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Robert Vierthaler >>Qualifikation<< und >>Qualifizierung<< Pahl-Rogenstein Hochschulschriften 76

Robert Vierthaler, Qualifikation Und Qualifizierung

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Robert Vierthaler

>>Qualifikation<< und >>Qualifizierung<<

Pahl-Rogenstein Hochschulschriften 76

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Pahl-Rugenstein Hochschulschriften Gesellschafts- und Naturwissenschaften 76

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Robert Vierthaler

»Qualifikation« und »Qualifizierung«

Möglichkeiten und Grenzen allgemeiner Qualifizierung im Bereich »Humanisierung des Arbeitslebens«

Köln 1981 Pahl-Rugenstein Verlag

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© 198 1 by Pahl- Rugenstein Verlag, Gottesweg 54, 0-5000 Köln 51. A lle Rechte vorbehalten. Herste llung: difo-druck , Bamberg.

C IP-Kurztit e la ufnahme de r Deutschen Bibliothe k

Y ie rth a le r. Ro ben:

»Qualifikati o n « und >>Q ua li fizie rung«: Möglichke ite n u. G renzen a llge mei ner Q ua lifizierun g im Be reich »Humanisie rung d. A rbei tsle be ns« I Robert Y ie rtha le r . - Kö ln: Pah i-Rugenste in . 198 1.

(Pa h 1- R uge nste in - Hoc hsch u lsc h ri fte n Gese ll schafts- und Naturwisse nschafte n ; 76: Ser. Proble me d. gese ll scha ftl. A rbe it ) ISBN 3-7609-5076-0 NE:GT

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INHALT

Seite EINLEITUNG 1

1 • PROBLEME BERUFLICHER QUALIFIZIERUNG . IN IHREM VERHÄLTNIS ZUR QUALIFIZIE-

RUNG IM HdA-BEREICH 16

1 • 1 Berufliche Qualifizierung im Kontext des Bildungssystems 16

1. 2 Berufliche Qualifizierung und ihre Probleme 18

1.3 HdA-Qualifizierung und ihre Pro-bleme 44

1 • 3.1 Hintergründe des HdA- Pro-gramms, insbesondere sei-nes Teilaspekts der HdA-Qualifizierung 44

1.3.2 Die bisherige Evaluation der HdA-Qualifizierung un-ter besonderer Berücksich-tigung ihrer Probleme 49

1 ·4 Zusammenfassung 53

2. BERUFLICHE QUALIFIZIERUNG IM VERHÄLT-NIS SOZIALWISSENSCHAFTLICHER THEORIE-BILDUNG VON PRODUKTION UND ARBEIT 56

2.1 Der Beitrag der Industriesoziolo-gie für die Klärung der Fragen be-ruflieber Qualifizierung 57

2. 1 .1 Der "technologie-orientierte" Ansatz 58

2.1.2 Der "autonomie-orientierte" Ansatz 63

2.1.3 Der "betriebs-orientierte" Ansatz 65

2.1.4 Der Ansatz der Projektgruppe "Automation und Qualifikation" 66

2.1.5 Zusammenfassung 71

2.2 Die Qualifikationsforschung im Kontext beruflicher Qualifizie-rung 73

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2.2.1 Zum Qualifikationsbegriff in der Qualifikationsforschung

2.2.2 Zum Qualifikationsverständnis der Berufssoziologie im Kon­text "beruflicher Arbeitstei­lung und sozialer Ungleich­heit"

2.2.3 Zusammenfassung

2.3 Psychologische Ansätze und Fragen der beruflichen Qualifizierung

2.3.1 Die Handlungsstrukturanalyse bzw. handlungstheoretische Arbeitsanalyse

2.3.2 Der Stress-Kontroll-Ansatz von Frese

2.4 Zusammenfassung

3, QUALIFIZIERUNG UND GESELLSCHAFTSSTRUKTUR

},1 Der Einfluß des Kapitals auf die be­rufliche Bildung und die allgemeine Widerspruchsproblematik zwischen Kapital und Arbeit

3.2 Die Rolle des Staates im Verhältnis von Ökonomie und Bildung

3.3 Verwertungs- und herrschaftsbedingte Schranken allgemeiner Qualifizie­rung und deren widersprüchliche Entwicklung

3.4 Zusammenfassung: Allgemeiner Pro­blemlösungsansatz des Verhältnisses von Qualifizierung und Gesellschafts­struktur unter metbadalogischen Ge­sichtspunkten

4, ENTWICKLUNG SOZIALWISSENSCHAFTLICH FUN­DIERTER ANFORDERUNGEN AN "QUALIFIKATION" UND "QUALIFIZIERUNG"

4.1 Wissenschaftstheoretische Voraus­setzungen kritisch-emanzipato­rischer Begriffsbildung

4.2 Der mögliche Beitrag des "Tätigkeits­konzepts" für die Sozialwissenschaft und deren Fundierung von "Qualifi­kation" und "Qualifizierung"

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4,3 Die horizontale, vertikale und gene­tische Struktur von Arbeitstätig­keit und die Bestimmung qualifikato­rischer Anforderungen

4.3.1 Die horizontale Struktur von Arbeitstätigkeit und qualifi­katorische Anforderungen

' 4.3.2 Die vertikale Struktur von Arbeitstätigkeit und qualifi­katorische Anforderungen

4.3.3 Die genetische Struktur von Arbeitstätigkeit und qualifi-

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katorische Anforderungen 162

4,4 Zusammenfassung 170

5. PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN DES SOZIALWISSEN­SCHAFTLICH BEGRUNDETEN QUALIFIKATIONSBE-GRIFFS UND PERSPEKTIVEN FÜR DIE FORSCHUNG 173

5.1 HdA- Qualifizierung in kritischer Evaluierung und progressiver Dynamik 173

5.2 Qualifikatorische Anforderungen, be-rufliche Bildung und gewerkschaft-liche Bildungsarbeit 180

5.3 Implikationen für die Forschung 188

AUSBLICK 196

LITERATURVERZEICHNIS 199

NACHTRAG ZUM LITERATURVERZEICHNIS 226

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"Jemand, der tagtäglich nur wenige einfache Handgriffe ausführt, die zu­dem immer das gleiche oder ähnliche Ergebnis haben, hat keinerlei Gelegen­heit, sich im Denken zu üben. Denn da Hindernisse nicht auftreten, braucht er sich auch über deren Beseitigung keine Gedanken zu machen. So ist es ganz ver­ständlich, daß er verlernt, seinen Ver­stand zu gebrauchen und so stumpfsinnig und einfältig wird, wie es ein mensch­liches Wesen nur eben werden kann. Solche geistige Trägheit macht ihn nicht nur unfähig, Gefallen an einer vernünftigen Unterhaltung zu finden oder sieb daran zu beteiligen, sie stumpft ihn auch gegenüber differenzier­ten Empfindungen ••• ab, sodaß er auch seine gesunde Urteilsfähigkeit vielen Dingen gegenüber, selbst jenen des täg­lichen Lebens, verliert."

ADAM SMITH (1776) 1)

1) In RECKTENWALD (1976), S. 122 f., zit. nach ULICH (1978 a), S. 1

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EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit gebt aus der theoretischen Beschäfti­gung mit der seit dem Jahre 1974 in der Bundesrepublik Deutschland lebhaft geführten Diskussion um die "Humanisie­rung des Arbeitslebens" ( HdA ) , sowie mit der in ähnlicher Intensität geführten Qualifikationsdiskussion hervor. 1)

Ihren praktischen Bezug erhält die Arbeit durch die Be­schäftigung mit Arbeitsstrukturierungs- und Höberqualifi­zierungsmaßnabmen, wie sie im Programm der Bundesregierung zur 11Humanisierung des Arbeitslebens" 2) als ein Teilaspekt der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie ( BMFT ) und vom Bundesministerium für Arbeit ( BMA )

gefördertern HdA - Projekte enthalten sind.

Als wissenschaftliche Hilfskraft am Fraunbofer - Institut für Produktionstechnik und Automatisierung ( !PA ) in Stutt­gart habe ich an Höherqualifizierungsmaßnahmen im Bereich der Teilefertigung 3) mitgewirkt. Ich hatte Gelegenheit, die Entstehung und Durchführung einer Qualifizierungsmaß­nahme sowie die bierbei parallel erfolgende Entwicklung eines evaluationsorientierten pädagogischen Forschungsdesigns in seinen Abfolgeschritten Präparation, Implementation und Evaluation als aktiver Teilnehmer zu verfolgen.

Vor dem Hintergrund fehlender konzeptioneller Mitwirkung der Betroffenen, primär wirtschaftlicher Erwartungshaltungen des Betriebes und eines mit einem erbeblichen Aufwand an For­schungskapazität und persönlichem Engagement der beteiligten

1) Vgl. etwa die These von der HÖHERQUALIFIZIERUNG durch Automation bei: FRIEDMANN (1952), TOrrRAINE (1955), BLAUNER (1964), FÜRSTENBERG (1969), MALLET (1972), PROTT (1975), HAUG, F. (1975), Projektgruppe "AUTOMATION und QUALIFIKATION {1976), u.a., die These von der DEQUALIFIKATION durch Automation bei: BRIGHT (1958), GERSTENBERGER, u.a. (1974), BRAVERMAN (1977), sowie die POLARISIERUNGSTHESE bei: POLLOCK (1955), LEPSIUS (1960), PIRKER (1962), IFO- Institut f. Wirt­schaftsforschung (1962), KERN/SCHUMANN (1970), FUHRMANN (1971), FRICKE, u.a. (1971), BAETHGE, u.a. (1975), MIK­KLER, u.a. (1976)

23) Vgl.: BMFT (1979), S. 30 ff. ) Es handelte sieb um einen Betrieb der AEG in Wilbelmshaven

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Wissenschaftler in die Waagschale geworfenen "Humanisierungs­anspruchs", drängte sich mir die Frage auf, inwiefern und in­wieweit der effektive praktische Nutzen der Qualifizierungs­maßnahmen für die betroffenen Arbeitnehmer und für die Sozial­wissenschaft in einem vernünftigen Ausmaß zum finanziellen, personellen und technischen Aufwand steht. 1 ) Geht es bei der "Evaluation" von HdA - Projekten aus betrieblicher Sicht vordergründig um die Ermittlung der Kosten-Ertrags-Relation, und ist diese selbst Gegenstand eines den Projekten zugehöri­gen Wirtschaftlichkeitsvergleichs, so müssen auf der anderen Seite aber auch Kriterien einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung ausweisbar sein, soll der Anspruch einer "Humanisierung" beim Wort genommen werden.

In diesem Punkt unterscheidet sich denn auch die "kritische Würdigung 11 bisheriger HdA - Praxis durch die Gewerkschaften von derjenigen der Unternehmer. Inzwischen liegen zu den vom BMFT seit 1974 ca. 600 'eförderten HdA - Projekten etwa 100 Abschlußberichte vor. 2 Für die Gewerkschaften ist es an der Zeit, sich den Ergebnissen und ihrer Bewertung zu widmen. Mit "Unbehagen" stellt BIRKWALD 3) anband der Er­gebnisse bisheriger 11Humanisierungsaktivitäten 11 fest:

"daß für diejenigen, zu deren.Gunsten die Vorhaben zur Ge­staltung. der flexiblen Fertigungssysteme mit erweiterten Handlungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten bewilligt und durchgeführt wurden, nichts bis wenig herausgekommen ist, was die anspruchsvolle Vokabel der Humanisierung der Arbeit rechtfertigen würde. 11 4) (Unterstreichung von R. V.)

Gleichzeitig wächst in jüngster Zeit das "Unbehagen" der Arbeitgeber 5), sowie der politischen Opposition, die die kostspieligen HdA-Projekte der gewerkschaftlichen und sozial­wissenschaftlichen Einflußnahme entbunden und stattdessen direkte staatliche Investitionen zur Arbeitsstrukturierung

1) Seit 1974 hat das IPA insgesamt 19 HdA-Projekte mit einem Förderungsvolumen von über 15 Millionen DM durch­geführt, wobei für die Projekte der AEG über 3 Millionen DM an öffentlichen Fördermitteln bewilligt wurde. Vgl.: BERGMANN (1980), S. 14

2) Die Abschlußberichte werden z. T. in nächster Zeit vom BMFT und verschiedenen Verlagen erst noch veröffentlicht

3) Vgl. z. B. die beiden Artikel von JANZEN (1979 und 1980), die eine breite Diskussion ausgelöst haben, sowie PÖHLER (1980)

4)'BIRKWALD (1979), S. 14 5) Vgl. etwa DERSCHKA/~OTTSCHALL (1980)

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sehen. will. 1 )

Ohne die jeweiligen Interessen hinter den sich widerstreiten­den Positionen zur HdA zu verkennen, müssen die konkreten Zielsetzungen und Wirkungsweisen von Strategien sowie die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse bei der Beantwortung der Frage nach der "Humanität" von HdA - Maßnahmen für die betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Für die um­fassende Bewertung, die weder einseitig noch unrealistisch in ihren Forderungen ist, bieten sich mehrere Wege und Strate­gien an, die nur unter kritischer Zusammenfassung aussage­kräftig sein können.

Insbesondere die Evaluationsforschung wurde mit den ihr ver­wandten und auch weitergehenden Forschungskonzeptionen wie der Implementationsforschung und Wirkungsforscbung, sowie der Innovationsforschung und Aktionsforschung für die Be­wertung ( Evaluation ) von Durchführungsstrategien und Er­gebnissen von HdA - Projekten relevant. 2 ) In der die Evalua­tionsforschung bezeichnenden Kontroverse zwischen "forma­tiver" ( gestaltender, bzw. Prozeß-Evaluation ) und "sum­mativer" ( zusammenfassende, bzw. Ergebnis und/oder Produkt­-Evaluation ) 3) zeigt sich die Schwäche der Evaluations­forschung darin, daß sie über keinen normativen Maßstab ver-

1) Vgl. den ganz im Zeichen des Wahlkampfes stehenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion vom 15.5.1980 im Bundestag, ·wo sie fordert, das HdA-Programm "von der ideologischen Last, die ihm durch die Sozialwissenschaftler aufgebürdet würde", zu befreien, da die Begleitforschung "linken Vertretern <;lieser Disziplin ••• eine luxuriöse Spielwiese" biete. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.5.1980

2) Zu den einzelnen Forschungskonze~tionen vgl. die Zusammen­fassung bei BECHMANN, u.a. (1979), S. 91-137

3) Während die "formative" Evaluation über strenge Objektiva­tion reiner Ergebnisse Informationen hervorbringt, die schon während der Programmentwicklung an das Programm­personal rückgemeldet werden und so unmittelbar zur Fra­grammverbesserung beitragen können, wendet sich die "summative" Evaluation gegen den strengen Objektivitäts­anspruch und plädiert für Generalisierbarkeit von Strate­gien, die ohne Berücksichtigung sich ergebender Differen­zierungen streng beibehalten und umgesetzt werden sollen. Die überwiegend von Außenstehenden durchgeführte zusammen­fassende Evaluation läuft leicht Gefahr, innovative Ver­änderungsprozesse durch Setzung formalen Dogmatismus zu verhindern. Vgl.: BECHMANN, u.a. (1979) u. BAMME (1976)

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fügt, nach dem die Zielbestimmung der Bewertung erfolgen soll. Somit bleibt sie in ihrer Bewertung von HdA - Maß­nahmen in der Regel den Nachweis objektiver Wirkungen auf die Betroffenen schuldig.

Der jedem HdA-Projekt folgende Wirtscbaftlicbkeitsver-gle~cb 1) berücksichtigt in erster Linie wirtschaftliche Be­dürfnisse der Betriebe. Die Ansprüche der betroffenen Arbeit­nehmer kommen allenfalls über den Umweg personalkostensenken­der Maßnahmen in Betracht. Ein gesamtgesellschaftlicher Wirtschaftlichkeitsvergleich, der die gesellschaftlichen .Folgekosten unterschiedlicher Auswirkungen von Industrie­arbeit auf den arbeitenden Menschen zur Berechnungsgrundlage hat, scheint aber infolge zunehmender psychischer und sozialer Pathogenität von Industriearbeit dringend erforderlich. 2)

Ein mehr bildungspolitisch und schulpädagogisch orientierter Weg der Bewertung von Qualifizierungsmaßnahmen ( bei HdA­Projekten) ist deren Einordnung in die Diskussion um die fachliche und/oder allgemeine Qualifizierung. Schließt die Forderung einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung auch allgemeine Qualifizierung ein, so bricht sich deren eigent­liche Durchsatzung an den spezifischen Systemschranken be-

1) Vgl. z. ·B. den Wirtschaftlichkeitsvergleich von ZIPPE/ WELLER/SAUER (1980)

2) Die Bundesregierung schätzt die aufgrund arbeitsbedingter Erkrankungen und Frühinvalidität entstehenden volkswirt­schaftlichen Kosten auf etwa 30 Mrd. DM pro Jahr. nach: JANZEN (1980), S. 2 Vgl. auch die schon klassischen Arbeiten von: KORNHAUSER (1965), KOHN/SCHOOLER (1973), BROUSSEAU (1976)t SCHLEICHER (1973), sowie neuere Arbeiten von: FRESE (1977J, FRESE, u. a •. (1978), GLEISS, u.a. (1973) Ein Oberblick zu den verschiedenen Arbeiten findet sich bei LEMPERT (1977 a) Für eine größere Berücksichtigung gesellschaftlicher Folgekosten plädiert in neuerar Zeit die "Organisations­entwicklung" : "Wir müssen zu einer ganz :r;Leuen 'Wirt­schaftlichkeitsrecbnung' kommen. Die klassische Unter­nehmensrecbnung ist eine 'betriebswirtschaftlicbe' Rech­nung. Organisationsentwicklung geht eher von einer 'organisationswirtschaftlicben' Rechnung aus, bei der Unternehmensziele und individuelle Ziele der Mitarbeiter gleichermaßen berücksichtigt werden." In: SIEVERS (1980), s. 40

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triebliehen Interesses. Aus dem disparaten Charakter von Bildung - Allgemeinbildung in der Form ihrer kapitalis­tischen Beschränkung - ergeben sich jedoch Ansatzpunkte zu einer "humanitären Allgemeinbildung", die auch politisch­soziale Qualifikationen einschließt. Die Arbeitspädagogik, die ln der betrieblichen Ausbildung, Arbeitsunterweisung und betrieblichen Bildungsarbeit "lli pädagogische Bezugsgröße" 1 ) darstellt, hätte dann ihre bis heute verfochtene Position der totalen Identifikation des Menschen mit seinem Beruf aufzuge­ben und sich auf die anthropologischen und gesellschaftlichen Bezüge der Arbeit rückzubesinnen. Auch ihr stellt sich die Frage nach dem Maßstab und Kriterium einer Qualifizierung, die den Namen "arbeitnehmergerecht" verdient. Der ziemlich unverbindlich bestimmte Begriff "arbeitnehmergerecht" be­deutet für die Gewerkschaften die Gefahr, das derzeit tarif­und arbeitsrechtlich Mögliche und Durchsetzbare zu verfeh­len. Die Schwierigkeit, die Betriebe für Aufgaben der allge­meinen Bildung und Weiterbildung verantwortlich zu machen, rührt letztlich daher.

Ohne ein abgegrenztes und zielbestimmtes Kriterium von "ar­beitnehmergerecht" kommt auch die Diskussion um erwachsenen­adäquate Lernmethoden nicht aus. Sind gesonderte Gruppen­unterweisungen mit betont 11 partnerschaftlichem11 Verhältnis und anschließendem Praxistransfer das Resultat der Einsicht, daß die bisherige Strategie einer möglichst knappen Qualifi­zierung ( learning on the job ~ unter Rentabiliätsgesichts­punkten nicht mehr ausreicht 2 , so liegt die Gefahr einer lediglich methodischen Formveränderung der zu vermittelnden Inhalte nahe, bei nahezu gänzlicher Aussparung der kritischen Reflexion über die Inhalte. Die didaktische Fundierung der Unterweisungsverfahren, die mit kostspieligem technischen Medien-Einsatz und übergründlicher methodischer Akribie be­trieben wird, läßt die Berücksichtigung der Inhaltsvermitt­lung meist untergehen. Zwar werden die inhaltlichen Ziele vom Qualifizierungszweck und den betrieblichen Vorstellungen

12) Vgl. TILCH (1980), S. 83 ) so die gewerkschaftliche Bewertung von Qualifizierungs­

strategien, vgl. WSI (1980)

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weitgehend determiniert, daneben liegt es aber auch am feh­lenden Problembewußtsein und Mut der beteiligten Wissenschaft­ler und Gewerkschafter, Aussagen zu inhaltichen Gestaltungs­vorschlägen zugunsten der Betroffenen zu formulieren und durch­zusetzen, wie es kürzlich von gewerkschaftlicher Seite aus formuliert worden ist. 1 )

Die Bewertung von Qualifizierungsmaßnahmen kommt uhne ein normatives, erst noch mit Inhalt zu füllendes Kriterium nicht aus. Für seine sozialwissenschaftlich begründete Ableitung und empirische Ausgestaltung bieten sich industriesoziologische Ansätze·an, deren wichtigste Vertreter sich seit den 60 er Jahren mit der Analyse der Auswirkungen des technischen Fortschritts auf die Entwicklung der A~beitstätigkeiten so-wie des gesellschaftlichen Qualifikationspotentials beschäf­·tigen.2) Vor dem Hintergrund des Manpower-Ansatzes 3)und · seiner Kritik und Weiterentwicklung zum Flexibilitätsansatz (Konzept der Schlüsselqualifikationen) 4>, ist die Entwick­lung. des sogenannten technologie-·orientierten Ansatzes zu sehen, der trotz gegenteiliger Beteuerungen die zentrale Schwäche des.Manpower-Ansatzes nicht ganz überwunden hat, indem er wie dieser zwar nicht an naturhaften, aber doch ausschließlich durch die Technikentwicklung bestimmten -durch bewußtes gesellschaft~iches Handel~ im eigentlichen nicht beeinflußbaren - ökonomischen Verhältnissen festhält.

Stellt der technologie-orientierte Ansatz eine technologie­-determinierte Verlagerung von eher prozeßspezifischen auf

12) Vgl. BIRKWALD (1979), S. 14 ) Die ersten Anstöße zur Analyse der Auswirkungen der Auto­

mation für die abhängig Beschäftigten gingen von den Ge­werkschaften aus. Vgl. die von der IG Metall in den Jahren 1963, 1965 und 1968 veranstalteten Tagungen und die hierzu vorliegenden Bände: FRIEDRICHS (Hrsg.), (1963), (1965), (1971) Von diesen Diakussionen war auch das Projekt "A 33 11 des RXW inspiriert worden, für dessen Forschungsvorhaben der DGB den Antrag gestellt hatte und aus dem schließlich 8 Studien mit wirtschaftswissenschaftlicher, industrie­soziologischer und arbeitwissenschaftlicher Schwerpunkt­set·zung hervorgegangen sind, darunter auch KERN/SCHUMANN (1970) Vgl. den kurzen Überblick hierzu bei KRAIS (1979), S. 8 ff

3) Eine umfassende Darstellung des Ansatzes bei HEGELHEIMER (1974)

4) Vgl. z. B. MERTENS/KAISER (1978)

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mehr prozeßunspezifischen Qualifikationen fest 1 ), so bleibt ziemlich diffus und unklar, was mit prozeßunspezifischen Qua­lifikationen eigentlich gemeint ist. 2 ) Andererseits wird sug­geriert, daß es sich um ein neues Anforderungsprofil an Qualifi­kationen handelt, wobei unberücksichtigt bleibt, daß die der­zeitig beobachteten sozialen und technischen Qualifikationen immer schon "'funktional' für die 'höheren Berufe' waren". 3 )

Eher strategisch orientiert, und daher für HdA-Qualifizierung bedeutsam, sind jene industriesoziologischen Ansätze, die sich aus dem Verhaftetsein an der Objektseite von Qualifi­kationsanforderungen lösen und mehr die subjektive Seite von Qualifikation in den Vordergrund stellen, wie z. B. FRICKE/FRICKE mit dem strategischen Konzept der "innovato­rischen Qualifikationen" 4>, oder FREI mit einem mehr ar­beitspsychologisch fundierten persönlichkeitstheoretischen Konzept. 5) Sind diese Ansätze mit der Angabe von objekti­ven Zielkriterien für die Bewertung und Durchführung von Qualifizierungsprozessen relevant, so laufen sie aber auch Gefahr, mangels detaillierter Operationalisierung, arbeits­rechtliche Realisierungsmöglichkeiten zu verfehlen, wie sie auf der anderen Seite die normativen Kriterien zwar gesell­schaftlich allgemein, aber nicht in der Bedeutung für die be­troffenen Individuen analysieren.

Berufssoziologische Ansätze erschöpfen sich nicht im Aufweis bestehender und sich verändernder Qualifikationen, sondern untersuchen die gesellschaftliche Bedeutung von Qualifikation für die Qualifikationsinhaber als Berufsträger. Sieht man Berufsqualifikation im Kontext der Verteilung sozialer Le­benschancen 6>, so muß bei Qualifizierungsmaßnahmen immer

1) Der Begriff der "extrafunktionalen Fertigkeiten" geht auf DARRENDORF (1956) zurück, erscheint auch bei OFFE (1970) in der Form von "regulativen Normen" und "extrafunktiona­len Orientierungen" und bei KERN/SCHUMANN (1970) als 11 prozeßunabhängige Qualifikationen"

2) Fassen KERN/SCHUMANN darunter etwa technische Intelligenz, technische Sensibilität, Verantwortung, etc. so bleiben die Begriffe ziemlich abstrakt, sind kaum operationali­sierbar, geschweige denn in Bildungsempfehlungen einzu­bringen.

34~l DAHEIM (1977), S. 17 Vgl. FRICKE (1975) und FRICKE, u.a. (1979) Vgl. FREI (1979) siehe S. 8 dieser Arbeit

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auch der Frage nachgegangen werden, welche Möglichkeiten der Veränderung der Verteilung sozialer Lebenschancen im Er­halt bestehender und zu erweiternder, sowie in der Entsteh­ung neuer Berufe liegen; ob neue Berufe auch neue Chancen eröffnen 1 >, und somit in bildungspolitische_Uberlegungen Eingang finden müssen, oder ob die Stufenausbildung und die Teilefacharbeiterausbildung (Werkstatthelfer, Teilezurichter) eher negative Effekte hervorbringt. 2 ) Geht es damit um den Aufweis einer Schlüsselstellung von Beruf im Arbeitsprozeß (Facharbeiterausbildung als allgemeine Zielgröße für un-und angelernte Arbeitskräfte), der ein Arbeitsvermögen ver­hältnismäßig hoher Dauerhaftigkeit und Allgemeinheit be­zeichnet 3>, so ist diesem Zusammenhang auch in bildungs­politischer Hinsicht Rechnung zu tragen.

Bei allen abgeleiteten Forderungen und Empfehlungen gewinnt die Frage, in welcher Form die abstrakten, globalen Aussagen und Ziele in stoffliche, technische, organisatorische und ar­beitsrechtliche Maßnahmen übersetzt werden können, zunehmen-

6) Vgl. etwa.die Konzepte von: DAHEIM (1967), BECK/BRATER (1977), (1978), ·BECK, u.a. (1976), LUTZ (1969), (1974)

·z. T. auch BRAVERMAN (1977) 1) Vgl. die Diskussion bei DREXEL/NUBER (1979 a, b) und

ASENDORf-KRINGS (1979 a, b) zu den existierenden neuen Facharbei ter-Ausbildungso.rdnungen des· 11 Chemiefacharbei ters", des "Hüttenfacharbeiters", des "Papiermachers" und des Kunststoffschlossers", die vereinzelt in Bereichen bis­heriger ausschließlicher Angelerntenqualifizierung zur An­wendung kommen; in der Diskussion stehen momentan die neuen Facharbeiterqualifikationen des "Hafenfacharbeiters", des Gießereifacharbeiters", des "Nahrungsmittelmech­anikers", des "Bergmechanikers", u.a. (auch im Bereich des Maschinenbaus) ·

2) Vgl. die Arbeit von ASENDORF-KRINGS (1979 b), wo nachge­wiesen wird, daß Rationalisierungen im Instandhaltungsbe­reich (Großbetriebe mit Prozeßsteuerung) "nicht zu schärf­erer Differenzierung der Arbeitskräfte und zu Dequalifizier­und des größeren Teils von ihnen geführt hat, sondern eher zu einer Vereinheitlichung auf dem Facharbeiterniv­eau." ASENDORF-KRINGS (1979 b), S. 95 Zum Stellenwert der Stufenausbildung vgl. z.B. BRAUN (1979) Zur Rolle der Fremdfirmenarbeitskräfte, die bei Ratio­nalisierungen im Instandhaltungsbereich Differenzierungen der Arbeitskräfte z. T. kompensieren: MENDIUS, u.a. (1976)

3) Vgl. LUTZ (1974)

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des Gewicht. 1 ) Der Operationalisierung von Zielen und For­derungen muß der methodische Imperativ der wechselseitigen Vermittlung der beiden Seiten der Qualifikationsproblematik vorausgehen: Denn wie es einerseit~ nicht um die von gesell­schaftlichen Bedingungen weitgehend abgehobene Forderung nach 11 arbeitnehmergerechter" Qualifizierung, also der Ver­absolutierung der Subjekt-Seite des Zusammenhangs, gehen kann, so darf aber andererseits die als Folge der "realis­tischen Wende" 2 ) als technokratisch bezeichnete Ausrichtung von Qualifikation, also die Objekt-Seite nicht verabso­lutiert werden. Die Zugrundelegung dieses methodischen Ver­gehens verspricht die Abkehr von jenem von an~elsächsischer Seite monierten 11German-Ableitungs-Marxism" 31, der WAGNER zufolge

"alle Bestimmungen der Arbeit schon aus ihrem kapitalis­tischen Charakter, ohne Analyse der stofflichen Seite, erkannt haben will. 11 4)

Stattdessen sollten widersprüchliche Entwicklungen der Quali­fikationsentwicklung aufgespürt und Bedingungen und Faktoren angegeben werden, die auch gesellschaftsverändernde und qualifikationserweiternde und -erhöhende Wirkungen bein­halten. 5)

Die industrie- und berufssoziologischen Ansätze gehen von unterschiedlichen Qualifikationsbestimmungen aus. Nicht immer sind miteinander verwobene Theorieansätze klar getrennt und in ihren strategischen Vorschlägen und Forderungen sind sie nicht selten von den praktischen Realisierungsmöglichkeiten

1) Vgl. die gewerkschaftlichen Ansprüche dazu bei BELFERT (1980), s. 237

2) "Realistische Wende" meint die Abkehr von den sog. 11 demokratietheoretischen Bildungskonzeptionen"{ wie sie Mitte der 60er Jahre etwa von DARRENDORF (1965;, PICHT und EDDING vertreten wurden

3) WAGNER (1979), S. 254, vgl. auch BRAVERMAN (1977) in der Einleitung

45) WAGNER (1979), S. 254 ) Entscheidende Anstöße in Richtung der kritischen Aufar­

beitung der zwei Seiten der Qualifikationsproblematik zu einer Theorie, die Gesellschaft als Ganzes vor Augen hat und auch den lange Zeit naiv verwendeten Begriff des "technischen Fortschritts" wieder in den theoretisch begründeten gesellschaftlichen Raum zurückholte{ gingen vom ISF München aus. Vgl. ALTMANN/BECHTLE (1971;, ALT­MANN, u.a. (1978), MENDIUS, u.a. (1976), ASENDORF-KRINGS/ DREXEL/NUBER ( 1976)

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abgehoben. Obwohl HACKER 1 ) und VOLPERT 2 ) aus arbeits­psychologischer Sicht versucht haben, Qualifikationsan­forderungen und die ihnen zugrunde liegenden psychischen Strukturen und Prozesse vor allem kognitiver Art kategorial näher zu bestimmen und systematisch einzugrenzen, und auch bei MICKLER 3) erste Versuche dazu vorliegen, ist es bisher nicht gelungen, einen konsensfähigen Qualifikationsbegriff zu entwickeln, der die bisherigen Schwächen ungenügender theoretischer und normativer Fundierung, synthetischer Integration und konkreter Oparationalisierung überwunden hat. Noch fehlt ein interdisziplinär ausgerichteter Ansatz, der handlungstheoretische, kognitionspsychologische, basis­demokratische und betriebe-, arbeite- und industriesoziolo­gische Ansätze adäquat miteinander zu verbinden weiß. 4) Der Mangel eines normativen Kriteriums von "arbeitnehmer­gerecht" ist der eigentliche Grund dieses Umstands.

Auf Seiten der Betriebe und des staatlichen Humanisierungs­programms kommt dem Begriff "arbeitnehmergerecht" lediglich ein belastungs- und beanspruchungsmindernder Charakter im Zu­sammenhang mit Arbeitsstrukturierungsmaßnahmen zu 5). Die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen erscheinen als bloße flankierende Maßnahme im Sinne einer instrumentellen Funk­tionalisierung. 6 ) Die Begriffsbildung verschiedener theo­retischer· Qualifikationskonzeptionen reproduziert- bis auf wenige Ausnahmen 7)_ diese instrumentelle Handhabung. LEMPERT zufolge sind solche Begriffsbildungen "auf ihrem Boden (dem Boden der instrumentellen Handhabung~ R.V.) gewachsen und bleiben ihrer Herkunft verhaftet." 8 Sie haben damit die fortg~schrittene reale Trennung zwischen Denken und Tun

"bisher eher reproduziert als analysiert, kritisiert und mit fruchtbaren Alternativen konfrontiert." 9)

1l Vgl. HACKER (1976){ (1978) 2 Vgl. VOLPERT (1974) 3 Vgl. MICKLER, u,a. (1975) und MICKLER, u.a. (1977) 4 Ein erster vager Versuch der Verknüpfung verschiedener An­

sätze findet sich bei LEMPERT (1979 a) u. Ders., u.a. (1979) 5) VgL das HdA-Programm der Bundesregierung, wo von Qualifi­

zierung als dezidiertem Ziel nicht die Rede ist 67) nach WSI (1980), S. 159 ·

) z.B. außer LEMPERT,FEUERSTEIN (1978), LEU (1978), DEDERING (1976), FAULSTICH (1978)

98) LEMPERT (1979 a), S. 98 ) Ders., S. _98

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Eine dem Menschen gerecht werdende Qualifizierung, die vom Wesen des Menschen als einem aktiven, die Umwelt sich an­eignenden und verändernden, ständig lernbereiten und lern­fähigen Potential ausgeht 1 ), kann nicht mit der Beschrän­kung von Höherqualifizierungsmaßnahmen auf fachliche, eher tätigkeitsbezogene, betriebsspezifisch verwertbare Inhalte kompatibel sein. Ist Arbeit "das wichtigste Mittel der Form­ung der Persönlichkeit" 2), und gebt man mit TOMASZEWSKI von einer allgemeinen Konzeption des Menschen als eines "relativ autonomen Subjekts" 3) aus, "fähig zur Regulie­rung der eigenen Beziehungen mit der Umwelt und zur Selbst­regulation" 4), muß der normative Anspruch von Industrie­arbeit der eines Lernprozesses sein. Zumindest die einmal erworbenen Qualifikationen sollen erhalten werden, und die Erweiterung vorhandener und die Schaffung neuer Qualifi­kationen gewährleistet sein. 5) Die inhaltlieben Kriterien einer "persönlicbkeitsförderlicben" Arbeitsinhaltsgestal­tung beziehen sieb auf die Anreicberung der Arbeit mit in­tellektuellen Anteilen, die gerade im Zusammenhang taylor­istiscber Rationalisierung bewußt aus der Arbeitstätigkeit entfernt worden sind. 6 ) Dahinter erscheint die Grundidee einer allgemeinen Konzeption des Menschen, "die mehr der Problematik unserer Zeit entspricht, nämlich

"die Konzeption des Menschen, der aktiv am praktischen und kulturellen Leben teilnimmt, der bewußt entsprechende Aufgaben in Angriff nimmt und sie zusammen mit anderen eigenständig und schöpferisch realisiert." 7)

Unter "arbeitnebmergerecbter Qualifizierung" sollen hier nicht nur Inhalte, sondern auch Metboden und Verfahrens­weisen von Qualifizierung verstanden werden, die der be­sonderen Beschaffenheit der Adressaten als abhängig Beschäf­tigte angemessen sind. Dies schließt tarifliche Fragen

1) Vgl. das Menschenbild der kulturhistorischen, sowjetischen Schule, z.B. bei LEONTJEW (1979)t der französischen SEVE-Scbule, z.B. bei SEVE (1977J und der HOLZKAMP­-Schule

Ders., S. 20 2~g~ RUBINSTEIN (1973)t S. 704 TOMASZEWSKI (1978J, S. 16

Vgl. FRICKE (1975) S. 35 Vgl, ULICH (1978 b~, S. 185 TOMASZEWSKI (1978), S. 16

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und Durchsetzungsbedingungen, sowie die aktive Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer an der Formulierung und Durch­führung von Humanisierungsprojekten ein. Sozialpolitischen Stellenwert genießt die Analyse der Möglichkeit einer tarif­vertraglichen Absicherung des Rechts auf Höherqualifizierung. Die Veränderung des Bildungssystems in Richtung auf er­fahrungsbezogenes, gesellschaftskritisches Wissen ist die allgemeine Aufforderung, auf die eine "arbeitnehmergerechte QuaÜfizierung" Bezug-zu nehmen hätte.

Angesichts der hohen Abstraktheit und mangelnden Oparation­alisierung der bisherigen Konzepte zur "arbeitnehmergerech­ten" Qualifizierung, stellt sich die Frage, ob die konkreten normativen Kriterien sich auf dem derzeitigen Stand sozial­wissenschaftlicher Theoriebildung überhaupt gewinnen lassen, oder ob diese im Rahmen von Humanisierungsprojekten zusam­men mit den betroffenen Arbeitnehmern nicht erst zu entwik­keln wären.

Die vorliegende Arbeit ist der Versuch, den noch vagen Be­griff einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung vor dem Hintergrund ·einer kaum mehr überschaubaren und uneinheit­lichen Fülle von Schrifttum zur HdA und Qualifikations­problematik mit ~ Inhalt zu füllen, der ihm in HdA- Pro­jekten praktisch zukommt, s9wie unter Berücksichtigung all­gemeiner und spezifischer Restriktionen, die der·privat­kapitalistischen Produktionsweise geschuldet sind, jene Be­stimmungsmomente einer 11 persönlichkeitsförderlichen" Arbeits­tätigkeit auszuweisen, die perspektivisch auch durchsetzbar sein könnten.

Obwohl das Programm zur HdA nur rund 1,7 Prozent des Haus­haits des BMFT ausmacht 1 ), hat es eine immense gesellschaft­liche Bedeutung erlangt, indem es Verbesserungen innerhalb des für die Existenz der Arbeitnehmer wesentlichen Lebensbe­reichs verspricht. Der dabei vergleichsweise hoch angesetzte Stellenwert sozialwissenschaftlicher Begleitforschung, die vor den Grenzen des Betriebes nicht halt macht, sondern HdA

1) Vgl. NASCHOLD (1980), S. 4

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in den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang von Produktion und Reproduktion eingebettet sieht, läßt Ergebnisse und Schlußfolgerungen erhoffen, die nicht nur für den Bereich der HdA, sondern für das inner- wie außerbetriebliche Bildungs­wesen insgesamt von relevanter Bedeutung sind. Insofern kann am Beispiel der HdA und seiner Umsetzung, sowie insbesondere den damit verbundenen Veränderungs- und Innovationsprozessen, eine Problematik aufgezeigt werden, die mehr als andere Fra­gen die Gemüter der Menschen bewegt; die Frage nämlich nach der Legitimation des herrschenden Prinzips der Trennung zwischen Denken und Tun.

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Der Aufbau der Arbeit unter strukturellen, methodischen und untersuchungspraktischen Gesichtspunkten geht aus von der Be­gründung und Hinführung zur Problemstellung, gewissermaßen der Vorsatzbildung, wie es in der Einleitung .intendiert ist.

Die Analyse herkömmlicher Probleme beruflicher Qualifizierung im 1. Kapitel dient dem Orientieren über die Aufgabe, dem ersten Aufdecken und Aufgreifen des Problems "berufliche Qualifizierung". Als zentrales Ergebnis wird herausgearbeitet, inwiefern die alten Probleme beruflicher Qualifizierung bei der HdA-Qualifizierung wieder erscheinen.

Zur schärferen Fassung des Problems "berufliche Qualifizierung" werden im 2. Kapitel all jene sozialwissenschaftliehen Theorie­ansätze aktualisiert, die den Zusammenhang von Arbeit und Lernen bzw. Beruf und Qualifikation mehr oder weniger scharf thematisiert haben. Durch kritisches, rückkoppelndes Ver­gleichen von bisherigen Forschungsstrategien und Ergebnissen mit der in der Einleitung gefaßten Vorsatzbildung schält sich als unabdingbare Voraussetzung für die Lösung des Problems "berufliche Qualifizierung" die Klärung und Abgrenzung eines Qualifikationsbegriffs aus theoretisch fundierter Sicht her­aus. Dabei gilt es das bis zur kritischen MARI-Rezeption in der Industriesoziologie überwiegende induktive Verfahren, das in spezifischer Weise ei.ne "theorie" -lose Begriffs­bildung z~r Folge hatte 1 ), zu überwinden, zugunsten eines sozialwissenschaftlich begründeten Verfahrens, das bei der "Analyse der Bäume nicht daran hindert, den Wald zu erken-nen. 11 2 ) .

Hierzu ist es erforderlich im 3. Kapitel den verwertungs­und_ herrschaftsbedingten Zusammenhang von Qualifizierung und Gesellschaftsstruktur zu erhellen. Erst auf diesem theore­tischem Fundament kann ein sozialwissenschaftlich begründeter Qualifikationsbegriff aufgebaut werden, der in sinnvollem Zusamm~nhang mit den im 2. Kapitel angeführten sozialwissen­schaftliehen Theorieansätzen steht. Der Grundtenor dieses

1) LUTZ/SCHMIDT (1977), S. 219 2) CACCIARI (1973), S. 15

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Kapitels besteht in dem Aufweis, daß die herrschende Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung Qualifizierung ver­hindert, und daß deshalb Höherqualifizierung von den Ar­beitenden selbst durchgesetzt und erkämpft werden muß.

Diesem Zusammenhang wird im 4. Kapitel, dem Versuch der Ent­wicklung eines sozialwissenschaftlich begründeten Qualifi­kationsbegriffs als Förderung der Subjektivität der Arbeit­nehmer, zentraler Stellenwert beigemessen. Unter diesem Ziel lassen sich Anforderungen an einen Qualifikationsbe­griff formulieren, die mit dem Begriff einer "arbeitnehmer­gerechten" Qualifizierung kompatibel sind, und die erzeugt werden müssen, sollen die Arbeitnehmer die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen selbst in die Hand nehmen können.

Mit dem so allgemein ausgearbeiteten ~ualifikationsbegriff, der in seiner Zielsetzung einer sozialwissenschaftliehen Strategie der Erzeugung von Subjektivität gleichkommt, kann im 5. Kapitel die Legitimationsfrage, die sieb die "Humanisierer" bei Qualifizierungsmaßnahmen im HdA-Bereicb stellen, besser beantwortet werden. Fällt diese Bewertung letztlieb negativ aus, so ist es gleichwohl möglich, über den Aufweis spezifischer Konflikte und Durcbsetzungsscbwierig­keiten von Höherqualifizierung zusammen mit dem normativen Qualifikationsbegriff Aussagen und realistische Forderungen binsiebtlieb einer fortschrittlieben politischen Bildungs­strategie zu entwickeln.

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1. PROBLEME BERUFLICHER QUALIFIZIERUNG IN IHREM VERHÄLT­NIS ZUR QUALIFIZIERUNG IM HdA-BEREICH

1.1 Berufliche Qualifizierung i~ Kontext des Bildungssystems

Mit dem Scheitern der Strukturreform des gesamten Bildungs­wesens Mitte der 70er Jahre sind verstärkte Diskussionen über die berufliche Bildung und Weiterbildung in Gang gekom­men. Trotz gravierender Mängel des westdeutschen Bildungs­systems, die über Reformversprechungen der Bundesregierung teilweise kompensiert werden sollten, hat sich bisher an der Funktion des Bildungssystems als eines Instruments der poli­tischen Herrschaftsabsicherung 1 >, sowie der bloßen Reaktion auf ökonomische Funktionsanforderungen 2) wenig geändert. Die wieder zunehmende Unterrepräsentation von Arbeiterkin­dern an Gymnasien und Hochschulen 3) ist Symptom dafür,

"daß der Wandel eines bürgerlich-elitären Bildungssystems in ein im Ansatz demokratisch-offenes Bildungssystem bis­her nicht erreicht wurde." 4)

Die Berufsausbildung im dualen System - Schwergewicht der beruflichen Bildung für die überwiegende Mehrheit der Jugend­liehen, die nach Beendigung der Vollzeitschulpflicht die Schule verläßt - ist LEMPERT zufolge

"vielfach von vornherein b,ochspezialisiert, unsystematisch, pragmatisch (unzureichend theoretisch fundiert) und teil­weise überhaupt nicht als Ausbildung, sondern eher als Aus­beutung zu bezeichnen." 5)

Evidente Fehlleistungen der beruflichen Bildung führen dazu, daß der größte Teil der im Handwerk Ausgebildeten auf indus-· trielle Angelerntentätigkeiten verwiesen ist, die unterhalb .des Lohnniveaus industriell ausgebildeter Facharbeiter lie­

gen~

Selbst das zu Beginn der 70er Jahre eingeführte Berufsgrund­bildungsjahr, d~s mehr allgemeine und fachtheoretische Lern­inhalte in einem Berufsfeld vermitteln sollte, hat die in

~1~ Vgl. hierzu z. B. OFFE (1975 a) Vgl'. etwa LENHARDT (1974) laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit und Sozialordnung, in: Die "Neue" vom 10.1.1980

45) GÖRS (1378), S. 7 ) LEMPERT (1975), S. 51

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ihm geweckten Erwartungen nicht erfüllt: "Der gewerkschaftliche Anspruch ist auch nach acht Jahren nicht eingelöst worden •••• Mit dem Einsetzen von Lehr­stellenmangel und Jugendarbeitslosigkeit degenerierte es gar zum Wartesaal für 'unversorgte' Lehrstellensuchende." 1)

Die Bilanz verstärkter Konzentration auf die Weiterbildung als Lückenbüßer für die Mängel und Defizite schulischer und beruflicher Bildung, wie sie in jüngster Zeit von sozial­demokratischer Seite aus gefordert wird 2), sieht ebenfalls negativ aus. Die mit dem Arbeitsplatzförderungsgesetz von 1969 eröffneten Möglichkeiten, und die Förderungspolitik der Bundesanstalt für Arbeit haben die im Strukturplan des Deutschen Bildungsrates aufgestellte Anforderung an die Erwachsenenbildung, der

"Ermöglichung der Kompensation vorausgegangener Bildungsbe­nachteiligungen und damit einer nachträglichen Annäßerung an das Postulat der Chancengleichheit" 3)

nicht erfüllt. Vergleicht man die aufgrund des Arbeitsplatz­förderungsgesetzes geförderte Teilnehmerstruktur an beruf­lichen Bildungsmaßnahmen, so waren 1971

"von der Gesamtzahl der geförderten Teilnehmer an beruf­lieben Bildungsmaßnahmen ••• 53,1% Facharbeiter, aber nur 4,3% Ungelernte und Angelernte." 4)

Betrachtet man weiterhin, daß der Bereich der Weiterbildung quantitativ lediglich ca. 3% der gesamten Qualifikations­leistungen des Bildungssystems abdeckt 5), und daß seine Hauptfunktion in der Vermittlung schwerpunktmäßig fachbe­zogener, spezieller Wissens- und Könnenselemente besteht, so wird vollends deutlich, daß die im Weiterbildungsbereich gehegten Hoffnungen der tlberwindung negativer Lernerfahrungen und fehlender Bildungsmotivation bei den an- und ungelernten Arbeitskräften viel zu hoch und ohne Berücksichtigung pro­blemspezifischer Adressatengerechtigkeit angesetzt worden sind. Wenn daher DEGEN den Weiterbildungsbereich zusammen-

21) IMSF (1979), S. 24 ) So führte Kanzler Schmidt 1976 in seiner Regierungser­

klärung aus: "Die Weiterbildung wird in Zukunft zum Aus-gleich von Mängeln der Erstausbildung, zur Minderung von Risiken im Arbeitsleben und sozialer Probleme, sowie als wichtige Voraussetzung für wirtschaftliebes Wachstum zu­nehmend an Bedeutung gewinnen und deshalb mehr und mehr in das Zentrum bildungspolitischer Anstrengungen rücken." zit. nach GROSSMANN, u.a. (1979), S. 148

3~ ADLER (1978), S. 2 4 ADLER (1978), S. 3 5 Vgl. GROSSMANN, u.a. (1979)

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fassend als mangelhaft finanziell, personell und sachlich ausgestattet, ökonomisch funktionalisiert und zugeschnitten, ungleiche Bildungschancen widerspiegelnd und von der Mitbe­stimmung weitgehend ausgenommen charakterisiert 1), so sind es weniger die diesen Vorwürfen implizierten Soll-Anforder­ungen, die die gegenwärtige Weiterbildungspraxis defizitär erscheinen lassen. Vielmehr ist der Umstand von Interesse, daß die Defizite der Weiterbildung, die finanzielle und da­mit personelle und sachliche Unterversorgung, ihre ökonomisch gezüchtete Kurzschlüssigkeit, ihre Funktion als Mechanismus der ungleichen Verteilung von Chancen und ihr privater Charak­ter gerade die viel beschworene "Autonomie des Bildungssys­tems" verneinen lassen, aus der die Bildungsreformer die Re­formhoffnungen schöpften. Völlig zu Recht beißt es daher im Entwurf des Grundsatzprogramms des DGB von 1979:

"Das derzeitige Bildungssystem ••• ist noch immer ein Mit­tel zur Verteilung ungleicher Lebenschancen, zur Vertei­digUng von Privilegien und zur Erhaltung bestehender gesell­schaftlicher Verhältnisse." 2) ·

1.2 Berufliebe Qualifizierung und ihre Probleme

Die Berufsausbildung in Betrieben und Verwaltungen ist für fast 80% d~r Bevölkerung perspektivisch die Hauptform der be­ruflichen. Qualifizierung. 3). Aufgrund ihrer nahezu vollstän­digen Anbindung an die Interessen der Unternehmer, die mit Hilfe des Kammernsystems die Berufsausbildung ohne jegliche Kontrolle in eigener Regie betreiben, ist sie bisher am wenigsten zum Gegenstand staatlicher Reformversuche geworden und stellt traditionell das Stiefkind bundesdeutscher Bil­d~spolitik dar. Da fast zwei Drittel aller gewerblichen Lehrlinge im Handwerk und lediglich ein Drittel in der In­dustrie ausgebildet werden - von denen wiederum nur ein Bruchteil in Großbetrieben -, ist die Qualität der beruf­lichen Qualifizierung ziemlich differenziert und uneinheit-

1~ Nach DEGEN (1976), S. 442 f. 2 DGB (1980), S. 68 3 Vgl. BARTELS (1976), S. 7

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lieh. Die große Zersplitterung der Lehrberufe (zur Zeit etwa 490), ~~d die zum Teil aus den 40er und 50er Jahren beibe­haltenen Ausbildungsordnungen, prägen den Stellenwert des be­ruflichen Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland, das "i::n Vergleich zu anderen kapitalistischen Industrie­staaten" von "besonderer Rückständigkeit" 1 ) ist. Das mit dem Anspruch auf Vereinheitlichung der Berufsausbildung an­getretene Berufsbildungsgesetz, das 1969 auf Vorlage der Gro­ßen Koalition vom Bundestag gegen den Widerstand der Gewerk­schaften verabschiedet worden ist, hat an den alten Macht­strukturen nichts verändert. Auch das 1970 gegründete unab­hängige Bundesinstitut für Berufsbildung, gegen das erst jüngst die Forderung der CSU/CDU nach Auflösung laut gewor­den ist, weil es u. a. nachgewiesen hatte, daß rund 70 000 Jugendliche mehr ohne Ausbildungsplätze geblieben sind, als die offiziellen Angaben des Berufsbildungsberichts der Bun­desregierung ausweisen 2), bat lediglich beratende Funktion. Darüber binaus macht der mehrmalige Erlaß der Berufsbildungs­abgabe für die Unternehmer durch die Bundesregierung den rea­len Machtanspruch der Unternehmer deutlich, gegenüber dem von der Bundesregierung erhobene Forderungen wie "Tropfen auf dem heißen Stein" erscheinen. 3) Da demnach von staatlicher Seite keine innovatorischen Auf­lagen zur Berufsausbildung durchgesetzt werden konnten, und es auch den Gewerkschaften nicht gelungen ist, den "sozialen und demokratischen Rechtsstaat ••• zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung" 4) zu verpflichten, scheint sich einmal mehr die Gültigkeit des DAHRENDORF'schen Eingeständnisses:

"Es ist nun das Kennzeichen kapitalistischer Gesellschaften, daß in ihnen die wirtschaftlichen Institutionen den Ton an­geben," 5)

zu bewahrheiten. Die Bildungsfrage scheint auf diese Weise vorab auf gesellschaftlicher Ebene beantwortet und insofern auch "gelöst". Sofern sieb Bildungsreformhoffnungen allein

2 Vgl. GEW (1980~, S. 4 und-PÄD. EXTRA (1980), S. 11 3 Vgl. z. B. OFFE (1975 a)

1l BARTELS (1976) S. 7

4 DGB (1980), S. 71 5 DARRENDORF (1961), S. 274

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mit dem sozialen und rechtlichen -~spruch auf gleiche Ver­teilung von Lebenschancen verbinden, müssen sie zunächst als gescheitert betrachtet werden. Soll die DAHRENDORF'sche Feststellung mehr als nur normative, auch politisch-praktische Geltung haben, dann erscheint es legitim, nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten, Insti­tutionen usw. zu fragen, die eine Bildungsreformdiskussion notwendig hervorbringen, die ein Scheitern von Reform kon­trastieren und "Defizite" von Weiterbildung augenscheinlieb und riskant werden lassen.

Ein großes Problem beruflieber Qualifizierung stellt sich in­nerhalb des umstrittenen Zusammenhangs der Entwicklung der Produktivkräfte (Automation) und steigender Qualifikations­anforderungen. Verschiedentlich bat sich die Einsicht durch­gesetzt, daß die bisher unmittelbar aus den Arbeitstätigkeiten quasi. linear abgeleiteten Qualifikationsanforderungen mit den veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen nicht mehr auf­recht erhalte~ werden können. 1) Es wird zunehmend deutlich, daß rein fachliche Qualifikationen für die komplexer werden­den Tätigkeiten nicht mehr ausreichen. 2 ) Ob·die Forderungen einer "emanzipatorischen" Pädagogik damit auf eine unmittelbare materielle Basis verweisen können, läßt sich mit den bisher vo~liegenden empirischen Ergebnissen nicht bestätigen. Die Uberprüfung der These von der Höher­.qualifikation durch Automation sieht in der betrieblieben Wirklichkeit keineswegs einheitlich aus. 3) Betriebliche Interessen verhindern zudem die notwendige Durchsatzung einer allgemein-fachlichen Berufsausbildung, die nicht nur in verbesserter Fachqualifikation und größerer FleXibilität besteht, sondern auch die Ausbildung eines politischen Bewußtseins und die Befähigung zur Selbst- und Mitbestimmung, mitbin demokratische Mündigkeit, meint. Wenn daher von den Betrieben vermehrt soziale Qualifikationen ge­fordert werden, wie Innovationsfreudigkeit, Flexibilität,

12) Vgl. z. B. HEID (1977) und BÖHM (1974) ) Z. B. bei DARRENDORF (1956), AXMACHER (1975), (1974) und

OFFE (1970) 3) Vgl. z. B. MICKLER, u.a. (1976), KERN/SCHUMANN (1970)

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Kommunikationsbereitschaft, Entscheidungsfreudigkeit, Mit­sprachekompetenz, Weiterbildungsfähigkeit und Motivations­bereitschaft, so sind diese dem betrieblichen Verwertungs­und Herrschaftsinteresse untergeordnet und auf systemintegra­tive- und Rentabilitätserfordernisse ausgerichtet. Ein höhe­res Qualifikationsniveau verursacht nicht nur höhere Ausbil­dungs- und Lohnkosten, sondern wirft überdies die Gefahr auf,

"daß die Arbeiter nicht nur im Arbeitsprozeß selbst, son­dern auch im Hinblick auf dispositive Funktionen zu grö­ßerer Selbständigkeit gelangen." 1)

Auch die ganz im Sinne unternehmerisoher Integrationsbe­mühungen stehende Äußerung GIESECKE's unterstreicht den Zu­sammenhang von höherer Qualifikation und politischer Bewußt­werdung, was dem Herrschaftsanspruch des Kapitals gefährlich zu werden scheint:

"Aber nicht nur ein Kostendruck wird von den Massen höher qualifizierter Mitarbeiter ausgehen, sondern auch ein Mit­bestimmungsdruck, oder neutraler gesagt: die Forderung nach einer Revision des Kommunikationsstils. Höhere Bildung ••• hat die Menschen immer schon selbstbewußter und auch wider­spenstiger gemacht. Diejenigen, die in der Vergangenheit eine höhere Bildung der Mehrheit verhindert haben, haben dies auch immer gewußt." 2)

Weil die Erhöhung der beruflichen-fachlichen Qualifikation die unerläßliche Voraussetzung zu kompetenter Beteiligung an betrieblichen Demokratisierungsprozessen ist - worauf von sozialwissenschaftlicher Seite aus hingewiesen worden ist 3>-, wird der Spielraum unternehmerisoher Integrations­bestrebungen enger, wenn die These von der Höherqualifizier­ung durch Automation tatsächlich zutrifft. Die widersprüch­lichen Ergebnisse dieses Zusammenhangs rechtfertigen jedoch die Annahme sich widerstreitender gesellschaftlicher und einzelbetrieblicher Qualifikationsinteressen. Diese sind es, die zur objektiven Basis von normativen Bestimmungen fach­lich-allgemeiner Bildung genommen werden müssen. Die Bestim­mung einer normativen Orientierung der Berufsausbildung kann weder einseitig aus der Entwicklung des Produktivkraftniveaus,

1~ KERN/KERN (1975), S. 91 2 GIESECKE (1971), S. 680 3 Z. B. von LEMPERT (1974 a), S. 929 f.

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im Sinne der notwendigen Implikation von Höherqualifizierung durch fortschreitende Automation, 1 ) gewonnen werden, noch kann es in der Tradition der "Kritischen Theorie" darum gehen, unter Revision des MARX'schen Arbeitsbegriffs zugunsten des Begriffspaares "Arbeit" und "Interaktion" den Versuch zu be­gründen, die "Selbstverwirklichung" des Menschen außerhalb und unabhängig vom Bereich der gesellschaftlichen Produktion anzusiedeln. 2 ) Durch die abstrakte Abkehr von einer sich nur noch "technokratisch" verstehenden Erwachsenenbildung, die die Inhalte der Qualifizierung streng auf die Anforder­ungen des Produktionsprozesses bezogen hatte, zu den als "Demokratietheorien" bekanntgewordenen Bildungskonzeptionen, ist der Zusammenhang von Produktion und Qualifikation in Vergessenheit geraten und hat dazu geführt, daß die reale Entwicklung betrieblicher Qualifizierungsstrategien lange Zeit aus den tlberlegungen ausgeblendet wurde. Noch heute nähren sich vom Produktionsprozeß losgelöste, abstrakte "Selbstverwirklichungskonzepte" aus der lange vorherrschen­den ~trengen tlberbewertung der ökonomischen Eingebundenheit des Bildungserwerbs in die Reproduktionsbedingungen des Kapitals, wie z. B. die neueren, populärsten Vertreter die­ser Richtung ILLICH und FROMM. 3)

Ein normativer Begründungsversuch der Integration von allge­meiner-politischer und fachlicher Bildung darf aber unter Berücksichtigung herrschender ökonomischer Bestimmungen des Bildungserwerbs keine Gesetzmäßigkeit ableiten, die eine Er­weiterung der Bildung durch die Produzenten im Kapitalismus prinzipiell unmöglich macht.

Betrachtet man die betrieblichen Strategien des qualifikato­rischen Arbeitseinsatzes, müssen diese vor dem Hintergrund

12) Vgl. z. B. HAUG (1975) ) Eine solche Konzeption vertreten in der Folge von HABER­

MAS (1968/1969) mehr oder weniger z. B. DIECKMANN, u.a. (1973), SIEBERT (1972), GIESECKE (1968); zur Kritik die­ser Konzeptionen v~l. z. B. SCHOENHEIT (1978)( LEU (1978)

3) Vgl .• z. B. ILLICH ( 1975), (1978), FROMM (1979n auch den humanistischen Ansatz von MASLOW (1954)

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der widersprüchlichen Entwicklung der Erzeugung und Verwen­dung von Qualifikation gesehen werden. Ein Widerspruch be­steht ganz offensichtlich darin, daß für die 10 Berufe, die in den letzten Jahren überdurchschnittliche Steigerungsraten von Lehrabschlüssen aufweisen, keine realistische Arbeits­marktperspektive besteht. 1 ) Die überproportionale Ausbil­dungsleistung des Handwerks weist auf einen gravierenden Man­

gel an fachlich einschlägigen Ausbildungsmöglichkeiten hin, sowie auf der anderen Seite auf die zunehmende Bedeutung be­triebsspezifischer Qualifizierung, die mit großen Risiken für die betroffenen Arbeitskräfte verbunden ist. 2) In der arbeitsmarktpolitischen Diskussion ist der Gruppe der Ange­lernten bisher wenig Beachtung geschenkt worden, indem diese häufig nur zwischen Facharbeitern und ungelernten Arbeits­kräften unterscheidet. 3 ) Umgekehrt hat die Betriebssozio­logie in der Tradition der "Technik-Euphorie" der 50er Jahre gerade die Gruppe der Angelernten gegenüber den Ungelernten stark aufgewertet, indem diese "wegen ihrer Verbindung mit Maschinen als Maschinenarbeiter und somit als 'angelernt' eingestuft" 4) wurden. In den industriesoziologischen Unter­suchungen der 50er und 60er Jahre noch einen wichtigen Gegen­standabereich einnehmend 5), verlor die Analyse der Formen "qualifizierter Angelerntentätigkeiten", ihrer Entstehung und Ausbreitung, in der Folge deutlieb an Interesse, weil sich gezeigt hatte,

"daß die traditionellen Prinzipien tayloristischer Arbeits­organisation nach wie vor vorherrschen und die Automati­sierung langsamer fortschritt als prognostiziert." 6)

1) "so stieg der Anteil der kurzausgebildeten Verkäuferin von 1976-1979 um 71%, der Tischler um 67%, Maler und Lackierer um 58,9% oder der Bäcker um 58,9%. 11

Berufsbildungsbericht 1979 des Bundesinstituts für Bil­dungsforschung, zit. in: PÄD EXTRA (1980), S. 11

2) Zu den Risiken betriebsspezifischer Qualifizierung vgl. z. B. DREXEL/NUBER (1979 a, b), BOSCH (1978), ALTMANN/ BÖHLE (1976), DREXEL/NUBER/BEHR (1976)

3~~ Vgl. auch BOSCH (1978), S. 1 BRAVERMAN (1977), S. 325 etwa bei LUTZ/WILLENER (1962), ZIMMERMANN (1960), POPITZ, u.a. (1957), z. T. auch KERN/SCHUMANN (1970)

6) ALTMANN/BÖHLE (1976), S. 159, Fußnote 1

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Die Aussparung der Untersuchung der Durchsatzungsbedingungen "qualifizierter Angelerntentätigkeit", die inzwischen die Hauptform der beruflichen Qualifizierung der in der Industrie Beschäftigten ausmacht 1), hat dazu geführt, die besonderen Risiken dieser Qualifizierungsform, sowie ihre potentiellen Möglichkeiten, für lange Zeit zu unterschätzen.

