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Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Belastung sächsischer Lehrkräſte an Schulen Bericht zur Umfrage der GEW Sachsen DIE BILDUNGSGEWERKSCHAFT Sachsen

Sachsen · aus, dass jede*r elfte Befragte Mob-bing am Arbeitsplatz als Belastung angibt. Belastungen in den verschiedenen Schularten Eine weitere Gruppe, die hervorsticht,

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GewerkschaftErziehung und Wissenschaft

Belastung sächsischer Lehrkräfte an SchulenBericht zur Umfrage der GEW Sachsen

 DIE BILDUNGSGEWERKSCHAFT

Sachsen

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Inhalt1. Umfang und Repräsentativität2. Ergebnisse

2. 1 Belastungsempfinden und Belastungsfaktoren2. 2 Arbeitszufriedenheit und Gesundheit2. 3 Unterstützungssystem2. 1 Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

3. Schlussfolgerungen4. Anhang

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Vorwort

Die Befragung wurde vom 26. Januar bis zum 6. Februar 2015 über eine On-line-Plattform durchgeführt. Es wur-den 1.506 Fragebögen ausgefüllt von denen 1.303 vollständig waren. Ins-gesamt entspricht die Verteilung der Befragten in Bezug auf Geschlecht,

Schularten, Alter und Teilzeitquote den statistischen Angaben der Lehrkräfte in Sachsen (vgl. Abb. 1). Die Repräsenta-tivität der Umfrage ist somit gewähr-leistet. Abweichungen über 5  Prozent bestehen lediglich bei dem geringeren Anteil von Lehrkräften an berufsbilden-

den Schulen, der Altersgruppe von 51 bis 65 Jahren und dem dadurch tenden-ziell geringerem Durchschnittsalter der Befragten sowie der größeren Teilzeit-quote bei Grundschullehrkräften. Eine tabellarische Übersicht der Daten be-findet sich im Anhang.

Lehrerinnen und Lehrer sind in ih-rer beruflichen Tätigkeit stark be-lastet. Diese Tatsache ist durch wissenschaftliche Studien belegt und inzwischen auch gesellschaft-lich anerkannt. Eine Lehrkraft muss während des Unterrichts über Stunden hin-weg hoch konzentriert sein und steht unter ständiger Reizüber-flutung. Trotz vieler Störungen in-nerhalb des Klassenzimmers muss

sie schnell hunderte Wahrnehmungen innerhalb des Unter-richtsprozesses verarbeiten und Entscheidungen treffen, um immer einen professionellen Überblick zu bewahren und den Unterricht zu navigieren. Die Anforderungen ähneln damit denen eines Fluglotsen.

Die GEW Sachsen führte im Schuljahr 2014/15 eine Umfrage unter Lehrkräften in Sachsen zu verschiedenen Belastungsfak-toren durch. Die gesammelten Ergebnisse stellen wir in dieser Broschüre vor. Sie sind in ihrer Gesamtheit wenig überraschend. Zwischen den Schularten, den Altersgruppen und hinsicht-lich verschiedener Faktoren ergeben sich jedoch interessante Unterschiede.

Auf der Grundlage dieser Befragung wird die GEW Sachsen ihre Forderungen für die bildungspolitische und tarifliche Gewerkschaftsarbeit weiterentwickeln. Wir stellen uns gegen die ständig zunehmende Aufgabenverdichtung und gegen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an Schulen! Denn die Lehrerinnen und Lehrer können eben nicht schon mit 55 in den Ruhestand gehen. Aber den Fluglotsen sei es gegönnt!

