden die Strömungsgeschwindig-keiten der Gas- und Flüssigphase variiert.Abb. 7b zeigt, dass für beide Konfigurationenannähernd der gleiche Umsatz erzielt wird.Damit ist nachgewiesen, dass mittels künst-

licher Gravitation nur die hydrodynamischenKenngrößen verändert werden.

6 Schlussfolgerungen

Mit der Studie wurde eine Methode vorgestellt,mit der Mehrphasenströmungen im Anzie-hungsfeld der Erde der Mikrogravitation aus-gesetzt werden können. Die Anwendbarkeitwurde an einem Rieselbettreaktor demon-striert, der im Kern eines supraleitenden Ma-gneten installiert wurde. Der Magnet generiertstarke Magnetfeldgradienten, mit dem die Gra-vitation abgeschwächt und letztendlich kom-pensiert werden kann.

Bei eingeschaltetem Magnetfeld (Mikrogra-vitation) steigen Flüssigkeitsanteil und Benet-zung im Rieselbettreaktor. Der Übergang zurpulsierenden Strömung wird unter dem Ein-fluss der Mikrogravitation bereits bei geringe-ren Flüssigkeitsgeschwindigkeiten erreicht.Weiterhin wurde am Beispiel einer flüssig-keitslimitierten Mehrphasenreaktion gezeigt,dass deutliche Umsatzsteigerungen erzieltwerden können, die nachweislich nur auf hy-drodynamische Effekte zurückzuführen sind.Die experimentellen Ergebnisse lassen zudemerwarten, dass konventionelle Modelle zur Be-

Mit der Studie wur-de eine Methodevorgestellt, mit derMehrphasen-strömungen imAnziehungsfeld derErde der Mikro-gravitation aus-gesetzt werdenkönnen.

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schreibung der Hydrodynamik und des Stoff-transportes nicht 1:1 anwendbar sind und derEinfluss der Mikrogravitation berücksichtigtwerden muss.

Mit Simulationsrechnungen wurde bereitsveranschaulicht, dass die Mikrogravitation unddie Makrogravitation der Gasphase in Riesel-bettreaktoren nur eine untergeordnete Rollespielen und damit die Hydrodynamik haupt-sächlich durch die Wirkung der künstlicheGravitation auf die dichtere Flüssigphase be-einflusst wird [5]. Dementsprechend verhaltensich auch gemischte Systeme aus paramagne-tischen und diamagnetischen Fluiden jeweilswie die vorgestellten reinen Systeme mit derübereinstimmenden Flüssigphase. Die ermit-telten Trends behalten ihre Gültigkeit.

Zweifelsohne ist die Mikrogravitation für in-dustrielle Anwendungen apparativ nicht ein-fach realisierbar. Für Forschungszwecke er-setzt die vorgestellte Anordnung aber zumBeispiel kostenaufwendige und zeitlimitierteExperimente bei Parabelflügen.

Aufgrund der effektiven Beeinflussung derHydrodynamik in Festbetten ist die Erzeugungvon Mikrogravitation aber nicht nur für dieWeltraumforschung interessant, sondern stelltgenerell bei reaktiven Mehrphasenströmungeneine vielversprechende Intensivierungsmetho-de dar – letztendlich für alle Prozesse, bei de-nen die Beeinflussung des Flüssigkeitsanteilsund der Katalysatorbenetzung positiv den Um-satz beeinflussen können.

Eine große Herausforderung ist das Designdes supraleitenden Magneten. Beispielsweiseüberdecken die Werte für den Gravitationsver-stärkungsfaktor bei einer magnetischen Fluss-dichte von 6,78 Tesla im vorgestellten experi-mentellen Aufbau einen breiten Bereich von0,0001 bis 1,9999. Auch bei sehr kleinen Reak-torabmessungen sind die Gradienten nicht ver-nachlässigbar. Eine räumlich homogenere Mi-krogravitation könnte zum Beispiel durch eineoptimierte Spulenwicklung realisiert werden.

Gerade aufgrund der großen Herausforde-rungen beim Design des Magneten wird des-halb der positive Einfluss der Mikrogravitationvorwiegend in klein-skaligen Reaktoren undbei der Herstellung hochpreisiger Produkte,wie in der Pharma- und Feinchemikalienindu-strie, wirtschaftlich anwendbar sein.

Einer der Autoren (M. S.) bedankt sich beider kanadischen Regierung für dieGewährung des PostDoc-Stipendiums zurDurchführung des Forschungsaufent-haltes an der Laval University in Quebéc,Kanada.

Dr. M. Catalin Munteanu,National Center for Upgrading Technology(NUCT), CANMET Energy Technology Centre,1 Oil Patch Drive, Devon, Alberta,Canada T9G 1A8;Dr. M. Schubert,Forschungszentrum Dresden Rossendorf e.V.,Postfach 510119, D-01314 Dresden, Germany;Prof. F. Larachi([email protected]),Department of Chemical Engineering,Laval University, 1065, Avenue de la Médecine,Québec, QC, Canada G1V 0A6.

Formelzeichen

B [T] MagnetinduktionsfeldC [mol/m3] Konzentration in der Flüs-

sigphaseC* [mol/m3] Gleichgewichtskonzentra-

tion in der FlüssigphaseDe [m2/s] effektiver Diffusionskoeffi-

zient imn KatalysatorFM [N/m3] volumenspezifische mag-

netische Kelvinkraftg [m/s2] ErdbeschleunigungLK [m] Länge der Katalysatorschüt-

tungu [m/s] Leerrohrgeschwindigkeit

Griechische Buchstabend [–] Kriterium zur Stofftrans-

portlimitierung�We [–] Weisz-Modulc [–] Gravitationsverstärkungs-

faktorsl0 [N/A2] Vakuumpermeabilität =

4 p ×10–7

q [kg/m3] Dichtev [–] magnetische Volumen

suszeptibilität

IndizesG GasL Flüssigkeitz axialr radial

AbkürzungenAMS Alpha-MethylstyrolPA PhenylacetylenVK Variationskoeffizient

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Für Forschungs-zwecke ersetzt dievorgestellte Anord-nung aber zumBeispiel kostenauf-wendige und zeit-limitierte Experi-mente bei Parabel-flügen.

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