"Die Folge dieser Vernachlässigung sowohl in der Forschung wie in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung war nicht nur, daß hierüber wenig detaillierte Kenntnisse vor­liegen, sondern bedeutet zugleich, daß hier für die Betriebe ein Bereich der Arbeitsorganisation, der Nutzung und des Einsatzes von Arbeitskraft entstand, der weitgehend von kollektiver Interessenwahrnehmung und öffentlicher Einfluß­nahme abgeschirmt war. Die Tatsache, daß es sich hier um Tätigkeitsstrukturen handelte, die sich zum einen in ge­wisser Weise vom Bereich einfacher, hochrestriktiver Tätig­keiten abhoben -, andererseits aber nicht durch formali­sierte Bildungsprozesse abgedeckt waren, räumte den Betrie- · ben in besonderem Maße die Möglichkeit autonomer, auf die jeweiligen betrieblichen Interessenlagen und Bedingungen abgestellter Gestaltung des Arbeitskräfteeinsatzes, der Selektion und Anpassung der Arbeitskräfte für solche Tätig-keiten ein. 11 2) .

BRAVERMAN z. Jl, stellt der "technologischen Aufwertung" der angelernten Arbeitskräfte eine Klassifikation gegenüber, die die meisten Angelerntentätigkeiten als kurzfristig angelernt, genau überwacht, parzialisiert und repetitiv charakterisiert. Indem .er die Frage stellt: "ist· das nicht eine Definition der ungelernt~n Arbeit?" 3) unterstreicht er· die Forderung nach qualifizierter Arbeit. Damit geht es BRAVERMAN und anderen

.Autoren 4) mit MARX darum, die vorgefundene Gesellschaft so zu beschreiben, daß keine andere Lösung als der totale Um­schlag mehr möglich erscheint. 5) Die Gefahr dieses Vorgehans liegt darin, daß man sich weiterhin keine Gedanken mehr da­rüber.macht, wie dieser Umschlag realistischerweise aussehen soll, an welchen realen Erscheinungen er anzusetzen hätte. Bereits ENGELS hat vereinfachenden und verflachenden Inter­pretationen der MARX'schen Methode entgegengehalten:

1) Vgl. z. B. BOSCH ( 1978), S. 1 : "Einzelne Studien weisen aus, daß fast die Hälfte der Arbeite~ in Angelerntentätigkeiten beschäftigt ist, also ein höherer Prozentsatz als in Fach­arbeiter- oder Hilfsarbeitertätigkeiten."

2~~ ALTMANN/BÖHLE (1976), S. 160, Fußnote 1 Vgl. BRAVERMAN (1977), S. 327 f. Gemeint sind die in der Tradition der Bildungsökonomie stehenden Konzeptionen, wie z. B. ALTVATER/HUISKEN (1971)

5) Nach BAHRO (1977), S. 234

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"Daß von den Jüngeren zuweilen mehr Gewicht aui' die öko­nomische Seite gelegt wird, als ihr zukommt, haben Marx und ich teilweise selbst verschulden müssen. Wir hatten, den Gegnern gegenüber, das von diesen geleugnete Haupt­prinzip zu betonen, und da war nicht immer Zeit, Ort und Gelegenheit, die übrigen an der Wechselwirkung beteiligten Momente zu ihrem Recht kommen zu lassen. Aber sowie es zur Darstellung eines historischen Abschnitts, also zur prak­tischen Anwendung kam, änderte sich die Sache, und da war kein Irrtum möglich." 1)

Unter der Berücksichtigung aller an der Wechselwirkung be­teiligter Momente der Erzeugung und Verwendung der Qualifi­kation, ist es gerade die Analyse der Merkmale und Formen der Anlernqualifikaticn, der dahinter stehenden Interessen sowie der sich daraus ergebenden Risiken für die betroffenen Arbeitnehmer, die als Ansatzpunkt für die Entwicklung von qualifikatorischen Anspruchsdimensionen infrage kommt.

Nach ALTMANN/BÖHLE soll unter "betriebsspezifischer Qualifi­zierung" derjenige Qualifizierungsprozeß verstanden werden,

"der nur innerbetrieblich erfolgt, unter überwiegendem Be­zug auf die Erfordernisse des unmittelbaren Arbeitsprozes­ses und zumeist sukzessiv im unmittelbaren Arbeitszusammen­hang." 2)

· Die Adressatengruppe der Anlernqualifizierung ist der größte Teil der im Handwerk "irgendwie vorqualifizierten" Jugend­lichen, die von Industriebetrieben, meist Branchen mit Pro­zeßfertigung, angeworben und auf immer anspruchsvollere Ar­beitsplätze angelernt werden. 3) Durch den rapiden Abbau betrieblicher Ausbildungsstellen in der Berufsbildung haben sich die Ausbildungs- und Berufschancen insbesondere für Haupt- und Realschulabsolventen seit Beginn der 70er Jahre einschneidend verringert. 4) Das beweist die Abnahme der Zahl der Facharbeiterqualifizierungen und die Zunahme der Lehrausbildungsverhältnisse im Handwerk. Die Gruppe der hand­werklich ausgebildeten Jugendlichen ist daher zusammen mit denjenigen, die, - meist um der Arbeitslosigkeit zu entgehen­verschiedene "berufsvorbereitende Maßnahmen" der Bundesan­stalt für Arbeit sowie die verschiedenen "Sonderformen" des

2 ALTlf~/BÖHLE (1976), S. 156 1l ENGELS (1975), S. 458

3 Vgl. insbes. DREXEL/NUBER (1979 a, b) 4 Nach BRAUN (1979), S. 287

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Berufsgrundbildungs- oder Berufsgrundschuljahres absolvieren, 1 ) bevorzugtes Rekrutierungsobjekt betriebsspezifischer Qualifi­zierung. Die Angelerntenqualifikationen werden weder fachspezifisch zertifiziert, noch liegen sie auf dem Lohnniveau einer Fach­arbeiterqualifikation, obwohl sie meist annähernd die Qualifi­kation eines Facharbeiters beinhalten. 2) Garantiert die Facharbeiterqualifizierung noch eine gewisse Breite der fach­lichen Qualifikation, wodurch die Entstehung von Grundlagen­wissen und -können zur Problemorientierung sowie Transfer­leistungen zum selbständigen Lernen begünstigt werden, so ist die Angelerntenqualifikation, selbst die qualifizierte An­lernung, durch starke Arbeitsplatz- bzw. Produktionsprozeß -(teil)bezogenheit und völlige Betriebsspezifik der vermit­telten Qualifikationen bestimmt. Die Qualifizierung bleibt auf unmittelbar im Arbeitsvollzug verwertbare Fähigkeiten und Fertigkeiten beschränkt. Im Gegensatz zur Facharbeiter­ausbildung fehlt der Angelerntenqualifikation jegliche ge­sellschaftliche Standardisierung und öffentliche Normierung der vermittelten Qualifikationen. Da keine Prüfung vorge­sehen ist, fehlt ein anerkannter Qualifikationsnachweis.

Die betriebliche Strategie der el~stischen Verwendung des Ar­beitskräftepotentials unterläuft folglich die herkömmliche Facharbeiterausbildung zum Zweck der Personalkostensenkung und widerspricht damit eindeutig bildungs- und gesellschafts­politischen Zielsetzungen. 3) Neben verminderten Ausbildungs- und Lohnkosten für die ange­lernten Arbeitskräfte erweist sich deren Verwendung für die Betri~be auch dadurch als vorteilhaft, daß die Jugendlichen bereits 18 sind und nicht mehr den Bestimmungen des Jugend­schutzes unterliegen. Darüber hinaus sind die sogenannten "extrafunktionalen" Fähigkeiten wie Verantwortungsbewußtsein, Sorgfalt, Pünktlichkeit, Beständigkeit, Belastungsfähigkeit, Ordnung und Sauberkeit bereits vor dem Eintritt in den Indus­triebetrieb erzeugt worden.

1~ Nach BRAUN (1979), S. 287 2 Vgl. DREXEL/NUBER (1979 a, b) 3 Vgl. Dies.

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Die Risiken und Gefahren betriebsspezifischer Anlernqualifi­zierung liegen auf der Hand: Die sehr schmale Qualifikations­basis, die durch Anschauung und Nachahmung im Rahmen des "learning on the job" angeeignet wird, sowie die sich heraus­bildende hierarchische Struktur innerhalb des angelernten betrieblichen Arbeitskörpers hat zur Folge, daß bei zwischen­betrieblichem Arbeitsplatzwechsel, Betriebsstillegungen und Massenentlassungen angelernte Arbeitskräfte mehr als andere Arbeits,ruppen von Dequalifizierung und Entlassung bedroht sind. 1 Im Falle der Arbeitslosigkeit haben angelernte Ar­beiter "nur geringe Chancen, sich gegen ihre Vermittlung auf Hilfsarbeitertätigkeiten zu wehren" 2 ), da sie nach den Vor­schriften des Arbeitsförderungsgesetzes und anderer Gesetze einen sehr geringen rechtlichen Schutz genießen. 3) Weil An­gelernte durchschnittlich schlechtere Arbeitsbedingungen haben als Facharbeiter, bedeutet dies

"einen tendenziell höheren psycho-physischen Verschleiß und damit Reduktion genau derjenigen Momente ihrer Arbeits­kraft, auf die sie im Falle einer Entwertung ihrer Qualifi­kation angewiesen wären." 4)

Gemessen am Anspruch einer "arbeitnehmergerechten" Qualifi­zierung sieht die Bilanz betriebsspezifischer Qualifizierung für die betroffenen Arbeitnehmer negativ aus: Reine Anler­nung ist in ihrer praktischen Form nicht geeignet, eine der technologischen Entwicklung entsprechende und darüber hinaus­gehende und umfassende Weiterentwicklung der Qualifikation sicherzustellen, die auch soziale, planende, dispositive, innovative und kreative Momente mit einschließt. Die Alter­native zur Anlernqualifizierung kann ntir die Facharbeiter­ausbildung sein, die auch Momente beinhaltet, die das Er­kennen, die Artikulierung, die Durchsetzung und die Wahrung individueller und kollektiver Interessen im Betrieb erlau­ben. 5) Inwieweit sich das Ziel einer "ganzheitlichen",

1) WELTZ hat das Problem der starken Spezialisierung von An­gelernten bildlich einmal so beschrieben: "Ein Arbeits­platzwechsel würde bedeuten, daß einer sich mühsam b.is 35 vorgewürfelt hat und woanders bei 1 wieder anfangen müßte." WELTZ (1976)

23) BOSCH (1978), S. 5 ) Vgl. BOSCH ( 1978), S. 5: "Beispielsweise können sie .einen

Teil staatlicher Weiterbildungsangebote nicht wahrnehmen, da diese zumeist auf bestimmte Vorkenntnisse aufbauen."

4) DREXEL/NUBER/BEHR (1976)~ S. 332, 333 5) Nach ALTMANN/BÖHLE (1976;, S. 190

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allgemeine und fachliche Komponenten gleichermaßen berück­sichtigenden Berufsausbildung auch für Angelernte verwirk­lichen lassen wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie es gelingt die unter dem Ziel der Integration von Allgemein­und Berufsbildung stehenden Anspruchsdimensionen auf den realen gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß von Bildung und Ausbildung zu beziehen.

Weder die isolierte Betrachtung des Ansatzes einer materialis­tisch orientierten Bildungsökonomie - die den Reproduktions­und Erziehungsprozeß als vom Produktionsprozeß determiniert betrachtet -, noch die abstrakte Orientierung an dem MARX'­schen Bildungsverständnis, wonach Bildung und Erziehung im Kapitalismus "Umwälzungsferment 11 werden könnte 1'), kann als legitimes theoretisches Bestimmungsmoment der Integration von Allgemein- und Berufsbildung verstanden werden. Obwohl ALTVAr,ER dafür zu danken ist, den idealistischen unter ein­seitig philosophisch-anthropologischen Gesichtspunkten stehen­den Bildungskqnzeptionen die "realistische Wende" in der Erwachsenenbildung gegenübergestellt zu haben, die den Wider­spruch zwischen Bildung (zur Begründung der Autonomie des Individuums) und Ausbildung (zur Begründung der Heteronomie des Individuums) zugunsten der Ausbildung gelöst zu haben glaubt 2) 1 ·hat er es nicht v.ermocht, der MARX'schen Dialektik von Bildung und Gesellschaft gerecht zu werden. Wie es einer­.seits wichtig war, darauf hinzuweisen, daß "nach materialis­tischer Geschiehtsauffassung das in letzter Instanz bestim­mende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduk­tion des wirklichen Lebens" 3) ist, so unsinnig und wirk­lichkeitsfremd ist es ande~erseits, die Aussage dahin zu verdrehen~ "das ökonomische Moment sei das einzig bestim­mende." 4 ENGELS hat denen, die das ökonomische als bestim­mendes Moment überbewerten, einen Mangel an dialektischer Sichtweise vorgeworfen:

"Was den Herren allen fehlt, ist Dialektik. Sie sehn stets nur hier Ursache, dort Wirkung. Daß dies eine hohle Ab­straktion ist, daß in der wirklichen Welt solche meta-

1l Vgl. MARKERT (1972), S. 165 f. 2 ALTVATER (1971), S. 77 ff. 3 ENGELS (1975), S. 456 4 Ders., S. 456

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physischen polaren Gegensätze nur in Krisen existieren, daß der ganze große Verlauf aber in der Form der Wechselwir­kung - wenn auch sehr ungleicher Kräfte, wovon die öko­nomische Bewegung weitaus die stärkste, ursprünglichste, entscbeidenste - vor sich gebt, daß hier nichts absolut und alles relativ ist, das sehn sie nun einmal nicht, für sie bat Hegel nicht existiert." 1)

Was die Ökonomie anbetrifft, so ist sie zwar die Basis, "aber die verschiedenen Momente des Überbaus - politische Formen des Klassenkampfes und seine Resultate - Verfas­sungen, nach gewonnener Schlacht durch die siegende Klas­se festgestellt usw. - Recbtsformen, und nun gar die Re­flexe aller dieser wirklieben Kämpfe im Gehirn der Be­teiligten, politische, juristische, philosophische Theo­rien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, !üben auch ihre Einwirkung auf den Ver­lauf der gescbicbtlicben Kämpfe aus und bestimmen in vie­len Fällen vorwiegend deren Form. E"s ist eine Wechselwir­kung aller dieser Momente, worin schließlieb durch alle die unendliche Menge von Zufälligkeiten ••• als Notwendi­ges die ökonomische Bewegung sich durchsetzt." 2)

Dem MARX'scben Anspr~cb einer dialektischen Betrachtung sieb wechselseitig aufeinander beziehender Momente.baben in der Folge der als "reali~tischen Wende" der Erwachsenenbildung verstandenen funktio~alen Ökonomistischen Ausriebtungen von Qualifikationsinbalt~n, verschiedene Autoren Rechnung zu tra­gen versucht. 3 )Wie skbr sieb diese auch um eine Wiederbele~ung einer Bildungskonze~J;\~ion als "Umwälzungsferment" bemühten, ist es ihnen nicht elungen, ihr "überhöhtes" Konzept mit der realen gesellsc aftlicben Entwicklung von Bildung und Gesellschaft zu ve~itteln. Weist z. B. AXMACHER auf den hoben Allgemeinheit gradvon Bildung bin, "wobei berufliche, allgemeine und poli iscbe Bildungsprozesse immer mehr inein­ander übergeben" 4 >), so bleibt er doch den Nachweis dieser aufgezeigten Entwidklung in der Realität schuldig. ALTMANN/ BÖHLE haben zu Recht darauf hingewiesen, daß es für die Durchsetzung normativer Ansprüche an berufliche Qualifizie­rung nicht um die abstrakte Forderung nach der Selbstver­wirklichung des Menschen gehen kann, sondern um die konkrete Analyse der Effekte betrieblieber Veränderungsprozesse.

1~ ENGELS (1973), S. 494 2 ENGELS (1975), S. 456, 457 3 Wie z. B. GAMM (1972), HEYDORN (1970),

MARKERT (1970)~ VOGEL (1970), KAHSNITZ HEINISCH (1972 , u.a.

4) AXMACHER (1974 , S. 208

KONEFFKE (1969), (1972), CHRI$TIAN/

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Qualifikatorische Implikate können ihnen zufolge nicht ein­fach festgelegt werden, sondern müssen die "gesamte Lebens­situation des Arbeitenden unter den gegebenen sozialen und ökonomischen Bedingungen" 1) berücksichtigen sowie in prak­tischer Hinsicht zuerst auf die "Absicherung der Arbeitenden unter diesen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt" 2 ) bezogen sein.

Es verwundert nicht, daß auch Autoren des ISF München darauf aufmerksam gemacht haben 3 ),

11 daß die in der Bildungs- und Industriesoziologie weit ver­breitete totale Gleichsetzung von Angelernten mit unqualifi­zierten Arbeitskräften auf einer groben Verkennung der rea-len Situation beruht. " 4) .

Die "Verkennung der realen Situation" hat dazu geführt, daß die normative Bestimmung von Qualifizierungsprozessen weit­gehend ökonomistisch und in deren abstrakten Negation eher "idealistisch", unter allgemein humanistischer Zielperspektive

· vorgenommen wurde, was die Vermittlung bei-der Positionen unter dem Anspruch einer realistischen und an den Interessen der Arbeitenden ausgerichteten Bildungskonzeption lange Zeit verhindert hat. So _war das viele Gerede von dem im Prozeß der technischen und organisatorischen Rationalisierung zunehmenden Gewicht der nicht-technischen, extrafunktionalen Qualifikationen 5) ,

wie z. B. ·verinnerlichte Disziplin, Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft, eher dazu angetan, die unrealistische Hoff­nung auf eine Bildungseuphorie zu schüren, als unter Zugrunde­legung der wirklichen widersprüchlichen Erscheinungen betrieb­licher Qualifizierung zu normativen Aussagen und Strategien zu gel:aiigen. Definiert DAHRENDORF extrafunktionale Fertig­keiten im Gegensatz zu funktionalen, die für die "erfolg­reiche Ausführung von Arbeitsprozessen unbedingt erforder­lich" 6 ) sind, als, die Produktion "besser, reibungsloser

1 ALTMANN/BÖHLE (1976), S, 189 2 Dies., S. 189 3 Z. B. bereits LUTZ (1969) und DREXEL/NUBER/BEHR (1976) 4 DREXEL/NUBER (1979 b) S. 5 5 Vgl, DAHRENDORF (1956~, OFFE (1970), BAETHGE, u.a. (1975),

unter Einschränkungen auch ALTVATEli/HUISKEN (1971) 6) DAHRENDORF (1956), S. 554

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und sicherer" 1 ) vonstatten gehen lassende Fertigkeiten, so sind damit nicht etwa subjektive Verhaltensdispositionen der Arbeitenden im Sinne OFFE's 2 ) gemeint, sondern eher die Fähigkeit und Bereitschaft der Arbeitenden zur bewußtlosen Unterwerfung unter die betriebliche Eerrschaftsorganisation. DARRENDORF rekurriert auf die Unterscheidung MAYO's 3 ) zwischen "sozialen't und "technischen" Fertigkeiten und stellt damit für die Definition der extrafunktionalen Fertigkeiten gerade jenen herrschaftssoziologischen Bezug her, den die HUMAN-RELATIONS-SCHULE 4) und andere in dieser Tradition stehende Betriebs-Psychologien zu ihrem Gegenstand haben, nämlich nicht den Arbeitsprozeß und die daraus erwachsenden Probleme, sondern das subjektive Verhalten der Arbeitskräfte bezüglich ihrer Probleme zum Arbeitsgeschehen. Solange "extra­funktionale Qualifikationen" als "Zeugen" steigender und sich verändernder Qualifikationsanforderungen ausgewiesen werden und dabei unberücksichtigt bleibt, daß diese für höher qualifizierte Arbeitskräfte schon.immer bedeutsam ge­wesen sind - auch für weniger qualifizierte Arbeitskräfte als "Allerweltsqualifikationen", was meist vergessen wird: "die Sozialstrukturelle Entwicklung, die den technisch-funk­tionalen Qualifikationen ihre Bedeutung genommen hat, hat auch die extrafunktionalen entbehrlich gemacht" 5)- können sie für die Ableitung normativer Kriterien beruflicher Quali­fizierung kaum etwas beitragen.

Der Vorwurf der "Verkennung der realen Situation" trifft ins­besondere ökonomistisch verengte Ansätze, die den Tayloris­mus als "adäquate Formbestimmung des kapitalistischen Ar­beitsprozesses" 6 ) definieren. Diese These zur Analysegrund-

12) DARRENDORF (1956), S. 554 ) Vgl. OFFE (1970), S. 37 f.: "Was ihm (dem Arbeiter, R.V.)

aber durchaus offensteht, ist die Möglichkeit der 'Unter­lassungshandlungen'. Er kann die Vorschriften, die seine Arbeitsrolle ausmachen, zwar nicht in individueller Wei­se erfüllen oder übererfüllen, variieren und individuell abwandeln, aber er kann durchaus die Erfüllung einzelner oder aller dieser Normen unterlassen oder verweigern. So hat er auch unter dem striktesten technischen Reglement der Arbeitsverrichtungen und der Kooperationsbeziehungen immer die Möglichkeit, Fehler zu begehen, Ausschuß zu produzieren, unsorgfältig zu arbeiten, dysfunktionale Konflikte im Kooperationsgefüge herbeizuführen oder auf jede sonst erdenkliche Art zu 'versagen'."

435 ~ Nach DARRENDORF (1956), S. 554, MAYO (1952) Vgl. z. B. ROETHLISBERGER/DICKSON (1966), BARITZ (1960) LENHARDT ( 1980) , S. 84

6) So z. B. MENDNER (1975) u.a.

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lage gemacht, können veränderte Formen des Arbeitseinsatzes, wie z. B. aufgrund der Defizienzen der herkömmlichen Anlern­qualifikation, nicht mehr industriesoziologisch interpretiert werden, sondern allein politisch als 11Abwehrstrategien des Kapitals" gegen den "Widerstand der Arbeiter gegen ihre Ar­beitsbedingungen." 1 ) Die verengte Ökonomistische Sichtwei­se führt zu der Aussage, daß die Taylorisierung des Arbeits­prozesses die zentrale Form der Rationalisierung sei, und daß daher nicht-tayloristische Arbeitsformen, wie z. B. sehr hoch qualifizierte Angelerntentätigkeiten, in Widerspruch zum Prinzip der· "reellen Subsumtion" stehen und alsbald der Taylorisierung in der Form der Zerstückelung und Parzeliier­ung anheimfallen. MENDNER historisiert strukturelle Aussagen der MARX'schen Theorie und löst die methodische "Differenz zwischen begrifflicher und historischer Darstellung der Ent­wicklung der kapitalistischen Produktionsweise" 2 ) auf. Es entgeht ibm die Einsicht, daß das tayloristische Prinzip zwar "eine Form der Gestaltung de·s Produktionsprozesses und der Ärbeitsorganisation" 3) darstellt, die aber

"durch andere konkrete Formen abgelöst werden kann, die ihrerseits·veränderten Markt- und Produktionsbedingungen E;!ntsprechen." 4)

Auf der Grundlage des theoretischen Verständnisses alter­nativer "~ayloristiscber Pri.nzipien" erbalten die Ergebnisse einer Untersuchung des ISF München praktische Problemlösungs-potenz 5) :. ·

"Ergebnis der Untersuchung ist, daß die Rationalisierung der Instandhaltungsarbeit in den untersuchten Betrieben nicht zu schärferer Differenzierung der Arbeitskräfte und zu Dequalifizierung des größeren Teils von ihnen geführt hat, sondern eher zu einer Vereinheitlichung auf dem Fach­arbeiterniveau. Facharbeiter sind weiterhin die dominante Arbeitskräftegruppe, der Anteil der Angelernten an der .Instandhaltungsbelegschaft hat eher abgenommen." 6)

1~ MENDNER (1975), S. 169, kritisiert bei STUCK (1978), s. 209 2 STUCK (1978), S. 205 3 STUCK (1978), S. 209 4 Ders., S. 209 5 Zu der vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft

finanzierten Untersuchung liegen zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen folgende Veröffentlichungen vor: ASENDORF-KRINGS (1979 a, b), DREXEL/NUBER (1979 a, b), DREXEL (1980 a), im Druck: DREXEL (1980 b)

6) ASENDORF-KRINGS (1979 b), S. 95

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Die Ergebnisse können zunächst nur für den Instandhaltungs­bereich in Großbetrieben der Prozeßfertigung, also in mehr oder weniger kontinuierlich ablaufenden Prozessen der Stoff­umwandlung und -verformung, Gültigkeit beanspruchen. Die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung,

"die den Betrieben die Auslagerung vorgE;!bbarer, standardi­sierbarer Tätigkeiten aus dem Betrieb bzw. die Ausführung solcher Tätigkeiten durch Arbeitskräfte von Fremdfirmen erlaubt," 1)

könnte dabei rückläufige Prozesse implizieren. Unter Berück­sichtigung ähnlicher Ergebnisse für die Instandhaltung in der Automobilindustrie durch MICKLER ~) scheint jedoch eine Verallgemeinerung der Aussagen für den Instandhaltungsbereich in Großbetrieben möglich zu sein. Das für die wissenschaft­liche und politische Diskussion entscheidende Fazit der Münchner Untersuchung ist es deshalb,

"daß Rationalsierung.nicht mit Taylorisierung gleichzu­setzen ist, d. b. mit der Zerschlagung von Facharbeit und der Dequalifizierung der Masse der Arbeitskräfte. Ratio­nalisierung kann auch über die Erhaltung bzw. Schaffung relativ ganzheitlicher Tätigkeiten erfolgen, kann auch Höherqualifizierung nicht nur des betrieblichen Gesamt­arbeiters, sondern auch der einzelnen Arbeitskraft bedeu­ten." 3)

Dieses Ergebnis wird dadurch bestärkt, daß in den untersuch­ten Betrieben die Gefahren der Stufenausbildung als "Ergeb­nis politischer Auseinandersetzungen" 4) weitgehend ausge­schaltet werden konnten. Indem das Berufsbildungsgesetz von 1969 die rechtliche Handhabe für die Einrichtung der Stufenausbildung bietet 5>, sind in den letzten Jahren eine Reibe von Ausbildungsordnungen verabschiedet worden, die eine Stufenausbildung vorsehen. 6) In den untersuchten Betrieben

1 2 3 4 5 6

ASENDORF-KRINGS (1979 b)t S. 101 Vgl. MICKLER, u,a, (1977J ASENDORF-KRINGS (1979 b), s. 106 Dies., s. 30 Vgl. Berufsbildungsgesetz § 26 Vgl. BARTELS (1976), S. 56: Ausbildungsordnungen in Form der Stufenausbildung sind bisher für die Berufe "Ver­käufer/Einzelhandelskaufmann, für den Bereich der Textil­und Bekleidungsindustrie und für die industriellen Elektroberufe verabschiedet worden. In der Planung befin­den sich Ausbildungsordnungen für die Schlosserischen Be­rufe und für Druckerberufe."

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der Hütten- und der chemischen Industrie gab es aber nur vereinzelt Jugendliche, die ihre Ausbildung mit der ersten Stufe in der Stufenausbildung abgeschlossen haben. 1 ) Auf­grund der gewerkschaftlichen Forderungen nach gleicher lohn­und statusbezogener Einstufung von 2-jährig und 3- bzw. 3i­jährig Ausgebildeten sowie der prinzipiellen Offenhaltung der Möglichkeit des Obergangs in die 2. Stufe der Ausbildung2 >, was sieb in den untersuchten Betrieben weitgebend durchsetzen konnte, bat sieb "eine Wende in der Definition des Qualifi­kationsbedarfs der Betriebe" 3) vollzogen:

"Von Seiten der Instandhaltungsbetriebe wurde kein Bedarf an zweijährig Ausgebildeten mehr formuliert." 4)

Auch Teilezurichter wurden in den untersuchten Betrieben zum Teil schon immer, zum Teil seit einigen Jahren nicht mehr ausgebildet, weil der spezifische Bedarf der Instand­haltungsbereiche nach einer im Gegensatz zur Qualifikation des Teilezurichters S) stehenden 11breit~n Schlosserischen Qualifikation" 6) besteht. Nicht nur für 4en Bereich der Instandhaltung, sondern auch in einigen Bereichen der unmittelbaren Produktion gibt es empirische Hinweise,

"daß auch hier andere Rationalisierungsstrategien als die tayloristischen angewandt und. Facharbeiter verstärkt oder überhaupt zum ersten Mal eingesetzt werden." 7)

11 Vgl. ASENDORF-KRINGS (1979 b), S. 30 .2~5 Vgl. Dies., S. 31, 32 und BARTELS (1976), S. 56 ff.

ASENDORF-KRINGS (1979 b), S. 32 Dies., S. 32 Nach Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes wurden nicht alle 2-jährigen Ausbildungsberufe (z.T. ehemalige Werker­berufe, die im Niveau eindeutig unterhalb der vollen Facharbeiterausbildung liegen) gestrichen. Besteben ge­blieben ist z.B. der Teilezurichter als 2-jäbriger aner­kannter Ausbildungsberüf. Die Qualifikation des Teilezu­richters liegt in der Breite wie in der theoretischen Fundierung unterhalb der vergleichbaren Facbarbeiteraus­bildung.- der Teilezurichter erhält eine eingeschränkte scblosseriscbe Qualifikation. nach ASENDORF-KRINGS (1979 ·b) s. 28 und 33

67) ASENDORF-KRINGS (1979 b), S. 33 ) Dies. , S. 1 08

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DBEXEL und NUBER haben in der Studie "~ualifizierung für In­dustriearbeit im Umbruch" 1) festgestellt, daß in Großbetrie­ben der Eisen- und Stahlindustrie, sowie der chemischen und Papierindustrie Anzeichen dafür existieren, daß die herkömm­lichen Anlernformen ansatzweise Defizienzen aufzuweisen be­gannen und für die Betriebe zunehmend inakzeptabel wurden. 2) Die zunehmende Verknappung der Arbeitskraft in den 60er Jah­ren, die steigende Rate der technologischen und arbeitsorga­nisatorischen Veränderungen, sowie die Senkung der relati­ven Personaldichte des gesamtbetrieblichen Produktionspro­zesses und die damit verbundene Intensivierung der produk­tiven Tätigkeit im engeren Sinn 3) haben den Autoren zufolge zur sukzessiven Erosion der Funktionsbedingungen der Anler­nung geführt. Vor allem die erheblichen Veränderungen der Qualifikationsanforderungen im Zuge der technologischen Ent­wicklung haben einen 11neuen 11 Qualifikationstyp erforderlich gemacht, der sich durch mehr "Breite, Generalität, theore­tische Fundierung und Transferierbarkeit" 4) auszeichnet. Auch bestimmte Verhaltensqualifikationen wie Verantwortungs­bewußtsein und Selbständigkeit, Orientierungsfähigkeit und Überblick, Einsicht in generelle und abstrakte Abläufe, psy­chisch-nervliche Belastbarkeit, usw. haben an Bedeutung ge­wonnen. 5) Vor diesem Hintergrund ist die Implementation neuer Fachar­beiterausbildungen zu sehen, die sich allerdings widersprüch­lich durchsetzt, sodaß die Ablösun~ der Anlernung durch Aus­bildung eher als "schleichender" 6J Prozeß zu begreifen ist, der retardierende, sogar gegenläufige Entwicklungen ein­schließt. 7) Die bereits 1949 und 1966 auf Initiative der Industrie geschaffenen neuen Facharbeiterausbildungsord­nungen des "Cbemiefacharbeiters" und des 11Hüttenfacbarbeiters" sind bisher nur in Ausnahmefällen zur Anwendung gekommen."

1 rBEXEL/NUBER (1979 b) 2 Dies., S. 6 3 Vgl. dies., S. 139 4 Dies., S. 145 5 Dies., S. 145 6 Dies., s. 147 7 Dies., S. 147: "Dies sich zu vergegenwärtigen ist wichtig,

um nicht die Eindeutigkeit dieses Prozesses ( ••• ) zu über­schätzen."

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Die Betriebe verfügen über eine Vielzahl von Maßnahmen, durch die die Funktionalität der Anlernung immer wieder verbessert wird und damit die Notwendigkeit, Ausbildun1 einzuführen immer wieder hinausgeschoben werden kann. 1 Die vielfälti­gen qualifikatorischen und einsatzpolitischen Maßnahmen sind aber ein deutliebes Anzeichen für das Defizitärwerden der Anlernung sowie gleichzeitig der deutliebe Ausdruck der "Selbsterbaltungs- und Selbsterneuerungskräfte des etablier­ten Qualifizierungssystems." 2) Die Schaffung neuer Fachar­beiterausbildungsberufe, wie sie gegenwärtig in der Form des "Papiermacbers", "Kunststoffscblossers", "Hafenfacharbeiters", "Gießereifacbarbeiters", "Nabrungsmittelmechanikers", "Berg­mechanikers" u.a. in der Diskussion steht, birgt für den be­trieblichen Gesamtarbeitskörper eine Reibe Gefahren in sieb •

. Durch die Implementation von Facharbeiterausbildung und -ein­satz werden die Interessen der angelernten Arbeitskräfte in "erheblichem Umfang" 3 ) verletzt. Positive Konsequenzen ent­stehen für den jugendlichen Arbeitskräftenachwuchs dieser Produktionsbereicbe, d.b. genauer: "für den Teil desselben, der nun nicht mehr den. Umweg über das Handwerk nehmen muß." 4 ) Solange das Berufsbildungsgesetz eine ganze Reibe von Quali­fizierungsmaßnahmen neben der F.acbarbei terausbildung zuläßt, worauf die.Betriebe ausweichen können, ist die Einführung

1) Bereits vor dem II. Weltkrieg erfolgte die Schaffung der Anlernberufe Cbemiebetriebsjungwerker, Hocböfner, Walz­werker und Siemens-Martin- bzw. Tbomas-Stablwerker. Vor Verabschiedung des Berülsbildes Hüttenfacharbeiter wurden bereits Jugendliche in betriebsinternen ausbildungsähn­lichen Qualifizierungsgängen "ausgebildet". Weit verbrei­tet war die Nutzung fachlieb verwandter Vorqualifikation von Arbeitskräften in anspruchsvollere Produktionstätig­keiten zur Verbesserung der Qualifizierungsvoraussetzungen der Anlernung (z.B. Schlosser in den Hüttenbetrieben, Cbemielaborjungwerker und Chemielaboranten in den Chemie­betrieben). Vereinzelt wurde die Anlernung durch geplanten, qualifikatoriscb sinnvollen und systematisch bezogenen Arbeitsplatzwechsel in bestimmten Produktionsbereichen systematisiert. Teilweise wurden lebrgangsartige, z.T. recht anspruchsvolle Weiterbildungsmaßnahmen für die qualifiziertesten angelernten Produktionsarbeiter instal­liert. Schließlieb wurden anspruchsvolle und formalisierte Fortbildungen für Meister und z.T. Vorarbeiter bzw. Schicht­führer eingeführt und sukzessive genutzt. Nach DREXEL/ NUBER (1979 b), S. 148-150

2~~ Dies., S. 150 Dies., S. 253 Dies., s. 254

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neuer Ausbildungsgänge keine prinzipielle Verbesserung der Ausbildungsbedingungen des betrieblichen Gesamtarbeitskör­pers. Die Möglichkeit der Betriebe, unterschiedlich qualifi­zierte Arbeitskräfte gegeneinander auszuspielen und damit Herrschaft aufrechtzuerhalten, könnte sich weiter zuspitzen. Erst unter der Voraussetzung der sukzessiven Verdrängung be­triebsspezifischer und/oder unter dem Facharbeiterniveau lie­gender Qualifizierungsgänge erhält die Facharbeiterqualifi­zierung als öffentlich geregelter und normierter Ausbildungs­beruf den bildungspolitischen Stellenwert allgemeiner und gleicher Qualifizierungsvoraussetzungen. Vor allem die Gewerkschaften müssen vor diesem Hintergrund auf die Förderung neuer Ausbildungsmöglichkeiten dringen und das Problem der Umwegqualifizierung und ihrer negativen sozialen Konsequenzen nachdrücklich "in die Hand nehmen". Das Defizitärwerden der Anlernung muß der Ausgangspunkt für eine Generalisierung qualifizierter Berufsausbildung sein, "wie sie derzeit nun einmal am ehesten mit der Facharbeiter­ausbildung gegeben ist." 1 ) Die Verallgemeinerung der Fach­arbeiterausbildung steht damit unter dem gesellschaftspoli­tischen Anspruch der Einräumung gleicher sozialer Lebens­chancen und hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das bis­herige, spezifische Klassenschranken und Aneignungsbedin­gungen reproduzierende System gesellschaftlicher Arbeits­teilung selbst zum Mittelpunkt kritischer Veränderungspraxis gemacht und schrittweise aufgehoben wird. Welche Bedeutung die qualifizierte Berufsausbildung gegenüber darunter liegenden Qualifizierungsgängen hat, erhellt sich nicht nur über den Vergleich zugehöriger technischer Qualifi­kationsinhalte, sondern muß vor allem auch "berufsbezogen" unter dem Gesichtspunkt persönlicher und sozialer Bedeutungs­und Sinngebungszusammenhänge untersucht werden. 2 )

21) DREXEL/NUBER/BEHR (1976), S. 342 ) Nach BECK, u.a. (1976), S. 14, 15 kann die Bedeutung des

Berufs nicht länger auf den unmittelbaren Produktionspro-zess bezogen bleiben, sondern muß ergänzt werden "durch eine Erweiterung der Perspektive um die Analyse des Um­felds und Kombinationsbezugs der Qualifikationsinhalte. Im Leben des einzelnen Berufstätigen werden diese Fähig­keitskombinationen bedeutsam als Zielpunkt seiner per­sönlichen Sozialbeziehungen, als Teil seiner sozialen Ver­hältnisse."

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Betrachtet man die Facharbeiterausbildung im Zusammenhang mit"~" nicht nur als "tätigkeitsgebundenes Merkmal" 1 ), sondern auch als Summe der jeder Person eigenen und inne­wohnenden Fertigkeiten, Fähigkeiten und Emotionen, kann "Be­ruf" nicht länger allein als objektiviertes Abbild betrieb­licher Qualifikationsanforderungen interpretiert werden. Der Industriefacharbeiter ist nicht nur "passives Abbild eines bestimmten Entwicklungsstandes der industriellen Produktions­weise." 2)

"Sein massenhaftes Vorhandensein als Arbeitskraft hat in großem Umfang auch die Entwicklung konkreter Produktions­prozesse - und über sie auch die Richtung von Produkten­entwicklung und Marktstrategie- nachhaltig beeinflußt." 3)

Unter diesem Blickwinkel ist der Beruf des Facharbeiters nicht bloß produktionsnotwendiges Erfordernis, sondern auch - und für den Facharbeiter primär entscheidend - die "Inkarnation" sozialer Attribute und "autonomer" Ansprüche, mithin für sein Selbstkonzept von fundamentaler Bedeutung. Die Fachar­beit~rausbildung als Zielperspektive für un- und angelernte Arbeitskräfte verspricht gerade ein relativ stabiles berufs­spezifisches Arbeitsvermögen mit Problemlösungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde und entwickelnde Ar­beitsprobleme und stellt damit die Voraussetzung für den Er­werb 11be~licher Autonomie" 4)· dar. Die Entwicklung beruf­licher Selbständigkeit könnte einen "Verberuflichungsproz­zeß" beschreiben, der DAHEIM zufolge als ein Bündel von Strategien aufzufassen wäre,

"die die Träger von Berufen anwenden, um bestimmte hochge­schätzte soziale Attribute gegenüber der Öffentlichkeit durchzusetzen, letztlich berufliche Autonomie in dem Sinn zu erreichen, daß man die Konditionen für den Verkauf der Arbeitskraft selbst bestimmen kann." 5)

Insofern unter "Verberuflichung" nicht nur die Erlangung der spezialisierten, standardisi~rten und objektivierten "Waren-

1l Vgl. LUTZ (1969), S. 227 2 LUTZ (1974), S. 33 3 Ders., s. 33 4 Zur "beruflichen Autonomie 11 vgl. etwa LEMPERT ( 197 4 b),

(1977 b) sowie FRICKE (1975) 5) DAHEIM (1977), S. 21

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form" des Arbeitsvermögens, sondern darüber hinaus ein all­gemeine und fachliche Qualifikationen erhöhender sowie soziale Attribute durchsetzender Prozeß verstanden wird, bezeichnet er die normative Bestimmung von Berufsqualifi­kation als auf die Selbst- und Mitbestimmung betrieblicher und außerbetrieblicher Bereiche bezogener Berufskompetenz.

Diese bedeutet nicht die "Routinisierung und allgemeine Rationalisierung der in­dividuellen Lernprozesse, ihre Verkürzung, Straffung und schließlich Orientierung an standardisierten Berufsscha­blonen" 1),

sondern orientiert sich an dem Moment der Vergesellschaftung der Arbei~, was die Erweiterung der Berufskompetenzen in Richtung übergreifender Kooperationsbezie~ungen notwendig macht. "Berufliche Autonomie" entsteht nicht automatisch, etwa durch in den Berufsstrukturen selbst bockende abstrakte Antriebe 2 ), sie kann auch über die Köpfe der Betroffenen hinweg nicht einfach "verordnet" werden. Wenn man sieb mit LUTZ darüber einig ist,

"daß Berufsqualifikation eben nicht nur das vom b~stehenden Ausbildungssystem formal Vermittelte .. und durch Prufungen. Nachgewiesene umfaßt, sondern eine Fülle von Elementen e~n­schließt, die unmittelbares Produkt von außerbetrieblieben und betrieblieben Sozialisierungsprozessen oder Vorausset­zungen von Anpassungsmechanismen in der Arbeitswelt selbst sind einschließlieb auf den ersten Blick durchaus 'nega­tive~' Fähigkeiten, wie etwa die Fähigkeit, Mon?tonie zu ertragen, sieb einem organisat?risch ode~ tecbn~scb deter­minierten Arbeitsablauf einzufügen, pbys~scb abstoßende oder sozial gering angesehene Arbeiten zu verrichten" 3)

müssen Berufsbildungs- und Verberuflicbungsprozesse tiefer greifen und soziale, herrschafts- und schichtenspezifische Momente gleichermaßen berücksichtigen. Angesichts der Be­dingungen erfahrungsbedingter Veränderungsangst, Lernbarrieren und Motivationsunlust müssen soziale, verhaltensspezifische, emotionale und motivationale Gesichtspunkte auf die sie be-

12 ) BECK/BRATER (1978 a), S. 58 ) BECK/BRATER zufolge verhindern Berufsstrukturen gerade

die Entwicklung beruflicher Autonomie, indem die gesell­schaftliche "Schneidung" der Arbeitsfähigkeiten gewisser­maßen in die Persönlichkeitsstruktur der Arbeitenden selbst "eingebaut" ist. Vgl. Abschnitt 2. 2. 2 dieser Ar­beit.

3) LUTZ (1969), S. 227

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dingenden Faktoren ursächlich bezogen und so gefördert und zur Entfaltung gebracht werden, daß sie ihrer normativen Be­stimmung nach "beruflicher Autonomie" Rechnung tragen. Die Entwicklung von Subjektivität vermittelt durch den beruflieben Charakter menschlieber Tätigkeit kann nur mit und vor allem durch die Arbeitenden selbst geschehen. Sie ist jedoch als eingebunden zu betrachten in den widersprüchlichen Zusammen­bang von objektiver Bestimmtheit durch den Produktionspro-zeß - berrscbafts- und hierarchiebezogenen Berufsscbneidungs­strukturen - und subjektiver Bestimmung der Arbeitenden nach "beruflicher Autonomie"

"Berufsqualifikation" muß unter dem doppelten Gesichtspunkt ihrer Verwertung und potentiellen Vergesellschaftung betracb-. tet werden. Die Frage nach der inneren Struktur der Berufs­qualifikation bezieht sieb damit unmittelbar auf die MARI' sehe Analyse des Doppelcharakters der Arbeit und findet ihre Entsprechung in dem ebenso widersprüchlichen Doppel­charakter der Bildung als fachliebe und allgemeine Qualifi­zierung.

In.der industriesoziologischen Qualifikationsforschung sind in neuerar Zeit auch die subjektiven betrieblichen und außer­betrieblieben Strategien der Arbeits- und Lebensbewältigung

. . 1) des Menscnen genauer untersucht worden. Lange ist ver-

nachlässigt worden, das dort "überreichlich" mobilisierte "qualifikatoriscbe" Potential mit den im betrieblieben All­tag abgeforderten Arbeitsleistungen in Verbindung zu bringen. Das vergleichsweise breitangelegte betriebliebe Neuerer- und Vorsc~lagswesen z.B. und die "unendlich" erfinderischen Strategien der Arbeitskräfte, die sie generieren, um inhumane und repetitive Industriearbeit überhaupt durchstehen zu kön­nen 2>, sowie die ständig steigenden Anforderungen im Re-

1) Vgl. z.B. VOLMERG (1978), LEITHÄUSER/HEINZ (1976), FEUER­STEIN, G. (1979), KAPLONEK/SCHROETER (1979)

2) Vgl. insbes. VOLMERG (1978)

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produktionsbereicb 1 ), weisen darauf bin, daß der alte Aus­spruch TAYLOR's, daß es ohne weiteres ersiehtlieb ist, "daß in den meisten Fällen ein besonderer Mann zur Ko~farbeit und ein ganz anderer zur Handarbeit nötig ist" 2 ), in dieser Form nicht mehr aufrecht zu halten ist. Es sind nicht so sehr die menschlieben Fähigkeits- und Fertig­keitsvoraussetzungen, mit denen die Trennung von Hand- und Kopfarbeit legitimiert werden kann; die Arbeitsteilung ist auch nicht so sehr das Resultat produktionsspezifischer und der Technik geschuldeter Sacbnotwendigkeiten ( sie beginnt es immer weniger zu werden ); es sind vielmehr die kapitalis­tischer Produktionsweise innewohnenden Mechanismen sozialer Ungleichheit, die berufliebe Autonomie verhindern und Fähig­keits- und Fertigkeitsstrukturen auf niederer Stufe fest­schreiben.

Zusammenfassung

Das berufliebe Aus- und Weiterbildungssystem konnte die struk­turell angelegten Mängel des Schulsystems nicht überwinden. Noch immer treten klassenspezifische Selektionsleistungen in Kraft und reproduzieren sieb über die verschiedenen Soziali­sationsinstanzen. Die vermittelten Qualifikationsinhalte be­

ziehen sieb zum größten Teil auf systemkonforme Anpassungs­leistungen und binsiebtlieb sieb verändernder betrieblieber Arbeitskräfteanforderungsstrukturen - also· lediglieb reaktiv.

Durch die technologische Entwicklung hauptsächlich bedingt konnten die bis dahin unmittelbar aus den Arbeitstätigkeiten quasi linear abgeleiteten Qualifikationsanforderungen ~it den veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der Durchsetzung der zunehmend wichtiger werdenden sozialen Qualifikationen wie Innovationsfreudig­keit, Flexibilität, Komm~ikationsbereitscbaft, Entscbeid~gs­freudigkeit, Mitsprachkompetenz, Weiterbildungsfähigkeit und Motivationsbereitschaft stehen aber ökonomische sowie system-

1) Vgl. insbes. FEUERSTEIN, G. (1979) 2) TAYLOR (1917), S. 40

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integrative und herrschaftssichernde Momente entgegen, was sich in dem Zusammenhang von Ausbildung und Verwendung von Qualifikation zusehens widersprüchlich niederschlägt.

Die industriesoziologische Qualifikationsdiskussion hat dem widersprüchlichen Charakter betrieblicher Strategien des qualifikatorischen Arbeitseinsatzes deshalb wenig Beachtung geschenkt, weil sie damit beschäftigt war, eine im MARX'schen Sinne materialistisch fundierte Theorie des Verhältnisses von "Produktion und Qualifikation" zu erarbeiten, die sich jedoch notwendig in der Erklärung und dem Aufweis traditio­neller Prinzipien tayloristischer Arbeitsorganisation er­schöpft hat. In Negation zu diesem ökonomistisch verengten Konzept sind auf der anderen Seite jene Ansätze entstanden, die in der tlberbewertung der Qualifikationsseite in dem Zu­sammenhang von "Produktion und Qualifikation", der Qualifi­kation der Arbeitnehmer die die Produktionsseite verändernde Potenz schlechthin zuschreiben.

In der bildungstheoretischen Diskussion um die Integration von Allgemein- und Berufsbildung stehen sich ebenfalls ein materialistisch orientierter Ansatz der Bildungsökonomie und philosophisch- anthropologisch "überhöhte" Bildungskon­zeptionen unvermittelt gegenüber.

Die weitverbreitete Gleichsetzung von angelernten mit. unge­lernten Arbeitskräften hat zur Verkennung der realen Situa­tion geführt und die Entwicklung von Anlernqualifikationen substituierenden Fachausbildungen verzögert.

Unter Nachweis des ambivalenten Charakters des betrieblichen Interessen an Anlernung und Ausbildung erhalten Forderungen nach einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung insofern Gewicht, als sie perspektivisch auch durchsetzbar sein könn­ten.

Theoretisch abgeleitet und empirisch nachgewiesen, daß es be­triebliche Einsatzbereiche gibt, in denen die Facharbeiter­qualifikation trotz Rationalisierung erhalten bleibt und wo

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Rationalisierungsmaßnahmen auf der Facharbeiterqualifikation aufbauen und sie nutzen, erhält die Facharbeiterqualifikation ~d damit die Berufsqualifikation ihre begründete bildungs­politische Relevanz.

Unter Beachtung des Doppelcharakters der Berufsqualifikation, sowie des widersprüchlichen Charakters der Bildung als fach­liche und allgemeine Qualifikation läßt sich der normative Anspruch von Beruf als "berufliche Autonomie" charakterisie­ren, der sieb nicht nur auf den unmittelbaren Bereich der Arbeit, sondern auf den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß des Menschen bezieht.

"Berufliche Autonomie", d.h. eine umfassende allgemein­fachliebe und politische Ausbildung muß mit und vor allem durch die Arbeitenden selbst sowie deren Interessenver­tretungsorgane durchgesetzt werden.

Inwieweit die HdA-Qualifizierung Momente der Förderung "be­ruflicher Autonomie" zu berücksichtigen vermag, und in wel­

. cbem Verhältnis sie zu bisherigen Qualifizierungsformen steht, wird im nächsten Abschnitt dargelegt.

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1.3 HdA-Qualifizierung und ihre Probleme

Im vorangegangenen Abschnitt wurde das Defizitärwerden der herkömmlichen Formen von Anlernung und deren Kompensation durch vielfältige qualifikatorische und einsatzpolitische be­triebliche Maßnahmen, als zentrales Ergebnis von Problemen beruflicher Qualifizierung herausgearbeitet. Es stellt eich nun die Frage, welche Rolle die HdA-Qualifizierung in diesem Kontext spielt. Ohne größere Analyse drängt sich der Ein­druck auf, daß auch HdA-Qualifizierungsmaßnahmen eine ganz bestimmte Form der Mängelkorrektur bisheriger Anlernqualifi­zierungen sind, die darüber binaus mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Da die Implementation bisheriger neuer Quali­fizierungsformen eher unbemerkt und "schleichend" vor sich gegangen ist 1 ), die HdA-Qualifizierung jedoch mit einem erheblichen finanziellen, personellen und öffentlichkeits­wirksamen Aufwand betrieben wird, drängt sich die Frage auf, ob HdA-Qualifizierung in ihren Bedingungen und Auswirkungen nicht ~ ist·, als eine bloße qualifikatoriscbe Kompensa­tionsmaßnabme.

1.3.1 Hintergründe des HdA-Programms, insbesondere sei­nes Teilaspekts der "Höbergualifizierung"

"Mit der Ausweitung der Arbeitsinhalte sollen ganzheitliche Arbeitsvollzüge entwickelt werden sowie Möglichkeiten einer mit der Arbeit verbundenen Höbergualifizierun~. Damit wird zugleich dafür Sorge getragen, daß die Bescbä tigten auch dispositive und kontrollierende Arbeitsaufgaben übernehmen können. Die Verbesserung der Arbeitsbeziehungen richtet sich auf die Herstellung von Kommunikations- und Koopera­tionsmöglichkeiten, die den sozialen BedÜrfnissen der Be­schäftigten entsprechen, sowie auf den Abbau von Fremd­kontrollen. Mit der Gestaltung der Arbeiteverfassung, d.b. mit der normativen Regelung von Rechten und Pflichten, soll siebergestellt werden, daß die Beschäftigten an der Festlegung ihrer Arbeitsaufgaben und ihrer Arbeitsbezie­hungen beteiligt werden." 2) (Unterstreichung von R.V.)

Diese vom BMFT 1976 im Rahmen des Forschungsprogramms zur "HdA" herausgegebene schwerpunktmäßige Zielstellung der För­deraktivitäten unterstreicht -ganz im Sinne der Reformbe-

1) Vgl. S. 35 f. dieser Arbeit 2) BMFT (1976), S. 47

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mühungen der sozial-liberalen Koalition - zum einen ein ge­wachsenes betriebliches Interesse nach höher qualifizierten Arbeitskräften, zum anderen dem sich durchsetzenden Bedürfnis der Arbeitnehmer nach "humanen" Arbeitsplätzen. Dem entspricht der von Regierungs- und Unternehmerseite vorgebrachte Grund­satz·, wonach sich bei HdA-Maßnabmen "Humanität und Rentabi­lität" 1 ) nicht ausschließen dürfen. Besteht die Aufgabe staatlicher Sozialpolitik BÖHLE/SAUER zufolge darin, "die vom Kapital nicht berücksichtigte, aber notwendige Repro­duktion von Arbeitskraft zu sichern" 2 ), erfüllt das staat­liebe HdA-Forschungsprogramm auf Arbeitnehmerseite die Funk­tion, die einzelnen Belastungsbereiche wie Unfallgefahren, Umgebungseinflüsse, physische und psychische Beanspruchung und Auswirkungen der Arbeitsorganisation auf den Menschen zu mindern. 3> Gleichzeitig werden auf Seiten der Unternehmer genau jene betrieblichen Rentabilitätsprobleme, die sich aus den "inhumanen" Arbeitsbedingungen ergeben, wie Fluktuations-, Absentismus- und Flexibilitätskosten vermindert. Da auch frühere Maßnahmen zur HdA, z.B. in Schweden, nicht von staat­licher oder gewerkschaftlicher Seite ausgingen, sondern von den Betrieben selbst initiiert wurden, scheinen die betrieb­lichen Rentabilitätsprobleme die eigentliche Ursache der Implementation von HdA-Projekten zu sein. Für die Unternehmen sind Wachstum, Wettbewerb und Innovation die eigentlichen Zielangaben betrieblicher HdA-Maßnahmen, wie dies vom In-

. sti tut der Deutschen Wirtschaft unter der Rubrik "Pro-dukti­vität sichert Humanisierung" 4 ) auch festgehalten wird:

"Die besten Aussichten auf eine weitere Verbesserung der Arbeitsbedingungen bieten sich, wenn eine nachhaltige För­derung von Wachstum, Wettbewerb und Innovation den ökono­mischen Verteilungsspielraum sichert und vergrößert." 5)

Die eigentlichen Probleme der Arbeitskräfte, die sich in Fluktuation, Absentismus, sinkender Arbeitsmoral, Arb.ei tsun­zufriedenheit, etc. äußern, spielen für die Betriebe ledig­lich unter Kostengesichtspunkten eine Rolle. Deutlich wird

1) Vgl. BMFT (1979) sowie BDA (1975), S. 85 2~ BOHLE/SAUER (1975), S. 49 3 Vgl. BMFT (1979) 4 Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.) (1979) 5) Dass. Blatt 1

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dies, wenn WEIL als Vertreter der Arbeitgeberseite betrieb­liche Kostenprobleme in den folgenden Bereichen sieht:

"Schwierigkeit in der Gewinnung neuer Mitarbeiter für die Industrie; Auflösung der Gemeinsamkeiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern nach Sprache, Kultur, Mentalit~t sowie landschaftlicher und betrieblicher Verbundenheit; zunehmen­de Beschäftigung von Frauen und ausländischen Mitarbeitern mit all den daraus entstehenden Problemen; steigende Fluk­tuation und Abwesenheit; sinkende Arbeitsmoral; Arbeitsun­zufriedenheit; Leistungszurückhaltung oder -Verweigerung." 1 )

Steht die Humanisierung des Arbeitslebens letztlich unter dem Ziel der Lösung betrieblicher Kostenprobleme, so darf man annehmen, daß auch HdA-Qualifizierung diesem Ziel unterge­ordnet ist. Die zuerst in Betrieben der Automobil- und Elektroindustrie in Verbindung mit Arbeitsstrukturierungsmaßnahmen notwendig gewordenen Qualifizierungsmaßnahmen sind vor dem Hintergrund zu sehen, daß es in einzelnen Bereichen Tendenzen gibt,

"die darauf hindeuten, daß die bisherige Strategie einer möglichst 'kpappen Qualifizierung' unter Rentabilitäts­gesichtspunkten nicht mehr ausreicht." 2)

Über staatlich finanzierte Qualifizierungsmaßnahmen wird da­he:r; bestimmten Beschäftigungsgruppen eine "systematischere und umfangreichere Anlernqualifikation als bisher vermit­telt" 3>, wn die im Zuge der Neugestaltung von Arbeitsstruk­turen entstehenden Anforderungen der "Arbeitserweiterung" und des "Arbeitswechsels" bewältigen zu können. 4) Insbe­sondere in den ersten Jahren des HdA-Programms bis zum Jahre 1975, wo HdA als Teilprogramm "traditioneller Technologie­politik" 5) fungierte, waren die Anstöße zur Änderung der tayloristischen Arbeitsorganisation vor allem in Betrieben mit.starrer Fließbandproduktion von dem Erfordernis getragen, auf wechselnde Marktanforderungen und differenziertere Kunden­wünsche schneller reagieren zu können:

1l WEIL (1974), S. 102 2 TRAUTWEIN-KALMS/GERLACH (1979), S. 278 3 Dies., s. 278 4 Neugestaltung von Arbeitsstrukturen meint die 11Flexibili­

sierung", bei der Fließbänder zugunsten von Gruppenarbeit abgeschafft bzw. starre Arbeitssysteme zugunsten indivi­dueller Arbeitseinteilung der dort Beschäftigten aufge­lockert werden. Nach TRAUTWEIN-KALMS/GERLACH (1979), S. 278

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"Klassische Arbeitssysteme, vor allem das herkömmliche Fließband, erschweren den Betrieben ein marktgerechtes Verhalten, ohne Mehrkosten zu entwickeln. Der Absatzmarkt fordert aber Elastizität im Blick auf die Abrufzahlen, im Blick auf die abgerufenen Typen. Er zwingt zur Typenviel­falt aufgrund der Sonderbestimmungen in verschiedenen Län­dern, aufgrund der Sonderwünsche der Kunden. Der damit not­wendig gewordenen 'mehrdimensionalen Flexibilität' (techno­logische, ty~enbezogene, stückzahlbezogene und personelle Flexibilität) sind viele Arbeitnehmer aufgrund ihrer bis­herigen Tätigkeit mit sehr geringen Qualifikationsanfor­derungen nicht gewachsen. Deshalb müssen Qualifizierungs­maßnahmen ergriffen werden, die den neuen Arbeitsstrukturen Rechnung tragen." 1)

Neben ökonomisch-technischen sind es auch "personalbezogene" Gründe, die für die Veränderung der bisherigen Form der Ar­beitsteilung mit ihren monotonen Tätigkeiten und einseitigen Belastungen ausschlaggebend sind. Die wachsenden Fluktuations­und Absentismusraten sind der Ausdruck einer zumindest par­tiellen "Modifizierung des Anspruchsniveaus" 2 ):

"Früher vielleicht noch ertragene Arbeitsbedin~gen werden von den Arbeitnehmern nicht mehr in Kauf genommen. Für be­stimmte Arbeitsplätze (vor allem in industriellen Ballungs­zentren) sind daher nicht leicht Arbeitskräfte zu bekommen. Von Unternehmern wird unter Hinweis auf die Abwanderung ansässiger junger Deutscher aus den weniger. attraktiven Produktionsbetrieben und auf die ungünstige Altersstruktur der deutschen Belegschaften in der Industrie die Befürch­tung geäußert, daß die personelle Substanz der Industrie­betriebe industrieller Ballungsräume .•• im Begriff (sei, R. V.: sich aufzulösen." 3)

HdA- Qualifizierung ist in diesem Zusammenhang bloß reaktive Maßnahme auf sich verändernde absatzmarkt- und damit techno­logieorientierte sowie sich verändernde arbeitsorganisato­rische Bedingungen. Eine moderne Produktion muß heute in mehr­dimensionaler Hinsicht flexibel sein. Mit ihren Erzeugnissen muß sie rascher auf Nachfrageänderungen und auf kurzfristig eingehende Aufträge reagieren können. Die sieb zuspitzenden Konkurrenzbedingungen in einer Zeit allgemeiner Absatzkrisen machen eine termingerecht planende und arbeitende Fertigungs­steuerung mit Flexibilität und Transparenz des Fertigungs­flusses zum Erfordernis betrieblicher Prosperität. Die Pro-

1) TRAUTWEIN-KALMS/GERLACH (1979), S. 279 "Um den gestiegenen Kundenwünschen gerecht zu werden und um den Wettbewerb zu bestehen, bietet heute z.B. ein Unter­nehmen der Automobilbranche 42 Typen mit etwa 220 Sonder­ausführungen, 1500 Sonderwünschen, 190 Innenausstattungs­varianten, 135 Motorvarianten und 30 Lackierungen an." aus: IPA Projektstudie "Sicherstellung der zukünftigen Produktion" vom 6.8.1979 (int~rnes Papier)

23) TRAUTWEIN-KALMS/GERLACH (i979J, S. 279 ) PODESCHWIK (1976), S. 3 ·

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duktqualität und -quantität und die Auslastung der Betriebs­mittel sollen verbessert, Produktionsstörungen ganz vermie­den oder zumindest rasch beboben werden können. Das Pendant dieser Anforderungen wird in einem Mitarbeiter gesucht, der mitdenkt, entscbeidungs- und innovationsfreudig, kooperations­bereit und flexibel einsetzbar ist und kontinuierlich, moti­viert und zuverlässig arbeitet. Die hierzu notwendig werden­den Qualifizierungsmaßnahmen sind leicht als funktionale Äquivalente objektiver Produktionsnotwendigkeiten zu erken­nen.