Jens Risse (stellv. GEW-Landesvorsitzender für den Bereich Schule)

Abbildung 1 - Anteil der Befragten und der Lehrkräfte in Sachsen nach Geschlecht, Schulart, Alter und Teilzeit (Quelle für Lehrkräfte in Sachsen: Amtliche Schulstatistik 2015)

1. Umfang und Repräsentativität

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2. Ergebnisse Die Auswertung der Einzelfragen aufge-schlüsselt nach Schularten, Geschlecht, Alter bzw. Berufsalter und Voll- bzw. Teil-zeit ergibt eine riesige Datenmenge. Im Anhang befindet sich eine grobe Über-sicht zu den Hauptdaten. Für die hier beschriebenen Ergebnisse wurden be-stimmte Fragen und Aspekte in Zusam-menhang gestellt und die umfangreichen Einzeldaten nach Relevanz bewertet. In dem Sinne ist die Darstellung der Ergeb-nisse eine Auswahl der wichtigsten As-pekte der gesamten Analyse.

2.1 Belastungsempfinden und BelastungsfaktorenBereits in der ersten Frage nach der all-gemeinen Arbeitsbelastung zeigen sich

erschreckende Ergebnisse. Nahezu alle Lehrkräfte schätzen ihre Arbeitsbela-stungen als sehr hoch oder hoch ein (94 %). Insbesondere an Grundschulen (96 %), Gymnasien (95 %) und an Mit-telschulen (96 %) wird die Belastung als hoch oder sehr hoch angegeben. Insgesamt ist die empfundene Bela-stung bei allen Schularten bedenklich hoch. Dazu kommt, dass mit steigen-dem Berufsalter auch das sehr hohe Belastungsempfinden tendenziell an-steigt (vgl. Abb. 2).

Für die GEW Sachsen war es vor al-lem wichtig, die Hintergründe der Belastung zu erfragen. Höchste Be-lastungsfaktoren scheinen im Allge-meinen Zeitmangel (66 %), Bürokratie (65 %) und Verhaltensprobleme von

Schüler*innen (62 %), aber auch Klas-sengrößen (58 %) zu sein (vgl. Abb. 3). Vor dem Hintergrund der Ergebnisse zu Arbeitszufriedenheit und Gesund-heit (Abschnitt 2.2) und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (Abschnitt 2.4) wird deutlich, dass die Belastung insbesondere durch ei-nen stetig zunehmenden Umfang von zusätzlichen Aufgaben bei gleichblei-bender Pflichtstundenzahl erklärbar scheint. Erschreckend ist darüber hin-aus, dass jede*r elfte Befragte Mob-bing am Arbeitsplatz als Belastung angibt.

Belastungen in den verschiedenen Schularten Vor allem in Grundschulen beklagen Lehrkräfte überdurchschnittlich oft Zeitmangel (75 %). Gleichzeitig haben sie die höchste Unterrichtsverpflich-tung mit 28 Stunden pro Woche. Im Ge-

gensatz dazu nennen knapp die Hälfte der Befragten an Förderschulen Zeit-mangel als Belastungsfaktor (48 %).

Auch Elterngespräche sind für Grund-schullehrkräfte ein überdurchschnittlich hoher Belastungsfaktor (64 %). Bei an-deren Schularten ist dieser Faktor signi-fikant niedriger (durchschnittlich 26 %).

84 % der Lehrkräfte an Grundschulen empfinden die Schullaufbahnberatung als stark oder sehr stark belastend (am Gymnasium sind es 45 %). Das weist darauf hin, dass Elterngespräche vor allem durch die frühe Entscheidung der Schullaufbahn nach der 4. Klasse, aber auch durch Empfehlungen für Förderschulen und andere Sonderwe-ge, zustande kommt.

An Gymnasien sind die Lehrkräfte vor allem durch Klassengrößen (72 % vs. 49 % im Durchschnitt der anderen Schul-arten) und Korrekturen (72 % vs. 32 % im Durchschnitt der anderen Schular-ten) belastet.

Oberschullehrkräfte empfinden vor al-lem das Verhalten von Schüler*innen überdurchschnittlich häufig als Bela-stungsfaktor (80 % vs. 62 %).Berufsschullehrer*innen liegen vor al-lem bei der Belastung durch Dienstbe-ratungen und neue Unterrichtsformen leicht über dem Durchschnitt.

Überraschende Ergebnisse?Eine weitere Gruppe, die hervorsticht, sind jene Lehrkräfte, die seit sechs bis zehn Jahren den Beruf ausüben. Zum einen fühlen sie sich durch körperliche Anstrengungen belastet (37 %) und lie-gen damit auf Augenhöhe mit Lehr-kräften, die über 35 Jahre im Beruf tä-tig sind (37 %). Im Vergleich dazu fühlen sich nur 13 % der unter fünf Jahre täti-gen Kolleg*innen durch körperliche An-strengungen belastet. Zum anderen sind für die Altersgruppe der sechs bis zehn Jahre tätigen Lehrkräfte Dienstberatun-gen und Vertretungsunterricht ein ver-gleichsweise hoher Belastungsfaktor (59 % und 58 %). Durch Verhalten von Schüler*innen hingegen fühlt sich die-se Gruppe fast gar nicht belastet (im Durchschnitt 16 % vs. 62 %). Eine Erklä-rung für diese Ergebnisse könnte sein, dass sich die Gruppe in einem Lebens-abschnitt mit eigenen Familienverpflich-tungen bzw. -erfahrungen befindet und folglich anders auf bestimmte Belastun-gen reagiert.

Zunächst scheint es überraschend, dass Abordnungen nur etwa 11 % der Be-fragten belastet. Dies entspricht jedoch in etwa der Abordnungsquote. Am Bei-spiel Mittelschule bedeutet dies: 10 % der Befragten fühlen sich durch Abord-nung belastet und das entspricht genau der Abordnungsquote. Jede abgeordne-te Lehrkraft fühlt sich demnach davon belastet.

Belastungsfaktoren durch Verände-rungen/ Entwicklungen im Schulall-tagAm häufigsten werden Verstärkung der individuellen Förderung, Schullaufbahn-beratung/ Bildungsempfehlung und Ver-gleichsarbeiten/ -tests als Faktoren ge-nannt, die sich durch Veränderungen

Abbildung 2 - Anteil der Befragten nach Berufsalter, welche die Arbeitsbelastung mit „sehr hoch“ einschätzen

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und Entwicklungen im Schulalltag bela-stend auswirken (vgl. Abb. 4).

Mögliche Erklärungen für das Ergebnis, dass die individuelle Förderung als bela-stend empfunden wird, werden im Kapi-tel zur Umsetzung der UN-Behinderten-rechtskonvention diskutiert.

Der Faktor Schullaufbahnberatung/ Bil-dungsempfehlung wird vor allem von den Grundschullehrer*innen geprägt.Vergleichsarbeiten/-tests sind für die GEW Sachsen aus nachvollziehbaren Gründen als Belastung aufgeführt, ist doch der Umfang in den vergangen Jah-ren in allen Schularten stetig gestiegen. Diese Arbeit stellt in der Regel eine rein zusätzliche Aufgabe ohne anderweitige Entlastung dar, da die erlangten Ergeb-nisse nicht als Noten genutzt werden kön-

nen und dennoch hoher Korrekturauf-wand entsteht.

2.2 Arbeitszufriedenheit und GesundheitDie größte Zufriedenheit wird über die Sicherheit des Arbeitsplatzes geäußert. Mehr als dreiviertel der Befragten sind zufrieden oder sehr zufrieden. Darauf folgen die räumliche Ausstattung und die Lehr- und Lernmittel. Allerdings sind dabei jeweils nur rund ein Drittel zufrieden oder sehr zufrieden.

Die größte Unzufriedenheit empfin-den die Befragten bei den Möglichkei-ten für einen würdevollen Altersüber-gang. 59 % sind sehr unzufrieden und weitere 31 % sind unzufrieden. Vier von

fünf Lehrkräften sind mit den Höher-gruppierungsmöglichkeiten unzufrieden oder sehr unzufrieden. Gesellschaft-liches Ansehen des Berufes (78 %), Pflichtstundenzahl (74 %) und Umfang der Wochenarbeitszeit (71 %) folgen auf den Plätzen danach (vgl. Abb. 5).