HdA-Qualifizierung besitzt, die technologiepolitische Aus­richtung des HdA-Programms konsequent zu Ende gedacht 1 ) eine "aktive" Komponente binsiebtlieb der Bewältigung der zukünftig zu erwartenden Anforderungen bei automatisierten Produktionsprozessen. Dieser Aspekt, der in der Literatur bisher kaum behandelt worden ist, bezieht sieb auf

"die unterschiedlieben organisatorischen Konstitutionsbe­dingungen der Fließbandautomation·in Abhängigkeit von der Seriengröße der Produktion." 2)

Die bisherige "Auflockerung" großer, starr organisierter Fließbandfertigungssysteme durch die Schaffung von "Puffern" oder "Fertigungsnestern" ist be.im Umrüsten auf ein neues Modell imm~r noch mit erbeblieben Kosten verbunden. Ange­strebt wird ein 11bocbflexibl:es 11 , Veränderungen der Arbeits­struktur und -Organisation effektiv ermöglichendes System, das unter Kostengesichtspunkten sieb schnell verändernden Bedürfnissen anpassen kann. Viele Anhaltspunkte sprechen dafür, daß teilautonome Arbeitsgruppen, wie z.B. bei VOLVO, die eine spezielle Fahrzeugkomponente übernehmen 3), als Ube~gangsstufe zur Übertragung der Funktionskomplexe auf flexible automatisierte Montagestationen betrachtet werden können. 4) Die in teilautonomen Arbeitsgruppen arbeitenden

213 ~ Vgl. BRÄUNLING (1979), S. 139 ff. MENDNER (1976), S. 142 Bei VOLVO übernehmen Arbeitsgruppen spezielle Fahrzeug­komponenten wie elektrische Anlage, Bremsen und Räder, Ins·trumentenausstattung, etc. Vgl. z.B. KLOAS (1976)

4) Die flexiblen automatisierten Montagestationen verfügen 11über mehrere, frei programmierbare Bewegungsacbsen, die mit entsprechenden Werkzeugen und Greifgeräten ausge­·rüstet (Handlings, Industrieroboter, R.V.), den gesamten Funktionskomplex selbständig ausführen können. 11 MENDNER (1976), s. 143

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Arbeitnehmer, die z.B. über HdA- Qualifizierungsmaßnahmen ein relativ "hohes" Qualifikationsniveau mitbringen, scheinen für die bei der Automatisierung notwendig werdende Übernahme der Funktionen der Anlagenbedienung und -kontrolle "bestens" geeignet. Weil sie im Prozeß der Arbeit spezifische Prozeß­kenninisse erwerben können, sowie, über die Verarbeitung auftretender An!angsschwierigkeiten, fertigungsfunktionale Optimierungskenntnisse und -fähigkeiten entwickeln, sind sie für prozeßspezifische Bedien- und Kontrolltätigkeiten geradezu prädestiniert. Ohne das MENDNER'sche Konzept für alle Arbeitsstrukturierungs­maßnahmen mit Höherqualifizierungs verallgemeinern zu wollen, drängt sich auch für den Teilefertigungsbereich die Vermutung auf, daß die durchgeführten HdA-Höherqualifizierungsmaßnahmen, die der Vermittlung mehr prozeßspezifischer Kenntnisse dienen, dazu herhalten sollen, den Anforderungen weiterer Automati­sierungsprozesse besser gewachsen zu sein. Ob dann die Über­nahme "dispositiver Tätigkeiten" im automatisierten Produk­tionsprozess für die betroffenen Arbeitnehmer zwangsläufig zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt, muß an­gezweifelt werden, betrachtet man die dabei zunehmende psych­ische Belastung oder z.B. die gewaltigen Personalreduktionen, die größere Automatisierungsprozesse meist zur Folge haben. 1 )

1.3.2 Die bisherige Evaluation der HdA-Qyalifizierung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Probleme

Die vorliegenden Bewertungen von HdA- Qualifizierungsmaßnah­men unterstreichen den instrumentellen Charakter dieser Qualifizierungsform, die lediglich als "notwendiges Beiwerk"

1) Vgl. z.B. GERLACH (1977), S. 3~0: "Langfristig stecken je­doch in der Strategie zur Erhöhung der Flexibilität der betrieblichen Organisation auch Gefahren. Die neuen Sys­teme eröffnen für die Automation aufgrund ihrer flexiblen Anpassungsfähigkeit an neue Technologien ganz neue Di­mensionen. Es könnte hiermit die zukünftige 'flexible' Freisatzung Tausender von Beschäftigten vorbereitet werden. Die zunehmende Einführung elektronischer Bauteile an Stel­le elektromechanischer Teile wird obendrein in der elektro­technischen Industrie zu einer Verringerung der Arbeits­inhalte und automatisierter Prozesse führen. Die heute noch 'humanisierten' Tätigkeiten könnten morgen schon wieder kurzzyklische und inhaltsarm werden bzw. ganz ent­fallen."

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von Arbeitsstrukturierungsmaßnahmen fungiert: "In den Forschungsprojekten des BMFT ist es ••. bisher nicht überzeugend gelungen, auf diesem Gebiet ( der Höber­qualifizierüng, R.V.) bedeutende Fortschritte zu machen. Insbesondere die Forschungsprojekte zur 'Arbeitsstrukturie­rung' sprachen zwar ständig von 'Höberqualifizierung', ziel­ten jedoch zumeist nur auf eine Rationalisierung von An­lernprozessen. Viele Methoden beschränken sich auf ein 'Lernen am Arbeitsplatz' und erweitern oder bereichern die Arbeitsinhalte nur unwesentlich. Erst wenn auch eine auf dem Arbeitsmarkt verwertbare höhere Qualifikation vermit­telt wird, liegt jedoch eine deutliebe Verbesserung, im Sinne einer Humanisierung der Arbeit vor." 1) "In der Förderpraxis spielt das Ziel der Qualifizierung bis­her ••• nur eine untergeordnete Rolle. Es wird fast nur bei Maßnahmen zur Arbeitsstrukturierun& thematisiert. Aber selbst unter diesen Projekten zur Arbeitsstrukturierung' findet sieb der Qualifizierungsaspekt oft nur am Rande." 2)

Die gewerkschaftlichen Aussagen zur Bewertung von HdA-.Quali­fizierungsmaßnahmen werden auch von sozialwissenschaftlieber Seite aus geteilt:

"Der Qualifikationseffekt veränderter Arbeitsgestaltung an den modernen Großanlagen der Stoffumwandlung hängt ••• vom Ausmaß des job enricbment ab. Da hier ••. seitens der Unternehmer erhebliche Sperren bestehen, werden grundlegen­de Qualifikationsanbebungen eher die Ausnahme sein." 3)

"Flexibilitätssteigernde Maßnahmen ••• wurden vornehmlich dazu verwandt, um bei gleicher Besatzungsstärke ein mö­.glichst großes Quantum an 'überschüssiger Arbeitskraft' zu produzieren, welches mit einem nachfolgenden Personal­abbau dann 'abgeschöpft' wurde. Das Streben der Betriebe nach einer möglichst kostenoptimalen Produktionsbesatzung schafft damit restringierende Bedingungen für die Produk­tionsarbeit und unterbindet die Entfaltung der in diesen arbeitsorganisatorischen Methoden prinzipiell angelegten Möglichkeiten einer umfassenden Qualifizierung der Beleg­schaft und eines weitgehenden Abbaus von Belastungen und Sicherheitsrisiken bei der Arbeit." 4) .

Die Bewertungen machen deutlich, daß Höherqualifizierung im Rahmen von HdA eng an die gegebenen Anforderungen gebunden ist und kaum Einblick in den übergeordneten Produktionspro­zeß gestattet. Die Vermittlung betriebsspezifischer Grund­kenntnisse und -fertigkeiten beschränkt sich in der Regel darauf, einzelne Mitarbeiter in Gruppen zum Teil in be- · sonderen Lehrräumen stufenweise auf ihre neue Tätigkei-

~411 GERLACH/TRAUTWEIN-KALMS (1978), TRAUTWEIN-KALMS/GERLACH (1979), KERN, u.a. (1976), S. 108 MICKLER, u.a. (1976), S. 289

s. 62 s. 282

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ten vorzubereiten, wobei die von Arbeitspäda~ogen ausgear­beiteten Lehr- und Praxistransferprogramme 1 selten ein Kontingent von 80 Stunden überschreiten. Da ohnehin dem "Lernen am Arbeitsplatz" meist der Vorzug gegeben wird, und darüber hinaus die durch die Unterweisung verlorene Arbeits­produktivität durch zusätzlichen Arbeitsaufwand der betrof­fenen Arbeitnehmer in der Regel wieder wettgemacht werden muß, kann eigentlich von einer wirklichen Höherqualifizie­rung keine Rede sein. Die Anwendung der Verfahren der analy­tischen Leistungsbewertung, die die Zerlegung von Tätigkeiten in kleinste Teilverrichtungen geradezu zementiert, sowie der Akkordsysteme in den infrage kommenden Betrieben, ver­hindert eine Höherqualifizierung der Beschäftigten. 2 ) Be­triebliche Lohnstrukturen werden dadurch festgeschrieben und Qualifikationen eher noch vernichtet als aufgebaut. 3 ) Die institutionalisierte Festschreibung analytischer Leistungs­bewertungs- und Akkordsysteme führte dazu, daß HdA- Qualifi­zierungsmaßnahmen lange Zeit ohne lohnpolitische Konsequen­zen durchgeführt wurden. Erst in jüngster Zeit wird von den Gewerkschaften verstärkt der Vorbehalt laut, Maßnahmen zur Höherqualifizierung in neuen Arbeitsstrukturen nur noch dann zu unterstützen, wenn diese vorab mit lohnpolitischen Kon­sequenzen, d.h. einer höheren Lohngruppe, verbunden sind. 4)

Die gewerkschaftliche Forderung nach "echter" Höherqualifi­zierung mit lohnpolitischen Konsequenzen unterstreicht die Erkenntnis, daß HdA-Qualifizierung nichts anderes ist als bisherige betriebsspezifische Qualifizierung. ALTMANN/BÖHLE haben darauf hingewiesen,

"daß die Anpassung, d.h. Rekrutierung und Auslese der be­troffenen Arbeitskräfte, der Prozeß der Vermittlung der Kenntnisse und Fertigkeiten und deren Verknüpfung mit be­trieblichen Anforderungen auch im Zusammenhang mit 'neuen Arbeitsformen und -inhalten' in Formen erfolgt, die schon bislang als 'betriebsspezifische Qualifizierung'mit Proble­men für die Arbeitskräfte verbunden waren." 5)

1) Vgl. z.B. BULLINGER/KOHL (1976) 2) BIRKWALD (1978) hat als erster die Aufgabe der analytischen

Arbeitsbewertung zugunsten einer ganzheitlichen Betrach­tungsweise und Bewertung von Arbeitsinhalt und Arbeits­vollzügen gefordert.

435 ~ Vgl. LUBBEN (1979) Vgl. z.B. BIRKWALD (1979) und PORNSCHLEGEL (1979) ALTMANN/BÖHLE (1976), S. 156

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HdA-Qualifizierung als Ausweitung des Tätigkeitsinhalts zur tlbernahme von z.B. Hilfeeinrichtetätigkeiten ist betriebs­spezifische Anlernung. Beide Qualifizierungsformen sind da.­durch charakterisiert,

"daß sie Anforderungen einbegreifen, deren Bewältigung we­der im Rahmen institutionalisierter Berufsausbildung und damit auf systematischer, übertragbarer und überbetrieb­licher Grundlage vermittelt wird noch nach kurzer Unter­weisung und Einarbeitung erfolgen kann." 1)

Neu an der HdA- Qualifizierung ist lediglich, daß betroffene Arbeitnehmer nicht nur am Arbeitsplatz angelernt werden, sondern sich in den zum Teil in gesonderten Lehrräumen statt­findenden Unterweisungen auch rudimentäre theoretische Kennt­nisse aneignen können. Sind diese Kenntnisse letztlich margi­nal, so stellt die HdA- Qualifizierung lediglich eine neue Variante betriebspezifischer Qualifizierung vor, die, gemessen an ihrem Anspruch nur "alter Wein in neuen Schläu­chen" .ist. Solange die besonders negativen und folgenreichen Konsequenzen betriebsspezifischer. Qualifizierung im Rahmen von "HdA" abeZ1!1als reproduziert und nicht thematisiert und abgewendet werden, verfehlt die 11Humanisierung des Arbeits­lebens" ihren normativen Gegenstand und unterläuft die ge­sellschaftspolitische Zweck- und Zielsetzung, die sie im I~teresse der arbeitenden Menschen verspricht. 2 )

21) ALTMANN/BÖHLE (1976), S. 163 ) Vgl. hierzu ALTMANN/BÖHLE (1976), S. 174:

"In dem Maße aber, in dem die Auswirkungen geringqualifi­zierter und hochrestriktiver Tätigkeit zunehmend gesell­schaftspolitisch thematisiert werden ( 11HdA 11 ), erweist sich die nach wie vor gegebene Vernachlässigung der Pro­bleme betriebsspezifischer Qualifizierung als besonders negativ und folgenreich. Die Unkenntnis über und geringe Beachtung der vielfach 'negativen' Auswirkungen, die sich mit den Formen betriebsspezifischer Qualifizierung für die Arbeitskräfte verbinden können, führen dazu, daß auch im Rahmen betrieblicher Humanisierungsaktivitäten und ent­sprechender gesellschaftspolitischer Forderungen die Qualifizierungsprozesse und ihre Auswirkungen für die Ar­beitskräfte unbeachtet bleiben •••• Das besagt aber, daß die Bemühungen um eine Humanisierung der Arbeit eher der Abwendung der schlimmsten Folgen der Arbeitsteilung die­nen, als daß sie wirklich neue Effekte schaffen. Durch die sehr begrenzten Humanisierungsformen werden die al­ten Risiken betriebsspezifischer Qualifizierung neu re­produziert. Es bauen sich sogar neue Defizienzen auf, wenn man jenen höheren (normativen) Anspruch einer HdA zugrundelegt."

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1.4 Zusammenfassung

Bei den aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten erforder­lich gewordenen Arbeitsstrukturierungsmaßnahmen erscheint HdA- Qualifizierung als bloße flankierende Maßnahme im Sinne einer instrumentellen Funktionalisierung.

Sie erweist sich daher als staatlich finanziertes Programm zur Kompensation von Mängeln der Formen herkömmlicher An­lernqualifizierung und Formen innerbetrieblicher Weiterbil­dung.

Zur Überwindung der Risiken betriebsspezifischer Qualifi­zierung hat sie wenig beizutragen vermocht. Sie reproduziert die alten Mängel neu.

HdA- Qualifizierung muß daher als Maßnahme gesehen werden, die über bloße Mängelkorrektur bisheriger Anlernqualifizie­rung die Implementation von Ausbildung und zertifizierbarer relevanter Abschlüsse verhindert.

Insofern ist HdA-Qualifizierung als dezidierter Hinweis auf Defizite herkömmlicher betriebsspezifischer Qualifizierung zu betrachten. Am Beispiel der HdA-Qualifizierung können die Mängel abermals sichtbar gemacht werden. Die Analyse der Möglichkeiten und Grenzen von HdA- Qualifizierung kann damit als Konkretion für die Analyse der Möglichkeiten und Grenzen, vorauszusehenden Bedingungen und Restriktionen von Qualifizierungs- und Ausbildungsformen überhaupt gelten.

Die zu Beginn dieses Abschnitts formulierte Frage, ob HdA­Qualifizierung angesichts des hohen finanziellen, personellen und öffentlichkeitswirksamen Aufwands in ihren Bedingungen und Auswirkungen nicht ~ ist, als bisher qualifizierende Kompensationsmaßnahmen, läßt sich vor dem Hintergrund der Defizienzen von Höherqualifizierungsmaßnahmen so beantwor­ten:

Das HdA-Programm hat in der Öffentlichkeit und der Fachwelt eine zweifellos große Bedeutung gewonnen. Dadurch war der Anstoß gegeben, zum ersten Mal die repetitiven und restrik­tiven Bedingungen von Industriearbeit in all ihren unter-

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schiedlieben Aspekten und Bereichen in großem Maßstab in die Diskussion zu bringen. Nicht zuletzt deshalb haben sich zahlreiche Autoren mehr denn je mit Qualifikationsgesichts­punkten beschäftigt und nicht von ungefähr wurde erstmals und systematisch die Analyse betriebsspezfisicher Qualifi­zierungsprozesse in die Hand genommen.

Insbesondere in der 2. Phase des HdA-Programms als techno­logiepolitiscbes Experimentierprogramm 1 ) wurde auf Druck der Gewerkschaften der arbeite- und sozialwissenschaftlieben Begleitforscbung ein großer Stellenwert eingeräumt. In diese Phase fällt auch ein einziges HdA-Projekt, das sieb gegen­über anderen dadurch positiv abhebt, daß es der subjektbe­zogenen Entwicklung von Eigenaktivität als Bestandteil von Qualifizierungsmaßnahmen einen eigenen Stellenwert einge­räumt hat. 2 ) Obwohl festgestellt werden muß, daß die HdA­Begleitforschung zur praktischen Verbesserung der Arbeits­situation bisher wenig beigetragen hat 3 ), und die betei­ligten Wissenschaftler mit ihrem "ausgeprägten Chinesen­Deutsch" 4) bei den Betriebsräten und den betroffenen Ar­beitern eher auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen sind, so sind doch in den etwa 100 HdA-Forscbungsberichten posi­tive Erfahrungen und Erkenntieee dokumentiert, die unter aktiver Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer und ihrer Interessenvertretungsorgane zusammen mit den Wissenschaftlern durchgesetzt werden könnten.

Vor großen Reformillusionen muß allerdings gewarnt werden. In einer privatkapitalistisch organisierten Wirtschafts­verfassung existieren objektive Schranken der Durchsatzung "persönlichkeitsförderlicher" Arbeitsinhaltsgestaltung. Auch in dem P.EINER Forschungsprojekt konnten manifeste materielle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen kaum durchgesetzt wer­den.

Nur wenn die Aufforderung des nordrheinwestfälischen Wirt­schaftsministers RAU,

1l Vgl. BRÄ.UNLI.NG (1979), S. 144 ff. 2 Zum P.EINER Forschungsprojekt Vgl. z.B. FRICKE, u.a. (1979) 3 Vgl. BERGMANN (1980), S. 14 4 Vgl. MÖLLER (1980), S. 7

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"eine Verbesserung der Arbeitswelt kann nicht allein für die arbeitenden Menschen geschehen, sie muß auch durch sie selbst geschehen" 1),

und der gewerkschaftliebe Grundsatz, "die Arbeitswissenschaft soll dem arbeitenden Menschen nützen, nicht ihn benützen" 2),

erns.tgenommen wird, sind praktische Humanisierungsfortscbri tte absehbar.

Sollen Anforderungen an "Qualifikation" und "Qualifizierung" erarbeitet werden, muß sieb auch die Sozialwissenschaft darum bemühen, dem Anspruch einer Humanisierung des Arbeits­lebens gerecht zu werden und, ausgebend von den Problemen beruflieber Qualifizierung, ein normatives Qualifikations­verständnis davon entwickeln, was im Interesse der arbeiten­den Menschen praktisch durchsetzbar und perspektiviscb.wün­scbenswert ist. Die sozialwissenschaftlieben Tbeorieansätze, die bisher den Zusammenbang von Arbeiten und Lernen, Beruf und Qualifikation mehr oder weniger thematisiert haben, müssen daraufbin untersucht werden, inwieweit sie ihrem kritischen Gesellschaftsverständnis Genüge leisten und Aus­sagen treffen können, die in inhaltlieber und emanzipato­rischer Relevanz dem arbeitenden Menschen verpflichtet sind.

21) RAU (1978), S. 314 ) BERGMANN (1980), S. 15

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2. BERUFLICHE QUALIFIZIERUNG IM VERHÄLTNIS SOZIALWISSEN­SCHAFTLICHER THEORIEBILDUNG VON PRODUKTION UND ARBEIT

Im vorangegangenen Kapitel sind die Probleme der beruflichen Qualifizierung mehr unter praktischen und empirischen Ge­sichtspunkten erörtert worden, wobei auch auf unmittelbar damit in Zusammenhang stehende theoretische Ansätze rekur­riert wurde. In diesem Kapitel soll versucht werden, die bisherigen Ergebnisse mit der Diskussion um die Frage nach der Ableitung auszubildender Qualifikationen in Verbindung zu bringen.

Geht es mit HOLZKAMP vor allem um die "äußere Relevanz" 1 ) sozialwissenschaftlicher Forschung für die Praxis, müssen sozialwissenschaftliche Ansätze den an HABERMAS angelehnten Kriterien der "technischen" 2 ) und "emanzipatorischen Rele­vanz" 3) genügen, d.h. dazu beitragen, die im MARX'schen Sinn verkehrten "objektiven Gedankenformen" 4) aufzubrechen,

"soweit wie möglich bewußt zu machen und aufzulösen, da­mit der Weg für Verbesserungen der objektiven Lage des Menschen frei wird." 5)

Soziale Wirklichkeit darf demnach niemals als feststehende Tatsache begriffen, sondern muß als Entwicklungsprozeß in dynamischer und progressiver bzw. regressiver Richtung ver­standen werden. Die Zuspitz~ng gesellschaftlicher Wider­sprüche bezeichnet die Entwicklungsdynamik sozialer Wirklich­keit, derer sich kritisch-emanzipatorische sozialwissenschaft­liehe Theoriebildung bewußt sein muß. Insofern es die Sozialwissenschaft vermag, das einzelne, positive "Neue"

21) Vgl. HOLZKAMP (1972) ) In Anlehnung an das HABERMAS'sche Konzept des "technischen

Erkenntnisinteresses", vgl. HOLZKAMP (1972), s. 18 ff. 3) In Anlehnung an das HABERMAS'sche Konzept des "emanzipa­

torischen Erkenntnisinteresses", vgl. HOLZKAMP (1972), s. 32 ff.

4) Vgl. MARX (1972) (MEW 23), S. 90; HAUG (1977), S. 83 hat den Begriff der "objektiven Gedankenform" näher be­stimmt: "Insofern die Individuen in bestimmten ökono­mischen Formen ihr Leben tätig vermitteln müssen, lernen sie die objektiven Gesetzmäßigkelten des Handelns in die­sen Formen ••.. Die ökonomischen Formen bedingen mithin Denkformen - eben objektive Gedankenformen. Bezogen auf die unmittelbare ökonomische Praxis sind die Gedanken in diesen Formen durchaus den Notwendigkeiten angemessen."

5) HOLZKAMP (1972), S. 34

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zur Bestimmung des Wesens gesellschaftlicher Entwicklung zu ~achen, und nicht bei der Ermittlung des gegenwärtigen Durch­schnitts stehenzubleiben 1 ), wird es ihr möglich, das Kri­terium einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung normativ auszufüllen.

2.1 Der Beitrag der Industriesoziologie für die Klärung der Fragen beruflicher Qualifizierung

Die neuere industriesoziologische Diskussion konzentriert sieb im wesentlichen .auf die Frage nach den Auswirkungen technologisch-organisatorischer Veränderungen auf die Quali­fikationsanforderungen sowie auf die Frage, ob und inwie­weit über eine "aktive" Bildungspolitik die Organisation von Arbeitsprozessen und die Herausbildung von Arbeitstei­lungsstrukturen beeinflußt werden kann.

Setzt dabei der "technologie-orientierte" Ansatz den Faktor Technik als unabhängige Variable bzw. exogene Größe und unter­sucht dann die Auswirkungen auf die Qualifikationsanforder­ungen, so geht der "autonomie-orientierte" Ansatz von FRICKE programmatisch so vor, daß er die Erzeugung unterschiedlicher Qualifikationen als unabhängige Variable auf die Veränderung der Arbeitsinhalte durch die Arbeitenden als abhängige Variable bezieht. Demgegenüber versucht der "betriebs-orien­tierte" Ansatz die "Lücke" zwischen technologisch-organisa­torischer Entwicklung und Qualifikationsanforderungen dadurch zu schließen, daß er das "Subjekt" dieser Vermittlung in den spezifiseben betrieblichen Strategien der Qualifikationser­zeugung und -Vernichtung verkörpert sieht.

Haben die Ergebnisse der Industriesoziologie auch wesentlich zu der Einsicht beigetragen, daß es "'die' Anforderungen 'der' Arbeitswelt nicht gibt" 2 ), und daß ein "tlber- oder Unter-Ordnungs-Verhältnis zwischen Beschäftigungs- und Bil­dungssystem ••• theoretisch nicht zu rechtfertigen" 3) sei,

1) Nach PROJEKTGRUPPE AUTOMATION UND QUALIFIKATION (1980), s. 35 ff.

23 ) HEID (1977), S. 834 ) Ders., s. 839

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so konnten sie in ihren widersprüchlichen Aussagen hinsic~t­lich der Qualifikationsentwicklung zur Lösung der Frage, wo­ran man sich bei der Diskussion inhaltlicher, emanzipato­rischer bildungspolitischer Zielsetzungen zu orientieren habe, bis auf wenige Ausnahmen kaum etwas beitragen.

2.1.1 Der "technologie-orientierte" Ansatz

Vor dem Hintergrund der nationalökonomischen Wachstumsfor­schung, die den "technischen Fortschritt" schlechthin für sich vereinnahmt hatte, waren auch die Anfänge bundesdeu­tscher Industriesoziologie seit Ende der 50er Jahre von der Auffassung des "emanzipatorischen Potentials" 1 ) des technischen Fortschritts geprägt. Die Anfang der 60er Jahre deutlich gewordenen negativen Folgen der Technik haben je­doch zu einer stärkeren Problematisierung dieser Auffassung geführt. Insbesondere die beiden Automations-Konferenzen der IG Metall 1963 und 1965 2 ) hatten in ihren ernüchternden Ergebnissen dazu beigetragen, die "euphorische" Betrachtung des technischen Fortschritts zu dämpfen und stattdessen eher soziale Folgeprobleme wie Entwertung von Qualifikation, Ab­gruppierung, Verschärfung des Leistungsdrucks, Arbeitsplatz­risiko, usw. in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken. Vor diesem Hintergrund ist die Studie von KERN/SCHITMANN über "Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein" entstanden, die 1970 erschienen ist. 3 )

Bereits POPITZ hatte 1957 festgestellt, daß ein Begriff des technischen Fortschritts gefunden werden mußte,

"der nicht mehr lediglieb an der empirischen Erscheinung des·Objekts angesetzt war." 4)

Trotz dieses Hinweises und auch der LUTZ'schen Aufforderung­"Technischer Fortschritt kann für den Soziologen nur als gesellschaftlicher Prozeß verstanden werden" 5) -,

ist es KERN/SCHUMANN nicht gelungen, den in der technolo­gischen Tradition stehenden Begriff des technischen Fort-

12) Z.B. bei BAHRDT (1958) ) Vgl. FRIEDRICHS (1963), (1965)

3) KERN/SCHUMANN (1970), Studienausgabe (1977) ~) zit. nach LUTZ/SCHMIDT (1977), S. 220 J) LUTZ (1969), S. 236

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schritts zu überwinden, welcher LUTZ/SCHMIDT zufolge im ei­gentlichen Sinne nicht "sozialwissenschaftlichen, sondern naturwissenschaftlichen Charakter" 1 ) trägt.

Zentrales Ergebnis der Studie von KERN/SCHUMANN ist die These einer Differenzierung der Gesamtgruppe der Industriearbeiter und einer gleichzeitigen Polarisierung der Belegschaften an den technisch fortgeschrittenen Aggregaten. 2) Die .bis dahin in der Diskussion stehende These von der Dequalifizierung oder Höherqualifizierung durch Aut~mation 3J konnte rela­tiviert werden. Den diesbezüglichen Studien wurde vorgewor­fen, daß sie

"den tatsächlichen Verlauf in unzulässiger Weise verein­fachen. Sie enthalten zwar richtige Elemente, berücksich­tigen aber nur bestimmte Arbeitssituationen, ohne der Dif­ferenziertheit des Spektrums industrieller Arbeitsformen Rechnung zu tragen." 4)

KERN/SCHUMANN beobachteten die Zunahme repetitiver Tätigkei­ten bei zunehmender Automatisierung und wiesen auf der an­deren Seite die Entstehung weniger, qualifizierter und mit größeren Dispositionschancen verbundener Tätigkeiten nach. (Meßwartentätigkeit). Indem repetitive Arbeitsteilvorgänge im Zuge der technischen Entwicklung an komplexe Maschinen abgegeben werden, entsteht die Möglichkeit und Notwendigkeit der Obernahme von Kontrollfunktionstätigkeiten innerhalb des relativ verselbständigten Produktionsprozesses. Diese sind durch einen erhöhten intellektuellen Anteil bei der Arbeitsausführung charakterisiert; sie erscheinen aber als notwendiges Resultat objektiver Anforderungen technologischer Entwicklung. Die technologische Verhaftetheit des Untersu­chungsansatzes von "Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein" verhinderte die Betrachtung der Möglichkeit sozialer Ge­staltung von Industriearbeit und ihrer technisch-organisa­torischen Bedingungen. S) Innovative bildungspolitische Kon-

1 LUTZ/SCHMIDT (1977), S~ 222 2 Vgl. KERN/SCHUMANN (1977), S. 152 3 Vgl. S. 1 dieser Arbeit 4 KERN/SCHUMANN (1977), S. 150 5 "Weder die konfligierenden Strategien des Einsatzes und

der Verwendung von Technik im Industriebetrieb noch die Möglichkeit der Nutzung arbeitsorganisatorischer Spiel­räume zu Ansätzen autonomer sozialer Gestaltung der Ar­beit sind in den analytischen Kategorien der Untersuchung liberhaupt midgedacht." FRICKE (1976), S. 866

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sequenzenwaren aus der Studie nicht abzuleiten. Auch der der Untersuchung zugrundeliegende Qualifikationsbegriff, der nicht eigenständig expliziert wird 1J, verb~eibt im Rahmen technologischer Eingebundenheit, wenn er sich auf die zu­nehmende Bedeutung prozeßgebundener und prozeßunabhängiger Qualifikationen als einer "charakteristischen Begleiter­scheinung der Technisierung" 2 ) bezieht. Als Fortführung und Kritik der KERN/SCHUMANN-Studie verste­hen sieb die beiden{ ebenfalls im SOFI entstandenen, Studien von MICKLER, u.a. 3 ', die die- von KERN/SCHUMANN später festgehaltenen 4 ) - Schwächen dieser Arbeit zu überwinden versuchen. Zentrales Ergebnis der ersten Studie "Technik, Arbeitsorganisation und Arbeit" 5 ) ist der Nachweis be­trieblicher kostengünstiger Strategien des Qualifikations­einsatzes bei Automatisierungsprozessen. Bei der Einführung neuer technischer Produktionsverfahren begannen nach einer anfänglichen, probeweisen hoben Personalausstattung und Bei­behaltung strenger Arbeitsteilung

"fast alle Betriebe, die Belegschaft unter Anwendung ar­beitsorganisatorischer Rationalisierungsmaßnahmen sukzes­sive zu verringern, um durch Realisierung der produktions­notwendigen kleinsten Besatzungsstärke ein Minimum an Per­sonalkosten zu erzielen." 6)

Wenngleich die Autoren eine mit fortschreitender technischer Entwicklung zunehmende Häuf~gkeit der Gestaltung arbeitsor­ganisatorischer Maßnahmen konstatieren, machen sie diese aber linear von der Entwicklung der Technik abhängig. MICKLER/ DITTRICH/NEUMANN geben damit im Wesentlichen noch von dem Begriff der "instrumentellen Technik" 7 ) aus, deren Ziel es

1) Vgl. KERN/SCHUM.ANN (1977), S. 70: "Was qualifizierte Ar­beit ist, läßt sich einheitlieb nicht definieren, weil unterschiedliebe Komponenten Qualifikation konstituieren können."

2) KERN/SCHUMANN (1977), S. 71 "Für unsere Untersuchung sind beide Arten von Qualifi­kationen - die prozeßgebundenen und die prozeßunabbängigen - von Bedeutung, denn nicht nur die Umschichtung von band­werklieben auf technische, sondern auch die Verlagerung von prozeßgebundenen auf prozeßunabbängige Qualifikationen dürfte eine charakteristische Begleiterscheinung der Tech­nisierung sein."

3~~ MICKLER, u.a. (1976), (1977) Vgl. KERN (1979), S. 231 ff. u. KERN/SCHUMANN (1977), S. 7 f. MICKLER, u.a. (1976)

67 ) Dies., s. 343 ) Vgl. POPITZ, u.a. (1957)

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POPITZ/BAHRDT zufolge nicht ist, gesellschaftlichen Zwecken zu dienen, sondern der Steigerung der Eigenfähigkeit der technischen Anlagen im Sinne größerer technischer Autonomie.

Erst in der zweiten MICKLER-Studie 1 ) werden relevante bil­dungspolitische Folgerungen abgeleitet. Die Autoren beobach­teten bei tiefgreifenden technologischen Neuerungen ein Ab­sinken des Facharbeiteranteils am produktiven Gesamtarbeits­körper zugunsten einer teilweisen Substitution durch tech­nische Angestellte. 2 ) Die Betriebe verbanden aber insgesamt betrachtet mit technisch-organisatorischen Rationalisierungs­maßnahmen "keine explizite 'Qualifikationspolitik'" 3 ). Weil sich betriebliche qualifikatorische 11Umstellungsprozesse" gleichsam "unter der Hand" 4 ) vollzogen, ist auf einen 11höchst losen Zusammenhang zwischen technisch-organisatorischer Ent­wicklung und Qualifikationsanforderungen" 5) zu schließen. Der Produktionssektor übt demnach "nur begrenzte Veränderungs­impulse auf das Bildungssystem" 6 ) aus.

Die bildungspolitischen Überlegungen d.er Studie "Produktion und Qualifikation" stehen ganz in der Tradition des "techno­logie-orientierten" Ansatzes. Die technisch-organisatorische Entwicklung wird als unabhängige Variable aufgefaßt, von der allein Auswirkungen auf die Qualifikationsanforderungen ausgehen können. 7) Auch in der 1979 vom Bundesinstitut für Berufsbildung herausgegebenen Kurzfassung der Studie gehen die Autoren noch davon aus,

1 2 3 4 5 6 7

11 da,EI sich aus der in der Untersuchung aufgezeigten Entwick­lung der Qualifikationsanforderungen in Teilbereichen der Industrie unmittelbar keine Folgerungen für eine Konzep­tion qualifizierter Berufsbildung ableiten lassen." 8)

MICKLER, u.a. (1977) Dies., S. 672 Dies., S. 692 Dies., S. 692 GERSTENEERGER (1975), S. 277,278 BAETHGE, u.a. (1975), S. 80 Deutlich wird dies, wenn das SOFI hinsichtlich der Mög­lichkeit innovativer Bildungsprozesse schreibt: "So wäre allein durch eine neue, bewußt auf Höherqualifizierung ausgerichtete Zielsetzung bei der Gestaltung von Produk­tionstechnik und Arbeitsorganisation eine ausreichende Basis für eine expansive bildungspolitische Prämisse zu schaffen." BAETHGE, u.a. (1975), S. 80

8) MICKLER, u.a. (1979), S. II

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Lediglieb im Schlußwort dieser Kurzfassung relativieren sie ihren Ansatz unter Verweis auf die grundsätzliebe Mög­lichkeit der Einflußnahme auf die qualifikatoriscbe Gestal­tung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitenden selbst. Sie verweisen darauf, daß die Entwicklung der Anforderungs­strukturen "nicht als ein quasi unbeeinflußbarer Naturprozeß, sondern als ein interessenbestimmter Gestaltungsprozeß zu be­greifen ist." 1)

Zusammenfassend geben die Ergebnisse und Folgerungen der bei­den Studien von MICKLER, u.a. nicht über die Ergebnisse von KERN/SCHUMANN einer Differenzierung und Polarisierung der Ar­beitskräftestruktur bei technischen und arbeitsorganisato­rischen Veränderungen hinaus, wenngleich die Prozesse genauer und differenzierter und in unterschiedlichen Produktions­branchen analysiert werden. Im Unterschied zu KERN/SCHUMANN, die Polarisierungstendenzen auch im Instandhaltungsbereich feststellen, kommen MICKLER, u.a. zu dem Ergebnis einer Er­haltung und Erweiterung der Qualifikationsanforderungen im Instandbaltungssektor.

Obwohl MICKLER, u.a. mit dem Anspruch auftreten, technischen Wandel als sozial bedingt zu begreifen, tun sie das höchst einseitig unter Verweis auf die systemspezifische Übermacht der Kapitaleigentümer und der Herrscbaftsfunktion, welche Ver­

änderungen der Arbeitsorganisation im Interesse der abhängig Beschäftigten nicht zuzulassen scheinen. Folgerichtig wird Qualifikation als abhängige Variable des technischen Fort­schritts betrachtet, wobei wie bei KERN/SCHUMANN die Ar­beits~rganisation als konservativer und weniger elastisch gegenüber der Technisierung gedacht wird. Der Qualifikations­

begriff von MICKLER, u.a., der in Anlehnung an das arbeits­psychologische Konzept HACKER's 2 ) ausgearbeitet wird, ist eng an die jeweiligen Anforderungen des Arbeitsprozesses ge­bunden.

1) MICKLER, u.a. (1979), S. 97 2) Vgl. MICKLER, u.a. (1977), Band II und HACKER (1978)

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2.1. 2 Der "autcnomie-·:>rientierte" Ansatz

Der autonomie-orientierte Ansatz wendet sich gegen die öko­nomistisch verengte Sichtweise, wonach Qualifikation als ab­hängige Variable des technischen Fortschritts erscheint. Er stellt eine autonomie-orientierte Arbeitsgestaltung vor, in der die Ziele des Innovationsprozesses von den Arbeitenden selbst bestimmt werden, "die arbeitsorganisatorischen Inno­vationen auch die strukturellen Bedingungen der Arbeitssitua­tion zu verändern suchen" und "institutionelle Regelungen angestrebt werden, die den Arbeitenden die Mitentscheidung über die betriebliebe Verwendung ihrer innovativen Ideen sichern." 1 ) Die enge Anbindung von Qualifizierungsprozessen an die unmittelbaren Anforderungen des Produktionspr9zesses wird zugunsten eines Konzeptes überwunden, wonach die Ar­beitenden neben den fachlichen, technischen Qualifikationen auch über ein Potential an "innovatorischen" Qualifikationen verfügen, das, aktualisiert und ausgebildet, zur autonomen sozialen Gestaltung der Arbeit und ihrer Bedingungen befä­higen kann. Der bisher rein technische objektive Arbeits­anforderungen widerspiegelnde Qualifikationsbegriff wird um die Subjektseite erweitert und erhält einen "ganzheitlichen" Charakter. Die Qualifikation der Arbeitskraft wird definiert

"unter funktionalen Gesichtspunkten als Fähigkeit zur Be­wältigung von Arbeitsaufgaben (funktionale oder fachliche Qualifikationen); unter dem Aspekt der aktiven Auseinander­setzung mit betrieblichen Arbeitsaufgaben, die zur Ver­änderung von Elementen der Arbeitsorganisation führen kann, stellen sie ein innovatorisches Potential dar." 2)

Der "autonomie-orientierte" Ansatz stützt sieb auf die These von LUTZ und anderen Autoren 3 >, daß mit fortschreitender technischer Entwicklung eine zunehmende Flexibilität bin­sichtlieb der Gestaltung arbeitsorganisatoriscber-Maßnahmen - auch ohne Impulse durch technische Neuerungen - entsteht. Die Synthese von technisch-organisatorischen Veränderungen und begleitenden Qualifizierungsmaßnahmen ermöglicht die strategische Organisation von Industriearbeit als Lernpro-

1) FRICKE (1976), S. 871 23) FRICKE/FRICKE (1975), S. 8

) z.B. LUTZ (1969), MICKLER, u.a. (1975), FRICKE, u.a. (1976)

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zeß; sie genießt im Rahmen der "Humanisierung des Arbeits­lebens" großen Stellenwert. 1 ) Theoretische Fundierung er­hält das Konzept autonomie-orientierter Arbeitsgestaltung durch den von LEMPERT ausgearbeiteten Begriff der "beruf­lichen Autonomie" 2), der später durch den dynamischer an­mutenden Emanzipationsbegriff ersetzt worden ist. 3)

Trotz der durchweg positiven Resonanz, die der Ansatz FRICKE's vor allem in Verbindung mit dem FEINER Forschungsprojekt 4 ) für sich verbuchen kann, ist kritisch anzumerken, daß die Begründung der Möglichkeit und Notwendigkeit der Erzeugung "innovatorischer" Qualifikationen nicht stichhaltig gelingt. Da FRICKE die Bedeutung der konservativen betrieblichen Herrschafts- und Organisationsstruktur unterschätzt, werden innovatorische Qualifikationen exogen, als unabhängige Va­riable in den Qualifikationszusammenhang eingeführt und kön­nen allenfalls empirisch nachgewiesen, nicht aber auch theo­retisch begründet werden. Weil FRICKE.innovatorische Quali­fikationen nicht eigens kontrastiert mit den gesellschaft­licher Arbeitsteilung geschuldeten stark verengten und spezialisierten Qualifikationsanforderungen, kann er die Frage nach der Möglichkeit der Durchsetzung und Realisierung von innovatorischen Qualifikationen als Aufhebung entwick­lungsbeschränkender, für Teilarbeiten reservierter Spezial­fertigkeiten zu allgemeinen Befähigungen nicht beantworten.5)

1) Vgl. z.B. die Berichte zum FEINER HdA-Forschungsprojekt bei FRICKE/FRICKE/STIEGLER (1979) und FRICKE/FRICKE, u.a. ( 1980)

2) Vgl. LEMPERT/THOMMSSEN (1974) und LEMPERT (1977 b) 3~ Vgi. LEMPERT (1977 b), S. 310 4 Vgl. Fußnote 1 5 LENHARDT z.B. kritisiert am autonomie-orientierten Ansatz,

daß nicht beantwortet wird "die Frage nach den sozial­strukturellen Determinanten der gegenwärtigen Form der Arbeitsteilung", die Frage nach "den Sozialstrukturellen Entwicklungstendenzen ••• , die ein sanktionsfähiges ge­sellschaftliches Interesse an den anvisierten Veränder­ungen entstehen lassen" und schließlich die Frage nach den "Möglichkeiten, welche der Wissenschaft offenstehen, als Subjekt im politischen Tageskampf tätig zu werden." LENHARDT (1977), S. 330

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2.1.3 Der "betriebs-orientierte" Ansatz

Der betriebsorientierte Ansatz des Instituts für Sozialfor­schung (ISF) München hebt sich von den beiden oben genannten Ansätzen dadurch ab, daß er den Faktor Technik nicht als endogene, sondern als exogene Variable begreift und die Qualifikationsentwicklung der Arbeitnehmer als Ausdruck spezifischer betrieblicher Strategien bestimmt. Die Autoren des ISF wollen

"über die 'Unmittelbarkeit' des Vorgefundenen durch Re­kurs auf gegebene gesellschaftlich-historische Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise hinaus gehen." 1)

Sie charakterisieren die technisch-organisatorische Gestal­tung von Produktionsprozessen als strategische Variable, mit der die Betriebe ihre Autonomie gegenüber sich wandeln­den gesellschaftlichen Ansprüchen verteidigen und ihre ökonomischen und sozialen Interessen trotz veränderter Pro­duktionsbedingungen realisieren können.

Das Konzept der "unternehmerischen Autonomiestrategien" als Vermittlungsinstanz der Elastizitätsbereiche zwischen Pro­duktions- und Bildungssystem hat unter der gleichzeitigen Berücksichtigung der Möglichkeit des Entstehens von Gegen­macht im Betrieb für die industriesoziologische Bildungs­forschung und insbesondere für die HdA-Problematik eine nicht zu unterschätzende Erklärungskraft.

Dem betriebsorientierten Ansatz ist vorzuwerfen, daß er in

der zu starken Gewichtung betrieblicher Strategien das "Subjekt" von Veränderungen in der Arbeit zu sehr und aus­schließlich im Betrieb selbst sieht und damit der Möglich­keit der Veränderung der Arbeitsbedingungen ~urch die Ar­beitenden zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. 2

1) ALTMANN/BECHTLE (1971), S. 9, vgl. auch ALTMANN/BECHTLE/ LUTZ (1978)

2) Vgl. die Kritik von FRICKE/FRICKE ( 1975), S. 8: "Unsere Kritik richtet sich vor allem darauf, .daß das Subjekt der Strategien zur Gestaltung des technisch-organisatorischen Wandels im Industriebetrieb ausschließlich der nach sei­nen Interessen handelnde Einzelbetrieb ist, wenn man al­lein von der Existenz unternehmerisoher Autonomiestra­tegien ausgeht, wie es seit dem Erscheinen .der zitierten Arbeit von ALTMANN/BECHTLE in den einschlägigen Veröffent­lichungen des Instituts für Sozialforschung der Fall ist."

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2.1.4 Der Ansatz der Projektgruppe "Automation und Qualifi­kation"

Das Konzept der Berliner Projektgruppe geht von der norma­tiven Betrachtung des Menschen als einem tätigen, zur Ent­wicklung fähigen und sich in der Tätigkeit veränderden aus. 1 ) Unter Rückgriff auf die Geschichte der menschlichen Arbeit 2), der MARX'schen Analyse der Kooperation 3 ) und klassischer industriesoziologischer Arbeiten zum Verhältnis von sozialen Bedingungen und sachlicher Zusammenarbeit 4 ) - das sie neu bestimmen und wieder fruchtbar machen wollen 5) - versuchen sie die bereits 1975 formulierte und bis heute vielfach widereproebene These 6 ) "Automation führt zur Höherqualifi­kation" 7 ) theoretisch und vor ~llem empirisch 8 ) näher zu begründen. Methodischer Imperativ der Forschergruppe ist die "Suche" nach dem progressiven "Neuen", und der Erforschung der Bedingungen, die die erscheinende Entwicklung in der Form dieses 11Neuen11 hervorgebracht bzw. möglich gemacht ha-

~1~ vgl. Projektgrurpe (1978 b), s. 64 Vgl. HAUG (1975 , S. 91 und Projektgruppe (1978 a) Vgl. MARX (1972 , (MEW 23), s. 345: "Abgesehen von der neuen Kraftpotenz, die aus der Verschmelzung vieler Kräfte in eine Gesamtkraft entspringt, erzeugt bei den meisten·produktiven Arbeiten der bloße gesellschaftliche Kontakt einen Wetteifer und eine eigene Erregung der Lebensgeister (animal ßpirits), welche die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen erhöhen." ·

·4) Z.B. POPITZ, u.a. (1957), die nach der "sozialen Bedingt­heit der Arbeit durch die Arbeit selbst" fragen (S.47), und unter "gefügeartiger Kooperation" solche Arbeits­formen verstehen, in denen das Zusammenarbeiten durch die technischen Anlagen selbst bedingt ist. KERN/SCHO­MANN (1970) fassen die Zusammenarbeitsform von Maßwarten unter dem Begriff der "technisch-kolonnenartigen Ko­operation" (S. 134). Auch das SOFI widmet sich der Unter­suchung kooperativer Anforderungen unter dem Aspekt der "sozial-kommunikativen Anforderungen", vgl. MICKLER, u.a. (1976), s. 431 f. Die Arbeiten lassen erkennen, daß das Forschungsinteresse auf die Möglichkeiten und die Art und Weise des Sozialkontakts in der Arbeit gerichtet ist. Die tachnologische Bedingtheit der Forschungsweise ver­hinderte aber die "Suche" nach den Anforderungen des kooperativen Arbeitens, die in diesen Kontakten realisiert werden, Vgl. genauer Projektgruppe (1980), s. 186 ff.

65) Projektgruppe (1980), s. 187 f. ) Vgl. dieneueren Kritiken BRACHT/LOHMANN (1979), WAGNER

(1979), PREISS (1979), GUTZLER (1979) zit. b. PAQ (1980), a7) Vgl. HAUG (1975) s. 237

) Außer dem vorliegenden Band Automationsarbeit: Empirie 1 ·erscheinen demnächst zwei weitere Bände zur Empirie.

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ben. 1 ) Das "Neue" im Bereich der Meßwartentätigkeit und. der Arbeit an NC- und CNC-Maschinen besteht in zunehmender Ko­operation und einer Zurücknahme der Teilung der Arbeit. NC-Maschinenbediener werden Programffiierer oder kooperieren mit den Programmierern. Diese sind angehalten, ihr prak­tisches Produktionswissen mit Ingenieuren auszutauschen, weil die Arbeitsaufgaben an den komplizierten Maschinen immer we­niger "von oben" vorgegeben werden können. Je komplexer und teurer die Maschinerie ist, umso mehr wiegt der Ausfall der Maschine oder Anlage infolge fehlerhafter Programme oder/und mangelnder Kenntnisse und Kompetenzen der Maschinenbediener. Zunehmend werden deshalb Facharbeiter an Ne-Maschinen abge­stellt, die auch Programmierkenntnisse erwerben sollen. 2) Die Meßwartentätigkeit erfordert hohe Qualifikation und ständiges Dazulernen zur Prozeßo)timierung. Das kompetenz­überschreitende "Herumspielen" 3 an den Anlagen, die kollek­tiven Diskussionen über Störungsbeseitigung und Steuerungs­optimierung vermitteln ein besonderes Prozeßwissen, das zu­nehmend der Kontrolle der Meister und Ingenieure entgleitet. Die Meßwartenfahrer gewinnen große Dispositionsmöglichkeiten und Selbstbewußtsein. Sie sind die aktivsten in der Gewerk­

schaft. 4 )

1) Vgl. Projektgruppe (1980), S. 35: "Jedes einzelne Neue kann also über das Wesen des Prozesses mehr aussagen als die Ermittlung des gegenwärtigen Durchschnitts. So wie ein einzelner Mensch, der als nicht käuflich erfahren wird, mehr über die Wesenskräfte des Menschen aussagt als die Statistik über die Käuflichkeit der anderen."

32) Vgl. Projektgruppe (1980), s. 165 ff. und S. 202 ff. ) Vgl. Dies., s. 133 ff.

4) Die hohe Qualifikation der Meßwartenarbeiter und das Be­streben der Betriebe, die Kontrolle über den Produktions­prozess aufrechtzuerhalten, wird in der folgenden Äußerung eines Betriebsleiters deutlich, der von den hohen Kennt­nissen und Fähigkeiten der Meßwarte wenig zu halten schien: "Es ist ein Märchen, daß die Anlagenfahrer optimieren sie wollen keine Entscheidungen treffen." -"Wir lassen si~ Protokolle schreiben, aber das ist eine reine Erziehungs­maßnahme, damit sie überhaupt auf die Anlage schauen. Zum Glück brauchen wir diese Protokolle nicht wirklich denn sie werden sowieso gefälscht."- "Einen Schichtleifer ha­ben wir nur noch aus disziplinarischen Gründen, er muß da­rauf achten, daß die Leute was tun. Da er aber aus den Reihen der Gewerblichen kommt, hält er zu ihnen so daß wir oft nicht erfahren, was im Betrieb los ist. Ir - "Bei den Anlagenfahrern ist keine direkte Kontrolle möglich. Sie haben zuviel Freizeit, da reden sie dauernd über Lohn­fragen; sie sind die aktivsten in der Gewerkschaft." Projektgruppe (1980), S. 184, 185

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Die Berliner Projektgruppe erbringt den empirischen Beweis für steigende Anforderungen durch die Automatisierung vor allem auf den Dimensionen Kooperation und Kognition. Sie konnte zeigen, daß die Kontrolle des Kapitals über die Pro­duktion an einen Punkt gerät, an dem die Abhängigkeit des Kapitals von der lebendigen Arbeit wächst. Das Mißtrauen des Kapitals der menschlichen Arbeit gegenüber, was sich im

Mißtrauen der Ingenieure den Arbeitern gegenüber reproduziert, muß sich '-'eines Besseren belehren lassen." Die "Ideologie der Kontrolle" 1 ), die neben den ökonomischen Bestimmungen das andere wesentliche Moment für den Drang nach vollständiger Automatisierung ist 2), wird allmählich brüchig. Vor dem Hin­tergrund der Disposition und Kompetenz beschränkenden Kon­stitutionsbedingungen kapitalistischer Produktionsweise, ist die Widersprüchlichkeit objektiv erforderlicher Kompetenz bei den Meßwarten und NC-Maschinenbedienern und deren Be­schränkung durch den Herrschafts- und Kontrollanspruch der Betriebe,zum Gegenstand gesellschaftlicher Interessenausein­andersetzungen· sowie sozialwissenschaftlicher Forschungs­bemühungen zu machen. "Höherqualifizierung durch Automation" bedeutet daher nicht, daß sich diese einfach linear durch­setzt, sondern,daß die neuen Formen der widersprüchlichen Entwicklung in dem "Verhältnis von Selbstbestimmung und Fremdbestimmung in der Arbe:i:t" 3 ) mehr ln Richtung Selbstbe­stimmung verschoben sind und weiter verschoben werden müssen.

Das "Neue", das sich für Anlagenfahrer und.NC-Maschinenbe­diener in zunehmender Kooperation und Zurücknahme der Tei­lung der Arbeit zu materialisieren beginnt, muß als Moment der B?Zialen Beziehungen der Produktion und damit von diesen abhängig betrachtet werden. Unter den von der Projektgruppe untersuchten 72 Maßwartenarbeitsplätzen fand sich nur ein einziger, der in qualifikatorischer Hinsicht dem Kriterium einer "menschengerechten" Arbeitstätigkeit einigermaßen ent-

1~ Vgl. NOBLE (1979), S. 18 2 Ders., s. 18 ff. 3 Projektgruppe (1980), s. 33

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sprach. 1 ) Im Bereich der NC-Maschinenbediener sieht es ähn­lich ungünstig aus. Programmierkurse wurden kaum angeboten, die Arbeiter mußten sich rudimentäre Kenntnisse selbst an­eignen. Wenn man weiter bedenkt, daß in den späten 50er Jah­ren vorbergesagt wurde, daß beute mindestens 75% der Werk-. zeugmaschinen numerisch gesteuert sein würden, es aber nicht einmal ganze 2% sind 2 ), fragt es sieb, inwieweit sieb die Ergebnisse der Projektgruppe überhaupt verallgemeinern las-sen.

Es bat den Anschein, als ob die Autoren die Verwirklichung einer "arbeitnebmergerecbten" Qualifizierung für alle Ar­beitenden von der sieb irgendwann einmal durchsetzenden Automatisierung aller Produktionsbereiche abhängig machen. Damit begreifen sie technische Entwicklung nicht eigentlich als das Resultat sozialer Beziehungen, sondern machen glau­ben, daß die soziale Bedingtheit der Technik erst dort an­fängt, wo der Widerspruch zwischen objektiv notwendiger Quali­fikation und deren Beschränkung durch das Kapital evident zu werden beginnt, nämlich im Bereich vollautomatisierter Produktionsprozesse. Ist damit einer Minderheit der Arbeiten­den, den Anlagenfahrern und NC-Mascbinenbedienern, augen­scheinlich "geholfen", werden auf der anderen Seite wesent­liche Momente der Stellung des Menschen im Produktionspro-zeß aus der Analyse herausgehalten. Fragen der Sicherung des Arbeitsplatzes, der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der

1) Vgl. Projektgruppe (1980), S. 184: "Die Metallfacharbeiter und Facharbeiter aus landwirtschaftlieben Berufen erhiel­ten vor Inbetriebnahme dieses petrocbemiscben Werkes eine zweijährige praktische und theoretische Ausbildung. Der praktische Teil war Anlernen durch Simulation an der noch n~cht in Betrieb genommenen Anlage, theoretisch lernten s~e Grundlagen der Physik und Chemie, Funktionsweise von Pumpen, Kompressoren, sowie die Funktionsweise der Ge­samtanlage." Auf' diese Ausbildung baut ein 5-6 jähriges Weiterbil~~ssy~tem auf.

2) Vgl. NOBLE ( 1979), S. 31 ;·die. absolute Steigerung von NO-Maschinen ist wesentlich höher als die relative; die PROJEKTGRUPPE (1975), S. 239 gibt für das Jahr 1973 0,3% NO-Maschinen nach Stückzahl aller Werkzeugmaschinen an - in einzelnen Branchen (Maschinenbau) jedoch bis 26%. SCHULZ-WILD/WELTZ (1973), S. 30, geben die Sättigungs­grenze des NO-Maschinen-Einsatzes bei 21% aller Werk­zeugmaschinen an.

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Entwicklungsrichtung der Produktion, des Lohnes oder der Möglichkeit der Bildung und Weiterbildung werden nicht ex­plizit behandelt. Wenn die Projektgruppe selbst der wissen­schaftlich-technischen Revolution die aktive Rolle für den Übergang zum Sozialismus zuschreibt 1), ist der Vorwurf ei­ner technologie-orientierten Höherqualifizierungsthese und einer "Höherqualifizierungseuphorie" nicht mehr von der Hand zu weisen. RUGEMER hat diese "Huldigung" eines "ökonomis­tischen Determinismus" wie folgt kritisiert:

"Indem die Projektgruppe den subjektiven Faktor und die Hauptproduktivkraft Mensch ausblendet zugunsten der gegen­ständlichen Elemente der Produktivkräfte, entgehen ihr sowohl die Verschlechterungen in der gesamten Stellung der Lohnabhängigen als auch auf der anderen Seite die Notwen­digkeit der Möglichkeit ihres umfassenden (ökonomischen, politischen, ideologischen) Kampfes und der nur dadurch möglichen ttberwindung des Kapitalismus." 2)

Es ist das Verdienst der Projektgruppe mit dem Verweis auf die befreienden Potenzen der Produktivkraftentwicklung die resignativef Tendenzen "linker" Bildungsökonomen erschüttert zu haben. 3 Ihr Qualifikationsbegriff "Bildung als Ausbil­dung für Arbeit" 4}, der sich am "Fernziel der allseitig entwickelten Persönlichkeit als praktisches Produktionser­fordernis" 5) orientiert, ist aber wenig geeignet die Hoff­nung auf e~ne menschliche Gesellschaft bei denen zu begrün­den, die diese Hoffnung ger~de aufgegeben haben. Weil "Bil­dung als Ausbildung für Arbeit" als Resultante ökonomisch­technischer Bedingungen erscheint, ist der Zusammenhang zur allgemeinen und politischen Bildung verwischt. Allgemeine und politische Bildung kann daher nur noch al·s durch die Automation selbst induziert gedacht werden. 6)

1~~ HAUG (1975), S. 96 RÜGEMER (1977), S. 309 Dieses Verdienst gebührt z.B. OHM, u.a. (1975), HAUG (1974), PROJEKTGRUPPE (1973)

~4~ Vgl. PROJEKTGRUPPE (1973), S. 13 HAUG (1974), S. 908 Die PROJEKTGRUPPE hat in ihrem Konzept "Bildung als Ausbildung für Arbeit" allgemeine und politische Bildung sicher mitgedacht

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2.1.5 Zusammenfassung

Die Ergebnisse der industriesoziologischen Studien sind zweifellos ein wichtiger Beitrag zur Analyse der wirklieben betrieblieben Verhältnisse. Zu keiner Zeit wurde den restrik­tiven und repetitiven Bedingungen von Industriearbeit soviel Aufmerksamkeit geschenkt. Die These von der Polarisierung und Differenzierung des betrieblieben Arbeitskräftekörpers, sowie die Analyse der dahinter stehenden betrieblieben Stra­tegien haben zu großer Ernüchterung binsichtlich der Mög­lichkeit innovatorischer Veränderungen geführt. Das "Gegen­konzept" dazu versprechen der "autonomie-orientierte" und der Ansatz der "Höberqualifizierung durch Automation", die jedoch die Möglichkeit von Innovationen hypostasieren und mit den realen gesellschaftlieben und betrieblichen Ver­hältnissen nicht mehr kompatibel sind.

Die PROJEKTGRUPPE betrachtet "Technik" als endogene Größe, indem sie ihr ein emanzipatorisches Potential qualifi­kationserhöbender Wirkungen zuschreibt; in technologie­orientierter Tradition stehend, überschätzt sieb das "Neue" von der Automation geschuldeten Anforderungen und schürt un­begründete Hoffnungen auf eine "Automations-induzierte" Höherqualifizierung. Der Ansatz von FRICKE löst demgegen­über subjektive Arbeitsqualifikationen aus ihrem Zusammen­bang zu objektiven betrieblieben und gesellschaftlieben Ver­hältnissen; theoretisch nicht begründet und innovatorische Qualifikationen als endogenen Faktor begriffen, hypostasiert er innovative Potenzen der Arbeitenden.

Hinsiebtlieb der Bestimmung von "Qualifikation" und "Quali­fizierung" lassen die einzelnen Ansätze erkennen, daß tech­nische und organisatorische, betriebs- und individuumsbe­zogene Determinanten von Anforderungen zu berücksichtigen sind. Ein sozialwissenschaftlieb fundierter Qualifikations­begriff muß die unterschiedlichen Bezüge in adäquater Weise widerspiegeln.

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Wesentlich dabei sind die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen inneren (Individuum) und äußeren (Technik, Arbeits­organisation, Betrieb) Merkmalen, Bedingungen und Voraus­setzungen. Dies setzt eine ganzheitliche Betrachtungsweise der verschiedenen in Wechselwirkung stehenden Faktoren und Komponenten voraus.

Wesentlich ist ferner die in dem dialektisch verstandenen Schema von Subjekt-Qualifikation-Objekt angelegte Auffassung der Wechselwirkung als einer progressiven bzw. regressiven Dynamik. Die progressiven oder regressiven Einwirkungen objektiver oder subjektiver Gegebenheiten und Entwicklungs­prozesse müssen dabei in ihrer Qualität ausgewiesen und auf progressive oder regressive subjektive wie objektive ~­Wirkungen bezogen werden.

Erst die ganzheitliebe Betrachtungsweise erlaubt die Beant­wortung der Frage, ob einzelne Aspekte von Qualifikation und Qualifizierung atomisierte, parzellierte und entfremdete Qualifikations.bestandteile sind, oder ob und inwiefern sie die Arbeitenden befähigen, darüber binaus ihre Klasseninter­essen perspektivisch durchzusetzen und an gesellschaftlichen Veränderungsprozesses teilzunehmen.