Einfluss von Verausgabung und AnerkennungEs ist in der Arbeitsmedizin allgemein an-erkannt, dass das Verhältnis von Veraus-gabung und Anerkennung ein wesent-licher, betriebsbedingter Einflussfaktor auf das Gesundheitsrisiko der Beschäf-tigten darstellt. Der betriebsärztliche Dienst an den Öffentlichen Schulen in Sachsen kann im Rahmen der individuel-len (freiwilligen) Vorsorgeuntersuchung den sog. ERI-Fragebogen (Effort-Reward Imbalance) einsetzen. Dabei werden die berufliche Verausgabung (beruflicher Aufwand) und Anerkennung (Wert-schätzung) erfasst. Das Ergebnis dient als Vorhersagewert für ein mögliches gesundheitliches Risiko, weil man davon ausgeht, dass ein andauerndes Missver-hältnis ein Gesundheitsrisiko darstellt.

Der Gesundheitsbericht 2008 der Sächsi-schen Bildungsagentur (SBA) hat für die verschiedenen Altersklassen einen leicht ansteigenden Trend beobachtet, wonach sich ältere Lehrkräfte stärker verausgaben: „Hinsichtlich der arbeitsbezogenen Be-anspruchung schätzen die Lehrkräfte die eigene Arbeitsfähigkeit insgesamt durch-schnittlich als gut ein. Auffällig sind aller-dings der hohe Anteil junger Lehrer und

Abbildung 3 - Belastungsfaktoren und die relative Häufigkeit der Nennung durch die Befragten

Abbildung 4 - Belastung durch Veränderungen/ Entwicklungen im Schulalltag

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der hohe Anteil älterer Lehrerinnen, die eher eine ungünstige Ausprägung der Ar-beitsfähigkeit angeben. Bei einem insge-samt günstig eingeschätztem Verhältnis von beruflichem Aufwand und Anerken-nung ist in den höheren Altersgruppen sowohl bei Lehrern als auch Lehrerinnen eine höhere berufliche Verausgabung im Vergleich zu den jüngeren Beschäftigten zu beobachten.“ (Scheuch et al.: Gesund-heitsbericht für Lehrerinnen und Lehrer der Sächsischen Bildungsagentur. Selbst-verlag der TU Dresden 2008, S. 61f.)

GesundheitVon den Befragten geben 39 % an, in den letzten Jahren häufiger krank gewesen zu sein. Dabei fallen in den Altersgruppen Berufsanfänger*innen mit bis zu zehn Berufsjahren (47 %) und erfahrene Lehrkräfte mit mehr als 35 Berufsjahren (43 %) auf. Dies steht in Übereinstimmung mit den

Ergebnissen des Gesundheitsberichtes von 2008 (s.o.).

Bei den Schularten liegen die Förder-schulen mit 51 % deutlich über dem Durchschnitt. Dieses Ergebnis findet sich auch in der Statistik der Ausfallzei-ten des Sächsischen Kultusministeri-ums (SMK) wieder. Im Jahr 2014 sind im Schulbereich 415.688 Arbeitstage durch Krankheit ausgefallen. Dies entspricht durchschnittlich 12,8 Kran-kentagen pro Person. Im Bereich der För-derschulen wurden allerdings 16,2 Kran-kentage pro Person registriert. An die-ser Schulart befindet sich 12 % des Perso-nals. Der Anteil der Krankentage an För-derschulen beträgt jedoch 15 % vom Ge-samtaufkommen. Dieser Fakt ist über die letzten Jahre beständig (vgl. Abb. 7).

An den Förderschulen besteht schon lange dringender Handlungsbedarf. Auch

bei den jungen und älteren Kolleginnen und Kollegen müssen die Ursachen aufgedeckt und Maßnahmen ergriffen werden. Bei der Unterscheidung nach Arbeits-vertragsumfang zeigt sich, dass 43 % der Teilzeitbeschäftigten angeben, öf-ter krank gewesen zu sein.

Es besteht die hinreichende Vermutung, dass Lehrpersonen, die gesundheitliche Probleme haben, häufiger eine Teilzeit-beschäftigung wahrnehmen. Dies zeigt sich auch bei den Langzeiterkrankungen (> 6 Wochen). 32 % der Teilzeitbeschäf-tigten geben an, davon bereits betrof-fen gewesen zu sein.