Vor dem Hiptergrund der erweiterten Perspektive sozialwissen­schaftlicher Anforderungen an einen Qualifikationsbegriff wird im nächsten Abschnitt der Beitrag der Qualifikations­forschung in ihrer wesentlichen Ausprägung als Arbeitskräf­te- und Berufsforschung ausgewiesen.

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2.2 Die Qualifikationsforschung im Kontext beruflieber Qualifizierung

Fragen des Verhältnisses von Bildungs- und Beschäftigungs­system wurden mit dem Einsetzen der wirtschaftlieben Re­zession 1957 auch ftir die Qualifikationsforschung relevant. Die Verknappung des Arbeitskräftemarktes, insbesondere ftir qualifizierte Arbeitskräfte, und die "technologische Lticke" gegentiber den USA und der Sowjet-Union (Sputnik-Schock) rie­fen die nationalökonomieeben Wachstumsforscher auf den Plan, die glaubten, mit der Erhöhung des "Humankapitals" Bildung auch höheres wirtschaftliebes Wachstum induzieren zu können. Als der zentrale "fortscbrittsweisende" Faktor stand der "technische Fortschritt" schlechthin, der höhere Bildung nicht nur im Zusammenbang mit größerer wirtschaftlieber Pros­perität, sondern auch als relativ autonome Variable als "Btirgerrecbt auf Bildung" 1 ) zu legitimieren glaubte. Die den beiden relativ unvermittelten Positionen entsprechenden theoretischen Schulen haben sieb im "manpower-approacb-An­satz" 2 ) auf der einen, und im "social-demand-approacb-An­satz" 3) auf der anderen Seite niedergeschlagen. Nachdem das ISF München die Auffassung als falsch nachgewiesen hatte, daß eine Parallelität bestehe zwischen wirtschaftlich-tech­nischer Entwicklung und dem Bedarf an qualifizierten Arbeits­kräften 4), wurde die Problematik und strategische Bedeutung von Anpassungsvorgängen im Beschäftigungssystem in den Vor­dergrund der Forschung gerUckt. Die Arbeiten von MERTENS zum Konzept der 11 Scbltisselqualifikationen11 5>, sowie der Substitutionsansatz des Instituts ftir Arbeitsmarkt- und Be­rufsforscbung (IAB) waren von dem praktischen Interesse be­stimmt, Qualifikationen und Qualifikationsmerkmale zu identi­fizieren, die relativ allgemein verwendbar sind und somit größere Flexibilität und Mobilität ermöglichen. Damit sollte die möglichst reibungslose Anpassung der Arbeitskräfte an sieb verändernde Produktionsvoraussetzungen gewährleistet sein.

21) Vgl. ) Vgl.

3~~ Z.B. VgL Vgl.

DAHRENDORF ~ 196 5 ~ z.B. RIESE 1967 , WIDMAIER (1966), BOMBACH DAHRENDORF 1965 KAMMERER/LUTZ/NUBER ( 1970) die kurze Darstellung bei MERTENS (1975)

(1974)

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Die Qualifikationsforschung, die eigentlich Arbeitskräfte­forschung war, hat mehr Probleme hinter sich gelassen als . gelöst. Dem Generalsekretär des Bundesinstituts für Berufs­bildung HECXENAUER greift sie "zu kurz, wenn sie es sich

zum Ziel setzt,· flexible Berufe zu benennen •••• Die bäui'ig anzutreffende These von der Zunahme 'extrafunktionaler' Qualifikationen ist empirisch nicht belegt. Es ist zudem zu überlegen, ob nicht schon durch die Begriffsverwendung die Nachfrageseite nach Qualifikation in unangemessener Weise in den Vordergrund gestellt wird •••• Die aktuelle kontroverse Diskussion der Dequalifizierungstbese sowie der Höherqualifizierungsthese wird empirisch, wenn über­haupt, nur durch Fallstudienergebnisse belegt. Eine Gener­alisierung ist nicht ohne weiteres möglich •••• In Arbeiten zur Qualifikationsforschung wird der Begriff des Fachar­beiters mit unterschiedlichen Interpretationen verwandt • ••• Die Nachfrage der Betriebe nach Arbeitskräften ist nur ein Faktor zur Bestimmung qualifikatorischer Ziele." 1)

Die Ergebnisse eines Colloquiums des Bundesinstituts für Be­rufsbildung "zum gegenwärtigen Diskussionsstand in der Quali­fikationsforschung" 2 ) im Januar 1979 unterstreichen die Un­möglichkeit "autonomer" Entwicklungsprognosen der Qualifi­kationsstruktur, weil diese stets das Produkt sozialer Inter­essenauseinandersetzungen und sehr verschiedener und verschie­den autonomer Einflußfaktoren sind. Übereinstimmung herrscht hinsichtlich des Mangels an generalisierbaren empirischen Ergebnissen sowie unzureichender methodischer und theore-tischer F~dierung. 3) .

Vor grundsätzlich denselben Schwierigkeiten steht die Expli­kation eines Qualifikationsbegriffs. In einer Literaturdoku­mentation kommt das IAB zu dem ernüchternden Ergebnis,

"daß die Qualifikationsforschung im Grunde viele Aufgaben noch nicht gelöst hat; es ist bisher weder gelungen, einen konsensfähigen Qualifikationsbegriff zu erarbeiten, noch schlÜssige Anhaltspunkte über die gesamtgesellschaftliche Entwicklung der Qualifikationen und Qualifikationsanforder­ungen und ihrer Determinanten zu gewinnen, noch eine Trans­formation von Qualifikationsanforderungen in formale Bil­dungs- und Ausbildungsinhalte durchzuführen." 4)

Vor dem Hintergrund des Ungenügens bisheriger Begriffsbil-

~1~ HECXENAUER (1979), S. 7-9 Bundesinstitut für Berufsbildung (1979) Vgl. auch FREI/BAITsCH ( 1979): "Zum Stand der Qualifika­tionsforschung", $. 54 - 82 . .

4) IAB (1978), siehe "Zum Thema" bei "Ausblicke" (ohne Sei-tenangabe) .

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dung werden im nächsten Abschnitt in aller Kürze die wesent­lichen Begriffsbestimmungen von Qualifikation expliziert, sowie die Notwendigkeit der Einbettung der Erarbeitung eines Qualifikationsbegriffs in den theoretischen Bezugsrahmen ge­sellschaftlicher Arbeit und Bildung begründet.

2.2.1 Zum Qualifikationsbegriff in der Qualifikationsfor­schung

Den Qualifikationsbegriff in der Qualifikationsforschung gibt es nicht:

"Bei Durchsiebt der einschlägigen Literatur und der rele­vanten ökonomischen und industriesoziologischen Untersu­chungsberichte ist allerdings festzustellen, daß ein über­zeugender, konsensfähiger Qualifikationsbegriff nicht vor­handen ist." 1) "Die Versuebe innerhalb der Qualifikationsforschung, den gesellschaftlichen Bedarf an Qualifikation aus der Arbeits­platzstruktur abzuleiten, müssen als gescheitert betrachtet werden. Sie haben - und das ist eine Konsequenz ihres An­satzes - zu einem verengten Qualifikationsbegriff geführt, der die Komplexität der realen Zusammenhänge, etwa dem zwischen Ausbildun~s- und Beschäftigungssystem, nicht mehr erreichen kann." 2)

Entgegen den technologie-orientierten, objektivierenden Qualifikationsbegriffen und ihre~ durch KERN/SCHUMANN's "prozeßu.."'lspezifischen Qualifikationen" inspirierten und der Mobilitäts- und Substitutionsforschung abgerungenen Aufwer­tung,verstehen HUND/MATULL Qualifikation als "subjektive Bestimmung der Arbeitskraft". 3 ) Damit ist "die jeweilig spezifische Befähigung der konkreten, nützlichen Arbeit, sich bestimmte Bestandteile der Natur auf eine bestimmte Art und Weise anzueignen" 4 ) gemeint, und gleichzeitig eine Befähi­gung, die "vor der fetischisierenden Gewalt des Kapitals nicht verdampft." 5 ) Angesichts der Vernichtung von Qualifi­kation für den Großteil der in der materiellen Produktion

21) GÖRS (1979), S. 303 ) HOLLING/BAMME (1979), S. 11

3) HUND/MATULL, u.a. (1972), S. 1084 45) Dies., S. 1085

) Dies., S. 1085

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Beschäftigten, geben die Autoren davon aus, "daß mit der zunehmenden Verwissenschaftlichung des unmit­telbaren Produktionsprozesses sowie der der unmittelbaren Produktion vor- und nachgelagerten Bereiche der absolute Umfang und das relative Gewicht von Arbeiten (zunimmt, R.V.), die im wesentlic.hen geistiger Art sind. • •• Wird dies be­rücksichtigt, so muß die Diskussion von Qualifizierungs-und Dequalifizierungstendenzen auch den Bereich der wissen­schaftlichen und technischen Intelligenz mit einbeziehen." 1 )

HUND/MATULL, u.a. haben eine Perspektive aufgewiesen, die die Frage der Höherqualifizierung nicht nur auf einen be­stimmten Personenkreis und bestimmte objektive Anforderungen der Produktion bezieht, sondern die Berücksichtigung aller Lohnabhängigen, der objektiven und subjektiven Bedingungen und neben fachpraktischen und manuellen auch und vor allem geistig wissenschaftliebe Inhalte erforderlich macht.

1) HUND/MATULL, u.a. (1972), S. 1098, vgl. auch LENHARDT (1974), s. 68 mit dem Nachweis der Herausbildung 11 il)ller­betrieblicber Lenkungssysteme", die eine Differen~ierung der Arbeitskräftestruktur imp+izieren.

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Zusammenfassung

Im Qualif'ikationsbegrif'f', der vor etwa 15 Jahren den Bil­dungsbegriff abgelöst hat, kommt das charakteristische Be­dürfnis kapitalistischer Produktionsweise nach einem exakten, konkXeten, quantif'izierbaren, planbaren, prognostizierbaren, kurz, einer nüchternen Sachlichkeit unterworfenen, vom ideo­logischen Ballast befreiten und einem von der stofflichen Seite des Produktionsprozesses abgeleiteten und damit ver~ kürzten Tätigkeitsbegriffs zum Ausdruck.

Der Qualifikationsbegriff bezieht sich nicht auf' die ~­jektive Befähigung des Menschen und noch weniger auf' eine wertende Stellungnahme gegenüber den normativ zu bestimmenden Bedürfnissen der abhängig Beschäftigten nach "anspruchsvol­len" Arbeitstätigkeiten, sondern meint die objektivierbaren - quasi Eigengesetzlichkeiten unter~orf'enen - zu erfüllenden Funktionen im Arbeitsprozeß. Die Qualif'ikationsf'orschung, - mit dem technizistischen Begriff' von Qualifikation nicht mehr zufrieden-, sucht die Erweiterung in der Bezeichnung von Eigenschaften und Verhaltensweisen des Menschen. Da sie aber die subjektive Befähigung des Menschen nicht unabhängig von den Funktionen der Produktion selbst erf'aßt, sondern Be­griffe wie zum Beispiel "Fräsf'ähigkeit" (ironisierend: "Pud­dingkochvermögen") konstruiert, können diese Begriffsbil­dungen als "sprachliche Kurzschlüsse" 1 ) bezeichnet werden,

"die das Problem der aufzuklärenden Kausalkette von der Verhaltensvoraussetzung bis zu ihren Effekten verdecken." 2)

Der Qualifikationsbegriff verbleibt innerhalb seiner funk­tional-technologischen Eingebundenheit.

Eine darüber hinausgehende Bestimmung von Qualifikation muß die inneren Befäbigungen des Menschen als unabhängig von den Funktionen selbst auffassen und Qualifikation als gesell­schaftliches Gut und konkret-nützliches Glied gesellschaft­lichen Arbeitsvermögens bezeichnen, das innerhalb der Berei­che Produktion - Staatsbürger - Reproduktion in wechselsei­tigem und widersprüchlichem Austausch steht. Der damit im-

1) Vgl. BECK (1980), S. 358 2) Ders., S. 358

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plizierte ganzheitliebe Qualifikationsbegriff kann nicht länger nur auf die Belange der Produktion bezogen sein, son­dern muß ebenso die der unmittelbaren Produktion vor-, nach­und übergelagerten, auch die außerbetrieblichen Bereiche, in die Begriffsbestimmung mit einbeziehen.

Gleichzeitig ist aber auch danach zu fragen, welche sozio­strukturellen Bedingungen und Determinanten Qualifikationen konstituieren, weil nur so der technizistische Qualifika­tionsbegriff als reale "Widerspiegelung" gesellschaftlicher Verhältnisse sozialer Ungleichheit betrachtet und einer po­litischen Interessen und Intentionen zugänglichen Veränder~ ungspraxis verstanden werden kann. Da die Berufssoziologie ihr Verständnis von Qualifikation aus dem Kontext "beruf­licher Arbeitsteilung und sozialer Ungleichheit" schi:ipft, verspricht sie die Explikation des soziostrukturellen Hinter­grunds für die Erarbeitung sozialwissenschaftlicher Anfor­derungen an Qualifikation und Qualifizierung. Im nächsten Abschnitt wird dem subjekt-orientierten berufssoziologischen Ansatz von BECK/BRAT.ER ein besonderer Stellenwert eingeräumt.

2.2.2 Zum Qualifikationsverständnis der Berufssoziologie im Kontext "beruflicher Arbeitsteilung und sozialer Un­gleichheit"

Die ·bisherige Qualifikationsforschung hat die Frage nach der Erfassung und Klassifikation sowie den Entwicklungsprognosen industrieller Qualifikationspotentiale zu ihrem Problemgegen­stand. Die Frage nach relevanten soziologischen Determinanten und Bedingungen dieser Qualifikationspotentiale, und die Fra­ge nach politischen Interessen und Intentionen hat sie je­doch niemals explizit gestellt. 1 ) Wenn die Arbeitsmarktfor­schung in der Ermittlung von Fähigkai ten zur Anpassung an nicht-prognostizierbare Bedarfsentwicklungen daher möglichst "polyvalente Scblüsselqualifikationen" fordert, wel.che Mo­bilität und Flexibilität erzeugen sollen, so gerät ihr aus dem Blickfeld, daß die berufliebe Form gesellschaftlicher Ar-

1) Vgl. beispielsweise FREI/BAITSCH (1979), S. 54 ff.

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beitsteilung das Resultat sozialer Ungleichheit ist. Werden nämlich sozialstrukturelle, schichten- und klassenspezifische Ungleichheiten und die ihnen zugrundeliegenden Interessen­strukturen aus der Forschung ausgeblendet, so kann die "Be­ruflichkeit" von Arbeitsteilung weder als Produkt noch als MediUm der Durchsatzung sozialer Interessen gesehen werden. Arbeitsteilung und Berufsstrukturen sind dann nur noch tech­nisch-funktional bedingt und ansonsten an irgendwelchen, we­nig aussagenden Oberflächenphänomenen, wie z.B. den "extra­funktionalen Qualifikationen", aufgehängt. Die Konsequenz ist, daß Veränderungen der Qualifikations- bzw. Berufsstruktur nur noch als technisch-bestimmten Sachgesetzlichkeiten unter­worfen und der Möglichkeit gesellschaftspolitischer Eingrif­fe entzogen, gedacht werden können.

Gegen ein solch verkürztes Verständnis beruflicher Arbeits­teilung wenden sich BECK/BRATER 1 ) mit dem berufssoziolo­gischen Ansatz einer "subjektorientierten Soziologie". 2 ) Der zentralen Frage nach dem Zusammenhang von beruflicher Arbeitsteilung und sozialer Ungleichheit liegt das Inter­esse zugrunde,

"eine theoretische Perspektive zu entfalten, welche die soziale und persönliche Bedeutung arbeiteteiliger Differ­enzierungen - z.B. für die Interessenwahrnehmung der Ar­beitenden, für die Reproduktion gesellschaftlieber Ver­hältnisse, für politische Strukturen, usw. - zentral er­schließt." 3)

Uber die systematische und historische Analyse gesellschaft­licher Arbeitsteilungsformen zeigt sieb deren sozioökono­mische Bedingtheit und damit Veränderbarkeit. In waren­produzierenden Gesellschaften ist der Beruf an die Vertei­lung des gesellschaftlich produzierten Reichtums und damit an die dauerhafte Zuteilung beruflich vermittelter Sozial­chancen unter Machtverhältnissen und Ungleichheitsstrukturen gekoppelt. 4 ) Die sozialen Interessenauseinandersetzungen konstituieren eine "soziale Interessenverwirklichungsstruk-

1) Vgl. BECK/BRATER (1977), (1978 a), (1978 b) und BECK/ BRATER/TRAMSEN (1976)

2~ Vgl~ BECK/BRATER (1978 a), S. 8 3 Dies., S. 9 4 Vgl. den Aufsatz "Beruf, Herrschaft, Identität" in:

BECK/BRATER (1978 a), S. 12 - 73

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tur" 1 ), "die die Aufteilung unc;J. Bearbeitung gesellschaftlicher Aufgaben und Probleme - mehr oder weniger versteckt -zum Kampfplatz sozialer Auseinandersetzungen und zur Durcbsetzung von Verhältnissen sozialer Ungleichheit wer­den läßt." 2)

Die vorherrschende Auffassung von der "Funktionalität" und Zweckmäßigkeit beruflicher Form der Arbeitsteilung und Ar-

3) beitskraft erscheint daher "einseitig und fragwürdig." Vielmehr ist gemäß der MARX'scben Unterscheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft von ei­ner "doppelten Zweckstruktur" 4) des Berufs auszugeben, die darin besteht,

"einerseits objektiv Teil der gesellschaftlieben Problem­lösung und Bedürfnisbefriedigung zu sein, andererseits subjektiv ganz andersartige Eigenprobleme der Arbeitenden selbst zu lösen." 5)

Unter privatkapitalistischen Produktionsbedingungen über­wiegt die soziale Abhängigkeit und Fremdsteuerung der Ar­beitenden. Die Sozialstrukturelle Bedingtheit gesellschaft­lieber Problemlösung und Bedürfnisbefriedigung 6 ) spiegelt sieb in den beruflichen Kompetenzstrukturen in der Form der Beschneidung und Abgrenzung wider. Die Verankerung sozialer Ungleichheit in den Fähigkeitsstrukturen als berufliebe Kom­petenzbescbneidung erweist sieb· als objektive Herrschafts­technik. Soweit die Qualifi~ationsdiskussion in neutralen,. technischen Termini und Zielsetzungen über die Berufe spricht, _berührt sie lediglieb die Oberfläche soziostruktureller Be­dingungen und vernachlässigt gerade, daß sieb soziale Un­gleichheit in beruflieben Kompetenzstrukturen konkretisiert und reproduziert. 7) Die Diskussion um neue Arbeitsformen

1 Vgl. BECK/BRATER (1978 a), S. 185 ff. 2 Dies., S. 185 3 Dies., S. 10 4 Vgl. Dies., s. 142 ff. 5 Dies., S. 142, 143 6 Vgl. Dies., s. 153: "In Tauschgesellschaften sind also

nicht die tatsächlichen Bedürfnisse und Problemlagen un­mittelbar dafür entscheidend, was und was nicht Inhalt beruflicher Arbeitsprozesse bzw. Fähigkeitsentwicklungen wird, sondern die ökonomischen Konstellationen und Ver­hältnisse, unter denen sie entstehen und artikuliert wer­den."

7) Vgl. BECK/BRATER (1978 a), S. 165

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vergißt dann die Berücksichtigung der herrschaftssichernden ,hierarchischen Strukturen, die Kompetenzschneidungen real erlebbar und praktisch wirksam werden lassen und damit In­kompetenz über "Unfähigkeitsdefinitionen" in anderen Berei­chen massenweise ausweiten. BECK/BRATER zufolge wächst mit wachsender ·Rigidität und Differenzierung der beruflichen Kompetenzstrukturen daher zugleich die Wahrscheinlichkeit,

"daß tatsächlich vorhandenes menschliches Arbeitsvermögen, -wissen und -interesse ungenutzt und unentwickelt bleibt bzw. durch seine eingeschränkte, hierarchiekonforme 'Nut­zung' zu einem Unvermögen 'umdiszipliniert' wird." 1)

Auf der Ebene der Kooperation zwischen den Arbeitenden ver­hindern berufsimmanente Konkurrenz- und Interessenverhält­nisse die Aufweichung und Verschiebung des Zusammenhangs von Kompetenz und Inkompetenz. Die dabei ohnehin zu erwar­tenden Konflikte zwischen verschiedenen Arbeitskräftegrup­pen verweisen auf die Starrheit gesellschaftlicher Arbeits­teilungsstrukturen.

Die sozialen Konsequenzen der Ab- und Ausgrenzung von Kom­petenz und Inkompetenz sind weitreichender Art für die so­zialen und persönlichen Lebensbedingungen der Arbeitenden. Die Berufsinhalte sind weitgehend instrumentalisiert für die Zwecke kapitalistischer Tauschwertproduktion. Probleme und Bedürfnisse der Gesellschaft werden in den Berufen nicht wirk­lich gelöst, sondern lediglich "verwaltet", ständig neu re­produziert und gar verschärft. Die herrschende Kompetenzver­teilung verhindert auch Selbstbestimmung und die Entwick-lung demokratischer Strukturen. Kompetenzen sind nämlich nicht Eigenschaften von Personen, sondern definieren soziale Relationen,

"in denen den besonderen Fähigkeiten der Spezialisten die Disposition der übrigen gegenübersteht, sich selbst ent­sprechende Fähigkeiten abzusprechen, persönliche Belange dem Eingriff anderer zu unterwerfen und die Lösung der eigenen Probleme in die Hände von 'Experten' zu legen." 2)

Weil jeder nur noch in "subalternen" Kompetenzbereichen denkt und handelt - die objektiven Kompetenzstrukturen durch Inter­nalisierung zu subjektiven, persönlichen geworden sind -

1) BECK/BRATER (1978 a), S. 169 2) Dies., s. 182

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bedeutet dies in der Terminologie BECK/BRATER's "auch Zweifel am eigenen Urteil, Zurückweisimg der eigenen Verantwortung, Beschneidung realer Selbstbestimmungsmög­lichkeiten und Aufgabe eigener Eingriffs- und Handlungsbe­reitschaft in allen Bereichen jenseits der eigenen 'Kom­petenz' : Sie kann Unrecht geschehen lassen, weil 'von Be­rufs wegen' die Sicherheit fehlt, ob es auch wirklieb Un­recht ist. Die Ausbreitung des Berufsprinzips hat zur Fol­ge, daß spontane Stellungnahmen, auch spontaner Protest unterbleiben, weil man kein 'Experte' auf diesem Gebiet ist und sich selbst nicht erlauben darf, dem eigenen Ein­druck, dem eigenen Bedürfnis zu glauben. Hier wird sicht­bar, daß die Durcbsetzung von Kompetenzstrukturen - inso­fern ihnen nicht zentrale Tendenzen entgegenwirken - in eine Verhinderung, Verleugnung und Verkümmerung von Selb­ständigkeit, Spontaneität und Initiative, in die negative Utopie einer zug~eich vollkommen hilflosen und vollkommen kompetenten Gesellschaft einmündet." 1)

Schließen sieb also Kompetenzstrukturen und demokratische .Strukturen wechselseitig aus 2), so sind Bemühungen der De­mokratisierung der Gesellschaft nicht so sehr und ausschließ­lich auf den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit auszu­richten, sondern vielmehr und ~ittelbarer auf den lern­psychologisch tundierten Versuch der tendenziellen Aufwei­cbung hartnäckiger Kompetenzstrukturen beruflieber Form der Arbeitsteilung. 3 ) Dies erweist sieb umso dringlicher, als in dem Widerspruch der "doppelten Zweckstruktur" von Berufs­arbeit "Anhaltspunkte für Interessendurchsetzung und Wider­standschancen der Arbeitenden" 4) schlummern. Auch Tausch­gesellschaften sind immer auch auf Gebrauchswertproduktion angewiesen. Der Ausbreitung abstrakter Arbeit sind damit Grenzen gesetzt. Deshalb müssen auch

"bestimmte subjektbezogene gesellschaftliche Bedingungen, bestimmte Voraussetzungen der Entwicklung von Subjektivität zugestanden und gewährleistet sein." 5)

Das.stibjektive Potential, das in den gesamtgesellschaftlichen Bedingungen, Traditionen und Orientierungen konserviert und kultiviert ist, steht partiell in Widerspruch zu den domi-

31) BECK/BRATER (1978 a), S. 182, 183 ) Vgl. ::lies. , S. 17 4: "Hier wird deutlieb, wie berUfsbe­

stimmte Konkurrenz- und Interessenverhältnisse den grund-legenden Gegensatz von 'Arbeit und Kapital' überlagern, verdecken, differenzieren, vielleicht sogar für Handeln und Bewußtsein der Arbeitenden subjektiv völlig irrele­vant werden lassen."

2~~ Vgl. Dies:, s. 184 Vgl. Dies., S. 10 Dies., S. 267

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nanten Strukturen und Prinzipien der Tauschgesellschaft. 1 ) BECK/BRATER heben die persönlichen Ansprüche und gesell­schaftlichen Träume hervor, die fast jeder, selbst der Fließ­bandarbeiter, mit seiner Berufstätigkeit noch verbindet. Es handelt sich um Ansprüche wie

"Qualität der Arbeit, Orientierung am anderen, Wechsel­seitigkeit, Spontaneität, Unmittelbarkeit, Treue, Arbeits­freude, Bedürfnisbefriedigung, Vorstellung vom 'besseren Leben', Mängelbeseiti~ung, Solidarität, Sinnlichkeit, Emotionalität etc." 2)

In der betrieblichen Wirklichkeit besteht selbst für hoch repetitive Arbeitstätigkeiten noch die

"Notwendigkeit eines subjektiven Engagements und Interesses der Arbeitenden an den konkreten Zwecken ihrer Arbeit." 3)

Keine Produktion funktioniert allein aufgrund streng vorge­gebener Anordnungen und Befehle ( Dienst nach Vorschrift); immer gibt es auch Momente, wo statt "befeblsorientiert" ge­braucbswertorientiert gearbeitet werden muß. 4) Die "sub­jektiven" Fähigkeiten, auf die die Produktion zunehmend an­gewiesen ist, werden nicht etwa vom betrieblieben Kontroll­system hervorgebracht, sondern sind diesem bereits vorausge­setzt. 5) Mit der größer werdenden Bedeutung, die der ge­brauchswertbezogene Arbeitseinsatz objektiv und subjektiv im Bewußtsein der Arbeitenden spielt, werden Ansatzpunkte von Forderungen sichtbar, die nicht mehr nur auf die Abgel­tung restriktiver Arbeitsbedingungen durch höheren Lohn be­zogen sind, sondern inhaltiehe Aspekte der Arbeitsbedingungen selbst berühren. Die ersten Anzeichen "kritischer Berufs­praxis" verweisen auf die Bedeutung und das Ausmaß wirklieb werdender realer Utopie. Gebrauchswertorientierte "kritische Berufspraxis" drängt ihrer Verwirklichung entgegen, wenn sie

:15~ Vgl. BECK/BRATER (1978 a), S. 267

BECK/BRATER (1976), S. 211, zit. nach TRAMSEN (1977) Dies., S. 188, zit. nach TRAMSEN (1977) Vgl. BECK/BRATER (1978 a), S. 270 Vgl. Dies., s. 283: "Gebrauchswertorientierte Sinndeu­tungen der Arbeit müssen nun aber nicht nur auf vergangene oder gegenwärtige, nicht direkt den Prinzipien der Lohn­arbeit und des Tausches unterworfene Arbeits- und Lebens­formen zurückgreifen, sondern finden auch strukturelle Stützen in den sozialen Strukturen der Berufsarbeit selbst."

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nicht nur in das Belieben jedes einzelnen gestellt ist, son­dern von allgemeineren gesellschaftlieben Erfahrungen und Auseinandersetzungen abhängt, die die Prinzipien kapitalis­tischer Lohnarbeit selbst infrage zu stellen vermögen. Ge­sellscbaftsverändernde Praxis wird in der gesellschaftlieben Wirklichkeit erzeugt; sie muß nur aufgegriffen, an ihr ab­gelesen und geltend gemacht werden. BECK/BRATER haben darauf verwiesen, daß gesellschaftsverändernde Praxis nicht nur unter oberflächlichen von der Technologie abgeleiteten Be­dingungen und auch nicht von einer von der gesellschaftlieben Wirkliclikeit abgelösten Hypostasierung des "subjektiven Fak­tors" zu legitimieren ist, sondern, daß diese sieb an der gesellschaftlieben Wirklichkeit selbst orientiert.

"Das Vorbandensein solcher konkreten Gegenstrukturen in warenproduzierenden Gesellschaftsformationen bedeutet aber auch, daß die Suebe nach alternativen, kritischen Formen der Berufspraxis keiner von außen herangetragenen Modelle bedarf und auch nicht abstrakt gerechtfertigt werden muß aus'antbropologiscben Postulaten oder ethisch-moralischen Prinzipien; Maßstäbe und Möglichkeiten kritischer Berufs­praxis würde~ vielmehr in der gesellschaftlieben Wirk­lichkeit selbst miterzeugt und könnten an ihr abgelesen und in ihr geltend gemacht werden." 1)

Der subjektbezogene Ansatz von BECK/BRATER orientiert auf eine "Humanisierung der Arbeit'', die aus der Ambivalenz der doppelten Zweckstruktur ber~flicber Arbeitsteilung in der Betonung konkreter Alternativen gebrauchswertorientierter "kritischer Berufspraxis" heranwachsen kann. 2 ) Die Möglich­keit einer "Humanisierung" liegt somit in der Veränderung der beruflieben Form gesellschaftlieber Arbeitsteilung be­gründet. Die Erarbeitung qualifikatoriscber Anforderungen muß d~es berücksichtigen.

1) BECK/BRATER/TRAMSEN (1977), Band II, daraus der Aufsatz von BECK/BRATER, Enorme Subjektivität? Eine Replik auf Klaus Horns Diskussion unseres Aufsatzes "Grenzen abstrak­ter Arbeit", S. 293

2) Vgl. BECK/BRATER ( 1978 a), S. 302: "Angesichts des Wider­spruchs, in dem das beruflieb-ideologische Gebrauchswert­versprechen aufgrund der dominanten Interessenstruktur des Tausches zu der tatsächlichen Berufspraxis steht, kommt es entweder zu einer permanenten Erosion der Kern­werte, um die eine Berufsideologie gruppiert ist (und da­mit gleichzeitig zu einem Verschleiß funktional notwen­diger subjektiver Gebrauchswertmotivation), oder die tat­sächliche berufliche Praxis wird an der Elle der Berufs­ideologie gemessen und einer entsprechenden Kritik, Ver­änderung, Reform unterzogen."

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2.2.3 Zusammenfassung

Ein sozialwissenschaftlich fundierter Qualifikationsbegriff muß - soll er nicht bloß tauschwertorientierte Bestimmungen warenproduzierender Gesellschaften widerspiegeln - aus der Analyse der historischen Entwicklung des Zusammenhangs von beruflicher Arbeitsteilung und sozialer Ungleichheit heraus­gearbeitet werden.

Der "subjekt-orientierte Ansatz" BECK/BRATER's genügt origi­nären sozialwissenschaftliehen Anforderungen, weil er nicht bei dem Aufweis der der "Selbstverwirklichung" der Produzen­ten entgegenstehenden, gesellschaftlichen Herrschafts- und Machtstrukturen geschuldeten, objektiven Strukturen gesell­schaftlicher Arbeitsteilung stehenbleibt, sondern die Form gesellschaftlicher Arbeitsteilung als gesellschaftliches Produkt sozialer Interessenauseinandersetzungen begreift.

Die normative Bestimmung von "Qualifikation" und "Qualifizie­rung" hat daher an der Erweiterung der gebrauchswertbezogenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Orientierungen der Arbeitneh­mer anzusetzen, die immer schon in Widerspruch zu denjenigen tauschwertbezogenen Anforderungen stehen, über die herr­schende Arbeitsteilungsstrukturen und Machtverhältnisse durch­gesetzt und konserviert werden.

"Kritische Beruf'spraxis" entsteht dann,. wenn die, quali ta­tive und inhaltliche Kriterien der Problemlösung und Bedürf­nisbefriedigung beinhaltenden Berufs- "Ideologien" zum Maß­stab gebrauchswertorientierter, gesellschaftskritischer und sich kritisch verändernder beruflicher Praxis gemacht werden. Die Widersprüchlichkeit ungleicher Verteilung von Berufs­kompetenz und "Kompetenzschneidungen" begründet die Möglich­keit und Notwendigkeit von Kompetenzerweiterung zu "kri­tischer Berufspraxis". Sie manifestiert sich in Ansätzen bei einzelnen Berufsgruppen (vor allem Ärzte, Rechtsanwälte etc.) und markiert ein subjektives Potential, das trotz sei­ner beschränkten Möglichkeiten die Veränderung der Form be­ruflicher Arbeitsteilung induziert und mehr ist, als bloße Verwaltung, Perpetuierung und Verschärfung gesellschaftlicher Bedürfnis- und Problemlagen.

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Indem gesellschaftlieb bestimmte Möglichkeiten und Grenzen "persönlicbkeitsförderlicher" Berufstätigkeit in der so­zialen Bedingtheit persönlicher Kompetenz- und Inkompetenz­ausgrenzung gesehen werden, enthält der "subjekt-orientierte Ansatz" implizite persönlichkeitstheoretische Prämissen. Wenn der Herrschaftsanspruch des Kapitals auf dem von den Arbeitenden relativ unwidersprochenen Grundsatz "teile und herrsche" basiert, müssen die Strukturen gesellschaftlicher Arbeitsteilung von den Individuen mehr oder minder verinner­licht sein. Für eine "kritische Berufspraxis" wäre dann un­mittelbar die Lockerung spezifischer Abwehrstrukturen und rigider Abgrenzungsstrategien gegenüber anderen Berufen er­forderlich.

Die "kritische Arbeitspsychologie", die von einem Arbeitsbe­griff ausgeht, in dem das Merkmal "Persönlichkeitsförderlich­keit".zentralen Stellenwert einnimmt, beschäftigt sich ge­rade mit der historisch-gesellschaftlichen Gewordenheit ge­sellschaftlicher Arbeitsteilungsstrukturen in ihren Auswir­kungen und Resultaten auf die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen. Inwieweit die psychologische Handlungstheorie den gesellschaftlichen Zusammenhang individueller Tätigkeit mit den Strukturen sozialer Ungleichheit herzustellen vermag, ohne sich auf ein unhistarisches Konzept der hierarchisch­sequentiellen Handlungsstruktur zu versteifen, soll im nächs­ten Abschnitt untersucht werden. Darüber hinaus wird deut­lich gemacht, daß bei der Bestimmung der inneren Merkmale von "Qualifikation" auf arbeitspsychologische-Ergebnisse nicht verzichtet werden kann.

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2.3 Psychologische Ansätze und Fragen der beruflichen Qualifizierung

Bis ungefähr Ende der 60er Jahre waren Fragen der Eignung, Belastungsminderung und Arbeitsplatzbewertung unter der Forderung der Erhöhung der Produktivität in Verbindung mit Systemen vorbestimmter Zeiten (TAYLOR, GILBRETH, HUMAN RE­LATIONS, ARBEITSMOTIVATION) der Gegenstand arbeitspsycholo­gischer Zielsetzungen.

Mit geänderter Wirtschaftslage erhoben sich im Zeichen der Hochkonjunktur Anfang der 70er Jahre neue politische For­derunge-n, insbesondere die einer "Humanisierung des Arbeits­lebens", und gaben dadurch auch der Arbeitspsychologie ei­

nen "neuen" Aufgabenbereich. Die traditionelle, betriebs­wirtschaftlich orientierte Arbeitspsychologie, die sich mit­tels arbeitsanalytischer Instrumentarien den Problemen der Selektion, Schulung und Arbeitsgestaltung widmete, und dabei vorwiegend praktizistisch und ohne theoretische Fundierung einen auf reine körperliche Tätigkeit beschränkten Arbeits­begriff verwandte, stieß insbesondere im Zusammenhang mit dem HdA- Programm der Bundesregierung auf forschungsimmanente Grenzen. Zunehmend wurden daher in der Bundesrepublik Deutsch­land die Arbeiten HACKER's 1 ) und VOLPERT's 2 ) zur inge­nieurspsychologischen und handlungstheoretischen Arbeitsana­lyse rezipiert und haben bei manchen HdA- Projekten expli­ziten Eingang gefunden.

Die handlungstheoretische Arbeitsanalyse hat FREI/MÜLLER zu­folge eine differenzierte theoretische Basis zur Grundlage,

"die es gestattet, Erkenntnisse aus der Allgemeinen Psycho­logie ftir deren Gebrauch in der Arbeitswelt zu inte­grieren." 3)

Sie geht von einem materialistisch fundierten Arbeitsbegriff aus,

"der der Situation in der modernen industrialisierten Welt ~unehmend besser entspricht als die mechanistische Arbeits-

1) Vgl. insbes. HACKER (1976) und (1978) 2) Vgl. vor alle!ll VOLPERT (1974), der HACKER's "Allgemeine

Arbeits- und Ingenieurpsychologie" ftir die Bundesrepublik Deutschland "übertragen" hat.

3) FREI/MÜLLER (1977), S. 93 .

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auffassung, die in der arbeitswissenschaftliehen Arbeits­analyse untersuchungsbestimmend wirkt." 1)

Die differenzierte Auffassung von Arbeit gestattet es schließ­lich,

"theoretisch kohärent politische Zielsetzungen zu verfol­gen, die mit dem Schlagwort "HdA" bezeichnet werden kön­nen." 2)

Mit. der "kognitiven Wende" 3) in der Psychologie hatte sich gleichzeitig die Einsicht·durchgesetzt, daß menschliches Ver­halten nicht eine außengesteuerte Kette von Reaktionen ist, sondern daß es durch kognitive Prozesse, emotionale und motivationale Bedingungen reguliert ist. 4 ) In Zusammenhang damit wurde erkannt, daß der Arbeitsinhalt, insbesondere der Dispositionsspielraum bei der Arbeit, einen sehr wesent­lichen Einfluß auf die menschlichen Fähigkeiten, Motive und Verhaltensweisen hat. 5 ) Die handlungstheoretische Arbeits­analyse konnte daher zu Recht für sich beanspruchen, für die Probleme beruflicher Qualifizierung und Dequalifizierung ei­nen Beitrag zu leisten.

Über die Analyse der der Handlungsregulation zugrundeliegen­den psychischen Regulationsprozesse läßt. sich die Qualifi­kation der Arbeitnehmer auf die objektive Arbeitsstruktur hin beziehen und hinsichtlich persönlichkeitsförderlicher Zielkriterien evaluieren. Dar wechselseitige Zusammenhang zwischen objektiver Anforderung und subjektiver Befähigung wird deutlich und kann zur normativen Orientierung "per­sönlichkeitsförderlicher Arbeitsinhaltsgestaltung" dienen.

Geht es der am behavioristischen Reiz-Reaktions-Modell orien­tierten Arbeitswissenschaft - wie übrigens auch im wesent­lichen den technologie- orientierten industriesoziologischen Ansätzen - um das Festschreiben der unabhängigen Variable (Reiz) und die Untersuchung ihrer Wirkung auf eine als ab­hängig bestimmte Variable (Reaktion), so orientiert sich die

312 ~ FREI/MÜLLER (1977), S. 64 Dies., S. 64 Vgl. FROMMANN/DUSCHELEIT/VOLPERT (1979), S. 78

45) Vgl. Dies., S. 78 ) Vgl. VOLPERT (1979), S. 21

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handlungstheoretische Arbeitsanalyse gerade umgekehrt am "Aufsuchen von Variationen der unabhängigen Variablen, die einer festgestellten Variation der abhängigen Variablen zugeordnet wird." 1)

Die damit intendierten objektiven Freiheitsgrade 2 ) einer Arbeitsstruktur sollen der Modifizierung der psychischen Handlungsregulation der Arbeitnehmer in Richtung einer ver­mehrten intellektuellen Durchdringung der Arbeitsaufgabe die­nen. Spezielle denkpsychologische Vorgänge werden dabei auf der Ebene psychischer Regulationsprozesse behandelt.

2.3.1 Die Handlungsstrukturanalyse bzw. die handlungstheo­retische Arbeitsanalyse

VOLPERT versteht die Handlungsstrukturanalyse als "Beitrag zur Qualifikationsforschung" 3), soweit sie sich dem kon­kreten Arbeitshandeln des Individuums an einem Arbeitsplatz zuwendet und "versucht, dieses Arbeitshandeln mittels all­gemeiner Strukturmerkmale des menschlichen Handelns zu er­fassen." 4 ) Die Handlungsstrukturanalyse wendet sich gegen die Form der Arbeitsanalyse, die aus dem konkreten Arbeitsin­halt und den Bedingungen und Ergebnissen des Arbeitshandelns kurzschlüssig auf die Anforderungen an die Arbeiter und da­mit auf die Qualifikationen schließt. Dem hält VOLPERT sieben Stufen allgemeiner Strukturmerkmale des menschlichen Han­delns entgegen:

1. Rahmenbedingungen des aufgabenspezifischen Handelns 2. Beschreibung des Arbeitsinhalts und Verortung im Arbeits­

gefüge

3. Darstellung der äußeren Aufgabenstruktur sowie der Ent­scheidungspunkte und objektiven Freiheitsgrade

4. Analyse der inneren (hierarchischen) Aufgabenstruktur 5. Darstellung der subjektiven Widerspiegelung der Auf­

gabenstrukturen bei den Ausführenden 6, Partialitätsanalyse 7. Formulierung der aufgabenspezifischen Lernzielhie­

rarchie 5)

1) FREI/MÜLLER (1977), S. 61 2) Vgl. HACKER (1978) 3) Vgl, das gleichlautende Buch von VOLPERT (1974) 4) VOLPERT (1974), S. 69 5) Vgl. VOLPERT (1974), S. 99-105

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Orientiert an HACKER wird die Zielgerichtetheit der Handlung als von außen gegeben gedacht, d.h. das Handlungsziel ist vorgegeben und wird nicht weiter problematisiert. Fragen der Antriebsregulation nehmen gegenüber denen der Ausführungsre­gulation kaum einen Stellenwert ein. Probleme der Motivation stehen nicht zur Debatte; sie sind allenfalls formal hin­sichtlich der Übereinstimmung äußerer und innerer Ziele von Bedeutung. 1) Obwohl mittlerweile auch die hiesigen Vertre­ter der Handlungsstrukturtheorie auf "weiße Flecken" auf­merksam gemacht haben, etwa im Bereich der Motivation und In­teraktion 2), halten sie die Begrenztheit des Ansatzes vor dem Hintergrund der praktischen Leistungen dennoch für ver­

tretbar.

Problematisch ist es aber m. E. das Problem der Motivation, ohne Einführung subjektiver Variablen, durch die Unterstel­lung der Konkordanz der individuellen Ziel- und Werthierar­chie des Arbeiters mit der durch den gesellschaftlichen Pro­duktionsprozeß vorgegebenen, lösen zu wollen. Die mög­licherweise gesellschaftskritische individuelle Ziel- und Werthierarchie des Arbeiters, bzw. Diskrepanzen etwa in Form auseinanderfallender subjektiver und objektiver Sinn­bezüge, können dann nicht mehr auf veränderbare Momente des gesellschaftlieben Produktio~sprozesses bezogen werden. In­dem sich die Handlungsstrukturtheorie allein für die Analyse der Arbeitsbandlungen interessiert, wo der Arbeitende selbst unter vorgegebener Zielgerichtetheit der Handlung höchstens auf der taktischen Ausführungsebene, selten auf der strate­gischen Ebene, Subziele generieren kann, ist der Bezug zu gesell~chaftsveränderndem Handeln nicht herzustellen. HAUG/ NEMITZ/WALIJHUBEL resümieren daher überspitzt,

"daß im Verhältnis Subjekt-Tätigkeit-Objekt nicht nur das

1) Vgl. hierzu FREI/MtiLIER (1977), S. 46: "Fragen der An­triebsregulation heißen handlungstheoretisch also nicht: Wie hc~h ist die Arbeitsmotivation eines Arbeiters? oder: Welcher Art ist seine Motivation? sondern: Wie konkor­dant ist die individuelle Ziel- und Werthierarchie eines Arbeiters mit der durch den gesellschaftlichen Produk-tionsprozess vorgegebenen." ·

2) Vgl. FROMMANN/DUSCHELEIT/VOLPERT (1979), S. 80

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Verhältnis des einzelnen zur Gesellschaft durch die stra­tegische Einführung des Handlungsbegriffs unfaßbar wurde, sondern daß im Großen und Ganzen überhanpt nur noch der Vollzug der Handlung ins Blickfeld gerät: ocne Gesellschaft, ohne Subjekt, ohne Otjekt; der Mensch tritt also auf als Funktionsmaschine." 1)

GLEISS kommt zu dem Ergebnis, daß in der Handlungsstruktur­theorie der Zusammenhang von Persönlichkeit, Handeln und Bewußtseih unerfaßt bleibt:

"Erfaßt werden allein strukturelle Momente und Beziehungen menschlicher Tätigkeit, nicht jedoch die Bedeutung des In­halts der Tätigkeit für das konkrete Subjekt, d.h. die persönlichkeitsbildende Funktion von Tätigkeitsstrukturen. Ausgegrenzt bleibt damit der Aspekt der psychischen Dynamik von Handlungen, die Frage nach deren Motiviertheit auf der einen Seite und die Frage nach der sinnbildenden Funk­tion von Handlungen auf der anderen Seite." 2)

Will VOLPERT das Handeln vornehmlich "in seinen einfachen ~d abstrakten Momenten" 3) analysieren, womit er der MARX'schen

Metbode des Aufsteigans vom Abstrakten zum Konkreten zu fol­gen gedenkt, so ist er aber - trotz gegenteiliger Beteuer­ungen - bisher über das Abstrakte nicht hinausgekommen. In einem späteren Artikel gibt er allerdings zu bedenken, daß die Enge des Ansatzes, die für den Anfang sinnvoll gewesen sein mag, überwunden werden muß. 4)

Zusammenfassung

Die Handlungsstrukturanalyse eignet sieb durch das Ansetzen an der objektiven Arbeitsstruktur und den damit in Wechselwir­kung betrachteten psychischen Regulationsprozessen insbe­sondere im Rahmen von HdA- Maßnahmen für die Gestaltung "per­sönlicbkeitsförderlicber" Arbeitsplätze. Darüber binaus ge­winnt sie große Bedeutung hinsichtlieb der Konstruktion hie­rarchisch- organisierter Datenverarbeitungsmaschinen, die

1) HAUG/NEMITZ/WALDHUBEL (1980), S. 36 2~ GLEISS (1978), S. 138 3 Vgl. VOLPERT 1974 , S. 14 4 Vgl. VOLPERT ~1978L S. 276, Fußnote: "· •• wird es auch

n~twen~ig sein, eine Enge des Ansatzes zu überwinden, die für ~e~nen Ausgangsp~ durchaus sinnvoll war: seine Be­schränkung auf den Bereich des gegenständlichen Handelns demgegenüber der aktuelle Sozialbezug des Handelns (der ' Aspekt der Interaktion) in den Hintergrund tritt." Vgl. auch VOLPERT (1980), S. 20 ff.

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die Analyse der menschlichen Handlungsstruktur voraussetzt.

Da die Handlungsstrukturtheorie sich beschränkt "auf das Fin­den von Wegen und Zielen, die ••• absolut unhinterfragt vor­gegeben sind" 1 >, kann sie dem Kriterium der Subjektivität, der wissenschaftstheoretischen Kategorie sozialwissenschaft­lieber Erkenntnistätigkeit schlechthin 2>, nicht genügen, da sie als selbstverständlich abbildet, was eigentlich das Grund­problem der Handlungsregulation in der Arbeit ist:

"das Ausgeschlossensein der Arbeitenden von den Zielen der Produktion bei zunehmend notwendigem Kacbdenken über die Mittel." 3)

Die praktische Leistung der Handlungsstrukturtheorie liegt vor allem binsiebtlieb der Organisierung von Arbeits- und

Lernprozessen in der Betonung der Verbindung von kognitiv­innerer und praktisch-äußerer Tätigkeit. Uber die Differen­zierung des bierarcbiscb-sequentiellen Handlungsmodells ( nacb HACKER: sensumotoriscbe, perzeptiv-begriffliebe und intellektuelle Handlungsregulationsebene) sind Arbeitstätig­keiten analytisch aufspaltbar und auf die Zielbestimmung spezifischer Lernprozesse zu beziehen. Nach HACKER sind sol­che Lern- und Arbeitstätigkeiten 11 persönlicbkeitsförderlicb", die Lernen auf allen Regulationsebenen gleichermaßen ermög­lichen·. Solche "ganzheitlichen"· Lernprozesse müssen den Über­gang von ~infacben praktischen Tätigkeiten zur Bewältigung koplexer Arbeitsaufgaben, von der Fremd- zur Selbstkontrolle und ·von der individuellen Handlung des einzelnen zur kollek­tiven Handlung zum Ziel haben. 4)

Die besondere Berücksichtigung sozialstrukturaller Bedin­gungen und Prozesse politischer Bildung steht in dem Kon­zept •ibandlungstbeoretiscber beruflieber Bildung" 5) noch aus. Die Handlungsstrukturtbeorie, will sie den Anspruch der Ganzbeitlicbkeit wirklich einlösen, wird um den Einbezug interessenbestimmter gesellschaftlieber Bedingungen und darauf bezogener Motivstrukturen nicht herumkommen.

1l HAUG/NEMITZ/WALDHUBEL (1980), S. 52 2 Vgl. JÄGER/LEISER (1979), S. 19 ff. 3 HAUG/NEMITZ/WALDHUBEL (1980), S. 53 4 Nach FISCHBACH/NOTZ (1980), S. 216 5 Vgl. das Konzept von FISCHBACH/NOTZ (1980)

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2.3.2 Der Stress-Kontroll-Ansatz von FRESE

Im Gegensatz zur Handlungsstrukturtheorie bezieht der Ansatz von FRESE 1 ) einen größeren Bereich gesellschaftlicher Wirk­lichkeit des Lebensprozesses der Arbeitenden ein. Vor die­sem Hintergrund entwickelt FRESE ein subjekt-bezogenes Kon­zept von Annahmen und Bedingungen gesellschaftsverändernder Praxis. Der Ansatz geht von der Feststell~g verschiedener experimenteller Untersuchungen aus 2 )

"daß eine entscheidende Variable zur Erklärung unterschied­licher Reaktionen des Menschen auf gleiche Stressintensitä­ten der Umfang der Kontrolle über Stressoren ist." 3)

Stressoren s~nd neben den Arbeitsbedingungen gesellschaft­liche Bedingungen und allgemeine Lebensbedingungen, die mit­einander in Wechselwirkung stehen. Im kapitalistischen Ar­beitsprozeß sind Stressoren z.B. fehlende Unfallsicherheit am Arbeitsplatz, Schichtarbeit, Gleichgültigkeit gegenüber dem Inhalt der Arbeit, Monotonie und Übersättigung, Dequali­fikation, Disziplinierungsmaßnahmen, Schikanen der Vorge­setzten und der Arbeiter als Konkurrenten untereinander und Arbeitslosigkeit. 4) Stark repetitive Arbeitsbedingungen sind wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung "ge­

lernter Hilflosigkeit" 5) als subjektives Pendant der Abwe­senheit von Kontrolle über Stressoren.

"Unter solchen Bedingungen ist zu erwarten, daß die Moti­vation sinkt, außerhalb der unmittelbar geforderten Ar­beitsleistungen aktiv zu sein." 6)

Mit dem Konzept der "gelernten Hilflosigkeit" ist ein Zugang zur Erklärung des freiwilligen Verzichts der Initiative von Arbeitern, beispielsweise im Rahmen der Mitbestimmung Ein­fluß zu gewinnen, gegeben. Der Ansatz ist daher aufgrund sei­ner Annahmen geeignet, Bedingungen zu spezifizieren, die er­füllt sein müssen, um eine Veränderung der Situation einzu­leiten. Stresskontrolle ist nämlich in dem Maße gegeben,

"in dem eine Person oder ein Kollektiv über Möglichkeiten verfügt, relevante Bedingungen und Tätigkeiten entsprechend

1 Vgl. insbesondere FRESE (1977) 2 z.B. SELIGMAN (1975) 3 FRESE/GREIF (1978), S. 217 4 Vgl. FRESE (1977) 5 FRESE/GREIF (1978), S. 219 6 Dies., S. 219

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eigener Ziele, Bedürfnisse und Interessen zu beeinflus­sen. " 1 )

Insbesondere im Rahmen von HdA und dem BerElich der "Höher­qualifizierung" verdient dieser Ansatz Beachtung. Er ist allerdings bisher weitgehend nicht operationalisiert und nicht ohne weitere Forschungsbemühungen zur Anwendung in Qualifizierungsprozessen zu bringen. 2 ) Seine Stärke scheint momentan noch darin zu liegen, gelernte Hilflosigkeit in ihren unterschiedlichen sozialen Bedingungen herauszuarbeiten. Sozialisationsprozesse gesellschaftlicher Arbeit, Qualifi­zierungs- und Ausbildungsformen, können daraufbin untersucht werden, inwieweit sie die in sie gesetzten Ansprüche wie "Emanzipation", "berufliche Autonomie" oder "berufliche Mündigkeit" tatsäeblieb zu erfüllen vermögen. FRESE/GREIF erscheint es gerade besonders lohnenswert,

"aktuelle Versuebe zur HdA durch Veränderungen der Arbeits­gestaltung auf der Grundlage der dargelegten Annahmen kritisch zu analysieren." 3)

Qualifizierungsprozesse.müssen sieb vor allemdaranmessen lassen, inwieweit es durch sie gelingt, die Bedingungen gelernter Hilflosigkeit bewußt zumachen, objektive Kontroll­möglichkeiten voll auszuschöpfen und das Fernziel gesell­sc.haftlicber Lebenskontrolle perspekti viscb zu erreichen.

1) FRESE/GREIF (1978), S. 218, vgl. z.B. auch BOWLES/GINTIS (1978), S. 91: "Der Grad der Kontrolle über die Arbeit determiniert den Grad der Entfremdung vom oder der Parti­zipation am politischen Prozeß."

2) Vgl. jedoch GREIF/SEMMER (1979), die den Stress-Kontroll­Ansatz im Bereich der gewerkschaftlieben Bildungsarbeit fruchtbar zu machen versuchen.

3) FRESE/GREIF (1978), S. 222

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2.4 Zusammenfassung

War in der Einleitung der Anspruch formuliert worden, den Begriff einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung mit dem Inhalt zu füllen, der ihm in der gesellschaftlichen Wirklich­keit praktisch zukommt, so ist in diesem Kapitel deutlich ge­worden, daß die verschiedenen sozialwissenschaftliehen An­sätze Qualifikation betrachten als das was sie ist, nämlich im wesentlichen Arbeitsqualifikation, die im Rahmen technisch­organisatorischer Veränderungen zur Aufrechterhaltung der Be­dingungen kapitalistischer Produktionsweise erforderlich ist.

Dem entspricht auch das von HERKOMMER monierte Vorgehen der Industriesoziologie, Industrie auf eine isolierende Weise zum Gegenstand zu nehmen und Gesellschaft tendenziell zu ei­ner Randbedingung zu machen. 1 ) So ist der Ausgangspunkt al­ler Forschungsbemühungen eigentlich immer der Industriebe­trieb und dessen Strategien gewesen; am wenigsten wurde aller­dings von den Arbeitenden selbst, ihren Bedürfnissen, Inter­essenvertretungsorganen oder ihren Aktionen gesprochen. Das hängt auch damit zusammen, daß die Herrschaftsfunktion des Kapitals in stiller Übereinkunft meist nicht angetastet wurde, und damit die Sichtweise auf arbeiterinteressenbezogene Ge­sichtspunkte von vornherein versperrt war.

Es soll nicht geleugnet werden, daß die Sozialwissenschaft nicht auch wesentliche Ergebnisse zum Verhältnis von Pro­duktion und Qualifikation in makro- wie mikroökonomischer Hinsicht erbracht hat; gemessen an den am Anfang des zweiten Kapitels formulierten Kriterien der "technischen" und "eman­zipatorischen" Relevanz hat sie aber kaum dazu beigetragen, einem Selbstverständnis gerecht zu werden, das die sozialen Bedingungen gesellschaftlichen Handelns in ihren vorwärts­treibenden Bestimmungen zum Gegenstand hat. Die Sozialwissen­schaft hat nur in Ausnahmefällen explizite Annahmen über menschliche Subjektivität in den Untersuchungsansatz einbe­zogen, und auch da meist nur unter Gleichsetzung von objektiv vorgegebenen Verhaltenszwängen mit subjektv verfügbaren Hand­lungsstrategien. Im psychologischen Handlungsregulationsan­satz werden die gesellschaftlichen Ziele selbst nicht infrage gestellt. Der industrie- und berufssoziologisch orientierten

1) HERKOMMER (1972), S. 71

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Qualifikationsforschung ist es, von wenigen Ausnahmen abge­sehen 1), nicht gelungen, ihren Ansätzen einen subjektbezo­genen Qualifikationsbegriff zugrundezulegen, der sich mehr auf die Interessen der abhängig Beschäftigten bezieht als auf objektiv vorgegebene gesellschaftliche Strukturmerkmale.

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht dringend erforderlich ist die Berücksichtigung der überindividuellen, objektiv-gesell­schaftlichen Zusammenhänge und Prozesse, in denen der Mensch nicht nur lebt und handelt, sondern die er zu einem beträcht­lichen Teil auch selber gemacht bat und daher auch verändern kann. Dem entspricht eine Tbeoriebildung, die die Arbeit zur Grundlage von Gesellschaftserklärung nimmt und für die KLAUS/ BUHR zufolge gilt:

"Für die historisch-materialistische Theorie der ökono-. mischen Gesellschaftsformation existiert nicht jene in der bürgerlichen Sozialtheorie unlösbare Schwierigkeit, daß die wissenschaftliche Erklärung einen objektiven Prozeß voraussetzt, die gesellschaftliche Entwicklung aber offen­bar das Produkt der Täti~keit bewußt und vorsätzlich han­delnder Menschen ist." 2)

Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit stellen den Versuch dar, die Schwierigkeit der Sozialwissenschaft, objektive Strukturkomponenten mit subjektiven Handlungsbedingungen nicht adäquat vermitteln zu können, zu lösen. Die Vermittlung zwi­schen Obj~kt und Subjekt ve~spricbt die Klärung und Abgren­zung eines sozialwissenschaftlieb fundierten Qualifikations-.begriffs, der mehr leisten kann als die bisherigen Ökonomis­tischen oder mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht mehr zu vermittelnden demokratietheoretischen Konzeptionen. Um zu vermeiden, daß dieser Begriff nicht vollkommen losge­löst von seiner gesellschaftlichen Bedingtheit ein verselb­ständigtes Dasein als philosophische, anthropologische Kon­stante führt, ist es notwendig, den Verwertungs- und berr­scbaftsbedingten Zusammenbang von Qualifizierung und Gesell­schaftsstruktur näher zu fundieren. Da im Abschnitt 2.2.2 bereits wesentliche Gesichtspunkte beruflieber Arbeitstei­lung und sozialer Ungleichheit b~schr:!-.eben ä1nd, kann dies in aller Kürze geschehen. Es sollte daraUfhin möglich sein, Anforderungen an einen Qualifikationsbegriff zu formulieren, die progressiv sind.

1) Vgl. den "subjekt-orientierten" Ansatz BECK/BRATER's 2) KLAUS/BUHR (1972), S. 805

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3. QUALIFIZIERUNG UND GESELLSCHAFTSSTRUKTUR

In dem Kapitel geht es um die Frage nach dem unternehmerischen Einfluß auf das Bildungswesen, um "die Tendenzen zur Funktio­nalisierung von Bildung auf das kapitalistische Wirtschafts­system freizulegen." 1 ) Danach werden die darin eingebet­teten realen widersprüchlichen Erscheinungen sowie die Hand­lungsbedingungen und -möglichkeiten des Staates näher unter­sucht.

3.1 Der Einfluß des Kapitals auf die berufliche Bildung und die allgemeine Widerspruchsproblematik zwischen Kapital und Arbeit

Der Einfluß des Kapitals auf die berufliche Bildung zeigt sich nicht nur in qualitativer 2 ), sondern auch in quantita­tiver Hinsicht. Nach JOHANNSON, der die Bildungspolitik der Unternehmer genauer untersucht hat 3 ), geben die Unternehmer annähernd doppelt soviel für Bildungszwecke aus

"wie die Bundesregierung im gleichen Zeitraum für Bildung, Wissenschaft und Forschung oder für den Straßenbau." 4)

Allein für den Bereich der betrieblichen und überbetrieblichen Weiterbildung wurden nach Angaben der Unternehmer im Jahre 1974 2,13 Mrd. DM ausgegeben. 5) Hält man dieser Summe die Ausgaben der Gewerkschaften für die berufliche Bildung gegen­über, die lediglich 5,9 Mio. DM betrugen, so wird deutlich,

"in welchem Mißverhältnis selbst diese beachtlichen Bil­dungsaktivitäten zu denen der Unternehmer und anderer Bildungseinrichtungen stehen." 6)

Auch die Volkshochschulen mit den größten Teilnehmerzahlen von Weiterbildungsinstitutionen bleiben vom direkten Ein­fluß der Unternehmer nicht verschont. Zwischen den Volks­hochschulen und den Unternehmen sowie Unternehmerverbänden

1 BAETHGE (1970), S. 5 2 Vgl. Abschnitt 1.1 dieser Arbeit 3 Vgl. JOHANNSON (1977) 4 Ders., S. 302 5 Ders., S. 302 6 DEGEN (1976), S. 441

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gibt es vielfältige Kooperationen. 1 )

Die stetig steigenden Aufwendungen der Unternehmer für be­triebliche Bildungsmaßnahmen, die sich schwerpunktmäßig an leitende und mittlere Angestellte richten, sollen nicht nur produktionsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, sondern auch herrschaftsorientierte Sozialtechniken einüben. Die Ausweitung der Zielgruppe auch auf Betriebsräte, Jugend­liche und Meister - in seltenen Fällen auch Facharbeiter -läßt erkennen, daß es den Unternehmen um eine umfassende Be­einflussung des betrieblichen Arbeitskräftekörpers und Ein­bindung an bestehende Herrschaftsformen in Betrieb und Ge­sellschaft gebt. Der sich abzeichnenden Konzentration wirt­schaftlicher Macht entspricht die Monopolisierung der be­ruflichen und außerberuflichen Bildung durch die Unter­nehmerverbände. Diese versuchen LEMPERT zufolge

"die außerberufliche Bildung zu beeinflussen und die be­rufliche zu monopolisieren. Diese Tendenz ist das Pendant zu ihren Bemühungen um die Kontrolle der technologischen Forschung und des technischen Fortschritts. In beiden Fällen geht es darum, die Entwicklung von Produktivkraft zu steuern, um überkommene Produktionsverhältnisse zu konservieren." 2)

Damit zeichnet sich ein gesellschaftlicher Zustand ab, in dem die bestehenden Machtverhältnisse perpetuiert und soziale Ungleichheit aufrechterhalten wird. SCHMITZ hat auf die Ge­fahr verwiesen, die von unternehmerorientierter Weiterbil­dung ausgehen kann:

"In dem Maße, in dem es der Weiterbildung gelingt, inner­betrieblich festzuschreiben, was 'herrschende Meinung' ist und woran sich die Beschäftigten auszurichten haben, wenn sie nicht mit den betrieblichen Normen in Konflikt geraten wollen, wird das damit verbreitete Wissen zu ein­nem.Mittel, mit dem innerorganisatorisch soziale Ungleich­heit und Machtgefälle gefestigt werden." 3)

1) Vgl. etwa DEGEN (1976), s. 440: "Seit 1966 existiert ein ständiger Verbindungsausschuß zwischen dem Deutschen Volkshochschulverband und den Spitzenverbänden BDA, BDI und Deutschem Industrieinstitut. Nach einer Untersuchung in Baden-Württemberg 1969 arbeiten von 152 Volkshoch­schulen ~d Volksbildungswerken 84 ständig mit insgesamt 244 Industriebetrieben zusammen."