Von allen Befragten geben 26 % eine Langzeiterkrankung in der Vergangen-heit an. Dabei fallen die Mittelschul-lehrkräfte mit fast einem Drittel auf. Ursachenforschung seitens des Ar-

Abbildung 5 - Zufriedenheit über Arbeitsbedingungen

Abbildung 6 - Aussagen der Befragten zu Gesundheit

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beitgebers gibt es dazu bisher nicht. Im Bericht der SBA zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) für das Schuljahr 2013/ 14 werden aktuell 7,26 % Langzeiterkrankte ausgewiesen. Dabei haben die Förderschulen wie-derum den höchsten Anteil (10,87 %) vor den Mittelschulen (7,09 %). In der Befragung geben 37 % der älteren Lehr-personen (> 35 Berufsjahre) an, bereits langzeiterkrankt gewesen zu sein.

Die Anzahl der Langzeiterkrankten nimmt ständig zu. 2007 wurde zwischen Lehrer-Hauptpersonalrat und SMK die Dienstvereinbarung zum BEM abge-schlossen. Erst seit diesem Zeitpunkt gibt es eine Statistik der SBA. Diese zeigt einen deutlich ansteigenden Trend beim Anteil der langzeiterkrankten Lehrkräfte (vgl. Abb. 8). Es sind Maßnahmen erforderlich, die Langzeiterkrankungen vermindern kön-nen. Dazu gehört ein wirksames BEM. Gegenwärtig wird das Verfahren nicht allen Langzeiterkrankten angeboten. Nur 52 % der in Betracht kommenden Befragten gibt an, dass ihnen BEM an-geboten wurde. Die SBA selbst gibt für das Schuljahr 2013/ 14 an, dass nur 37,7 % der Lang-zeiterkrankten das Verfahren des Be-trieblichen Eingliederungsmanagements angeboten wurde. Lediglich für 19,9 % der Langzeiterkrankten (424 Fälle) wur-de das Verfahren eingeleitet. In nur 31 Fällen wurde der Betriebsarzt beteiligt.

Darüber hinaus ist das BEM in sei-ner Wirksamkeit sehr eingeschränkt, denn die Schulen werden damit allein gelassen. Maßnahmen zur Entlastung der Lehrpersonen sind erforderlich.Von den Befragten geben 86 % an, über Angebote des Arbeitgebers zur Gesundheitsförderung nicht ausrei-chend informiert zu sein. Lediglich 15 % der Befragten wurden Maßnah-men zur Gesundheitsförderung ange-boten. 66 % derer, die ein Angebot erhielten, haben es auch genutzt. Dies spricht für umfassendere Angebote und In-formationen zu entsprechenden Maß-nahmen.

ArbeitsfähigkeitWeitergehende Analysen und mögli-che Erklärungsmuster zum Thema Ge-sundheit liefert die Betrachtung der Arbeitsfähigkeit mittels Work Ability Index, der Aussagen zur psychischen

und physischen Verausgabung sowie zum individuellen Gesundheitszu-stand und zu Leistungsreserven im Kontext Arbeit liefert. Eine Studie des Instituts für Arbeits- und Sozialmedi-zin der TU Dresden von 2014 kommt diesbezüglich zu folgendem Ergebnis:

„Insgesamt schätzen die älteren Leh-rerinnen ihre Arbeitsfähigkeit schlech-ter ein als ihre jüngeren Kolleginnen [männl. Lehrkräfte konnten dabei nicht untersucht werden, Anm. GEW]. Sie ge-ben an, unter mehr Erkrankungen zu leiden und stärker durch diese in ihrer Arbeit beeinträchtigt zu werden. Auch ihre zukünftige Arbeitsfähigkeit schät-zen sie pessimistischer ein und berichten geringere psychische Leistungsreserven. Kein Unterschied zeigt sich im Kranken-stand der letzten 12 Monate.” (Seibt et al.: Analyse von arbeitsbezogenen Merkmalen und Gesundheit bei jünge-ren und älteren Lehrkräften. Selbstver-lag der TU Dresden 2014, S. 59)