23) LEMPERT (1974 b), S. 131, Fußnote 11 ) SCHMITZ (1978), S. 255

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Der Prozeß der umfassenden Unterwerfung der Arbeitenden unter die Zwecke privatkapitalistischer Produktionsweise bleibt auf Seiten der Arbeitenden nicht unwidersprochen. D~e privatkapitalistische Produktionsweise selbst ist wider­sprüchlich organisiert. Zwar sind aufgrund des dominierenden Interesses des Kapitals, Mehrwert zu produzieren, diesem Ziel alle anderen Interessen untergeordnet; die zunehmende Beherrschung der Natur durch den Menschen aber, die sich in zunehmender Vergesellschaftung des Menschen ausdrückt und gesellschaftliche Lebensvorsorge sowie gesellschaftliche Mit­bestimmung als gesellschaftliches Ziel impliziert, kolli­diert mit Notwendigkeit mit jenen gesellschaftlichen Struk­turen, die die Selbstbestimmung der Arbeitenden in der blo­ßen Unterwerfung unter den Herrschaftscharakter des Kapitals rigide zu beschneiden versuchen. Der Ausschluß der Produzen­ten von der Kontrolle über den Arbeitsprozess, von der Fest­legung der Arbeitsziele und von der Verteilung der Arbeits­ergebnisse gerät in Widerspruch zu einer Produktionsweise, deren Systemerfordernis die gesellschaftliche Leitung und Planung der Produktion ist. Die Produktionsverhältnisse, als Planung, Leitung und Kontrolle der Produktion sowie die Ver­teilung der Arbeitsergebnisse durch eine ausgewählte Minder­heit, geraten mit ihrem Pendant der massenhaften Enteignung von der Kontrolle der Produktionsbedingungen auf Seiten der Arbeitenden zunehmend zu einer Fessel der Produktivkraftent­wicklung. Insofern erweist sich die herrschende Zuteilung von Bildung und Qualifikation als Gefährdungspotential kapi­talistischen Wirtschattens überhaupt. Die gegenwärtigen Versuche und Bemühungen zu neuen Formen der Arbeitsorganisa­tion beziehen sich auf den Widerspruch, daß die vorherrschen­de Bestimmtheit kapitalistischer Produktionsweise, privat­planlose Produktion zu sein, zunehmend subjektiver Bestim­mung bedarf. Die Problematisierung herkömmlicher Führungs­strukturen, die Implementation von Mitbestimmungs- und Parti­zipationsmodellen sowie die Infragestellung autoritärer Ent­scheidungs- und Informationsprozesse weist ebenfalls auf die Vergesellschaftungstendenz der Produktion hin. 1 ) In al-

1) siehe nächste Seite

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len Fällen geht es um die Erschließung neuer schöpferischer Fähigkeiten, gebt es um die Einbringung des einzelnen Men­schen innerhalb gesellschaftlieber Zwecksetzung. Dies darf freilieb nicht dahin mißverstanden werden, daß der Entfal­tung der Subjektivität der Arbeitenden schon Tür und Tor geöffnet wäre. Die Entbindung schöpferischen Potentials ist nicht das unmittelbare Ziel der Unternehmen sondern ganz dem betrieblichen Herrschaftscharakter kapitalistischer Pro­duktionsweise unterworfen.

Betrachtet man mit BECK/BRATER die herrschende Form gesell­schaftlicher Arbeitsteilung als "soziale Interessenverwirk­lichungsstruktur", also unter Ber'J.cksichtigung des subjek­tiven Potentials der Arbeitenden, so produziert das wach­sende Vergesellschaftungsniveau gleichzeitig auch das wer­dende selbstbewußtere Element bewußten Handelns in Gestalt der Arbeiterklasse, ihrer Organisationen und Kämpfe. HOLZ­KAMP bat diese Widersprucbsprogressio~ auf der Ebene der konkreten Individuen folgendermaßen beschrieben:

"Der Widerspruch zwischen objektiver Bestimmtheit gesamt­gesellschaftlicher Verhältnisse durch die anarchischen Formen der bürgerlichen Gesellschaft und subjektiver Be­stimmung in Teilbereichen findet sieb damit auch auf der Ebene der konkreten Individuen wieder: Auch die in der bürgerlieben Ideologie befangenen Individuen können also in Partialbereichen ihre Lebensbedingungen subjekthaft­praktiscb beeinflussen un~ bestimmen, dabei zur Kontrolle über immer relevantere Bedingungen ihrer individuellen Subjektivität immer einflußreicheren gesellschaftlieben Subjekten assoziieren, d.b. immer umfassendere Bündnisse eingeben." 1)

Wie BECK/BRATER betont auch HOLZKAMP das in den Individuen angelegte subjektive Potential, dessen Berücksichtigung un­abdingbar ist, um nicht, angesicbts des Herrschaftscharakters ökonomischer Verhältnisse, in resignative Stimmungen bin­sicbtlic~ emanzipatorischer Bemühungen zu verfallen.

1) Zur vorigen Seite: Vgl. KLUTH (1968), s. 8: "Dazu gehört die Erfahrung, daß die überkommenen Formen der Menschen­führung beträchtliche innerbetriebliebe Konflikte auszu­lösen vermögen, ebenso wie die Einsicht, daß z.B. Mitbe­stimmungsregelungen, Betriebsverfassungs-Recht und die zu­nehmenden Veränderungen in der realen Schicht der Arbeit­nehmerschaft Probleme aufwerfen, denen man mit einer aus­schließlich technisch-ökonomischen Orientierung nicht mehr gerecht zu werden vermag." zit. nach PREISS (1977), S. 64

2) HOLZKAMP (1977 a), S. 327

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Zusammenfassend kann festgehalten werden:

Die Erarbeitung von Anforderungen an Qualifikation und Quali­fizierung muß aus der widersprüchlichen Entwicklung kapi­talistischer Produktionsweise - vergesellschaftete Produk­tion. in der Form ihrer privaten Aneignung - herausgearbeitet werden.

Die Begrifflichkeit eines sozialwissenschaftlich fundierten Qualifikationsbegriff muß demnach negativ bestimmt werden. Negiert werden muß der herrschende, nur auf die Verausgabung der angeforderten Qualifikationsbestandteile bezogene Begriff. Omnis determinatio est negatio. Abstrakte Negation aber al­lein hilft nicht. Indem die potentielle Subjektivität der Arbeitenden für möglich gehalten und real auch herausge­arbeitet wird, ist abstrakte Negation zur bestimmten gewor­den. Dies ist nur möglich unter Verfolgung von an den Inter­essen der Arbeitenden ausgerichteten normativen Kriterien, ist nur möglich vor dem·Hintergrund der dezidierten Stellung­nahme für die Interessen der arbeitenden Menschen. 1 )

Wissenschaft und damit auch Qualifikationsforschung ist im­mer politisch und einem bestimmten Standpunkt untergeordnet. Soweit die Wissenschaft Treibenden dies auch nicht genügend reflektieren, ist dies objektiv dennoch immer der Fall, wie LEMPERT bemerkt:

"Nun bat sieb in der bisherigen Geschichte der Wissenschaft jedoch gezeigt, daß wissenschaftliche Fragen stets prak­tischen Lebensproblemen entspringen und daß Forschungsresul­tate als solche immer politisch, d.h. zum Nutzen und Scha­den angabbarer gesellschaftlicher Gruppen verwendet werden­gleichgültig, ob die Forschenden selbst über diese Vor­aussetz~en und Folgen ihres Tuns nachdenken und sieb von solchen Uberlegungen leiten lassen oder nicht. Objektiv ist wissenschaftliche Forschung immer wertgebunden; wer sie dennoch subjektiv als wertfrei betrachtet und betreibt, verhält sich nicht nur bewußt unpolitisch, sondern auch un­bewußt politisch und damit unwissenschaftlich, weil er von wesentlichen Seiten der untersuchten Sache absieht." 2)

1) Vgl. in diesem Zusammenbang den Aufsatz von HAUG (1973): "Die Bedeutung von Standpunkt und sozialistischer Per­spektive für die Kritik der politischen Ökonomie"

2) LEMPERT (1974 b), S. 129

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3.2 Die Rolle des Staates im Verhältnis von Ökonomie und Bildung

Auch staatliches Handeln resultiert aufgrund seiner Einge­bundenheit in soziostrukturelle Bedingungen und Gegebenheiten. Der Staat als institutionalisierte Instanz und Sachwalter des Berufsbildungssystems ist in der Vertretung einzelwirtschaft­licher und gesellschaftlieber Interessen der Politik der Un­ternehmerierbände und Kammern unterworfen. Er reproduziert somit soziale Ungleichheit in neuer Form. Nichts anderes be­sagt der Vierte Jugendbericht der Bundesregierung, wenn es binsicbt~ich gravierender Mängel des Berufsbildungssystems heißt:

"Wesentliche Ursache bzw. Grundlage vieler Mängel des Be­rufsbildungssystems dürften in soziostrukturellen Gegeben­heiten liegen •••• Deshalb dürfte eine nachhaltige Verbes­

.serung beruflicher Bildung davon abhängen, daß die einsei-tige Abhängigkeit der Planung und Durchführung beruflicher Bildung von unkocrdinierten einzelwirtschaftlichen und kurzfristi~en Dispositionen aufgehoben wird." 1)

Die Aufbebung einseitiger Abhängigkeiten beruflicher Bil­dung von einzelwirtschaftlichen Interessen impliziert auch die aktive Beteiligung und Kontrolle aller abhängig Beschäf­tigten, die bisher davon weitgebend ausgeschlossen sind. Eine unabdingba~e Voraussetzung für die Veränderung des Berufs­bildungssystems ist daher

"die Aufhebung der Abhängigkeit der Berufsbildungsaus­schüsse von der alleinigen oder überwiegenden Zuständigkeit der Kammern sowie die gleichberechtigte Beteiligung aller an der beruflieben Bildung Beteiligten und von der beruf­lichen Bildung Betroffenen an der Planung, Durchführung und Kontrolle der Berufsbildung." 2)

Inwieweit sich diese Forderungen durchsetzen lassen, ist eine Frage, die unter Bezugnahme auf die Widersprüchlichkeit staat­lichen Handelns, näherer Beschäftigung verdient. Es hilft nicht viel, den Staat - etwa im Sinne der Theorie des Staats­monopolistischen Kapitalismus (SMK) - kurzerhand zum ideellen und zunehmend auch reellen Gesamtkapitalisten zu erklären, oder auf der anderen Seite unter der Oberbetonung der "rela-

21) DEUTSCHER BILDUNGSRAT·(1979), S. 107 ) Ders., s. 127

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tiven Selbständigkeit" des Staates diesem im Sinne bekannter Sozialstaatsillusionen eine relativ autonome Interventions­möglichkeit und Krisenvermeidungsstrategie zu bescheinigen. Unter Berücksichtigung ungleicher Interessen zwischen Kapi­tal und Arbeit besteht die Spezifik staatlichen Handelns da­rin, daß es die Widersprüchlichkeit gesellschaftlicher Pro­duktion in der Form der privaten Aneignung keineswegs auf­hebt, sondern immer wieder die gesellschaftlieben Vorausset­zungen schafft, auf deren Grundlage die kapitalistische Pro­duktionsweise sieb voll entfalten kann. Der Staat bleibt so­mit bei Wahrnehmung seiner Aufgaben an die Bedingungen der Kapitalverwertung gebunden. PERABO bat die spezifische Widersprücblichkeit staatlieben Handelns folgendermaßen aus­gedrückt:

"Die Prosperität des ökonomischen Prozesses, an dem alle gesellschaftlieben Subjekte ein Interesse haben, kann auf­grund der Struktur der kapitalistischen Produktionsweise durch den Staat nicht befördert werden, ohne daß er die Interessen der Kapitaleigentümer in besonderer Weise för­dert und die Interessen der Arbeiter in besonderer Weise restringiert. Es ist nicht so, daß der Staat sieb unmittel­bar mit den Interessen der Kapitaleigentümer identifiziert und sieb ihnen ausliefern würde, er will - im Interesse an sieb selber - die allgemeinen Interessen befördern, aber gerade bei diesem Geschäft wird er notwendig dazu ge­trieben, sieb der Logik der Kapitalverwertung zu subsu­mieren." 1)

Indem der Staat gesellschaftliebe Widersprüche und Problem­lagen lediglieb verwaltet - und dies gilt insbesondere für die staatliebe Sozial- und Reformpolitik - ist darin die Widersprücblicbkeit angelegt, einerseits über Reformmaßnahmen den Klassenfrieden zu wahren und andererseits aufgrund der Beschränktheit staatlieben Handelns jene Konflikte wieder aufbrechen zu lassen, die eigentlich Gegenstand von Reform­maßnahmen gewesen sind.

Die Frage nach der Beschaffenheit widersprüchlichen Handelns ist an dieser Stelle. noch nicht geklärt. Unbeantwortet bleibt die Frage nach dem "wie" und "warum" staatlicher Problem­lösungsversucbe. Insbesondere OFFE bat darauf hingewiesen,

"daß ein 'stimulus-response' -Modell der Politikentstehung, dem zufolge das Aufkommen eines politischen Themas mit der

1) PERABO (1979), S. 105

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Verschärfung der Lage im korrespondierenden Realitätsaus­schnitt zu tun bat und auf diese zurückgeführt werden kann, viel zu wenig kom~lex ist, um die Genese der Politik abbil­den zu können." 1)

Stattdessen stellt er den als funktionalistisch zu klassifi­zierenden Erklärungsmodellen die stärkere Position der These "funktionaler Diskrepanzen" gegenüber,

"die man auf theoretischer Ebene salopp als 'schwarzen Funktionalismus' und politisch als 'subversiven Reformis­mus' bezeichnen würde. Sie würde davon ausgeben, daß es im­mer funktionale Diskrevanzen zwischen dem gegeben bat, was der Verwertungsprozeß erfordert' und dem, was die Politik tut - und zwar in beiden Richtungen, nämlich erstens, indem die Politik außerstande ist, die Voraussetzungen und Folge­probleme des Verwertungsprozesses adäquat zu bearbeiten; aber auch zweitens, indem die Politik Maßnahmen initiiert und Bedingungen herstellt, die dem Verwertungsinteresse keineswegs 'entgegenkommen', sondern es objektiv schädigen - und sei es nur wegen der strukturellen Unkenntnis der Sozialpolitik über die Bedürfnisse des Kapitals." 2) (Unterstreichung, R. V.)

OFFE macht am Beispiel der Berufsbildungsreform deutlich, daß keineswegs Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals 1m Zusam­menbang unzure~cbend ausgebildeter Arbeitskräfte allein die auslösenden Bedingungen der Berufsbildungsreform gewesen waren. Die Kategorien objektive Problemlage, Bestand an staat­lichen Organisat1onsmitteln, institutionalisierte Metboden der Diagnostizierun~ und politische Widerstände gegen eine Problemve~leugnung ) sind die Kriterien, mit denen OFFE zu­folge die Handlungsbedingungen staatlieber Reformpolitik erklärt werden können. Die Verabschiedung des Berufsbildungs­gesetzes 1969 durch die Große Koalition, sowie die schon ein halbes Jahr später durch die neue Bundesregierung ausgelöste Diskussion einer Novellierung dieses Gesetzes, erfolgte nicht infolge durch Kapitalinteressen bestimmte objektive Problem­lagen 4 ), sondern vor dem Hintergrund gesellscbaftspol1t1scher

~41l OFFE ( 1975 a), S. 178 OFFE (1975 b), S. 80 Vgl. OFFE (1975 a), S. 172 ff. Nicht der Bedarf der Wirtschaft nach qualifizierten Ar­beitskräften stand zur Debatte, sondern vielmehr die ~­sellscbaftspol1tiscbe Diskussion sozialer Ungleichheit. Der Wechsel bildungspolitischer Perspektive etwa 1973 findet seinen Niederschlag in der starken Akzentu1erung der Berufsausbildung und dabei insbesondere benachtei­ligter Berufsgruppen, wie (arbeitslose) Jugendliebe, Frau­en, Behinderte, ungelernte und ältere Arbeitnehmer. Vgl. dazu auch OFFE (1975 a), S. 174 ff.

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Kontroversen 1), die das ausgebaute (und nicht suspendier­bare) System wohl~ahrtsstaatlicher Organisationsmittel 2 ) unter Handlungsdruck gesetzt haben. Politische Widerstände gegen eine Problemverleugnung 3) konnten deshalb nicht zum Tragen kommen, weil die Notwendigkeit einer begrenzten Ko­operation der sozialliberalen Koalition mit den Gewerkscha~­ten die Grenze markierte, unterhalb derer bildungsre~ormer­ische Bemühungen die Legitimationskraft des Staates nicht wesentlich erschütterten. Gleichwohl sind "diagnostische Mechanismen" mitverantwortlich dafür gewesen, daß Re~ormen überhaupt zum Tragen gekommen sind.

"Im Falle der Beru.fsbildungsre~orm haben dazu der Eigen­rhytmus der Legislaturperioden, die Lehrlingsrevolte, die ambivalenten Impulse des Wirtscha~tssystems und die ver­stärkte Orientierung an Entwicklungen im 'vergleichbaren' Ausland gehört. " 4) ·

OFFE hat dara~ a~merksam gemacht, daß sich Politik nur dem Anschein nach a~ Probleme bezieht 5), daß es auch nicht vorherrschend ökonomische Probleme sind, a~ die staatliches Handeln reagiert, sondern daß staatliche Problemverarbeitung vielmehJZ ihren funktionalen Sinn dar~n bat, "daß sie Binnen­probleme des politischen Systems" 6 ) bearbeitet. Damit ist staatliches Handeln im Bildungssektor aber wesentlich an der Funktion der politischen Herrschaftssicherung orientiert. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß wirkliche Probleme nie­mals endgültig gelöst, sondern lediglich verwaltet werden. 7) OFFE kann - trotz einiger Vorbehalte - das Verdienst in An­spruch nehmen, die Einseitigkeit der Kritik der Politischen Ökonomie durch eine "Kritik der Politik" 8 ) ausgeglichen zu haben. OFFE bat an keiner Stelle Ausführungen dazu gemacht, wie aus dem 11 Sackgassencharakter" staatlicher Reformpolitik und ihrer "Parkinaonse~~ekte" herauszukommen ist. Dieser Mangel scheint mir vor allem darin begründet, daß OFFE das gemeinsame Inter-

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl~ OFFE (1975 a), S. 172 f~. Vgl. OFFE (1975 a), S. 180 ~f. Vgl. Ders., S. 186 ~~. Ders., S. 200 Ders. , S. 1 79 Ders., S. 179 Vgl. auch die Argumentationsweise BECK/BRATER's OFFE (1975 a), S. 2

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esse von Kapital und Arbeit zu sehr und das spezifische In­teresse der Arbeitenden zu wenig gewichtet. Da er allgemein den Einfluß des Kapitals auf die Bedingungen und Möglichkeiten staatlieben Handelns zu wenig berücksichtigt und in der Ne­gation des ökonomischen Einflusses den ideologischen Einfluß gleich mit negiert, entgeht ihm auch die Bedeutung der in der· Bundesrepublik Deutschland seit den 60er Jahren gewaltig gewachsene Politikberatung. Durch den Filter der sogenannten Verwissenschaftlichung der Politik werden aber entscheidende Weichen für staatliches Handeln gestellt, und über die "For­mierung" der Öffentlichkeit die Richtung des Handelns fest­gelegt. JUNG weist zum Beispiel auf das "institutionelle Sys­tem des Interessentransports auf der wissenschaftlieb-ideolo­gischen Ebene" bin,

"in dem die private und staatlich-öffentliche Komponente eng verbunden sind •••• So sind die technischen und wissen­schaftlichen Experten, Kommissionen, Gutachter usw. für die Monopole und Wirtschaftsgruppen wichtige Instrumente, um ihre Interessen in staatlichen Maßnahmen umzusetzen oder die staatlichen Maßnahmen ·in ihrem Sinne zu beein­flussen." 1 )·

OFFE unterschätzt auch die konkrete Widersprüchlicbkeit staatlieben Handelns, das einerseits dem System privatkapi­talistischer Produktionsweise ein dezidiertes Existenzrecht und eine ~tionalität zugestehen muß, andererseits aber seinem Anspruch der Vertretung allgemeiner Interessen inso­weit nachzukommen hat, als die Forderung nach planmäßiger und "gebrauchswertorientierter" Gesellschaftsgestaltung und -Veränderung in der Bevölkerung auf zunehmende Bewußtheit und Artikulation zu stoßen beginnt.· MAY OHM und WENK zum Beispiel haben in ihrer Projektstudie 2 ~ auf die zunebmen.de Aufnahmebereitschaft staatlicher Instanzen für die Nutzung gewerkschaftlicher Argumentationszusammenhänge hingewiesen, weil sieb

"doch schon Beurteilungsmaßstäbe für die Beurteilung wirt­schaftlicher und politischer Entwicklungen herauszubilden beginnen, die das Allgemeininteresse und seine planmäßige Realisierbarkeit als erkennbar und realisierbar zum Aus­gangspunkt nehmen und eine solidarisch-bewußte durch po­litische Instanzen getragene Entwicklung der Produktion

12) JUNG (1979), S. 65, 66 ) Vgl. MAY/OHM/WENK (1980)

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nicht mehr prinzipiell ausschließen." 1 ) (Unterstrei­chung, R. V.)

Insbesondere die im Rahmen des staatlichen HdA- Programms zumindest programmatisch zum Ausdruck kommende Orientierung am Menschen, und nicht bloß seiner technologie-politischen "Impiikationen", weist auf ein gestiegenes Anspruchsniveau der Arbeitnehmer und die Ausbildung einer "politischen Kul­tur" 2) hin, die staatliches Handeln dazu "zwingen", seinem ideellen, rechtlichen Anspruch, allgemeine Interessen zu vertreten, auch praktisch nachzukommen.

Die Forderung nach allgemeiner Berufsausbildung an den Staat erhält in diesem Zusammenhang eine reale begründete Per­spektive.

Die OFFE'sche Fallstudie über Reformpolitik erweckt demge­genüber den Eindruck, daß staatliche Bildungspolitik poli­tischer Gestaltung nur in geringem Ausmaß zugänglich und be­dürftig ist.

Zusammenfassung

Die soziostrukturellen Bedingungen sozialer Ungleichheit sind das "Gerüst", auf dem staatliches Handeln basiert.

Die Aufgabe staatlicher Sozialpolitik in warenproduzierenden Gesellschaften besteht zum einen darin, "die vom Kapital nicht berücksichtigte, aber notwendige Reproduktion von Ar­beitskraft zu sichern." 3) Reproduktion von Arbeitskraft impliziert zum anderen die Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse, bzw. von Herrschaft, in welcher Form auch im­mer.

Staatliche Reformpolitik löst Probleme nicht wirklich, son­dern reproduziert sie auf sich veränderndem und durch Inter­essenauseinandersetzungen "erzwungenem" Reproduktionsniveau.

~1~ MAY/OHM/WENK (1980), S. 86 Vgl. Dies., s~ ·a6 · BOHLE/SAUER (1975), S. 49

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Staatliches Handeln orientiert sich damit wesentlich an der Funktion politischer Herrschaftssicherung. Grundlegende Pro­blemlösungen beruflicher Bildung müssen in erster Linie po­litisch durchgesetzt werden. Dies setzt über die aktive und interessengeleitete Beteiligung und Kontrolle aller Betei~ ligten und Betroffenen an der Berufsbildung und der Stärkung des gewerkschaftlichen Einflusses sowie fortschrittlicher, staatstragender Kräfte, das Zurückdrängen des nach wie vor uneingeschränkten Einflusses. des Kapitals auf die berufliche Bildung voraus. Dadurch könnten auch jene, die objektiven Vergesellschaftungstendenzen hemmenden und ihr widersprechen­den Momente, wie die meist nicht über eine Legislaturperiode hinausgehende Planungs- und Prognosefähigkeit sowie Schwer­fälligkeit staatlichen Handelns abgebaut werden - zugunsten der Entwicklung lebendiger, schöpferischer und innovativer Gestaltungs- und Veränderungspotenzen. Wenn der berechtigte Anspr~ch auf berufliche Ausbildung vergl~chen mit der gesell­schaftlichen Wirklichkeit zunehmend als Widerspruch erfahren wird und ein gesellschaftliches Konfliktpotential mobilisiert, gerät das Allgemeininteressen verpflichtete staatliche Han­deln unter Legitimationsdruck, und muß, im Interesse an sich seibst, bildungspolitische Zielsetzungen verfolgen, die den objektiven.Interessen der abhängig Beschäftigten mehr ent­sprechen als dies momentan noch der Fall ist.

3.3 Die verwertungs- und herrschaftsbedingten Schranken allgemeiner Qualifizierung und deren widersprüchliche Entwicklung

In diesem Abschnitt werden die dem System sozialer Ungleich­heit geschuldeten und vom Herrschaftsanspruch des Kapitals übernommenen betrieblichen Organisations- und Hierarchie­strukturen in ihren allgemeine Qualifizierung nicht zulas­senden Bedingungen untersucht. Ausgehend von der Annahme der prinzipiellen Fähigkeit des Menschen zur Regulation be­trieblicher und gesellschaftlicher Belange und zur Selbst­regulation 1), sowie von der gesellschaftlichen Notwendig­keit der Anwendung solcher Fähigkeit, erscheint die herr-

1) Vgl. TOMASZEWSKI (1978), S. 20

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sehende Form betrieblicher und auch gesellschaftlicher Or­ganisations- und Hierarchiestrukturen zunehmend defizitär und widersprüchlich. Hieraus können Annahmen für organisations­soziologische Anforderungen an Qualifikation und Qualifizie­rung gewonnen werden. Die von BECK/BRATER aufgezeigten Wir­kungen von 11Kompetenzscbneidungen" könnten damit einer nä­

heren Analyse zugänglich gemacht werden.

Probleme der Motivation und Innovation wurden in Management­konzepten im Scientific Management, der Human-Relations­Bewegung, der Soziotecbnik und der Systemanalyse 1 ) zum Ge­genstand vielfältiger Bemühungen, den Verwertungsschwierig­keiten des Kapitals zu begegnen. Dabei ging es unter Wahrung der betrieblieben Loyalität um die Herauslockung (oder Zu­rückdrängung bei TAYLOR) all jener emotionalen, motivationa­len und schöpferischen Potenzen des Menschen, auf die die moderne Produktion zunehmend angewiesen war. Die Mangelbaf­tigkeit der herrschenden Organisations- und Hierarchiestruk­turen wurde zunehmend evident und so gut es ging durch an­dere Maßnahmen zu kompensieren versucht. BILLMANN macht da­rauf aufmerksam, daß es den Betrieben schon seit Jahrzehnten darum gebt, die Herrschaft im Betrieb mit immer feineren Metboden aufrecht zu erhalten.

"Die Besitzer und Machthaber der Betriebe versuchen nun schon seit Jahrzehnten, mit ihrer Betriebspolitik das Schwinden der produktiven Funktion der Betriebsbierarcbie, die Aufsplitterung ihrer Verfügungsgewalt und das Anwach­sen der kollektiven Produktivkraft der Arbeitnehmer zu kompensieren, und zwar mit dem Hauptziel, ihre Herrschaft vor allem in den grundlegenden Fragen (des Ziels und der Methoden der Produktion und Verwaltung) zu sichern und die Arbeitskraft der Arbeitnehmer voll auszuschöpfen. Dabei mußten sie einige Hindernisse, welche die Entfaltung der Kooperation allzu offen beschränkten, abbauen. Oder aber sie versuchten, durch zusätzliche Maßnahmen die Wirkung dieser Hindernisse auf die Arb~itnehmer zu verändern." 2)

Auch BAHRDT bat auf die "Krise der Hierarchie" bingewiesen und betont, daß sich das stark hierarchisch· gegliederte

"Fübrungsverhältnis gegenüber den Anforderungen des verwissen­schaftlichten und automatisierten Produktionsprozess-es als starker ökonomischer, sozialer und psychischer Hemmschub

1) Eine differenzierte Analyse bürgerlicher Theorien von Organisation und Leitung findet sich bei GVISIANI (1974)

2) BILLMANN (1970),. S. 33

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erweist: "Die Verwissenschaftlichung der Fiihrungsaufgaben und ihre Aufspaltung in Spezialgebiete machen die Kluft zwischen dem Detailwissen und der großen Ubersicht immer größer • ••• Die Sachbearbeiter werden selbständiger, d.h. sie müs­sen jetzt selbständiger werden. Aber daran hindert sie die Subalternität, in die sie immer wieder hineingestoßen wer­den. II 1) (Unterstreichung, R. V.)

In unternehmerorientierten Untersuchungen der Analyse innova­tionsfeindlicher Faktoren wird deutlich, daß mangelnde Kom­munikation und starre Organisation am häufigsten diejenigen Faktoren sind, die der Durchsatzung technologischer Innova­tionen hinderlich sind. 2) Immmer häufiger wird die For­derung nach kreativen, innovativen, motivierten und intelli­genten Mitarbeitern laut. Der Widerspruch, der in dem stark arbeiteteilig organisierten und hierarchisch gegliederten System gesellschaftlicher Arbeit und dem Bedürfnis der Unter­nehmer nach einem "allseitig gebildeten Mitarbeiter" besteht, verweist auf die eigentlichen Systemschranken selbst. Denn da das System der Ungleichheit von Bildungschancen die Vor­aussetzung für' die Subalternität bestehender Organisations­und Hierarchiestrukturen ist, die hierarchische Struktur gesellschaftlicher Arbeitsteilung aber wiederum die Voraus­setzung für die Reproduktion sozialer Ungleichheit, kann die Aufhebung der alten Teilung zwischen Hand- und Kopfarbeit nur dann erfolgversprechend 'sein, wenn sie gleichzeitig mit einer Enthierarchisierung des Systems der gesellschaftlichen Arbeit verbunden ist. Mit LEMPERT ist die "Neuordnung der Arbeit" der Kern, "die Voraussetzung und der Bezugsrahmen der Revolutionierung unseres Bildungssystems.

"Die Erfolgschancen jeder radikalen Reform, jeder Struktur­veränderung des Bildungswesens, auch schon ihrer ersten Schritte, sind an die Verfassung und an die Veränderungen des Systems der gesellschaftlich organisierten Arbeit ge­bunden. Solange die Arbeitsaufgaben so ungleich verteilt sind wie in der Bundesrepublik, ist jedes Bemiihen, die Un­gleichheit der Bildungschancen aufzuheben zum Scheitern verurteilt. Dafür sorgen sowohl die Erziehungspraktiken der Eltern sowie deren direkte und indirekte Einflüsse auf das Lernverhalten und die Schulwahl ihrer Kinder als auch die unmittelbare Sozialisationswirkung der Arbeitserfah~ rungen; außerdem wird eine Angleichung auch nur der in-

1) BAHRDT (1959), s. 118-120, zit. nach IMSF (ohne Jahres-angabe ) , S • 1 7 , 1 8 ·

2) Vgl. WARNECKE (1977), S. 121, zit. nach FRIEDRICH/HART­MANN (1979), S. 79

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stitutionalisierten Bildungsmöglichkeiten durch die Bil­dungspolitik der sozial privilegierten Gruppen erschwert."1)

BAHRO weist auch für die DDR darauf hin, daß die stark differ­enzierten Verhältnisse der Arbeitsteilung, -leitung.und -Or­ganisation der objektive Hemmschuh der schöpferischen Ent­wicklung des Menschen sind und einen sehr bedeutenden Ein­fluß auf die Effektivität der Volkswirtschaft ausüben. Zur Lösung des Widerspruchs schlägt er die Umgestaltung der Ar­beitsbedingungen nach "Kriterien der kreativitätsfördernden Situation" 2 ) vor, und die Implementation solcher Arbeits­prozesse, die von ihrem objektiven Inhalt und Charakter her, die gleichberechtigte Kooperation schöpferischer Menschen be­günstigen. 3 ) Inwieweit diese Verschläge auch bei uns zur Kenntnis genommen werden, läßt sich gegenwärtig noch nicht absehen. 4 ) Die hiesige gewerkschaftliche Diskussion um die Arbeitsgestaltungspolitik, die erst Mitte der 70er Jahre in größerem Maßstab entstanden ist, findet erst langsam ihren Ausdruck. Auch die Institutionen der Gewerkschaften sind eng hierarchisch gegliedert und organisatorisch strukturiert, was Veränderungsprozesse in Richtung einer massiven Infrage­stellung kapitalistischer Methoden der Arbeitsorganisation und damit die Frage nach der Rückgewinnung schöpferischer Potenzen in der Arbeit für die Beschäftigten erschwert. 5) Betrachtet man die Zähigkeit und die sozialen Auseinander­setzungen, die tendenziell solidarisch verlaufen 6 ), um die Frage der Arbeitsteilung in der DDR, so ist LEMPERT sicher­lich Recht zu geben, wenn er für die Bundesrepublik schreibt;

1~4 l LEMPERT (1979 b), S. 186 BAHRO (1980), S. 203 Ders., S. 204 -Bisher ist lediglich von LEMPERT (1979 b) und von HAUG/ ~MITZ/WALDHUBEL (1980) der Versuch gemacht worden, die tlberlegungen BAHRO's auf bundesrepublikanische Verhält­nisse zu transformieren.

9) Gemeint ist hier die Problematisierung überkommener Ar­beitsteilungs- und Organisationsstrukturen in der DDR vor allem im Bereich der Kultur. Vgl. z.B. BRAUN, v. (1979) und andere S~ücke.

5) Hier ist der These WIEDENHOFERS (1979), S. 323 zuzustimmen, "daß sich eine Tarifpolitik, die Belastungen und Monotonie abbauen und den Einsatz von Qualifikationen sichern will, mittel- und langfristig nur dann durchsetzen und halten wird, wenn sie von den Betriebsräten, Vertrauensleuten und Arbeitnehmern nicht nur verbal unterstützt, sondern am Arbeitsplatz auch umgesetzt und weiterentwickelt wird."

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"Bereits die Minimalforderungen einer sozialistischen De­mokratisierung unseres Bildungssystems und Bildungswesens verstoßen sowohl gegen Privilegien herrschender Minoritäten als auch gegen priviliegiensichernde Sozialstrukturen. Wei­terhin widersprechen die Bewußtseinsformen, in denen auch ein großer Teil jener Gruppen befangen ist, die nicht zu den Nutznießern bestehender Verhältnisse gehören (d.h. die durch die geforderte Neuordnung der Arbeit und Bildung ge­winnen könnten). Deshalb muß mit erheblichen Widerständen gegen, zumindest mit viel Unverständnis für das Veränderungs­programm gerechtnet werden - auch schon wenn es nur darum geht, die allerersten Schritte einzuleiten. Darum muß zu-vor versucht werden, möglichst viele Menschen von der Not­wendigkeit einer Neuorientierung unserer Arbeits- und Bil­dungspolitik zu überzeugen." 1)

Zusammenfassung

Die Subalternität überkommener Organisations- und Hierarchie­strukturen verunmöglicht die Ent~aitung subjektiven Poten­tials bei den Arbeitenden. Sie gerät jedoch zunehmend auch in Widerspruch zu den objektiven gesellschaftlichen Erforder­nissen.

Eine "Humanisierung des Arbeitslebens" bzw. Anforderungen an Höherquali~izierung müssen wesentlich a~ die Struktur gesellschaftlicher Arbeitsteilung Bezug nehmen. Normative Forderungen müssen vor dem Hintergrund der doppelten De­fizienz he.rrschender Arbei t13teilungsstrukturen (~ür Kapital und Arbeit) in deren widersprüchlichen Chrakter eingebettet und daraus hervor entwickelt werden. Nur über ein neues Ver­ständnis von Organisation - wie es in ersten Ansätzen einige neuere Ansätze der Organisationsentwicklung vorsehen, 2 ) die aber mehr an soziotechnische "Wiederbelebungsversuche" er­innern - können langfristig überkommene Strukturen aufge­weicht und über die aktive Beteiligung aller Betroffenen an den Angelegenheiten der Organisation einer Demokratisie­rung im Betrieb wie der Gesellscha~t Vorschub geleistet werden.

21) LEMPERT (1979 b), S. 191 ) Vgl. PSYCHOLOGIE HEUTE (1980), S. 35-56

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3.4 Zusammenfassung. Allgemeiner Problemlösungsansatz des Verhältnisses von Qualifizierung und Gesellschaftsstruk­tur unter metbodelogischen Gesichtspunkten

Die Herrschaft des Kapitals existiert in der Form der Tei­lung der Arbeit, welche wiederum ihre objektive Grundlage in dem Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion in der Form der privaten Aneignung bat, - das ist kurz die These, die in den letzten Abschnitten herausgearbeitet worden ist. Anforderungen an Qualifikation und Qualifizierung müssen sieb daher daranmessen lassen, inwiefern und inwieweit sie sieb gegen die herrschende Form gesellschaftlicher Arbeitsteilung richten. Dabei ist die widersprüchliche Verwobenbeit der Mo­mente Produktionskraft, gesellschaftlicher Zustand und Bewußt­sein zu berücksichtigen und unter das Primat sozialer, d.b. gesellschaftlich bestimmter Tätigkeit zu stellen, weil es nur dadurch möglich ist, technologische und arbeitsorgani­satorische Formen in ihrer hierarchischen Struktur und ar­beitsteiligen Organisation als elastisch und damit mensch­lieber Veränderung zugänglich aufzufassen.

Das folgende MARX'sche Zitat legt die Erkenntnis nahe, daß Produktivkraftentwicklung und somit auch die Erkenntnistheorie der Naturwissenschaft ihrem Inhalt nach keineswegs klassenin­different und nicht sozial bestimmt ist, sondern über die Verwobenbeit mit dem gesellschaftlieben Zustand und dem ge­sellschaftlichen Bewußtsein als sozial-ökonomisch bestimmt aufgeiaßt werden muß.

"Übrigens ist es ganz einerlei, was das Bewußtsein alleine anfängt, wir erbalten aus diesem ganzen Dreck nur das eine Resultat, daß diese drei Momente, die Produktionskraft, der gesellschaftliche Zustand und das Bewußtsein in Widerspruch untereinander geraten können und müssen, weil mit der Tei­lung der Arbeit die Möglichkeit, ja die Wirklichkeit ge­geben ist, daß die geistige und materielle Tätigkeit- daß der Genuß und die Arbeit, Produktion und Konsumtion, ver­schiedenen Individuen zufallen, und die Möglichkeit, daß sie nicht in Widerspruch geraten, nur darin liegt, daß die Teilung der Arbeit wieder aufgehoben wird ••••

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Übrigens sind Teilung der Arbeit und Pirvateigentum identische Ausdrücke - in dem Einen wird in Beziehung auf die Tätigkeit dasselbe ausgesagt, was in dem Andern in bezug auf das Produkt der Tätigkeit ausgesagt wird.

Ferner ist mit der Teilung der Arbeit zugleich der Wider­spruch zwischen dem Interesse des einzelnen Individuums oder der einzelnen Familie und dem gemeinschaftlichen In­teresse aller Individuen, die miteinander verkehren, gege­ben; und zwar existiert dies gemeinschaftliche Interesse nicht bloß in der Vorstellung, als 'Allgemeines', sondern zuerst in der Wirklichkeit als gegenseitige Abhängigkeit der Individuen, unter denen die Arbeit geteilt ist. Und endlich bietet uns die Teilung der Arbeit gleich das erste Beispiel davon dar, daß solange Menschen sich in der na­turwüchsigen Gesellschaft befinden, solange also die Spal­tung zwischen dem besonderen und gemeinsamen Interesse exis­tiert, solange die Tätigkeit also nicht freiwillig, sondern naturwücbsig geteilt ist, die eigne Tat des Menschen ihm zu einer fremden, gegenüberstehenden Macht wird, die ihn unterjocht, statt daß er sie beherrscht." 1)

Unter dieser Perspektive hat die Entwicklung neuer Arbeits­mittel und deren Durchsatzung immer objektive, reale gesell­schaftliche Ursachen, sie verläuft keineswegs aus sich selbst heraus. Auch Erkenntnistheorie und Erkenntnisfortschritt ist nicht dem subjektiven "Erfindergeist" des Forschers schlecht­hin geschuldet, sondern davon abhängig, in welchen sozial­ökonomischen Formen sich dieser bewegt. Indem die bürger­liche Theorie aber den Problemgegenstand immer nur als be­reits mathematisch-logisch zugerichtetes Modell kennt, schlägt s·ie demgemäß immer nur Methoden vor, die zur Lösung solcher Probleme verwendbar sind, die im Grundsatz bereits gelöst sind. Erkenntnisfortschritte sind so nicht machbar. 2) Die gängigen Konzepte vom technischen Fortschritt, die die jeweiligen Arbeitsmittel als fertige Phänomene betrachten, scheitern daran, daß sie sie nicht im Flusse der Bewegung sehen und nicht aus der praktischen Notwendigkeit ihrer Ent­stehung heraus. Die Formen, in denen der technische Fort­schritt erscheint, drängen sich dem Forscher zunächst "wie von selbst" auf, sie. können in dem "Unterworfensein unter die Formbestimmtheiten der bürgerlichen·Gesellschaft" nicht mehr

1) MARX (1972), (MEW 3), S. 32, 33 2) Vgl. SEIDEL (1976) sowie KLAUS/BUHR (1972), S. 805

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infrage gestellt werden. 1 ) Unter den Bedingungen des Denkens "in den spontanen Formen" 2), der nur gegenständlichen Er­kenntnisdetermination, die keinen sozialökonomischen Erklä­rungshintergrund mehr kennt, ist es nicht denkbar, daß die jeweilige Form des technischen Fortschritts, die schließlich realisiert wird, nur eine, ganz bestimmte Form aus der Ge­samtheit der zur Zeit denkbaren und entwicklungsreif existie­renden Möglichkeiten darstellt. LUTZ zufolge gerät damit aus dem Blickfeld,

"daß das Verhältnis zwischen realiserten und nicht realisier­ten Innovationen sich immer mehr zugunsten der nichtreali­sierten verschiebt, oder anders ausgedrückt, die Chance im­mer größer wird, aus dem Potential technischer Lösungen eine bestimmte auszuwählen und andere fallen lassen zu kön­nen." 3)

In unserer Zeit der geradezu revolutionären Entwicklungspotenz der Mikroelektronik wird stattdessen ganz vergessen,

"daß die Mikroelektronik nur eine von mehreren Varianten von automatischer Steuerungstechnologie ist und daß man genau erklären kann, wie und warum in den 50er Jahren von der Regierung der USA mit sehr großen Geldmitteln genau die­se Form von automatischer Steuerung in den Bereich der pro­blemlosen industriellen Anwendung hineingefördert worden ist (dies hatte etwas zu tun mit der amerikanischen Raketen­technik, den unterschiedlichen Schubstärken russischer und amerikanieeher Raketen erster Generation als Folge der Auf­teilung des Penemünder Erbes auf die eine und die andere Seite, usw.)" 4)

Unter anderen sozialökonomischen Bedingungen wären nämlich auch andere Entwicklungslinien des wissenschaftlich-tech­nischen Fortschritts zu verzeichnen gewesen. 5) Bei der Frage nach den Realisierungs- und Durchsetzungsbedingungen des technischen Fortschritts muß immer beantwortet werden, welche sozialökonomischen Bedingungen dafür ausschlaggebend sind. Erst unter diesem kritischen Gesichtspunkt drängt sich die Forderung nach Einbeziehung aller an der Entwicklung des technischen Fortschritts Beteiligten an der bewußten, nach gesellschaftlichen Zwecken ausgerichteten Planung und Kon­trolle der gesellschaftlichen Belange auf.

1) Vgl. dazu HAUG (1977) 2) Vgl. Ders. 3) LUTZ (1979), S. 9 4) Ders. S. 9 5) Verwiesen sei nach LUTZ auf die pneumatischen Rechner, die

in der SU einmal entwickelt worden waren, oder die Analog­rechentechnologie, die sich in Kombination mit Pneumatik oder Hydraulik für Steuerungsaufgaben vielleicht besser eignen würde als die Mikroelektronik. LUTZ (1979), S. 9

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Solange allerdings noch von der Eigendynamik der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung die Rede ist, die not­wendig ihre Folgeprobleme hinter sich herzieht, bleibt die grundsätzliche Möglichkeit und Notwendigkeit gesellschaft­licher Gestaltung ausgespart und handelt es sich dann nur noch um die Abwendung der schlimmsten, der herrschenden Ar­beitsteilungsstruktur geschuldeten Folgen. Die eigene Tat des Menschen, des Arbeiters wie des Forschers wird dann nach MARX "zu eiuer fremden, gegenüberstehenden Macht ••• , die ihn unterjocht, statt daß er sie beherrscht." 1 )

Damit aber die Perspektive einer Gesellschaft erscheint, "worin die freie Entwicklung eines jeden, die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist" 2),

muß die Form der Teilung der Arbeit immer wieder als das er­kannt werden, was sie ist, nämlic~·als die gesellschaftliche und individuelle Entwicklung hemmende, schöpferische Initia­tive unterdrückende und soziale Ungleichheit perpetuierende Form gesellschaftlicher Machtverhältnisse.

Anforderungen an Qualifikation und Qualifizierung müssen unter normativen, an den Interessen der Arbeitenden ausge­richteten Kriterien, unter das Primat gestellt sein, die dem Menschen entrissene Kontrolle des gesellschaftlichen Zustands schrittweise zurückzugeben. Nur eine ganzheitliche Betrach­tungsweise gewährleistet, daß Qualifizierungsprozesse auf ihre faktische Relevanz hin untersucht und daran gemessen wer­den können·, inwieweit sie die alte Trennung zwischen Hand-und Kopfarbeit infrage stellen.

Im nächsten Kapitel sollen Anforderungen an Qualifikation und Qualifizierung erarbeitet werden! die sich nicht nur auf Einzelaspekte menschlicher Lebenstätigkeit in der Produktion beziehen, ·sondern den sozialen, politischen und geistigen tätigen Lebensprozeß des Menschen zur Grundlage haben. Dabei wird der sozialer Ungleichheit entspringenden gesellschaft­lichen Form der Arbeitsteilung und ihren Auswirkungen z.en­traler Stellenwert beigemessen werden.

1) MARX (1973), (MEW 3), S. 33 2) Ders. (MEW 4), S. '482

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4, ENT'IIICKLUNG SOZIALWISSENSCHAFTLICHER ANFORDERUNGEN AN "QUALIFIKATION" UND "QUALIFIZIERUNG"

In dem vorangegangenen Kapitel konnte gezeigt werden, daß die Formen, in denen sich gesellschaftliche Verhältnisse dar­stellen, das Ergebnis der Tätigkeit von Individuen sind, daß also auch die gesellschaftliche Form der Arbeitsteilung mensch~ lieber Tätigkeit geschuldet und damit auch veränderbar ist. Teilt man diese Einsicht - mit der allein noch nicht viel ge­wonnen ist - so stellt sich einerseits die Frage, welche so­zialstrukturellen Momente und Bedingungen es sind, die Ge­sellschaft konstituieren und ihre jeweiligen Formen reprodu­zieren und konservieren, wie andererseits die Frage nach der Entstehung und Wirkung subjektbezogener gesellschaftlicher· Tätigkeit, die - mit bestimmten Sozialstrukturellen Bedingun­gen und Gegebenheiten kompatibel - gesellschaftliche Verän­derungsprozesse, also sozialen Wandeln, auszulösen vermag. Wie wichtig die adäquate Vermittlung der beiden Forschungs­perspektiven ist, wird deutlich, wenn man sieht, wie unver­mittelt sich eher strukturtheoretisch und eher handlungstheo­retisch orientierte Ansätze gegenüberstehen. 1 ) Betonen die einen die übermächtigen Sozialstrukturellen Gegebenheiten, und vernachlässigen sie die subjektiven Veränderungsmöglich­keiten 2), so geben die anderen umgekehrt vor, indem sie die Möglichkeiten sozialen Wandels hypostasieren und die Bedeu­tung sozialstrukturaller Barrieren vernachlässigen. 3) Da sich

1) Strukturtheoretische Annahmen finden sich z.B. bei: PO­FITZ, u.a. (1957), KERN/SCHUMANN (1970), MICKLER, u.a. (1976), BRAVERMAN (1977), auch bei ALTMANN/BECHTLE (1971), handlungstheoretische Annahmen bei: HABERMAS (1973), den verschiedenen Arbeiten FRICKE's sowie der PROJEKTGRUPPE

2) Wenn beispielsweise BRAVERMAN den anfänglichen Abscheu der Arbeiter auf das bei FORD eingeführte Fließband der Gewöhnung des Arbeiters an die kapitalistische Produktions­weise zum Opfer fallen sieht, die alle anderen Formen der Arbeitsorganisation und mit ihnen alle Alternativen für die Arbeitsbevölkerung erobert und zerstört hat, so steht die kapitalistische Produktionsweise als das eigentliche Subjekt, dem sich die Individuen als Objekt um den Preis ihres Untergangs zu unterwerfen haben. Vgl. BRAVERMAN (1977), s. 110-119

3) Überlegungen zur gegenseitigen Ergänzung struktur- und handlungstheoretischer Ansätze finden sich z. B. bei LEMPERT ( 1977 b)

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die beiden Richtungen durch die Erweiterung ihres theore­tischen Ansatzes kaum werden vereinbaren lassen, weil ihnen methodische Desiderate und unterschiedliche Konzeptionen des Verhältnisses von Subjekt und Objekt zugrundeliegen, sind nach LEMPERT

"vermutlich auch Revisionen der Methode erforderlich." 1)

Der "neidische Blick" auf aktionsforschungsorientierte, unter Berufung auf Traditionen des "action research" aufgearbeitete Forschungskonzeptionen erweist sich fUr eine "Revision der Methode" als ambivalent. Die Aktionsforschung interessiert sich FUCHS zufolge zwar nicht nur dafUr,

"wie die gesellschaftlichen Verhältnisse beschaffen sind, nach welchen Regeln sieb die Menschen verhalten, sondern zugleich dafUr, welche Flexibilität und Veränderbarkeit diese vorgefundenen Regeln sozialen Verhaltens haben, unter welchen Umständen und wie die Menschen bereit sind, sieb anders zu verhalten ••• " 2);

Industriesoziologische Probleme sind aber bisher nicht zum Gegen~tand dieser Forschungsrichtung geworden 3 >. Dies scheint auch daran zu ~iegen, daß die lediglich strukturanalytisch angelegten soziotechnischen Methoden in der Folge der Haw­thorne-Experimente und der Arbeiten des Londoner Ta~istock­Instituts fUr den gegenwärtigen "Trend" der Aktionsforschung eine schwere Hypothek darstellen, welche selbst FRICKE in dem Peiner Handlungsforschungsprojekt nicht auszuräumen ver­mochte. 4} Nach KARL geschieht die Problemauswahl und -defi­nition der Aktionsforschung

"nicht vorrangig aus dem Kontext wissenschaftlicher Er­kenntnisziele, sondern entsprechend konkreten gesellschaft-lichen BedUrfnissen." 5) ·

Dies hat zur Folge, daß strukture~l iri der Repröduktions­sphär~ der Gesellschaft angesiedelte Felder zum Gegenstand der.Forschung genommen werden. Problematisch ist das un­hintertragte Aufgreifen gesellschaftlicher Bedtirfnisse, und

§1~ LEMPERT (1977 b), S. 321 FUCHS (1970/71), S. 16 . Eine Ausnahme ist vielleicht das Handlungsf.o.;t:.s·chungspro­jekt von FRICKE, vgl. FRICXE/FRICKE, u.a. (1980)

4) LEMPERT macht FRICKE den Vorwurf der zu.starken Orientie­rung am soziotechnischen Ansatz, vgl. LEMPERT (1977 b), s. 35

5) KARL (1977), S. 69

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die Aussparung der Frage nach den soziostrukturellen Bedin­gungen, die Bedürfnisse erst entstehen lassen. Geht man von einem Verständnis der Sozialwissenschaft aus, das die kon­kreten gesellschaftlichen Menschen, die die objektiven ge­sellschaftlichen Beziehungen und mithin den gesamten gesell­schaftlichen Prozeß realisieren, zum Gegenstand hat, dann reicht es nicht, strukturtheoretische Erklärungsmuster von Gesellschaft um handlungstheoretische Prämissen zu erweitern. Vielmehr steht das Verständnis der Vermittlung zwischen Sub­jekt und Objekt selbst zu Debatte. Kritische Sozialwissen­schaft kann sich nicht darin erschöpfen, ständig aufs Neue den sich verändernden soziostrukturellen Gegebenheiten die sich ebenfalls verändernden und entwickelnden subjektbezo­genen Momente gesellschaftlicher Praxis gegenüberzustellen. Dies liefe darauf hinaus, Subjekt und Objekt als relativ autonome Entitäten zu betrachten, die sich abstrakt gegen­überstehen. Die mangelhafte synthetische Leistung der Sozial­wissenschaft besteht dann darin, Subjekt und Objekt im Nach­hinein zu vermitteln und gesellschaftliche Veränderungspro­zesse auf deren gesellschaftliche Bedingtheit zu beziehen, indem nach objektiven Kriterien gesucht wird (z.B. Technik), die subjektives Veränderungspotential zur Folge haben "müs­sen". Die Vermittlung zwischen Subjekt und Objekt geschieht äußerlich, reaktiv und objektiv. Das Subjekt wird objekti­viert, seine Beziehung zum Objekt scheint durch das Objekt selbst vermittelt. Sozialer Wandel erscheint so als "Resul­

tat" gesellschaftlicher Veränderungen, die in ihrer "sub­jekthaften Gewordenheit" selbst nicht untersucht werden. Nicht die Einwirkungen menschlicher Praxis auf die Gesell­schaft stehen hierbei zur Diskussion, sondern vielmehr die Rückwirkungen objektiver Veränderungen auf menschliches Han­deln. Der Mensch scheint in dieser Perspektive der gesell­schaftlichen Entwicklung hinterherzuhinken, sich ihr reaktiv anzupassen und unterzuordnen. Sozialwissenschaft, die so verfährt, läuft der gesellschaftlichen Entwicklung hinter­her, indem sie immer nur konstatiert, was geschieht und warum etwas geschieht, nicht aber die Frage danach stellt, "wie" etwas geschieht und "was" geschehen soll.

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Solange die soziostrukturellen Gegebenheiten und ihre in­

neren Bedingungen und Beziehungen nicht als Momente gesell­schaftlicher subjektiver Lebenspraxis des Menschen begriffen werden, kann auch die Qualifikationsforschung normative Kriterien von "Qualifikation" und "Qualifizierung" nicht ab­leiten und gewissermaßen antizipieren, was im Interesse der Arbeitenden wirklich werden könnte und sollte.

Die solcher Vergehensweise entsprechende Begriffliehkeit verhindert die "Neubestimmung" des Verhältnisses von Subjekt und Objekt, weil diese Begriffe auf dem Boden der Wirklich­keit gewachsen sind, und Wirklichkeit als das erscheint, was sie ist, nämlich als objektives Äußeres, dem man sich -um seiner selbst willen - einordnen und anpassen muß. Not­wendig für eine "Revision der Methode" ist zuvörderst die Revision der Begriffe, gewissermaßen der "Werkzeuge", mit denen gesellschaftliche Verhältnisse nicht lediglieb beschrie­ben, sondern gestaltet und verändert werden.

4.1 Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen kritisch­emanzipatorischer Begriffsbildung

Sozialwissenschaftliche, kritisch-emanzipatorische Grundbe­griffe sinä in zweierlei Hinsicht kritisch. Sie sind kri­tisch in der "Lösung aus den Befangenheiten des täglichen Lebens" 1), oder, was dasselbe ist, in dem Aufbrechen der

"Befangenheit in den Formen bürgerlicher Privatverhält­nisse." 2)

Sofern dies gelingt, heißt das Kritik der bürgerlichen So­zialwissenschaft und zweitens Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse. Gesellschaftskritik meint Gesellschaftsver­änderung als die subjektive Einwirkung des Menschen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, zum Zwecke eines "besseren Lebens". 3)

12) Vgl. HOLZKAMP (1968), S. 23-30 ) Vgl. HAUG (1977), S. 77 ff.

3) Kritisch-emanzipatorische Grundbegriffe sind HOLZKAMP zufolge kritisch gegenüber der bürgerlichen Sozialwissen­schaft, "die die unter kapitalistischen Verhältnissen gegebenen Restriktionen und Verkehrungen individueller •••

(Fortsetzung nächste Seite)

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Sozialwissenschaftliche Begriffe können sich nicht darin erschöpfen, daß sie einzelne Momente individueller und/oder gesellschaftlicher Lebenstätigkeit zum Gegenstand haben und diese losgelöst von den sie bestimmenden Aspekten betrachten. Sie müssen im Rahmen des dialektischen Wechselverhältnisses von objektiver Determination und subjektiver Bestimmtheit in ihren reziprok gegenständigen-widersprüchlichen und über­einstimmenden Aspekten unter subjektbezogenem Gesichtspunkt stehend betrachtet werden. SEVE weist darauf hin, daß die vorwiegend in der Psychologie verwendeten Begriffe wie "Ver­hal~en", "Struktur", "Haltung", "Rolle" etc. den Erforder­nissen einer echten Grundlegung nicht entsprechen.

"Denn wenn Begriffe in einer Wissenschaft die Rolle von Grundbegriffen spielen sollen, dann genügt es nicht, daß sie die dort am häufigsten auftretenden Erscheinungen mehr oder minder glücklich beschreiben und abgrenzen; sie . müssen vielmehr selbst oder im Verhältnis zueinander die bestimmenden Widers~rüche, die das Wesen des setreffenden Wissenschaftsgegens andes kennzeichnen, zum Ausdruck brin­gen." 1) (Hervorhebung im Original)

Auch für den technologie-orientierten Technik-Begriff trifft der kritische Einwand SEVE's zu, daß· dieser Begriff nicht unter dem Gesichtspunkt menschlicher, tätigkeitsbezogener Aktivität betrachtet wird, sondern daß ihm eine scheinbar außerhalb gesellschaftlicher Lebensaktivitäten stehende "Sachgesetzlichkeit" oder "Triebkraft" inhärent ist, die den eigentlichen Tätigkeiten vorgelagert wird. Von solchen Be­griffen ist SEVE zufolge zu sagen:

"Jeder Begriff, der sich auf den Gedanken einer äußeren, prinzipiell der Aktivität selbst vorausgehenden 'Trieb­kraft' gründet, kann nicht Primärbegriff sein." 2)

••• Entwicklung und Bewußtseinsbildung in ihrer Begriff­lichkeit als unveränderliche Naturgegebenheiten blind reproduziert; kritisch zum anderen gegenüber den gesell­schaftlichen Verhältnissen, durch welche die individuelle Realisierung gesamtgesellschaftlicher Entwicklungsmög­lichkeiten objektiv behindert ist, und die Individuen in kollektiver Aktivität als Teile gesellschaftlicher Sub­jekte zur Erweiterung ihrer Selbstbestimmung, damit Ent­wicklung und Lebenserfüllung, verändern können." HOLZKAMP (1977 b), S. 107

12) SEVE (1977), S. 36 ) Ders., S. 36

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Wird der Technik-Begriff als unabhängige Variable aufgefaßt, und genügt sieb die sozialwissenschaftliebe Forschung darin, die Auswirkungen technologischer Veränderungen auf die Ar­beitsbedingungen des Menschen zu untersuchen, dann erscheint äuch der Qualifikationsbegriff nicht unter dem Gesichtspunkt tätigkeitsbezogener, subjektiver Relevanz und ihrer gesell­schaftlichen Funktion, sondern als bloßes Abbild technologie­induzierter Arbeitsanforderungen. Die Frage nach den eigent­lichen Forschungsinhalten und -interessen bleibt somit außer­halb der wissenschaftlieben Betrachtung.

Verfolgt man die Entwicklung verschiedener Wissenschafts­theorien vom "naiven Empirismus" 1 ) über den "logischen Empirismus" 2 ) zur POPPER 'sehen "Falsifikations-Theorie·" . und schließlieb zum "Konstruktivismus" 3), so wird das On­genügen inhaltlieber und interessengeleiteter Implikationen zunehmend deutlich. Nach HOLZKAMP wird

11 die wachsende Sinnlosigkeit einer zwar verzerrungsfreieren, doch nur noch metbodelogisch orientierten Wissenschafts­theorie freigelegt." 4)

Das POPPER'sche Falsifikationskonzept weist -verkürzt aus­gedrückt - den positiven Erkenntnisanspruch der Wissenschaft radikal zurück. Der "Konstruktivismus" stuft 11Einpirie 11 nicht nur im !'Liebte" der jeweiligen Theorie stehend ein, sondern weist gle.ichzei tig darauf hin, daß der Forscher im 11Reali­sationsverfahren" die "Realität" auswählend oder herstellend .in abstrakter Aktivität selbst konstruiert. In gewisser Wei­se wird der von HAOG hervorgehobene Tatbestand des Unter­worfeneeins unter die Formbestimmtbeiten der bürgerlichen Gesellschaft angesprochen, weshalb im "Konstruktivismus" die wisse~schaftstbeoretiscben Anforderungen der inhalt­lieben Relevanz und gesellschaftlicher Funktion in abstrakter, allgemeiner Hinsiebt als erfüllt betrachtet werden können. Wissenschaftstheoretische Grundannabmen, Ko.nstrukte und Ver­fahren können dadurch kritisch-emanzipatorisch transformiert

1) Seine bistorisehen Wurzeln liegen im englischen Sensualis­mus., z.B. J. St. MILL

2) Vor allem Wiener und Mineactakreis 34) Vgl. insbes. HOLZKAMP (1968)

) HOLZKAMP (1970), S. 5. Die Darstellung der Entwicklung verscb~edener Wissenschaftstheorien ist im Wesentlichen än diesen Aufsatz angelehnt

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werden, indem die Wissenschaftstheorie des·Konstruktivismus in die umfassende MARX'scbe Gesellschaftstheorie eingebettet wird, womit vor allem bistoriscb-gesellscbaftlicbe Bedin­gungen sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung angegeben werden können.