Ansprechpartner*innenUnterstützung in gesundheitlichen An-gelegenheiten, die mit dem Arbeitsle-ben im Zusammenhang stehen, finden

Lehrer*innen insbesondere beim Be-triebsarzt oder der Fachkraft für Ar-beitssicherheit. Die Kontaktadresse ist im Schulportal für jede Schule veröf-fentlicht.Ansprechpartner*innen sind neben der GEW auch die Personalräte und Schwer-behindertenvertretungen. Langzeiter-krankte haben einen Anspruch auf das Betriebliche Eingliederungsmanagment (BEM). Der Lehrer-Hauptpersonalrat hat 2007 dazu eine Dienstvereinbarung abgeschlossen. Diese findet sich auf der Internetseite der GEW Sachsen. An-fragen können an [email protected] gerichtet werden.

2.3 Unterstützung

Eine wichtige Rolle in der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer spielen die ver-schiedenen Unterstützungssysteme. Neben der Unterstützung durch das Kultusministerium, die Sächsische Bil-dungsagentur, das Sächsische Bildungs-institut (SBI) und Schulleitungen sind hier die Unterstützung durch Schulso-zialarbeit und Schulpsycholog*innen zu nennen.

Abbildung 7 - Durchschnittliche Krankentage pro Person (Statistik des SMK)

Abbildung 8 - Lehrpersonen und Anteil der Langzeiterkrankten ab dem Schuljahr 2007/08 (Statistik der SBA)

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Die Aufgaben und Anforderungen haben sich in den letzten Jahren stark verän-dert. Nur 8 % der befragten Lehrkräfte fühlen sich durch Fortbildungsangebote gut auf die Herausforderungen (z. B. die verstärkte individuelle Förderung von Schüler*innen, Schulprogrammentwick-lung oder Schullaufbahnberatung) vorbe-reitet. 69  % geben hingegen an, dass sie sich schlecht oder sehr schlecht vorberei-tet fühlen. Dabei gibt es keine signifikan-ten Unterschiede zwischen den jüngeren und älteren Lehrkräften. Am besten wird die Unterstützung durch die Schulleitun-gen, unabhängig von der Schulart, emp-funden. Dennoch fühlen sich dabei nur 28  % stark oder sehr stark unterstützt (vgl. Abb. 9).

Lehrkräfte wünschen sich Fortbildungs-maßnahmen, die sie auf die sich ver-ändernden Rahmenbedingungen vor-bereiten. Diese Maßnahmen werden hinsichtlich Zeitpunkt, Finanzierung, Umfang und Qualität größtenteils als durchschnittlich bewertet (vgl. Abb. 10). 43  % der Befragten antworten, dass diese Maßnahmen insgesamt weder stark, noch schwach ihren Erwartungen entsprachen. Bemerkenswert ist, dass für 42 % der Befragten Fortbildungen nur schwach oder sehr schwach die Er-wartungen erfüllen, für nur 15 % stark oder sehr stark. Dabei wird am kritischs-ten der Zeitpunkt der Fortbildungen be-wertet.

Viele Lehrkräfte wünschen sich Unter-stützung durch Schulsozialarbeit. Diese findet aber bisher in zu geringem Um-fang statt. 63  % der Befragten sind da-mit sehr unzufrieden oder unzufrieden (vgl. Abb. 5).

2.4 Umsetzung der UN-BRK

Im Frühjahr 2015 hat die UNESCO den Freistaat Sachsen angemahnt, da seit 2009 zu wenig für die Umsetzung der UN-Konvention über Menschen mit Behinde-rungen erfolgt ist. Es fehlt an gesetzlichen Grundlagen und noch immer wird ein Großteil der Schüler*innen mit Behinde-rungen, aber auch mit Lernschwächen oder sozial-emotionalem Förderbedarf in Förderschulen unterrichtet. Bei den we-nigen sächsischen Versuchen, Inklusion umzusetzen, werden gleichzeitig nicht die benötigten Rahmenbedingungen ge-schaffen.

So geben über die Hälfte der Befragten an, dass sie Erfahrungen mit Verstößen gegen die Integrationsordnung hinsicht-lich der Klassengröße gemacht haben. Bei der Mittelschule, die häufig für Inklu-sionsmodellprojekte gewählt wird, geben sogar 63  % der Befragten an, dass sie be-reits Erfahrungen mit zu großen Klassen bei Intergrationsmaßnahmen gemacht haben.

Folglich scheint es auch wenig verwun-derlich, dass 77 % der Befragten angeben, sie würden ihren eigenen pädagogischen Ansprüchen bei der Integration/ Inklusi-on nicht oder zu wenig gerecht werden können. Gleichzeitig verweisen 91  % der Befragten darauf, dass ihnen der Mehr-aufwand durch Inklusion gar nicht oder zu wenig abgegolten wird und 69  % der Befragten fühlen sich gar nicht oder zu wenig durch Fortbildungen auf Inklusion vorbereitet.

Es lässt sich somit zusammenfassen, dass Lehrer*innen im Durchschnitt einen hohen Anspruch haben, Inklusion umzu-setzen, aber zu wenig Zeit und Fortbil-dungsmöglichkeiten dafür bereitgestellt werden. Für diese Interpretation spricht

ebenfalls, dass die verstärkte individuelle Förderung der einzige Faktor im Schul-alltag ist, den die besonders belastete Gruppe der Lehrkräfte mit Langzeitkrank-heitserfahrung nicht belastender empfin-det als der Durchschnitt.

3. SchlussfolgerungenDie Ergebnisse der Umfrage zeigen deut-lich, dass Lehrkräfte in Sachsen an ihren Belastungsgrenzen arbeiten. In Anbetracht der demografischen Entwicklung und den steigenden zusätzlichen Aufgaben sowie pädagogischen Herausforderungen ver-schleißt das Land Sachsen seine eigenen Lehrkräfte. Der dargestellte Zusammen-hang zwischen Belastung und beeinträch-tigter Gesundheit ist ein alarmierendes Zeichen dafür. Die GEW Sachsen fordert daher von den politischen Entscheidungs-trägern, sofortige Maßnahmen zur Entla-stung der Lehrkräfte zu ergreifen.

Lehrer*innen benötigen mehr Zeit, um den gestiegenen Aufgaben unter pädagogischen Ansprüchen gerecht zu werden. Daher ist eine Senkung der Pflichtstundenzahl dringend notwendig. Dies betrifft insbesondere die Grund-schullehrkräfte, bei denen Zeitmangel als Belastungsfaktor am stärksten ausge-prägt ist. Zusätzliche Aufgaben müssen durch entsprechende Anrechungsstun-den ausgeglichen werden.

Insbesondere Altersgruppen mit fa-miliärer Belastung (sechs bis zehn Be-rufsjahre) fallen bei den Belastungen auf (körperliche Anstrengung, Vertre-tungsunterricht, Zeitmangel). Gerade in Anbetracht der Notwendigkeit eines attraktiven Lehrer*innenberufs für den bevorstehenden Generationenwechsel sind Maßnahmen zur Familienfreund-lichkeit nötig.

Die Unterstützungssysteme müssen dringend ausgebaut werden. Die Anzahl der Schulpsycholog*innen ist wesent-lich zu erhöhen. Schulsozialarbeit ist so auszubauen, dass jede Schule min-destens einen Sozialarbeiter bzw. eine Sozialarbeiterin hat, Schulen mit beson-deren Herausforderungen auch mehre-re. Die Verlässlichkeit und langfristige Planbarkeit von Schulsozialarbeit ist zu gewährleisten. Basis können dafür auf keinen Fall zeitlich begrenzte Projekte

Abbildung 9 - Unterstützung durch die Institutionen

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sein. Schulsozialarbeit ist kein Anhäng-sel, sondern ein pädagogisch wichtiges Unterstützungssystem für eine immer heterogenere Schüler*innenschaft.