Die kritisch-emanzipatorische Bildung eines Begriffs von "Qualifikation" hätte sieb demnach erstens von einer Sozio­logie abzugrenzen, die Qualifikation als von der Technik und anderen unabhängigen Variablen abgeleitete und dem Subjekt äußerliche Sacbfunktion beschreibt. Sie hätte zweitens den kritisierten Qualifikationsbegriff mit dem in materialis­tischer Hinsiebt gekennzeichneten historisch-gesellschaft­

lichen Verständnis von Qualifikation als Befähigung zur ak­tiven Einwirkung des Menschen auf die Natur und die Gesell­schaft zu kontrastieren. Die Kritik des "bürgerlichen" Quali­fikationsverständnisses als abstrakte Negation wird zur be­stimmten Negation in der kritischen Aufhebung spezifischer Formen gesellschaftlicher Verhältnisse, welche den Menschen zum "geknechteten" und "ausgebeuteten" Objekt machen. Das normative Kriterium allseitig entfalteter Individuen 1 ) wird nicht abstrakt der Bildung des Begriffs von "Qualifikation" von außen zugegeben, sondern in der bestimmten Negation je­ner Momente, Bedingungen und Strukturen gesehen, die eine "Persönlicbkeitsentfaltung" verhindern.

Ein sozialwissenschaftlieb fundierter Qualifikationsbegriff muß mit anderen Worten tbeoriekritiscb, gesellschaftskri­tisch und synthetisch sein. Das bedeutet aber, daß er nicht allein durch die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse gewonnen werden kann, sondern vor allem in der antizipativen Vorwegnah~e, Zusammenfassung und Integration gesellschaft­lieber Bestimmungen bestehen muß, die selbst Teil von Gesell-

1) SEVE hat das "Normative" subjektiver Daseinsentfaltung in der folgenden Frage deutlich gemacht: "Sind die großen Menschen, Ausnahmen einer Epoche inso­fern, als die gewaltige Mehrheit der übrigen Menschen durch die gesellschaftlieben Bedingungen verkrüppelt wird, nicht in gewissem Sinn die normalen Menschen dieser Epoche und ist der Regelfall der Verkrüppelung nicht gerade die Aus­nahme, die Erklärung verlangt." SEVE (1977), S. 203

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schaft sini und gleichzeitig den Keim des "Neuen" in sich tragen. Erforderlich ist ein Subjekt-Verständnis, das die gesellschaftliche Praxis des Menschen zur Grundlage der Entwicklung menschlicher Lebensprozesse nimmt.

Eine Soziologie aber, "die mit bestimmten Begriffen und Theorien, Methoden und empirischen Techniken Struktur-, Funktions- und Entwick­lungszusammenhänge der Gesellschaft beschreibt und aus ~­~emeineren Prinzipien heraus erklärt 11 1) (Unterstreichung, . v. ) , .

kann dem ganzheitlichen Anspruch subjekt-bezogener kritischer Sozialwissenschaft nicht genügen, weil sie von gesellschaft­lichen Bedingungen und Gegebenheiten ausgeht, diese voraus­setzt und nicht eigentlich danach fragt, "wie" sie im histo­rischen Kontext entstanden sind, und "wie" und durch "wen" sie sich verändern.

Der sozialwissenschaftliche Strukturbegriff ist eher ~­~; unhistorisch, systemtheoretisch und nicht gerade genetisch in dem Sinn, daß er die· Wandelbarkeit von Struktur, Gegenwart und System zu seiner impliziten Voraussetzung hat. Sozialwissenschaftliche Begriffe stehen insofern mehr unter dem "Gewicht" des Objekts (sie scheinen von diesem "erdrückt" zu werden) und auf der anderen Seite zu sehr im "Wasser" des Subjekts (sie scheinen darin zu "verschwimmen"). 2 )

Die Beantwortung der Frage nach dem Verständnis der Vermitt­lung zwischen Subjekt und Objekt stößt sich an deren ~­lieber Gegenüberstellung. Es fehlt das "gemeinsame Dritte", ~it dem Subjekt und Objekt in gleicher Weise vermittelt werden könnten.

Die Schwierigkeit der bürgerlichen Sozialwissenschaft be­steht, wie bereits angedeutet, in dem "Dilemma", mit exakten Struktur- und Systembegriffen einen scheinbar objektiven Prozeß zu erklären, der in der gesellschaftlichen Entwicklung das "Produkt der Tätigkeit bewußt und vorsätzlich handelnder

1) FUCHS/KLIMA, u.a. (1975), Lexikon zur Soziologie, Bd. II, S. 631, Stichwort: Soziologie

2) Gemeint ist der "Gegensatz" von strukturtheoretischen und handlungstheoretischen ~~sätzen

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Menschen ist." 1 ) MILLS sieht eine "Antinomie" von "abstrak­tem Empirismus" und ebenso abstrakter "großer Theorie" 2>, in welcher sich die bürgerliche Soziologie seit ihrem Ent­stehen herumtreibt. Ihr "großer", abstrakt- allgemeiner Ge­sellschaftsbegriff als organismisches, sich selbst erhal­tend-es und in der Anpassung an die jeweiligen Verhältnisse Stabilität bewahrendes System bei PARSONS, bzw. Gesellschaft als sinnbildendes System zur Erfassung und Reduzierung von Weltkomplexität bei LUHMANN, ist äußerlich und ohne die ge­sellschaftlichen Individuen konstruiert, "endogenisiert", "vo-luntaristisch", "dezisionistisch" und im eigentlichen Sinn "tautologisch". Menschliches Handeln erscheint als de­terminierte Randkategorie der abstrakt- allgemeinen Gesell­schaftstheorie.

PARSONS will im Anschluß an DURKHEIM und WEBER soziales Han­deln weder deterministisch noch idealistisch, sondern "volun­taristisch" 3) erklären. Indem er grundlegende Systempro­bleme oder Typen funktionaler Gebote für Handlungssysteme hervorhebt wie "Strukturbewahrung" (einschließlich "Spannungs­kontrolle"), 11 Zielverwirklichung", "Anpassung" und "Inte­gration" 4>, unterstreicht er aber die soziale Determination des Individuums. Der struktur-funktionalistische Handlungs­begriff mit seinen Komponenten "Intentionalität" ("Ziel­orientierung"), "Norm- und Wertorientierung", "Erwartung", "Leistung und Sanktion" ("Belohnungs- und Bestrafungsmecha­nismen), "Konformität", "Rolle", "Beruf" etc. begreift so­ziales Handeln nicht subjektiv in aktiver Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern als ein­seitig und linear gesteuert durch die objektiven gesell­schaftlichen Verhältnisse. Die handlungstheoretischen An­sätze verfahren "behavioristisch", indem ihnen das System "alles", das Individuum aber "nichts" gilt. Weil sie Gesell­schaft als abstrakt-allgemeines System begreifen und darauf "standardisierte Verhaltensmuster" beziehen, in gewisser Weise sogar Orientierungsweisen des Handelns zur Beschrei-

1) KLAUS/BUHR (1972), S. 805, Stichwort: ökonomische Gesell-schaftsformation

2~ MILLS (1963), zit. nach WARNKE (1974), S. 51 3 Vgl. HARTMANN (1973), S. 216 4 Vgl. PARSONS (1973), S. 234

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bung und Klassifizierung sozialer Strukturen verwenden 1 ),

berücksichtigen sie nicht nur den dialektischen Zusammenhang zwischen Individuum und Gesellschaft nicht, sondern verfü­gen über einen "psychologisierenden" Gesellschaftsbegriff, der wesentliche historische Bestimmungen Sozialstruktureller Entwicklung nicht enthält. 2 )

LUHMANN stellt gegen den "schl.eichenden Determinismus" der struktur-funktionalen Theorie sinnvermittelte Beziehungen als zentralen Untersuchungsbereich einer soziologisch ge­wendeten Systemtheorie heraus. 3 ) Menschen werden bei ibm nicht mehr als Teile der Gesellschaft gefaßt, sondern sind für die funktional-strukturelle Gesellschaftstheorie in ihren gesellschaftlieben Beziehungen relevant. Gesellschaft­liche Beziehungen werden jedoch im Kontext des Handlungs­systems nicht in ihrem wirklichen Inhalt begriffen, sondern in abstrakt formaler Hinsicht auf das soziale System bin als Reduzierung von Komplexität mittels Innen/Außen- Ab­straktion bezogen. 4) Soziales Handeln, das in seinen Be­dingungen übermäßig komplex und kontingent ist, kann sieb LUHMANN zufolge nur über das Ordnungsmittel des sozialen Systems realisieren, worin die individuellen Möglichkeiten bereits vorreguliert sind. Die Individuen selbst stehen dem sozialen System formal äußerlich gegenüber und sind in ihren Existenzbedingungen und Handlungsmöglichkeiten auf die Be­dingungen der Existenz solcher sozialer Systeme verwiesen. Das gesellschaftliche Subjekt, das bei MARX als das "en­semble der gesellschaftlichen Verbältisse" 5) bestimmt ist,

1) wi.e z. B. PARSONS mit dem Konzept der "pattern variables". Vgl. die kritischen Anmerkungen dazu bei HAHN (1965), ·s. 50

2) MILLS, der "Außenseiter" der bürgerlichen Soziologie weist darauf bin, daß das "Dilemma" in der Soziologie nur mit dem Begriff der historisch zu bestimmenden Sozial­struktur als Basis für eine allgemeine Gesellschafts­theorie zu überwinden ist. Vgl. MILLS (1963), S. 91, zit. nach WARNKE (1974), S. 52; Vgl. auch die in dieselbe Rich­tung gehende Kritik DAHEIM's (1977), S. 24

3) Vgl. PREWO/RITSERT/STRACKE (1973), S. 21 4) Vgl. HABERMAS/LUHMANN (1971), S. 15:

"Dann kann man Handlungssysteme funktional definieren als Sinnbeziehungen zwischen Handlungen, die Komplexität re­duzieren durch Stabilisierung einer Innen/Außen-Differenz." zit. nach PREWO/RITSERT/STRACKE (1973), S. 25

5) Vgl. MARX (1973), (MEW 3), S. 6

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erscheint bei LOHMANN als das der Gesellschaft gegenüber­stehende "Allgemeine", "Äußere". Nicht der Mensch als wirk­licher, handelnder, sinnlicher interessiert LUHMANN, sondern der aus der Position der Anschauung heraus gewonnene Mensch als das im Innen/Außen- Schema und dem System-Umwelt-Modell realisierbare äußere Subjekt. 1 ) Ähnlich der Konzeption ei­nes formal freien und gleichberechtigten Staatsbürgers de­finiert LUHMANN sein Menschenbild als formal und äußerlich gegenüber den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen und läßt die faktische Ungleichheit und Unfreiheit des Men­schen innerhalb kapitalistisch organisierter Gesellschafts­strukturen unberücksichtigt.

MERTON schlägt als Ausweg aus dem "Dilemma" der bürgerlichen Soziologie die Schaffung von "Theorien mittlerer Reichweite" vor, mit denen der Bezug zwischen empirischen Ergebnissen und allgemeiner Theorie herzustellen sei. 2 ) Er erweitert den systemtheoretischen Handlungsbegriff um die Berücksichti­gung "unvorhergesehener Folgen sozialen Zweckhandelns" 3 ) und versucht Einzelnes mit dem Allgemeinen zu vermitteln sowie gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu begründen. Seine Theorie bleibt aber zu abstrakt. Sie orientiert sich nicht inhaltlich an objektiven gesellschaftlichen Entwick­lungsprozessen und bleibt somit formaler Natur. 4) Auch MERTON geht von einem abstrakten Gesellschaftsbegriff aus. Er bestimmt subjektives Handeln als Erkundung der System­möglichkeiten für ein gesellschaftliches Subjekt, das selbst äußerlich vorausgesetzt wird. Zentrale Aufgabe einer funktio­nalen Analyse ist nach MERTON die Entdeckung "funktionaler Äquivalente". 5) Diese sind in ihrer Realisation in der systemtheoretischen prinzipiellen Begrenztheit der Möglich­keiten beschränkt. MERTON verbleibt innerhalb der System­theorie.

HABERMAS schließlich stellt der systemverengten Sicht LUH­MANN'scher Prägung das "ganz Andere" in Form des "repressiv-

1~ Nach MARWEDEL (1976), S. 332 2 Vgl. MERTON (1973) 3 Vgl. HARTMANN (1973), S. 169 4 Vgl. WARNKE (1974), S. 51 5 Vgl. MERTON (1973)

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freien Diskurses" 1 ) als Gegeninstitution schlechthin gegen­über. Er wendet sich gegen den Systembegriff zur Bezeich­nung menschlichen Handelns und stellt der Wirklichkeit die abstrakte Idee einer 11 Gegenwirklichkeit" gegenüber, deren Realisierbarkelt im Bereich des gesellschaftlich Möglichen nicht mehr anzugeben ist. LOHMANN hat keine sonderliche Mühe, HABERMAS' idealistische Position nachzuweisen, indem er feststellt, daß es "zwanglose Kommunikation" gar nicht geben kann, daß auch Diskussion eine Organisationsform dar­stellt, die nach Systembedingungen funktioniert und somit sozialen Zwängen unterliegt. 2 ) Wenn HABERMAS die Bereiche "Arbeit" und "Interaktion" trennt und allein auf der kom­munikativen Ebene die "Selbstverwirklichung" der Produzenten "erahnt", vergißt er gerade, daß beide Aspekte ein und der­selbe Prozeß des Lebens der gesellschaftlichen Individuen sind, der sich nur in unterschiedlichen, "getrennten" Er­scheinungsformen verwirklicht. 3) Es gelingt HABERMAS nicht, sein Versprechen der Entwicklung ·einer systematischen Theo­rie der gesellschaftlichen Totalität einzulösen, in der menschliches Handeln im Sinne des "Historischen Materialis­mus" in seiner vergesellschafteten Perspektive erscheint. Indem er Handeln mit Kommunizieren identifiziert und das abstrakte ~ild einer vergesellschafteten "repressiv-frei" interagierenden Menschheit an die Wand malt, das für eine "ganz andere" Gesellschaft bestimmt ist, steht er im Hin­blick auf die Entwicklung von Lösungsvorschlägen und Alterna­tiven für reale gesellschaftliebe Problemlagen eher im "uto­pischen" Abseits.

Der auf ein lineares Zweck (Ziel) - Mittel - Schema reduzier­te Handlungsbegriff der bürgerlieben Soziologie, in dem der Zweck (Erhaltung der gesellschaftlieben Bedingungen) die Mit­tel (Anpassung und Konformität) zu heiligen scheint, ist nicht geeignet, das große Problem der Soziologie zu lösen, Subjekt und Objekt in adäquater Weise zu vermitteln. Die vor-

213 ~ Vgl. z.B. HABERMAS/LUHMANN (1971), S. 327 Nac·h WARNKE (1974), S. 21 Vgl. die Ausführung TUSCHLING's, der das Gesamtwerk HABERMAS' einer kritischen Analyse unterzogen hat: "Diese Einheit (des gesellschaftlichen Lebensprozesses, R. V.), die gerade das Problem der Gesellschaftswissen­schaften ist, wird in der o. a. Dichotomie (zwischen Arbeit und Interaktion, R. V.) von vornherein negiert." TUSCHLING (1978), S. 414

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liegenden systemtheoretischen, wahrnehmungs- und motivations­psychologischen, lerntheoretischen, interaktionistischen, entscheidungs- und rollentheoretischen Ansätze und Modelle einer sozialwissenschaftliehen Handlungstheorie haben alle­samt "Stückwerkcharakter" und sind in keinster Weise befrie­digend integriert. Solange der sozialwissenschaftliche Hand­lungsbegriff lediglich äußerliche und formale gesellschaft­liche Bedingungen und Voraussetzungen des Lebensprozesses der Menschen beschreibt und soziales Handeln nicht in seinen wirksamen inhaltlichen gesellschaftlichen Momenten einbe­zieht - solange also die gesellschaftliche praktische Tätig­keit des Menschen nicht zur Grundlage eines Begriffs von menschlicher Praxis genommen wird -, besteht keine realis­tische Aussicht auf die theorieimmanente, synthetische und vor allem unter Vergesellschaftungsgesichtspunkten stehende Integration der bisher parzelliert vorliegenden "Bruchstücke" einer Theorie sozialen Handelns.

MARWEDEL, der die Entstehungs- und Funktionsbedingungen des Funktionalismus unter seinem Herrschaftscharakter untersucht hat, gibt in Anlehnung an MARX 1 ) die Bedingungen und Vor­aussetzung einer Sozialwissenschaft an, die "soziologische Aufklärung" als menschliche Emanzipation begreift. Seine Forderung nach einer "vergesellschafteten" Sozialwissenschaft, in der die Position der Äußerlichkeit und Parteilichkeit für minoritäre Herrschaft kritisch aufgehoben ist, unter­streicht die Bedeutung der marxistischen Philosophie für die Gesellschaftswissenschaften, welche allein über einen kon­kret-allgemeinen Gesellschaftsbegriff verfügt und die Ver­mittlung von Subjekt und Objekt zumindest ihrem Ansatz nach verspricht:

"Erst wenn der Soziologe die Position seiner Äußerlichkeit gegenüber seinem Erkenntnisgegenstand in sich zurücknimmt

1) "Erst wenn der wirkliche Mensch den abstrakten Staats­bürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Ar­beit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswe­~ geworden ist, erst wenn der Mensch seine "forces propres" als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organi­siert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht." MARX, Zur Judenfrage (1844), zit. in: HENNIG/HIRSCH, u.a. (1974), s. 93

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und als Individuum und als Mitglied seiner Gesellschaft sieb in seiner Arbeit als· gesellschaftliebes Wesen be­greift, und dadurch Subjekt seiner gesellschaftlieben Ar­beit geworden ist, erst wenn er seine Fähigkeiten als ge­sellschaftlich wirksame organisiert bat und daher die ge­sellschaftliche Kraft seiner Erkenntnis nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft minoritärer Herrschaft und darauf bezogener Form der Analyse von sich trennt, erst dann ist soziologische Aufklärung als menschliche Emanzi­pation vollbracht." 1)

Unter Rückgriff auf die MARX'sche Gesellschaftstheorie und der Einlösung ihres Versprechens, vor allem historisch­gesellschaftliche Bedingungen sozialwissenschaftlicher Be­griffsbildung angeben zu können, ist es möglich, inhaltlich, historisch und genetisch den Zusammenbang von empirischen Einzelaussagen mit den allgemeinen Aussagen über die Gesell­schaft zu vermitteln. Es ist die menschliche Tätigkeit, der gesellschaftliche tätige Lebensprozeß der Menschen, in der und durch die sich die Vermittlung von Subjekt und Objekt realisiert.

Die bekannte erste These von MAR1 über FEUERBACH, in der die "tätige, praktische Seite" des Menschen, die "sinnliche Tä­tigkeit" 2 ), als primäre Grundlage wissenschaftlicher For­schung herausgearbeitet wird, gilt es wieder "auszugraben". und für die Sozialwissenschaft fruchtbar zu machen, damit diese ihrem impliziten Anspruch theorie- und gesellschafts­kritischer sowie synthetischer Leistungsfähigkeit genügt, und binsichtlich der Bestimmung des Begriffs von "Qualifi­kation" die Grenze überschreitet, die ihr von Seiten gesell­schaftlicher "Mechanismen" "unbewußt" vorgegeben ist.

Wird die Tätigkeit des Menschen nicht abstrakt zum Vermitt­lungsglied zwischen Subjekt und Objekt gemacht, sondern in ihrem gegenständlichen Bezug hinsichtlich objektiver Aus­und subjektiver Einwirkungen zugrundegelegt, scheint es möglich zu werden, gesellschaftlichen Wandel nicht nur "neu" zu begreifen, sondern in prozessualer Hinsicht das "wie" und das "was" der gesellschaftlichen Entwicklung anzugeben.

1) MARWEDEL (1976)t S. 331, 332 2) Vgl. MARX (1973J, (MEW 3), S. 5

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Weil die Sozialwissenschaft bisher darauf verzichtet hat, das Verhältnis von Subjekt und Objekt in dem es realisieren­den "gemeinsamen Dritten", der gegenständlichen Tätigkeit des Menschen, zu suchen, andererseits aber die kulturhisto­rische, sowjetische Schule seit Jahrzehnten an diesem Pro­blem arbeitet - und dies nicht nur unter verengter psycholo­gischer Fragestellung 1 )- , scheint es mir sinnvoll, das LEONTJEW' sehe Tätigkeitskonzept daraufhin abzufragen, was es hinsichtlich der Erarbeitung sozialwissenschaftlicher An­forderungen an "Qualifikation" und "Qualifizierung" zu leis­ten vermag. Gegenüber der soziologischen Handlungstheorie und ihren isolierten Komponenten "Rolle", "Position", "Er­wartung", "Sinn" etc. verspricht der ganzheitliche Begriff der Tätigkeit die Ausbreitung eines Konzepts des gesell­schaftlichen Systems der Tätigkeiten, von dem aus gesell­schaftstheoretische Überlegungen in konkret- allgemeiner soziologischer Hinsicht fundiert und auf den Prozeß mensch­licher Praxis bezogen werden können.

4.2 Der mögliche Beitrag des "Tätigkeitskonzepts" für die Sozialwissenschaft und deren Fundierung von "Qualifikation" und "Qualifizierung"

Betrachtet man strukturtheoretische und handlungstheoretische Ansätze in ihren unterschiedlichen methodischen Implika~ tionen, so erinnert dieser "Gegensatz", sofern man ihn ernst­nimmt, an das in der Psychologie bekannte "Postulat der Un­mittelbarkeit." 2 ) Dieses besteht, grob gesagt, darin, daß sich das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt in der äußer­lichen, unmittelbaren und inhaltslosen Gegenüberstellung bei-

1) Das LEONTJEW'sche Tätigkeitskonzept trennt nicht zwischen psychologischen und sozialen, gesellschaftlichen Momenten, sondern gebt unter dem Primat der gesellschaftlichen Ebene von der inneren Verwobenheit und ~n innerer Be­ziehung zueinander stehenden Wechselwirkung der jewei­ligen Ebenen aus. Gleichwohl ist es möglich, die sozio­logische Ebene von der psychologischen analytisch zu trennen ~~d auf die soziologische Fragestellung dieser Arbeit h.:.n anzuwenden.

2) Vgl. z.B. LEONTJEW (1973 a), (1979)

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der erweist, was in methodologieeher und theoretischer Hin­sicht als unmittelbare ex-ante Konfrontation genetisch be­reits vermittelter Pole erlebt wird.

Für die Soziologie ist ebenfalls davon auszugehen, daß sie struktur- und gesellschaftstheoretische Begründungsansätze, in der Folge der verstärkt einsetzenden MARX - Rezeption Mit­te der 60er Jahre, unter dem Gesichtspunkt objektiver Struk­turzusammenhänge und -gegebenheiten einreiht, und unter der Dominanz der "Verwertungslogik des Kapitals" "kein Auge" mehr für das "Subjekt" hat. Sofern in der Tradition der so­ziologischen Handlungstheorie mit handlungsorientierten stra­tegisch und entwicklungslogisch gewendeten Konzeptionen 1 ) versucht wird, die hartnäckige Einseitigkeit industriesozio­logischer Forschung "aufzuweichen", geraten diese "unter der

·Hand" entweder wieder unter die strukturelle Dominanz des kapitalistischen Verwertungskalküls und objektiver System­zwänge, oder aber infolge der Hypostasierung subjektiver Mo­mente in einen Zusammenhang zur Gesellschaft, der unmittel­bar, äußerlich' und zum Teil auch illusorisch ist. Die "Prio­risierung" strukturtheoretischer Begriffe wie "Position", "Rolle", "Beruf", "Arbeitsplatz" etc. scheint die bundes­deutsche Industriesoziologie wie ein roter Faden zu durch­ziehen und·hat selbst in solchen Ansätzen nicht Halt gemacht, die ihrem· Ansatz nach prozes'suale Aspekte des Objekt-Subjekt­Zusammenhangs berücksichtigen könnten, wie zum Beispiel der Münchner betriebsorientierte Ansatz unternehmerisoher Auto­nomiestrategien.

Der mit scheinbar objektivierten "statischen" Strukturbegrif­fen operierenden Soziologie war es versagt, empirisch festge­stellte Differenzierungen und gängigen gesellschaftstheore­tischen Erklärungsmustern widersprechende "strukturelle Irrationalitäten" 2 ) auf ein verändertes Subjekt-Objekt­Verständnis zu beziehen. BRACZYK/XNESEBECK zufolge, die ungelöste Probleme des Verhältnisses von Struktur- und Band­lungebegriffen aufgreifen, setzt die an MARX orientierte

1) z. B. die "Institutionen-Individuen-Soziologie" von HABER­MAS bzw. die strategischen Ansätze von FRICKE und der . PROJEKTGRUPPE

2) Vgl. BRACZYK/KNESEBECK (1980), S. 241

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industriesoziologische Theoriebildung - entsprechend der von MILLS konstatierten "Antinomie" von "abstraktem Empiris­mus" und "großer Theorie" - gleichsam intermediär an "zwischen 'großer' Gesellschaftstheorie und 'kruder' Empirie" 1 ), was als Resultat einer "falschen Entgegensetzung von Struktur und Handlung" 2) zu interpretieren ist. Indem Strukturbegriffe in einfache Handlungsmuster umgedeutet werden, wie zum Bei­spiel beim "aktionistischen" Modell 3), stehen sie weiter unter der "Obhut" objektiver gesellschaftlicher Struktur­merkmale, weshalb empirisch beobachtbare, widersprüchliche Erscheinungen nicht theoretisch erklärt werden können. 4 ) Der objektivierte Handlungsbegriff der Soziologie kann sub­jekt-bezogene Handlungsmomente nicht erfassen und erklären. Wenn der betriebsorientierte Ansatz die Gestaltung des kon­kreten Produktionsprozesses allein durch betriebliche Hand­lungen konstruiert betrachtet, dann vergißt diese einseitige Auffassung, daß auch auf Seiten der Arbeitnehmer und ihrer Interessenvertretungsorgane "Handlungen" realisiert werden können, die dem Betrieb, unter Wahrung seiner herrschaftsbe­zogenen Interessen, nicht gleichgültig sein können. 5)

Solange die Sozialwissenschaft die abstrakte Gegenüberstel­lung von Subjekt und Objekt nicht überwindet und das Subjekt weiter im Objekt "aufgehoben" begreift, ist ihr wie der bür­gerlichen Psychologie der Vorwurf der Zweigliedrigkeit der Anayse zu machen. Wenn sie einerseits von gesellschaftlichen Erscheinungen und Strukturen ausgeht, und andererseits die sozialstrukturellen Bedingungen als unabhängige Variable in ihren Auswirkungen auf die menschlichen Subjekte als abhän­gige Variable hin untersucht - zum Beispiel durch soziale Systemzwänge menschliches Handeln "determiniert" sieht -kann die besonders wichtige Frage nach dem Inhalt, nach

312 ~ BRACZYK/KNESEBECK (1980), S. 232 Dies., S. 232 Dies., s. 233

4) Dies., S. 233, betriebliches Handeln wurde daher "aus der Theoriebildung herausgehalten, und statt dessen wurde die empirisch beobachtbare Vielfalt als historisch-konkrete Bestätigung für die Annahme der Nicht-Theoretisierbarkeit betrieblichen Handelns genutzt."

5) Vgl. Dies., S. 240: "Die in kapitalistischen Betrieben er­zeugten Erfahrungen - sowohl auf Seiten der Entscheidungs­träger als auch auf Seiten der Beschäftigten und ihrer Interessenvertreter - werden selbst zu Bedingungen für die Transformation 'objektiver Bedingungen' in betrieb­liches Handeln."

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dem "wie" des Zusammenhangs von gesellschaftlichen Verhält­nissen und menschlicher Lebenstätigkeit nicht beantwortet werden. Mit der isolierten Gegenüberstellung von Struktur und Handlung ist im Kontext sozialwissenschaftlicher Theorie­bildung unter der Dominanz des objektiven Strukturbegriffs Gesellschaft~ als Ergebnis der gesamten Tätigkeit kon­kreter menschlicher Individuen zu begreifen, weil vom An­satz her gar nicht mitgedacht wird, daß es die gegenständ­liche Tätigkeit des Menschen ist, welche in wechselwirken­der Weise mit objektiven gesellschaftlichen Strukturen Gesellschaft konstituiert.

Das Unbefriedigende des strukturtheoretischen-handlungs­theoretis'chen zweigliedrigen Schemas besteht nach LEONTJEW, auch für die Sozialwissenschaft, darin,

"daß es den inhaltlichen Prozeß, in dem die realen Zusammen­hänge zwischen dem Subjekt und der gegenständlichen Welt realisiert werden, das heißt die gegenständliche Tätigkeit des Subjekts (Tätigkeit zum Unterschied von Aktivität) aus dem Gesichtski'e~s der Untersuchung ausschließt." 1) (Hervorhebung im Original)

Demgegenüber verweist MARX in der ersten FEUERBACH-These auf die Bedeutung der gegenständlichen, praktischen Tätigkeit des Menschen für eine Gesellschaftstheorie hin, die sich ge­rade nicht in dem Aufweis struktureller Gegebenheiten und Bedingungen gesellschaftlicher Wirklichkeit beschränkt:

"Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus ( den Feuer­bachsehen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Ob~ekts oder der Anschauun~ tefaßt wird; nicht aber als sinn ich menschliche Täti~ke~ , Praxis; nicht subjektiv. Däher die tätl~e Se~te abs rakt ~m Gegensatz zu dem Materialismus von em Idealismus - der natürlich die wirkliche, sinn­liche Tätigkeit als solche nicht kennt- entwickelt •••• 11

2) (·Hervorhebung im Original) Strukturtheoretische sozialwissenschaftliche Ansätze kennen die "wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht." Die um handlungstheoretische Prämissen erweiterten gesellschafts­theoretischen Konzeptionen verfügen zwar über einen Begriff von Handlung bzw. Strategie; menschliche Tätigkeit wird mit ihm aber nur unter der "Form des Objekts oder der Anschau-

1) LEONTJEW (1979), S. 77 2) MARX (1973), (MEW 3), S. 5

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ung gefaßt." Sofern die menschliche Tätigkeit in dem Zusam­menhang von Subjekt und Objekt überhaupt als "Vermittlungs­instanz" in Erscheinung tritt, wie es zum Beispiel HABERMAS mit dem kulturtheoretisch begründeten Begriff des "herrschafts­freien Diskurses" 1 ) nahelegt, bleibt sie auf einen bestim­mten Kreis von Bewußtseinserscheinungen beschränkt und in Abstraktion von der Welt der realen Gegenstände und Seinszu­stände. Wieder war es MARX, der dazu bemerkt hat, daß dem Bewußtsein weder eine ganz andere Natur zugeschrieben werden, noch davon ausgegangen werden darf, daß das Bewußtsein von den Gegenständen und Erscheinungen der Umwelt unmittelbar determiniert ist. Das Bewußtsein ist vom gesellschaftlichen Sein bestimmt; aber das gesellschaftliche Sein der Menschen ist nach MARX nichts anderes als der wirkliche, tätige und praktische Lebensprozeß des Menschen.

"Die Menschen sind die Produzenten ihrer Vorstellungen, Ideen pp., aber die wirklichen, wirkenden Menschen, wie sie bedingt sind durch eine bestimmte Entwicklung ihrer Produktivkräfte und des denselben entsprechenden Verkehrs bis zu seinen weitesten Formationen hinauf. Das Bewußtsein kann nie etwas Andres sein als das bewußte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß." 2)

Nach LEONTJEW ist der gesellschaftliche Lebensprozeß in der Gesamtheit des Systems der Tätigkeiten zu sehen. In der Tä­tigkeit vollzieht sich

"die Umwandlung des Objekts in seine subjektive Form, in das Abbild, und gleichzeitig erfolgt der Übergang der Tä­tigkeit in ihre objektiven Ergebnisse, in ihre Produkte. So gesehen, erscheint die Tätigkeit als ein Prozeß, in dem die beiden Pole - Subjekt und Objekt - ineinander überge­hen. 'In der Produktion objektiviert sich die Person, in der Konsumtion subjektiviert sich die Sache' 3), sagte Marx." 4)

Die Erkenntnis der menschlichen Tätigkeit als gleichzeitig objektive und subjektive Prozesse realisierende, menschliche "Praxis", filllrt zur Aufhebung des alten Gegensatzes zwischen Subjekt und Objekt, indem nachgewiesen wird, daß die objek­tiven und subjektiven "Realisationen" menschlicher Tätigkeit

1) Vgl. HABERMAS (1963) 2) MARX (1973), (MEW 3) S. 26 3) MARX (1973), (MEW 13), S. 621, zit. nach LEONTJEW (1973 a),

s. 419 4) LEONTJEW (1973 a), S. 419

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grundsätzlich dieselbe ge~einsame Struktur haben. Die Auf­deckung dieser Gemeinsamkeit, die die klassische Trennung zwischen Subjekt und Objekt in zwei Teile, bzw. Seiten, die angeblich völlig unterschiedlichen Bereichen angehören, über­wunden hat, geht unmittelbar auf MARX zurück. 1 ) Das Wechsel­spiel von Subjekt und Objekt, oder von subjektiven Einwir­kungen und objektiven Auswirkungen bzw. objektiven Einwir­kungen und subjektiven Auswirkungen, ist als ein in das System der gesellschaftlichen Beziehungen integriertes Sys­tem zu begreifen, und muß deshalb immer allumfassend und mit allen seinen wesentlichen Abhängigkeiten und Determinationen betrachtet werden. Die Erkenntnis der gemeinsamen Struktur von Subjekt und Objekt führt solche Konstruktionen ad absur­dum, die die Idee von der Gegensätzlichkeit von Mensch und Gesellschaft propagieren. Menschliche Tätigkeit kann aber nicht als etwas aufgefaßt werden, das grundsätzlich im Ge­gensatz zur Gesellschaft steht. Bestimmte Ansätze, zum Bei­spiel systemtheoretische Gesellschaftskonzeptionen, konsta­tieren diesen Gegensatz in Richtung reaktiver Anpassungs­leistungen der Individuen an die vorgegebenen und nicht mehr hinterfragbaren sozialstrukturellen Bedingungen. Das sub­jektive Moment gesellschaftlicher Lebenstätigkeit wird außer Acht,gelassen, oder nach LEONTJEW die Tatsache,

"daß der Mensch in der GeS'ellscbaft nicht einfach die äußren Bedingungen vorfindet, denen er seine Tätigkeit . anpassen muß, sondern daß die Motive und Ziele der mensch­lichen Tätigkeit, ihre Mittel und Verfahren von diesen gesellschaftlichen Bedingungen abhängen, mit einem Wort, daß die Gesellschaft die Tätigkeit der sie bildenden In­dividuen hervorbringt." 2)

1) MARX bezieht das Subjekt-Objekt-Problem z. B. auf die persönliche Ebene des Obergangs von der äußeren und in­neren Tätigkeit und schreibt: "Bei einem Individuum z. B., dessen Leben einen großen Umkreis mannigfaltiger Tätig­keiten und praktischer Beziehungen zur Welt umf'aßt, das also ein vielseitiges Leben führt, bat das Denken den­selben Charakter der Universalität wie jede andere Lebens­äußerung dieses Individuums. Es fixiert sieb daher weder als abstraktes Denken, noch bedarf es weitläufiger Reflex­ionskunststücke, wenn das Individuum vom Denken zu einer anderen Lebensäußerung übergeht. Es ist immer von vornher­ein ein nach Bedürfnis verschwindendes und sich repro­duzierendes Moment im Gesamtleben des Individuums." MARX (1973), (MEW 3), S. 246

2) LE01~JEW (1973 a), S. 420

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Um "mechanistischen" Vereinseitigungen vorzubeugen, fährt LEONTJEW fort:

"Das heißt natürlich keineswegs, daß die Tätigkeit der In­dividuen lediglich die Beziehungen der Gesellschaft und ihre Kultur personifiziert. Hier bestehen komplizierte Transformationen und Übergänge, die eine direkte Reduzier­ung des einen auf das andere ausschließen." 1)

Die Gesellschaft bringt die Tätigkeit der sie bildenden In­dividuen hervor. Gesellschaft ist dabei als System materieller und sozialer, also gesellschaftlicher Beziehungen mit spezi­fischen historisch wandelbaren Elementen, Strukturen und Ent­wicklungsprozesses zu verstehen. Die Tätigkeit kann daher niemals isoliert von den gesellschaftlichen Beziehungen be­trachtet werden. Die Tätigkeit ist als System in das System der gesellschaftlichen Beziehungen eingeschlossen. Nach LEONTJEW ist die Tätigkeit

"eine ganzheitliche, nicht aber eine additive Lebensein­heit des körperlichen, materiellen Subjekts ••• eine durch psychische Widerspiegelung vermittelte Lebenseinheit ••• ein System mit eigener Struktur, mit eigenen inneren Über­gängen und"Umwandlungen sowie mit eigener Entwicklung." 2)

Das System der Tätigkeit geht einerseits aus den gesell­schaftlichen Beziehungen hervor und konstituiert anderer­seits Gesellschaft. Die soziologische Makrostruktur von Tä­tigkeit ist bestimmt durch die gesellschaftlichen, allgemei­nen Mechanismen, welche gesellschaftliche Beziehungen fest­schreiben. Wie aber läßt sich daraus ein Subjekt-Objekt­Verhältnis bestimmen, das nicht auf der Objekt-Seite ver­harrt, sondern "sozialen Wandel" antizipiert und wirklich werden läßt?

Grundgedanke ist der des Übergangs äußerer Prozesse der Tä­tigkeit in innere, oder soziologisch, der wechselseitige Bezug und die wechselseitige "Befruchtung" von Makro- und Mikrostruktur der Tätigkeit. Die Entwicklung der Gesell­schaft belegt anband der sich in ihr entwickelnden Elemente,. Strukturen und ihrer Dynamik den Zusammenhang, daß mensch­liche Tätigkeit sich auf das Außen bezieht, dieses in spezi­fischer Weise psychisch widerspiegelt und zur Weiterentwick­lung des Ideellen (als spezifisch menschliche Tätigkeit)

1) LEONTJEW (1973 a), S. 420 2) LEONTJEW (1979), S. 83

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über die Möglichkeiten der äußeren Tätigkeit hinaus, führt. Das gesellschaftliebe System der Tätigkeiten als Makrostruk­tur der Tätigkeit entwickelt sieb qualitativ weiter über die wechselseitigen Übergänge zwischen Makro- und Mikrostruktur. Dies aber muß bedeuten, daß in der Makrostruktur der Tätig­keit, also auch im System der gesellschaftlichen Beziehungen, die Möglichkeit bereits angelegt ist, welche die Menschen be­fähigt,als "Subjekte" auf die ·gesellschaftlichen Strukturen einzuwirken und diese zu verändern. Das Objekt trägt also gewissermaßen die Konstitutionsbedingungen des Subjekts in sieb, was aber nur durch die Einführung des vermittelnden Gliedes, dem System der gesellschaftlieben Tätigkeit, erklärt und plausibel gemacht werden kann. Indem es gelingt, maßgeb­liche psychische Komponenten der Mikrostruktur der Tätigkeit in ihrer Struktur, ihrem Aufbau und ihrer Entwicklung in den Konstitutions- und Entwicklungsbedingungen der Makrostruktur der Tätigkeit, also in der äußeren Welt, "wiederzuerkennen", bzw. die Mikrostruktur der Tätigkeit aus deren Makrostruktur "herauswachsen· zu sehen", scheint es gelungen, Subjekt und Objekt über das Glied der gegenständlichen Tätigkeit zu ver­mitteln.

Nttn wird aber bei der Betrachtung industriesoziologischer An­sätze deutlich, daß es diesen gerade nicht gelingt, subjek­tive Merkmale menschlieber Tätigkeit aus den objektiven, ge­sellschaftlichen Strukturbedingungen selbst zu begründen. Allenfalls BECK/BRATER machen darauf aufmerksam, indem sie die der MARX'scben Gesellschaftstheorie "deduzierte" "dop­pelte Zweckstruktur des Berufs" begründen und der Tausch­w~rtorientiertbeit menschlichen Handelns die immer schon vor­handene Gebrauchswertorientiertbeit "gegenüberstellen". Subjekt und Objekt sind bei ihnen aber nicht wirklieb ver­mittelt. Sie machen nicht die gegenständliche Tätigkeit des Menschen zum Vermittlungsglied zwischen Subjekt und Objekt, sondern erweitern das "objektivierte" gesellschaftliche Struk­turelement "Beruf" um dessen subjektives BestimmungsmerkmaL Deshalb können sie nur abstrakt angeben, "wie" und "woraus" subjektive Tätigkeit entsteht und welche gesellschaftliebe Bedingungen und Gegebenheiten es sind, die die Entfaltung

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dieser Tätigkeiten behindern und selbst regressiv werden las­sen. Sie verweisen zwar strukturtheoretisch auf die Mechanis­men sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Arbeitstei­lung geschuldeter 11 Berufsschneidungsstrukturen", vergessen aber näher zu begründen, daß diese selbst das Resultat mensch­licher Tätigkeiten sind, und wie sie sieb in der inneren Tä­tigkeit widerspiegelnd, verändern könnten.

LEONTJEW hat darauf hingewiesen, daß "schon die Entwicklung einfachster technischer Arbeitsteilung" 1 ) die Trennung von Motiv der Tätigkeit und dem objektiven Ergebnis, dem Ziel der Handlung, erforderlich macht und hat damit das Grundproblem menschlicher Tätigkeit überhaupt genannt. Das Konzept der "gegenständlichen Tätigkeit" geht davon aus, daß die Begriffe ~und Tätigkeit, Ziel und Handlung sowie Handlungsbedin­gungen und Operationen zusammengehören. 2 ) Eine Handlung kann zwar einem bestimmten Tätigkeitsmotiv untergeordnet sein, aber ein ganz anderes, oder mehrere Ziele verfolgen; schließlich sind verschiedene Operationen hinsichtlich der Verfolgung eines bestimmten Ziels unterscheidbar. LEONTJEW beschreibt den inneren Zusammenhang der Ebenen folgendermaßen:

"in dem Gesamtstrom der Tätigkeit, der das menschliebe Le­ben in seinem höchsten, durch psychische Widerspiegelung vermittelten Erscheinungen bildet, unterscheidet die Analyse also erstens einzelne Tätigkeiten, und zwar nach den sie hervorrüfenden Motiven; zwe~tens Handlungen als bewußten Zielen untergeordnete Prozesse; dr~ttens Operationen, die unmittelbar von den Bedingungen fur a~e Erre~chung eines konkreten Ziels abhängen. Eben diese 'Einheiten' der mensch­lieben Tätigkeit bilden deren Makrostruktur. Die Analyse, die zur Erkenntnis dieser Einheiten führt, zeichnet sich da­durch aus, daß sie die lebendige Tätigkeit nicht in Ele­mente zergliedert, sondern die die Tätigkeit charakterisie­renden inneren Beziehungen aufdeckt. Hinter diesen Bezie­hungen verbergen sieb Veränderungen, die im Entwicklungs­verlauf der Tätigkeit entstehen. Die Gegenstände selbst sind nur im System der menschlieben Tätigkeit in der Lage, als Stimuli, Ziele oder Wekrzeuge zu fungieren. Außerhalb dieses Systems verlieren sie diese Eigenschaften." 3)

Die Differenzierung der Tätigkeit nach Motiv-Tätigkeit, Ziel- Handlung, Bedingungen-Operationen macht es möglich, die inneren Beziehungen einer Tätigkeit in ihrem Entwicklungsver-

1) LEONTJEW (1979), S. 102 23) Vgl. LEONTJEW (1973 a), S. 429 ff.

) LEONTJEW (1973 a), S, 432

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lauf und ihren Veränderungen genauer zu untersuchen, und über die Ableitung von Diskrepanzen in diesen Verhältnissen sozialstrukturelle Momente entwicklungsbehindern~.~ Tätig­keitsentwicklung herauszulösen. Dies hat gegenüber den so­zialwissenschaftlichen Handlungsbegriffen den Vorteil, daß nicht isolierte und systembezogene Begriffe zum ~egenstand der Forschung genommen werden, sondern eine ganzheitliche hierarchische Differenzierung des Systems gesellschaftlicher Tätigkeiten und damit von Gesellschaft möglich ist.

In Gesellschaften mit privatkapitalistischer Produktions­weise stimmen die Handlungsziele mit dem Motiv der Tätig­keit, nämlich gesellschaftliche Produktion in der Form ihrer gesellschaftlichen Verteilung, nicht mehr überein; in ent­fremdeter Weise auf die Spitze getrieben, differiert der objektive Inhalt der Tätigkeit mit seinem subjektiven Sinn, was die Generierung besonderer, nämlich entfremdeter Be­wußtseinszüge zur Folge hat. Nach MARX ist das Produkt der Tätigkeit des Menschen

"daher auch nicht der Zweck seiner Tätigkeit. Was er für sich selbst produziert, ist nicht die Seide, die er webt, nicht das Gold, das er aus dem Bergschacht zieht, nicht der Palast, den er baut. Was er für sich selbst produziert, ist der Arbeitslohn, und Seide, Gold, Palast lösen sich für .ihn aüf in ein bestimmtes· Quantum von Lebensmitteln, vielleicht in eine Baumwolljacke, in Kupfermünze und in eine Kellerwohnung •••• Dte zwölfstündige Arbeit dagegen hat ihm keinen Sinn als Weben, Spinnen, Bohren usw., son­dern als Verdienen, das ihn an den Tisch, auf die Wirts­hausbank, ins Bett bringt." 1) (Hervorhebung im Original)

Mit dem Entstehen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und weiter der Herausbildung des Privateig~ntums ~ den Pro­duktionsmitteln fallen der objek~ive Sinn der Tätigkeit und ihre subjektive Bedeutung auseinander. Um überhaupt handeln und arbeiten zu können, muß der Lohnarbeiter daher den ob­jektiven Sinn des Zusammenhangs von Motiv und Ziel in ent­fremdeter Weise realisieren, was zu einer Desintegration der Bewußtseinsstruktur führt. Mit der zunehmenden Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit, dem zunehmenden Aus­einanderfallen von Sinn und Bedeutung gesellschaftlicher Tä­tigkeit, gewinnt das Denken und die Sprache eine selbstän-

1) MARX (1975), (ASW 2), Bd, I, S. 73, 74

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dige, von ihren gegenständlichen Bedeutungen losgelöste Exis­tenz. Die Sprache als "Werkzeug" und Konstitutionsbedingung von Makro- und Mikrostruktur der Tätigkeit bat entscheidende Bedeutung im Prozeß der Aneignung der gegenständlichen Welt, des Übergangs von der äußeren in die.innere Tätigkeit und der Herausdifferenzierung von die äußere, gegenständliche Welt "übersteigender Erkenntnis- und Praxistätigkeit. Diese wichtige Bedeutung der Sprache steht ihr im Prozeß der Her­ausbildung gesellschaftlieber Formen der Arbeitsteilung im­mer weniger "auf der Stirn geschrieben". Sie verliert zu­sebens ihre objektive Bedeutung. Aus dieser Ursache resul­tiert die idealistische Gegenüberstellung von Geist und Ma­terie, welche dem "Geist" eine selbständige Existenz neben den materiellen Gegebenheiten ~enscblicber Lebenstätigkeit zuschreibt. Es gerät in Vergessenheit, daß die innere Tä­tigkeit des Denkens stets einzelne äußere Handlungen und Operationen in entwickelter äußerer, praktischer Tätigkeit realisiert. LEONTJEW bat auf die Konsequenzen dieser Zwei­teilung für die menschliebe Bewußtseinstätigkeit hingewie­sen:

"Je mehr die geistige und die körperliebe Arbeit vonein­ander getrennt sind, umso weniger vermag der Mensch in der körperlieben Arbeit den Ursprung der geistigen Tätigkeit zu erblicken; er siebt nicht, daß beide die gleiche Struk­tur haben und den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen." 1 )

Die Trennung der menschlieben Arbeit von ihren materiellen Bedingungen, welche im Privateigentum an den Produktions­mitteln in entfalteter Form gegeben ist, verhindert über die Besonderung spezifischer Bewußtseinstätigkeit die Betrachtung der gegenständlichen Determiniertbeit geistiger und sozialer Tätigkeit. Ebenso bleibt unberücksichtigt, wie eng die Pro­duktionstätigkeit mit den durch ihre Entwicklung hervorge­rufenen gesellschaftlieben Beziehungen, die das Bewußtsein der Menschen bestimmen, verbunden ist. Das subjektive Motiv der Tätigkeit in warenproduzierenden Gesellschaften besteht für den Lohnarbeiter nicht darin, im.Sinne gesellschaftlicher, allgemeiner Lebensicherung und -erweiterung tätig zu sein,

1) LEONTJEW (1973 b), S. 239

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sondern in instrumenteller Weise darin, Geld zu verdienen und Ansehen zu erreichen. Die Tätigkeit des Kapitalisten realisiert sich entsprechend in der Erreichung von Geld und Profit.

Da der Lohnarbeiter nur arbeiten kann, wenn er den objektiven Sinn des Zusammenhangs von Motiv und Ziel gesellschaftlicher Produktion realisiert - wenn auch nur entfremdet -, was ihm immer nur in gesellschaftlicher Hinsicht, in seinen sozialen und primär kommunikativen Beziehungen möglich ist, kann dies niemals bedeuten, daß Motiv und Ziel der Tätigkeit ohne ir­gendwelchen Zusammenhang gleichgültig nebeneinanderstehen. Für den Kapitalisten ist die Arbeitskraft des Lohnarbeiters Ware, für den Arbeiter selbst kann jedoch die Arbeit niemals zur Ware werden. Die von BECK/BRATER bestimmten Grenzen ab­strakter Arbeit tauchen auch bei LEONTJEW auf:

"Auf der Grundlage ihrer Beziehungen zueinander entsteht der Kollektivgeist der Arbeiter. Dadurch gewinnt auch ihre Einstellung zur Arbeit einen anderen Sinn: Nur der Arbeiter kann bewußt arbeiten. Obwohl ihm das Arbeitsprodukt fremd gegenübersteht, hat er eine echte moralische Beziehung zu seiner Tätigkeit. Er ist zwar gezwungen, seine Arbeits­kraft zu -verkaufen, für ihn wird jedoch die Arbeit niemal·s zur Ware •••• Die objektiven Verhältnisse behalten für ihn jedoch auf der anderen Seite ihren menschlichen Sinn." 1 )

In der Makrostruktur der gesellschaftlichen Tätigkeit sind also Momente, Bedingungen, Strukturen und Entwicklungsrich­tungen enthalten, die für den Menschen in subjektiver Hin­sicht von Bedeutung sind, und auf die er aufbauen kann und sogar muß, will er seine Existenz erhalten. Subjekt und Ob­jekt stehen sich auch in privatkapitalistisch organisierten Gesellschaften nicht als inhaltslose Entitäten unvermittelt gegenüber, sondern können über das System der gesellschaft­lichen Tätigkeit in ganzheitlicher, vermittelter und inhalt­licher Weise betrachtet werden.

1) LEONTJEW (1973 b), S. 246, 247

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Der Beitrag des Tätigkeitskonzepts für die Erarbeitung so­zialwissenschaftlicher Anforderungen an "Qualifikation" und "Qualifizierung" läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Der objektive gesellschaftliche Sinn menschlicher Lebenstä­tigkeit besteht in der arbeiteteiligen Produktion in ihrer vermittelten vergesellschafteten Perspektive allgemeiner Le­bensvorsorge und Bedürfnisbefriedigung.

Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit ist die erste Grund­lage für die Trennung von Tätigkeit und Handlung, von Motiv und Ziel, von unmittelbaren gesellschaftlichen Bedürfnissen und den objektiven Ergebnissen der Produktion.

Unter den Bedingungen des Privateigentums an den Produktions­mitteln, der Trennung der menschlichen Arbeit von ihren ma­teriellen Bedingungen, ist der objektive Sinn des inneren Zusammenhangs von Motiv und Ziel, von Tätigkeit und Handlung, in einem Ausmaß entzweit und auseinandergerissen, daß die Perspektive vergesellschafteter Individuen in entfremdeter, versachlichter und instrumenteller Form "hinter dem Rücken" der Produzenten erscheint. Die Bedürfnisbefriedigung der Menschen ist auf fremdbestimmte, parzellierte und indivi­dualisierte materielle und soziale "Attribute" verwiesen wie "Einkommen", "Karriere", "Prestige", "Status", "Schichtzuge­hörigkeit", "Machtchancen", "soziale Identität" etc.

Das Bewußtsein der Menschen erhält unter den Bedingungen der Klassengesellschaft eine charakteristische besondere Form und Struktur. Die geistige, theoretische Tätigkeit verselb­ständigt sich von ihren materiellen und gesellschaftlichen Bedingungen und Bestimmungen, führt zum Aufbau der Trennung zwisc~en Hand- und Kopfarbeit und legitimiert ihr Bestehen in der ihr inhärenten Herrschaftsfunktion. Die Durchsatzung klassenspezifischer sozialer und herrschaftsbezogener Macht­interessen wird zum Charakteristikum menschlicher Tätigkeit. Über die Trennung der Mehrzahl der Produzenten von den Pro­duktionsmitteln und den Produkten hört die eigentliche Tä­tigkeit auf, das zu sein, was sie in Wirklichkeit ist. Der objektive Inhalt der Tätigkeit deckt sich nicht mehr mit subjektiven Inhalt, das heißt mit dem, was die Tätigkeit für

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den Menschen bedeutet. Der gesellschaftliche, objektive Sinn des Zusammenhangs menschlicher Tätigkeit ist zerstört.

Die Existenz des objektiven Sinns des entfremdeten Zusammen­hangs von Motiv und Ziel ist aber Voraussetzung dafür, daß menschliche Tätigkeit sich in Handlungen und Operationen realisieren kann. Gesellschaftliche Tätigkeit bedarf auch in kapitalistisch organisierten Gesellschaften eines überge­ordneten gesellschaftlichen Bedürfnisses und der Aussicht, daß dieses Bedürfnis durch die Tätigkeit gemäß eines sub­jektiv konstituierten gesellschaftlichen Sinns erfüllt werden kann. Die die Arbeitstätigkeit konstituierenden objektiven Ausführungsbedingungen (Operationen), Ziele (Handlungen) und subjektiven gesellschaftlichen Motive und Bedürfnisse (Tätig­keiten) bezeichnen in diesem Zusammenhang deren horizontale Struktur.

Für den Lohnarbeiter kann die Arbeit niemals nur abstrakt­allgemeine Arbeit sein und sich ansonsten in deren sozialen und ökonomisch~n "Attributen" und "Komplementen" erschöpfen. Sie ist immer auch gegen die gesellschaftliche Trennung des objektiven Sinns von Motiv und Ziel gerichtet und damit gegen die eigenen instrumentellen, entfremdeten Interessen der Arbeitenden selbst. Vor dem Hintergrund des Auseinanderfallans des objektiven Zusammenhang~ von Motiv und Ziel menschlicher Tätigkeit und der damit gegebenen Dysfunktionalität spezi­.fischer Formen gesellschaftlicher Arbeitsteilung können Quali­fikationsstrukturen nicht lediglich als technische Äquivalente objektiver Arbeitsfunktionen im Sinne von Operationen und un­selbständigen Komponenten der Tätigkeit begriffen werden. Viel entscheidender ist die Berücksichtigung der dahinter liegenden Strukturen gesellschaftlicher Bewußtseinstätigkeit und sozialer Interessenauseinandersetzungen, die gesellschaft­liche Formen der Arbeitsteilung und soziale Ungleichheit problematisch werden lassen. Insoweit dabei die subjektive Bewertung objektiver Bedingungen und Aufgaben in Form hie­rarchischer Verknüpfungen in ihrer widersprüchlichen Reali­sation betrachtet wird, ist die vertikale Struktur von Ar­beitstätigkeit angesprochen.

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Ein sozialwissenschaftlich fundierter ~ualifikationsbegriff muß sich auf die Integration der desintegrierten Struktur­komponenten der Tätigkeit beziehen und die Wiederherstellung des objektiven gesellschaftlichen Sinnes des inneren Zusam­menhangs von Motiv und gesellschaftlichem Ziel menschlicher Tätigkeit zum obersten Orientierungsziel haben. Bezugspunkt dabei ist die gegenständliche "Determination" des gesell­schaftlichen Bewußtseins. Im Prozeß der materiellen Produktion produzieren die Menschen selbst die spezifischen Bewußtseins­strukturen und die Sprache, die nicht nur Mittel zum Verkehr, sondern auch der Träger der in ihr fixierten gesellschaflieh erarbeiteten Bedeutungen ist. Weil individuelles Bewußtsein nur bei Vorhandensein gesellschaftlichen Bewußtseins und der Sprache existiert, ist es als 11Mit-Wissen 11 1 ) immer auf die Gesellschaft bezogen. Die Dynamik der Veränderung gesell­schaftlichen Bewußtseins resultiert aus der Dynamik der Ver­änderung individuellen Bewußtseins in der kritischen Refle­xion der Wirklichkeit, der eigenen Tätigkeit und seiner selbst. Der innere Obergang von äußerer in innere Tätigkeit muß Richt­punkt qualifikatorischer tlberlegungen sein. Sollen nicht blind äußere Bedingungen und Gegebenheiten (zum Beispiel An­forderungen der 11Neuen Technik") zum Maßstab von Qualifi­zierung gemacht, oder sogenannte 11 extrafunktionale 11 Qualifi­kationen zur Anpassung an nicht-prognostizierbare Bedarfs­entwicklungen abgeleitet werden, muß die äußere Tätigkeit in ihrer gesamten materiellen und sozialen Bedingtheit und Ent­wicklung erfaßt werden. Die Tätigkeit des Menschen ist in ihrer ganzheitlichen und entwicklungsgeschichtlichen Per­spektive zu berücksichtigen. Anband der genetischen Struktur von Arbeitstätigkeit ist das Auseinanderklaffen von Motiv und Ziel sowie Tätigkeit und Handlung auf die Möglichkeit der Reintegration des objektiven Sinns von Handlungen auf das gesellschaftliche Motiv der Tätigkeit zu untersuchen. Eine Entwicklung von unselbständigen Handlungen in selbstän­dige Tätigkeiten kann sich realisieren, wenn Handlungsziele einen subjektiven Sinn erhalten, und wenn sie gegenständlicher Inhalt individueller Bedürfnisse werden. Die 11 0rganisierung 11

1) Vgl. LE01~JEW (1979), S. 97

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selbständiger Tätigkeiten ist von der bloßen Erweiterung und Variierung unselbständiger Handlungsziele zu unterschei­den, die in operativen Veränderungen der Handlungsbedingungen bestehen und nicht dazu beitragen, das gesellschaftliche Mo­tiv in den Handlungen bewußt zu machen.

Die in der Einleitung formulierte Zielstellung dieser Arbeit, der inhaltlichen Füllung des Begriffs einer "arbeitnehmerge­rechten" Qualifizierung in normativer Hinsicht, gerät mit dem Qualifizierungsziel der Reintegration desintegrierter Struk­turkomponenten der Tätigkeit in umittelbare Reichweite. Mit dem Tätigkeitskonzept ist gewährleistet, daß qualitative Kri­terien von "Qualifikation" und "Qualifizierung" nicht ledig­lieb funktional und abstrakt abgeleitet und über die Köpfe der Arbeitenden binweg durchgesetzt werden, sondern auf die gegenständliche menschliche Tätigkeit bezogen bleiben. Mensch­liche Tätigkeit besteht nicht in reaktiven Anpassungsleis­tungen auf objektive Systemerfordernisse bin, sondern ist durch das Bestreben gekennzeichnet, den objektiven Sinn des Zusammenhangs von gesellschaftliebem Motiv und gesellschaft­lichem Ziel zu integrieren.

Betrachtet man das System der Tätigkeiten unter Differenzie­rung seiner Gegenstandsbereiche, so lassen sich sachliche . (Bedingungen), produktive (aiele) und personelle (Motive und Bedürfnis~e) Bezüge unterscheiden. Sie können binsichtlieb der horizontalen, vertikalen und genetischen Struktur von Arbeitstätigkeit spezifiziert und mit Inhalt gefüllt werden. Auf der Grundlage dieser strukturellen Unterscheidung des Tätigkeitssystems sollte es möglich werden, sozialwissen­schaftliche Anforderungen an "Qualifikation" und "Qualifi­zierung" zu formulieren.

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4.3 Die horizontale, vertikale und genetische Struktur von Arbeitstätigkeit und die Bestimmung gualifikatorischer Anforderungen

Die Hauptaufgabe der Soziologie besteht darin, die Struktur, die Entwicklungslinien und die Bedingungen gesellschaftlicher Lebenstätigkeit und Arbeitstätigkeit, sowie ihrer historisch­spezifischen Besonderheiten und Herausbildungsmöglichkeiten zu erforschen. Indem die Soziologie Gesellschaft als Produkt menschlicher Tätigkeit begreift und auf den gegenständlichen Inhalt vergangener, gegenwärtiger und zukünftig sich entwik­kelnder äußerer gesellschaftlicher Tätigkeit Bezug nimmt, grenzt sie sich von der Psychologie insofern ab, als es die­ser um die Struktur, die Gesetze und Bedingungen der Orientie­rungstätigkeit, also der inneren psychischen Tätigkeit des Menschen, und der verschiedenen Entwicklungsetappen der Per­sönlichkeit geht. Gleichwohl kommt bei der ganzheitlichen Analyse von Qualifikationsgesichtspunkten - insbesondere, wenn es um die Organisierung konkreter Lernprozesse geht -die Soziologie nicht ohne die Psychologie, und diese nicht ohne soziologische Hintergründe aus. In dem Kontext sozial­wissenschaftlicher Anforderungen an "Qualifikation" und "Quali­fizierung" stehen soziologische Gesichtspunkte auch deshalb im Vordergrund, weil nur die Soziologie über das "Handwerks­zeug" verfügt, mit dem "Qualifikation" in ihrer gesellschaft­lichen Gewordenheit und Veränderbarkeit und hinsichtlich ihrer möglichen und begrenzten Entwicklung erfaßt werden kann. Der Begriff der Tätigkeit, den nach MARI zuerst die kulturhis­torische-sowjetische Psychologie für sich vereinnahmt hatte, ist unter Scheidung seiner psychischen Komponenten und der Betonung seines übergeordneten sozialen, gesellschaftlichen Inhalts gerade für die Soziologie von großer Bedeutung und wird zum begrifflichen Instrument gesellschaftlicher Analyse und Synthese, Abstraktion und Verallgemeinerung, Prozeßent­wicklung und -Veränderung.

Ausgehend von der im Abschnitt 4.2 grob skizzierten Bedeutung des Tätigkeitskonzepts für die Soziologie und seiner im Ab­schnitt 4.1 angesprochenen Leistung den Begriffen der sozio-

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logischen Handlungstheorie gegenüber, ist für die sozial­wissenschaftliche Qualifikationsforschung das allgemeine Qualifizierungsziel in der Organisierung unselbständiger Handlungen in selbständige Tätigkeiten herausgearbeitet und begründet worden. Welche spezifischen sozialstrukturallen Bedingungen und Prozesse dabei Berücksichtigung finden müs­sen, und "wie" sie zu diesem Qualifizierungsziel in Verbin­dung stehen, muß auf der konkreten Ebene wechselseitiger Be­züge und Wechselwirkungen des Systems der gesellschaftlichen Arbeitstätigkeit untersucht werden.

Der Analysegegenstand "Tätigkeit" kann in seinen sachlich­gegenständlichen Bedingungen und Gegebenheiten, seinem pro­duktiven Ziel und seinen personellen Motiven und Bedürfnissen unterschieden werden. Gesellschaftliche Arbeitstätigkeit be­zieht sich damit 1. auf die sozioökonomischen Bedingungen der Produktion, 2. auf die damit verbundenen produktiven Ziel­setzungen und 3. auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse und Motive, an welchen sich die ProdUktion zu orientieren hat. Gemäß der horizontalen Struktur von Arbeitstätigkeit müssen objektive und sachliche Ausführungsbedingungen in Form der Operationen vorliegen, damit die vorgegebenen Ziele erreicht, und die gestellten Aufgaben erfüllt werden können. Die ge­sellschaftlichen Produktionsziele müssen expliziert werden in Richtung auf die Erfüllung von Motiven und gesellschaft­lichen Bedürfnissen in der Form von Handlungen. Schließlich sind gesellschaftlich subjektive Motive und Bedürfnisse vor­ausgesetzt, die in der Form von Tätigkeiten das Zustande­kommen von produktiven Tätigkeiten überhaupt gewährleisten. Die horizontale Struktur von Arbeitstätigkeit beinhaltet den Prozeß der gegenständlichen Ordnungsbildung, der Strukturie­rung, in der Form der Herausbildung adäquater Modelle, Ab­bilder und Funktionsprinzipien von Bedingungen, Aufgaben und gesellschaftlichen Organisationsformen, mithin die objektiven Struktur- und Funktionsvoraussetzungen des gesellschaftlichen Systems von Arbeitstätigkeit.

Die vertikale Struktur von Arbeitstätigkeit beinhaltet die gesellschaftliche subjektive Bewertung objektiver Bedingungen und Aufgaben in der Form hierarchischer Verknüpfungen. Die

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horizontale Struktur von Arbeitstätigkeit wird unter dem Gesichtspunkt ihrer subjektiven Bewertung, Bedeutung und Verwirklichungs- und Veränderungspotenz untersucht. Dabei ergeben sich in~olge qualitativer und struktureller gesell­schaftlicher Bestimmungen und Bedingungen. sowie individuel­ler Merkmale•qualitative Differenzierungen in der Form von ~ierarchischen Bewertungsmaßstäben.

Die genetische Struktur von Arbeitstätigkeit berücksichtigt die Strukturierung ~ Bewertung objektiver Gegebenheiten, die Antizipation und Voraussage künftiger Ergebnisse und möglicher Formen der Tätigkeit. In entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht wird das Wechselverhältnis von objektiven Struktur­bedingungen und subjektiven Bewertungs- und Veränderungsmög­lichkeiten untersucht. Die Entwicklung menschlicher Tätigkei­ten läßt sich dann absehen, wenn auf der Seite der Operationen und Handlungen bereits relativ verselbständigte und automati­sierte "Verktirzung;en" stattgefunden haben, welche den Weg frei machen für die Entfaltung "höherer" Prozesse der Tätig­keit.

In einer Annäherung können die sachlichen, produktiven und personellen Bezüge gesellschaftlicher Arbeitstätigkeit schema­tisch wie folgt darge~tellt werden:

Bezüge von Arbeitstä­tigkeit

sachliche Bezüge (Opera­tionen)

produktive Bezüge (Hand­lungen)

personelle Bezüge (Tätig­keiten)

objektive gesellschaft­liche Bedingungen von Arbeitstätigkeit

technische, arbeitsor­ganisatorische und ar­beitsteilige objektive Ausführungsbedingungen

Produkterzeugung unter bedürfnisgerechten, qualitativen und wirt­schaftlichen Zielan­forderungen

Objektive Motiv- und Bedürfnisbefriedigung unter materiellen und sozialen Gesichtspunk­ten

subjektive Bedin­gungen und Ziele von Arbeitstätigkeit

Aufgabenerfüllung und Zielerreichung

gerichtete Erfüllung von Motiven und ge­sellschaftlichen Bedürfnissen

Zustandekommen von produktiven Tätig­keiten

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4.3.1 Die horizontale Struktur von Arbeitstätigkeit und gualifikatorische Anforderungen

Das Schema der sachlichen, produktiven und personellen Be­züge gesellschaftlicher Arbeitstätigkeit macht deutlich, daß jede, auch noch so parzellierte und repetitive Arbeitstätig­keit, nicht lediglich in ihren objektiv vorgegebenen Opera­tionen betrachtet werden darf, sondern daß sie darüber hin­aus von einem übergeordneten individuellen Bedürfnis und Mo­tiv geleitet ist (Handlung), sowie von einem subjektiv kon­stituierten Sinn, welcher in der Tätigkeit zum jeweiligen Be­dürfnis in Beziehung gesetzt wird und das Zustandekommen von produktiven Tätigkeiten überhaupt erst ermöglicht. Mensch­liche Tätigkeit, Arbeitstätigkeit, kann demnach nicht auf Operationen und/oder Handlungen reduziert werden, weil dadurch wesentliche Bestimmungsmomente menschlicher Tätigkeit unbe­rücksichtigt bleiben. Der Mensch ist keine Maschine, die vor­gegebene Operationen ausführt, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut mit gesellschaftlich vermittelten Bedürfnissen, Mo­tiven, Gefühlen und Emotionen. Indem der gängige Qualifi­kationsbegriff objektivierbare, technische Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Gegenstand nimmt, reduziert er menschliche Tätigkeit ~uf das Niveau von Operationen und begreift den Menschen als technischen Funktionsorganismus bar jeglicher Bedürfnisse und Motive. Unter der Voraussetzung gegebener technischer und arbeitsorganisatorischer objektiver Aue­führungsbedingungen ist es das Ziel dementsprechender Quali­fizierungsbemühungen, den Menschen auf die objektive Aufga­benerfüllung und Zielerreichung hin "ausz=ichten". Es ist der Mangel dieser Auffassungsweise, daß

"der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit n= unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv." 1)

Die Konsequenz und Voraussetzung des allein auf sachliche Bezüge von Arbeitstätigkeit beschränkten Qualifikationsbe­griffs. ist, daß in ihm "Technik" und "Ar bei tsorganisation 11

1) MARX (1973), (MEW 3), S. 5

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als feste Größen erscheinen, als objektiv gegebene und un­veränderbare Ausführungsbedingungen, denen sich der Mensch reaktiv anzupassen hat, sollen iie aufgestellten Ziele und Aufgaben erfüllt werden können.

Zwar haben die verschiedenen Methoden zur Leitung und Organi­sation des kapitalistischen Produktionsprozesses - in der Folge von TAYLOR etwa EMERSON, GANTT, GILBRETH u.a. - die Trennung des Zusammenhangs von Motiv und Ziel menschlicher Arbeitstätigkeit auf die Spitze getrieben, indem sie zur Zerstückelung der Arbeit und Entleerung der Arbeitsinhalte geführt haben (- was die verschiedenen "Betriebspsychologien" zu kompensieren versucht haben); falsch wäre jedoch, daraus zu schließen, daß der Arbeiter fortan zur Erfüllung objek­tiver Ausführungsanforderungen gezwungen und verdammt ist, und subjektive Motive und Bedürfnisse keine Bedeutung mehr haben. Die Taylorisierung der Arbeitsinhalte ist nicht pri­mär den technischen Errungenschaften geschuldet. Es wird ver­gessen, daß es eigentlich historisch spezifische Bedingungen der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit sind, welche den Menschen auf die sachlichen Bezüge von Arbeitstätigkeit ver­weisen und die Entfaltung seiner wesenseigenen Motive und. Bedürfnisse beschneiden. Das Kapital kommt niemals ohne die "Zustimmung" der Menschen zu den parzellierten Arbeitsin­halten aus. Sofern Produkte erzeugt werden, müssen diese auf die Erfüllung von Motiven und gesellschaftlichen Bedürfnissen gerichtet sein, sollen sie überhaupt realisiert werden kön­nen. In diesem Zusammenhang kann nicht deterministisch da­von gesprochen werden, daß spezifische Bedürfnisse den Men­schen von kapitalistisch ausgeklügelten Mechanismen einfach "untergejubelt" werden; indem die Individuen als Tätige ihr Leben produzieren, produzieren sie gleichzeitig ihre Bedürf­nisse. Ob diese Bedürfnisse "gute" oder "schlechte" sind, ist freilich eine andere Frage. Die Beantwortung verweist auf die gesellschaftliche Struktur des Systems von Arbeits­tätigkeit als eingeschlossen in das System der gesellschaft­lichen Beziehungen. Durch die Formen und Mittel des materiel­len und geistigen Verkehrs der Menschen in der Gesellschaft, produzieren diese ihre Motive, Zwecke, Mittel und Verfahren.

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Die gesellschaftlichen Verhältnisse tragen insofern diese Bedingungen in sich. Die Eigentümlichkeiten von Motiven, Zielen, Zwecken und Mitteln sind abhängig vom Platz der sie realisierenden Individuen in der Gesellschaft, von den all­gemeinen Lebensbedingungen und individuellen Unterschieden. LITTEK zufolge ist es

"die Dominanz des ökonomischen Verwertungsprinzips, das sich bei den historischen Voraussetzungen 'hinter dem Rücken der Produzenten' durchsetzt" 1),

welche die allgemeinen Lebensbedingungen der Menschen be­stimmt. Unter den Bedingungen des Privateigentums an den Pro­duktionsmitteln und der damit wirksam werdenden Herrschafts­beziehungen sozioökonomischer, sozialer und materieller Art, sind die Produzenten von den umfassenden Bedingungen der materiellen und immateriellen Produktion ausgeschlossen und ist ihnen der Zusammenhang der inneren Beziehung von objek­tiver Bedeutung und subjektivem Sinn gesellschaftlicher Le­benstätigkeit versachlicht, entfremdet und zerrissen. War die Arbeitsleistung vor Einführung des Fließbandes in hohem Maße von der Person des Antreibers und seinen subjektiven "Antreibfähigkeiten" abhängig, wonach nach MARX "an die Stel­le der Peitsche des Sklaventreibers ••• das Strafbuch des AUfsehers" 2 ) getreten war, so wird für die Periode des ent­wickelten Kapitalismus die Schar der Antreiber und Kontrol­leure von·der sachlichen Disziplin des Fließbandes, der Zeit­studie, der "technologisch bedingten Arbeitsteilung" abge­löst. Im Laufe der allgemeinen Durchsetzung parzellierter und restriktiver Arbeitsinhalte erhält die Tätigkeit des Menschen die objektive Bedeutung sinnentleerter, praktisch auf d~m Niveau von Operationen und Handlungen stehender "Teiltätigkeiten". Diese werden in Klassengesellschaften durch die Mechanismen sozialer Ungleichheit auf allen Ebenen gesellschaftlicher Tätigkeit reproduziert. Der sich für die Individuen in ihren parzellierten Tätigkeiten konstituierende Sinn ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit tritt vermittelt über den Lohn und sozialer Identität zur Erringung möglichst großer Anteile an der Konsumtion und hohem gesellschaftlichen

1) LITTEK (1973), S. 134 2) MARX (1972), (MEW 23), S. 447

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Ansehen versachlicht in Erscheinung. Es manifestieren sich soziale Interessenstrukturen, die sich in der Persönlich­keit des Menschen in starrem Kompetenzdenken und -handeln, spezifischen Abwehr- und rigiden Abgrenzungsstrategien, sowie in immanenten Rivalitätskonflikten und Statusproblemen niederschlagen. 1 )

Die materialistisch beschriebenen allgemeinen Lebensbedin­gungen, welche den Menschen zum Objekt sachlicher Bezüge von Arbeitstätigkeit machen, dürfen in keinem Fall im Sinne des Ökonomismus, als linear determinierende Bestimmungsmomente und ausschließlieb objektive, äußerliche Zwecke, Mittel und Verfahren berücksichtigende Momente verstanden werden. Dies hieße den tätigen, ganzheitlieben Charakter des menschlieben Lebensprozesses zu überseben und den Menschen nicht als Sub­jekt, sondern als Objekt zu begreifen. Indem die Menschen sich in ihrer Tätigkeit auf die "äußeren" gesellschaftlieben Motive, Ziele, Zwecke und Mittel beziehen, reproduziere~ sie damit ihre eigenen Motive und Ziele und wirken gleichzeitig wieder auf die gesellschaftlieben Motive und Ziele ein. Das spezifisch Menschliche, das in der Erweiterung eigener Mo-

1) Vgl. Abschnitt 2.2.2 dieser Arbeit zum Konzept von BECK/ BRATER; Vgl. auch BRAVERMAN (1977), S. 116, der, SWARD (1948], S. 32 zitierend, beschreibt, wie die gese-llschaft­liche Form der Arbeitsteilung Kompetenz und Disposition besitzenden Arbeitern zunehmend parzellierte und restrik­tive TeiltätigkelteR aufberrscbt: "Bei Ford und in allen anderen Werkstätten in Detroit drehte sich die Montage eines Autos immer noch um den viel­seitig ausgebildeten Mechaniker, der gezwungen war, von einem Arbeitsplatz zum anderen zu wandern, um seine Arbeit zu tun. Ford's Monteure waren immer noch Männer, die al­les konnten. Ihre Arbeit war vorwiegend stationär, doch mußten sie zu Fuß zu ihrer nächsten Aufgabe weitergehen, sobald der Wagen, der an ihrem speziellen Platz im Ferti­gungsprozeß war, den ganzen Weg - vom bloßen Rahmen bis zum fertigen Produkt - gegangen war. Gewiß hatte die Zeit einige Verbesserungen mit sich gebracht. 1908 brauchte der Monteur seinen Arbeitsplatz nicht mehr zu verlassen, um zum Werkzeugraum oder zum Behälter für Montageteile zu gehen. Es gab Lagerboten, die für diese Aufgabe abge­stellt waren. Auch war der Fordmecbaniker selbst im Jahre 1908 nicht mehr ganz der Mann, der er 1903 gewesen war. In den dazwischen liegenden Jahren war die Arbeit der End­montage ein klein wenig aufgespalten worden. Anstelle des 'Mädchens für alles', das früher 'alles gemacht hatte', gab es jetzt mehrere Monteure, die sich jeweils an einem besonderen Auto Seite an Seite voranarbeiteten, wobei je­der für eine etwas beschränktere Menge von Verrichtungen verantwortlich war."

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tive und Ziele über gesellschaftliche Ziele und Motive hin­aus besteht, verdient berücksichtigt zu werden; erst dann ist es gelungen, den inneren in Wechselwirkung stehenden Zusammenbang von objektiven Bedingungen und Gegebenheiten zu subjektiven Bestimmungen und Mpglicbkeiten Rechnung zu tragen. 1 ) Die Menschen produzieren ihr Leben in gesell­schaftlicher Weise innerhalb gesellschaftlicher Verhältnisse. In diesen gesellschaftlieben Verhältnissen liegen bereits die Keime für die Herausbildung neuer und sieb entwickelnder Tätigkeitsformen der Menschen, welche wiederum auf die Ge­sellschaft einwirken und sie verändern. 2) In dieser Hin­siebt sind in dem System der Tätigkeit sachliche, produktive und personelle Bezüge enthalten, welche selbst mit den objek­tiven Bedingungen von Arbeitstätigkeit in Widerspruch stehen

1) BECK/BRATER scheinen den inneren Wechselwirkungszusammen­bang zwischen Subjekt und Objekt zu sehr auf die Seite des Objekts hin zu zentrieren. Indem sie mehr Gewicht auf die strukturtheoretische Analyse der Mechanismen ge­sellscbaftl~cher Formen der Arbeitsteilung legen, berück­sichtigen sie die bistorisehe Gewordenbeit dieser Struk­turen unter dem Aspekt praktischer, sinnlieb menschlieber Tätigkeit'und damit deren Veränderung zu wenig. Die Phäno­

.mene gesellschaftlieber Arbeitsteilung kommen bei ihnen als "strukturell in Berufen und Kompetenzgliederungen an­gelegt" in Betracht. BECK/BR:ATER/TRAMSEN {1976), S. 180 Nicht·mebr Herrschaftsgesichtspunkte kapitalistischer Produktionsweise werden eigentlich für berufliebe Kom­petenzscbneidungen verantwortlieb gemacht, sondern diese werden gleichsam aus sieb selbst heraus, im Beruf liegend, als endogene Variable betrachtet. Dem entspricht ein scbicbtenspezifiscbes Qualifikationskonzept, in dem sieb die Kategorie "Beruf" nicht explizit auf die Lohnarbeiter­existenz bezieht, §Ondern auf ohnebin schon privilegierte Berufsgruppen wie Arzte, Psychologen, Wissenschaftler etc. Die "Reproduktionsbedingungen sind je nach Klassen- und Scliicbtenverbältnissen spezifisch eingeschränkt, womit die Herausbildung und Erhaltung von Arbeitsvermögen scbicb­tenspezifiscb begrenzt ist. In Berufen werden damit nur solche Arbeitsvermögen typisiert und inhaltlieb bestimmt, die innerhalb bestebender schichtenspezifischer Reproduk­tionsverhältnisse entwickelt und erbalten werden können." BECK/BRATER ( 1977) Band I, S. 31 f. .

2) Vgl. MARX (1975), {MEW 13), S. 9: "Daher stellt sieb die Menschheit immer nur Aufgaben, die.sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sieb stets finden, daß die Auf­gabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung sc~on vorbanden oder wenigstens im Prozeß des Werdens begriffen sind."

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und nach einer Auflösung verlangen. Inwieweit die subjektive Bewertung objektiver Bedingungen und Aufgaben von Arbeits­tätigkeiten bei den Arbeitenden in progressiver oder regres­siver Weise zum Vorschein kommt, kann aus der inhaltlichen Ausfüllung der vertikalen Struktur von Arbeitstätigkeit abgeieitet werden. Zuvor sollen qualifikatorische Anforder­ungen binsiebtlieh der horizontalen Struktur von Arbeits­tätigkeit kurz zusammengefaSt werden:

Ein sozialwissenschaftlieb fundierter Qualifikationsbegriff muß neben sachlichen auch produktive und personelle Bezüge von Arbeitstätigkeit beinhalten. Bei Qualifizierungsprozes­sen sind nicht nur technisch-funktionale, sondern auch und besonders soziale, motivationale und bedürfnisbezogene As­pekte zu berücksichtigen. Es ist davon auszugeben, daß in dem System der gesellschaftlieben Verhältnisse selbst Mo­mente subjektiver Veränderungskraft "schlummern", auf welche Qualifizierungsprozesse Bezug nehmen müssen. "Höberqualifi­zierung" ist nicht etwas außerhalb der Gesellschaft liegen­des, sondern wird aufgrund allgemeiner Vergesellschaftungs­perspektiven zur gesellschaftichen Notwendigkeit. Ein sozial­wissenschaftlich fundierter Qualifikationsbegriff muß den gesellschaftlichen Verhältnissen "vorauseilen", soll er nicht von ihnen "überholt" und "vergewaltigt" und damit unbrauch­bar zur Zielsetzung der "allgemeinen Emanzipation" des Men­schen werden.

4.3.2 Die vertikale Struktur von Arbeitstätigkeit und gualifi­katoriscbe Anforderungen

Die vertikale Differenzierung von Arbeitstätigkeit meint die Untersuchung des Ausmaßes sowie der Möglichkeiten und Grenzen der subjektiven Bewertung objektiver Bedingungen und Aufga­ben, _also die Identifizierung motivationaler und bedürfnis­bezogener Aspekte innerhalb der horizontalen Struktur von Arbeitstätigkeit. Die Widersprüchlicbkeit von restringierter Qualifikationserzeugung bzw. -verwendung und deren notwen­diger Erweiterung kommt in der Verhinderung einerseits und Notwendigkeit andererseits der hierarchischen Verknüpfung

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innerhalb des Systems der Arbeitstätigkeit (Motiv-Ziel-Be­dingung) zum Ausdruck.

Es wurde oben darauf hingewiesen, daß sowohl bei Qualifi­zierungsprozessen als auch der Anwendung von Qualifikation in der Arbeitstätigkeit, Operationen und Handlungen aus dem ganzheitlichen, unter gesellschaftlichen Motivaspekten ste­henden Zusammenhang menschlicher Tätigkeit herausgerissen, separiert und "veräußerlicht" sind. Gesellschaftliche Motiv­und Bedürfnissysteme werden in ihren Entwicklungen und prak­tischen Entäußerungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten nicht mitgedacht und von Seiten der Betriebe in der Arbeitstätig­keit nicht explizit angefordert. Sie sind auf ihre spontane, "unbewußte" Realisation "hinter dem Rücken der Produzenten" verwiesen, womit sie gleichzeitig in ihrer sachlichen "fratzen­haften Verdinglichung" als scheinbar natürliche, und nicht zu verändernde Einheiten festgeschrieben werden. In der ge­sellschaftlichen Wirklichkeit bezieht sich das subjektiv antizipierte Ziel von Handlungen vorwiegend auf intendierte Veränderungen an gegenständlichen Objekten und Situationen. Intendierte Veränderungen am eigenen Subjekt durch den per­sönlichen Sinn und das Motiv der Tätigkeit hindurch, finden meist nicht statt. Gesellschaftliche Veränderungs- und Ent­wicklungsprozesse sind in subjektiver Hinsicht unter klassen-. .

spezifischen gesellschaftlieben Bedingungen nur begrenzt mög­lich.

Wenn der Lohnarbeiter in einer "humanisierten" Arbeitsstruk­tur zum Beispiel ganze Automotoren montiert, so ist das Ziel seiner Handlung für sich genommen noch nicht von persönlicher Bedeutung. Die Bewußtheit des Handlungsziels als notwendige Bedingung der Handlung bezieht sich lediglieb auf die bewußte Antizipation des Handlungsziels, sowie der hierzu erforder­lichen Aktionsprogramme unter Berücksichtigung vorgegebener oder variabler Ausführungsbedingungen. (Operationen) Inwie­weit und inwiefern das Handlungsziel für den Menschen bewußt und bedeutsam wird, welchen persönlichen bewertenden Sinn die Handlung und ihr Ergebnis für den Arbeiter erhält, kann auf der Ebene der Handlung nicht erschlossen werden. 1 ) Erst aus

1) Deshalb ist die Handlungsstrukturtheorie VOLPERT's sowie ( Fortsetzung nächste Seite)

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der Beziehung zwischen Ziel und Motiv, also daraus, was der Arbeiter für sich persönlich aus der Arbeitshandlung "her­auszuholen" (hinzuzulernen etc.) vermag, erhellt sich die Qualität der Tätigkeit und ihres Motivs. Dem Arbeiter, der Motoren montiert, kann der konkrete Inhalt seiner Handlung, und das konkrete Ergebnis ziemlieb gleichgültig sein. Er kann mit viel Energie und Ehrgeiz, unter Einsatz aller Kräfte handeln, und doch braucht die persönliche Bedeutung nicht im Handlungsinhalt oder -resultat zu liegen. Schließlich kann er beim Montieren ein nachlässiges, routiniertes Ver­halten "an den Tag legen" und trotzdem für sich persönlich aus der Arbeitshandlung "etwas machen".

Die subjektiven Motive und Ziele sind als realisierende Fak­toren gesellschaftlieber Arbeitstätigkeit in das System der gesellschaftlieben Beziehungen eingeschlossen. Die Heraus­differenzierung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen hängt unter strukturellen Gesichtspunkten wesent­lich davon ab, in welchen konkret~n Handlungs- und allge­meinen Lebensbedingungen die Handlungen stehen, sowie vom Niveau der Handlungen und der Handlungsresultate. Je größer und inhaltlicher die konkreten Handlungsanforderungen sind, desto umfassender ist die qualitative und quantitative Ent­wicklung von Motiven. 1 ) Weil die Arbeitenden unter den Herr-

••• die allgemeine Arbeits- und Ingenieurspsychologie HACKER's und die Kritische Psychologie der HOLZKAMP-SCHULE zu kritisieren, die nicht zwischen Handlung und Tätigkeit differenzieren, sondern Tätigkeit mit Handlung identifi­zieren. Vgl. die Kritik von GLEISS (1978)

1) GLEISS (1978), S. 131 hat diesen Zusammenbang an dem fol­genden Beispiel deutlich gemacht: "Das Durcharbeiten eines Buches kann zunächst als unselb­ständige Handlung Bestandteil einer Prüfungsvorbereitung sein. Vom Aspekt der Tätigkeit her gesehen ist das Hand­lungsziel, den Inhalt des Buches zu beherrschen, nicht mit dem Motiv identisch. Dia Möglichkeit nun, daß sieb die Handlung in eine selbständige Tätigkeit verwandelt und sieb damit auch der persönliche Sinn des Handlungsziels dem konkreten Inhalt nähert, ist von einer Vielzahl kon­kreter Handlungsbedingungen abhängig. Die Entwicklung wird beispielsweise sehr erschwert, wenn die Prüfungsvor­bereitung unter großem Zeitdruck stattfinden muß, wenn man weiß, daß der Prüfer weder inhaltliebe Zusammenhänge noch eine kritische Beurteilung verlangen wird, sondern die exakte Reproduktion von z. B. Jahreszahlen oder anderen Aussagen, oder aber wenn der Inhalt des Buches kaum ge­eignet erscheint, auf die spätere Berufsausübung vorzube­reiten, sondern nur als formale ·Qualifikation vorlangt wird."

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SChaftsbedingungen des Kapitals über die Arbeit in der Ar­beitstätigkeit in dem Objekt-Status Operationen ausführen­der "Menschenmaschinen" gehalten werden, sinC. sie in der qualitativen Entwicklung motivationaler und bedürfnisgerech­ter Komponenten aktiver Erkenntnis gesellschaftlicher Vor­gänge und deren kollektiver Veränderung sowie Selbstver­änderung und -entwicklung einschneidend behindert. Die herr­schaftssichernden, arbeiteteiligen Strukturen verhindern die Entfaltung der im Menschen angelegten Kreativität. Da auf einzelne Operationale Kompetenzbereiche verwiesen, ist der Arbeiter nur in ganz bestimmten Ausschnitten der gegenständ­lichen und sozialen Umwelt "kompetent". Offenheit gegenüber der Umwelt, kritische Haltung gegenüber den 'sogenannten Selbst­verständlichkeiten, Neugier, Interesse an Mannigfaltigkeiten, Flexibilität, Unabhängigkeit vom Urteil der Vorgesetzten etc., was den kreativen Menschen auszeichnet, ist deshalb nur be~ schränkt zu entfalten und stößt immer wieder auf herrschafts­bedingte Kompetenzgrenzen. 1 ) Die Betriebe sind aber auf die 11 schöpferische·Initiative 11 der Lohnabhängigen angewiesen, vor allem im Bereich hochkomplexer Meßwarten-, Instandhal­tungs- und Reparaturtätigkeiten. Auch bei weniger automati­sierten Prozessen erweist sich die bloße operationale Hand­lungsfähig~eit des Menschen zunehmend als Hemmschuh der Stei­gerung betrieblicher Effektivität und Produktivität und da-mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Herrschafts­sichernde Formen gesellschaftlicher vertikaler Arbeitstei-lung stehen·der ganzheitlichen Daseinsentfaltung des Menschen in der Produktion entgegen. Ihre in Teilbereichen offensicht­liche Dysfunktionalität macht sie zum Gegenstand vielfäl-tiger ~ompensationsbemühungen und Interessenauseinanderset-zung. Zweifellos ist die moderne Produktion zunehmend da-zu "gezwungen", motivationale und bedürfnisbezogene Momente

1) BECK/BRATER beschreiben recht anschaulieb die Wirkungen von gesellschaftlichen Kompetenzschneidungen und Problem­verlängerungen auf den einzelnen Menschen, welcher seinen eigenen "medizinischen Hausrezepten, normalem Rechtsbe­wußtsein, eigenen Inneneinrichtungsplänen" mißtraut, "und wegen jedes Schnupfens, jedes Rechtsstreits, jeder Umstel­lung des Sofas zum diesbezüglichen 'Spezialisten' geht." BECK/BRATER (1978), S. 182

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menschlicher Arbeitstätigkeit vermehrt zu berücksichtigen und zuzulassen. Ohne auf den Arbeitsinhalt bezogene per­sönliche Bedeutung kann der Arbeiter die erforderliche Ak­tivität, Aufmerksamkeit, Denktätigkeit nicht aufbringen, d. h., er kann die Arbeit dauerhaft gar nicht verrichten.

Personelle Bezüge von Arbeitstätigkeit hinsichtlich moti­vationaler- und Bedürfnisaspekte sind die eigentliche Vor­aussetzung für sachliche und produktive Bezüge. Ohne Motiv und Bedürfnis wird der Mensch keine Ausbildung anstreben bzw. eine Arbeit aufnehmen. Spezifische menschliche Eigen­schaften wie Leistungsstreben, Aufstiegsorientierung, Pro­blemlösefähigkeit, Selbstkonzept, Pflichtauffassung, Eigen­machterleben, soziale Erwünschtheit etc. 1 ) sind ohne die Berücksichtigung personeller tätigkeitsbezogener Bezüge nicht zu erklären. Die persönliche Bedeutung und Bewertung objektiver Ausführungsbedingungen ist damit konstitutiv für menschliche Lebenstätigkeit und notwendig für die Teilnahme an Qualifizierungsprozessen sowie der Ausführung konkreter Arbeitstätigkeiten. Die persönliche Bedeutung, die sich in der Arbeitstätigkeit zunächst auf den speziellen.Arbeitsin­halt bezieht, wird zum übergreifenden Charakteristikum von Tätigkeit. Sie "übersteigt" den jeweiligen Arbeitsinhalt, berührt dessen vor- und nachgelagerte Bereiche und manifes­tiert sich letztlich im System der gesellschaftlichen Arbeit. Dem Arbeiter geht es nicht nur um Verbesserungen in seiner Arbeitstätigkeit, sondern auch um die positive Veränderung des gesamten gesellschaftlichen Lebensbereichs. tlber die Be­ziehung vom Subjekt zur gesellschaftlichen Arbeit sind gleich­zeitig seine Beziehungen zur Bildung, Kultur, Politik, Kon­sumtion etc. mitenthalten. Geht man davon aus, daß die An­forderungen. im Reproduktionsbereich ständig steigen 2>, und davon, daß der Reproduktionsbereich für die Gebrauchswert­o~ientierung des Arbeiters zentralen Stellenwert genießt, dann kann sich "Qualifikation" auch nicht allein auf den Produktionsbereich beziehen, sondern muß menschliche Tätig­keit wesentlich auch in ihrem Reproduktionsgesichtspunkt be-

1) Vgl. BAMBERG (1977) 2) Vgl. etwa FEUERSTEIN, G. (1979)

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trachten. Die Orientierung auf den Reproduktionsbereich wird umso wichtiger, wenn man berücksichtigt, daß in vielleicht 20 oder 30 Jahren der materielle Produktionsprozeß im wesent­lichen vollautomatisiert sein wird, sowie die These KUCZYNSKI's, der kein Ideal darin sieht, daß die Qualifi­kationen im unmittelbaren Produktionsbereich immer weiter steigen müssen. 1 ) Den Tätigkeiten im Reproduktionsbereich ist deshalb ein wichtiger Stellenwert einzuräumen; auch des­halb, weil die Entfaltungsmöglichkeiten im Reproduktionsbe­reich wesentlich von den Daseinsbedingungen im Produktionsbe­reich abhängig sind. 2 )

Die sich binsichtlich der vertikalen Struktur von Arbeits­tätigkeit ergebenden Anforderungen an "Qualifikation" und "Qualifizierung" lassen sieb folgendermaßen beschreiben:

Die Betrachtung hierarchischer Bezüge von Tätigkeitskompo­nenten entlang der vertikalen Struktur von Arbeitstätigkeit, verdeutlicht die Widersprücblicbkeit des Zusammenhangs "ganz­heitlich" menschlichen "Vermögens" und dessen Begrenzung durch objektive sozialstrukturelle "Determinanten" und Pro­zesse. Sollen die gesellschaftlichen Bedingungen nicht zum Hemmschub ihrer eigenen Entwicklung werden, oder gar regres­sive Verän~erungen intendieren, ist es notwendig, konserva­tive, 11 si~b selbst erhaltende" Barrieren der Realisation

1) "Was aber seine (des Menschen, R.V.) Gescbicklicbkeiten, seine Qualifizierung betrifft, die für die Arbeit in der materiellen Produktion (und Zirkulation) notwendig sind, so kann ich kein Ideal darin sehen, daß sie immer mehr wachsen müssen. Seit wann gibt es ein Ideal der Menschheit, daß es immer höherer Qualitäten bedürfen soll, um etwas zu.produzieren? Das kann doch nur der Fall sein, wenn, ganz gleich, was der gesellschaftliche Nutzen der Arbeit ist, höher qualifizierte Arbeit höher bezahlt wird. An sich müßte man doch über eine wissenschaftlich-technische Entwicklung beglückt sein, die die materielle Produktion so vereinfacht - und das tut sie vielfach auch -, daß ein Mensch sie ohne jede Bildung, ohne jede Qualifikation aus­führen kann. Wie unsinnig die Idee, daß die materielle Produktion immer höhere Qualifikationen erfordern sollte oder daß es zu bedauern wäre, wenn jemand durch weitere Vereinfachung der materiellen Produktion sich nicht meh~ qualitativ so anstrengen muß, um diese Produktion zu schaf­fen." KUCZYNSKI (1979Jt S. 350

2) Vgl. ULICH/ULICH (1977J

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menschlichen "Vermögens" aufzuweichen. Die produktivitäts­~ 11humanitätssteigernde 11 Prozesse gleichermaßen bedingende gesellschaftliche Weiterentwicklung erfordert die Berück­sichtigung übergeordneter Strukturelemente von Tätigkeit und die hierarchisch durchdrungene Ermöglichung motivationa­ler und bedürfnisbezogener Konstitutionsbedingungen von Tä­tigkeit zu ihren produktiven und sachlichen Bezügen. Die selbständige Tätigkeiten auszeichnende übergreifende Motiv­und Zielbildung verlangt nach ihrer Realisierung zur Einsicht in den Sinn und Nutzen von Produkten, zur_Planung und Mit­entscheidung hinsichtlich objektiver Strukturbedingungen kapitalistischer Produktionsweise wie Produkterzeugung, Tech­nikverwendung, Zielsetzungen der Produktion, -arbei tsorgani­satorische Regelung, Qualifikationsverwendung, Bedingungen der Arbeit etc •• Gleichermaßen als Voraussetzung und Rück­wirkung ganzheitlicher Tätigkeitsbezüge sind Veränderungen in den objektiven Konstitutionsbedingungen kapitalistischer Produktionsweise zu betrachten wie Aufweichung und Aufhe­bung autoritärer Führungsstrukturen, Vergrößerung der Ent­scheidungs- und Handlungsspielräume, Pufferbildung zur Wahr­nehmung von Dispositionschancen, Vor-Ort-Programmierung von NO-Maschinen, Institutionalisierung von Ausbildung etc •• _ In Wechselwirkung damit steht die Herausbildung reproduktions­bezogener selbständiger Tätigkeiten mit übergreifenden ge­sellschaftlichen kooperativen Motiv- und Bedürfnissystemen.

In Verbindung mit der Ganzheitlichkeit menschlicher Lebens­tätigkeit müssen Qualifizierungskonzepte den Menschen als das begreifen, was er ist. Nicht als einen auf einzelne Operationsverrichtungen "heruntertransformierten Affen", son­dern als ganzheitliche Persönlichkeit mit spezifischen mensch­lichen Bedürfnissen nach sozialer, politischer und geistiger Lebensaktivität und Umweltkontrolle. Qualifizierung heißt in diesem Kontext die Bewußtmachung gesellschaftlicher Wirk­lichkeit, etwa in dem Sinne, "das schlechte Leben mehr zu fürchten als den Tod" 1 ), das Bewußtgemachte also bewußt machen und sich Gesellschaft wohnlich einzurichten. Faßt man

1) Ausspruch auf dem II. Internationalen Kongreß "Kritische Psychologie" in Marburg 1979

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den Menschen als einen tätigen und aktiv gesellschaftlichen auf, so ist er als ein grundsätzlich lernfähiges und lern­bereites Wesen zu begreifen, das bestrebt ist, die Desinte­gration gesellschaftlicher Strukturkomponenten der Tätigkeit aufzuheben. Qualifizierungsprozesse müssen die dem Menschen immanenten gebrauchswertorientierten Beziehungen zum Arbeits­inhalt sowie zur gesellschaftlichen Arbeit in ganzheitlicher Weise berücksichtigen und hins·ichtlich ihrer Entfaltungs­möglichkeiten organisieren. Dazu sind die behindernden und einschränkenden gesellschaftlichen Bedingungen (Herrschaft­Arbeitsteilung-Arbeitsorganisation-Technik etc.) in ihren objektiven Bestimmtheiten auf die subjektive Bestimmung so­zialer, politischer und geistiger Lebenstätigkeit des Men­schen zu beziehen.

Das Verhältnis von objektiven Determinationen und subjektiven Bestimmtheiten, sowie die Möglichkeit der Herausentwicklung von selbstständigen Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen wird im nächsten Abschnitt in genetischer Hinsicht unter­sucht.

4.3.3 Die genetische Struktur von Arbeitstätigkeit und gualifikatorische Anforderungen

Bisher sind sozialwissenschaftliche Anforderungen an "Quali­fikation" und "Qualifizierung" aus den notwendig zu berück­sichtigenden und hierarchisch in Wechselwirkung stehenden Konstitutions- und Strukturkomponenten gesellschaftlicher Lebenstätigkeit herausgearbeitet worden, wobei in groben Um­rissen normative Kriterien einer "arbeitnehmergerechten" Qualifizierung deutlich geworden sind. In diesem Abschnitt sollen auf einer konkreteren Ebene entwicklungsbezogene und -mögliche Aspekte der Herausbildung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen gestreift werden. Objektive Bestimmtheiten und subjektive Bestimmungen sind dabei in ihren gegenseitigen Ein- und Auswirkungen zu berücksichtigen.

Infolge der Dominanz objektiver Struktur- und Bestimmungs­merkmale, welche in allen Sozialisationsinstanzen "durch­schlagen", ist es gerechtfertigt, die Veränderung sozial-

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struktureller Bedingungen und herrschaftsfunktionaler Be­ziehungen zum Ausgangspunkt von bildungspolitischen Bemü­hungen zu machen. Weil im System gesellschaftlicher vertika­ler Arbeitsteilung und sozialer Ungleichheit die Integration von eigentlich gesellschaftlicher und - in kapitalistischen Tauschgesellschaften stark "gebrochener" - subjektiver Be­deutung menschlicher Lebens- und Arbeitstätigkeit verhindert ist, impliziert die strukturell-politische Forderung nach umfassenden Qualifizierungschancen das Aufbrechen verhär­teter, konservativer und zunehmend dysfunktional werdender sozioökonomischer und sozialer Strukturen. Soweit dies auch in letzter Konsequenz nur über die grundlegende Umgestaltung des Systems der gesellschaftlichen Arbeit möglich sein wird, können objektive Veränderungen dennoch nicht allein als hin­reichende Voraussetzung subjektiver Veränderungen betrach­tet werden. Das Konzept der gegenständlichen Tätigkeit, das den Menschen als aktiven und tätigen betrachtet, "hält" nichts von strukturpolitischen Entscheidungen und Reformen, nach denen der Mensch wiederum als Objekt zurückbleibt, weil er vom Ansatz schon als Objekt behandelt und nicht zum Ge­genstand subjektiver Selbstveränderung "erklärt" wird. 1 ) Staatliche Reformen und andere Veränderungsabsichten können nur dann erfolgreich sein, wenn sie die - ganzheitliche Tä­tigkeit des Menschen behindernden - Barrieren beseitigen und seine Subjektentwicklung aktiv fördern. Hierzu hätte man sich aber auch eines anderen Qualifikationsverständnisses zu bedienen, als es in den vielfältigen Reformversuchen staatlicherseits zum Ausdruck kommt.

"Qualifikation" und "Qualifizierung" müssen als Tätigkeits­begriffe gefaßt und in genetischer Hinsicht darauf bezogen werden, inwieweit und inwiefern sie Handlungen und Hand­lungsbedingungen des arbeitenden Menschen als realisierende Faktoren ganzheitlich verstandener Tätigkeiten beinhalten.

1) Zum Problem objektiver Strukturveränderungen und darauf bezogener Entfaltung menschlicher Subjektivität vgl. die Äußerung BLOCH's (1977), S. 425, wo er das "Nachhinken" des Subjekts gegenüber den objektiv gegebenen Möglichkei­ten nach der sozialistischen Umgestaltung der DDR be­schreibt: "Das arbeitende Volk hat nicht zu erfahren, daß es gut regiert wird; sondern daß es selber regieren soll, gehört zu einem Stück seiner Arbeit." '

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Nur in der Perspektive der Tätigkeit verlieren Arbeitshand­lungen ihren ahistorischen Bezug, indem sie die Entwicklung qualitativ bestimmter Motivstrukturen und damit die aktive Erkenntnis von Gesellschaft und deren kollektiver Veränder­ung sowie die Selbstveränderung und -entwicklung des Men­schen erfordern.

Unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen ist es das erste Erfordernis gesellschaftlicher Bildungsanstren­gungen, die qualifizierte Berufsausbildung zum generellen Ziel für alle Arbeitnehmer zu machen. Vor dem Hintergrund dieser Forderung, die um die Aufhebung der großen Zersplit­terung und Uneinheitlichkeit der Lehrberufe zu ergänzen ist, muß versucht werden, die in den Ausbildungsordnungen nieder­gelegten Inhalte sowie die vom Arbeitsprozeß her gegebenen Ausfüh+ungsbedingungen, als lediglich sachliche Bezüge von Arbeitstätigkeit beinhaltende Strukturelemente von Tätigkeit, um ihre produktiven und personellen Bezüge zu erweitern und hinsichtlich ihrer Förderung in Ausbildung und Praxis zu be­rücksichtigen." Fachliche Qualifizierung darf nicht länger nur unter dem Gesichtspunkt der Vermittlung technischer Fähigkeiten und Fertigkeiten betrachtet werden; sie ist dies in der wirklichen Tätigkeit des Menschen auch nicht. Sozial­strukturellen Bedingungen und den Ansprüchen, Bedürfnissen . . und Sehnsüchten der Arbeitenden muß Rechnung getragen wer­den. Solange motivationale, bedürfnis- und zielbezogene As­pekte aus dem Qualifikationskonzept ausgeblendet.bleiben, ist es unmöglich, der ganzheitlichen Tätigkeit des Menschen jene Bedeutung beizumessen, die sie in Wirklichkeit immer be­sitzt. Unmöglich ist es dann auch, entlang der hierarchischen Ordnung von Strukturkomponenten der Tätigkeit die Bedingungen und Voraussetzungen für eine Höherqualifizierung anzugeben, welche nicht wiederum auf der Ebene der sachlichen Ausfüh­rungsbedingungen verharrt.

Selbständige Arbeitstätigkeiten bilden sich - vergleichbar dem Stufenmodell PIAGET's 1 ) -in zenetischer Hinsicht hie­rarchisch heraus, d.h. erst auf der Grundlage einer allge-

1) Vgl. z. B. die kurze Darstellung .bei PIAGET (1979)

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meinen Grundbildung, und der dieser entsprechenden Tätig­keit, können sich "höhere" Formen von Tätigkeit realisieren. Weil anzunehmen ist, daß eine allgemeine Grundausbildung die Chance für zusätzliche Qualifizierungen erheblich erhöht, scheint in geradezu fataler Weise das sogenannte Matthäus­Prinzip zu gelten "wer hat, dem wird gegeben." 1 ) Gleich­zeitig weist dieses Prinzip darauf hin, daß bereits unter­schiedliche schichtenspezifische Aneignungsbedingungen die motivations- und bedürfnisbezogenen Ansprüche der Menschen nach Ausbildung weitgehend "determinieren" . 2 ) Unter den Be­dingungen privatkapitalistischer Produktion führen familiale und schulische Sozialisations- und Aneignungsprozesse in der Regel nicht dazu, die Grundlage für die Herausbildung selb­ständiger Tätigkeiten zu legen. Für den Lohnarbeiter scheint immer noch zu gelten, daß seine Aneignungsmöglichkeiten und -bedingungen rigide beschränkt sind. 3 ) Es wird daher dring­lich, die menschliche Tätigkeit ln ihrem ganzheitlichen Charakter zu begreifen und über deren schrittweiser prak­tischer "Verganzheitlichung" eine Veränderung sozialstruk­tureller Bedingungen zu induzieren.

Auf der Basis einer allgemeinen Fachqualifikation soll der Arbeiter die sachlichen Anforderungen des Produktionsprozes­ses erfüllen und die gesteckten Ziele erreichen können. In dem Maße, wie er immer wiederkehrende und ähnliche Aufgaben zu beherrschen lernt, verselbständigen sich diese Handlungen weitgehend von ihren intellektuellen, psychischen Regulations­grundlagen. 4 ) Die Beziehungen zu den gegenständlichen Aue­führungsbedingungen stellen sich als Wechselwirkung allein der materiellen Elemente eines Systems dar; die Inanspruch­nahme psychischer Regulationsgrundlagen entfällt.

Zwar ist die "Automatisierung" von Handlungen notwendig, um höhere Prozesse von Tätigkeit realisieren zu können. Die Wahrscheinlichkeit dieser Realisation ist aber entscheidend

12) Vgl. FREI (1979), S. 19 ) Neuere Untersuchungen von HALLER (1980) bestätigen die An­

sicht, daß auch die im Zuge bildungsreformerischer Be­mühungen zu beobachtenden erheblichen Umschichtungen von Bildungschancen letztlich an der grundsätzlichen Stabilität der Statuszuweisungsmechanismen nichts geändert haben.

3) Vgl. z.B. die Aktivitätsmatrix für den Lohnarbeiter bei SEVE (1977), S. 356

4) Terminologie in Anlehnung an HACKER (1978) u. VOLPERT (1974)

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von den objektiven Ausführungsbedingungen und -möglichkeiten bestimmt. Das psychische Abbild, die Denktätigkeit, taucht erst in Situationen auf, in denen es an ausgereiften auto­matischen Regulationen mangelt, wo GALPERIN zufolge

"etwas Neues und womöglich, wie LENIN zeigte, Gefährliches entsteht; wo es deshalb fernerhin vor der Erkundung der Umstände besser ist, auf die Ausführung einer automatischen Handlung zu verzichten." 1)

Der Prozeß der Automatisierung von Handlungen hat zwei Sei­ten. Einerseits werden Handlungen in den Zustand von auto­matisierten Operationen versetzt (nach unten abgegrenzt), andererseits können gerade deshalb aus unselbständigen Hand­lungen selbständige Tätigkeiten werden. (nach oben abgegrenzt) Die Chance der Herausbildung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen hängt vom "Qualifikationsinven­tar" 2) und den objektiven Ausführungsbedingungen und -mög­lichkeiten ab. Bei un- und angelernten Arbeitskräften herr­schen etwas andere persönliche Bezüge zur Arbeitstätigkeit als zum Beispiel bei Facharbeitern in relativ qualifizierter und gesicherter Position. Dem Facharbeiter fällt es leichter, den Sinn seiner Arbeitstätigkeit mittelbar herzustellen als un- und angelernten Arbeitskräften, die mehr auf außerhalb der Arbeit liegende "kompensatorische" Bedürfnisbefriedigung verwiesen sind. Voraussetzung für das Zustandekommen produk­tiver Tätigkeiten und die gerichtete Erfüllung von Motiven und Bedürfnissen ist eine Arbeitstätigkeit, die nicht nur institutionell verankert, zertifiziert und hoch vergütet ist, sondern auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten dem Ar­beiter einiges abverlangt. Die qualifizierte Facharbeiter­tätigkeit genügt nun einmal noch am ehesten diesem Anspruch.3)

Soweit der Facharbeiter die sachlich notwendigen und sieb im Zuge technischen Wandels verändernden Produktionsanfor­derungen beherrscht und diese einigermaßen motiviert und be­dürfnisgerecht realisieren kann, könnten, sofern die Voraus­setzungen dazu geschaffen werden, die personellen und pro­duktiven Bezüge von Arbeitstätigkeit erweitert und qualita-

1) GALPERIN (1980), S. 194 23) Begriff von FREI (1979)

) In dieser Arbeit werden Probleme "beruflicher Qualifi­zierung" für die in der unmittelbaren Produktion beschäf­tigten Arbeitnehmer behandelt; in diesem Kontext ist die qualifizierte Facharbeiterausbildung die "höchste" Qualifi­zierungsform.

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tiv herausgebildet werden, sodaß die Arbeit zunehmend den Charakter einer selbständigen Tätigkeit erhält. Die isolier­te Arbeitshandlung wird zunehmend komplexer, indem in die sachlichen Ausführungsbedingungen soziale, arbeitsorganisa­torische, technikbezogene und arbeiteteilige Berührungsmo­mente "eingewoben" werden und diese einen übergeordneten gesellschaftlichen Sinnbezug erhalten. Der Arbeiter über­schreitet gewissermaßen dem ihm zugewiesenen Kompetenzbe­reich und beginnt die Mitbestimmung, -entscheidung und -kon­trolle des "gesamten" Produktionsprozesses zu fordern. Er erkennt sich zunehmend als gesellschaftliches Wesen und mit­verantwortlich für diese gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen nicht für seine eigenen Bedürfnisse, sondern für die "fremden" des Kapitals produziert wird. Sofern unselb­ständige Handlungen die Qualität selbständiger Tätigkeiten gewinnen, kann die Arbeitstätigkeit für den Lohnarbeiter nicht länger das "ganz andere" seiner Reproduktionstätig­keit sein. Der gesellschaftliche Zusammenhang von Produktion und Reproduktion wird zunehmend erkannt als von· den ökono­mischen Verhältnissen bestimmt und dahingehend, daß Veränder­ungen im Reproduktionsbereich solche im Produktionsbereich voraussetzen und umgekehrt. Der Sinn der Arbeitstätigkeit besteht nicht mehr in einer mehr oder weniger gleichgültigen Arbeitseinstellung oder einer idealisierenden Sinnbildung zur Arbeit, sondern beginnt die wirklichen übergreifenden Bezüge von Arbeitstätigkeit aktiv mit einzubeziehen wie die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Produkterzeugung, der Organisationsform der Arbeit, der Verwendungsform von Technik, der Qualifikationserzeugung etc. Daß es durchaus möglich ist, im Rahmen bestehender Gesellschaftsverhältnisse, übergrei­fende gesellschaftliche Sinnbezüge. zur Arbeit herzustellen, haben die Arbeiter bei LUCAS AEROSPACE bewiesen, die zum Beispiel einen "alternativen" Bus konstruierten und produzier­ten, der sowohl auf Schienen als auch auf Rädern fährt und somit variabel und umweltfreundlich eingesetzt werden kann. 1 ) Es versteht sich von selbst, daß, sind einmal übergreifende

1) Eine interessante Darstellung der Aktivitäten der Arbeit­nehmer von LUCAS AEROSPACE findet sich bei COOLEY ( 1980)

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Sinnbezüge zur Arbeit hergestellt, das Ausmaß der Aktivität und Initiative der Arbeiter ständig wächst und sich in ge­werkschaftlichem Engagement und vielfältigen Bildungs- und Weiterbildungsbestrebungen manifestiert.

Das Hauptproblem der Herausbildung selbständiger Tätigkeiten liegt nicht so sehr auf der Seite der Arbeitenden als viel­mehr in den Sozialstrukturellen Bedingungen und ihrem Pen­dant auf Seiten betrieblicher Herrschafts- und Organisations­strukturen. Eine "echte" Höherqualifizierung wird nicht da­rum herumkommen, die herrschenden Arbeitsteilungs- und Or­ganisationsformen ständig infrage zu stellen, um den mensch­lichen Tätigkeiten, Aktivitäten, Hoffnungen und Sehnsüchten jenen Aspekt des "Unvermögens" zu nehmen, der bisher eher zu resignativen und instrumentellen Arbeitsorientierungen

·geführt hat. Die italienischen Autoren REGINI und REYNERI haben diese beiden Seiten von Höherqualifizierung im Auge, wenn sie nach der Analyse des Zusammenhangs von "Akkord, Lohn.und Qualifikation" zu der Schlußfolgerung gelangen:

"Der Vorschlag, den wir nach dieser langen Analyse glau­ben vorbringen zu können, ist der einer politischen Linie, die die kapitalistische Organisation der Arbeit in ihren allgemeinen Prinzipien und differenzierten Anwendungen kontinuierlich in F§age stellt. Aus den Möglichkeiten der Veränderung in der rganisation der Arbeit muß sie eine Waffe korrekter ideologischer Ausrichtung und der Schaffung immer hoherer Grade von Bewußtsein und Organisation gegen die derzeitige kapitalistische Produktionsweise schmieden, ohne jedoch daran zu denken, von der Basis aus ein alterna­tives Modell zu erzwingen, das notwendigerweise utopisch oder immer noch innerhalb des kapitalistischen Verwertungs­prozesses sein müßte •••• Auf diese Weise müßte man ver­suchen, natürlich neben den Bemühungen um die Verbesserung der unmittelbaren Arbeitsbedingungen (was ein überaus wich­tiger Faktor ist, sofern er richtig in seiner Relativität, d.h. als provisorische und partielle Verbesserung gesehen wird, da er dann die Wirksamkeit des Kampfes beweist), im Bewußtsein der Arbeiter jenen Aspekt der Unvermeidlichkeit zu zerstören, den die Fabrik und ihre Organisation für den Arbeiter angenommen hat." 1) (Unterstreichung, R.V.)

Wenn es also gelingt, Qualifizierungsprozesse so anzulegen, daß sie die Problematisierung betrieblicher Herrschaftsver­hältnisse und nicht stillschweigend ihre sachliche Notwendig-

1) REGINI/REYNERI (1973), S. 155 und 156

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keit zur Voraussetzung haben 1 ), wenn weiter der Doppel­charakter der industriellen Arbeit, einerseits in kooperati­ver Form die Verfügungsgewalt des Menschen über die Natur zu erweitern, andererseits den Bedingungen privatkapitalistischer Produktion unterworfen zu sein, bewußt gemacht wird und die Notwendigkeit der Lösung dieses Widerspruchs zugunsten der objektiv notwendigen "Vergesellschaftung" gefordert wird, dann scheint es gelungen, die Voraussetzung dafür anzugeben, daß unselbständige, reaktive und passive Arb~itshandlungen in den Status selbständiger, aktiver, innovativer gesell­schaftskritischer Tätigkeiten "steigen" können, derer die Gesellschaft so dringend bedarf, und über die die menschliche Arbeitstätigkeit in der unmittelbaren Produktion den Makel verliert, den sie -leider - immer noch hat.

Gesellschaftliche Bedürfnisse könnten dann eher in geb~uchs­wertorientierter Weise erfüllt und produziert werden. Die gesellschaftliche Produktion verlöre ihr spontanes und unvor­hersehbares, alle "unsicher machendes 11 11 Stigma 11 krisenhafter Entwicklung, und über die Mitgestaltung und -planung gesell­schaftlicher Produktion durch die Produzenten zeichnete sich ein Ausmaß gesellschaftlicher Lebens- und Umweltkontrolle ab, das die Folgen menschlicher Tätigkeit vorhersehbar, bes­ser planbar, antizipierbar und gestaltbar macht.

1) Zur Kritik betriebssoziologischer Ansätze betrieblicher Herrschafts- und Organisationsstrukturen vgl. z.B. SCHUMM-GARLING (1972)

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4.4 Zusammenfassung

Die bürgerliche Sozialwissenschaft mit ihren der Gesell­schaft äußerlichen Rollen-, Sozialisations-, Schichten-, Positions- und Handlungskonzepten kann das Problem der dialek­tischen Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft nicht lösen. KÜHN zufolge, der in einer neueren Arbeit sozialwis­senschaftliche Rollen- und Sozialisationskonzepte in ihrer impliziten Funktion objektiver Systemerhaltung untersucht hat, stellt daher fest:

"Die Reduktion des gesellschaftlichen Wesens des Indivi­duums auf die Rollenhaftigkeit seines Verhaltens verkennt die Bedeutung der aktiven, bewußten und gesellschaftlichen Tätigkeit, speziell der Arbeit sowie seine Erkenntnismög­lichkeiten." 1)

Demgegenüber verspricht das materialistische Tätigkeitskon­zept die Integration von Subjekt und Objekt, indem es den Menschen als aktiven und grundsätzlich fähig zur Regulation der gesellschaftlichen Belange, und zur Selbstregulatio~ be­trachtet. Indem MARX zufolge der Mensch durch seine Bewegung

"auf die Natur außer ihm wirkt U.."ld sie verändert, verän­dert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit •••• Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließ­lich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die de­nen des .Webers ähneln, un~ eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Be­ginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war." 2)

Der Me·nsch ist als 11Einhei t" im System der gesellschaftlichen Verhältnisse und nicht außerhalb von Gesellschaft stehend zu begreifen. Er ist der reale Träger der gesellschaftlichen Verhältnisse, der aktive und "bewußte" Beziehungen zum ge­sellschaftlich Bedeutsamen realisiert. 3 ) Diesen Hintergrund reflektierende sozialwissenschaftliche Begriffe sind kri-

1~ KÜHN (1980), S. 177 2 MARX (1972), (MEW 23), S. 192 und 193 3 Vgl. hierzu etwa RUBINSTEIN (1962), S. 283

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tisch gegenüber der bürgerlichen Sozialwissenschaft und kri­tisch den gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüber. Der Qualifikationsbegriff kann sich daher nicht in seiner exak­ten, konkreten, quantifizierbaren, planbaren und prognosti­zierbaren Sachlichkeit erschöpfen, indem er lediglich reak­tiv von der stofflichen Seite des Produktionsprozesses abge­leitet ist und damit einen technizistiscben, objektivierten und verkürzten Ausschnitt menschlicher Tätigkeit zum Ausdruck bringt. Die horizontale Struktur von Arbeitstätigkeit aus­reichend berücksichtigend, sind es nicht nur sachliche und auf Operationen reduzierte Bezüge menschlicher Arbeitstätig­keit, sondern auch wesentliche produktive und personelle Bezüge, die die gerichtete Erfüllung von Motiven und gesell­schaftlichen Bedürfnissen und das Zustandekommen von produk­tiven Tätigkeiten erst gewährleisten. Ein sozialwissenschaft­

lieb fundierter Qualifikationsbegriff muß die Ganbbeitlich­keit menschlicher Tätigkeit hinsichtlich der Anforderung theorie- und gesellschaftskritischer sowie synthetischer Im­plikationen beinhalten. Er muß die Konstitutionsbedingungen von Strukturkomponenten der Tätigkeit, deren bierarebische Differenzierung sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Her­ausentwicklung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen binsichtlieb genetischer, antizipativer und zu­sammenfassender Anforderungen zum Gegenstand haben.

Qualifizierungsprozesse dürfen in diesem Sinn nicht länger als reine Informationsübertragungsprozesse organisiert wer­den, sondern müssen explizit darauf gerichtet sein, die "Des­integration" der Strukturkomponenten menschlieber Tätigkeit, und damit des menschlieben Bewußtseins, zu überwinden und· zum Aufbau qualitativ bestimmter persönlicher wie gesell­schaftlicher Motivstrukturen beizutragen. Die besondere Motivstruktur des Lohnarbeiters berücksichtigend, die in der Verfolgung gesellschaftlich überformter, versachlichter und entfremdeter materieller und sozialer Eigeninteressen besteht, muß Qualifizierung die "Verletzung" dieser Eigeninteressen voranzutreiben versuchen. Damit einhergehen muß die ständige Problematisierung gesellschaftlicher Formen der Herrschaftssicherung und Arbeitsteilung, wie sie sich in

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der betrieblichen Herrschaftsorganisation niederschlagen. Erst wenn der Mensch den Boden der "Vorgegebenheit" bewußt überschreitet und damit seine ihm "vorgegebenen" scheinbaren Eigeninteressen bewußt verletzt, kann er gesellschaftliche, progressive Interessen verfolgen und seinem Arbeitsinhalt einen persönlichen Sinn geben, der auf die kollektive Lebens­und. Umweltkontrolle gerichtet ist. Indem der Mensch seinen Arbeitshandlunge~ und -ergebnissen persönlich immer mehr ab­gewinnen kann und seine Handlungen als realisierende Fak­toren einer ganzheitlich bestimmten gesellschaftlichen, selb­ständigen Tätigkeit begreift, verändert er sich selbst in Richtung eines vergesellschafteten Wesens.

Das umfassende, ganzheitliche Ziel gesellschaftlicher Lebens­kontrolle und -vorsorge über die Herausbildung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen kann unter unver­änderten Sozialstrukturellen Gegebenheiten nicht erreicht werden. Qualifizierungsprozesse können aber zur Bewußtmachung der Ein- und Auswirkungen Sozialstruktureller Bedingungen auf die Existenzweise des Menschen beitragen. Soll der Arbeitende in der modernen Produktion seine "schöpferischen" Fähigkeiten entwickeln können, was zunehmend aus betrieblicher Sicht er­forderlich wird, so muß er zunächst wissen und begreifen, welche Mechanismen und Str~uren es sind, die seine schöpfe­rische Initiative bisher verhindert haben. Weil die herkömm­liche Didaktik und Methode von Qualifizierungsprozessen die Strukturen sozialer Ungleichheit und Herrschaftssicherung in der Form spezifischer Kompetenzscbneidungen im wesentlichen reproduziert, müßten nicht nur veränderte Lebrinhalte, son­dern auch neue didaktische Methoden, im Sinne eines neuen Lehrer-Schüler-Verhältnisses, zur Diskussion gestellt und verwirkliebt werden. Unter dieser Voraussetzung können ganz­heitliebe Qualifizierungsprozesse der Anstoß dazu sein, daß Arbeiter ihre "gelernte Hilflosigkeit" überwinden lernen, und schrittweise ihre Ausgeschlossenheit von den Bedingungen der materiellen wie immateriellen Produktion als Fessel ihrer eigenen Entwicklung begreifen, und so immer weitere gesell­schaftliche Lebensbereiche unter immer umfassenderer kollek­tiver und kooperativer Lebenstätigkeit in ihre "Gewalt" brin­gen.