Die Qualität und Quantität von Fortbil-dungsveranstaltungen ist unbedingt zu erhöhen. Die Lehrkräfte an den Schulen müssen für die anstehenden Probleme besser vorbereitet und begleitet werden. Als Beispiel ist die Betreuung von trau-matisierten geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu nennen. Dafür sind Ver-anstaltungen nach einem Unterrichtstag denkbar schlecht geeignet.

Darüber hinaus ist ein Ausbau der Maß-nahmen des Arbeitsschutzes erforder-lich. Der Arbeitgeber ist verpflichtet die erforderlichen Maßnahmen des Arbeits-schutzes zu treffen. Diese Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen (§3 ArbSchG). Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden wird (§4 ArbschG).

Der Arbeitgeber hat eine Beurteilung der Gefährdung am Arbeitsplatz vor-zunehmen. Daraus ergeben sich die erforderlichen Maßnahmen. Eine Ge-fährdung kann sich insbesondere durch die Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte sowie psychische Bela-stungen bei der Arbeit ergeben (§5 ArbSchG). An öffentlichen Schulen sind diese „Unternehmerpflichten“ auf die Schulleitung übertragen worden. Zu deren Unterstützung hat die Bildungs-agentur Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit vertraglich gebunden (§1 ASiG).

Diese stehen insbesondere auch den Lehrerpersonalräten an den Schu-len (ÖPR) und den Beschäftigten als Ansprechpartner*innen zur Verfügung. Die Kontaktdaten sind über das Schul-portal veröffentlicht. An den jährlich stattfindenden Begehungen und Aus-wertungen sollte der ÖPR teilnehmen (§74 SächsPersVG). Nur so lässt sich der Einfluss des Kollegiums auf erforderliche Maßnahmen sichern.

Bei den erforderlichen präventiven Maß-nahmen geht es immer um die Verhält-nisse und das Verhalten. Leider wird bei den Gefährdungsbeurteilungen nahezu ausschließlich auf die einzelne Schule abgestellt. Eine Auswertung schulüber-

greifender Gefährdungen erfolgt bisher nicht. Maßnahmen, die außerhalb der Kompetenz der einzelnen Schule liegen, werden somit nicht möglich. Belastun-gen durch beispielsweise Abordnungen, Einsatz von schulartfremden Lehrkräften und Seiteneinsteiger*innen, zu große Klassen mit hohem Anteil an sonderpäd-agogischen Förderbedarf, hoher Kran-kenstand usw. werden nicht erfasst.

Auch wenn die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung in Sachsen innerhalb Deutschlands eine Spitzenposition einnimmt, sind ange-sichts der hier vorliegenden Ergebnisse weitere Fortschritte dringend erforder-lich. Die Ergebnisse von individuellen Pflicht-, Angebots- oder Wunschunter-suchungen müssen anonymisiert in die Bewertung der erforderlichen Arbeits-schutzmaßnahmen einfließen.

Unsere Befragung hat z.B. ergeben, dass sich nahezu jede abgeordnete Lehrkraft durch diese Personalmaßnahme belastet fühlt. Untersuchungen, ob dieses Bela-stungsempfinden Auswirkungen auf den Krankenstand hat, gibt es bisher nicht. Bestrebungen, die große Zahl an Abord-nungen deutlich zu verringern, gibt es auch nicht.

Abbildung 10 - Entsprechung der angebotenen Fortbildungsmaßnahmen mit den Erwartungen

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4. AnhangErgebnistabelle

Übersicht zu den Gesamtergebnissen

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Herausgeberin:Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB – Landesverband Sachsen

Verantwortlich: Ingolf MatzNonnenstraße 58, 04229 LeipzigTelefon: 0341 - 49 47 412, Fax: 0341 - 49 47 406E-Mail: [email protected], Internet: www.gew-sachsen.deRedaktion: Ingolf Matz, Jens Risse, David Jugel, Burkhard NaumannGestaltung: Burkhard NaumannSatz und Layout: Andreas KanterDruck: Druckerei + Werbezentrum Peik Bechmann, Leipzig

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