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5. PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN DES SOZIALWISSENSCHAFTLICH BE­GRÜNDETEN QUALIFIKATIONSBEGRIFFS UND PERSPEKTIVEN FÜR DIE FORSCHUNG

5.1 HdA- Qualifizierung in kritischer Evaluierung und pro­gressiver Dynamik

Zu Beginn dieser Arbeit 1 ) ist HdA- Qualifizierung als Maß­nahme charakterisiert worden, die über bloße Kompensation der Mängel bisheriger Anlernqualifikationen die Implementation von Ausbildung verhindert.

In diesem Abschnitt soll vor dem Hintergrund sozialwissen­schaftlicher Anforderungen an "Qualifikation" und "Qualifi­zierung" r..och einmal gezeigt werden, daß HdA- Qualifizierung die Vermittlung genau bezeichneter produkt- und produktions­prozeßbezogener technisch-fachlicher Qualifikationen meint,

die nur in seltenen Fällen auch soziale und mehr tätigkeits­bezogene Qualifikationen zum Gegenstand hat. Ganzheitliche Bezüge von Arbeitstätigkeit spielen schon bei der Formulie­rung der Qualifizierungsziele keine Rolle. "Großartige" Er­folge bleiben aus. Werden die zu qualifizierenden Arbeits­kräfte in der Regel vom Werkstattführungspersonal unter spe­zifischen - auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit und Anti­zipation von Lernbereitschaft und -fähigkeit gerichteten -Selektionskriterien ausgewählt, scheitert die Zuendeführung begonnener Qualifizierungsmaßnahmen selbst noch am mangelnden Durchhaltevermögen der Betroffenen, sowie am Widerstand des Werkstattführungspersonals, das sich durch Ausweitung des Dispositionsspielraums der Arbeitenden in seinen eigenen Kom­petenzen geschnitten sieht.

Die direkt aus objektiven Produktionsanforderungen abgelei­teten Ziel- und Stoffkriterien von HdA- Qualifizierungsmaß­nahmen erfüllen schwerlich Anforderungen einer "arbeitnehmer­gerechten" Qualifizierung, wenn nicht vorab Fragen nach dem In­halt, der Struktur und der Verlaufsqualität spezifischer Lahn­arbeitertätigkeit beantwortet werden. Die allenfalls hand­lungsstrukturanalytisch orientierten HdA- Qualifizierungen tragen der Sozialstrukturellen "Determiniertheit" mensch-

1) Vgl. Kapitel 1.3.2 dieser Arbeit

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lieber Handlungsausführung nur ungenügend Rechnung. Die im Vergleich zu herkömmlichen betriebsspezifischen Quali­fizierungsprozessen 1 ) stärkere Akzentuierung des mentalen Trainings 2), das auch die Vermittlung theoretischer, an die Handlungsausführung gebundener Grundlagenkenntnisse vor­sieht, stellt zwar bei der HdA- Qualifizierung die Entwick­lung der kognitiven Regulationsgrundlagen in den Vordergrund, bewegt sich aber immer noch auf der Ebene der eigentlichen Handlungsausführung. Neuere psycheregulativ akzentuierte Trainingsformen 3 ) mit alternierendem observativem, mentalen und motorischen Training ermöglichen bei entsprechender Ar­beitsstrukturierung (ehemalige Fließbandarbeiter montieren in teilautonomen Arbeitsgruppen einen vollständigen Motor) die gedankliche Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit sowie die Erhöhung von Planungsfähigkeit und Antizipations­weite 4); sie beinhalten damit ihrer Potenz nach durchaus Momente ganzheitlicher Tätigkeiten. Weil diese aber als ei­genständige Aspekte in den Qualifizierungskonzepten nicht vor­kommen, ist die Herausbildung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen dem Zufall und dem individuellen Vermögen des Arbeiters überlassen. Die Entwicklung effizienter Haridlungsstrategien, die über die Arbeit in Gruppen ein wich­tiges Anregungspotential erfährt, ist auf das Erkennen und Nutzen der in der Arbeitsstruktur objektiv vorhandenen Frei­heitsgrade hin orientiert, auf die Ausführungsregulation bei verschiedenen gleich effizienten Vorgehensweisen, nicht aber

1) Betriebsspezifische Qualifizierungsprozesse bestehen aus einer Kombination motorischen und observativen Trainings meist in der Form des "learning on the job" und sind auf das bloße Erlernen sensumotorischer bzw. psychomotorischer Fertigkeiten bezogen. Vgl. auch Abschnitt 1.2 dieser Ar­beit.

2~~ Vgl. z.B. TRIEBE (1980) Vgl. denselben und TRIEBE/WUNDEF~I (1976) Vgl. TRIEBE (1980), s. 98: "Zu Beginn der Beobachtungen war das Vorgehen zumeist durch ein teilebezogenes Arbeiten und schrittweises Komplettieren des Motors gekennzeichnet, wobei der Oberblick über den gesamten Montagevorgang und seine wechselseitigen Abhängigkeiten noch weitgehend fehlte. Die Strategien waren in dieser Anfangsphase durch die Auseinandersetzung mit einer Fülle neuer Aufmerksam­keits- und Gedächtnisanforderungen charakterisiert; das Bemühen, nichts Wichtiges zu vergessen, prägte die ge-

(Fortsetzung nächste Seite)

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auf die Entwicklung effizienter ganzheitlicher Tätigkeiten gerichtet. Die Frage nach der Antriebsregulation, also da­nach, inwieweit und inwiefern die generierten Handlungsstra­tegien für den Arbeitenden persönlich bedeutsam werden, bleibt ausgespart. Da motivationale und bedürfnisbezogene Bestim­mungen für die Arbeitenden im Qualifizierungskonzept nicht mitgedacht sind, und Qualifizierung nicht auch Bezug da-rauf nimmt, ist es eher unwahrscheinlich, daß die Arbeiten­den über den konkreten Arbeitsbereich binausgehende Pla­nungsfähigkeit und Antizipationsweite entwickeln werden. Das Qualifizierungsziel der Herausbildung effizienter Hand­lungsstrategien orientiert sich "nach unten" auf die "Auto­matisierun~" oparationaler Handlungsbedingungen und läßt ge­rade die Orientierung "nach oben", der Herausentwicklung selbständiger Tätigkeiten, vermissen. Indem nur innerhalb der vorgegebenen Arbeitsstrukturen Handlungsstrategien ge­neriert werden "dürfen", die streng auf die Handlungsbedin­gungen und -resultate bezogen sind, bleibt der Arbeiter im eigentlichen weiter als Objekt in der Produktion zurück und wird scheinbar darauf "abgerichtet", sich optimal der ver­änderten Arbeitsstruktur anzupassen. Das bißeben Entscbei­dungsspielraum, das er erhält, ist insgesamt von geringer Be­deutung und könnte "von oben" sowieso nicht vernünftig ge­fällt werden. 1) Unter Bedingungen offenbar objektiver Funk-

••• wählte Vorgebensweise. In späteren Phasen wurde dann die Ökonomie der Mittel und Wege ein wichtiges, die Stra­tegien charakterisierendes Merkmal. Verschiedenste Teile wurden zum Beispiel alle zunächst aufgelegt und geheftet, weil es daraufhin möglich war, sämtliche zugehörigen Schrauben unter Verwendung ein- und desselben Schrauber­Einsatzes anzuziehen. Werkzeug wurde überdies nach Gebrauch nicht mehr, wie früher häufig, einfach weggelegt, sondern gezielt für seine spätere Verwendung schon an einen be­stimmten Platz gelegt. Die geschilderte Entwicklung macht u. E. deutlich, daß die Strategien anfangs aus einer Orientierung am Arbeits-Ergebnis (Produkt) resultierten, während später zunehmend der Arbeits-Aufwand - bzw. das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag- bedeutsam wurde."

1) Nach VOLPERT (1979), S. 40, der hinzufügt: 11:Cie Diskussion um solche Vorhaben und auch ihr Scheitern bat aber ge­zeigt, daß sinnvolle und durchaus realisierbare Forder­ungen gestellt werden können."

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tionalisierung von Qualifizierungsprozessen als Mittel zum Zweck effizienter und damit kostengünstiger Handlungsaus­fübrung, verliert HdA- Qualifizierung die in sie gesetzten Hoffnungen und kann deshalb zusammen mit betriebsspezifischen Qualifizierungsmaßnahmen als "unternehmerische Strategie" betrachtet werden, die Ausbildung verhindert.

Unter einem günstigeren Vorzeichen steht das FEINER Hand­lungsforschungsprojekt von FRICKE. Dieses zweifellos "quali­tativste" HdA- Qualifizierungsprojekt geht entschieden über die bloße Vermittlung von fachlieben Qualifikationen binaus. 1 ) Forschungsstrategisches Ziel ist die Ermittlung sozialer Be­dingungen und Voraussetzungen der Entfaltung und Anwendung "innovatorischer Qualifikationen" als "soziale Handlungs­fähigkeit". 2 ) Die Elemente individueller und kollektiver "innovatorischer Qualifikationen" werden in Kritikfähigkeit, Kritikwilligkeit, Selbstkritik, Kompromißbereitscbaft, Be­teiligung, Toleranz, strategisches Denken und Handeln etc. gesehen. 3) Indem damit Problembereiche betriebsspezifischen Macbtungleicbgewichts, der Taylorisierung der Arbeit und re­striktive Bedingungen des Akkordsystems bearbeitet werden sollen 4>, erfüllt dieses Konzept seinem Ansatz nach durch­aus wesentliche Aspekte der Herausbildung selbständiger Tä­tigkeiten aus unselbständigen HandlUngen~ Einschränkend ist jedoch anzumerken, daß der ~satz FRICKE's die Bedingungen und Voraussetzungen gesellschaftlicher Arbeitsteilung und sozialer Ungleichheit in den Fähigkeitsstrukturen der Ar­beitenden zu wenig problematisiert und eigentlich mehr ver­spricht als er wirklich halten kann. Es ist aber auch frag­lich, ob im Rahmen eines staatlich finanzierten HdA- Pro­jekts subjektive und objektive Vergesellschaftungsmomente überhaupt zur Diskussion gestellt werden können, ohne sich

1) Die der SPD nahestehende FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG, unter deren Schirmherrschaft die Durchführung des Projekts stand, dürfte dabei in Zusammenbang mit dem HdA-Programm der sozialliberalen Koalition sowie den bundeseigenen SALZ­GITTER-WERKEN eine nicht unwesentliche Voraussetzung für den "Modell- und Vorzeigecbarakter" des PEINER Handlungs­forschungsprojekts darstellen.

2~~ Vgl. FRICKE/FRICKE/STIEGLER (1979) Vgl. Dies., s. 318 Vgl. Dies., S. 319

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gleich mit ungerechtfertigter- Vorwürfen der Verfassungsfeind­lichkeit konfrontiert zu sehen und die Durchführung des Pro­jekts zu gefährden.

Die Neu- und Seltenheit von Handlungsforschungsprojekten und dem Beteiligungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland 1 ) hat beim FEINER Forschungsprojekt, wie FRICKE/FRICKE selbst nahelegen 2), zu einer Überbewertung spezifischer Interessen­vertretungsstrukturen geführt und als Folge davon, wie ich meine, zur Vernachlässigung der kritischen Diskussion über die eigentlichen Inhalte und Ergebnisse. Da nur 47 un- und angelernte Arbeitskräfte in die Projektdurchführung einbe­zogen waren 3), und Übertragungen des Modells bisher nicht stattgefunden haben 4), sollte dem verhältnismäßig großem Echo, das das Projekt in Funk und Presse gefunden hat, eine mehr kritische Einschätzung der Ergebnisse und der Forschungs­konzeption folgen.

Es wurden 22 Maschinenarbeiter zu Werkzeugweclislern "höher­qualifiziert" und um eine Lohngruppe höher eingestuft. Ein Modell der "Förderung und Durchführung betrieblicher Bildungs­maßnahmen" 5 ) wurde in einer Betriebsvereinbarung festge­schrieben mit dem Ziel, die Arbeitnehmer zur Arbeit in den Projektgruppen zu befähigen, sowie die Voraussetzungen be­reitzustellen, die die Arbeitnehmer

"zur Erhaltung und Erweiterung vorhandener Kenntnisse und Fähigkeiten am Arbeitsplatz oder zur Umschulung im Rahmen von Vereinbarungen zur Sicherung des Arbeitsplatzes bei Rationalisierungsmaßnahmen benötigen." 6)

21) Vgl. FRICKE/FRICKE, u.a. (1980), S. 7 ) Vgl. Dies., s. 111: "Die Darstellung der Ergebnisse des

Feiner Beteiligungsmodells, seines Entstehungs- und Pro-blemzusammenhangs, seiner möglichen Perspektiven und der Mindestvoraussetzungen für seine generelle Anwendung wür­den mißverstanden, wenn der Eindruck entstünde, als wären mit der Durchführung des Modellversuchs bereits Probleme gelöst worden oder als wären wir dieser Auffassung. Der Modellversuch in Peine hat vielmehr Pilot-charakter ge­habt. Er weist eher auf Probleme und offene Fragen hin und zeigt allenfalls Richtungen möglicher Lösungen, als daß er selbst schon die erforderlichen Lösungen bereit­hielte. Die Weiterentwicklung und Übertragung des Betei­ligungsverfahrens muß in der betrieblichen Praxis gesche­hen; sie kann nicht am grünen Tisch geschehen."

43) Vgl. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG (1979), S. 2 ) Ein Verfahren "beteiligungsorientierter Weiterbildung

von Führungskräften des mittleren Managements" soll noch entwickelt werden. Vgl. FRICKE/FRICKE, u.a. (1979), S. 319

5) Vgl. FRICKE/FRICKE, u.a. (1980), S. 117-120 6) Vgl. Dies., s. 22

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Die FEINER AG fällt weder unter die Montan-Mitbestimmung noch unter das Mitbestimmungsgesetz von 1976, weil zum Stich­tag weniger als 2000 Personen beschäftigt waren. Die insti­tutionelle und arbeitsrechtliche Verankerung beteiligungs­und bildungsrechtlicher Ansprüche stellt unter diesen Bedin­gungen einen nicht zu unterschätzenden Erfolg dar. Ver­glichen mit den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, dem niedersächsischen Bildungsurlaubgesetz oder verschie­denen Tarifverträgen über Bildungsurlaub sind jedoch keine darüber hinausgehenden substanziellen Momente durchgesetzt worden. 1 ) Berücksichtigt man die Schwierigkeit und Schwer­fälligkeit der Ausschöpfung betrieblich institutionalisierter Rechte, genießt das FEINER Beteiligungsverfahren mit der Ver­bindung repräsentativer und direkter Formen der Interessen­vertretung sowie den materiellen und sozialen Resultaten "Modellcharakter" und kann sich in der "trüben" Landschaft anderer HdA- Qualifizierungsprojekte durchaus "sehen lassen".

Das FEINER Beteiligungsverfahren ist ein Anstoß,_ ein insti ... tutioneller Rahmen, von dem aus die Gestaltung und Veränder­ung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitenden eher ent­wickelt und durchgesetzt werden könnte, weil Mißerfolgs­orientierungen abgebaut und erste "Erfolge" sichtbar gewor­den sind. Soll die Kontrolle der Arbeitsorganisation durch . . die Arbeitenden im Mittelpunkt der weiteren Aktivitäten ste-hen, dann reicht ein FEINER-Modell hierfür nicht aus. Es muß die Kritik sozialstruktureller Bedingungen und Gegebenheiten

1) Es wurden zwei Betriebsvereinbarungen geschlossen, wo­bei die erste 1976 unabhängig vom Forschungsprojekt ent­standen ist und im wesentlichen Bestimmungen nach § 90 und 91 BetrVG beinhaltet; die dabei über das BetrVG hinausgehenden Bestimmungen betreffen die Bildung eines paritätisch besetzten Ausschusses, der für die Durch­führung des Forschungsprojekts eine erhebliche Bedeutung hatte. Fehlen im BetrVG Regelungen zur kollektiven Wahrnehmung von Individualrechten ganz, hat die zweite Betriebsver­einbarung zur "Mitwirkung der Beschäftigten bei der Ver­änderung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsum­gebung" vom 1.7.1979, die aus dem Forschungsprojekt ent­standen ist, die institutionelle Voraussetzung dafür ge­schaffen, daß zugestandene Rechte überhaupt mit Erfolg in Anspruch genommen und durchgesetzt werden können. Vgl. FRICKE/FRICKE, u.a. (1980), S. 114-116 sowie S. 117-120 und s. 22 ff.

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zur Erzeugung einer "Gegenkultur" bei den Arbeitenden füh­ren, die statt Konkurrenz Egalisierung, statt Selektion Solidarität verspricht. Solange allerdings Qualifizierungs­und Beteiligungskonzeptionen den übergreifenden Zusammen-hang zwischen Arbeit und Gesellschaft in ihren progressiven Bestimmungen nicht auch zum Gegenstand machen und unter­streichen, daß erreichte Verbesserungen täglich neu erkämpft werden müssen, ist die Gefahr groß, daß anfangs begeisterte und aktivierte Arbeitnehmer nach den "Tagen der Initiative" sehr bald wieder in den "alten Trott" verfallen oder vor den großen Schwierigkeiten weiterer Verbesserungen resignieren.

"Arbeitnehmergerechte" Qualifizierung kann nicht nur die Qualifizierung zur Ausschöpfung bestehender arbeitsrechtlicher Spielräume sein - wie wichtig dies auch ist -, sondern muß es den Arbeitenden ermöglichen, Gegebenes ständig infrage zu stellen und Möglichkeiten der kollektiven Veränderung zu antizipieren.

Erst wenn die einzelnen Arbeitshandlungen ihren Sinn durch die Tätigkeit erhalten, in die sie einbezogen sind, und die Tätigkeit neben sachlich-gegenständlichen auch sozial-kommuni­kative Formen gleichermaßen beinhaltet, scheint es möglich, bewußtes, gesellschaftskritisches Handeln zu erzeugen, das sich an gesellschaftlich bedeutsamen Zielstellungen orien­tiert, gesellschaftliche Motiviertheit des Handelns aus-prägt und die kollektive und kooperative Bereitschaft und Fähigkeit zum Handeln festigt.

In Anbetracht der ernüchternden Ergebnisse und inhaltlichen Orientierung bisheriger HdA- Qualifizierungsmaßnahmen stellt sich die Frage,. ob solche Kriterien wie Eigenständigkeit in der Handlungsorientierung, Handlungsausführung und -kontrolle, bewußte Reflexion über gesellschaftliche Ziele'· Strategien und Folgen, Stabilität gerichteter dynamischer Handlungs­antriebe (Motivation) etc. nicht eher über Maßnahmen der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit zu erreichen wären.

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5.2 Qualifikatorische Anforderungen, berufliche Bildung und gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Die Facharbeiterqualifizierung steht grundsätzlich unter denselben Sozialstrukturellen Bedingungen privatkapitalis­tischer Produktionsweise wie darunter liegende Qualifizie­rungsformen. Auch sie hat die ganzheitliche Betrachtung des Menschen und die Herausbildung selbständiger Tätigkeiten nicht zum Ziel. Trotz ihres relativ hohen Niveaus allgemei­ner und beruflicher Kenntnisse, fehlt ihr der Anspruch einer Qualifikationsbetrachtung,

"die den Menschen als ganzheitliches Wesen mit körperlichen, seelischen und geistigen Empfindungen und Wirkungsmöglich­keiten ansieht und ernst nimmt." 1)

Die Zersplitterung der Ausbildungsberufe, die Trennung zwi­schen Industrie und Handwerk sowie der zwischen Facharbei­tern und Angelernten 2), ist das typische Resultat soziale Ungleichheit widerspiegelnder ungleicher Bildungschancen und herrschaftsbezogener Teilung der Arbeit. Die inzwischen hoch­spezialisierten Facharbeiterqualifikationen unterliegen ähn­lichen Kompetenzschranken stark abgegrenzter und parzellier­ter Handlungsbereiche wie die Angelerntentätigkeiten. Die stark horizontal und vertikal differenzierten Arbeitstei­lungsstrukturen geraten jedo.ch zunehmend in Widerspruch zur sich im Zuge der Mechanisierung und Automatisierung entwik­kelnden Angleichung beruflicher Tätigkeitsmerkmale. Vor die­sem Hintergrund hat man offensichtlich BECK/BRATER zufolge keine andere Wahl, als die

"traditionelle Berufsgliederung des Bildungssystems zu durchbrechen und neue, die bestehende Berufsteilung über­greifende Bildungsgänge zu etablieren, zusätzliche Über­gangsmöglichkeiten zwischen getrennten Ausbildungswegen zu schaffen, Weiterbildungsmöglichkeiten - auch über tra­ditionelle Berufs~renzen hinweg - systematisch auszubauen usw. Eine solche berufsunspezifische' Or~anisation des Bildungssystems hieße keineswegs größere Praxisferne', sondern könnte jetzt erst im Gegenteil darauf angelegt sein, jedem Absolventen wirklich diejenigen konkreten Fähigkeiten zu vermitteln, die er zur Bewältigung konkreter Lebenssituationen - im Arbeitsleben ebenso wie in Familie, Politik und Freizeit- tatsächlich braucht." 3) (Unter­streichung, R.V.)

21) BIRKWALD (1980), S. 34 ) Vgl. IG METALL (1979), S. 142 und S. 137 ff.

3) BECK/BRATER (1977), Band II, S. 111

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Die Forderung BECK/BRATER's nach der Einrichtung übergeord­neter Ausbildungsgänge ist sicherlich eine notwendige struk­turelle Voraussetzung für die Entwicklung entspezialisierter und mehr allgemeiner Berufsbilder. Inwieweit sich diese aber in mehr "ganzheitlichen" Tätigkeiten im Betrieb realisieren lass.en, bleibt dahingestellt, solange die inneren und äußeren Beziehungen zwischen gesellschaftlichen Arbeitsteilungsstruk­turen und Machtverhältnissen zur Herausbildung selbständiger Tätigkeiten nicht hergestellt werden. Strukturveränderungen innerhalb der Berufsgliederung des Bildungssystems allein sind nicht geeignet, einschneidende Veränderungen der Ver­wendung von Qualifikation im Betrieb zu induzieren. Dazu müßte das zwar allgemeinere, aber nach wie vor auf Anfor­derungen des unmittelbaren Produktionsprozesses bezogene Qualifizierungsniveau zusätzlich um solche Momente erwei­tert werden,

11 die zur Erhaltung, Weiterentwicklung und der Tauschfähig­keit des Arbeitsvermögens nötig sind, außerdem die Fähig­keit zum Erkennen, Artikulieren und Durchsetzen eigener und kollektiver Interessen im betrieblichen und außerbe­trieblichen Bereich." 1)

Erste Versuche zur Vereinheitlichung stark spezialisierter Ausbildungsberufe kommen seit Oktober 1976 in der zwischen der IG Metall und Gesamtmetall öffentlich gewordenen Kontro­verse über die Neuordnung der industriellen Metallberufe zum Ausdruck. 2 ) Die von beiden Seiten unterschriebene "Not­wendigkeit einer quantitativen und qualitativen Ausweitung beruflicher Grundbildung" 3) verweist auf gestiegene und ver­änderte Anforderungen der Produktion und auf der anderen Seite auf damit in Verbindung stehende Forderungen der Ge­werkschaften nach Flexibilität und Weiterentwicklung ge­währleistenden allgemeinen fachlichen Grundausbildungen. Die Gefahr dieser Entwicklung besteht in der zunehmenden Verallgemeinerung und "Abstraktmachung" beruflicher Tätig­keiten und einer zunehmenden Entfremdung der so Ausgebil­deten von der Ausübung gesellschaftlich sinnvoller Tätig­keiten. Wie Erfahrungen aus dem öffentlichen Dienst gezeigt haben, folgen Rationalisierungsmaßnahmen in ihren Auswir-

21) IG METALL (1979), S. 140 ) Vgl. die Eckdaten zur Neuordnung der industriellen Metall­

berufe, sowie das Gesprächsergebnis vom 5. Sept. 1978 in: IG METALL (1979), S. 148-155

3) IG METALL (1979), S. 142

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kungen der Hierarchie der Arbeitskräftegruppen: Während zu­erst die Arbeiter, insbesondere die un- und angelerten, von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen sind, folgen dann die Facharbeiter und Angestellten und schließlich die führenden Positionen. 1 ) Die mit Rationalisierungsmaßnahmen einher­gehenden Tendenzen der Entfacblichung, Objektivierung und Flexibilisierung könnten auf die bisher hoch spezialisierten Facharbeitertätigkeiten durchschlagen und das Gegenteil des­sen bewirken, was mit der Neuordnung der Metallberufe ei­gentlich in~endiert ist. Das Verhandlungsergebnis vom 5. September 1978, das in jahrelangen, zähen Auseinandersetzungen der IG Metall mit Gesamtmetall unter Beibehaltung wesentlicher gewerkschaftlicher Positionen "errungen" werden konnte, ent­hält zwar wesentliche Forderungen nach Flexibilität, Erhal­tung und Erweiterung der neu zu schaffenden Facharbeitertä­tigkeiten; zu wenig - wenn überhaupt - wird jedoch die zu­nehmende Tauschfähigkeit der Arbeitskraft als Gefahr zu­nehmender Entfremdung und persönlichen Sinnverlustes thema­tisiert. Darüber binaus fehlt eine Problematisierung sozio­struktureller Bedingungen und Gegebenheiten, etwa die For­derung nach Aufhebung der Arbeitsteilung, Beseitigung der Hierarchie, Beseitigung der Geb~lts- und Statusdifferenzier­ungen bin ~ur Selbstbestimmung, Selbststeuerung und Selbst­kontrolle.durcb die Arbeitenden. Ein Blick auf die Forder­ungen der großen französischen Gewerkschaften - insbesondere der sozialistischen CFDT -, die in Auseinandersetzung mit

· der Form der Herrschaft im Betrieb das Konzept der "Auto­gestion" (d.b. Selbstbestimmung, Selbststeuerung, Selbstkon­trolle) entwickelt haben, könnte hier hilfreich sein. 2)

1) Vgl. BRIEFS (1980), s. 365; er macht darauf aufmerksam, daß in amerikanischen Unternehmen, die in organisatorischer Hinsiebt im allgemeinen die Vorreiterrolle ftir die BRD einnehmen, die ehemals relativ stark ausgeprägte fach­liche Komponente der Tätigkeit von "Fübrungskräften" im Zuge der reellen Subsumtion der Arbeitskraft unter das abstrakte Herrschafts- und Verwertungsinteresse des Kapi­tals zunehmend aleminiert und die Tätigkeit entsprechend entfachlicht, objektiviert und flexibilisiert worden ist. Es ist nicht ausgeschlossen - und einige Momente deuten darauf bin -, daß auch die Facharbeitertätigkeiten eine ähnliche Entwicklung erfahren.

2) Nach BRIEFS (1980), S. 366

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A~ch das italienische Modell des Bildungsurla~bs, das mit dem S~hlagwort der "150 Stunden" Ende der 60er Jahre in die Diskussion gebracht worden ist, ·könnte bierzulande als Orientierung einer auf die Aufhebung der strukturellen Tren­nung von Hand- und Kopfarbeit gerichteten Kontrolle der Ar­beitsorganisation durch die Arbeitenden selbst betrachtet werden. 1 ) Eine nicht unwesentliche Komponente der Durch­setzung arbeitsinhaltlicher und qualifikatorischer Verbes­serungen ist die "Kampfbereitschaft" der Arbeitnehmer sowie der gewerkschaftliche Einfluß und dessen Durchsetzungsver­mögen. Das wird deutlich, wenn man die Beschäftigungsstruk­tur und das Qualifikationsniveau in montanmitbestimmten Un­ternehmen mit solchen vergleicht, die nicht unter dieses Ge­setz fallen. Die dabei dem BetrVG überlegene "qualifizierte Mitbestimmung" ermöglicht eine effizientere Interessendurch­setzung, was sich möglicherweise in der relativ hohen Fach­arbeiterquote sowie in einer quantitativ und qualitativ höheren Aus-, Fort- und Weiterbildung der entsprechenden Be­triebe widerspiegelt. Eine Untersuchung der HANS-BÖCKLER­STIFTUNG weist den Zusammenhang nach:

"In der Beschäftigungsstruktur wie auch in der Beschäfti­gungspolitik als Reaktion auf die Krise zeigen sich deut­liche Unterschiede der mitbestimmten Unternehmen im Ver­gleich zu der übrigen Industrie. Sie sind Ergebnis einer Personalpolitik, die die Interessen der arbeitenden Men­schen berücksichtigt •••• Aus- und Fortbildung sowie Nach­folgeplanung werden dennoch weit intensiver betrieben als in der übrigen Industrie." 2)

Auch das Montanmitbestimmungsgesetz sieht elementare, den Interessen der Arbeitnehmer entgegenkommende objektive Ein­griffs- und Kontrollmöglichkeiten der Produktion nicht vor. Die sich häufenden Angriffe auf die Mitbestimmung und die offensiebtliehe Mißachtung rechtlieber Bestimmungen von Sei­ten der Unternehmen erschweren die Durchsetzung arbei.tnehmer­gerecbter Interessen erheblich. 3) Desto dringlicher er-

1) Vgl. hierzu WEICK (1976) 2) HANS-BÖCKLER-STIFTUNG (1979), S. 17 3) Mitte 1969 waren von den ursprünglich 34 mitbestimmten,

unter das Montanmitbestimmungsgesetz fallenden Stahl­unternehmen nur noch 19 Unternehmen bzw. Konzerne vorhan­den. Vgl. HANS-BÖCKLER-STIFTUNG (1979), S. 15

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weist sich die Erhöhung der gewerkschaftlichen "Kampfkraft" ~d die vor allem auf arbeitsinhaltliche Aspekte bezogene Erweiterung ihrer Forderungen. Größere Erfolge werden sich jedoch erst dann abzeichnen, wenn es gelingt, die Mehrzahl der Arbeitenden auf die aktive und bewußte Gestaltung und Kontrolle des betrieblichen und gesellschaftlichen Geschehens zu verpflichten, und wenn dadurch auch die Gewerkschaften sich einer veränderten Strategie besinnen, die weniger in­tegrativ und "zaghaft", sondern eher progressiv und dynamisch ist.

Inwieweit über gewerkschaftliche Bildungsarbeit bei den Teil­nehmern übergreifende gesellschaftliche Bezüge ihrer Arbeits­tätigkeit herstellbar sind, und Engagement und Initiative für arbeitsinhaltliche Fragen freizusetzen ist, scheint vor

·dem Hintergrund der geringen Teilnehmerzahlen (nur etwa 1Q~ aller Berechtigten nehmen ihren Bildungsurlaub wahr) und dem strukturellen Untergewicht gewerkschaftlicher Bildungsmaß­nahmen zumindest für relevante Te.ile der Bevölkerung und un­ter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen mehr als fraglich. Dennoch ist die gewerkschaftliche Bildungsarbeit wahrscheinlich als einzige relevante, ins Gewicht fallende "Bildungsströmung" dazu in der Lage, dem Anspruch einer "ar­beitnehmergerechten" Qualifizierung in ihrer Ganzheitlich­kai t zu genügen. Entgegen de'n LENIN 'sehen Prinzipien der Herausbildung von Klassenbewußtsein reduziert sich gewerk­.schaftliche Bildungaarbei t nicht auf das "Hineintragen" der MARI'schen Theorie in das Bewußtsein der Arbeiter, sondern macht, von den konkreten Widerspruchstendenzen und Konflikten im Be~rieb ausgehend, diese als Komplemente gesellschaft­licher Widersprüche kapitalistischer Gesellschaftsordnungen begreif- und nachempfindbar. Es ist das Verdienst Oskar NEGT's mit dem Erfahrungsansatz "Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen" 1), jenes einseitig rationalis­tische Verständnis von Erkenntnis- und Bewußtseinsprozessen relativiert zu haben, das in ökonomistischer Verengung -unter Absehung von der konkreten Lebenstätigkeit der Indivi­duen - das Entstehen von Bewußtwerdungsprozessen als Reiz

1) Vgl. z.B. NEGT (1971) und NEGT/KLUGE (1972)

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auf vorgegebene abstrakte marxistisch-leninistische Ideolo­geme zu entwickeln glaubt. 1 ) Das NEGT'sche Konzept des "Lernens in Erfahrungsprozessen" meint die Aneignung mittel­barer Erfahrungen nur dann, wenn diese für die Arbeitenden praktische Bedeutung erlangen. Diese ist umso größer, je höher die unmittelbaren Erfahrungen der Arbeitenden schon sind. NEGT macht damit, zumindest in Ansätzen, die Kategorie des "persönlichen Sinns" bei LEONTJEW, sowie die GALPERIN' sehe Theorie der etappenweisen Ausbildung geidtiger Hand­lungen und Operationen, zum Gegenstand seiner Überlegungen. Indem er wie LEONTJE~ und beispielsweise auch BECK/BRATER, von der Widersprüchlichkeit des menschlichen Bewußtseins ausgeht, das zwischen Gebrauchs- und Tauschwert "hin- und hergerissen' ist, und in diesem Widerspruchsverhältnis die reale Grundlage der Möglichkeit der Entstehung von Bewußt­werdungsprozessen eingebettet sieht, kann er den ganzen Men­schen mit seinen Erfahrungen, Interessen, Emotionen, kollek­tiven Haltungen und Ideologien zum "Gegenstand" gewerkschaft­licher Bildungsarbeit machen. Erst die Bestimmung konkreter Widerspruchsformen, worin gesamtgesellschaftliche Wider­sprüche für den Arbeitenden erfahrbar werden können, bietet als Ausgangspunkt von Bildungsprozessen die Gewähr dafür, daß der Arbeiter nicht abstrakt vom Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit weiß, mit dem er für sich persönlich aber gar nichts anfangen kann. 2 ) Gewerkschaftliche Bildungsarbeit muß NEGT zufolge am unmittelbaren Erfahrungsbewußtsein an­knüpfen, die darin enthaltenen widersprüchlichen und kon­fliktträchtigen Momente zur Entfaltung bringen und sie in ihrer ursächlichen Entstehung auf Sozialstrukturelle Bedin­gungen und Voraussetzungen zurückzuführen.

Zwar weist NEGT auf die Wichtigkeit der "persönlichen Bedeu­tung" und der "Erfahrung" hin; es gelingt ihm aber nicht an­zugeben, "wie" diese Erfahrungen genau entstehen, und "wie"

1) Zur kontroversen Diskussion vgl. z.B. WERNER (1975) und NEGT (1978)

2) S·J hält NEGT seinen Kritikern entgegen: "Diese realen ~onfl~kterfahrungen in.B~ldungs~rozessen.vollständig zu ~gnor~eren, bedeutet n~cnts wen~ger als einen wesentlichen Teil des Realitätsbewußtseins der Arbeiter auszublenden und deshalb alles in seinen Verkehrungen so zu lassen wie es ist." NEGT (1978), S. 53

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daraus konkrete gesellschaftskritische Erkenntnis und Praxis werden kann. Dem erfahrungs~issenschaftlichen Ansatz liegt das tätigkeitsorientierte Herangehen nicht zugrunde, weshalb die Herausbildung selbständiger Tätigkeiten aus unselbstän­digen Handlungen als in der Entwicklung der Tätigkeit selbst begründet, nicht gesehen wird. Die Vielfalt der wechselsei­tig einander bedingenden Faktoren im System menschlicher Tä­tigkeit können nicht darauf bezogen werden, wie sie im Be­reich der Lebensbeziehungen und der Tätigkeit zu Wandlungen, Umorientierungen und schließlich zu "höheren" Entwicklungs­stadien der Tätigkeit führen. Arbeiterbildung erscheint bei NEGT- da ohne Tätigkeitsbegriff 1 )- unter dem Strich als abstrakte Bewußtseinsarbeit und hat w~nig Bezug auf den Inhalt, die Struktur und die Verlaufsqualitäten spezifischer Produ­zententätigkeit. "Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen" als Theorie der Emanzipation der Arbeiter begriffen (wie dies NEGT auch intendiert hatte), und nicht auch als eine didaktische und die praktische Bildungsarbeit betreffende "Anweisung", b-esitzt dieses Buch, 10 Jahre nach seinem Er­scheinen, auch heute noch unbestrittene Relevanz für die ge­werkschaftliche Bildungsarbeit. Schließlich hat NEGT selbst Modifikationen der Theorie vorgenommen, wie beispielsweise die stärke+e Betonung sozialpsychologischer Aspekte des Ar­beiters hinsichtlich der Ad~essatengerechtigkeit von Bil­dungsmaßnabmen. 2 )

Gewerkschaftliche Arbeiterbildung beinhaltet ihrer Potenz nach wesentliche Momente der Herausbildung selbständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handlungen. Wenn sie die "personale Bedeutung", die der Arbeiter in der Beziehung zwischen dem Ziel seiner Arbeitsbandlungen und·dem Motiv seiner Tätigkeit herstellt, berücksichtigt, und als "Erfah­rung" zum Gegenstandvon Erkenntnis macht, dann wird es möglich, daß unmittelbar auf den Produktionsprozeß bezogene

1) NEGT gebraucht den Begriff der "Erfahrung" im Sinne ei­ner "spezifiscbe(n) Produktions:form der V~rarbeitung von Realität und der aktiven Reaktion auf diese Realität" und s~richt damit schon das "Aktive" ("Tätige") an. NEGT (1978), S. 43

2) Vgl. NEGT (1978), S. 81

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Handlungskompetenzen in ihren umfassenden und übergreifenden Beziehungen um immer umfassendere Bereiche menschlicher Lebenstätigkeit erweitert werden. Die Entwicklung individuel­ler Motivstrukturen könnte dann in der Form von Tätigkeit gesellschaftskritische und -verändernde Handlungen realisie­ren.

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5.3 Implikationen für die Forschung

Die Frage nach dem Selbstverständis und der Relevanz sozial­wissenschaftlicher Forschung für die Praxis ist so alt wie diese Wissenschaft selbst. Betrachtet SCHELSKY die Aufgabe der Soziologie konservativ, nämlich

"sichtbar zu machen, was sowieso geschieht und was gar nicht zu ändern ist" 1),

und schreibt er ihr gar die Rolle einer 11 Schlüsselwissen­schaft11 unserer geschichtlichen Epoche zu 2 >, so fragt es sich, wie Sozialwissenschaft, die lediglich deskriptiv ver­fährt, zu solchem Ruhm gelangen kann. Nicht zu Unrecht stellt daher MATTHES auf dem 20. Deutschen Soziologentag erneut die Frage nach dem "tatsächlichen Tun von Soziologen" und den "beabsichtigten und unbeabsichtigten Wirkungen dieses Tuns. 113 ) Die von ihm betonte "Ernsthaftigkeit" 4 ) dieser Anfrage, .drängt sich dann auf, wenn dem normativen Anspruch der Sozio­logie, auch vorausschauende Humanplanung zu sein, die ge­sellschaftlich~ Praxis gegenübergestellt wird, die noch kei­neswegs "erhaben" ist über evidente Fehlleistungen und Miß­erfolge. Erwarten die Menschen gerade von den Sozialwissen­schaften Hilfe dafür, wie die Welt "wohnlich" einzurichten ist, wie man richtig handelt, worauf man hoffen und wie man sich zure?htfinden kann, wia man, Gewohnheiten folgend, nicht in ihre Gewalt gerät, und wie man sich in unerwarteten und extremen Situationen verhalten soll, so hat die Soziologie diesen Bedürfnissen bisher eher nicht entsprochen. Viele Forschungsergebnisse haben sich gegen den Menschen ausge­wirkt, gesellschaftlich nützliche Fragestellungen sind nicht immer.bearbeitet worden und relevante Ergebnisse lange Zeit unberücksichtigt geblieben. Viel Papier und Engagement wur-de auf und gegen die Begründung der These von der 11Wertfrei­heit" der Wissenschaften verwandt, bis sich - zumindest pro­grammatisch - die Einsicht durchgesetzt hatte, daß Wissen-

1) SCHELSKY (1959), S. 125/126, zit. nach: LEMPERT (1977 b), s. 309

2) Nach MATTHES, zit. in: DGS (1980), S. 59 3) Vgl. die Kurzfassung des Plenarvortrags von MATTHES auf

dem 20. Dt. Soziologentag "Soziologie: Schlüsselwissen­schaft des 20. Jahrhunderts?" in: DGS (1980), S. 59

4) Ders., S. 59

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schaft immer auch politisch ist. Die Soziologie ist das "Produkt" einer kapitalistisch organisierten Gesellschafts­struktur und damit deren spezifischen Formbestimmtheiten un­

terworfen. Sie kann daher nur insoweit Wissenschaft sein, wie sie sich der politischen Interessen besinnt, die sie -auch trotz aller gegenteiligen Beteuerungen - immer verfolgt. Nicht zuletzt auf dem 19. Deutschen Soziologentag wurde von BECK/BOLTE/BRATER explizit die Auffassung vertreten, daß die politische Dimension soziologischer Forschung "ausdrücklich herauszuarbeiten und darzustellen" 1 ) sei:

"Sozialwissenschaftliche Forschung und Theoriebildung sind stets - ob die Forscher dies sich immer eingestehen oder nicht - in erheblichem Maße politisch relevant. Ob diese objektive politische Bedeutung ihrer Arbeit von den Wissen­schaftlern als ärgerliches Hindernis oder als begrüßens­werter Praxisbezug empfunden wird - sie übt in jedem Fall auch direkt oder indirekt einen mehr oder weniger großen Einfluß auf diese Arbeit aus. Dennoch wird diese politische Bedeutung von Forschungsansätzen in der rein wissenschaft­lichen Diskussion häufig entweder ~ar nicht thematisiert oder eher implizit abgehandelt." 2 (Unterstreichung, R.V.)

Sofern die politische Dimension sozialwissenschaftlicher Forschung ernst genommen wird und Parteilichkeit meint, muß das Eintreten für die Interessen der abhängig Beschäftigten vom "Makel" minoritärer Herrschaftssicherung befreit und ex­plizit gegen spezifische Herrschaftsstrukturen gerichtet sein. Daß dies leichter gesagt ist, als getan, zeigen die Anfänge einer marxistischen Sozialwissenschaft, die, unter der strukturellen Dominanz des Kapitals, den Interessen der arbeitenden Menschen eher "äußerlich" und "abstrakt" ver­pflichtet war, als daß sie wirkliche Wege der Emanzipation gewiesen bat. Zu häufig konnte sie sich von den "Fesseln" des Alltagsbewußtseins nicht befreien und hat gesellschaft­liebe Zustände eher festgeschrieben als auf progressive dyna­mische Potenzen hingewiesen. Der bürgerlichen Sozialwissen­schaft kategorisch die Stirn bietend, haben materialistisch orientierte Ansätze das von dieser geleugnete Hauptprinzip, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, betont und in unterschiedlichen Richtungen ausgearbeitet und darüber ganz vergessen, in die Zukunft zu blicken. Auf diese Weise ent-

1) Vgl. BECK/BOLTE/BRATER (1979), S. 690 2) Dies., s. 689/690

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stand auch ein Begriff von "Technik", der eigentlich aus sich selbst begründet wurde und wesentliche Konstitutionsbedin­gungen technologischer Entwicklung nicht berücksichtigte. Das hatte zur Folge, daß Technik, die meist in Boom-Zeiten und daher relativ unwidersprochen von Seiten der Arbeitneh­mer, eingeführt wurde, immer erst nachträglich, quasi als "fertiges Ding", Problemgegenstand der Industriesoziologie geworden ist, wo es dann vor allem um die Feststellung der schlimmsten Auswüchse und die Möglichkeiten ihrer Beseiti­gung ging. Ist die Technologie aber einmal eingeführt, be­stehen nur geringe Chancen, eine Änderung ihrer Anwendungs­form zu erreichen. 1 ) Gesellschaftliche Probleme wurden . meist nicht prospektiv, im Sinne einer sozialwissenschaft­liehen "Theorie der Zukunft", behandelt, sondern immer erst im Nachhinein, wenn sie bereits eine "Schärfe" erreicht hat­ten, die gesellschaftliches Legitimationspotential infrage zu stellen drohten. In gewisser Weise hat auch die staat- . lieh geförderte Forschung zur "Humanisierung des Arbeitsle­bens" diesen "bitteren Beigeschmack'', wenn sie als Ersatz oder Kompens~tion für eine fehlende bzw. unzureichend in­haltlich bestimmte Humanisierungspolitik betrachtet wird. Die bloße Folgenbewältigung gesellschaftlicher Probleme durch ·unte~suchung ihrer Auswirkungen sowie vorwegnehmender Bewältigungsstrategien kennzeichnet eigentlich das Bemühen sozialwissenschaftlicher Forschung. Die tieferen Ursachen

·von Problemen werden meist nicht angegriffen, oder, sofern dies doch geschieht, derart in den Vordergrund gerückt, daß sie kaum praktische Relevanz beanspru~hen können. Beides führt dazu, daß gesellschaftliche Probleme wie "Krankheiten behandelt", und nicht wirklich gelöst werden. Während die einen fortwährend konstatieren, daß und warum die Gesellschaft "krank" ist, und daß grundlegende Verbesserungen lange auf sich· warten lassen, versuchen zwar die anderen, den ärgsten Auswirkungen objektiver Problemlagen mit "hohen" Konzepten zu begegnen, vergessen aber meist das Nachdenken über die realen Möglichkeiten ihrer Veränderungsvorschläge. Augen-

1) Vgl. SHAIKEN (1980), S. 209

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scheinlieh ist ein gewisses "Schweben über den Dingen", was die praktische Orientierung sehr erschwert und die gesell­schaftliche Nützlichkeit sozialwissenschaftlicher Forschung nicht unmittelbar ausweist. Wenn daher auch BERGER das Dilem­ma soziologischer Forschung in dem Auseinanderklaffen von abstrakter Theorie und konkreter Wirklichkeit begründet sieht 1), und "thematisches Bewußtsein" als integrierenden Leitbegriff einer emanzipatorisch gerichteten Sozialforschung empfiehlt 2), scheint er die Explikation eines gemeinsamen Dritten im Auge zu haben, was allein dazu in der Lage ist, die Kluft zwischen Subjekt und Objekt zu vermitteln.

"Im Gegensatz zur Entstehungsphase sozialistischer Theorien, die sich durch enge Bindung an Klassenkampfpraxis und Den­ken der proletarisierten Schichten auszeichnete, ist ihre gegenwärtige Lage in der BRD der eines Wasserkopfes mit schwachbrüstigem Körper und Kinderfäusten vergleichbar. Weder Begrifflichkeit noch leitende marxistische Theoreme knüpfen gegenwärtig an Erfahrungen der unterdrückten Klas­sen an, die Theorie bewegt sich in Randbezirken der bürger­lichen Öffentlichkeit und in intellektuellen Gegenkulturen. Damit der Marxismus nicht zur akademischen Lehrmeinung und zur theoretischen Orientierungskrücke eines linken Bildungs­bürgertums verkommt, muß er sich als organisierendes Ge­sellschaftsverständnis unterdrückter Klassen bewähren. Es geht, in den Worten von NEGT/KLUGE, vordri~glich darum, die Kategorien der Kritik der Politischen Ökonomie nach unten, zu den wirklichen Erfahrungen der Massen hin, zu öffnen." 3) ·

Die sozialwissenschaftliche Orientierung nach unten, zu den Menschen hin, erfordert - und darauf hat BERGER aufmerksam gemacht - den wirklichen, praktischen Menschen als Erkennt­nisgegenstand. Sozialwissenschaft, die sich an der praktischen Existenzweise des Menschen, in der Form seiner ganzheitlichen Tätigkeit orientiert, macht es möglich, die Frage nach ihrem Selbstverständnis und ihrer praktischen Relevanz, nicht im "Gestrüpp" unterschiedlicher Theorieansätze mühsam erst "her­ausklaubend", sondern "klar", "eindeutig" und mit gutem mora­lischen Gewissen, beantworten zu können. Hierzu bedarf es freilich noch ein gutes Stück Arbeit, und auch das Tätigkeits­konzept kann dabei nur ein Anfang oder eine Orientierungs-

1~ Wie vor ihm z.B. MILLS, vgl. S. 125 ff dieser Arbeit 2 Vgl. BERGER (1974) 3 BERGER (1974), S. 9/10

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grundlage sein.

Erforderlich für eine Integration und Vermittlung objekti­ver Bestimmtheiten und subjektiver Bestimmungen ist vor allem ein Ausmaß an Interdisziplinarität, das vor den Grenzen der eigenen Disziplin - aus welchen Gründen auch immer - nicht stehenbleibt. Gerade die Soziologie, die den Menschen tradi­tionell als "Objekt" von Gesellschaft begreift, könnte mit einer Psychologie, die bereits 'soziologisches Terrain betre­ten hat (wie es für die kulturhistorische, sowjetische Schule der Fall ist), in fruchtbaren Austausch treten, und ihr Kon­zept um subjektive Prämissen erweitern. Sie tut dies bereits vereinzelt bei der Erarbeitung praktischer Lösungsvorschläge im ·Verhältnis von Arbeit und Lernen. Sofern auch der Soziolo­gie daran gelegen ist, gesellschaftlich nützliche Ergebnisse und Strategien zu entwickeln, die explizit dem Interesse der arbeitenden Menschen verpflichtet sind, wird sie um die Ver­knüpfung verschiedener Ansätze nicht herumkommen. LEMPERT, der auf die Kl~t zwischen abstrakter Soziologie der Arbeit und konkreter Psychologie und Pädagogik des Lernens rekur­riert, hat zu ihrer Überwindung hierzulande m. W. als er­ster für eine stringente Verknüpfung unterschiedlicher rele­vanter. Ansätze plädiert und deren Notwendigkeit im Interesse der Verän~erung der Arbeitsbedingungen durch den Menschen gefordert.

"Angesichts der derzeit bei uns vorherrschenden Arbeits­verhältnisse erscheint es dringlich, die Lösung der skiz­zierteR Analyseprobleme rasch voranzutreiben, um jene Erkenntnisse zu gewinnen, die wir brauchen, um die Arbeit lernwirksamer zu organisieren und um über die Lernprozesse der Arbeitenden Veränderungsprozesse der Arbeitsorganisation in Gang zu setzen, die den Interessen der Mehrheit auch sonst besser entsprechen als die bisherigen Gegebenheiten." 1 )

Zwischen LEMPERT, LEU und FEUERSTEIN hat die Diskussion um die Einbeziehung interdisziplinärer ganzheitlicher Betrach­tungsweisen im Verhältnis von Arbeit und Lernen, Produktion und Qualifikation, bereits begonnen. Das Problem dabei scheint mir aber weniger darin zu liegen, verschiedene An­sätze "gewaltsam" zusammenzubringen, als vielmehr in dem

1) .LEMPERT (1979 a), S. 90

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"Unvermögen" der Erarbeitung einer allgemeinen sozialwissen­schaftliehen Theorie (wie sie etwa ausgehend vom Tätigkeits­konzept erarbeitet werden könnte), von der aus die Reich­weite und die Relevanz verschiedener Ansätze zu bestimmen wären. Solange nicht die wechselwirkenden Beziehungen zwi­schen dem übergreifenden Tätigkeitssystem (worin sämtliche Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Bedeutungen, Haltungen, Motive, Ziele etc. der bisherigen Menschengeschichte inkor­poriert sind) und individuellen Tätigkeitssystemen zur Vor­aussetzung einer Theorie von Arbeit und Lernen gemacht wer­den, gelingt es m. E. nicht, einzelne Bestandteile und Kom­ponenten menschlicher Lebenstätigkeit zu vermitteln und normative Bestimmungen qualifizierungsrelevanter Inhalte und Beziehungen anzugeben. Die momentane Entwicklung der Tech­nologie hat strukturelle Verschiebungen innerhalb des über­greifenden Tätigkeitssystems erforderlich gemacht und läßt die alte Arbeitsteilung, beispielsweise zwischen Elektro­niker (Software) und Maschinenbauer (Hardware), immer frag­licher erscheinen. Die starke Differenzierung der Arbeits­teilung, welche bisher "immense" Produktivitätsfortschritte hervorgebracht hat, schreibt zur weiteren Steigerung der Produktivität eine mehr ganzheitliche Zusammenfassung bis­her isolierter Arbeitstätigkeiten vor. Dieser Trend findet sich wieder auf der Ebene betrieblicher Leitungstätigkeit. tlber umfassende Computersysteme und damit zusammenhängender numerisch-gesteuerter Werkzeugmaschinen und Industrie-robo­ter vollzieht sich die beinahe "lückenlose" Kontrolle der Arbeitsbedingungen und -personen durch integrierte Manager­teams. 1 ) Interdisziplinarität wird zum objektiven Kriterium betrieblicher Rentabilität. Für den gelernten Werkzeug­macher und Gastwissenschaftler SHAIKEN sind die Veränderungen im gesellschaftlichen Tätigkeitssystem und deren Konsequen­zen für die Arbeiter eine "immense Herausforderung für die Arbeiterbewegung." 2 ) Wenn er für die strategische Orien­tierung der Arbeitenden und ihrer Gewerkschaften festhält, "daß die einzige effektive Kontrolle den Prozeß als Ganzen

1) Vgl. SHAIKEN (1980), S. 210 2) Ders., S. 210

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erfassen muß" 1), mit dem Ziel immer umfassender Disposi­tions-, Gestaltungs- und Kontrollmöglicbkeiten, dann macht dies ein Qualifikationsverständnis deutlich, das ganzheit­lich und synthetisch ist. Werden "Technik" und "Anforderun­gen" nicht als endogene "Entitäten" betrachtet, sondern tätigkeitsbezogen, als Resultat menschlieber Arbeitstätig­keit - integrierter "ganzheitlicher" Arbeitstätigkeit -, dann scheint es möglich, aufgrund eines tätigkeitsbezogenen "inneren Modells der Zukunft" auf der Ebene des Subjekts ein adäquates (inhaltlich normativ bestimmtes und auf die Zu­kunft gerichtetes) Abbild der Außenwelt zu erzeugen. Legt man den mehrjährigen Vorlauf technischer Entwicklung bis zu ihrer Implementation auf qualifikatoriscbe Anforderungen bin. um, dann können bereits vor dem Einsatz der neuen Tech­nologie die hierzu notwendigen Qualifikationen - Wissens­elemente (technische Fertigkeiten, theoretisches Tecbnik­Verstandnis etc.) und Bewußtwerdungsmomente (Kontrolle der Tecbnik-Implementation, Herausbildung s~lbständi,er Tätig­keit~n etc.) -·institutionell vereinbart werden~ Sozialwissen-

1) SHAIKEN (1980), S. 210 2) Obwohl SHAIKEN die effektive Kontrolle des ganzen Prozesses

durch die Arbeitenden selbst von der grundlegenden Ver­änderun~ der Gesellschaft abhängig erklärt, weist er da­rauf bin, daß Verhandlungsergebnisse .durchaus echte Ge­winne für die Arbeiter darstellen können. Weil solche Verhandlungsergebnisse in der BRD bisher nicht erzielt werden konnten, die norwegischen Gewerkschaften jedoch richtungsweisend in Fragen der Erhaltung der "job con­trol"(S. 211) sind,und in den Verhandlungsergebnissen einige wesentlichen Bestandteile der Herausbildung selb­ständiger Tätigkeiten aus unselbständigen Handl~en-Ee­rührt werden, w~rd a~e ±olgende Textstelle angef' rt: "IIll Jahre 1971 beauftragte die Gewerkschaft der Eisen­und Metallarbeiter das Norwegian Computing Center, eine Regierungsbebörde, mit der Untersuchung neuer computer­gestützter Tecbnologien. Aufgrund dieser Untersuchung er­kämpfte die Gewerkschaft formelle "Daten-Abkommen", in denen die Rolle der Gewerkschaften bei Technologie-Fra­gen und Entscheidungen umrissen wird. In der Praxis führ­te dies zur Einrichtung einer neuen gewerkschaftlichen Einrichtung, der "data sbop stewards". Diese Stewards überwachen die Einführung neuer Tecbnologien und versu­chen, diejenigen Faktoren zu erfassen, die die Macht der Arbeiter und ihrer Gewerkschaften untergraben. In einem Betrieb gelang es der Gewerkschaft, für die Arbeiter in

(Fortsetzung nächste Seite)

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schaftliehe Forschung müßte dann ebenfalls ihr noch tech­nizistisch "angehauchtes" Technik-Konzept aufgeben, und technische Entwicklung als Chance ganzheitlichen Qualifi­kationserwerbs interpretieren. Sollten dabei vor allem Be­wußtwerdungsmomente innerhalb sozial-kommunikativer Koopera­tionsformen bei den Arbeitenden, hinsichtlich des Begrei­fens ihrer Rolle und Stellung als gesellschaftliches Wesen im System der Tätigkeiten, herausgearbeitet werden und sich verwirklichen lassen, dann könnte "Technik" jene Vision ei­nes ORWELL'schen "1984" endgültig verlieren, die sie - durch­aus begründet - heute noch hat •

••• der Werkstatt Zugang zu dem computer-gestützten Pro­duktions- und Inventarsystem zu erkämpfen. In demselben Betrieb sind alle NC-Maschinenbediener als Programmierer ausgebildet worden und machen selbst die Korrekturen an den CNC-Maschinen. An den Erfahrungen der norwegischen Ge­werkschaften beeindrucken nicht so sehr die spezifischen Forderungen als vielmehr die Versuche, die Technologie für die Arbeiter zu entzaubern und sie für eine Einflußnahme auf die Richtung der technologischen Veränderungen zu mo­bilisieren. Die Erkenntnis, daß es für die Arbeiter wichtig ist, ~ produziert wird, kann nicht getrennt werden von den Ent­scheidungen darüber, ~ produziert wird. Durch die Ver­einheitlichung der Produktion auf der Ebene des Designs verweist die NO-Technologie auf die gesellschaftliche An­wendung der Produkte. Die Arbeiter bei Lucas Aerospace· in England haben diese Probleme schon angesprochen, indem sie das Recht, an gesellschaftlich nützlichen Produkten zu arbeiten, verknüpft haben mit einer Produktionsmethode, die Kontrolle und kreativen Anteil der Arbeiter maxi­miert." SHAIKEN (1980), S. 211

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AUSBLICK

Die erarbeiteten sozialwissenschaftlich fundierten Anfor­derungen an "Qualifikation" und "Qualifizierung" sind das Ergebnis vielfältiger Bemühungen der Systematisierung und Integration einer ganzen Reihe von Ansätzen, die - den Zu­sammenhang von Produktion und Qualifikation, Arbeit und Ler­nen und Arbeit 'lnd Persönlichkeitsentwicklung reflektierend -mehr oder weniger dezidiert und fundiert mit "Qualifikation" und "Qualifizierung" operieren.

Bei der zielorientierten Durcharbeit unterschiedlicher Theo­rien zeigte es sich, daß keine konkreten Vorstellungen da­rüber existieren, wie dem auf isolierte und atomisierte Kom­ponenten und objektivierbare Fertigkeiten, Fähigkeiten und Faktenkenntnisse reduzierten Verständnis von Qualifikation zu begegnen sei. Es stellte sich daher die grundsätzliche Frage, ob nicht das übergeordnete Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, Subjekt und Objekt bzw. in der Soziologie von Struktur und Handlung hinsichtlich einer adäquaten Ver­mittlung und.Integration der beiden "Pole" theoretisch neu zu überdenken ist.

Von sozialwissenschaftlicher Seite aus ist bereits die For­derung laut geworden, daß m~thodologische Regeln für die Ent­wicklung integrierter Ansätze und diesbezüglicher Begriffe sowie allgemeinere, Struktur- und Handlungsaspekt übergrei­fende Theorien erarbeitet werden müssen." 1 ) Gleichzeitig wird betont, daß die integrative Verbindung von Handlungs­und Strukturaspekt nur dann gelingen kann,

"wenn das verfügbare Wissen der Psychologie und besonders der Sozialpsychologie voll genutzt und mit den Übergrei­fenderen Strukturaspekten zusammengeschlossen wird." 2)

1) Vgl. beispielsweise LENK (1977), s. 167: "Geeignete methodelogische Regeln für die Entwicklung in­tegrierter Ansätze, für die Konzeption diesbezüglicher theoretischer Begriffe und den Struktur- sowie den Hand­lungsaspekt übergreifender theoretischer sozialwissen­schaftlicher Gesetze müssen freilich noch entwickelt wer­den. 11

2) LENK (1977), S. 161

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Vor dem Hintergrund des Ungenügens vorliegender sozialwissen­schaftlicher Ansätze, Handlungs- und Strukturaspekt adäquat miteinander zu verflechten, war es gerechtfertigt und erfor­derlich, die strukturtheoretisch-"abstrahierende" sowie die handlungstheoretisch-"psychologisierende" Einseitigkeit so­zialwissenschaftlicher Ansätze zu überwinden und ihre Enge zu überschreiten.

Das Tätigkeitskonzept der kulturhistorisch-sowjetischen Schu­le stellt einen ganzheitlich-dialektischen Integrationsver­such zwischen Individuum und Gesellschaft, bzw. Subjekt und Objekt dar, das es erlaubt, aufgrund seiner soziologischen Fundierung psychischer Komponenten, subjektive Bestimmungen mit objektiven Bestimmtheiten in adäquater Weise zu vermit­teln. Es bietet die Gewähr dafür, weder einer abstrakten Gesellschaftstheorie zu "huldigen" ( wie zum Beispiel LUH­MANN), noch in einen.methodischen Individualismus zu ver­fallen ( wie zum Beispiel PARSONS). Freilich kann das Tätig­keitskonzept, aufgrund der immensen Komplexität individuell­gesellschaftlicher Zusammenhänge, nur eine Orientierungs­grundlage sein, auf der sich die Tätigkeit der Menschen bes­ser verstehen und in qualitativer Hinsicht "organisieren" ließe.

Das tät~gkeitsorientierte Herangehen bei der Erarbeitung qualifikatorischer Anforderungen bot sich daher auch an, weil es nicht mit "bewußtseinsidealisierenden" Komponenten sozialen Handelns operiert, sondern von der praktischen Tä­tigkeit des Menschen ausgeht. Erst auf der Basis des Tätig­keitskonzeptes erhalten Begriffe der soziologischen Hand­lungstheorie wie Rolle, Position, Erwartung etc. eine reale Erklärungskraft.

Wenn es richtig ist, daß das gesellschaftliche System der Arbeitstätigkeit einen bedeutenden Einfluß auf den Menschen hat, dann muß konsequenterweise die Tätigkeit des Menschen zum Vermittlungsglied zwischen Subjekt und Objekt gemacht werden.

Erst dann scheint es möglich zu werden, die lange Zeit "ver-

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schütteten" menschlichen Qualitäten in ihren progressiven Bedürfnis- und Motivationsaspekten ans "Licht der Gesell­schaft zu holen" und ihnen ihre berechtigte und gesellschaft­lich auch mögliche Daseins- und Entfaltungsberechtigung nicht länger "streitig zu machen".

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